Aufklärung. Liebe. Einheit. Vielfalt. Identität. - Aleviten-HSK

Transcrição

Aufklärung. Liebe. Einheit. Vielfalt. Identität. - Aleviten-HSK
Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
A.L.E.V.I.
Liebe.
Einheit. Vielfalt.
Identität.
Erscheinungsjahr 2014
Aufklärung.
Ein Magazin über die Zukunftswerkstatt Alevitentum
Entstehung, Leitgedanken und Ziele
Themen und Meinungen rund um das Alevitentum
Impressum
Herausgeber: Alevitische Akademie,
Erschienen im Rahmen des Projekts
„Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein
Jugendprojekt der Alevitischen Akademie“
Anschrift des Herausgebers:
Alevitische Akademie
Mannheimerstr. 105a
68535 Edingen – Neckarhausen
Telefon: 0621 / 397 727 14
Fax: 0621 / 397 726 87
Internet: www.aleviakademisi.org
E-Mail: [email protected]
Auflage: 4.000
Vertrieb: Eigenvertrieb
Erscheinungsjahr 2014
Projektleitung: Mehmet Ali Öztoprak
Redaktion: Mehmet Ali Öztoprak,
Beyhan Kepenek
Gastautoren dieser Ausgabe: Ezgi Fidan­
o¤lu, Tuna Sürücü, Mutlu Aval›r, Burcak Tun­
cel, Ali Zülfikar Ay, Aynur Küçük, Cem Kara,
Gözde Özdo¤an, Alev Seda Özdemir, Eren Ali
Kök, Yusuf Usul, Mahir fiahin, Zübeyde ‹nce,
Alev Sar›alt›n, Pinar Bozkurt, Sunay Eryi¤it,
Suzan Eryi¤it
Fotos: privat, Gülcan Ayval›k S. 36, 85, 86, 88
Gestaltung: Gülcan Ayval›k
Alle Rechte vorbehalten. Die von uns gesetz­
ten, gestalteten und veröffentlichten Texte,
Illustrationen und grafischen Darstellungen
dürfen nur mit ausdrücklicher Zustimmung
des Vereins reproduziert oder nachgedruckt
werden. Trotz sorgfältiger Bearbeitung kann
der Verein für etwaige redaktionelle oder
technische Fehler sowie die Richtigkeit und
Vollständigkeit der Angaben keine Haftung
übernehmen. Stand: März 2014
Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
A.L.E.V.I.
Aufklärung.
Liebe.
Einheit. Vielfalt.
Identität.
Vorspann
[email protected]
INHALT
Vorspann
6
Alevitische Akademie
Vorstellung und Begrüßung
8
Zukunftswerkstatt
Entstehung, Leitgedanken und
Ziele
10
Vorstellung der Teams
1. Wer sind wir?
2. Was machen wir?
3. Was wollen wir erreichen?
Team Presse
Team Alevitentum
Team Geistliche
Team Cem Evi
Team Projektakquise
Team Internet
Team Organisation
Aufklärung
18
Einführung in das Thema
Alevitentum
Cem Zeremonien
Unterschiede und
Gemeinsamkei­ten
K›rklar Cemi
Irflat Cemi (Gençlik Cemi)
Müsahiplik Cemi
34
Unsere Liebe zum Glauben
Eine Einführung
36
36
Vereinsarbeit
Vorstellung, Intention und Ziele der
Fördermitglieder der alevitischen
Akademie und der Vorsitzenden
Bochum AKM
21
Die 12 Imame und ihre
Bedeutung
37
Sundern AKM
38
26
Aleviten in Syrien
Gastbeitrag von Ali Zülfikar Ay
Was, Wie, Wo?
Erfahrungsberichte der Jugendlichen zu den Wochenend­­
seminaren
28
Die Geistlichen
Wer sind die Geistlichen und welche Stellung haben sie im Alevitentum?
30
5 Fragen 5 Antworten
Nachspann
91
Präsentation der Alevitischen
Akademie
94
Fördermitglied werden
2
Impressum
Liebe
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Vorspann
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Vielfalt
Einheit
54
Identität
fiah Ismail Hatayi und seine
Bedeutung für das Alevitentum
Sein Leben und die Staatsgrün­
dung
67
Vielfalt
78
ARU - Identitätsbildung von
klein auf
68
Aleviten in Anatolien
Sitten, Bräuche, Kultur
80
58
Frauen im Alevitentum
Rolle und Funktion einer „Ana“
im Alevitentum
70
Aleviten auf der ganzen Welt
Weltkarte und Infos über die
ausgewählten Länder
Identitätsbildung von alevitischen Jugendlichen
Gastbeitrag über die Zusammenar­
beit mit alevitischen Jugendlichen
85
63
Wir zeigen Einheit
Alevitische Seelsorge
72
Vielfalt im Glauben und
kulturelle Vielfältigkeit
Bektaschi, arabische Aleviten,
Ehli Hak und die kulturelle
Vielfältigkeit
Identitätsbildung von jungen
Erwachsenen
87
Unsere Kinder sind unsere
Zukunft
88
Lieder für Kinder
- Selbstfindung im Glauben
durch alevitische Projekte
- Zusammentreff von
Gleichgesinnten
90
Lesenswert Zwei Buchrezensionen
75
Rezepte
Aflure
Babuko (Tunceli/Dersim)
Mad›mak (Sivas)
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Alevitische Akademie
Respekt statt
Toleranz
Es ist beachtlich, dass Aleviten an­
dere Glaubensgemeischaften als
gleichwertig betrachten und sie
entsprechend achten. Doch oft­
mals wird ein Begriff verwendet,
welcher das Mass dieser Ach­tung
unbewusst reduziert. Der Begriff
heißt „Hoflgörü“– was so viel be­
deutet wie Toleranz.
Aber tolerieren wir andere Glauben,
wenn wir beim Besuch einer Kirche
uns gleich wie ein uns vorausge­
hender Christ verhalten, indem wir
eine Kerze anzünden, in Ehrfurcht
den sakralen Raum betreten, mit ih­
nen singen und uns am Amen beteili­
gen? Nicht anders verhalten wir uns,
wenn wir eine Synagoge oder einen
anderen für eine Religionsgemein­
schaft heiligen Raum betreten oder
betreten würden. Nein, das ist mehr
als Toleranz. Wir respektieren diese
Glauben und ihre Gemeinschaften.
Auch die Tatsache, dass wir keine
Missionierung kennen, ist Ausdruck
dieser Wertschätzung.
Wie sieht es aber mit unserem Res­
pekt innerhalb unserer Gemeinde
aus? Es wird immer schwieriger den
traditionellen alevitischen Weg zu
be­schrei­ten, ohne Vorwürfen und
Missachtungen aus den eigenen Rei­
hen ausgesetzt zu sein. Hier gilt die
Aufforderung, zunächst seinen ei­
genen Glauben zu kennen, um sich
dann auch eine Meinung bilden zu
können.
Wir haben einen über Jahrhunderte
überlieferten Glauben. Wie entstand
dieser Glaube und wie wurde er an
die Generationen weitergegeben?
Viele verschiedene Meinungen füh­
ren heute zu einem Zerrbild des Ale­
vitentums. Umso schwieriger wird es,
sich dessen bewusst zu sein, wo­für
eigentlich unser Glaube steht.
Die Alevitische Akademie hat es sich
zur Aufgabe gemacht, gerade hier
anzusetzen: Alevitische Quellen sollen
es vereinfachen, auf Fragen richtige
Antworten zu finden. Denn die Quel­
le birgt die Wahrheit in sich. Auch die
Überlieferung der traditionellen ale­
vitischen Lehre soll es ermöglichen,
dass jedes Individuum durch Kenntnis
der Lehre sich entwickeln und seinen
Weg finden kann. Lehrveranstaltun­
gen insbesondere für Jugendliche
stehen daher ganz oben auf unserer
Tagesordnung.
Viele besuchen wir heutige Cem-Got­
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
tesdienste. Die Gebete und Dienste
finden in türkischer Sprache statt,
wobei auch Fremdwörter aus dem
arabischen oder persischen verwen­
det werden. Allein dem türkischen zu
folgen, bereitet uns schon Schwierig­
keiten. Aber rühmen wir uns nicht,
dass wir gerade in der Sprache beten,
die wir auch verstehen. Folglich müs­
sen wir auch die Wege finden, damit
alle verstehen, was im Cem gespro­
chen wird. Die innere Bedeutung der
Gebete und der Sinn der einzelnen
Dienste sind daher nur einige der
Themen unserer Seminare.
Einst sprudelte Wissen und Weisheit
aus dieser Gesellschaft heraus. Den­
ker, Dichter und Geistliche hinterlie­
ssen uns Werke, die wir heute noch
zur Grundlage unseres Glaubens
nehmen. Wer findet heute die rich­
tigen Antworten für die Zeit und
welche Lieder werden heute für die
nächsten Jahrhunderte komponiert.
Welche Verse heutiger Dichter be­
eindrucken uns? Fragen, auf welche
die Alevitische Akademie Antworten
sucht.
Wir stellen fest, dass der Materialis­
mus des 20. Jahrhunderts uns sehr
beeinflusst hat. So sehr, dass unser
Vorspann
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Idealismus schwindet. Hier setzt die
Alevitische Akademie an. Projekte
und Veranstaltungen sollen dazu an­
regen, dass Menschen den Mut fin­
den, in die Fussstapfen der Menschen
zu treten, die unsere Ideale bilden.
Zu unseren Idealen gehörten einst
auch stets unsere Geistlichen. Mit
der Migration hat sich unsere Geist­
lichkeit auch dem Erwerbsleben ge­
widmet und dabei sein Ehrenamt
vernachlässigt. Ungeachtet der Fra­
ge, ob die Geistlichkeit noch als Eh­
renamt fortgeführt werden kann,
bedarf es einer soliden Aus- und Fort­
bildungsmöglichkeit für heranwach­
sende Geistliche. Einerseits brauchen
wir eine Geistlichkeit, die auf alle Fra­
gen um die Glaubenslehre eine Ant­
wort bietet. Andererseits ist es auch
von besonderer Bedeutung, dass der
Glaube gerade von den Geistlichen
gelebt wird und die Geistlichen eine
Vorbildfunktion ausüben. Theorie
und Praxis sind daher parallel zu be­
rücksichtigen und der Geistliche auf
ein entsprechendes Leben vorzube­
reiten. Zu diesem Zweck wurde unter
dem Dach der Alevitischen Akademie
eine Arbeitsgemeinschaft für Nach­
wuchsgeistliche gebildet.
Inzwischen leben wir seit über fünf
Jahrzehnten in Europa. Doch nur ein
geringer Anteil der Menschen in Euro­
pa kennt das Alevitentum. Immer wie­
der werden wir gefragt, wer wir sind
und was das Alevitentum ausmacht.
Wir haben es nicht geschafft, uns der
Mehrheitsgesellschaft vorzustellen. In
der Abgeschiedenheit, in Rand- und
Gewerbegebieten versammeln wir
uns. Das Cemhaus ist eine Einrich­
tung, die ihren Platz im Stadtzentrum
finden muss. Denn hier versammelt
sich eine Gemeinde, die keine Un­
gleichheiten kennt. Hier kommen ver­
schiedene Men­schen zusammen und
werden gleich behandelt. Hier fin­
den Menschen Frieden und Freunde.
Umso mehr ist daher die Alevitische
Akademie bemüht, die Alevitische Ge­
mein­de der Öffentlichkeit vorzustel­
len, indem sie Veranstaltungen für
Nicht­ale­viten vor Ort organisiert oder
unterstützt.
Anzumerken ist noch die Situation
der alevitischen Lehre an den Univer­
sitäten. Auch hier ist die Alevitische
Akademie bemüht, einen eigenen
Lehrstuhl für die alevitische Theologie
zu erreichen. In Österreich sind die
Errungenschaften auf diesem Gebiet
beachtlich. Der Masterstu­dien­gang
an der Uni Innsbruck findet bereits
seit 2012 statt. Die Alevitische Aka­
demie ist in diesen Prozess eingebun­
den und unterstützt den dortigen
Vorgang mit allen Mitteln. Die The­
ologischen Lehrveranstaltungen wer­
den von Alevitischen Akademikern
vorgetragen, welche in Absprache
mit der Akademie organisiert wur­
den. Die Zeichen stehen gut und die
Bestrebungen der österreichischen
ALEVI Gemeinde machen uns zuver­
sichtlich, dass der erste alevitische
Lehrstuhl Europas an einer Universi­
tät in Österreich eingerichtet wird.
Vielleicht möchtest du auch etwas
für deinen Glauben tun und weisst
nicht, wo du anfangen kannst. Die
Alevitische Akademie sucht kluge
Köpfe und gläubige Herzen für ihre
umfangreichen Arbeiten. Wir freuen
uns über jeden Beitrag und alle An­
regungen.
Sedat Korkmaz
Akademievorstand
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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Entstehung, Leitgedanken und Ziele
ZUKUNFTS
WERKSTATT
Alevitentum
Liebe Jugendliche,
liebe Leser,
Ihr haltet gerade in den Händen die
Zeitschrift unseres Jugendprojektes
„Zukunftswerkstatt
Alevitentum“.
Mit dieser Jugendzeitschrift wollen
wir Euch „die Alevitische Akademie“,
das Jugendprojekt, die Jugendlichen
die in diesem Projekt mitmachen und
die bisher geleistete Arbeit vorstellen.
Eure Meinungen und Anregungen
sind erwünscht.
Entstanden ist die Zukunftswerkstatt
aus der alltäglichen Praxis heraus.
Jugendliche, die sich für das tradi­
tionelle Alevitentum interessieren,
sollten eine Plattform haben, um ge­
meinsam für das Alevitentum Ideen
zu entwickeln und umzusetzen. Im
Rahmen der Alevitischen Akademie
haben wir uns überlegt, wie wir ta­
lentierte Jugendliche (angehende
Abiturienten, Studenten, Akademi­
ker), die wir oft auf verschiedenen
Veranstaltungen trafen und die oft
den Wunsch äußerten, sich für ihren
Glauben engagieren zu wollen, für
uns gewinnen können. So entwickel­
te ich als Generalsekretär der Akade­
mie ein Konzept. Nachdem es vom
10 Vorstand der Alevitischen Akademie
abgesegnet wurde, begann ich mit
der Arbeit. Dezember 2012 wurde
die Zukunftswerkstatt gegründet.
Was ist die Zukunfts­werk­
statt?
Die Zukunftswerkstatt ist eine Platt­
form für alevitische Jugendliche, die
sich für ihren Glauben – das Aleviten­
tum – engagieren wollen. Jeder der
die Liebe zu Hz. Ali in sich trägt kann
mitmachen, Ideen entwickeln und
umsetzen. Ihr müsst weder Mitglied
in einem Verein sein, noch müsst ihr
euch im Alevitentum bestens ausken­
nen. Bei uns könnt ihr alles erlernen.
Wir erwarten, Zuverlässigkeit, Ver­
antwortungsbewusstsein, Engage­
ment und die Bereitschaft sich für
das traditionelle Alevitentum zu en­
gagieren.
Die Zukunftswerkstatt besteht aus
Teams und Teamleitern. In der Gra­
fik, könnt ihr den aktuellen Aufbau
der Zukunftswerkstatt sehen. Die
jeweiligen Teamleiter der 7 Teams
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
koordinieren und leiten das jeweilige
Team. Sie sind für die Umsetzung und
Entwicklung von Ideen verantwortlich
sowie für die Aufgabenverteilung an
die Teammitglieder. Die Teams wer­
den zusätzlich von professionellen
Coaches begleitet, damit wollen wir
die Qualität der anvisierten Ziele ge­
währleisten. Jedes Team erfüllt in­
nerhalb der Zukunftswerkstatt eine
andere Aufgabe. Sicher kann sich et­
was am Aufbau und der Struktur der
Zukunftswerkstatt ändern. Die Team­
leiter treffen sich regelmäßig um die
Projektarbeit zu optimieren. Sie spre­
chen sich ab, um Defizite so schnell
wie möglich auszuräumen.
Was hat die Zukunftswerk­
statt bis jetzt umgesetzt?
Welche Ziele wurden für
das Alevitentum erreicht?
Es galt zunächst eine Struktur ins Pro­
jekt zu integrieren. So verbrachten wir
unser erstes Treffen damit eine funk­
tionierende Infrastruktur zu schaffen,
ebenfalls wurde beim ersten Treffen
Vorspann
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diskutiert, welche Aufgaben die je­
weiligen Teams zu erfüllen haben.
Die Zeitschrift, die du gerade in der
Hand hältst, ist ein Ergebnis der Zu­
kunftswerkstatt und wurde vom
Team Presse & Öffent­­lich­keitsarbeit
entwickelt. Das Team Ale­vitentum
organisierte mehrere Wochen­end­se­
minare zum Thema „Grund­lagen der
alevitischen Glau­bens­lehre“, weil sie
erkannte, dass die Jugendlichen oft
große Wis­senslücken im Bereich Ale­
vitentum aufwiesen. Durch das Team
Nachwuchsgeistliche kamen ca. 100
Jugendliche aus geistlichen Familien
zusammen, die als Geistliche für die
Zukunft ausgebildet werden wollten.
Im Rahmen des Jugendprojekts ist
eine Istanbulreise geplant. Dort wol­
len die Jugendlichen wichtige alevi­
tische Glaubensstätte wie fiah Kulu
oder Karacaahmet besichtigen bzw.
sich untereinander besser kennen
lernen. Es ist also eine ganze Menge,
- leider kann ich hier nicht alles auf­
zählen- , was dieses Projekt bisher an
Mehrwert für unseren Glauben ge­
leistet hat.
Was will die Zukunfstwerk­ Die Fortführung des Projektes hängt
statt in Zukunft erreichen?
Langfristig ist es erstrebenswert, wich­
tige Positionen in den Projekten, mit
kompetenten Jugendlichen zu beset­
zen, die nachhaltig gute Arbeit leisten
und Vorhaben erfolgreich abschlie­
ßen. Das Projekt soll ein Mehrwert
für die Aleviten und für das Aleviten­
tum hervorbringen. Die Alevitische
Akademie wird das Projekt auch in
Zukunft in vollem Umfang fördern.
Die Zukunftswerkstatt profitiert aus
den bestehenden Strukturen der
Alevitischen Akademie. Doch für die
Zukunft wollen wir eine Eigenständi­
ge, noch besser funktionierende und
ergebnis­orientierte
Zukunftswerk­
statt schaffen.
Zusammenfassend hängt der Erfolg
des Projektes vom individuellen Ein­
satz eines einzelnen Jugendlichen
ab. Gemeinsam mit den Teamleitern
werden wir uns überlegen, wie die
Zukunftswerkstatt in Zukunft ausseh­
en soll. Welche Änderungen sich er­
geben werden, steht noch offen.
vom Willen der Jugendlichen ab. Vor­
rangig werden die herausgearbeite­
ten Ziele der einzelnen Teams Priori­
tät haben. Wenn diese erreicht sind,
werden sich die Verantwortlichen
zusammenfinden und sich über die
Zukunft des Projektes austauschen.
Bist du an einer Fortführung der „Zu­
kunftswerkstatt Alevitentum“ interes­
siert? Falls wir deine Neugier geweckt
haben und du ebenfalls mitmachen
möchtest, kannst du dich gerne per EMail mit einer kurzen Vorstellung an
die Alevitische Aka­demie wenden.
>>>
Mehmet Ali Öztoprak
Projektleitung Zukunftswerkstatt,
Generalsekretär Alevitische
Akademie
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
11
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ZUKUNFTS
WERKSTATT
Vorstellung der Teams
1. Wer sind wir? 2. Was machen wir? 3. Welche Ziele wollen wir erreichen?
Team Presse
Beyhan Kepenek, Mehmet Ali Öztoprak
12 Wir, das Team „Presse“, sind eine Grup­
pe aus 10 ehrgeizigen und jungen Mit­
gliedern, die aus verschiedenen Teilen
Deutschlands kommen. Unser Team stellt
eine Stütze für die Planung, Gestaltung
und Umsetzung der Presse- und Öffent­
lichkeitsarbeit der Zukunftswerkstatt dar.
Ziel ist es die Zukunftswerkstatt unter
dem Dach der Alevitischen Akademie
nach innen zu stärken und nach außen hin
souverän und umfassend darzustellen.
Unsere Aufgaben sind u.a. die Beantwor­
tung von Pressefragen, Veröffentlichung
von Presseartikeln und Vermittlung von
Pressekontakten. Wir dokumentieren
und veröffentlichen alle wichtigen Er­
eignisse und Veranstaltungen der Zu­
kunftswerkstatt, um die Zilegruppen zu
erreichen und diese über unsere Orga­
nisation zu informieren. Eine der wich­
tigsten Aufgaben unseres Teams ist die
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Übernahme der redaktionellen Arbeit an
der Jugendzeitschrift A.L.E.V.I., die eine
enge Zusammenarbeit von allen Gruppen
aus der Zukunftswerkstatt erfordert. Wir
nehmen auch gerne Vorschläge und An­
regungen an, die zu einer Verbesserung
der Jugendzeitschrift führen können.
Wir sind eine interne Hilfe für Fragen
rund ums Lektorat. Das heißt, wir über­
prüfen und bearbeiten die Artikel und
Texte der anderen Partnerteams oder der
Gastautoren / Innen.
Wenn ihr neugierig geworden seid, könnt
ihr uns gerne kontaktieren. Wir sind of­
fen für alle Fragen und beantworten sie
so schnell wie möglich.
Team Presse
Kontakt: [email protected]
Vorspann
[email protected]
Team Alevitentum
Ali Güldo¤an, Cemre Gültekin, Zübeyde ‹nce,
Nevda Dönmez, Sevcan Nedime Akgül, Eren
Ali Kök, Coflkun Ak›nc›
v.l.n.r.
Das Team Alevitentum besteht aus 32 Mitgliedern, von denen
drei die Teamleiterfunktion übernehmen. Die Mitglieder kom­
men überwiegend aus Deutschland, wobei auch Mitglieder aus
Österreich in diesem Team mitmachen. Hauptaufgabe dieses
Teams ist es, Informationen über das Alevitentum zu sammeln,
und diese in Form von Projekten an Interessierte weiterzugeben
und zu vermitteln.
Das Team Alevitentum ist nahezu mit allen Gruppen vernetzt.
Ob es nun das Team Nachwuchsgeistliche ist, um bestimmte
Informationen zu bekommen oder weiterzugeben, oder auch
Team Projektakquise, um die vom Team Alevitentum vorge­
stellten Projekte in die Tat umzusetzen. Deshalb nimmt Team
Alevitentum auf gewis­se Art und Weise eine besondere Rolle
in der Zukunftswerkstatt ein. Das bedeutet auch, dass diese
Gruppe eine Menge Aufgaben zu bewältigen hat. Ein Grund für
die hohe Mitgliederzahl und die drei Arbeitsgruppen in dieser
Gruppe.
Das Team Alevitentum besteht aus folgenden Arbeitsgruppen:
Arbeitsgruppe 1:
Pädagogische Konzepte Methoden für Kinder und Jugendliche
Diese Gruppe beschäftigt sich zur Zeit mit Projekten für Jugend­
liche und Kinder. Zu den Projekten gehört die Entwicklung von
Spielen über das Alevitentum für Kinder und Jugendliche. Zu­
dem ist ein Kinderbuch mit Geschichten und Liedern in Arbeit.
Auch ein Hörbuch über das Alevitentum ist in Planung.
Arbeitsgruppe 2:
Seminare über das Alevitentum
Diese Gruppe beschäftigt sich mit der Planung und Gestaltung
der Seminare, die zurzeit überall in Deutschland stattfinden.
Dabei spielt die abschließende Auswertung eine sehr wichtige
Rolle, um bei negativen Rückmeldungen Verbesserungen ein­
zuleiten.
Arbeitsgruppe 3:
„Gençlik Cemi“ – Cem für Jugendliche
und Buchprojekt über die alevitische
Glaubenslehre
Die Arbeitsgruppe 3 will die Inhalte der Cem-Zeremonien mit
deutschen Übersetzungen und Erläuterungen den Jugendlichen
näherbringen, da viele Jugendliche die türkische Sprache nicht
ausreichend beherrschen. Zudem arbeitet diese Gruppe an
einem Buch über die alevitische Glaubenslehre für Jugendliche
in deutscher Sprache.
Team Alevitentum
Kontakt: [email protected]
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
13
Vorspann
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Team Geistliche
Die alevitischen Geistlichen Dede‘s und Ana‘s stammen aus der
Familie des Propheten Mohammed ab. Die Rolle des Geistlichen
kann nur vererbt werden, aus diesem Grund wird ihnen eine
ganz besondere Wertschätzung erbracht. Innerhalb der alevi­
tischen Gemeinde nehmen sie im religiösen und sozialen Leben
eine wichtige Position ein. Die Glaubensgemeinschaft der Alevi­
ten ist seit 25 Jahren eine organisierte Gemeinschaft in Europa.
Doch noch gibt es viele Defizite auszuräumen, eins davon ist die
Ausbildung von Nachwuchsgeistlichen (Seyyid-Kinder, Ocakza­
de), welche in der Vergangenheit vernachlässigt wurde.
Von der Ausführung des Gottesdienstes bis Bestattungen, von
Familienangelegenheiten bis Nachbarschaftsproblemen, von
„Ikrar“ bis „Müsahiplik“, spielen die Geistlichen in allen Be­
reichen unseres Glaubens eine große Rolle.
Dezember 2012 startete die Alevitische Akademie ein Jugend­
projekt mit dem Namen „Zukunftswerkstatt Alevitentum“. Das
Projekt sah die Gründung von 7 Teams vor, die im Bereich des
Alevitentums über jugendrelevante Themen arbeiten sollten.
Eines dieser Teams, ist das Team Nachwuchsgeistliche. Beim
ersten Treffen am 15. und 16. Dezember 2012 im alevitischen
Kulturverein Mannheim und Jugendherberge Heidelberg Inter­
national kamen ca. 25 Nachwuchsgeistliche zusammen um sich
zu vernetzen, kennenzulernen und im Rahmen der „Zukunfts­
werkstatt“ Aufgaben zu erarbeiten und initiativ zu werden.
Wir tauschten uns über diverse Themen, wie Ocaks, die Ausbil­
dung zum Geistlichen, die Probleme als Nachwuchsgeistliche,
alevitische Gemeinden etc. aus. Die Anzahl der Nachwuchs­
geistlichen ist seit dem auf 100 gestiegen.
Anschließend traf sich das Team am 02.02.2013 in der Alevi­
tischen Akademie in Mannheim. Hier wurden die nächsten Ziele
besprochen und konkretisiert. Das Team wurde beim internen
Treffen von zwei älteren Geistlichen Sedat Korkmaz „Dede“
und Dervifl Tur „Dede“ unterstützt. In Zukunft soll Sedat Kork­
maz „Dede“ die Nachwuchsgeistlichen coachen.
Ein Teil der Themen die beim ersten internen Treffen
von den Seyyid-Kindern herausgearbeitet wurde:
- den Buyruk vollständig auszuarbeiten und zu erlernen
- den Koran richtig zu lesen und interpretieren
- die Fundamente des Alevitentums zu erlernen
- andere Weltreligionen zu erforschen
- zu lernen wie man richtig lehrt und predigt
- Pilgerfahrten (Düzgün Baba, Kerbela, Erdebil, Hac› Bektafl)
- Seminare und Schulungen planen und leiten
- Erlernung geschichtlicher Hintergründe
- Das Kennenlernen und Verstehen der heiligen Personen, Ali Cemyi¤it, Ezgi Fidano¤lu, Mansur Erol, Eren Yi¤it, v.l.n.r.
Sicherlich kann sich der Leser fragen, aus welchen Gründen sich
die Alevitische Akademie bemüht die Geistlichkeit, vor allem die
Kinder der Geistlichen, zu fördern. Die Geistlichen sind für den
Bestand der Gemeinde unabdingbar. Das Team soll durch regel­
mäßige Fortbildungen auf allen Ebenen des alevitischen Glau­
bens, Wissen erlangen und in die Praxis transferieren können.
Praxis wird bei der Akademie großgeschrieben, sodass die Geist­
lichen-Anwärter oft Tischgebete und allgemeine Gebete auf
Veranstaltungen der Alevitischen Akademie vortragen. Dabei
soll das Team von erfahrenen Dede‘s und Ana‘s profitieren und
Akademiker / Innen die das Alevitentum lange Jahre erforscht
haben zu Rate ziehen. Das Ziel ist es den Nachwuchsgeistlichen
sowohl in geschichtlichen als auch in religionswissenschaftlichen
Fragen Wissen zu vermitteln. Da wir schluss­endlich alle wissen,
dass der Bedarf an kompetenten und gut deutsch sprechenden
Dede‘s und Ana‘s enorm ist, kann hier eine Menge geleistet
werden.
Du kommst selbst aus einer geistlichen Familie? Deine Liebe zu
Hz. Ali ist unermesslich? Du willst uns mit deiner Anwesenheit
bereichern? Du willst lernen, bist ehrgeizig und willst deiner
Gemeinde dienen? Dann bist du herzlich eingeladen, mit uns
gemeinsam für das Alevitentum zu arbeiten.
(Hünkar Hac› Bektafl Veli, Yunus Emre, fiah ‹smail Hatayi)
- Seelischer Beistand
Unsere Kontaktdaten:
- Erlernen der Zeremonien und Gottesdienste
Facebook: www.facebook.com/AleviAkademisi?fref=ts
Internet: www.aleviakademisi.org
E-Mail: [email protected]
- Konfliktmanagement
- Verständigung der Deyifl (Gebetsgesang)
14 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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Team Cem Evi
„Errichtung eines tra-
ditionellen Cem Evi“– Das große Projekt der
Alevitischen Akademie
Tuna Sürücü und Mehmet Ali Öztoprak
Seit nunmehr 10 Monaten beschäftigen wir uns mit einem Kon­
zept zur Verwirklichung unseres großen Traumes: Eine rituelle
Glaubenseinrichtung für Aleviten in Deutschland. Die Idee klingt
unglaublich kühn, da es so etwas in Deutschland bisher nicht
gegeben hat. Jedoch bei näherer Betrachtung der Rahmenbe­
dingungen, insbesondere der Berücksichtigung von Wissensres­
sourcen und der Unterstützung der Akademie realisierbar und
weit fern der Unmöglichkeit. Der Bedarf resultiert aus der Tatsa­
che, dass Aleviten in Deutschland ihre Heimat haben und ihren
Glauben, leider nur eingeschränkt, praktizieren können. Viele
rituelle Veranstaltungen werden aktuell ohne spirituelle Identi­
fikation und unter schwierigen Bedingungen realisiert, was sich
jedesmal als große organisatorische Herausforderung darstellt.
Jedes Jahr sind die kleinen Kulturvereine während des Fasten­
monats Muharrem überfüllt. Der Andrang ist so groß, dass
teilweise Angebote zum rituellen Gebet abgesagt und Feier­
lichkeiten zu den Gedenktagen, aufgrund der eingeschränkten
Kapazitäten, nicht möglich sind. Jeder Alevite in Deutschland ist
mit solchen Gegebenheiten in Berührung gekommen, weshalb
wir uns zusammengeschlossen und ein Projekt initiiert haben.
Wer sind WIR?
Das Team besteht aus Akademikern, Helfern sowie Koopera­tions­
partnern aus der Praxiswelt, die ihr gesamtes Know-how einset­
zen, um ein passendes Konzept innerhalb eines Projektes für
den Bau einer rituellen alevitischen Einrichtung zu erstellen. Das
Know-how aller Beteiligten erstreckt sich vom Finanzierungs­
konzept, Analysen, rechtlicher Prüfung bis hin zu Bauplanung.
Das Team wird geleitet von Herrn Tuna Sürücü (26, B.A.- Mas­
terstudent). Herr Sürücü erlernte den Beruf Groß- und Außen­
handelskaufmann und studierte Wirtschaftswissenschaften mit
den Schwerpunkten Finanzen / Steuern / Audit. Als Analyst in
einer europäischen Steuerabteilung, insbesondere Ertragssteu­
ern und Verrechnungspreismethodik (Transfer Pricing) eines in­
ternational tätigen Unternehmens, ist er verantwortlich für die
Realisierung des Projektes und das Reporting an den Vorstand
der Alevitischen Akademie.
Was ist eine traditonelle alevitische Glaubenseinrichtung?
Ein traditionelles Cem-Haus, ursprünglich ein Teil eines „Dergah“,
ist optisch sowie funktionell, deutlich von anderen religiö­sen
Bauten zu unterscheiden. Jeder Alevite kennt die Gedenkstätte
Haci Bektafl in Nevsehir, die dem Projektteam u.a als architek­
tonische Grundlage dient. Als innere Gebäudeausstattung ist
ein großer Saal mit einem Dach aus 12 Zweigen geplant (sym­
bolisch für die 12 Imame), die mehreren hundert Menschen
Platz zum beten bieten soll. Des Weiteren soll es eine Bibliothek
geben, viele Seminarräume für die Akademie zur Bildung von
Jugendlichen, Übernachtungsmöglichkeiten für weit angereis­
te und diverse andere alevitische Prinzipien erfüllen, bspw. für
verstorbene Menschen rituelle Abschiedsmöglichkeiten. Diese
und weitere Punkte sind im Modellantrag geplant bzw. bereits
implementiert.
Das Projekt
Das Projekt ist mehrjährig in Projektphasen ausgelegt. In den
einzelnen Phasen beschäftigt sich das Team analytisch mit di­
versen Fragestellungen, die im Konzept wesentlicher Bestand­
teil sind und dokumentiert werden: Themen sind unter ande­
rem Finanzen, Architektur, Standort sowie Baurecht. Nach der
konzeptionellen Erstellung der Lösungen zu den Anforderungen
und den optischen Herausforderungen wird das Projektteam
mit Ingenieuren, Unternehmen und rechtlichem Beistand an
Stakeholders herantreten und den Antrag stellen.
Team Cemevi
Kontakt: [email protected]
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
15
Vorspann
[email protected]
Team Projektakquise
Das Team Projektakquise ist dazu da, um Einnahmequel­
len für die Alevitische Akademie zu erschließen. Akquise
leitet sich von Akquisition ab und bedeutet Erwerbung
oder Anschaffung. Somit fungiert das Team als sehr wich­
tiger Schlüssel, welcher den jeweiligen Teams die Tür zur
Verwirklichung ihrer Projekte öffnen wird. Um jedoch an
Fördergelder zu kommen, bedarf es zunächst an Recher­
che- und Selektionsfähigkeit. Zudem müssen die Mit­
glieder in der Lage sein, Ausschreibungen effektiv zu nut­
zen und entsprechende Projekte zu verschriftlichen. Die
Zusammenarbeit mit den anderen Teams ist von großer
Bedeutung, um gemeinsam herauszuarbeiten wo Förder­
gelder beantragt werden können.
Die Aufgabenfelder können wie folgt zusammenge­
fasst werden:
Aufgabenfeld 1:
Wohlfahrtsverbände (notwendig für Zuschüsse aus Lan­
desmitteln, Betriebskosten, Projektberatung und Erstel­
lung, Vernetzung innerhalb der Verbände in BW und Stif­
tungsförderungen)
Aufgabenfeld 2:
Jugendring Rhein Neckar-Kreis und Landesjugendamt:
(notwendig für städtische Zuschüsse, Kommunale Vernet­
zung, Zuschüsse des Landesjugendamtes, Anerkennung
als Träger der freien Jugendhilfe nach §75 KJHG)
Aufgabenfeld 3:
Internationale Jugendbegegnungen und Ferien­maß­nahmen
Aufgabenfeld 4:
Stiftungen (Analyse von Stiftungen, die für uns in Frage
kommen und die unsere Arbeiten fördern können; Erstel­
lung einer Liste von Stiftungen und ihren Förderbedin­
gungen; Antragsstellung bei entsprechenden Stiftungen)
Damla Bozkurt, P›nar Bozkurt, Tuna Sürücü, Suna Eryi¤it, Suzan Eryi¤it,
v.l.n.r.
Aufgabenfeld 5:
Finanzierungskonzept beziehungsweise Projektkonzept
unseres Cem Evi Projektes in enger Abstimmung mit
Team Cem Evi
Um unsere Teammitglieder auf Ihre Aufgaben vorzuberei­
ten, fanden bisher zwei Veranstaltungen unter dem Titel
„Einführung in das Planen und Schreiben von Förderan­
trägen“ statt. Der Referent Cemalettin Özer, welcher als
Diplom-Ingenieur tätig ist, bildet selbst einen Teil unseres
Teams. Die praktische Umsetzung einer Antragstellung
ist eine effektive und wichtige Unterstützung für das
Verstehen der einzelnen Prozessschritte. So wurde den
Teammitgliedern nach einer detailreichen Einführung ein
solches Praxisbeispiel näher gebracht. Zuweisungen von
Teilaufgaben in unserem Team werden in nächster Zeit
stattfinden.
Team Projektakquise
Kontakt: [email protected]
16 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Vorspann
[email protected]
Team Internet
Alev Sar›alt›n, Yusuf Usul
Eren Yi¤it, ‹smail Öztoprak, Ca¤lar Sivri, Canan Baydemir, Yusuf Usul, v.l.n.r.
Das Team Internet besteht aus neun
Mitgliedern, davon sind zwei Team­
leiter. Die Aufgaben des Teams sind
in verschiedene Bereiche unterteilt
und umfassen alle Tätigkeiten, die
mit dem Internet verbunden sind. Die
Hauptaufgabe des gesamten Teams
ist die Gestaltung und Führung der
Webseite der Zukunftswerkstatt Ale­
vitentum, der Alevitischen Akademie
und die Pflege des Facebook-Profils.
Obwohl das Team relativ klein ist, hat
es sehr viele verschiedene Aufgaben.
Das Team arbeitet sehr eng mit dem
Team Organisation.
Diese Teams bestehen aus den folgenden Bereichen:
• Gestaltung einer Internetseite (Alevipedia).
Leitung: Naflit Kireylio¤lu
Unterstützung der Teamleitung: Yusuf Usul
Das Ziel dieses Projektes ist den Menschen eine Internetseite zur Verfügung zu
stellen, in der sie schnell und einfach richtige Antworten auf ihre Fragen zum
Alevitentum bekommen.
• Gestaltung und Einrichtung eines Internetradiosenders
Leitung: Ca¤lar Sivri
Unterstützung der Teamleitung: Yusuf Usul
Dieses Projekt hängt mit der Internetseite Alevipedia zusammen.
• Selektion der Fakeseiten
Leitung: Canan Baydemir
Unterstützung der Teamleitung: Ersin Kök und ‹smail Öztoprak
Die Fakeseiten beinhalten falsche und schlechtmachende Informationen über
das Alevitentum. Diese Seiten werden gesucht und selektiert.
• Dreh eines Kurzfilmvideos
Leitung: Ca¤lar Sivri
Unterstützung der Teamleitung: Nasit Kireylio¤lu, Yusuf Usul und Alev
Sar›alt›n
Da das Lesen nicht immer attraktiv auf Jugendliche wirkt, arbeiten wir an
einem kurzen Videofilm über das Alevitentum.
Team Internet
Kontakt: [email protected]
• Überprüfung der Genehmigung für die Mitgliedschaft in der ZWA.
Leitung: Alev Sar›alt›n.
Alle neuen Mitglieder müssen ein paar Fragen beantworten und bekommen
die Profilfragen und Richtlinien zugeschickt. Erst nach dem die Profilfragen an
das Team Organisation zugesendet wurden, kann eine Aufnahme stattfinden.
Alle neuen Mitglieder stellen sich mit einem kurzen Text vor.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
17
Vorspann
[email protected]
Team Organisation
Dilek Eker, Mahir fiahin, Dilek fiahin, Fulya
Kuflcu, v.l.n.r.
Die Gruppe Organisation ist das Bindeglied und zentraler
Ansprechpartner der anderen Gruppen. Alle nötigen In­
formationen der Mitglieder werden von dem Team auf­
genommen und archiviert.
Wir, das Team Organisation bilden das „Informations­
zentrum“ der Zukunftswerkstatt. Wie der Name unseres
Teams schon verrät, organisieren wir alles was gerade
ansteht wie beispielsweise die Treffen der Zukunftswerk­
statt (Fahrten, Übernachtungen, Ablauf, Aufgabenver­
teilung und Nachbereitung), die Kommunikation und
Koordination der Gruppen untereinander, aber auch die
Freizeitaktivitäten in Kombination mit Regionaltreffen der
Werkstattmitglieder in den diversen Regionen.
Eine weitere wichtige Aufgabe unseres Teams ist das
Sammeln, Aus­werten von wichtigen Daten be­züglich der
verschiedenen Gruppen. Diese Ergebnisse werden aus­ge­
wertet und fließen in die Gestaltung der operativen und
strategischen Planungen ein und sind ein wichtiger Bei­
trag zur Arbeit der Zukunftswerkstatt. Diese Aufgabe ist
enorm wichtig für die Gestaltung der Zukunftswerkstatt.
18 Wir veröffentlichen innerhalb der Zukunftswerkstatt ei­
nen Teil der Ergebnisse und teilen die Erkenntnisse mit
den anderen Gruppen. Die Arbeit innerhalb des Teams
Organisation wird von den Teamleiter, bundes­weit ko­
ordiniert. Eine in Zukunft immer wichtiger werdende
Herausforderung ist die Organisation der Seminare, die
mittlerweile europaweit stattfinden. Die Seminare erfreu­
en sich immer größerer Beliebtheit und werden von den
Jugendlichen in den alevitischen Gemeinden mit regem
Interesse besucht.
Fazit: Wir sind die Helfer im Hintergrund, die den Ma­
chern im Vordergrund die Grundlagen schaffen. Unser
Ziel ist es, den Zusammenhalt und Fortschritt der Teams
zu fördern und die Transparenz bzw. den Gesamtüber­
blick innerhalb der Zukunftswerkstatt strukturiert auf­
rechtzuerhalten.
Team Organisation
Kontakt: [email protected]
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
[A]
wie Aufklärung.
Einführung in das Thema Alevitentum
Cem Zeremonien
Unterschiede und Gemeinsamkei­ten
K›rklar Cemi
Irflat Cemi (Gençlik Cemi)
Müsahiplik Cemi
Die 12 Imame und ihre Bedeutung
Aleviten in Syrien
Gastbeitrag von Ali Zülfikar Ay
Die Geistlichen
Wer sind die Geistlichen und welche
Stellung haben sie im Alevitentum?
5 Fragen 5 Antworten
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
19
Aufklärung
[email protected]
Einführung in das Thema Alevitentum
Cem Zeremonien: K›rklar Cemi /
Versammlung der vierzig Heiligen
„Üç Can
Bir Cem“
E
s gibt eine Überlieferung namens „K›rklar Cemi“
(Versammlung der vierzig Heiligen). Der Prophet
Hz. Muhammed vernahm, in sich zurückgezogen
und im meditativen Zustand, eine Stimme aus der Sphä­
re des „Gaib“ (eine Sphäre des Verborgenen, jenseits
von Zeit und Raum): „Oh Muhammed!“ Diese Stimme
erfüllte ihn mit einer unbeschreiblichen Liebe. Gleichzei­
tig erschien ihm der Engel Gabriel (Cebrail Mele¤i) und
fragte ihn:„Warum bist du so bedacht?“ Der Prophet
Muhammed antwortete: „Ich habe eine Stimme aus dem
Gaib gehört, der mich gerufen hat, jedoch kann ich mich
nicht von ihm befreien.“ Gabriel bittet ihn, ihm zu folgen,
wenn er erfahren möchte, wer zu ihm sprach.
Es beginnt ein innerer spiritueller Wanderweg mit Gab­
riel. Als sie „Sidret‘ül Münteha“ (die letzte Grenze des
irdischen Reiches) erreichen, spricht Gabriel:„Oh Muham­
med, ab hier kann ich nicht mehr weiter. Du musst alleine
passieren, denn sonst würde ich meine Flügel verbren­
nen“.
Hz. Muhammed setzt seinen Weg alleine fort, worauf er
einem Löwen begegnet, der ihm den Weg versperrt und
ihn nicht durchlassen will. Da vernahm er dieselbe Stimme
aus dem Gaib:„Oh Muhammed! Du musst deinen Ring in
das Maul des Löwen legen.“
Hz. Muhammed befolgte diesen Rat. Als er seine Hand
aus dem Maul des Löwen herauszieht, hat er seinen Pro­
20 phetensiegel nicht mehr und der Löwe gibt ihm den Weg
frei. Als er einen grünen Vorhang erreicht, hörte er erneut
die selbe Stimme.
Hz. Muhammed wacht wieder auf und entsetzt stellt er
fest, dass sein Siegel fehlt, welches er doch vor seinem
meditativen Zustand am Finger trug. Um von seiner Vision
zu berichten, macht er sich auf den Weg zu ‹mam Ali. Als
er am Haus ankommt, klopft er an die sagenhafte Tür und
seine Tochter Fatima Ana fragt: „Wer ist da?“
Der Prophet antwortet:„Ich bin es, Muhammed. Mach die
Tür auf!“
Die Stimme antwortet: „Hier ist bereits ein Muhammed
unter uns. Geh zurück!“ Als er verwundert umkehrt, er­
mutigt ihn Gabriel erneut an die Tür zu klopfen. Der Pro­
phet Muhammed klopft noch mal an, und wieder fragt
Fatima: „Wer ist da?“
Der Prophet Muhammed antwortete: „Ich bin es, der Ge­
sandte Gottes Muhammed. Mach die Tür auf!“
„Hier gibt es schon einen Propheten, kehre um!“ Hoff­
nungslos kehrt der Prophet zurück und erneut spricht
Gabriel zu ihm: „Oh Muhammed, sag doch wer du wirk­
lich bist!“ Der Prophet Muhammed klopft ein letztes Mal
an die Tür.
Die Stimme seiner Tochter Fatima fragt: „Wer ist da?“
Der Prophet Muhammed, der seinen Siegel an den Löwen
verloren hatte, erwidert:“ Ich bin es, Hadim‘ül Fukara (der
Bedienstete der Armen).“
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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Mann und Frau beim Semah während einer Cem Zeremonie.
Erenler cemine her can giremez
Edep ile erkan yol olmay›nca
Her kamberim diyen kamber olamaz
fiah›n kamberine kul olmay›nca
(Kamber war der selbstlose Diener Hz. Ali)
Und die alte hölzerne Tür öffnete sich knirschend mit
einer einzigen demütigen Formel: Hadim‘ül Fukara.
Hatay›m Hal Ca¤›nda
Hak Gönül Alça¤›nda
Yüzbin Kabe Yapmak
Bir Gönül Alça¤›nda
Die in Türkmenistan, dem Iran und der Provinzstadt „Ho­
rasan“ lebenden Sufis, sowie von „Nimmatullah“ bis zu
im früheren Mesopotamien lebenden Ehli Haks, in Anato­
lien lebende K›z›lbafl Aleviten, von der Ägäis über Istanbul
bis hin zu im Balkan lebende Bektaschiten, sie alle bezie­
hen ihre Cem Zeremonie auf diese Überlieferung.
Deswegen wird auch meistens „Yol Bir, Süreek Binbir!“
(Der Weg ist Eins, aber die Traditionen sind tausend und
eins) gesagt. Es gibt natürlich unter K›z›lbafl Aleviten
Klassi­fizierungen der Cem Zeromonien aber im Großen
und Ganzen sagt es dasselbe aus und zwar, dass es zwei
Arten von Cem Versammlungen gibt. Muhabbet Cemi,
Karapaça Cemi, Koldan Kopma Cemi, hier kann jeder
„Can“ eintreten, um sich einen Einblick zu verschaffen.
In die andere Art der Cem Zeromonie dürfen nur die ein­
treten, die ein „‹krar“ (Gelübde) geleistet haben oder die
Musahib (zwei Eheleute die ein Gelübde abgeben haben
bis zum Ende des Lebens zusammenzuhalten) sind. Die­se
Cem Zeromonie die einmal im Jahr gehalten wird, wo je­
der Ini­tiierte oder Musahib teilnehmen muss, heißt Gör­gü
Cemi.
Eine Cem Zeromonie ist mehr als Gottesdienst oder ein
Ort, an dem man Streitigkeiten löst. Es ist eine Versamm­
lung, die man als unreife Seele betretet und als vollkom­
mener reifer Mensch (insan-i kamil) verlässt. Es ist ein
Prozess, der das gesamte Leben andauert und mit der
Hilfe von einem Mürflid-i Kâmil (Wegweiser) und mit dem
Rehber (der, der dem „Talip“ [Suchender] beisteht) fort­
geführt wird. Wenn wir den Cem beschreiben, würden
wir den Hauptbestandteil im gemeinsamen Bekenntnis,
der Rezitation der Himmelsfahrt des Propheten mit dem
anschließenden Semah und dem Trauerlied für Imam Hü­
seyin sehen. Vor diesem Kerngottesdienst fängt die Vor­
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
21
Aufklärung
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bereitung schon Zuhause an, indem jeder, der am Cem
teilnimmt eine Gabe (Lokma) vorbereitet, sich rei­nigt und
versöhnt zum Cem kommt.
Man kann dies vergleichen, wie wenn man aus einem tie­
fen Schlaf geweckt wird, um die Herzen aller, die an dem
Cem teilnehmen, zu erhellen.
Jeder „Can“ geht durch den engen „Eflik“ (Türspalt)
mit einem „Niyaz“. In vielen alevitischen Dörfern, wo
der „Mürflid“ seinen „Talips“ die Tür öffnet, ist der Ein­
gang eng und tief. Als Beispiel ist der enge Eingang im
Mausoleum von Hac› Bektafl Veli zu nennen. Aus vielen
mündlichen und schriftlichen Überlieferungen geht her­
vor, dass das große Ego des Menschen ihn daran hindert,
solch‘ einen engen Türspalt zu passieren. Allein der, der
sein selbst überwinden kann, soll am Cem teilnehmen.
Jeder Can gibt sich wechselseitig das Einverständnis
(R›zal›k). Jeder Can muss dem anderen vertrauen, weil
das Ayn‘ül Cem eine sehr private Versammlung ist, wo
auch besprochen wird, ob jemand unrechtes getan hat.
Die Probleme und Streitigkeiten werden hier geklärt.
Girelim Ali serine
Ç›kal›m meydan yerine
Küfrümüz iman yerine
Sayamazs›n demedim mi
(Pir Sultan Abdal)
Innerhalb des Cems wird jeder Can Zeuge, dass Lichter,
in Form von Kerzen, geweckt werden. Im Original heisst
es „Çera¤ Uyand›rmak“, es ist ein Licht von besonderer
Bedeutung.
22 Diese betrifft jeden Can, die an dem Cem teilnimmt. Es
ist eine Art „Läuterung“. Jeder muss in Einklang sein,
deswegen wurden auch in anatolischen Dörfern große
Gruppen vermieden. Wenn man die noch in Anatolien
stehenden Dergahs (Klöster) betrachtet, ist der Raum, wo
die Cem Zeremonie stattfindet, ein kleiner Raum, der viel­
leicht höchstens für vierzig Menschen Platz bietet.
Die Erzählung K›rklar Cemi sowie auch andere alevitische
Erzählungen beinhalten sehr wertvolle Symbole und Bot­
schaften, die auf dem Weg Ali (Ali Yolu) jeder Can ge­
brauchen könnte.
Mutlu Aval›r
Team Alevitentum
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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Die zwölf Imame
und ihre Bedeutung
Die Zwölf Imame zählen im Alevitentum zu den
Heiligen, die die Grundlagen der alevitischen Glaubenslehre geprägt und gestaltet haben. Dank dieser
Menschen und ihren Nachfahren konnte das Alevi­
tentum bis heute weitergeführt werden. Daher ha­
ben sie eine sehr große, unermessliche Bedeutung
Obwohl alle Imame mit ihrem Wissen ihrer Zeit voraus
waren und ein Vorbild darstellten, kennt man einige von
ihnen aufgrund ihrer Prägung in der Geschichte. In die­
sem Zusammenhang hört man z.B. über Imam Ali, Imam
Hüseyin, Imam Cafer Sad›k und Imam Muhammed Mehdi
mehr als die anderen. Das macht aber die anderen nicht
weniger bedeutsam.
für die Aleviten. Sie sind die Lichter Gottes (Hakk‘›n
Nurlar›). Alle 12 Imame sind die Nachkommen des
Propheten Hz. Mohammeds durch Hz. Fatma und
Hz. Ali. Die Heiligen sollten nicht unabhängig von
der Ehlibeyt (die Familie des Propheten) betrachtet
werden. Es beginnt mit der Ehlibeyt, diese bilden das
Fundament.
Hz. Ali ist zugleich der erste Imam und der Begründer
dieser Imamet-Tradierung, die sich nach dem Tod des
Propheten entwickelt hat. Um ein weiteres Missverständ­
nis aus dem Weg zu räumen, sollte an dieser Stelle ein
wichtiger Punkt aufgeklärt werden. Die Zwölf Imame sind
nicht aufgrund der feudalen, familiären Verhältnisse zum
jeweiligen Geistlichenführer, Glaubensvertreter ihrer Zeit
gewählt worden, sondern aufgrund ihres Wissens über die
alevitische Lehre. Damit ist natürlich die (entscheidende)
Bat›ni-Lehre (Gizli Ö¤reti) des Alevitentums gemeint, über
den nicht jeder verfügen kann. Die heiligen hatten das
Glück, dieses Wissen von Grund auf (während ihrer Erzie­
hung) zu erwerben.
Die zwölf Imame spielen in den alevitischen Gottes­
diensten (Cem) eine große Rolle. Aleviten belegen ihre
Liebe an die Imame in ihren Gebeten. Die Geistlichen
(Dede, Pir) erzählen sehr oft über das Leben der Zwölf
Imame. Sie kommen fast in allen Liedern vor. Vor allem
sind die Duaz-› Imam, die Lieder die für sie geschrieben
wurden, zum Teil Trauerlieder.
Zusätzlich werden sie immer wieder in den Gedichten der
sieben großen alevitischen Dichter erwähnt. Eine trau­
rige Wahrheit, die hier erwähnenswert ist, dass alle elf,
außer dem letzten Imam Muhammed Mehdi, nicht durch
einen natürlichen Tod gestorben sind. Imam Mehdi wird
im Alevitentum als Erlöser gesehen. Die Aleviten glau­
ben daran, dass er irgendwann zurückkehren wird, um
sie zu erlösen.
Nach dieser kurzen Einleitung über die zwölf Imame,
möchte ich sie auf den folgenden Seiten einzeln ganauer
vorstellen.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
23
Aufklärung
12.
11.
[email protected]
9.
7.
5.
3.
2.
1.
4.
6.
8.
10.
Die 12 Imame
1. Hz. Ali
5. ‹mam Muhammed Bak›r
9. ‹mam Muhammed Taki
2. ‹mam Hasan
6. ‹mam Cafer Sad›k
10. ‹mam Ali Nak
3. ‹mam Hüseyin
7. ‹mam Musai Kaz›m
11. ‹mam Hasan Askeri
4. ‹mam Zeynel Abidin
8. ‹mam Ali R›za
12. ‹mam Muhammed Mehdi
1. Imam Hz. Ali (598 – 661)
2. Imam Hz. Hasan (624 – 670)
Hazreti Ali wurde am 21. März 598 geboren. Am 24. Ja­
nuar 661 wurde er von Ibn Mülcem ermordet. Hz. Ali
ist Muhammeds Cousin. Muhammed hat ihn erzogen.
Er ist auch der Schwiegersohn des Propheten, somit der
Fortführer der Prophetenfamilie, des Ehlibeyt. Hz. Ali ist
der erste Gläubige, der den Islam als Religion anerkannt
und sich für die Ausbreitung des Islams eingesezt hat. Er
war ein Mensch der Weisheit, Tapferkeit und Hilfsbereit­
schaft. Er war ein Freund der Unterdrückten. Durch ihn
konnte der Stamm des Propheten fortgeführt werden.
Hz. Ali wurde niemals mit einer Kriegsniederlage kon­
frontiert, denn er verfügte über eine „übermenschliche“
Kraft. Hier einige überlieferten Worte Hz. Muhammeds
über Hz. Ali.
Hz. Hasan kam in Medina als der erste Sohn von Hz. Ali
und Hz. Fatima zur Welt. Er war der erste Enkel des Pro­
pheten Muhammeds. Hz. Hasan blieb in seinem Leben
größtenteils politisch inaktiv. Nach dem Tod von Hz. Ali,
wurde Hz. Hasan von vielen als Kalif anerkannt. Doch
Muawiya beanspruchte das Recht des Kalifats. Hz. Hasan
gab das Kalifat freiwillig auf, um weitere Unruhen zu ver­
meiden. Im Jahre 670 wurde Hz. Hasan durch seine Frau
Cüde, welche Muawiye angestiftet hatte, vergiftet.
„Ich bin die Stadt der Wissenschaft,
Ali ist ihr Eingang.“
„Wer Ali nicht liebt, liebt mich nicht.“
„Derjenige, der Ali missachtet, missachtet mich.“
Es gibt noch viele weitere Beispiele für die Beziehung zwi­
schen Hz. Ali und Hz. Muhammed. Im heutigen Sunni­
tentum wird die Liebe zwischen Hz. Ali und Hz. Muham­
med anerkannt. Diese Angaben sind natürlich allgemeine
Informationen. Aleviten haben eigene charakteristische
Meinung über Hz. Alis Person, die wir selbstverständlich
auch zur Sprache bringen.
24 3. Imam Hz. Hüseyin (626 – 680)
Hz. Hüseyin wurde 626 in Medina geboren. Er war der
zweite Sohn von Hz. Ali. In seinen Adern floss das Blut von
Hz. Muhammed. Hz. Hüseyin hatte ein leidvolles Leben.
Erst wurde sein Vater umgebracht und neun Jahre später
sein älterer Bruder. Für ihn war es unbegreiflich, wie die
Menschen die Nachkommen des Propheten umbringen
konnten, obwohl sie an den Islam und an den Propheten
glaubten. Es war doch Hz. Muhammed, der vor seinem
Tod zur Gemeinde sagte: „Ich hinterlasse euch zwei Din­
ge, zum einen ist es der Koran und zum anderen Ehlibeyt,
meine Familie. Beide sind unzertrennlich. Ihnen sollt ihr
folgen.“
Nachdem Muawiya, der erste Umayyaden Kalif und Mör­
der, seinen Sohn zum Kalifen gerufen hatte, musste Hz.
Hüseyin Medina verlassen. Hz. Hüseyin machte sich auf
den Weg nach Kufa, weil er eine Einladung von den
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Aufklärung
[email protected]
Einwohnern dieser Stadt erhielt. Sie versprachen ihn zu
beschützen und zu unterstützen. Hz. Hüseyin hatte auf
seinem Weg dorthin 72 Begleiter, die an die Wahrheit
Gottes glaubten und den Weg des Propheten befolgten.
Doch als Hz. Hüseyin mit seinen Gefolgsleuten, an dem
Ort Kerbela am Euphrat ankam, erwartete ihn die 5.000
Mann starke Yezid Truppe. Yezid wollte von Hz. Hüseyin,
dass er ihn als Kalif anerkennen und sich ihm niederwer­
fen sollte. Es kam zu einem Gefecht zwischen den beiden
Seiten. Da sich Hz. Hüseyin weigerte, einen Tyrannen als
Kalif anzuerkenn, wurden er und seine 72 Gefährten in
Kerbela umgebracht. Seit dem 10. Oktober 680 weinen
wir daher um Hz. Hüseyin und fasten für ihn und die wei­
teren Imame, denn Aleviten wollen sich an das Leid von
Hz. Hüseyin erinnern und mit ihm die ganze Propheten­
familie ehren.
Die Trauer- und Fastenzeit im Monat Muharrem ist ein
Grundbaustein der alevitischen Lehre. Der jüngste Sohn
von Hz. Hüseyin, Imam Zeynel Abidin, überlebte dieses
Massaker. Somit war er der Träger des Göttlichen Lichts
und zugleich der vierte Imam.
4. Imam Hz. Zeynel Abidin (658/9 – 713)
Hz. Zeynel Abidin war der Sohn von Hz. Hüseyin. Die Mut­
ter von Hz. Zeynel Abidin war die Tochter von dem letz­
ten Sassaniden König Yazdgird. Er kam in Medina auf die
Welt und war bereits im Kindesalter gesundheitlich sehr
schwach.
Als sein Vater sich in Kerbela gegen die Armee von Ye­
zid verteidigte, konnte Hz. Zeynel Abidin, aufgrund seiner
körperlichen Verfassung, ihm nicht beistehen.
Hz. Zeynel Abidin wurde nach dem Massaker von Kerbela
in Ketten mit den gefangenen Frauen nach Damaskus zu
Yezid gebracht. Yezid und seine Genossen wollten, dass
sich Hz. Zeynel Abidin niederwerfen sollte aber Hz. Zeynel
Abidin verteidigte sich mit Stolz und Ehre gegen Yezid
und unterwarf sich ihm nicht. Noch heute ist er für die
Aleviten, mit seinen Taten und seiner Lebensart, ein Wi­
derstandssymbol. Nach diesem Vorfall musste der Tyrann
Yezid Hz. Zeynel Abidin nach Medina entlassen.
In Medina verteilte Hz. Zeynel Abidin Lebensmittel an die
Armen, doch niemand wusste wer er war, denn er ver­
teilte die Lebensmittel nachts und niemand bekam ihn je
zu Gesicht. Wie seine Vorfahren wurde auch Hz. Zeynel
Abidin von seinen Gegnern, Namens Velid bin Abdul Me­
lik, vergiftet und umgebracht. Er starb im Jahre 713. Das
Grab von Hz. Zeynel Abidin ist ein Pilgerort für die Alevi­
ten.
5. Imam Hz. Muhammed Bak›r (676 – 733)
Imam Muhammed Bak›r, der Sohn Hz. Zeynel Abidins,
wurde im Jahr 676 in Medina geboren. Nachdem sein Va­
ter umgebracht worden war, folgte Hz. Muhammed Bak›r
als fünfter Imam. Er wagte sich mehr in den politischen
Alltag und versuchte die Nachfolger der Ehlibeyt Familie
zu vereinen. Er traf Maßnahmen, die dafür sorgten, dass
es den Menschen auf geistiger wie auch materieller Ebene
gut ging. Er war religiös sehr gebildet, er war ein bedeu­
tender Aufzeichner von Hadithen (Taten und Aussagen
des Propheten) die damals in Bücher schriftlich fixiert wur­
den. Sein Leben ist bis heute, wie das von seinem Vater
Hz. Zeynel Abidin, schleierhaft geblieben.
Der Kalif Hischam beauftragte eine Person Namens ‹bra­
him zum Mord an Hz. Muhammed Bak›r. ‹brahim brachte
am 28.03.733 Hz. Muhammed Bak›r um. Kurz bevor er
starb erklärte er Hz. Cafer Sad›k zu seinem Nachfolger.
Nach den Morden an den Vorfahren von Muhammed
Bak›r, war sein Tod der Auslöser für mehrere große Auf­
stände.
Die bekannteste aufständische Gruppe ist die Gruppe der
Zaiditen. Sie Stammen von Zaid, dem Halbbruder von Hz.
Zeynel Abidin, der in den Jahren 749 / 750 einen Aufstand
in Kufa organisierte. Zaiditen gibt es heute noch im nörd­
lichen Jemen.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
25
Aufklärung
6. Imam Hz. Caferi Sad›k (702 – 765)
Der sechste Imam Hz. Caferi Sad›k kam im Jahr 702 in Me­
dina auf die Welt. Schon in jungen Jahren besuchte er die
von seinem Vater gegründete Schule. Er wirkte sehr Weise
und diskutierte mit den älteren Schülern über das Rechts­
system, Theologie und naturwissenschaftliche Gescheh­
nisse. Bis zum Alter von 12 Jahren wurde Hz. Caferi Sad›k
unter der Anleitung seines Vaters Hz. Muhammed Bakir
unterrichtet. Als heranwachsender Jugendlicher sammelte
Hz. Caferi Sad›k Hadithe und interpretierte sie. Er nahm es
sehr schwer, dass seine Vorfahren, unter den Umayyaden
Kalifen umgebracht wurden. Er konnte das Kalifat nicht
akzeptieren, weil die Umayyaden Dynastie gegenüber der
Ehlibeyt und den Gläubigen sehr despotisch vorgegan­
gen waren. Nach dem Tod seines Vaters übernahm er
die Verantwortung für die Gemeinde. Als religiöses Ober­
haupt der Gemeinde konnte Hz.Caferi Sad›k seine theo­
logischen Andeutungen verbreiten und in der Gemeinde
verfestigen, somit entstand die Caferi Schule. Hz. Caferi
Sad›ks Onkel Zaid und sein Sohn Yahya sind in den Kämp­
fen, die sie gegen das Umayyaden Reich geführt haben,
ums Leben gekommen. Hz. Caferi Sadik wusste, dass es
nicht der richtige Moment war eine Revolte anzuzetteln.
Er war stets bestrebt um eine friedvolle Lösung. Doch
trotz seiner Bemühungen wurde er im 10. Regierungs­
jahr des Kalifen Mansur von einem durch den Kalifen be­
stellten Mörder vergiftet. Die Aleviten verdanken ihre All­
tagsordnung Hz. Caferi Sadik, denn auf ihn ist die Quelle
„Buyruk“ zurückzuführen,die bis heute ihre Bedeutung
nicht verloren hat.
7. Imam Hz. Musa Kaz›m (745 – 799)
Der siebte Imam Hz. Musa Kaz›m, geboren 745 in Me­
dina, war der Sohn von Hz. Caferi Sad›k. Er wurde von
ihm unterrichtet, deswegen war auch sein Wissen über
die Islamische Theologie sehr ausgeprägt. Nachdem Tod
von Hz. Caferi Sad›k entstand eine Kluft unter seinen An­
hängern. Sein Sohn Ismail starb bereits in jungen Jahren.
Somit fiel die Nachfolge auf seinen jüngeren Bruder Hz.
Musa Kaz›m. Die Anhänger von Ismail haben Hz. Musa
Kazim nicht als Nachfolger anerkannt, sie erklärten Mu­
hammed Ismail, den Sohn des verstorbenen Ismail, als
ihren Imam und somit entstand die Gruppe der Ismai­
liten. Die Anhänger von Muhammed Ismail meinten, dass
die Reihe der Imame mit Muhammed Ismail endete, man
nennt die­se auch die Siebener Imamiten. Die Ismailiten
gründeten in Maghreb (909) einen Staat, das Reich der
Fatimiden. Mit der Gründung von Kairo (10. Jhd.) wurde
die Ismailitische Lehre zu einer offiziellen Staatsdoktrin.
Doch die Mehrheit der Gläubigen hat nach dem Tod von
26 [email protected]
Hz. Caferi Sad›k als siebten Imam Hz. Musa Kaz›m aner­
kannt und ihn als Führer der Gemeinde gewählt. Hz. Musa
Kaz›m war ein sehr charismatischer und gebildeter Mann,
er eilte jedem zur Hilfe und versuchte die Menschen von
unwürdigen Taten abzuhalten. Obwohl der siebte ‹mam
ein friedliches Leben führte, wurde er von dem ungläu­
bigen Kalifen Harun Raflid im Jahr 793 in Ketten gelegt
und von Medina nach Bagdad verschleppt. Er lebte sechs
Jahre unter Folter und Erniedrigung in den Kerkern von
Bagdad. Der Hass auf die Propheten Familie und vor allem
auf die Anhänger von Hz. Musa Kaz›m war so groß, dass
Harun Rasid Hz. Musa Kaz›m nicht lebend im Kerker dul­
dete und im Jahr 799 ihn umbringen ließ. Der Leichnam
von Hz. Musa Kaz›m wurde in einer Vorstadt von Bagdad
begraben, seit dem heißt diese Vorstadt al-Kazimiya, die
nach ihm benannt wurde. Für die Aleviten ist al-Kazimiya
seither eine bedeutungsvolle Wallfahrtsstätte.
8. Imam Hz. Ali Riza (765 – 818)
Hz. Ali Riza war 24 Jahre alt als sein Vater Hz. Musa
Kaz›m von Harun Raflid getötet wurde. Im Jahr 765 kam
Hz. Ali Riza, wie sein Vater und Großvater, in Medina
auf die Welt. Schon in jungen Jahren musste er wegen
den Unterdrückungen viel Schmerz erfahren. Bevor sein
Vater Hz. Musa Kazim von Medina abgeholt wurde, er­
klärte er seinen Sohn Hz. Ali Riza zu seinem Nachfolger.
Hz. Ali Riza wurde nach Horasan (Gegend in Nord-Ost
Iran) ins Exil geschickt und ließ eine Tochter und einen
Sohn in Medina zurück. In Horasan wurde Hz. Ali Riza
von dem Kalifen al-Ma’mun im Jahr 818 hinterlistig und
brutal ermordet. Zu seine Ehren wurde um seinen Grab
die Stadt Meschhed errichtet. Bevor der Kalif des Abba­
siden Reiches Hz. Ali Riza umbringen ließ, bot man ihm
das Kalifat an. Hz. Ali Riza lehnte das Kalifat ab, denn sie
verlangten von ihm das Zurückhalten der Wahrheit und
die Duldung von Unrecht. Beides war für den ‹mam nicht
vereinbar mit seinem Glauben. Das Imamet von Hz. Ali
Riza dauerte ca. 20 Jahre, während dieser Zeit hatte er es
erreicht, dass die Gläubigen in einer festen Gemeinschaft
lebten. Bevor Hz. Ali Riza von Medina nach Horasan zog,
erklärte er seinen einzigen Sohn Hz. Muhammed Taki als
seinen Nachfolger.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Aufklärung
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9. Imam Hz. Muhammed Taki (811 – 835)
Im Jahr 818, nach dem Tod von Hz. Ali Riza, wurde sein
damals erst 8-jähriger Sohn Hz. Muhammed Taki zum
9. Imam. Mit acht wurde er als Imam ausgerufen und mit
24 Jahren wurde er wie seine Ahnen ermordet. Im kind­
lichen Alter musste er mit einer Tochter des damaligen
Kalifen al-Ma‘mun heiraten, damit er sich eng an die re­
gierende Dynastie bindet. Die Vermählung mit der Toch­
ter des Kalifen geschah gegen seinen Willen. Seine An­
hängerschaft wurde dadurch besser geschützt und blieb
eine Zeitlang von Angriffen und Pogromen verschont. Bis
zum Frühjahr 835 gab es keine große Kluft zwischen der
Herrscherschicht und Hz. Muhammed Taki. Nach dem der
Kalif al-Ma´mun gestorben war, wurde der al-Mu´tasim
zum neuen Kalifen ausgerufen. Auf sein Befehl wurde
der 9. Imam Hz. Muhammed Taki im Alter von 24 Jahren
umgebracht.
Trotz seines jungen Alters war Hz. Muhammed Taki sehr
weise und beliebt. Er ist auch unter dem Namen Cevat
(„der Freigebige“) bekannt, diesen Namen bekam Hz.
Muhammed Taki durch seine guten Taten und die Wei­
tergabe der Göttlichen Liebe. Er wurde auch von An­
dersgläubigen als ein religiöser Führer respektiert. Bevor
er starb, erklärte er seinen letzten Willen: Das erste war,
seinen Sohn Hz. Ali Naki zum Nachfolger zu erklären und
das zweite, seinen Leichnam neben seinem Großvater
begraben zu wollen. Wie gewollt wurde er neben sei­
nem Großvater, dem Siebten Imam Hz. Musa Kaz›m, in
al-Kazimiya begraben.
10. Imam Ali Naki (829 – 868)
Der 10. Imam Ali Naki wurde im Jahre 829 geboren. Imam
Ali Naki wurde genauso wie sein Vater bereits in seiner
Kindheit zum Imam erzogen. Er musste miterleben, wie
ihm Abbasidische Herrscher anordneten, das Grab des
Imam Hüseyins mit dem Flusswasser des Euphrat zu über­
schwemmen. Damit sollte der Besuch der Menschen in
Kerbela verhindert werden und die Erinnerung an Hz. Hü­
seyin vernichtet. Mit verschiedenen Methoden versuchten
sie Imam Ali Naki und seine Anhänger zu unterdrücken.
Imam Ali Naki stand bis zu seiner Ermordung im Jahre 868
unter der Folter der damaligen Herrschern.
11. Imam Hasan Askeri (846 – 874)
Im Jahre 846 kam Imam Hasan Askeri auf die Welt. Wie
seine Vorgänger erlitt er Unterdrückung und Folter. Im
Jahre 874 starb Imam Hasan Askeri an einer Vergiftung.
Er ließ seinen Sohn (Imam Mehdi) zurück. Imam Hasan
Askeri verschwieg die Geburt seines Sohnes, um ihn vor
dem gleichen Schicksal zu verschonen.
12. Imam Muhammed Mehdi (869)
Imam Muhammed Mehdi ist der letzte der Zwölf Imame,
er kam 869 in Sammara auf die Welt. Sein Vater Imam
Hasan Askeri verschwieg Imam Mehdis Geburt bis zur
letzten Sekunde. Denn der abbasidischer Herrscher wollte
um jeden Preis die Geburt des 12. Imams verhindern, um
damit endgültig die Vertreter des wahren Glaubens, die
sich gegen die unrechtmäßige Herrschaft der Abbasiden
wehrten, auszulöschen und die eigene Machtposition zu
erhalten und zu stärken. Nach der Vorstellung der Ale­
viten (auch Schiiten) lebt Imam Muhammed Mehdi im­
mer noch in der Verborgenheit und wird vor dem Ende
der Welt erscheinen. Sein Titel „Mehdi“, bedeutet so viel
wie „der Geführte“ oder „der Rechtgeleitete“. Weitere
Titel sind: Fürst der Zeit [sahib-ul-zaman], „Beweiskräf­
tiger Sohn Hasans“ [hudschat ibn-al-hasan], Statthalter
des Schwertes [sahib-alsaif], womit unter anderem das
Schwert Zülfikar gemeint ist, dass sich bei ihm befindet.
Remzi Kaptan
Team Alevitentum
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
27
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Aleviten
in Syrien
Abgestellt in Istanbuler Parks, verfolgt durch wütende fundamentalistische Mobs, mit Messern zerstückelte Zelte als Unterkunft - Das unbekannte Leben der vergessenen alevitischen
Flüchtlinge Syriens. Nach den Massakern von Reyhanl›, Rojava und Latakia bahnt sich die nächste Tragödie mit türkischer
Beteiligung im Zusammenhang mit dem Syrien-Krieg an. Denn
abseits der Kameras suchen K›z›lbafl-Aleviten aus Syrien Schutz
vor der Al-Nusra in der Türkei und sind dennoch nicht wirklich
außer Gefahr.
von Ali Zülfikar Ay
„So wertvoll die Freundschaft der Türkei ist, so
furchtbar ist ihr Zorn.“
Mit diesen Worten reagierte Erdogan
im Sommer 2013 auf den bis heute un­
geklärten Abschuss eines türkischen
Kampfjets an der syrisch-türkischen
Grenze. Im selben Atemzug sicherte
Erdogan den syrischen Flüchtlingen,
zumindest verbal, unendliche Hilfe
zu. Die Zahl der syrischen Flüchtlinge
hat sich inzwischen laut Angaben des
türkischen Innenministeriums, auf
600.000 erhöht. Die Kosten, die die
türkische Regierung für die 21 Con­
tainerstädte und die Versorgung der
syrischen Flüchtlin­ge aufgebracht
hatte, beziffern sich auf über zwei
Milliarden Euro. Trotz dieses Kraft­
aktes für ein Land, dessen östliche
Provinzen sich immer noch auf Ent­
wicklungslandniveau befinden, sind
die Zustände der Flüchtlinge, laut
Berichten, katastrophal. Hinzu er­
scheint es grotesk, dass zeitgleich zur
türkischen Hilfsaktion, die Opfer des
Erdbebens in der kurdischen Stadt
Van weitgehend vergessen von der
türkischen Öffentlichkeit zwei Jahre
nach der Tragödie immer noch in Zel­
28 ten lagern. Unabhängig von diesem
Widerspruch, erscheint die Flücht­
lingspolitik Erdogans, auf den ersten
Blick nahezu philanthropisch. Gute
Nachbarn helfen sich in schweren
Zeiten. Das syrische und türkische
Volk haben seit Jahrhunderten ein
enges Verhältnis. Der Islam gebietet
es, Menschen in Not beiszustehen.
Das sind die Hauptargumente Er­
dogans für seine Flüchtlingspolitik.
Also alles ganz vorbildhaft? Ein Akt
der Menschlichkeit der islamistischen
AKP-Regierung?
Vergessene Flüchtlinge aus Syrien
Um diese Fragen zu beantworten,
lohnt es sich, einen Blick auf die
wirklich vergessenen Flüchtlinge
des Krieges zu werfen. Diejenigen,
die keinen Besuch von Angelina Jo­
lie, amerikanischen Politikern oder
der türkischen Regierung erwarten
dürfen. Denn unbemerkt von den
westlichen Medien sind Angehörige
einer kleinen und weitgehend un­
bekannten syrischen Gemeinde auf
der Flucht. Im Sommer 2013 kamen
ca. 10.000 turkmenisch-alevitische
Flüchtlinge aus Syrien in die Türkei.
Zugebenen, anhand des massen­
haften Andrangs in die Türkei er­
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
scheint diese Zahl sehr gering. Den­
noch ist die Geschichte ein Sinnbild
für eine rückwärtsgewandte Politik
der Trennung und Kategorisierung
von Menschen nach Religion und
Konfession. 5000 Menschen wur­
den Zeuge von dieser tiefgehenden
Trennung. Ihre Geschichte beginnt
mit der grausamen Sommeroffensive
der radikalen Al-Nusra Front (Al-Qai­
da-Ableger in Syrien) in Kooperation
mit der FSA (Freie Syrische Armee).
Das offizielle Ziel der Dschihadisten
war es, die Minderheiten aus den
Küstengebieten, die meist Assad-An­
hänger sind, empfindlich zu treffen.
Doch auch im Norden Syriens griffen
die Islamisten zu ihrer brutalen Art,
Minderheiten für ihre fehlende Un­
terstützung der Opposition mit Mas­
sakern zu bestrafen. So wurden nach
den Massakern in Latakia (an syrische
Aleviten; im türkischen „Arap Alevi­
leri“), Rojava (an der kurdischen Min­
derheit, die ca. 10 % der syrischen
Bevölkerung ausmacht) gerieten
auch turkmenisch-stämmige Alevi­
ten ins Visier der Extremisten. Nach
diesen Massakern flohen aufgrund
ihrer isolierten Lage ganze Familien
turkmenischer Aleviten in die Türkei
- bizarrerweise in das Land der Spon­
Aufklärung
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soren ihrer Verfolger. Die Flüchtlinge
berichten, dass nach Ausbruch des
Krieges die turkmenisch-alevitischen
Dörfer mit Lebensmittel und anderen
Hilfsgütern versorgt wurden. Diese
Versorgung konnte allerdings nach
der Offensive der Islamisten nicht
mehr gewährleistet werden. Anders
als die alevitische oder christliche
Min­derheit an der Küste des Landes
stellen die turkmenischen Aleviten
in ihren Siedlungsgebieten nicht die
Mehrheit, sodass die Flucht aus ihren
Dörfern und der Stadt Aleppo die ein­
zige Möglichkeit vor ihrer kompletten
Ausrottung war.
„Ihr beschmutzt die Umgebung
der Moschee!“ Mit Mess­ern
zerstückelte Zelte und Todesdrohungen - Kein herzlicher Empfang durch die Türkei
Doch die Türkei, laut Erdogan offen
für alle Syrer, nahm diese Flüchtlinge
alles andere als mit offenen Armen
auf. Vielmehr fanden sich die alevi­
tischen Flüchtlinge in Istanbuler Parks
des ultra-konservativen Istanbuler
Stadt­teils Fatih wieder. Die wenigen
Berichte in den Medien offenbarten
eine schockierende Situation dieser
Familien. Es fehlte wochenlang an
Nah­rung, Sanitäranlagen und ande­
ren grundlegenden Dingen. Nach
wochenlanger Notlage entschlos­
sen sich schließlich die selbst not­
leidenden und vom Staat nicht un­
terstützten alevitischen Gemeinden
der Türkei diesen Flüchtlingen eine
Unterkunft zu bieten. Aktuell leben
3000 der Flüchtlinge in Unterkünf­
ten der alevitischen Pir Sultan Abdal
Gemeinde Gaziosmanpafla in Istan­
bul. Weitere 7000 leben auf eigener
Faust ohne jegliche Unterstützung,
teilweise in Parks und anderen öf­
fentlichen Anlagen. Aufgrund der
Le­bensgefahr durch die mehrheitlich
Assad-feindlichen Flüchtlinge ist es
diesen Menschen nicht möglich, in
den Flüchtlingscamps zu leben. Die
AKP-Regierung verweigert eine Lö­
sung dieser unerträglichen Situation.
Die Flüchtlinge fühlen sich wortwört­
lich auf der Straße gelassen. Als ob
der tägliche Überlebenskampf ge­
gen Hunger, fehlende Hygiene und
Kälte nicht ausreicht, kamen im
Dezember offene alevitenfeindliche
Aus­­schreitungen der Anwohner des
Viertels gegen die alevitischen Flücht­
linge. Am 24. November wurden sie
Opfer eines Angriffs eines islamisti­
schen Mobs. Hierbei schnitten mit
Messern bewaffnete Männer die Zelte
der Flüchtlinge auf und skandierten
„raus mit den Assad-Leuten“. Den
Flüchtlingen wurde vorgeworfen,
dass sie mit ihrer Anwesenheit die
Umgebung einer Moschee beschmut­
zen würden. Die völlig verängstigten
Familien strömten in Todesangst auf
die Straßen. Selbst die alevitische Ge­
meinde in Gaziosmanpafla wird offen
angefeindet. Die Anwohner krimina­
lisieren rhetorisch die Leitung der Ge­
meinde. Der Grund ihre Hilfe für die
alevitischen Flüchtlinge Syriens. Dass
diese feindliche Haltung gegenüber
Aleviten mit Erdogans Auftritten zu­
sammenhängt, auf denen er immer
wieder die konfessionellen Probleme
Syriens thematisiert und hierbei auch
die Aleviten in der Türkei indirekt an
der Tragödie in Syrien mitbeschuldigt,
liegt auf der Hand. Doch wie man am
Beispiel der alevitischen Flüchtlinge
Syriens erkennt, bleibt Erdogans re­
ligiöse Diskriminierung nicht nur bei
der Rhetorik.
Bereits zuvor hat Erdogans Politik der
Ansiedlung von Rebellen im stark
von Aleviten bewohnten Süden der
Türkei, vor allem im als „Provinz
der Toleranz“ bekannten multieth­
nischen und mutlireligiösem Hatay,
eine Destabilisierung herbeigeführt.
Die unmittelbaren Konsequenzen
wa­ren der bis heute ungeklärte An­
schlag von Reyhanli mit 52 Toten,
die permanente Angst der religiösen
Minderheiten vor Pogromen durch
die syrischen Rebellen und die starke
Beteiligung an den Gezi-Protesten in
der Region mit drei toten Studenten
aus Hatay.
Mediale Verklärung:
R.T.E. als Held der Flüchtlinge
und die Gefahr eines neuen Massakers
Doch auch die Lage der übrigen sy­
rischen Flüchtlinge ist alles andere als
gut. Ungeachtet der Fernsehbilder,
welche eine bedeckte syrische Mut­
ter präsentieren, die ihren Drillingen
die Namen Recep,Tayyip und Erdo­
gan gab, sieht die Wahrheit in diesen
Lagern nicht harmonisch aus. Wie
schlecht die Situation durch die sun­
nitischen Flüchtlinge in den Camps
wahrgenommen wird, zeigt der Auf­
stand im Lager von Akcale im Südos­
ten der Türkei. Hierbei wurden meh­
rere Menschen verletzt. Auslöser war
der Tod eines Kindes im Lager. Bereits
zuvor kamen viele Kinder durch Brän­
de in den notdürftigen Lagern um.
Etliche Flüchtlinge, die vom Krieg ge­
flohen sind, nahmen das Angebot der
syrischen Regierung an und kehrten
nach Syrien zurück. Es gibt keinerlei
Anzeichen, dass Ankara die Situa­
tion der alevitschen Flüchtlinge aus
Syrien ernst nimmt und zumindest
sichere Unterkünfte für die Familien
mit zahlreichen Kindern sicherstellt.
Aufgrund ihrer isolierten Lage und
den fehlenden Beziehungen zu ihren
Glaubensbrüdern in der Türkei ist ihre
Situation besonders prekär. Die ge­
walttätigen Ausschreitungen gegen
sie, lassen aufhorchen. Die Kette der
Massaker, die durch die syrischen Op­
positionellen begangen werden, rei­
ßen nicht ab. Vielmehr bewahrheiten
sich die schlimmsten Befürchtungen
der Analysten. Nur eine Mobilma­
chung gegen die unmenschliche Be­
handlung dieser Flüchtlinge und eine
aktive Hilfe kann ihre gefährliche Si­
tuation verbessern.
Es bleibt nur zu hoffen, dass die ale­
vitischen Flüchtlingskinder aus Syrien,
anders als die zahlreichen ermordeten
Kinder aus Rojava, Reyhanli und Lata­
kia, nicht den „Zorn des Recep Tayyip
Erdogans und der Türkei“ spüren.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
29
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Die Geistlichen
Wer sind die Geistlichen und
welche Stellung haben sie
im Alevitentum?
Man gehe zurück in die Lebzeiten
des Propheten Muhammed Mustafa
(s.a.v.) und die Übersendung der 108.
Sure des Korans (Kevser suresi).
Dort heißt es:
„Wahrlich, wir haben dir die Fülle des
Guten gegeben;
So bete zu deinem Herrn und opfere.
Fürwahr, es ist dein Feind,
der ohne Nachkommenschaft
sein soll.“
Um diese Sure verstehen zu können, muss man den Hin­
tergrund ihrer Übermittlung kennen.
Es heißt, diese Sure wurde dem Propheten nach dem
Tod seines einzigen Sohnes Kâsim gesandt. Nach diesem
schmerzvollen Verlust Hz. Muhammeds wurde er von sei­
nen Mitmenschen verhöhnt, da sein Stamm ohne einen
männlichen Nachfahren nach dem damaligen Verständ­
nis nicht fortbestehen konnte. Unter anderem wurde ihm
nachgesagt: „Lasst ihn, er hat keine Nachfahren, denn er
hat keinen Sohn, welcher die Familie fortführen könnte.
Nach seinem Tod wird sein Name in Vergessenheit geraten und wir sind ihn dann los“.
Um die Trauer des Propheten zu lindern und seine Hoff­
nung für die Zukunft zu bestärken, übersandte Gott ihm
diese Sure „Kevser“. Der Name der Sure bedeutet Über­
fluss. Die Sure steht für den Fortbestand der Nachfahren
Hz. Muhammeds. Denn sein Familienstamm sollte von
seiner Tochter Hz. Fatma und dem Imam Ali-yel Murte­
za weitergeführt werden. Von deren Sohn Hz. Hüseyin
stammen die Geistlichen (Seyyid) ab. Sie sind die Nach­
fahren des Propheten und verdienen höchsten Respekt
und Anerkennung.
Allerdings müssen die Seyyid‘e wiederum diesem Res­
pekt würdig sein. Diese wechselseitigen Anforderungen
können nur erfüllt werden, wenn alle Hand in Hand mit­
wirken. Es ist ein Kreislauf, in den alle Aleviten integriert
30 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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Bilder vom Nachwuchsgeistlichen Treffen 2013 in Oberhausen
sind. Der Geistliche (Pir / Dede) muss beispielsweise durch
seine Geduld, seine ehrliche Lebensweise und seine Erge­
benheit zu Gott ein Vorbild für seine Mitmenschen sein.
Seinen Talip hat der Geistliche zu lehren. Dies muss sich
der Talip wiederum z.B. durch seinen Respekt gegenüber
dem Geistlichen verdienen. Dieses Miteinander verbindet
nicht nur alle Aleviten, sondern trägt auch dazu bei, dass
sie sich gegenseitig prägen. So veranlasst ein Talip seinen
Pir mit seinen Fragen dazu, sein Wissen immerzu „aufzu­
frischen“ bzw. sich fortzubilden.
Das Nachwuchsgeistlichen - Treffen –
2013 in Oberhausen AKM
Jeder Alevite trägt die Verantwortung dafür, dass dieses
Miteinander aufrechterhalten wird. Ein wichtiger Schritt
in diese Richtung wurde bei dem Geistlichen-Treffen ge­
macht, welches von der Alevitischen Akademie im Rahmen
des Jugendprojektes „Zukunftswerkstatt Alevitentum“
organisiert wurde und vom 24.12.-26.12.13 in Oberhau­
sen stattfand. Eingeladen waren alle Nachwuchsgeist­
lichen sowie viele Geistliche (Dede). Insgesamt nahmen
über 200 Geistliche am Treffen teil, ca. 100 davon junge
Dede und Ana Anwärter zwischen 15-35 Jahren. Dort
wurde ihnen der Wert der Geistlichen im Alevitentum ver­
mittelt. Zugleich hatten sie Gelegenheit, ihre Sorgen und
Wünsche zu äußern. Es fand sich eine aufgeschlossene
Gemeinschaft zusammen, die gute Ideen für die Zukunft
brachte und auch den Elan zur Umsetzung besaß. Ziele
sind u.a. die einheitliche Ausbildung der Nachwuchsgeist­
lichen und die Nutzung richtiger Quellen bei etwaigen
Recherchen.
Eine große Sorge vieler Anwesender war, dass das Alevi­
tentum immer noch von einigen als nicht dem Islam zuge­
hörig betrachtet wird. Gerade im Hinblick auf die Historie
kann dies von keinem verständigen Menschen hingenom­
men werden.
Es kann nur zwei Gründe für eine solche Meinung ge­
ben. Der Erste ist das Fehlen reichlichen Wissens und der
Zweite, die Absicht unsere Gemeinschaft auseinander­
zureißen. Als Einzelner kann man vielleicht nicht genug
ausrichten, doch gemeinschaftlich kann dieses Problem
bewältigt werden. Denn allein die Bildung unserer Ju­
gendlichen kann und wird sie vor der schlechten Absicht
derer schützen, die das Alevitentum seinen wahren Wur­
zeln entreißen wollen.
So wie wir Hand in Hand diesen Glauben leben, so müs­
sen wir auch Hand in Hand unseren Glauben bewahren.
Sevgi Bektafl & Suat Güngör
Team Nachwuchsgeistliche
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
31
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5 Fragen
5 Antworten
Quelle: alevi.at.
IST DAS ALEVITENTUM EINE
RELIGION INNERHALB ODER
AUßERHALB DES ISLAMS?
Seit geraumer Zeit wird innerhalb der alevitischen Ge­
meinschaft über die Zugehörigkeit des Alevitentums zum
Islam diskutiert. Bevor die Zugehörigkeit der Aleviten zum
Islam untersuchen, muss zunächst der Islam definiert wer­
den. Genau hier liegt jedoch der Ursprung dieses Zwistes.
WAS IST DER ISLAM? Besteht überhaupt die Mög­
lichkeit einer einheitlichen, konkreten Definition? Es
existiert derzeit bei islamischen Theologen unter­
schiedlicher Strömungen Konsens, dass die Rede
vom einheitlichen Islam falsch ist. Dafür existie­
ren zu viele unterschiedliche Auslegungen. Islam
bedeutet Frieden machen und Hingabe. Frieden
machen heißt, daß der Gläubige mit sich selbst
und mit seiner Umgebung in Frieden leben soll.
Hingabe drückt sich in der Annahme des Willen
Gottes aus. Der Muslim erlangt mit dem Islam Frieden
durch die Hingabe in Gottes Willen. Im Koran, der hei­
ligen Schrift der Muslime, sagt Gott Selbst, daß Er den
Islam für die Menschen als Religion erwählt hat:
“… Heute habe Ich für euch eure Religion vollständig gemacht, und Ich habe Meine Gnade an euch erfüllt, und
Ich habe für euch den Islam zur Religion gemacht…”
(Koran 5:3).
Gesandten Mohammed und nach der Schia die Ergän­
zung, dass Ali Gottes Freund ist. Dies entspricht der ers­
ten Säule des Islams. Nach dieser Auffassung sind Alevi­
ten Muslime, da sie z.B. in Cem-Zeremonien jedes Mal
Allah-Muhammed-Ali aussprechen. Nimmt man jedoch
die weiteren Säulen nach sunnitischer Auffassung hinzu
wie die Pilgerfahrt nach Mekka (hac), das fünfmalige ri­
tuelle Gebet am Tag (namaz) und das Fasten im Monat
Ramadan, wird schnell deutlich, dass Aleviten sich an die­
se Vorschriften nicht halten und demnach keine Muslime
wären. Betrachtet man die islamische Mystik, wird wie­
derum schnell ersichtlich, dass kennzeichnende Einflüsse
ins Alevitentum bestehen. Das Gottesbild der Einheit
des Seins (Vahdet-i Vücud), das Wertesystem der vier
Pforten und vierzig Stufen (dört kap›, k›rk makam),
der vollkommene Mensch (‹nsan-i Kamil) und viele
weitere zentrale Punkte der alevitischen Lehre findet
man auch in anderen Lehren der islamischen Mystik.
Aufgrund der Unmöglichkeit einer einheitlichen Defi­
nition des Islams, macht diese Diskussion keinen Sinn. Sie
führt nur unnötig zu Missdeutungen und Fehleinschät­
zungen. Die Mehrheit der alevitischen Geistlichen, der
Aleviten und das Projektteam der TAAKM, Tirol Anadolu
Alevileri Kültür Merkezi, definieren aber Alevitentum als
den Kernpunkt des Islam somit eine Islamische Glaubens­
richtung „Islam›n içinde–‹slam›n özü”.
Das Alevitentum ist eine islamische Glaubensrichtung.
Alevitentum bezeichnet die Islamauffassung, die im Rat
der Vierzigen gereift, durch die zwölf Imame weiterent­
wickelt wurde und das Kriterium des Verstandes von
Imam Cafer-i Sad›k zu seiner Richtschnur gemacht hat.
1
Die abendländische Bezeichnung, „Mohammedaner”
lehnen die Muslime ab, da Mohammed als Prophet der
Überbringer der Botschaft des Islam war, Gott allein aber
anbetungswürdig ist. Eine mögliche Definition wäre der
Glaube an Allah als einzigen Gott, der Glaube an seinen
32 [Auszug aus dem Statut der Islamische Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich (ALEVI) www.aleviten.at]
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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2
WAS BEDEUTET „KONTROLLIERE
DEINE HÄNDE, DEINE ZUNGE UND
DEINE LENDEN”?
Der Kodex „Achte auf die Reinheit Deiner Hände, Deiner Zunge und Deiner Lenden” ist das wichtigste Prinzip
im Alevitentum. Diese wenigen Worte drücken den Kern der alevitischen Ethik aus. Hac› Bektafl Veli hat diese Worte
im 13. Jahrhundert ausgesprochen und geprägt. Seither dienen sie als komprimierte Verhaltensmaxime im Alevi­
ten- und Bektaschitentum. Die Reinheit der Hände symbolisiert das Gebot, dass Aleviten niemals ihre Hand nach
Sachen ausstrecken dürfen, die ihnen nicht gehören. Jedoch beschränkt sich dies nicht nur auf materielle Dinge. All
das, was jemand anderem zusteht, darf nicht verletzt werden (kimsenin hakk›n› yememek). Zudem versinnbildlicht
die Kontrolle der Hand, dass jegliche Form der Gewalt ausdrücklich untersagt ist. Die Reinheit der Zunge verbietet
Lügen, üble Nachreden und ähnliches. Dies fordert stets zum wahrheitsgetreuen Reden auf. Des Weiteren besagt die
Zügelung der Zunge, dass man das Geheimnis (s›r) vor Außenstehenden wahren soll. Die Zügelung der Zunge und die
Wahrung des Geheimnisses haben noch einen tieferen, mystischen Sinn, dessen Erklärung jedoch an dieser Stelle zu
ausführlich wäre. Die Reinheit der Lenden meint im direkten Sinn, dass man in einer monogamen 1 Ehe leben soll.
Jedoch symbolisiert die Zügelung der Lenden vielmehr und impliziert die Bekämpfung der niederen Triebseele (nefs).
Die Bekämpfung der niederen Triebseele zieht sich durch die komplette alevitische Lehre. Die niedere Triebseele be­
inhaltet Charakterzüge wie Egoismus, Habgier, Arroganz, Wollust, Neid, Bosheit usw. Das Alevitentum ist der Weg,
diese niedere Triebseele durch den Einklang mit Gott zu besiegen.
Die Kontrolle der Lenden drückt letzten Endes
dies aus.
3
1 Einehig, nur mit einer Person
verheiratet sein.
WOHER KOMMT DIE BEZEICHNUNG „ROTSCHOPF (KIZILBAfi)?
Die Gelehrten des Erdebil-Ordens und ihre Anhängerschaft, die den Safawiden-Staat im Iran gründeten und
sich zur Zwölferschia bekannten, trugen eine Kopfbedeckung von roter Farbe und wurden deshalb auch
„Rotschöpfe” genannt. Die Dynastie 2 der Safawiden war zu dieser Zeit im heutigen Iran das regierende
Regime und etablierte dort den schiitischen Islam als Staatsreligion. Der religiöse Ursprung dieser Dynastie
geht auf Safi al Din zurück, der zu Beginn des 14. Jahrhunderts in der Stadt Erdebil den islamisch-mysti­
schen Erdebil-Orden (auch Safi-Orden genannt) gegründet hatte. Da auch die Aleviten Anatoliens sich an
die Safawiden gebunden betrachteten, wurden auch sie „Rotschöpfe” genannt. Auch soll der Umstand,
dass die Soldaten Schah Ismails (eine bedeutende politische, mehr noch literarische Person im Alevitentum)
rote Kopfbedeckungen und gelbe Stiefel trugen, zu der besagten Bezeichnung geführt haben. Zum Teil wird
diese Bezichnung auch auf Hz. Ali und seine Gefährten zurückgeführt, die in der Schlacht von Siffin gegen
Muawiya eine rote Kopfbedeckung trugen. In der Geschichte des Alevitentums wurde diese Bezeichnung
als Schimpfwort für Aleviten gebraucht. Es ist auch falsch, die „Rotschöpfe” als eine von den Aleviten ver­
schiedene Gemeinschaft darzustellen. Anfangs wurde das Wort „Alevit” für die Angehörigen des Hauses Ali
gebraucht. Wie Pir Sultan Abdal in einem Gedicht beschreibt, band sich Ali ein rotes Tuch in seinen Turban,
was dann auch seine Gefolgschaft imitierte, so dass das rote Tuch allgemein für seine Anhängerschaft galt.
Die Bezeichnung „Rotschopf” wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts benutzt. Danach geriet es in Ver­
gessenheit und wurde durch „Alevit” ersetzt.
2 Bezeichnet eine Geschlechterabfolge von Herrschern und ihrer Familien.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
33
Aufklärung
KANN MAN ZUM
ALEVITENTUM
KONVERTIEREN?
Bis Dato ist es so, dass man zum Alevitentum nicht konvertieren kann, da man
– wie auch im Judentum – in die Gemeinschaft hinein geboren wird. Aber zum
Bektaschitentum, das als städtische Auslegung und Variante des Alevitentums
definiert werden kann, können Menschen unabhängig ihrer ethnischen Her­
kunft konvertieren. Ein Grund, weshalb man zum Alevitentum nicht konver­
tieren kann, liegt darin, dass das Alevitentum keine Missionierung 1 kennt.
Das Alevitentum ist keine Religion, die für Massen von Menschen konzipiert
worden ist.
1 Mission bedeutet (Aus-)Sendung; missionierende Religion ist eine Religion, die ihre Botschaft
aktiv verbreitet.
5
4
[email protected]
Wenn du willst, dass
auch deine Frage
beantwortet wird,
dann schreibe uns
doch gerne an:
[email protected]
WIE IST ALI ERMORDET
WORDEN?
Der Ursprung des Wortes Alevitentum liegt bei Hz. Ali, dem 1. Imam, den von Muham­
med bestimmten Nachfolger, Schwiegersohn des Propheten und den die Aleviten als
vollkommenen Menschen anerkennen. Er und Hz. Fatma sind die Personen, welche die
Blutlinie des Ehlibeyt (die Familie Muhammeds) fortsetzten. Es gibt aber bei dem Thema
des Todes von Hz. Ali einen weit verbreiteten Irrtum. Dies ist auch der Grund, zu dessen
Klärung dieses Schreiben beitragen will. Die Geschichte, dass Hz. Ali während eines
Gebets in einer Moschee von hinten mit einem vergifteten Messer umgebracht wurde,
entspricht nicht der Wahrheit. Dieser Irrtum wird heute leider auch innerhalb vieler ale­
vitischer Familien weiter verbreitet. Zum einen gab es in der damaligen Zeit keine Mo­
scheen wie sie heutzutage existieren, sondern Gebetshäuser (mescit) die den Moscheen
nicht ähnelten und zum anderen das Gebet (salât) ähnelte nicht dem des sunnitischen
namaz, wie es praktiziert wird. Was nun über den Tod bzw. Ermordung Ali´s zu sagen ist
folgendes; Hz. Ali wurde am 24.01.661 von Ibn Mülcem beim Verlassen seines Hauses
mit einem giftigen Messer von hinten erstochen. Die Tatsache, dass die Mordwaffe ein
giftiges Messer war, ist das einzig Richtige an der Geschichte. Das ist auch nicht der
Grund warum Aleviten nicht in die Moschee gehen um zu beten, sondern nur ein
weit verbreitetes Irrtum.
Beyhan Kepenek
Team Presse
34 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
L
wie Liebe.
Unsere Liebe zum Glauben
Eine Einführung
Vereinsarbeit
Vorstellung, Intention und Ziele der Fördermitglieder
der alevitischen Akademie und der Vorsitzenden
Bochum AKM
Sundern AKM
Was, Wie, Wo?
Erfahrungsberichte der Jugendlichen zu den
Wochenendseminaren
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
35
Liebe
[email protected]
Alevilik Așkı
Unsere Liebe
zum Glauben
Das Alevitentum ist eine Glaubenslehre und
basiert auf folgende Werte: Liebe, Respekt
und Toleranz für den Nächsten gegenüber.
Die Liebe spielt dabei eine sehr signifikante
Rolle. Sie ist die Basis des Glaubens.
Man assoziiert in erster Linie das Wort Liebe mit Zunei­
gung, Wertschätzung oder Verbundenheit. Jedoch ist
hier die Liebe zu Gott (Hak) und die Liebe der Auslebung
des Alevitentums gemeint. Diese Liebe kann nicht erklärt
werden, sondern muss gelebt werden (Aflk anlat›lmaz,
yaflan›r).
Heutzutage sieht man den Wandel der Jugend sehr deut­
lich. Sie hat sich verändert, sowohl zum Negativen als
auch zum Positiven.
Nach einer Studie von 2011 (Quelle: mpfs) liegen die Inte­
ressen der Jugendlichen mit 83%-92% bei Freundschaft
und Liebe, gefolgt von Musik mit 83%-87%. Ganz unten
dabei ist überregionale Politik mit 15-25%. Betrachtet
man dabei das Thema Religion, taucht sie nirgends in der
Skala auf. Jedoch kann man nicht alle Jugendlichen un­
ter einen Kamm scheren. Es gibt aber auch andere. Und
zwar jene, die sich für Ihren Glauben, dem Alevitentum,
ihre Freizeit hingeben, indem sie z.B. an Wochenendse­
minaren zur Glaubenserkennung (veranstaltet von der
Alevitischen Akademie) teilnehmen oder aber diejenigen,
36 die neben Studium, Job und Familie im Vorstand der Ale­
vitischen Akademie tätig sind und diese ganzen Seminare
veranstalten.
Mehmet Ali Öztoprak, der 28 Jährige Master Student, der
dies kann und will. Und zwar alles für seinen Glauben,
alles für seine Liebe zu Hak-Muhammed-Ali. Seit 2 Jahren
ist er schon ehrenamtlich als Sekretär in der Alevitischen
Akademie tätig. Aber nicht nur das, er ist auch schon seit
über 6 Jahren im Jugendvorstand der Alevitischen Ge­
meinde in Bochum und arbeitet fleißig mit den über 50
Jugendlichen (alter von 10-26 Jahren) für ihren Glauben.
Nicht von Anfang an waren es so viele Mitglieder. Die
Zahl stieg stetig an. Durch gute Arbeit mag man sagen.
Gemeinsam haben sie viel erreicht. Sie sind nicht nur Mit­
glied in Vereinen wie z.B. dem Paritätischen Wohlfahrts­
verband, sie sind auch nicht ganz unbekannt bei Bochu­
mer Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz.
Theaterprojekte wie „Heimleket“, jährliche Folkloreauf­
tritte am Springer Platz machen sie gerne mit. Ihre aktive
Jugendarbeit schweißte sie immer mehr zusammen und
gemeinsam leben sie genau diese Liebe aus, die Liebe
zum Alevitentum-„Alevilik-Aflk›“.
Auch Bircan Akdo¤an, 16 aus Bochum, ist ein gutes Bei­
spiel dafür, dass Jugendliche sehr wohl noch andere Inter­
essen pflegen. Sie tanzt seit 2009 bei der Folklore Grup­
pe „Dance of Harmony“, die aus Jugendlichen aus ganz
NRW besteht. Jeden Sonntag für 2 Stunden trifft sich die
Tanzgruppe aus Bochum im Bochumer Verein. Sie lernen
nicht nur türkischen Folkloretanz, sondern auch „Semah“
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Liebe
[email protected]
Aflk›m›n temeli sen bir alemsin
Sevgi muhabbetsin dilde kelams›n
Merhabas›n dosttan gelen selams›n
Duyarak al›r›m sen vars›n orda
(Afl›k Veysel)
– dem rituellen „Tanz“ zur Vereinigung von Mensch zu
Gott. Semah ist jedoch kein folkloristisches Element, dass
zum Vergnügen getanzt werden sollte. Es ist ein Gebets­
ritual, der nur in der Cem-Zeremonie vorgetragen wer­
den sollte. Regelmäßig gibt es Auftritte für Bircan und
ihre Freunde, manchmal sogar 2-3 pro Tag. Das erfordert
viel Disziplin und Zeit. Doch Bircan ist mit Leib und See­
le dabei. Aber das genügt ihr nicht. Auch bei den CemZeremonien ist sie immer dabei. Sie übernimmt eine der
12 Dienste im Cem, und zwar den 4.Dienst als „Ceragci
(Delilci)“ (Zünder des Lichts). Dabei sagt sie ihr Gebet auf
und zündet das symbolische Licht und sorgt für die Be­
leuchtung des Cem-Hauses. Mit ihren 16 Jahren meistert
sie ihre Schule, geht nebenbei ihrer Folklore Leidenschaft
nach und ist aktiv bei den Cem-Zeremonien dabei, alles
aus Liebe zu Hak-Muhammed-Ali.
Im Alevitischen Glauben gibt es natürlich auch bekannte
Persönlichkeiten, die aus Liebe zum Glauben handelten.
Pir Sultan Abdal zum Beispiel, ein alevitischer Dichter,
der im 16.Jahrhundert in Anatolien lebte. Er war ein sehr
berühmter und gemochter Dichter und Denker. In seiner
Lyrik drückte er die sozialen, kulturellen Probleme und
seine Liebe zum Volk und seinem Glauben aus. Im Osma­
nischen Reich galt er deswegen als Rebell und wurde vom
Pascha H›z›r zum Tode verurteilt. Für die Aleviten ist Pir
Sultan Abdal ein Held, der sich gegen die Ungerechtigkeit
auflehnte.
Abschließend möchte ich oben noch ein Gedicht von
Afl›k Veysel aufführen, in dem er die Liebe erwähnt.
Nilüfer Cay
Team Presse
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
37
Liebe
Vereinsarbeit
Bochum AKM
Die alevitische Gemeinde Bochum wurde 1988 von einer
handvoll Menschen gegründet. Damals traf man sich in
einem Park, weil man keine Räumlichkeiten fand um die
Gründung zu vollziehen. Damals wie heute hatten die
Vereine mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Das
ist aber völlig normal, da sie keinerlei Unterstützung er­
fahren haben, außer von ihren Mitgliedern.
Einen Wendepunkt innerhalb der alevitischen Bewegung
stellt das Sivas Massaker 1993 dar. Leider wurde uns al­
len damals bewusst, wie unorganisiert und wie schwach
wir waren. Aus diesem Grund haben wir uns als Alevi­
ten an die Arbeit gemacht und die Alevitische Gemeinde
Deutschland (AABF) gegründet. Die Alevitische Gemein­
de Bochum war von Anfang an dabei. Auch wenn unser
Dachverband als eine Glaubensorganisation gegründet
wurde, überwog bis heute die politische Seite des Ver­
bandes. Heute sehen und erkennen wir, dass uns dies
nicht weiterbringt und die Aleviten sich zurück zu den
„Wurzeln“ sehnen. Es ist Zeit für eine Veränderung. Von
der Politik hin zum Glauben bzw. zum Alevitentum. Ge­
lingt uns diese Veränderung nicht, habe ich die Befürch­
tung, dass wir uns in Zukunft nicht entwickeln und nicht
wachsen werden. Heute zählt unsere Gemeinde mehr als
200 Familien zu seinen Mitgliedern. Wir haben mitten im
Zentrum von Bochum unser eigenes Cem Evi gekauft und
können stolz sagen, dass unsere Gemeinde zu den schöns­
38 [email protected]
ten in Deutschland zählt. Hervorragende Beziehungen zu
den städtischen Einrichtungen, MSO‘s, Wohlfahrts- und
Jugendverbänden sind für uns mittlerweile selbst­
verständlich. Ferner setzen wir uns, für die Interessen
der alevitischen Bevölkerung innerhalb der alevitischen
Gemeinde Deutschlad (AABF) regelmäßig ein.
Besonders hervorzuheben ist unsere Jugendabteilung.
Die Alevitische Jugend Bochum ist in Europa aufgrund
seiner finanziellen und personellen Stärke beispiellos. Wir
sind stolz auf unsere Jugendabteilung und mit welchem
Einsatz sich unsere Jugendlichen für das Alevitentum
einsetzen. Unsere Jugendabteilung hat einen sehr guten
Ruf in ganz Deutschland. Sie ist in Organisationen wie
im Jugendring Bochum, Paritätisches Jugendwerk, Bund
der alevitischen Jugendlichen in Deutschland (BDAJ),
Deutsches Jugendherbergswerk etc. Mitglied.
Seit 2011 ist unsere Gemeinde Fördermitglied der Alevi­
tischen Akademie. Die Alevitische Akademie versteht sich
als die Bildungs- und Forschungseinrichtung der Aleviten.
Aus diesem Grund verdient sie umfangreiche Unterstüt­
zung der Aleviten, um Bildungs- und Forschungsarbeit
für die Aleviten zu betreiben. Seit unserer Mitgliedschaft
im Jahr 2011 hat die Akademie wertvolle Arbeit in dieser
Sache geleistet, deswegen danken wir der Alevitischen
Akademie. Wir wünschen der Akademie für die Zukunft
alles Gute.
Ismail Boyraz
Vorsitzender
Alevitische Gemeinde Bochum
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Liebe
[email protected]
Sundern
AKM
Warum ist unsere Gemeinde Fördermitglied der Alevi­
tischen Akademie? Die Aleviten haben in den letzten 20
Jahren einen beachtlichen Grad an Organisation erreicht.
Viele Vereine sind unter Dachverbänden organisiert. Den­
noch stellen wir tagtäglich fest, dass das Alevitentum bis
heute nur unzureichend der deutschen Gesellschaft und
vor allem der jüngeren Generation der hier aufwachsen­
den Menschen bekannt ist.
Die Alevitische Akademie ist durch ihre wissenschaftliche
Arbeit und besonders durch die Wochenendseminarrei­
he „Grundlagen der aleviti­schen Glaubenslehre“, die
sich vor allem an Jugendliche richtet, zu einer wichtigen
Institution geworden.
Die Unterstützung der alevitischen Vereine im Bereich
Öffentlichkeitsarbeit und das Engagement jedes einzel­
nen Mitgliedes der Akademie haben uns imponiert. Wir
sind der Akademie sehr dankbar für die Unterstützung
unserer Abendveranstaltung, bei dem unsere Gemein­
de auf Kreisebene vergangenen Mai vorgestellt wurde.
Weiterhin ist es für uns sehr wichtig, mit der Akademie
eine Institution zu unterstützen, die unserem Bild des Ale­
vitentums, so wie es von unseren Vorfahren übermittelt
worden ist, nicht widerspricht.
Wir unterstützen als Alevitische Gemeinde Hochsauer­
landkreis Kultur- und Cemhaus die Arbeit der Alevitischen
Akademie, die entgegengesetzt zu anderen Organi­
sationen das Alevitentum nicht als eine eigenständige
Religion präsentiert.
Für die Zukunft wünschen wir den ehrenamtlichen Mitar­
beitern der Alevitischen Akademie weiterhin viel Erfolg.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
39
Liebe
[email protected]
WOCHENEDNSEMINARE
Grundlagen der alevitischen
Glaubenslehre
Die Alevitische Akademie veranstaltet seid 2012 in Ko­
operation mit verschiedenen alevitischen Gemeinden
Wochenendseminare zum Thema Grundlagen der Alevi­
tischen Glaubenslehre, die jeweils von Freitag bis Sonntag
andauern. Die Wochenendseminare finden in Jugendher­
bergen mit 2 Übernachtungen statt.
In diesen Seminaren werden durch kompetente Refe­
renten, die seit Jahren die alevitische Lehre erforschen,
die Grundlagen des Alevitentums an interessierte Ju­
gendliche vermittelt. Dogma, Liturgie und auch die Ter­
minologie des alevitischen Weges soll hierbei erklärt und
veranschaulicht werden. Ferner haben die Jugendlichen
die Möglichkeit, ihre individuellen Fragen an den Refe­
renten zu stellen, andere alevitische Jugendliche aus ganz
Deutschland kennenzulernen und sich gemeinsam mit
anderen alevitischen Jugendlichen über Probleme, Lö­
sungsansätze und Zukunftsperspektiven der alevitischen
Jugendarbeit zu unterhalten.
40 Die Alevitische Akademie will durch diese Wochenend­
seminare alevitische Jugendliche drei Tage lang in Sachen
Alevitentum unterrichten und möglichst vorhandene
Wissens­lücken schließen. Wir hoffen, dass wir durch diese
Seminare interessierte Jugendliche hinreichend zum The­
ma „Alevitentum“ aufklären bzw. die Vernetzung und
den Zusammenhalt innerhalb der alevitischen Jugend in
Deutschland stärken konnten.
Seit 2012 haben bereits hunderte alevitische Jugendliche
an den Wochenendseminaren der Alevitischen Akademie
teilgenommen. In den folgenden Seiten findet ihr einige
Fotos und Aussagen der Teilnehmer aus den Wochen­
endseminaren der alevitischen Akademie.
Auf den nächsten Seiten stellen wir euch die Wochen­
endseminare in Bildern vor. Weitere Fotos könnt ihr auf
der Facebook Seite der Alevitischen Akademie unter Al­
bums sehen.
(www.facebook.com/AleviAkademisi/photos_albums)
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Liebe
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Was - Wie - Wo?
Erfahrungsberichte der
Jugendlichen
zu den
Wochenendseminaren
Nilüfer Cay
Team Presse
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
41
Liebe
[email protected]
Bircan Akdogan, 16 aus
Bochum
„Ich war bei dem Seminar am Big­
gesee dabei. Es war sehr lehrreich.
Am besten fand ich die lehrreichen
Spiele mit Nehir Basaran. Der Geist­
liche Sedat „Dede“ war natürlich
auch wieder toll. Ich finde durch die
Seminare, die veranstaltet werden,
bilden wir eine Einheit und man
schätzt den Glauben besser.“
Ersin Kök, 21 aus Hamburg
„Ein Seminar, rund um das Aleviten­
tum! Toll!“
Ipek Tahtali, 16 aus Lübeck
„Immer wieder gerne! Mein Wissen
über meinen Glauben ist
aktualisiert!“
Dilek Eker, 24 aus Hamm
„Ich habe an dem Seminar „Grundlagen der alevitischen Glaubens­
lehre“ teilgenommen. Es war ein sehr lehrreiches, buntes Wochen­
endseminar, an dem wir die Grundelemente unserer Glaubensrich­
tung kennengelernt haben, unsere Fragen beantwortet bekamen
und tolle Freundschaften bilden konnten. Auch nach dem Seminar
haben wir den Kontakt zueinander beibehalten und treffen uns nun
regelmäßig mit SAZ, SÖZ UND AfiK. Es ist wundervoll und erfüllend
zu sehen, dass so viele junge Menschen für den sicheren Bestand
ihres Glaubens arbeiten und tolle Projekte entwickeln.“
07.06.-09.06.13 De
42 s ganz NRW.
ierigen Jugendlichen au
referiert vor wissbeg
r geistliche Sedat Dede
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Liebe
[email protected]
Wochenendseminar mit den alevitisc
hen Kulturvereinen Neumünster, Ham
burg, Lübeck und Wedel Ostsee2013
Can Aksevi, 19 aus Bochum
„Das Seminar hat mir sehr gefallen
und ich würde auch wieder daran
teilnehmen. Ich habe dort viel über
das Alevitentum gelernt und es hat
mir auch Spaß gemacht und man
hat dort viele Leute kennengelernt.“
inar, Biggesee
m
Wochenendse
2013
Serap Zileli, 22 aus Witten
„Ich habe an 2 Wochenendseminaren teilgenommen. Letztes Jahr (Mai) wa­
ren wir am Möhnesee und dieses Jahr am Biggesee (7.6.-9.6.13). Ich fand die
Wochenendseminare sehr erfolgreich, da man viel über unseren Glauben lernen
konnte. Zudem wurde alles verständlich erklärt. Man hatte die Gelegenheit sein
Wissen zu vertiefen und viele Fragen zu stellen. Weiterhin hatte man die Mög­
lichkeit viele alevitische Jugendliche aus anderen „Vereinen“ kennenzulernen.
Ich war gerne an den Wochenendseminaren dabei und würde es auch weiter
empfehlen. Es ist wichtig den eigenen Glauben kennenzulernen.“
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
43
Liebe
[email protected]
„Solche Seminare müssen unbedingt öfters
organisiert werden! Danke!“
Cansu Akgül, 22 aus Wedel
„Ich freue mich schon auf das nächste
mal! Danke Akademie!“
Hasan Hüseyin, 20 aus Hamburg
Bergen Saat, 22
aus Neumünster
„Vielen Dank an alle die dieses Seminar
organisiert und geleitet haben!“
Aylin Akdogan, 24 aus Bochum
„Als erstes einen großen Dank an die Alevitische
Akademie, dass sie uns wieder ermöglicht hat durch
die Wochenendseminare intensiver über das Aleviten­
tum zu lernen. Mir hat das Wochenendseminar
sehr viel Spass gemacht, wo Ich auch einiges
habe mitnehmen können.“
44 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Liebe
[email protected]
Wochenendseminar in Zusammenarbeit mit dem Alevitischen KulturvereinStuttgart,Überlingen am Bodensee 2013
Eren Gökdemir, 21 aus
Oberhausen
Pinar Bozkurt
26 aus Sundern
„Das Wochenendseminar war sehr
lehrreich. Von Anfang an wurde
eine sehr familiäre Atmosphäre
geschaffen. Wir kannten uns alle
erst seit ein paar Stunden, aber diese
familiäre Atmosphäre sorgte dafür,
dass wir alle offen waren und dies
wiederum förderte das Lernen und
Erlernen des Alevitemtums.“
„Ich habe sowohl letztes Jahr, als auch dieses Jahr an dem Wochenendsemi­
nar teilgenommen. Letztes Jahr habe ich dann auch zum ersten Mal von der
Alevitischen Akademie erfahren. Letztes Jahr war das Seminar am Sorpesee,
dieses Jahr am Biggesee, beide Seen liegen im schönen Sauerland. Ich muss
sagen, dass im Vergleich zu letztem Jahr eine Steigerung stattgefunden hat.
Während letztes Jahr viel mehr frontal ablief, hatten wir dieses Jahr durch
Nehir Basaran viele interaktive Übungen, die pädagogisch gut abgestimmt
waren. Wir sind auf einem echt guten Weg, da die Jugendlichen eingebun­
den und ernst genommen werden.“
Nasit Kireylioglu, 25 aus Bochum
„Das Wochenendseminar am Möhnesee
war für mich das erste Seminar über mei­
nen Glauben. Ich fand es sehr lehrreich und
ich würde immer wieder aufs Neue an sol­
chen Veranstaltungen teilnehmen. Ich kann
es wirklich jedem empfehlen, der sich mit
seinem Glauben auseinandersetzen will.“
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
45
Liebe
[email protected]
Gruppenfoto Wochenendseminar in Scharbeutz an der Ostsee
LÜ
BE
Hasan Hüseyin Sar› aus Hamburg: „Ich konnte alles fragen
und kompetente Antworten
bekommen. Solche Seminare
müssen öfter stattfinden“
Foto von Teilnehmern am
Wochen­endseminar in
Scharbeutz an der Ostsee
46 Eren Ali Kök aus Neumünster:
„Ich finde es wichtig, dass
solche Seminare stattfinden
und die alevitischen Werte an
Jugendliche vermittelt werden.“
A.L.E.V.I. – Jugendzeitschrift der Alevitischen Akademie, Ausgabe 01/2014
CK
Liebe
[email protected]
STUTT
Aylin Karayel aus Stuttgart: „Ich
habe viel über das Leben von Hz.
Ali, Hz. Hasan, Hz. Hüseyin und
den restlichen Imamen gelernt.
Diese großen Menschen sind
echte Vorbilder für alevitische
Jugendliche.“
Fotos zeigen die Teilnehmer
aus dem Wochenend­seminar in
Stuttgart
GART
Alle Fotos gibt es
auch auf unserer Facebook–Seite: www.
facebook.com/
AleviAkademisi?fref=ts
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
47
Liebe
[email protected]
HA
Sevcan Nedime Akgül aus Hannover: „Diese Seminare tragen viel
zur Identitäsbildung von alevitischen Jugendlichen bei.“
NN
O
VER
48 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Yasin Bozda¤ aus Bremen:
„Habe hier viele neue Freunde
kennengelernt.“
Liebe
[email protected]
BIG GE SEE
Aylin Akdo¤an aus Bochum: „Mir
ist das Alevitentum wichtig, und
die Seminare machen sehr viel
spaß, man lernt auch viel.“
Kudret Kaplan aus Hattingen
„Bei uns in Hattingen gibt es
nicht so viele Aleviten, ich bin
deswegen froh, soviele neue alevitische Freunde kennengelernt
zu haben.“
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
49
Liebe
[email protected]
MÖH
Ersoy Doruk aus Recklinghausen:
„Ich finde solche Seminare sind
sehr sinnvolle Freizeitgestaltungen. Man hat Spaß, kann viel unternehmen und zuhause anschließend viel neues berichten.“
NE
Ya¤mur Y›ld›r›m aus Gladbeck:
„Ich fand es prima, dass die
Seminare auf Deutsch stattfanden.“
Fulya Kuscu aus Gelsenkirchen
„Ich will die Jugendlichen aus
meiner Gemeinde dazu motivieren, auch an solchen Seminaren
teilzunehmen.“
50 SEE
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Liebe
[email protected]
Alev Koç aus Grevenbroich:
„Diese drei schönen Tage
werden bei mir immer positiv in
Erinnerung bleiben.“
SOR
Serap Demir aus Wuppertal:
„Die Lage am Sorpesee war
herrlich. Habe viel über das
Alevitentum gelernt.“
R›za Karabacak aus Solingen:
„Ich würde gerne noch mal so
ein Seminar besuchen wollen.“
PE
SEE
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
51
Liebe
[email protected]
Umut Yildirim aus Calw: „ Ich
habe nach dem Seminar, all die
Jugendlichen die ich dort kennengelernt habe vermisst. Ich bedanke mich auch bei Cem Kara abi,
der uns viel über das Alevitentum
beigebracht hat“
ÜBER
Dilay Arslan aus Nürtingen: „Wir
sind mit 13 Jugendlichen aus
Nürtingen angereist und waren
von der Organisation und dem
Wissen des Referenten überwältigt. Vielen Dank an die Alevitische Akademie“
52 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Liebe
[email protected]
LIN
Das Seminar fand 2013 in
Überlingen am Bodensee statt.
Pelin Parlak aus Schwäbisch
Gmünd: „Unsere Gemeinde ist
mit ca. 25 Jugendlichen angereist. Ich bin sehr froh, dass solche Seminare stattfinden. Vielen
Dank an die Organisatoren“
GEN
Alle Fotos gibt es auch auf unserer
Facebook–Seite: www.facebook.
com/AleviAkademisi?fref=ts
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
53
Liebe
Unterhaltung mit den Jugendlichen während der Pause beim
Wochenendseminar im Alevitisch-Bektaschitischen Institut.
1. und 2. Treffen der
Zukunftswerkstatt
54 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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E
wie Einheit.
fiah Ismail Hatayi und seine Bedeutung für das
Alevitetum
Sein Leben und die Staatsgründung
Frauen im Alevitentum
Rolle und Funktion einer „Ana“ im Alevitentum
Einheit in Vielfalt
Sitten und Gebräuche
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
55
Einheit
[email protected]
Sein Leben und die Staatsgründung
Şah İsmail Hatayi
und seine
Bedeutung für
das Alevitentum
fiah ‹smail Hatayi wurde im Jahr 1487
in der iranischen Stadt Ardabil gebo­
ren. Sein Vater und Großvater stamm­
ten von der Familienlinie von Imam
Musa el-Kaz›m ab 1. Sie waren die
Führer (Scheich) des Safawiden Or­
dens und lebten in der Stadt Ardabil.
Die Stadt Ardabil war somit auch das
Zentrum des safawidischen Ordens.
Nach dem Tod von fiah ‹smails Vater,
wurde fiah ‹smail der Scheich vom Or­
den und Führer seiner Stammeslinie
(Ocak). In der heutigen Türkei existie­
ren noch Stämme die ihren Namen
von den Safawiden bekommen ha­
ben und somit eine Verwandtschaft
mit diesen besitzen. Darunter sind
u.a. der fiah Hatayi Stamm, Sayyid
Safiyüddin Ishak Veli Stamm und der
Scheich Safi Stamm. 2
1 Ghulam Sarwar(1939):History of Shah Ismail Safawi, s.17
2 Ali Yaman (2006): K›z›lbafl Alevi Ocaklar›, s.91-92
3 Walther Hinz (1992):Uzun Hasan ve Seyh Cüneyd, s.8-9
4 Hasan-I Rumlu (2006): Ahsenü’t-Tevârîh, s.579
5 The Safavid state and polity, s.192
6 Roger Savory (1980): Iran under the Safavids ,s.34
56 Ende des 15. Jahrhunderts wurden
die Anhänger der Safawiden als
„K›z›lbafl“ (Rotköpfe) bezeichnet.
Die Scheichs der Safawiden waren
die obersten religiösen Anführer der
K›z›lbas (mürsid-i kâmil). Die K›z›lbafl
strömten in die Stadt Ardabil, um
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
den Safawiden Orden zu besuchen.3
Dort bildeten die Safawiden Scheichs
die Dedes aus und gaben ihnen ihre
Diplome. Die Anhänger hingegen
brach­­ten ihren Scheich Geschenke
mit. 4
fiah ‹smails Vater und auch sein
Großvater bewaffneten sich und
versuchten einen Staat zu gründen.
Doch alle beide versagten bei dem
Vorhaben und wurden beim Un­
terfangen getötet. Dadurch wuchs
Schach Ismail als Waise auf und wur­
de von treuen Freunden (ehl-i ihtisas)
seiner Ahnen beschützt. 5
1501 war durch die Eroberung Täbris
durch fiah ‹smail, ihm auch die Grün­
dung des Safawiden Staates vergönnt.
Er machte auch Täbris zur Haupt­
stadt seines Reiches. Jetzt hatten die
K›z›lbafl Anhänger in Anatolien einen
offiziellen eigenen Staat und eine Ins­
tanz die sie schützen konnte. Darum
bezeichnete man auch das Safawiden
Reich als „Staat der K›z›lbafl“. 6 Im sel­
ben Jahr hat der osmanische Sultan
Bayezid II. den K›z›lbafl Anhängern in
Einheit
[email protected]
fiah ‹smail Hatayî
(1487-1524)
Anatolien unter Drohung der Todes­
strafe die Ausreise in das Safawiden
Reich verboten. 7 Von 1505-07 hat
fiah ‹smail weite Teile von Ostanato­
lien in sein Reich einverleibt, darunter
einige Teile von Sivas, Marafl, Erzin­
can, Cemisgezek (Dersim), Elaz›¤,
Erzurum, Çapakçur (Bingöl), Mufl. 8
So befreite er einen Teil seiner An­
hänger aus dem Joch der Osmanen.
Die Zusammenkunft
verschie­dener „Alevi“
Gruppen
Zu dieser Zeit gab es verschiedene
Gruppen, die heute unter der „Ale­
vi“ Identität definiert werden kön­
nen. Zunächst trafen sich unter dem
Zweig Sîa-yi Batiniyye unter anderem
die Gruppen Kalenderi, Hayderi, Rum
Adballari sowie Hurufi. Dies geht aus
den Untersuchungen von Ayfer Kara­
kaya hervor. 9 Die Alevitischen Orden
bzw. Stammeslinien (Ocak) waren
von den Safewiden unabhängig, je­
doch nach der Zeit von fiah ‹smail
ihnen untergeben und leisteten ihren
Hizmet (Art Dienstleistung).
Das Leben der PIR‘s unter
den Staaten
Alevitische Gruppen lebten in der
mittelalterlichen Kogge mit der Ver­
bundenheit zu fiah ‹smail und Safa­
widen unter der Landesführung von
Sunnitischen Herrschern, was sie
nicht wollten. Als Beispiel können die
Osmanl›, Dü‘l-Kadir sowie Akkoyun­
lu Länder genannt werden. Aleviten
wurden hier stark verfolgt. Als wei­
teres Beispiel kann das zweite Bayezit
Land genannt werden, dass einerseits
Osmanische Soldaten aufwies sowie
K›z›lbafl geprägte Zivilbevölkerung.
Diese Tatsache bereitete Angst. 10
Anderes Beispiel: Im Rahmen des
Krieges von fiah ‹smail gegen den
Staat Dulkadir im Jahre 1507, bekam
fiah ‹smail von Soldaten des Gegners
Unterstützung, da sie zu den Safe­
wi gingen. 11 Es wird zudem gesagt,
7 R›za Y›ld›r›m (2008): Turkomans between two empires:
the origins of the Qizilbãsh identity in Anatolia (1447-1514),
Bilkent University, s.307
8 Roger Savory (1965): The Consolidation of Safawid Power in Persia, s.75
9 Röportaj (Erdal Gezik): Ayfer Karakaya ile Alevi Belgeleri
ifl›¤›nda Bektaflilik, Safevilik ve Vefailik, soru 7
10 R›za Y›ld›r›m (2008): Turkomans between two empires:
the origins of the Qizilbãsh identity in Anatolia (1447-1514),
Bilkent University, s.341
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
57
Einheit
[email protected]
dass einige Sympathisanten das Zelt
von Yavuz in Flammen setzten.
Unter den Ländern, die als „Safewi“
geprägt waren, konnte ein Teil der
Bevölkerung, die dort nicht mehr
leben konnte, zu den Gebieten der
Pir‘s umziehen. Als Beispiel kann
angeführt werden, dass im Jahre
1511 der „Sufuyan Halife Rumlu“
mit 15.000 Bevölkerung und derer
Stämme angeführt werden, die von
den Ländern der Osmanen zu den
Ländern der Safewi umzogen. 12
Der Safawiden Staat 1510
Ein Gedicht von Pir Sultan Abdal soll
die Bedeutung und die Liebe von fiah
‹smail zu den K›z›lbafl zeigen.
Çok uzak illerden özendin geldin
Sol tozlu yollara bezendin geldin
Urum‘dan ne günah kazand›n geldin
Niye geldin derler Urum sofusu
Bülbül gerek gül dal›na konmaya
fiah ‹smail gibi sama dönmeye
Musahibin yok mu derdin yanma ya
Niye geldin derler Urum sofusu
Pir Sultan Abdal‘›m hele yazsalar
Arasalar ülke ülke gezseler
Yolu do¤ru sürmeyeni assalar
Niye geldin derler Urum sofusu
Das Alevitentum bei der
Staasgründung
In dem YOL der K›z›lbaflis gab es ins­
gesamt 6 Makam (Behörden): Kalife
(Kalifen), Dede (Geistlichen), Müreb­
bi, Rehber (Wegweiser), Musahip
(Weg­begleiter) und Talip (Schüler).
Früher kamen die Dedes aus den
Mürsid Ocaks (Geistliche Stammesfa­
milien). Die Mürsids wurden von den
Kalifen zugelassen. 14
„Halifelik“ war bei der Staatsgrün­
dung von fiah ‹smail bereits vorhan­
den. Die Einführung bzw. das Leben
des „müsahiplik“ ist nach Quellenan­
gaben von fiah ‹smail selbst realisiert
worden. Der Müsahip von fiah ‹smail
Sultan Ali Mirza, hat beim „Çald›ran“
Krieg sein Leben für fiah ‹smail geop­
fert: 15
Cellatlar araland›
Ci¤erler parelendi
Sultan Ali ‹mirza‘m
Im Rahmen der Staatsgründung ar­
beiteten die Verantwortlichen an
der Staatsregligion „Sefevi Tarikat
(K›z›lbafl)“. Ganz oben stand der „Mür­
sid-i Kamil“ fiah ‹smail selbst, unter
ihm die „Halifet ulhulefa“ (Halifeler
Halifesi - KALIFEN), die für das Gebiet
Anatolien verantwortlich waren. Aus
den damiligen Quellen geht hervor,
wie notwendig diese Kalifen für die
hierarchische Struktur waren. 13
58 Bu kavgada parelendi …
Çöl olas› Çald›ran
Altun kadeh kald›ran
Hatayi‘m a¤lar gezer
Musahibin ald›ran
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
11 A Narrative of Italian Travels in Persia (1873) isimli eserde
gecen „The Travels of a Merchant in Persia“, s.197
12 Roger Savory (1960): The Principal Offices of the Safawid
State during the Reign of Ismail I, s.92
13 Roger Savory (1965): The Office of Khalifat Al-Khulafa
under the Safawids, s.497
14 Saim Savafl (2002): XVI. As›rda Anadolu‘da Alevîlik,Vadi
Yay›nlar›, s.39, dipnot 70
15 ‹smail Kaygusuz: „Sufi K›ran“ – Çald›ran Savafl› ve Çald›ran
sonras› Safevi-K›z›lbafl yönetiminin çöküfl evresi
Einheit
[email protected]
Die K›z›lbafl am Hofe der Safawiden,
15. Jahrhundert
fiah ‹smails Platz im Alevitentum
Die heutigen „nefesler“ in den CEMs
kommen zu meist von fiah ‹smail
selbst. Er nutzt in seinen Gedich­
ten den Begriff „Hatâyî“, die den
K›z›lbaflis als Regel gegeben wurde.
Gemäß den Quellen der K›z›lbaflis
und Bektaflis wurde von den Osma­
nen versucht, die K›z›lbaflis zu ellimi­
nieren bzw. zu vernichten. Trotzdem
lebten die K›z›lbaflis ihren Glauben in
den Gedichten weiter.
16 The Fallible Master of Perfection – Shah Ismail in the Alevi-Bektashi Tradition, s.11
Die heutigen Cems sind nach Quel­
len von den K›z›lbafl Schriftstücken
zu entnehmen. In anderen Worten,
Aleviten sind gehörig zu fiah ‹smail
und dem „Safevi Tarikat“. Das Zi­
tat „Yol bir sürek binbir“ beschreibt
dies. Es ist unerheblich wie diese sich
nennen, ob Bektafli, Sefevi (K›z›lbafl),
Sebek, Haksari oder Nimetullah, alle
führen zur gleichen Tür. Die Gedichte
fiah ‹smails sowie weitere Schrift­
stücke von ihm machen einen Teil
des heutigen Alevitentums aus. Des
Weiteren macht ihn die Tatsache,
dass er ein „mürsid-i kâmil“ aus dem
16. Jahrhundert war, zu einer religi­
ösen Figur in Alevitentum. Wie Hz.
Muhammed, Hz. Ali, die 12 Imame,
Ebu‘l Vefa, Pir Sultan Abdal ist er
auch eine religiöse Figur im Alevi­
tentum. Wie gesagt wird, wer Hz.
Ali nicht liebt, ein Alevite nicht sein
kann, Pir Sultan nicht liebt, ein Ale­
vite nicht sein kann. So lässt es sich
sagen, wer fiah ‹smail Hatâyi nicht
liebt, ein Alevite nicht sein kann. In
der alevitischen Praktizierung des
Glaubens (Ayin-i Cem‘de), ist in den
Gedichten, der beschriebene Mensch
nach seinem Weg beschrieben und
dies macht ihn zu einer alevitischen
religiösen Figur.
In Ayin-i Cem wird „fiah Hatâyi“ oder
„Hatâyi“ gesagt, dies impliziert gleich­
zeitig den „niyaz“ von vielen Aleviten
wenn sie es hören. In den Bergen
Bulgariens wird beim traditionellen
Semah Tanz auch „fiAH! fiAH!“ ge­
rufen.
Obwohl er vor 500 Jahren verstarb,
erzählen Aleviten immer noch die Ge­
schichten von fiah Hatayi, geben ih­
ren Kindern den Namen „‹smail“ oder
„fiahismail“. In bestimmten Regionen
ist dies ziemlich häufig wiederzufin­
den. 16
Gökhan Seren
Verfasser / Autor
Tuna Sürücü / Yusuf Usul
Übersetzung
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
59
Einheit
[email protected]
Frauen im Alevitentum
Die Rolle und Funktion
einer „Ana“ im
Alevitentum
Um die Rolle und Funktion
einer „Ana“ näher beschreiben zu können, werde ich
zunächst am Beispiel meiner eigenen Biographie in
die Thematik einführen und
schließlich die Inhalte meiner Ausführungen um alevitische Glaubensgrundsätze
ergänzen.
A
ls Jugendliche wirkte ich im
Alevitischen Kulturverein in
Rheda-Wiedenbrück mit.
Später, mit dem Studium und dem
damit verbundenen Umzug, landete
ich in Münster in Westfalen. Dort an­
gekommen und auf der Suche nach
Anschluss stellte ich mir die Frage, ob
es auch in Münster einen Alevitischen
Verein gibt. Nach kurzen Recherche­
be-mühungen stellte sich heraus,
dass Münster in der Tat keinen Ale­
vitischen Verein hat.
Neben dem tiefen Bedauern, in
Münster keinen Alevitischen Verein
gefunden zu haben, hatte ich gleich­
zeitig das Glück, durch Uni- und
Studentenwohnheimkontakte einige
60 Aleviten, die sich gleichfalls wegen
des Studiums in Münster aufhielten,
kennenzulernen. In dieser Gruppe
fanden wir uns zu einer StudentenInitiative zusammen und begannen,
uns für die alevitischen Belange im
weitesten Sinne zu engagieren.
Wir trafen uns regelmäßig mindes­
tens zweimal wöchentlich. Das eine
wöchentliche Treffen war öffentlich
und fand regelmäßig in den Räumen
eines interkulturellen Zentrums für
Studenten statt. Durch Kleinanzei­
gen in der gängigen Wochenschau
und weitere sich im Laufe der Zeit
ergebende Kontakte zu Aleviten und
am Alevitentum Interessierten wurde
die Runde größer. Im Laufe dieser
Zeit veranstalteten wir Leseabende,
Diskussionsrunden zu aktuellen und
vergangenen politischen Themen,
Treffen zu alevitischen Themen und
vieles mehr. Im Rahmen der Initiative
hatten wir sogar die Idee, eine klei­
ne Broschüre / Zeitschrift zum Thema
Alevitentum in deutscher Sprache zu
veröffentlichen.
In der Tat schrieben zwei liebe
Freunde und ich an dieser kleinen
Broschüre / Zeitschrift über verschie­
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
dene alevitische Themen, druckten
das Heftchen in Eigenregie in einem
Copy-Shop und verteilten es. Ferner
hatten wir das große Glück, dass ei­
ner unserer Mitgründer und aktivsten
Mitwirkenden ein hervorragender
Saz-Spieler ist, wir und auch andere
in den Genuss eines regelmäßigen
Saz-Unterrichts kamen.
Die gesamte Arbeit wurde so intensiv
und lebendig vorangetrieben, dass in
der immer größer werdenden Grup­
pe der Wunsch nach einem richtigen
Verein aufkam. Also besuchten meine
beiden Freunde und ich, manchmal
auch gemeinsam mit einigen alevi­
tischen Bekannten, alevitische Fami­
lien und erkundigten uns nach dem
Bedarf an einem Alevitischen Verein.
Die besuchten Familie waren begeis­
tert von der Idee, einen Alevitischen
Kulturverein zu haben, und wollten
zu dieser neue Aufgabe beitragen.
Kurz nach der Gründung des Alevi­
tischen Vereins in Münster verließen
die zwei Freunde Münster, sodass
ich neue Aufgaben in einem ande­
ren Rahmen, damit ist der Vorstand
gemeint, übernahm. Drei Jahre nach
Gründung des Vereins bin ich nun als
Einheit
[email protected]
Vorsitzende des Geistlichenrates im
Verein aktiv. Daneben blieb ich dem
Alevitischen Verein in Rheda-Wie­
denbrück über die gesamten Jahre
ein treues, aktives Mitglied.
Meine Tätigkeiten in beiden alevi­
tischen Vereinen sind jeweils unter­
schiedlich zu betrachten. Der Verein
in Rheda-Wiedenbrück ist ein Verein
mit etablierten Strukturen. Vorstand
und Mitglieder kennen alevitische
Glaubensinhalte und das Gemein­
deleben sehr genau und sind in der
Praktizierung der alevitischen Glau­
bensinhalte erfahren. In Münster hin­
gegen wurden wegen der Migration
und der Tatsache, dass es nicht ein­
mal einen Alevitischen Kulturverein,
geschweige denn einen Austausch
von Aleviten untereinander gab, wel­
che zur Praktizierung von alevitischen
Glaubensinhalten beitragen könnten,
viele Grundbausteine des alevitischen
Glaubensweges vernachlässigt.
nicht einmal über ein „Cem-Haus“
bzw. einen Kulturverein verfügten,
war ihnen auch das Wesen eines
Gemeindelebens fremd. Die Aleviten
in Münster waren sich weitgehend
unbekannt. Viele, die sich schon oft
begegnet sind und darüber hinaus
miteinander in Unterhaltungen und
sogar in Geschäftsbeziehungen zu
tun hatten, wussten nicht von der
religiösen Identität des Anderen. Of­
fensichtlich war es tabu, die eigene
religiöse Zugehörigkeit zu offenba­
ren und nach der religiösen Identität
des Anderen zu fragen.
Ein weiteres Ergebnis der Verheim­
lichung der eigenen Identität hat­
te zur Folge, dass ein Großteil der
Aleviten in Münster sich dem Glau­
ben entfremdet hatte und trotz des
Umgangs miteinander die religiöse
Identität des Nächsten unbekannt
blieb, hier wurde offensichtlich die
„Takiye“ 2 angewandt.
Dazu zählt in erster Linie auch die
Nicht-Pflege des Pir-und Talip-Ver­
hältnisses 1, welches den größten
Anteil daran hat, dass der alevitische
Glaube nicht entsprechend gelebt
werden konnte. Insbesondere Ju­
gendlichen der dritten Generation
sind vielen alevitischen Glaubens­
inhalten entfremdet. Die Migration
insgesamt hat bei Alt und Jung dazu
beigetragen, dass sich das alevitische
Glaubensverständnis und die alevi­
tische Lebensweise zurückgebildet
haben. Eine Neustrukturierung durch
Alevitische Kulturvereine /„Cem-Häu­
ser“ (religiöse Gemeinden) in Europa
und insbesondere auch in Deutschland hat zumindest dazu beigetra­
gen, dass die Gleichgesinnten die
Chance zu einem Miteinander erhal­
ten haben.
Da die Aleviten in Münster allerdings
Der Verein eröffnete die Möglichkeit
des Kennenlernens, des Miteinan­
ders und der religiösen Entfaltung.
Dadurch entwickelte sich der Ver­
ein in Münster zu einer Art Begegnungsstätte mit vielen verschiedenen
kulturellen, religiösen und sozialen
Angeboten. Die Menschen und ins­
besondere auch die Kinder hatten
das erste Mal Gelegenheit, sich ken­
nenzulernen, von ihrer Herkunft und
dem Hintergrund ihrer Lebensweise
und ihrer doch so „anderen“ Denk­
weise zu erfahren sowie bekannte
Denkweisen und Handlungsmuster
zu prüfen, zu hinterfragen und zu
deuten. Viele der Denk- und Hand­
lungsmuster in Hinsicht auf die Le­
bensweise und das gesellschaftliche
Miteinander wurden in Gesprächen
mit Gemeindemitgliedern nachträg­
lich, von ihnen selbst, immer auf die
alevitischen Glaubenswurzeln zurück­
geführt. Da es im gesamten Verein
kaum Geistliche gab, wurde ich bei
religiösen Themen immer häufiger in
Anspruch genommen. Immer wenn
Diskussionen bzw. Unsicherheiten
nicht nur im Vorstand, sondern auch
unter den Mitgliedern im Raum ste­
hen, wurde mein Rat eingeholt. Jede
Begegnung mit Mitgliedern führte zu
einer Auseinandersetzung mit religi­
ösen Themen. Sowohl Vorstand des
Vereins als auch Mitglieder wissen,
dass ich geistlicher Abstammung,
also Nachkommin der „ehl-i beyt“ 3Familie bin und durchaus auch darum
bemüht bin, dem „Weg“ 4, soweit
wie möglich, gerecht zu werden.
Mit der letzten Vorstandswahl im
Juni 2013 bin ich einstimmig zur Vor­
sitzenden des kleinen Geistlichen­
rates gewählt worden. Bei den Ale­
viten besteht Einigkeit darüber, dass
Frauen und Männer in jeder Hinsicht
gleichberechtigt sind, jedoch unter­
schiedliche Aufgaben und Rollen
haben, denen sie im irdischen Leben
gerecht werden müssen. Genau diese
Einigkeit über die Gleichberechtigung
erlebe ich im Alltag in der Rolle und
Funktion als „Ana“. Insbesondere die
Migration der Aleviten nach Deutsch­
land und anderen europäischen Län­
dern hat sie von den Glaubenstradi­
tionen entfremdet und nach Identität
und Selbstdarstellung in der jewei­
ligen Gesellschaft suchen lassen. So
kam es, dass viele Aufgaben und
Rollen von Dede / Pir, Ana und Talip
verwechselt und falsch, d. h. entfernt
von dem eigentlichen Glaubenskern,
definiert werden. Die Gleichstellung
von Mann und Frau, die im alevi­
tischen Glaubensverständnis vorherr­
schend ist, dient in allen alevitischen
Selbstdarstellungen, insbesondere
1 „Pir“ bedeutet „spirituell“ und bezeichnet einen geistlichen Führer, der durch seine Abstammung vom Propheten Mohammed und vom Imam Ali und damit durch die Zugehörigkeit zur „ehl-i
beyt“-Familie prädestiniert ist, Schüler anzunehmen, vgl. Bozkurt 1988, S. 23 ff. „Talip“ bedeutet: „Schüler“, „Strebender auf dem Weg zu Gott“, vgl. Bozkurt 1988, s.38-43.
2 „Aleviten praktizierten Takiye, das Verbergen der eigenen Zugehörigkeit. Takiye ist eine defensive Strategie, die das Ziel hat, nicht aufzufallen, und die verwendet wird, um in einer ablehnenden
und potentiell feindlichen Umwelt, die Verleumdungen für bare Münze nimmt, möglicher Verfolgung zu entgehen“, Sökefeld 2008, s. 9.
3 „ehl-i beyt“ ist die Familie des Propheten. Zur Familie des Propheten zählt der heilige Imam Ali, die heilige Fatima, der heilige Hasan und der heilige Pir Imam Hüseyin. Nur die „ehl-i beyt“-Familie
und deren Nachkommen sind auserwählt, den alevitischen Glaubensweg zu weisen.
4 „Weg“ bedeutet, „dem alevitischen Glaubensweg“ gerecht zu werden.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
61
Einheit
auch im europäischen Ausland, dazu,
sich als humane und an Gleichberech­
tigung orientierte Glaubensrichtung
zu präsentieren. In der Tat ist eines
der höchsten Glaubensgüter im Ale­
vitentum die Gewissheit, dass Frauen
und Männer vor Gott und auch im
alltäglichen Leben gleichberechtigt
sind. Der Fehler in den Selbstdar­
stellungen und neueren Beschrei­
bungen rund um das Alevitentum
liegt in der Behauptung, dass auch
Frauen Cem-Zeremonien (alevitische
Gebetszeremonien) durchführen dür­
fen. Möglicherweise erklärt sich diese
Fehleinschätzung durch den Wunsch
nach Anerkennung als moderne
Glaubensrichtung in der hiesigen
Gesellschaft, zumal die traditionellen
alevitischen
Glaubensgrundlagen
durch die neue Lebensweise zuneh­
mend in den Hintergrund rücken.
Vernachlässigt wird der Grundsatz,
dass der alevitische Glaube auf dem
Pir-Talip-Verhältnis beruht und die
Rollen- und Funktionsträger dement­
sprechend unterschiedliche Aufga­
ben haben.
Im „Buyruk“ 5 werden die Geistlichen
als Träger des göttlichen Wissens be­
nannt. Daher, so wird ausgeführt,
sind einzig die Geistlichen dazu prä­
destiniert, den religiösen Weg zu
weisen. Die Autorität der Geistlichen
wird so weit ausgelegt, dass alle an­
deren, die sich anmaßen, den Weg
weisen zu können, vom Weg abgeirrt
sind.
„Auf dem Pfad und bei den Grundpflichten kann man klug oder dumm
(oder vollkommen und unwissend)
sein.“
Unwissende, nicht von MuhammedAli abstammende Pire dürfen keine
Gefolgschaftshuldigung
erfahren
oder Führung beanspruchen. Ihre
Reue ist ungültig. Sie dürfen keine
[email protected]
Schüler aufnehmen oder Gelöbnisse
annehmen. Sie sind wider das reli­
giöse Gesetz, wider den mystischen
Pfad, wider die Erkenntnis und wider
die Wahrheit. Denn sie sind nicht bis
zur Quelle des Wassers vorgedrun­
gen. […]
Deshalb darf niemand, der nicht von
Muhammed-Ali abstammt, Scheich
oder Pir sein, Schüler annehmen oder
Verfügungen treffen. Ihr Gelöbnis ist
ungültig. Was sie essen, ist unrein,
was sie schlucken ist verdorben. 6
Neben der Anweisung, dass aus­
schließlich die Nachkommen der
„ehl-i beyt“-Familie für die religiöse
Wegweisung in Frage kommen, wird
betont, dass in der heiligen Schrift
ausschließlich die Rede von einem
männlichen geistlichen „Pir/Dede“
ist. Eine Schlussfolgerung aus dieser
Darlegung lautet, dass die Geist­
lichkeit nur mit den Männern der
„ehl-i beyt“-Familie Fortbestand ha­
ben kann und dass eine Ana (weibli­
che Nachkommin der „ehl-i beyt“-Fa­
milie) eine andere Funktion und Rolle
hat als der Pir / Dede. Da ich selber
eine „ehl-i beyt“-Abstammung habe
und mit dem Thema der Rollen und
Funktionen von Geistlichen im Eltern­
haus groß geworden bin und in der
Öffentlichkeit (weitestgehend alevi­
tische Gemeinden) mit dem Thema
der alevitischen Geistlichkeit ständig
in Berührung komme, habe ich mich
innerlich und wissenschaftlich mit
„Dedes“/„Pirs“ und „Anas“ ausein­
andergesetzt.
Geistliche alevitische Frauen, also
Analar7, haben die Aufgabe, ihren
Ehemann, den Pir, in jeder Hinsicht
zu vervollständigen. Erst wenn sich
der Pir in einem Ehebund befindet
und beide sich unter der Bezeu­
gung/dem Gelöbnis und dem Segen
des eigenen Pir das „‹krar“ (Gelöb­
nis) geleistet haben und auf immer
und ewig verbunden bleiben, ist der
Pir als Person vollständig. In der Zeit
des Alleinstehendseins sind sowohl
Frauen als auch Männer nach alevi­
tischem Verständnis unvollständig.
Die Vollständigkeit wird durch die
Einheit und Verschmelzung der Ehe­
leute erreicht.
Die Vorstellung, alevitische Frauen
seien im alevitischen Glauben zwar
gleichberechtigt, dürften aber kei­
ne Cem-Zeremonien abhalten, ist
für viele nicht mehr akzeptabel. Die
alevitische Frau wird der Glaubens­
auffassung nach hoch, sogar höher
als der alevitische Mann geschätzt.
Als Beispiel für die Manifestation
Gottes in der Frau und den gebüh­
renden Respekt vor den Frauen wird
die heilige Fatima (Tochter des Pro­
pheten Muhammed und Ehefrau des
Imam Ali) genannt. Sie war diejenige,
die, noch bevor es das Sein gab, da
war und in ihrer Person die gesamte
„ehl-i beyt“-Familie verkörperte, sodass den Überlieferungen nach der
Prophet Muhammed die Krone auf
ihrem Haupt war, der Imam Ali ihre
Lenden mit einem Gürtel umwickelte
und ihre Söhne Imam Hasan und Hü­
seyin die Ohrringe rechts und links an
ihren Ohren symbolisierten.
In der Konsequenz heißt dies, dass die
Gleichberechtigung im alevitischen
Glaubensverständnis sehr groß ge­
schrieben wird, jedoch jede Rolle mit
unterschiedlichen Funktionen und
Aufgaben besetzt ist.
So ist es eben der Pir, der als einziger
prädestiniert ist, Schüler („Talipler“)
anzunehmen und den geistlichen
Weg zu weisen. Im Buyruk, heißt
es, dass die Betreuung von Talip­
ler (Schülern) immer nur vom Pir als
verantwortlichem Wegweisenden 7
ausgeführt werden kann. Sicherlich
könnten Dedeler / Pirler 8 den Weg
5 „Buyruk“ („Gebot“) ist das wichtigste alevitische Buch nach dem Koran, welchem alle alevitischen Glaubens- und Verhaltensregeln zu entnehmen sind. Es ist die Offenbarung des Imam Cafer-i
Sadik, des 6. Imams der 12 Imame.
6 Vgl. Bozkurt 1988, S. 24.
7„Analar“ ist der Plural von Ana.
62 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Einheit
[email protected]
der Derwische wählen und in Abge­
schiedenheit die Einheit und geistige
Verschmelzung mit Gott suchen. Da
Dedeler / Pirler allerdings als „Seyidi Saadet Evladi Resul“ („gesegnete
Nachkommen des Propheten und
seines ehl-i beyt“) und als Lehrer der
Schüler („Talipler“ 9) geistige Füh­
rungsaufgaben besitzen, ist ihnen der
„einfachere Weg“, in erster Linie nur
auf die Einhaltung des eigenen rich­
tigen Glaubensweg bedacht zu sein,
nicht möglich. Vielmehr handelt es
sich um einen eigens gerecht einge­
haltenen alevitischen Glaubensweg
(denn auch jeder Dede/Pir muss sich
vor seinem eigenen Pir verantworten
und Rechenschaft über seine eigenen
Handlungen ablegen) und zudem um
die spirituelle und geistliche Führung
der Talipler. Der Talip sollte möglichst
im Einklang mit seinem Pir agieren,
denn es ist der einzige Weg, über den
die Vervollkommnung und göttliche
Einheit erlangt werden kann.
Imam Cafer es-Sadik verkündete:
„Ein Schüler ist jemand, der seinem
Gefährten und Erzieher gegenüber
einen Eid abgelegt hat und mit ihnen
dieselbe Sprache spricht.“
Die Schüler der Sippe des Muham­
med Ali müssen sich einen Tutor
und Gefährten wählen, das Gelüb­
de ablegen und sich das Ziel setzen,
den Weg zu Gott zu bejahen. Nach
Imam Cafer es-Sadik bedeutet das Is­
lamische Gesetz, das Richtige zu ken­
nen, der mystische Pfad, das Rich­tige
zu tun, die Erkenntnis, den rechten
Weg zu wählen, und die Wahrheit,
zu Gott zu gelangen. Ein Schüler
muss jedes dieser Vier Tore sehr gut
kennen. Ein Schüler folgt dem Tu-tor,
fügt sich dem Gefährten. Ein Schüler
nimmt sich einen Pir aus dem Stamm
des Muhammed-Ali. Er lernt – in den
Händen des Pir geformt – die Regeln
und den Weg. Er befolgt bedingungs­
los die Befehle des Pir. Ein Schüler
handelt nicht gegen die Worte des
Pir. Ein Schüler bestätigt mit seiner
Zunge und glaubt in seinem Herzen.
Er weiß um Muhammed-Ali. Er geht
auf dessen Weg und befolgt dessen
Regeln. Bei all seinem Tun bittet er
um das Wohlgefallen Gottes und
handelt nicht dagegen. Wenn ein
Schüler dem Pir nicht gehorcht, den
Leiter und den Gefährten nicht aner­
kennt, die Vier Tore nicht kennt, sich
nicht völlig dem mystischen Pfad hin­
gibt, hat er bereits den Weg und die
Gemeinschaft verlassen. Die Worte
solcher Schüler sind falsch, ihre Ge­
löbnisse ungültig. Sie haben sich von
allen Vier Toren abgewandt. Ihre
Eide, ihr Reden sind unwirksam. Ihre
Gesichter sind schwarz, denn sie sind
Lügner und Abtrünnige, die vom Weg
Gottes verstoßen worden sind. Dieser
gemeinsame Weg sichert – bei beid­
seitiger, verantwortungsvoller Ein­
haltung der Pflichten und göttlicher
Hingabe – nicht nur das Erreichen der
Vervollkommnung und die göttliche
Einheit, sondern hat auch eine soziale
und gerechte Lebensordnung in der
Gesellschaft zur Folge. Interessant an
den Ausführungen über die Aufga­
ben eines Schülers auf dem Weg zu
Gott ist nicht nur, dass der Schüler
absolut den Weisungen des Pir unter­
liegt und auf andere Art und Weise
8 „Dedeler“/„Pirler“: Plural der männlichen alevitischen Geistlichen.
9 „Talipler“: Plural von Talip.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
63
Einheit
Gottes Weg nicht begehen kann,
sondern auch die Tatsache, dass im
Buyruk die Frau als geistliche Führerin
von Talipler nicht erwähnt wird.
Geistliche Führung heißt in der Kon­
sequenz auch das Leiten eines Cem.
Ein ganz besonderes Gut des Cems
ist der „Pir Imam Hüseyin Postu“
also der heilige Thron des Pir Imam
Hüse­yin (Enkelsohn des Prophe­
ten Muhammed), welcher durch
ein Schafsfell symbolisiert wird. Auf
diesem Thron des Pir Imam Hüseyin
nimmt der Pir Platz, um die Cem-Ze­
remonie zu leiten. Dieses Fell, wel­
ches den genannten Thron symboli­
siert, ist Voraussetzung für ein Cem.
Kein Fell, also kein Thron und damit
kein Pir Imam Hüseyin und als letzte
Konsequenz kein Cem. Kaum einer
darf sich auf diesen wertvollen Thron
setzen.
Selbst der Pir / Dede muss ein wei­
teres Gelöbnis dafür ablegen und
sich vor seinem eigenen Führer, dem
Pir, dafür verantworten und das Ein­
verständnis dafür erhalten haben.
Der Pir ist in dem Moment des Cems
der Vertreter des Pir Imam Hüseyin.
In den letzten 50 Jahren hat es hin
und wieder eine Frau gegeben, die
die geistliche Führung im Cem über­
nommen hat, jedoch immer unter
der Prämisse, dies stellvertretend für
ihren verstorbenen Ehemann und zur
Betreuung der Talipler zu tun.
Diese Ausnahmen jedoch galten
un­ter der Bedingung, dass der Ehe­
mann, welcher als Pir diente, früh
verstorben war und die eigenen Söh­
ne noch nicht erwachsen genug wa­
ren, um dieses Amt auszuüben. Bei­
spiele aus der Vergangenheit zeigen,
dass die Ana, welche zum Beispiel ein
Cem leitete, ihren fünf Jahre alten
Sohn auf das Schafsfell (den heiligen
Thron des Pir Imam Hüseyins) setzte
und stellvertretend für diesen das
Cem führte. Insofern war der Sohn
quasi Leiter des Cems und die Mutter
das Sprachrohr ihres Sohnes. Faktisch
64 [email protected]
haben (geistliche alevitische) Analar
die Aufgabe, ihren Ehemann, den Pir,
in jeder Hinsicht zu vervollständigen.
Dies heißt mit anderen Worten, dass
die Ana zu allem in Hinsicht auf re­
ligiöse Bekundungen / das Sprechen
von Segensworten etc. befugt ist,
außer, wie bereits genannt, auf dem
„Pir-Post“ (dem heiligen Thron des
Pir Imam Hüseyin) in einem Cem Platz
zu nehmen und ein Cem zu leiten.
All diese Ausführungen sollen nicht
missverstanden werden im Hinblick
darauf, dass nicht auch Frauen häu­
fig, genau wie der Dede / Pir, göttlich
mit besonderen Aufgaben gefordert
sind und wundersame Heil- und Tat­
kräfte besitzen.
So gibt es zahlreiche alevitische Frau­
en, die sowohl in der Vergangenheit
als auch in der Gegenwart durch ihre
Wundertaten und große göttliche
Nähe bekannt sind. Bei meinen Aus­
führungen handelt es sich um die
Dar­stellung der unterschiedlichen Rol­
len / Aufträge von Frauen und Män­
nern im alevitischen Glauben, welche
weder als Benachteiligung noch als
Bevorzugung zu bewerten sind.
Der Wunsch nach Anerkennung der
hiesigen Gesellschaft kann sich ohne
Weiteres auf der Grundlage der alevi­
tischen Wahrheiten, die auf den Wer­
ten der Toleranz und der Humanität
beruhen, erfüllen. Eine aufrichtige
Darstellung des alevitischen Glau­
bens ist dafür völlig ausreichend und
bedarf keiner dem Glaubenszentrum
entfremdeten Darstellung.
Als alevitische Geistliche fühle ich
mich sowohl in der Gemeinde wie
auch im Geistlichenrat der Alevi­
tischen Gemeinde Deutschland e. V.
als gleichberechtigte und geschätzte
Person. Alle Themen werden ge­
meinsam beraten und bestimmt. Im
Alltag des Gemeindelebens erkläre
ich häufig den alevitischen Glaubens­
weg und spreche Segensworte, wo­
bei ich darum bemüht bin, dem Talip
nach Wunsch bei seiner Wanderung,
auf dem alevitischen Glaubensweg,
behilflich zu sein. Gleichwohl gibt
es im Eigentlichen die Pir-Talip-Ver­
hältnisse, welche bei Praktizierung
alle Bedarfe von alevitischen Fami­
lien decken, so dass ich immer in den
gemeinsamen Gesprächen auf den
„Pir“ der Familie verweise.
Aynur Küçük
Bundesvorstandsmitglied des Geistlichenrates AABF und Dozentin
an der Universität Innsbruck für Islamische Religionspädagogik
Überarbeitete Fassung aus: Küçük, Aynur (2013): Rolle und Funktion einer
Ana im Alevitentum. Ein Beitrag zum Islam Diskurs in Europa. In: Eißler,
Friedmann (Hg.): Aleviten in Deutschland. Grundlagen, Veränderungsprozesse, Perspektiven. 2. Auflage, Berlin: Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen, s.158-164
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Einheit
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Wir zeigen Einheit -
Alevitische Seelsorge
Seit einigen Jahren steigt in vielen alevitischen Ortsgemeinden das Bedürfnis der Mitglieder nach
religiösem Beistand durch alevitische Geistliche und erfahrene Laien bei der Krankheitsbewäl­
tigung, der rituellen Totenwaschung, der Trauerverarbeitung sowie der Unter­stützung bei der
Vermittlung von weiterführenden Hilfen (ambulante Pflegedienste, psychosoziale Beratungsstel­
len etc.) stetig. Diese Dienste sollen dem Sterbenden, dem Toten und / oder dessen Angehörigen
dienen und werden unter dem Begriff „Seelsorge“ zusammengefasst.
In allen Krankenhäusern Deutsch­
lands ist die Seelsorge bekannt und
wird den Patienten bei Bedarf zur
Verfügung gestellt. Im Christentum
und auch im Alevitentum ist die­
ser, seit Jahrhunderten existierende,
Dienst nichts Neues. Der Unterschied
ist jedoch der, dass im Alevitentum
der „Seelsorge - Dienst“ nur von den
Geistlichen ausgeübt wird, während
alle Interessierten Christen dazu aus­
gebildet werden können.
Trotzdem wird man in keinem Kran­
kenhaus an eine alevitische Seelsor­
ge bzw. an einen alevitischen Geist­
lichen weitergeleitet, da dies für sie
fremd ist. Jedoch sehen sich auch
Aleviten nach 50 Jahren Migration
vor der Herausforderung, sich mit
Krankheit, Sterben, Tod und Trauer
auseinanderzusetzen und vor allem
die Mitglieder in diesen schwierigen
Lebensphasen zu begleiten und zu
unterstützen. Dies führt dazu, dass
immer mehr Aleviten verlangen, ge­
nau wie Christen, ihr Verfassungs­
recht auf Seelsorge zu praktizieren.
Außerdem führt es dazu, dass die
Geistlichen in diesem Gebiet nicht
mehr genügen, da die Erwartungen
ebenfalls steigen. Außerdem üben
alevitische Geistliche, im Gegensatz
zu den sunnitischen Imamen, ihre
wachsenden Aufgaben ausschließlich
ehrenamtlich aus und können daher
nur begrenzt den wachsenden Be­
darf nach religiösem Beistand Rech­
nung tragen.
Deshalb sollen mit dem Projekt ne­
ben den Geistlichen auch ehrenamt­
liche Laien geschult werden. Es geht
darum, dem wachsenden Anteil an
älteren, sterbenskranken Menschen
der eigenen Glaubensvorstellung ent­
sprechend zu begegnen und diesem
Engagement einen institutionellen
Rahmen zu geben. Damit wird das
Verfassungsrecht auf Seelsorge auch
für die geschätzten 800.000 Aleviten
in Deutschland, die als Religionsge­
meinschaft hierzulande anerkannt
sind, realisiert. Die Idee für dieses
Projekt stammt von dem „Geistli­
chenrat der Alevitischen Gemeinden
der AABF in Baden Württemberg“
und Mitgliedern „der Alevitischen
Gemeinde Stuttgart e.V.“, da sie in
diesem Bereich Lücken erkannt und
die Notwendigkeit gesehen haben,
hier zu handeln.
Das Projekt wurde bereits im Rah­
men eines kleinen „Experiments“
(Proto-Projekt) am Standort Stuttgart
erprobt. Im Rahmen eines vom Sozi­
alministerium geförderten Projektes
konnten die Geistlichen und weitere
Teilnehmer im Zeitraum September
2011 bis März 2012 bereits erste Er­
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
65
Einheit
fahrungen im Themenfeld „Seelsor­
ge“ sammeln. Ziel des Projektes war
es, interessierten Mitgliedern aus 5
alevitischen Gemeinden im Großraum
Stuttgart Basiskenntnisse über die
seelsorgerische Arbeit zu vermitteln.
Dazu wurde den Teilnehmer/Innen 3
Workshops angeboten, die durch in
der Seelsorge und in der Hospizarbeit
erfahrene Mitarbeiter/innen des Hos­
piz St. Martin in Stuttgart gemeinsam
mit dem „Geistlichenrat der AABF
in Baden Württemberg“ konzipiert
und durchgeführt wurden. Selbstre­
flexion, Sterbemeditation, Kleingrup­
penarbeit, Vortrag in Verbindung mit
einer praktischen Krankenhausfüh­
rung waren einige zentrale Elemente
in den Workshops. Die Workshops
waren offen für Interessierte aus den
Alevitischen Gemeinden im Groß­
raum Stuttgart und wurden rege be­
sucht. Aus den Workshops konnten
wichtige Erkenntnisse für das vorlie­
gende Projektvorhaben gewonnen
werden.
Insgesamt hat sich während der
kurzen Laufzeit gezeigt, dass in den
Alevitischen Gemeinden eine große
Bereitschaft vorhanden ist, sich um
sterbende Menschen zu „kümmern“.
Dieses Signal und die Bereitschaft
wird nun mit der Unterstützung der
Robert-Bosch-Stiftung aufgegriffen
und soll zu einem landesweiten Alevi­
tischen Seelsorgeangebot weiterent­
wickelt werden. „Der Geistlichenrat
der AABF in Baden Württemberg“
hat inzwischen begonnen, auf den
vorherigen Workshops aufbauend
und dem Alevitischen Glauben ent­
sprechend, den Arbeits- und Zeitplan
inhaltlich auszufüllen.
Außerdem werden Pläne entwickelt
und erste Schritte gemacht für alle
Bereiche des Projektes, wie zum Bei­
spiel die Strukturen innerhalb des
Projektteams und die Öffentlich­
keitsarbeit. Im Projekt sollen für den
Aufbau nachhaltiger Strukturen für
einen ehrenamtlichen alevitischen
Seelsorgedienst, die Strukturen in­
66 [email protected]
nerhalb der Alevitischen Community,
die in den vergangenen 20 Jahren
bundesweit entstanden sind, entspre­
chend genutzt werden. Zum Beispiel
ergibt sich über die Ortsgemeinden
ein exklusiver Zugang zur alevitischen
Community. Der Strukturaufbau in
den Regionen soll unter der Aufsicht
„des Geistlichenrates der AABF in Ba­
den Württemberg“, die dafür einen
Sprecher benennen, gemeinsam mit
weiteren Projektpartnern (z.B. Kran­
kenhäuser, Hospiz Gruppen) erfol­
gen. Die ehrenamtlichen Seelsorger/
Innen sollen mit Akteuren aus dem
Sozial- und Gesundheitswesen part­
nerschaftlich vernetzt und auf Au­
genhöhe kooperieren.
Es wird erwartet, dass sich die alevi­
tischen Seelsorger/Innen pro Woche
ca. 3–5 Stunden ehrenamtlich für
sterbenskranke Patient/Innen enga­
gieren. Die Teilnehmer/Innen werden
auf ihren Praxiseinsatz intensiv vor­
bereitet. Einmal im Monat sollen sich
alle ehrenamtlichen Seelsorger/Innen
zum Erfahrungsaustausch treffen.
Das Projekt „Alevitische Seelsorge“
verfolgt das Ziel, Standards für die
alevitische Seelsorge für Sterbende
und Trauernde zu definieren. Wäh­
rend der zweijährigen Projektlaufzeit
sollen landesweit insgesamt 20 Män­
ner und Frauen für die ehrenamtliche
Begleitung älterer, Sterbenskranker
und deren Angehöriger in stationä­
ren Versorgungseinrichtungen und
im häuslichen Umfeld ausgebildet
werden. Die Geistlichen verfügen
über jahrhundertealtes Erfahrungs­
wissen zum Thema Sterben, Tod und
Trauer. Im vorliegenden Projekt soll
dieses Wissen schriftlich dokumen­
tiert, reflektiert, geordnet und dann
anschließend an die ehrenamtlichen
alevitischen Seelsorger weitervermit­
telt werden.
Die Teilnehmer/Innen sollen nach er­
folgreicher Absolvierung der Ausbil­
dung ein Zertifikat als ehrenamtliche
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Alevitische Seelsorger/In erhalten. Die
Gesamtverantwortung für das Vorha­
ben obliegt „dem Geistlichenrat der
Alevitischen Gemeinden der AABF in
Baden Württemberg“. Die Entwick­
lung der gesamten Projektarchitektur,
die Koordination des Projektes, Fest­
legung der Ausbildungsinhalte und
wissenschaftlichen Begleitung sind in
einer Steuerungsgruppe verortet. Zur
Steuerungsgruppe gehören Vertreter
„des Geistlichenrates der Alevitischen
Gemeinden der AABF in Baden Würt­
temberg“, Vertreter „der Alevitischen
Akademie“, Vertreter „des Hospiz St.
Martin“ und der Alpen-Adria Univer­
sität Wien/ Klagenfurt.
Die Ausbildungsstandards zum eh­
renamtlichen alevitischen Seelsorger
sollen im Anschluss durch hierfür
anerkannte Institutionen wie z.B.
durch die Deutsche Gesellschaft für
Pastoralpsychologie (DGfpP) zerti­
fiziert werden. Außerdem soll ein
wissenschaftlicher Beirat gegründet
werden. Der wissenschaftliche Beirat
soll die Projektarbeit begleiten und
begutachten. Er setzt sich zusammen
aus Repräsentanten alevitischer Or­
ganisationen in Deutschland und der
Türkei, Universitäten, Forschungsein­
richtungen, Verbänden und Fachein­
richtungen wie z.B. Hospize.
Mit dem Projekt sollen die Grundla­
gen für einen würdevollen Umgang
mit Sterben, Tod und Trauer für Pa­
tienten alevitischen Glaubens nach
den Regeln und Prinzipien des ana­
tolischen Alevitentums geschaffen
werden. Die ehrenamtlichen Seel­
sorger/Innen sollen auf Wunsch der
todkranken und sterbenden Men­
schen und/oder Angehörigen auf
dem letzten Lebensweg beistehen,
einschließlich Sitzwache. Die Intenti­
on und Zielsetzung des Vorhabens ist
weltweit bislang einmalig innerhalb
der Alevitischen Community.
Eines der langfristigen Ziele ist, dass
künftig der Geistlichenrat selbständig
Einheit
[email protected]
die Organisation und Durchführung
der Ausbildungen zum ehrenamt­
lichen alevitischen Seelsorger/In über­
nimmt und landesweit als Ansprech­
partner („Anker“) für Fragen rund
um das Thema „Alevitische Seel­sor­
ge“ agiert. Die Stärkung der Geist­
lichen ist für den Fortbestand der
Alevitischen Bewegung von zentraler
Bedeutung. Sie sind es, die dieser Be­
wegung ihre Legitimität verleihen.
Das „Alevitische Seelsorgeprojekt“ ist
vor diesem Hintergrund ein Zeichen
des Dankes und der Anerkennung an
die Geistlichen, die das Alevitentum
über Jahrhunderte mündlich an die
nachfolgenden Generationen vermit­
telt haben. Die Interessierten sollten
den Weg des Alevitentums beschrei­
ten und sich dieser harten Aufgabe
gewachsen fühlen. Bei weiteren Fra­
gen, Anregungen und Interesse steht
„der Geistlichenrat der Alevitischen
Gemeinden der AABF in Baden Würt­
temberg“, „der Geistlichenrat der
AABF“ und die „Alevitische Akade­
mie“ gern zur Verfügung.
Insbesondere folgenden Zielen soll durch das Projekt
Rechnung getragen werden:
• Schaffung von Standards für die Ausbildung von ehrenamtlichen alevitischen Seelsorger/Innen mit dem Ziel, diese Standards nach Projektablauf für die Ausbildung von Ehrenamtlichen bundesweit einzuführen
• Würdevoller Umgang mit Sterbenden, Tod und Trauer entsprechend der alevitischen Glaubensvorstellung
• Beitrag zur Stärkung der Selbsthilfepotenziale von Betroffenen und Angehörigen (z.B. Information, Aufklärung und ggf. Motivation der Angehörigen weiterführende Hilfen anzunehmen)
• Förderung der sozialen Verantwortung von Migrantenselbst­ organisationen
• Reflexion von Praktiken der Trauerbewältigung aus der Herkunftskultur
• Förderung von Partizipation und Mitbestimmung der Betroffenen und Angehörigen
• Stärkung der eigenen Identität und Glaubensauffassung
• Enttabuisierung des Todes
• Vernetzung von Institutionen und Organisationen auf deutscher
und türkischer Seite auf Augenhöhe
Ahmet Demir (Dede)
Basri Aflk›n
Fadime Onay
Vorsitzender des Geistlichen Ra­
tes der Alevitischen Gemeinden
der AABF in Baden Württem­
berg, Projektleiter des Projektes
„Alevitische Seelsorge“
Sozialwissenschaftler, Mit­
glied des Vorstandes der Ale­
vitischen Gemeinde Stuttgart
e.V., Mitglied des Projektteams
„Alevitische Seelsorge“ mit
Verantwortung für Finanzen und
Öffentlichkeitsarbeit, Ansprech­
partner für diesen Bereich
Mitglied des Jugendvorstandes
der Alevitischen Gemeinde Stutt­
gart e.V., Mitglied des Projekt­
teams „Alevitische Seelsorge“
mit Verantwortung für Finanzen
und Öffentlichkeitsarbeit
Kontakt: info@ aleviakademisi.org
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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V
wie Vielfalt.
Was bedeutet für mich Vielfalt
Aleviten in Anatolien
Aleviten auf der ganzen Welt
Weltkarte und Infobox über die ausgewählten Länder
Vielfalt im Glauben und kulturelle Vielfältigkeit
Bektaschi, arabische Aleviten, Ehli Hak und die kulturelle Vielfältigkeit
Rezepte
Aflure
Babuko (Tunceli/Dersim)
Mad›mak (Sivas)
68 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie4
Vielfalt
[email protected]
„Was bedeutet
für mich Vielfalt?“
Die Vielfalt eines Menschen setzt sich nicht nur aus seiner
Persönlichkeit zusammen, sondern auch seine Kultur und
seine Religion nehmen einen wichtigen Stellenwert in die­
sem Zusammenhang ein. Aus diesem Grund ist es wich­
tig, sich mit seiner Religion auseinanderzusetzen; nicht
nur um sich anderen vorzustellen, sondern auch, um sich
selbst besser zu kennen.
Was ist das Alevitentum?
Woher stammt unsere Religion?
Dies sind grundlegende Fragen, die man sich als Alevite
stellen sollte. Natürlich reicht dieser Artikel nicht aus, um
unsere Religion ausreichend zu beschreiben bzw. diese
Fragen exakt zu beantworten. Bekanntermaßen muss die
Religion gelebt werden oder wie manche von uns sagen,
der Weg muss gegangen werden, um das von unseren
Vorfahren, unseren Dichter und Geistlichen beschriebene
zu empfinden. Denn ein Weg ist nicht da, um auf ihn
aus der Ferne zu schauen, sondern um auf ihm zu gehen.
Dieser Weg ist nämlich etwas für die Ewigkeit, er ist die
Ewigkeit selbst. Deshalb gab und gibt es ihn schon im­
mer und es wird ihn auch immer geben. Es ist der Weg,
den als erstes der Prophet Adam und den am Ende der
Prophet Muhammed ging. Aber, und das sollte meines
Erachtens nochmal erwähnt werden, ist der Weg immer
noch vorhanden, dieser Weg, der weitergeführt wurde
durch Imam Ali, den weiteren Imamen, Hac› Bektas-i Veli
und den Dichtern. Er ist nämlich der Weg der Wahrheit
(Hakkikat), dessen erste Bedingung die Hingabe zu Gott
(dt. Übersetzung des Wortes „Islam“) ist. Wer nicht an
Gott /Allah glaubt, kann diesen Weg nicht gehen.
Wir sagen nicht umsonst:
„Ya Allah Ya Muhammed Ya Ali“.
Mit diesem Leitspruch hängt eine weitere Bedingung
zusammen, und zwar die, der Ehlibeyt und dem Ko­
ran zu folgen. Nicht umsonst sagte uns der Prophet:
„Zwei Dinge werde ich euch als Erbe hinterlassen. Das
eine ist meine Familie, die Ehlibeyt, und das andere ist der
Koran. Sie sind wie Noahs Schiff.“
Wichtig ist jedoch, besonders auf die Auslegung des Ko­
rans bezogen, dies auf alevitische Weise zu tun, da die
alevitische Interpretation sich von den Interpretationen der
anderen Strömungen des Islams unterscheiden. Genau di­
ese Interpretationen werden uns heute noch durch unsere
Geistlichen (Dede / Ana), die in unseren Augen die Ehlibeyt
darstellen, überliefert, da sie die Nachfahren unseres Pro­
pheten sind. Ihre Vorfahren kamen damals aus Chorasan
(heute Teil des Irans) und übermittelten den Inhalt unserer
heutigen Religion an Teile der Bevölkerung von Anatolien.
Eine wichtige Leitfigur war dabei Haci Bektas-i Veli (den
ich bereits erwähnt hatte), da vor Allem durch ihn das
Alevitentum sich in Anatolien verbreitet hat. Durch die
heiligen Lieder der 7 großen Dichter (Ulu Ozanlar) wur­
de das Alevitentum u.a. immer weiter und sogar bis in
den Balkan verbreitet, wo es sogar vor hundert Jahren
vor der Verbreitung des Kommunismus in dieser Region,
viele Bektafli-Tekkes (Gebets-und Versammlungshäuser)
gab. Heutzutage gehören etwa 20 Millionen (in anderen
Quellen ist die Rede von 12,5 Millionen) Menschen in der
Türkei dem Alevitentum an. Neben den K›z›lbafl-Bektasi
Aleviten gibt es auch andere alevitische Strömungen wie
bspw. arabische Aleviten bzw. Nusairi Aleviten / Alawiten,
deren religiöse Praxis von der der K›z›lbafl-Bektasi Alevi­ten
abweichen.
Zum Abschluss möchte ich euch, liebe Leser, noch einen
Hinweis geben: „Wer den Weg finden will, wird ihn auch
finden, auch wenn er vielleicht vom Nebel versteckt gehalten wurde, und wer ihn findet, wird merken, dass der
Weg sich mit all seiner Vielfalt nicht verändert hat und
niemals verändern wird.“
Viel Spaß beim weiteren Lesen dieses Kapitels und mögen
eventuelle Fragen in euren Köpfen gelöst werden.
Emre Tahtal›
Team Alevitentum
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
69
Vielfalt
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Einheit in Vielfalt
Sitten, Bräuche, Kultur
Aleviten in Anatolien
D
ie Einheitlichkeit im alevitischen Glauben zeigt
sich in vielen Bereichen. Zum Beispiel ist das
alevitische Sittensystem stark geprägt von dem
folgenden Zitat des Haci Bektafl Veli: ,,Kontrolliere deine Hand, deine Lende und deine Zunge‘‘ – ,,eline beline
diline sahip ol‘‘
Viele Aleviten richten ihre Lebensweise an diese Erkennt­
nis, welche den Kern der alevitischen Ethik ausmacht
(Eine detaillierte Erklärung finden Sie unter ,,5 Fragen – 5
Antworten‘‘). Die allgemeinen und einheitlichen Glau­
bensinhalte beschränken sich allerdings zum Teil an die
Regeln der 4 Tore (DÖRT KAPI) und der 40 Pforten (KIRK
MAKAM). Das Ziel im Leben eines Aleviten ist die Erleuch­
tung bzw. die Vollkommenheit zu erreichen und diese
ist zu erzielen, indem man sich an die Regeln hält. In der
,,Makalat‘‘ des Hac› Bektafl Veli werden diese Themen de­
tailliert erläutert.
Zu Beginn steht in dieser Schrift folgendes:
,,Hak suphanahu ve ta’ala Adam› dört dürlü nesneden yaratt› ve hem dört güruh k›ld›. Ve hem dört bölü¤ün daha
dört dürlü taatlar› vardur ve dört dürlü arzular› vardur ve
dört dürlü hallar› vardur.‘‘
Was so viel bedeutet wie:
„Der Lobgepriesene und Erhabene hat die Menschen aus
vier Elementen geschaffen und in vier Gemeinden unterteilt, diese sind nochmals in vier Gruppen geteilt.“
70 Dieser Anfang ist die Grundregel bei den Aleviten. Falls
man einen Aleviten darüber ausfragen sollte, würde man
die Antwort bekommen ,,Kap› dörttür‘‘.
Das erste Tor ist die Scharia (Seriat), das zweite ist die
Kenntnis der eigenen Rechte und Ansprüche (Tarikat),
das dritte ist die Erkenntnis über die Mitmenschen (Ma­
rifet) und das vierte und letzte Tor ist die Wahrheit (Haki­
kat). Die Voraussetzung zum Erreichen des vierten Tores,
ist die Beschäftigung mit den Rechten und Pflichten der
Gemeinde. Nur so darf man das Recht erheben das ers­
te Tor mitzugestalten, das heißt die Pliichten und Rechte
einer Gemeinde ausformen. Die Pforten sind verbunden
mit den Toren. Jedes Tor hat 10 Pforten, so ergeben sich
insgesamt 40 Pforten. Eine weitere Gemeinsamkeit ist
der Semah (Himmel, Himmelsgewölbe), welcher einen
hohen Stellenwert innerhalb der alevitischen Kultur hat.
Dieser findet während der Cem-Zeremonien statt, da er
zu den 12 Diensten gehört. Der Semah wird von Frau­
en und Männern unterschiedlichen Alters durchgeführt.
Die Kleidung spielt keine große Rolle, da eher die inne­
re Vereinigung mit Gott und der Natur im Vordergrund
steht. Die Semah-Mitglieder tanzen gemeinsam in Form
eines Kreises und richten die Hände nach oben und un­
ten, was symbolisch eine Verbindung zwischen Erde und
Gott darstellen soll. Ebenfalls wird beim ritualen Tanz die
Flugbewegung des heiligen Tiers, des Kranichs (Turna)
nachgeahmt. Der dabei entstehende kreisförmige Tanz
und besonders das Drehen um die eigene Achse symbo­
lisieren nicht nur das Universum, wo die Planeten in einer
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Vielfalt
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Umlaufbahn um die Sonne kreisen,
sondern auch die immer währenden
Kreisläufe des Lebens und der Natur.
Denn die Einigkeit von Gott, Mensch
und der Natur ist ein weiteres wich­
tiges und einheitliches Element im
alevitischen Glauben. Dieses bedeu­
tet, dass der Mensch nur zur Wahr­
heit gelangen kann, wenn alle drei
Einheiten vereint sind.
So würde ein angelegter Schwer­
punkt auf nur eine bzw. nur auf zwei
der Einheiten die Harmonie zwischen
ihnen zerstören, was zur Chaos im
Menschen führen würde. Die ele­
mentare Aufgabe ist also das ‘‘Eins­
werden‘‘ mit Gott und der Natur,
welches ebenfalls von den SemahTeilnehmern symbolisiert wird.
Noch ein wichtiger und nicht zu
vergessender Bereich bei der (kultu­
rellen) Einheitlichkeit ist die Saz und
die Weiter- und Wiedergabe religi­
ösen Liedguts. Diese beiden Dinge
nehmen einen sehr wichtigen Platz
im Alevitentum ein. Die Saz ist auch
ein wesentlicher Bestandteil der
Cem-Zeremonien, da währenddes­
sen Gedichte (DEYIS) mit Hilfe des
Instruments vorgetragen werden.
Dies führt dazu, dass die Mehrzahl
der alevitischen Geistlichen das Ins­
trument beherrschen kann. Die Saz
bzw. die Ba¤lama ist so sehr in der
alevitischen Kultur verankert, dass
meistens mindestens eine Person aus
einer Familie diese auch beherrschen
kann. Die Liebe zur Musik wird daher
sehr stark gefördert und veranschau­
licht.
Das Foto zeigt Frauen und Männer beim
„Semah“.
Wir Aleviten sind so vielfältig wie
Menschen sein können, jedoch ver­
bindet uns sehr vieles. Nicht nur das
vorher Aufgezählte, sondern am
Meisten unsere Liebe und unser nicht
zu übertreffender Stolz auf unseren
Glauben. Das alles verbindet uns
stark und macht uns zugleich einheit­
lich aber auch vielfältig.
INFOBOX:
Beyhan Kepenek
Team Presse
Möchtest du nähere Infos
zu den 4Toren und 40Pforten?
So schreibe uns doch gerne an!
Wir sammeln gerne Anregungen.
E-Mail: [email protected]
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
71
Vielfalt
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ALEVITEN AUF
DER GANZEN WELT
Westeuropa
(Deutschland, Österreich, Niederlande, UK, Frankreich, Belgien, Schweiz,
Norwegen, Dänemark)
� vermutlich über 1 Million Aleviten
Balkan
(Albanien, Mazedonien, Kosovo, Bosnien, Ungarn, Bulgarien, Griechenland)
� über 400.000 Aleviten
� Bektafli: ist eine Tariqa (Tarikat), welche durch Hac› Bektafl-i Veli her­
vorging Zweig des anatolischen Alevitentums durch leisten von religiösen
Diensten in einem Dergah gilt man als Geistlicher, aber auch nur dann,
wenn man „‹nsan-i Kamil“ (Das reife menschliche Wesen) erreicht hat; der
Geistliche wird nicht durch seinen Stamm bestimmt die Muridun (Geistliche)
werden in fünf Ränge unterteilt: Muhiblik, Derwisch, Baba, Mücerredlik und
Halife man muss keinen Musahip (sehr enge Freunde bzw. Brüder/Schwes­
tern sowie im Erdreich als auch im Jenseits) haben
Zypern � 1,06 Millionen Einwohner davon etwa 100.000 Aleviten
Türkei � 75 Millionen Einwohner davon 20 –25 Millionen Aleviten
Iran � 74,80 Millionen Einwohner davon 15 Millionen Aleviten
� sind vor allem in Täbriz, Chorasan und Ardabil angesiedelt
� Ehl-i Hakk: in Cem-Zeremonien wird kein Saz sondern Tambur gespielt
durch Wissen und Frömmigkeit wird man Geistlicher; Geistliche müssen
nicht zwingend Saids sein
Irak � 32,96 Millionen Einwohner davon ca. 1 Million Aleviten, Ehl-i Hakk
Aserbaidschan
� 9,17 Millionen Einwohner davon vermutlich 2 Millionen Aleviten
� sind hauptsächlich im Südosten angesiedelt
� Anatolische, Safewi Aleviten: die Geistlichen sind Saids; „der Posten“wird vom Vater auf den Sohn übergeben
Geistliche werden als Ana / Dede angesprochen. Man muss, wenn man verheiratet ist, einen Musahip haben (Mus­
ahip: sehr enges Freundschaftsband bzw. Bruderschaftsverhältnis)
Syrien
� 20,82 Millionen Einwohner davon 2,5 Millionen Aleviten, angesiedelt in Lazkiye, Baniyas und Tartus
� Nusairier (arabische Aleviten): leitet sich von Muhammad ibn Nusair an-Numair, ab (Gründer bzw. Schüler vom
11. ‹mam Hasan El Askeri ) den Imamen werden Bab‘s (Tore) zugeordnet mit Ausnahme des 12. Imams Muhammed
el-Mehdi es gibt 7 Offenbarungen; jeder Offenbarung ist eine Bedeutung, ein Name und Tor zugeordnet z.B. Habil
– Adem Cebrail; Yusa Musa – Dan bin Asbavüt Asaf; ‹em-un Al-Safa ‹sa Rüzbih bin Satr Al‘a‘imma; Ali Muham­
med Selman-i farisi ordnen wichtigen „Personen“ Himmelskörper-Symbole zu Ali Muhammed Selman-i haben die
Symbole Mond Sonne Himmel glauben, dass sich eine Seele nach dem Tod erneut in andere Wesen bzw. Menschen
manifestiert bis es den Rang des Insan-i Kamil erreicht Geistliche (Seyhs) sind Saids.
72 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Vielfalt
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Libanon
� 4,26 Millionen Einwohner davon 100.000 Aleviten
� Nusairier
Ismailiten: leitet sich von dem Namen des Sohns (Ismail) des 6. Imams
Caferi Sadik ab. 18 Millionen leben u.a. verstreut in den u.g. Ländern (In­
dien, Pakistan, Afghanistan, Tadschikistan, Oman, Bahrain, Jemen, Ostafri­
ka) erkennen nicht den Imam Musa al-Kazim als den 7. Imam an, sondern
Muhammed ibn Ismail Oberhaupt der Geistlichen wird Aga Khan genannt;
Geistliche sind Saids
Ismailiten, die den Aleviten sehr ähneln, leben in folgenden Ländern.
Indien � 1,24 Milliarden Einwohner, vor allem in Gujarat und Maha­
rashtra angesiedelt
Pakistan � 176,70 Millionen Einwohner, vor allem in Hunza angesiedelt
Afghanistan � 35,32 Millionen Einwohner
Tadschikistan � 6,98 Millionen Einwohner
Oman � 2,69 Millionen Einwohner
Bahrain � 1,23 Millionen Einwohner
Jemen � 24,80 Millionen Einwohner
Ostafrika � ca. 300.000 Einwohner
Ezgi Fidano¤lu
Team Presse
Kontakt: [email protected]
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73
Vielfalt
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Vielfalt im Glauben und
kulturelle Vielfältigkeit
Ein vielzitiertes alevitisches Sprichwort
besagt, dass es zwar nur einen Weg
gäbe, aber 1001 Möglichkeiten auf
diesem Weg zu gehen (türk. yol bir,
süreç binbir). Gemeint ist der Weg
zu Gott und die Gangweisen stehen
für die verschiedenen Religionen. Auf
dieses Sprichwort beziehen sich Ale­
vitinnen und Aleviten des Öfteren,
um ihre Toleranz gegenüber anderen
Religionsgruppen zum Ausdruck zu
bringen; dass nicht nur ihr Weise des
Weges zu Gott führe, sondern auch
der anderer Glaubensgemeinden. Es
ist eine Apologie für die religiöse Viel­
falt: Für die Vielfalt der unterschied­
lichen Religionen auf der Welt, aber
auch für die Vielfalt innerhalb der ei­
genen Glaubensgemeinde. Denn das
Alevitentum ist ebenfalls von einer
Vielfalt geprägt, die häufig zu wenig
berücksichtigt zu werden scheint.
Selbstredend existiert, wie bei jedem
größeren Kollektiv, eine reiche Diver­
sität auf der individuellen Ebene – sei
es hinsichtlich der Weltanschauung
oder sonstiger individueller Eigen­
heiten. Darüber hinaus besteht aber
im Alevitentum auch eine historisch
bedingte religiös-kulturelle Vielfalt.
Diese soll im Folgenden in groben
Abrissen dargestellt werden.
Die religiös-kulturelle Vielfalt im Ale­
vitentum ist zum einen dem Umstand
geschuldet, dass der Begriff Alevî ein
relativ junger Sammelbegriff aus dem
späten 19. Jh. ist, dessen systemati­
sche Verwendung sogar erst ab dem
frühen 20. Jhs. nachgewiesen werden
kann. Als Alevî wurden fortan Religi­
onsgruppen bezeichnet, die zuvor als
74 K›z›lbafl, Bektâflî, Çepni, Tahtac›, Ab­
dâlân oder Nusayri bekannt waren. In
vielerlei Hinsicht war diese Typologi­
sierung auch naheliegend: Denn die
genannten Gruppen teilen sich sehr
viele und zentrale Elemente in ihrer
Glaubensvorstellung und Glaubens­
praxis.
Die größte Gruppe und gängigste
Bezeichnung war K›z›lbafl, dessen be­
grifflicher Ursprung unterschiedlich
gedeutet wurde; mal wurde er auf
die frühislamische Zeit um den Pro­
pheten Mohammed und Imam Ali zu­
rückführt, mal auf vorislamisch-turk­
menische Traditionen oder auf die
Safawiden und fiah Ismail. In jedem
Fall bezog sich der Begriff K›z›lbafl in
der Frühneuzeit auf die Anhänger des
Safawiden-Ordens in Ardabil (türk.
Erdebil). Dieser hatte auch nach der
Staatsgründung in 1501 noch zahl­
reiche Anhänger in Anatolien. Soge­
nannte Halîfe wurden zuvor von den
Ordensleitern der Safaviden in diese
Region geschickt. Diese Gesandten
stehen auch in Verbindung mit den
alevitischen Ocak in Anatolien, die
die zentralen religiösen Institutionen
des Alevitentums darstellen. Nach
dem osmanisch-safavidischen Krieg
brach das Band zwischen den ana­
tolischen K›z›lbafl und den Safawiden
ab; beide Strömungen entwickelten
sich fortan in unterschiedlicher Wei­
se. Die Safawiden strebten ab dem
17. Jh. zunehmend eine Theologie
und orthodoxe Systematisierung ihrer
Glaubenslehre an und entwickelten
sich zu der heutigen bekannten Schia
mit den Institutionen der Mujtahids
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
und Ayatollahs. Die K›z›lbafl in Anato­
lien hingegen blieben von dieser Ent­
wicklung weitestgehend unberührt
und näherten sich anstelle dessen
einer anderen religiösen Institution
an: dem Bektaschitum. Die Bekta­
schis haben denselben religiösen Ur­
sprung wie die K›z›lbafl. Beide führen
ihren Ursprung auf den persischen
Sufismus zurück, der über die soge­
nannten Horasan Erenleri Anatolien
und die dort lebenden Glaubensge­
meinden erreichte – einer der wich­
tigsten unter ihnen war Hac› Bektâfl
Velî. Vermutlich waren sich daher
Glaubensvorstellung und -praxis der
Bektaschis und K›z›lbafl schon vor der
Verflechtung sehr ähnlich. Allerdings
kann man davon ausgehen, dass sich
ab dem 16. Jh. diese beiden Gruppen
noch weiter annäherten. Heute ist
es deswegen äußerst geläufig, vom
„Alevitentum-Bektaschitum“ als ein
Begriff für eine Glaubenscommunity
zu sprechen. Zwar ist dies ein rela­
tiver junger Neologismus, doch sind
Glaubenslehre und Ritualpraktik bei
beiden Gruppen in der Tat nahezu
deckungsgleich. Einzig die Organisa­
tionsstruktur der beiden Gruppen un­
terscheidet sich etwas signifikanter:
Das Bektaschitum versteht sich als
eine Beitrittscommunity, in die als
angemessen empfundene Personen
unabhängig von der Herkunft via Ini­
tiation beitreten können. Das K›z›lbaflAlevitentum hingegen ist eine genea­
logisch legitimierte Gemeinschaft, in
der die Mitglieder in die Gemeinde
geboren werden. Zwar war bis in die
Mitte des 20. Jhs. hierüber hinaus
auch ein Initiationsritus (türk. ikrar)
Vielfalt
[email protected]
notwendig, dieser wird jedoch seit
der Urbanisierung des Alevitentums
ab den 1960ern zunehmend weniger
umgesetzt. Auch wissen wir, dass das
genealogische Prinzip erst im 16. Jh.
in den Kanon der Glaubensvorstel­
lung aufgenommen wurde; und dies
höchstwahr­scheinlich aus Schutz­
gründen im Zuge der Verfolgungen
in dieser Zeit.
Es gibt auch einen Zweig im Bekta­
schitum, der sich ebenfalls über eine
genealogische Herkunft legitimiert,
die Çelebi-Bektaschis. Die Bezeich­
nung Çelebi galt als ein allgemeiner
Ehrentitel im Osmanischen Reich und
bezog sich zumeist auf eine „edle“
Herkunft in diesem Fall auf die von
Hac› Bektâfl Velî. Denn die ÇelebiBektaschis verstehen sich als leibliche
Nachfahren von Hac› Bektâfl Velî. Der
Großteil der Çelebi-Bektaschis kommt
aus Zentralanatolien. Ihnen steht der­
zeit Vilayettin Ulusoy Efendi vor.
Daneben gibt es regional-spezifische
alevitische Eigen- und Fremdbezeich­
nungen, u.a. Çepni und Tahtac›. Çep­
ni bezeichnete zunächst einen „Volks­
stamm“. Dieser gehörte vermutlich
zu den ersten Stämmen, die die Leh­
ren Hac› Bektâfl Velîs annahmen.
Sie ließen sich hauptsächlich an der
Schwarzmeerküste und an der ägä­
ischen Küste nieder. Vor allem wer­
den die Çepni an der nördlichen Ägä­
is auch mit den sogenannten Tahtac›
in Verbindung gebracht. Gleich wie
die Çepni scheint auch Tahtac› ur­
sprünglich einen Stamm bezeichnet
zu haben, dessen Mitglieder nach ih­
rer ausgeübten Tätigkeit als Holzfäl­
ler benannt wurden. Sie stellen eine
regionale Form des Alevitentums dar,
die vor allem in den westlichen und
südlichen Küstenregionen Anatoliens
zu finden ist.
Wie bereits erwähnt, sind sich Glau­
bensvorstellung und Glaubenspraxis
dieser Gruppen bis auf wenige Aus­
nahmen sehr ähnlich. So sind der
Glaube an einen absoluten Gott, an
Mohammeds Gesandtschaft (türk.
nübüvvet bzw. risâlet) und Imam
Alis Statthalterschaft (türk. vilâyet),
die beide für die angestrebte Ver­
vollkommnung des Menschen (türk.
insân-i kâmil) als zentrale Beispiele
gelten und deren Wissen über die
12 Imame und weitere Heilige des
Weges (türk. evliyâ) an Hac› Bektâfl
Velî weitergegeben sei, wesentliche
Elemente ihrer Glaubenslehren; die
religiöse Institution der Cem-Zeremo­
nie als kollektives Gebet sowie das
zentrale Beziehungsverhältnis von
Mürflid und Talib zentrale Bestand­
teile ihrer Ritualpraktiken. Nichts­
destotrotz gibt es viele Eigenheiten
in den Riten, wie etwa beim Semah;
dieser unterscheidet sich in der cho­
reographischen Form in den unter­
schiedlichen Regionen, hat jedoch
stets dieselbe religiös-theologische
Bedeutung inne.
Allein die Nusayri, auch als arabische
Aleviten oder Alawiten bekannt,
scheinen institutionell, glaubensan­
schaulich und glaubenspraktisch stär­
ker abzuweichen. Dies liegt zum ei­
nen in der historischen Genese: Vielen
Historikern zufolge sind die Nusayri,
die hauptsächlich in Südostanatolien
und an der syrischen Küste leben,
eine Fortsetzung der sogenannten
Ghulat-Bewegung. Diese wurde von
orthodoxen Muslimen als „Übertrei­
ber“ verunglimpft, da sie Imam Ali
vergöttlichen würde. In der Tat ist die
Verehrung Imam Alis bei den Nusay­
ri von einer dezidierten Divinität Alis
geprägt: Denn Imam Ali wird als die
Inkarnation des göttlichen Wesens
und Sinns verstanden (arab. ma’nã),
gewissermaßen als eine Menschwer­
dung Gottes. Diese Manifestation
wird von zwei weiteren Hypostasen
begleitet, in der der Prophet Moham­
med als zweite Stufe (arab. ism oder
hidjãb für „Name“ oder „Schleier“)
und Selmân-i Fârsi als drittes Glied
(arab. bãb für „Tor“) einer Dreieinig­
keit verstanden werden, die mit dem
Prinzip Hakk-Muhammed-Ali der
Aleviten nicht vergleichbar ist. Auch
scheinen nicht so viele Überschnei­
dungen in der Glaubenspraxis zu
bestehen, da die Nusayri traditionell
nicht die Cem-Zeremonie als Kollek­
tivgebet kennen.
Wie oben erwähnt, ist eine gängige
Bezeichnung für die Nusayri„ara­
bische Aleviten“. Für die restlichen
Aleviten ist eine solche einheitliche
Bezeichnung nicht möglich, da eine
weitere kulturelle Vielfalt in der Spra­
che liegt: So beten Alevitinnen und
Aleviten ihre Gebete auf Türkisch, auf
Kurmancî, Zazaki, neuerdings auch in
westeuropäischen Sprachen und in
den Sprachen des Balkans.
Hiermit geht auch ein weiterer Grund
für die religiös-kulturelle Vielfalt des
Alevitentums einher: die geogra­
phischen Verteilung. Häufig dient das
geographische Attribut „anatolisch“
dazu, das hier behandelte Alevitentum
von anderen Formen, die sich Alevî
nennen, abzugrenzen. Allerdings ist
dies eine verkürzte und vereinfachte
Beschreibung. Zwar ist das Haupt­
verbreitungsgebiet des Alevitentums
ohne Zweifel Anatolien, insbesonde­
re Zentral- und Mittelostanatolien,
aber auch außerhalb Anatoliens las­
sen sich alevitisch-bektaschitische
Gruppen finden, die in der Tradition
der anatolischen Version stehen. Ins­
besondere in Südosteuropa gab und
gibt es bis zum heutigen Tag viele
Regionen, in der das Alevitentum bis
zum heutigen Tag mehr oder weni­
ger vital gelebt wird. So gibt es heute
noch eine kleine alevitische Minder­
heit in Bulgarien, insbesondere in
den Provinzen Silistrien, Silwen und
Rasgard, die auf bulgarisch auch als
Aliani bekannt ist. Die Tekkes von De­
mir Baba und Otman Baba gehören
dabei zu den geschichtsträchtigsten
des gesamten Balkans.
Im heutigen Griechenland gibt es
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
75
Vielfalt
nach wie vor eine kleine alevitische
Gemeinde in Didymoticho (türk. Di­
metoka) in Thrakien. Insbesondere
das ehemalige Tekke K›z›ldeli-Sultan
ist nach wie vor ein aktives religi­
öses Zentrum. In früherer Zeit hat es
in Thrakien auch ganz interessante
Verflechtungen und interreligiöse
Beziehungen zu griechisch-ortho­
doxen Christen gegeben; ähnliches
galt auch bis zum späten 19. und
frühen 20. Jh. für den Epirus, Bitola
und Thessaloniki. Auf Zypern lebt so­
gar bis heute eine kleine alevitische
Community.
In Albanien ist das Bektaschitum
sogar heute die drittgrößte Religi­
onsgruppe. Bis zu 30 Tekkes, insbe­
sondere im Süden des Landes, sind
aktuell aktiv und in etwa 20% der
Bevölkerung bekennen sich zu dieser
Glaubensgruppe. Zuvor war die Zahl
der Tekkes sogar wesentlich höher.
Allerdings wurden in den 1960ern
alle Religionsgruppen in Albanien
von Enver Hoxha verboten und Al­
banien als erster atheistischer Staat
deklariert. In den 1990ern haben
[email protected]
sich das Bektaschitum und auch die
anderen Glaubensgemeinden in Al­
banien rehabilitiert, so dass einige
der geschlossenen Tekkes wieder
reaktiviert werden konnten. Die al­
banische Bektaschi-Zentrale in Tirana
betreut auch Tekkes in Makedonien,
u.a. das Tekke in Tetovo bei Skopje,
das zu den ältesten und größten
zählt. In Bosnien hat es bis zum 19.
Jh. einige Bektaschi-Tekkes gegeben,
die jedoch nicht die Zeit überdauer­
ten. Sogar in Ungarn gibt es mit dem
Gül-Baba-Türbe in Budapest die nörd­
lichste Wallfahrtstätte des gesamten
Islam.
Auch gen Osten, vor allem in Aser­
baidschan und im Iran, gab und gibt
es alevitische bzw. mit den Aleviten
verwandte Gruppen. So besteht na­
hezu eine gesamte Stadt, Ilkhchi
im aserbaidschanischen Iran, gänz­
lich aus einer als Alevî bezeichneten
Glaubensgruppe. Auch werden des
Öfteren Verbindungen zwischen
den Ehl-i Hakk sowie Ali-Illahi und
den Aleviten gezogen. Zwar beste­
hen interessante Ähnlichkeiten und
auch Hac› Bektâfl Velî wird von den
Ehl-i Hakk als eine Manifestation ih­
res Patrons, Sultan Sahak, betrachtet,
allerdings ist bei einer Verknüpfung
zu den Aleviten Vorsicht geboten,
da es keine institutionelle Verbin­
dung zum Alevitentum gibt und
viele Unterschiede insbesondere in
der Glaubenspraxis.
Da das religiöse Leben nicht vom
restlichen sozio-kulturellen Leben
isoliert werden kann, geht diese ge­
ographische Verteilung auch mit ei­
ner kulturellen Vielfalt einher. Eine
vergleichende Studie hierzu steht lei­
der bis zum heutigen Tag noch aus.
Natürlich entstand auch mit der Mig­
ration von Alevitinnen und Aleviten
hauptsächlich in westeuropäische
Staaten eine weitere kulturelle Viel­
falt, die jedoch hier nur erwähnt sei.
So gibt es zwar keine 1001 Gangwei­
sen innerhalb des Alevitentums, aber
eine durchaus breite und interessante
religiös-kulturelle Vielfalt.
Cem Kara
Doktorand an der LMU in München
Lektürehinweise:
� Markus Dressler: Die alevitische Religion. Traditionslinien
� Lyubomir Mikov: Bulgaristan‘da Alevi-Bektafli kültürü. Übers.
und Neubestimmungen. Würzburg 2002. Vielleicht die beste
deutschsprachige Arbeit zum Alevitentum. Kristina Kehl-Bodrogi. Die K›z›lbafl-Aleviten. Untersuchungen über eine esoterische
Glaubens-gemeinschaft in Anatolien. Berlin 1988. Religionssoziologische Untersuchung der K›z›lbafl mit guten historiographischen Einbettungen.
v. Orlin Sabev (Orhan Salih). Istanbul 2008. Ausführliche Arbeit
zu den kulturellen Überbleibseln des Alevitentum-Bektaschitum
in Bulgarien.
� Ali Yaman: Alevilikte Dedelik Kurumu ve Ocaklar. Istanbul
2004. Elaborierte Feldstudie zu der Ocak-Institution des Alevitentums. Bedri Noyan: Bütün Yönleriyle Bektâflîlik – Alevîlik. 9
Bänder. Ankara 1998-. Das umfassende Werk des ehemaligen
Dedebabas der Bektaschis, wobei jedes Band ein anderes Thema aufgreift.
Daum (Hrsg.): Albanien zwischen Kreuz und Halbmond. München 1998, s.152-158. Eine kurze, aber durchaus gute Einführung in den Bektaschi-Orden in Albanien von der internationalen Spezialistin des Themas.
� John D. Norton: The Bektashis in the Balkans. In: Celia
Hawkesworth et al. (Hrsg.): Religious Quest and National Identity in the Balkans. Basingstoke 2001, s.168-200. Eine sehr gute
Überblicksdarstellung zu den Bektaschis auf dem Balkan.
� Ismail Engin und Erhard Franz (Hrsg.): Aleviler / Alewiten. 3
� Andreas Kiriakidis: Bektaschitum und griechisches orthodoxes
Bänder. Hamburg 2000. Ausführlicher Sammelband mitunter
vielen Aufsätzen zu den Tahtac›.
Mönchtum. Religionskontakt und Vergleich zweier mystischer
Traditionen. Bonn 2010. Sehr interessante Arbeit zum Kulturkontakt von christlichen Mönchen und Bektaschis in Thrakien.
� Hein Halm: Die islamische Gnosis. Die extreme Schia und die
‘Alawiten. München 1989. Standartwerk zu den Nusayri vom
deutschsprachigen Schia-Altmeister.
� Martin van Bruinessen: „Asl›n› inkar eden haramzadedir!”: The
debate on the ethnic identity of the Kurdish Alevis. In: Krisztina
Kehl-Bodrogi et al. (Hrsg.): Syncretistic religious communities in
the Near East. Leiden 1997, s.1-23. Ein guter Aufsatz zu den
Identitätsprozessen kurdischer Aleviten.
76 � Nathalie Clayer: Der Bektaschi-Orden in Albanien. In: Werner
� Martin Sökefeld (Hrsg.): Aleviten in Deutschland: Identitätsprozesse einer Religionsgemeinschaft in der Diaspora. Bielefeld
2008. Ein sehr reicher Sammelband rund um das Alevitentum in
der deutschen Diaspora; viele deutschsprachige Wissenschaftler sind mit übersichtlichen Zusammenfassungen ihrer Arbeiten
vertreten.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Vielfalt
[email protected]
Rezepte
Beyhan Kepenek
Team Presse
Zutaten:
Zubereitung:
• 400g Weizenkörner
Die Weizenkörner, die weißen Bohnen, die Kichererbsen und die getrock­
neten Ackerbohnen getrennt ein Tag vor Zubereitung im kalten Was­
ser einweichen. Am nächsten Tag die eingeweichten Weizenkörner im
Wasser kochen. Die Schaumbildung während des Kochens gelegentlich
entfernen und dann zugedeckt weich kochen (je nach Weizensorte dauert
dies etwa 4-5 Stunden). Gleichzeitig die Kichererbsen, die weißen Boh­
nen, die Ackerbohnen mit Feigen, Rosinen, Pistazien, Mandeln, Haselnüs­
sen, Walnüsse und getrocknete Aprikosen in einen großen Topf geben
und nach Belieben salzen. Zwei Liter Wasser darüber gießen, den Zucker
zufügen und das Ganze ca. 20-30 min kochen lassen. Den kochenden
Weizen untermischen und alles zusammen nochmals 15-20 min kochen.
Zum Schluss die Süßspeise in Dessertschalen füllen und erkalten lassen.
• 200g weiße Bohnen
• 200g Kichererbsen
• 200g Ackerbohnen (Kabuklu Bakla)
• 200g Mandeln, geschält
• 200g Haselnüsse, geschält
• 200g getrocknete Feigen
• 200g Pistazien
• 150g Rosinen
• 150 g Walnüsse
• 100g getrocknete Aprikosen
Wissenswertes über Aflure:
• 1000g Zucker
Dieses Gericht wird nach dem 12-tägigen Fasten gekocht und unter Ver­
wandten und Bekannten verteilt und gegeben Falls zusammen verspeist.
Das Fasten beendet man an dem 13. Tag mit dem Einnehmen dieser Süß­
speise. Diese soll als Symbol der Dankbarkeit dienen für das Überleben der
Schlacht von Kerbela des Zeynel Abidins, den Sohn von Imam Hüseyin.
Aflure auf Deutsch Aschure genannt, bereitet man mit 12 verschiedenen
Zutaten vor, die variieren können. Wichtig ist, die 12 Zutaten einzuhalten,
da diese die 12 Imame symbolisieren. Man kann für diese Speise u.a. die
folgenden Zutaten verwenden: Weizen, Bohnen, Saubohnen, Kicher­
erbsen, Kastanien, Haselnüsse, Pistazien, Mandeln, Sultaninen, Feigen,
Aprikosen und Walnüsse. Das Wort Aflure kommt ursprünglich von dem
arabischen Wort ,,Aschara‘‘, welches zehn bedeutet. ,,Aschura‘‘ wird der
10. Tag vom Monat Muharrem genannt.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
77
Vielfalt
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Zutaten Teig:
Zubereitung:
• 500g Mehl
Zum Mehl 300ml Wasser geben. Karbonat dazu mischen und
nach belieben salzen. Die Masse kneten bis sie fest wird. Diese
in eine geölte, flache Form geben und in den vorgeheizten
Backofen legen. Für den Aufguss zum Joghurt 500ml Wasser
geben und rühren. Anschließend den geriebenen Knoblauch
mit etwas Salz dazu geben. Den fertigen Teig aus dem Backo­
fen nehmen und in kleine Stücke brechen und in der gleichen
Form verteilen. Die Joghurt-Wasser-Mischung dazu geben.
Zum Schluss die erhitze Butter mit einem Esslöffel darauf ver­
teilen und schön einziehen lassen.
• 1,5 TL Salz
• 1 TL Karbonat
• Wasser
Zutaten Aufguss:
• 2 Knollen Knoblauch
• 1 kg stichfester Sahnejoghurt
• 250g Butter
• Wasser
Zutaten:
Zubereitung:
• 500 g Mad›mak/Knöterich
Den Knöterich mit reichlich Wasser waschen. Alle Knoblauch­zehen
aus den zwei Knollen trennen, schälen und in Würfel schneiden.
Diese in mittlerer Hitze mit dem Olivenöl rösten. Danach die Paprika­
paste geben und mischen. Daraufhin den Knöterich mit drei Gläser
warmen Wasser dazu geben. Die Weizengrützen waschen, alles
zusammen kochen lassen und nach Belieben salzen.
• 2 Knollen Knoblauch
• 1 EL Paprikapaste
• 3 EL Olivenöl
• 5 EL Weizengrütze (Bulgur)
• Wasser, Salz
Serviervorschlag:
Mit (Knoblauch) Joghurt servieren. Guten Appetit.
78 A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
I
.
wie I
t
ä
dentit
ARU - Identitätsbildung von klein auf
Identitätsbildung von alevitischen Jugendlichen
Gastbeitrag über die Zusammenarbeit mit
alevitischen Jugendlichen
Identitätsbildung von jungen Erwachsenen
Unsere Kinder sind unsere Zukunft
Lieder für Kinder
- Selbstfindung im Glauben durch alevitische Projekte
- Zusammentreff von Gleichgesinnten
Lesenswert - Zwei Buchrezensionen
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
79
Identität
[email protected]
ARU – Identitätsbildung von klein auf
Alevitischer Religionsunterricht
an öffentlichen Grundschulen
„Seid ihr miteinander einvernehmlich?“ „Ja, wir sind miteinander einvernehmlich.“
Analog zur Cem- Zeremonie beginnt
jeder Alevitischer Religionsunterricht
mit dem Einholen des Einvernehmens
der Schüler untereinander, und auch
mit dem Lehrperson. Der Alevitische
Religionsunterricht ist ein historischer
Schritt für die Aleviten in Deutschland,
der basierend auf Artikel 7 Absatz 3
des Grundgesetzes, ein ordentliches
Unterrichtsfach darstellt. Nach langen
Anerkennungsverfahren wurde der
Antrag der Alevitischen Gemeinde im
Jahre 2000/2001 bewilligt. In Folge
dessen beauftragten die Kultusminis­
terien der Länder Baden- Württem­
berg, Nordrhein Westfalen, Hessen
und Bayern, die Turkologin und Pro­
fessorin Prof. Dr. Ursula Spuler Ste­
gemann, der Frage nachzugehen, ob
die AABF als Religionsgemeinschaft
deklariert werden kann, das zugleich
die Voraussetzung für die Einführung
des Alevitischen Religionsunterrichts
als ordentliches Lehrfach bildete. So­
wohl das religionswissenschaftliche
Gutachten von Frau Prof. Dr. Ursula
Spuler Stegemann, als auch das zur
Bestätigung erstellte Rechtsgutach­
ten von Prof. Dr. iur. Stefan Muckel
bekundeten, dass die Alevitische Ge­
meinde Deutschlands im Sinne des
Artikels 7 Abs. 3 des Grundgesetzes
als eine Religionsgemeinschaft an­
zusehen ist. Somit wurde ein Mei­
lenstein in der Alevitischen Historie
gelegt. Die oben erwähnten Bundes­
länder bildeten im Jahre 2004 eine
Arbeitsgruppe, die die Einführung
des Alevitischen Religionsunterrichts
80 an Grundschulen begleiteten und ak­
tiv unterstützten. Als erstes Bundes­
land führte Baden-Württemberg zum
Schuljahresbeginn 2006/2007 den
Alevitischen Religionsunterricht, vor­
erst als Pilotprojekt, dann als Schul­
fach ein. Nordrhein–Westfalen und
Bayern führten zeitgleich im Jahre
2008/2009 den Unterricht an öffent­
lichen Grundschulen ein, ein Schul­
jahr in Folge Hessen und Saarland
und seit dem Schuljahr 2013/2014
können Alevitische Kinder der Klas­
sen 1-4 in Rheinland Pfalz den Alevi­
tischen Religionsunterricht besuchen.
Auch in Berlin können alevitische
Grundschulkinder den Unterricht
besuchen. Hamburg wird die Alevi­
tische Glaubenslehre in Fächerver­
bünden, wie etwa im interreligiösen
Religionsunterricht, vermittelt. Damit
der Alevitische Religionsunterricht an
Grundschulen stattfinden kann, muss
eine Mindestanzahl an Alevitischen
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Schülern erreicht werden, die sich je
nach Bundesland unterscheidet (in
Ba-Wü 8, in NRW 12). Die örtlichen
Alevitischen Gemeinden sind dafür
zuständig, potenzielle Schüler aus­
findig zu machen und diese an die
AABF zu melden. Über das Ministe­
rium gelangt dann die Schülerliste zu
den entsprechenden Schulleitungen,
die die konkrete Teilnehmerzahl an­
hand von Anmeldeformularen über­
prüft. Bei erreichen der Mindestan­
zahl und geeigneter Lehrkraft wird
der Religionsunterricht eingerichtet.
Leider gelingt die Errichtung des Reli­
gionsunterrichts nicht immer den
Vorstellungen entsprechend. Ein
Mangel an Lehrpersonal, als auch El­
tern, die sich aus diversen Gründen
gegen den Alevitischen Religionsun­
terricht entscheiden, erschwert an
einigen Stellen die Einführung des
Unterrichtsfachs.
Identität
[email protected]
Die Lehrerin Burcak Tuncel mit den Schülern des Alevitischen Religionsunterrichts.
Ziele des Unterrichts
Voraussetzung eines jeden Lehr­
faches ist ein Lehrplan, der die Ziele
und die Inhalte des zu unterrichten­
den Faches bezogen auf die Schulstu­
fe beschreibt. Um die Ziele und die
Themeninhalte für den Alevitischen
Religionsunterricht an Grundschulen
festzulegen, wurde eine Lehrplan­
kommission mit alevitischen Fachkräf­
ten zusammengestellt, die aus dem
Selbstverständnis der alevitischen
Glaubenslehre heraus Zielvereinba­
rungen und Themeninhalte nieder­
legten. Hierbei wurde insbesondere
darauf geachtet, dubiose Interpretati­
onen und Positionen im Alevitentum
aufzunehmen und zum Gegenstand
des Unterrichts zu machen. Diesem
Lehrplan wurde durch die Kultusmi­
nisterien der Länder zugestimmt und
gilt für alle Bundesländer. Das Land
Baden-Württemberg hat, basierend
auf dem Lehrplan aus NRW, aus den
Zielen Bildungsstandards formuliert,
so wie es der Bildungsplan für Grund­
schulen in Baden-Württemberg vor­
sieht. Das Anliegen eines eigenen Re­
ligionsunterrichts ergab sich aus den
Wünschen der Eltern, alevitisches
Glaubensgut an ihre Kinder weiter­
zugeben, sodass einer Entfremdung
der Kinder von alevitischen Werten
und Traditionen entgegengewirkt
werden kann. Dieser Wunsch sollte
sich auch in den Lehrplänen für den
Alevitischen Religionsunterricht wie­
derspiegeln, in dem es u.a. heißt:
Theaterstück H›z›r & Ilyas im Alevitischen Religionsunterricht.
„Der Alevitische Religionsunterricht
zielt darauf, die alevitischen Schülerinnen und Schüler mit dem Grundverständnis des Alevitentums vertraut
zu machen. Er trägt damit zur Werteerziehung der Kinder bei.“ (Lehr­
plan für die Grundschule in Nord­rhein
Westfalen. Alevitischer Religionsun­
terricht, Klassen 1-4, S.17.)
Im Kern hat der Alevitische Religions­
unterricht drei Hauptziele, die ver­
folgt werden:
Die Wissensvermittlung.
Alevitischen Kindern sollen Inhalte ih­
res Glaubens herangetragen werden.
Die Identitätsbildung.
Der alevitische Religionsunterricht
soll eine alevitische Identität heraus­
bilden. Der Unterricht soll ihnen die
Möglichkeit geben, den alevitischen
Glauben zu erfahren und zu erleben
und daraus folgernd die Werte seiner
Religion adäquat zu vertreten.
Die Wertevermittlung.
Hiermit hängt zusammen, dass alevi­
tischen Kindern die Menschenrechte
im Grundgesetz vermittelt werden.
Die Schülerinnen und Schüler sollen
erkennen, dass sich alevitische Wer­
tevorstellungen mit den grundge­
setzlichen Werten tangieren.
Darüber hinaus soll der Alevitische
Religionsunterricht die Beziehungsfähigkeit der Schüler und Schülerinnen
stärken. Aufgrund der Tatsache, dass
der Unterricht Jahrgangsübergrei­fend stattfindet und unter den Kin­
dern ethnische Unterschiede herr­
schen, werden die Schüler dazu
angel­­eitet, gleichberechtigte und to­
lerante Beziehungen einzugehen und
diese zu erhalten.
Die Gleichberechtigung zwischen
Mäd­­chen und Jungen wird durch den
Alevitischen Religionsunterricht er­
fahren und verinnerlicht, welches ein
wichtiges Element der alevi­tischen
Lehre darstellt. Schülerinnen und
Schüler, die am Religionsunterricht
teilnehmen, sollen die Kompetenz
entwickeln, sich im Interreligiösen
Dialog mit anderen Mitschülern über
ihren Glauben, Tradition und Kultur
unterhalten zu können, aber auch
lernen, Andersartigkeit zu verstehen
und zu akzeptieren.
Inhalte des Unterrichts
Um diese Ziele zu erreichen, wurden
konkrete Themeninhalte formuliert,
über deren Kenntnis die Schüler ge­
setzt werden sollen. Die Schüler,
die den ARU besuchen, sollen über
das alevitische Gottesverständnis
informiert werden, sowie über die­
alevitsche Denkweise zu Gott- Mu­
hammed-Ali herangeführt werden.
Darüber hinaus werden Themen, wie
Alevitische Glaubensgrundlagen, ale­
vitische Werte, die alevitische Kultur
und deren religiöse Einbindung in Ri­
ten, insbesondere zu den Gesängen,
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
81
Identität
Grundsätze alevitischer Moral und
Ethik, religiöse Formen des Aleviten­
tums, wie Cem, Semah etc., Aus­
drucksformen des alevitischen Ver­
haltens behandelt. Außerdem soll die
überlieferte Wirkungsgeschichte des
Propheten Mohammed, des heiligen
Ali und der Zwölf Imame, sowie die
Bedeutung und Wirkung des heili­
gen Haci Bektafl Veli und der anderen
heiligen nahe gebracht werden. Um
interreligiöses Lernen anzubahnen,
lernen die Schüler die Propheten aus
den anderen großen Religionen und
Grundlagen der unterschiedlichen
Religionen und Glaubensrichtungen
kennen.
Unterrichtsgestaltung
Wie aus den Themeninhalten des
Lehrplans zu entnehmen ist, orientiert
sich die Gestaltung des alevitischen
Religionsunterrichts an der alevi­
tischen Lehre und setzt Elemente die­
ser im Unterricht ein. Besonders wich­
tig sind Rituale, die sich z.B. auch in
einer Cem-Zeremonie voll­ziehen. So
beginnt, wie Anfangs erwähnt, jede
Unterrichtsstunde mit dem Einholen
des Einvernehmens (R›zal›k) zwischen
den Schülern und zwischen den Schü­
lern und der Lehrperson. Erst wenn
alle Streitigkeiten und Unklarheiten
ausgesprochen und geklärt sind,
beginnt der eigentliche Unterricht.
Somit wird ein kollektives Ritual der
Aleviten erlebt und verinnerlicht. Des
Weiteren wird darauf geachtet, dass
die Sitzordnung gewährleistet, dass
sich alle Kinder im Blick haben. Hierbei
wird das Prinzip des Cemal cemal‘e
oturmak verfolgt. Der Dreier Satz
Hak-Mohammed-Ali soll möglichst
in viele Inhalte integriert werden, so­
dass auch dieser seelisch durchdrun­
gen wird. Zum Beispiel sollen 3 Lieder
gesungen werden oder es werden zu
einer Aufgabe drei Beispiele genannt
etc. Das Telli Kuran z.Dt.: Koran mit
Saiten ist ein essentielles Instrument
der alevitischen Lehre, daher sollen
82 [email protected]
alevitische, religiöse Gesänge in den
Unterricht einbezogen werden. Unter
dem alevitischen Leitgedanken Yol
Bir- Sürek Binbir z.Dt.: Ein Weg- Viele
Ziele muss jede Lehrkraft dem Kon­
troversitätsprinzip folgen, in dem sie
mögliche Interpretationen und Stand­
punkte der Schüler im Unterricht zu­
lässt und dadurch die Glaubens- und
Meinungsfreiheit im Unterricht selbst
aufzeigt. Der Alevitische Religionsun­
terricht wird in deutscher Sprache ab­
gehalten, sodass die Schüler Begriffe
aus dem türkischen, kurdischen oder
persischen in die deutsche Sprache
transferieren können. Diese Fähigkeit
ist von hervorragender Bedeutung,
da sie im interreligiösen Dialog ihre
Religion und ihren Glauben in der
deutschen Sprache darlegen und
aufgrund der Sprachkompetenz die
Alevitschen Gemeinden in solchen
Situationen vertreten können. Sicher­
lich werden Grundbegriffe, wie z.B.
Dede, Semah, Müsahip, Cem etc. in
der Ursprungssprache beibehalten,
der deutsche Begriff dazu jedoch im
Unterricht erwähnt und auch ver­
wendet, sodass die Begriffe in bei­
den Sprachen beherrscht wird. Fer­
ner trägt der Unterricht in deutscher
Sprache zur Sprachförderung bei
und leistet einen beträchtlichen Bei­
trag zur Integration, da Sprache im
Prozess der individuellen und gesell­
schaftlichen Integration eine außeror­
dentliche Rolle spielt. Die Leistungen
in diesem Fach werden benotet und
sind versetzungsrelevant.
Lehrerausbildung
Um die Lehrbefähigung für die Ertei­
lung des Religionsunterrichts zu erhal­
ten, müssen sich die jeweiligen Lehr­
kräfte an den dafür vorgesehenen
Kursen qualifizieren. Für Lehrkräfte
mit alevitschem Hintergrund wurde
an der Pädagogischen Hochschule
in Weingarten der Erweiterungsstu­
diengang Alevitische Religionslehre/
Religionspädagogik eingerichtet, an
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
dem sich die Lehrkräfte immatrikulie­
ren können. Hier findet in Form von
Blockseminaren (Wochenende Semi­
naren) die Qualifizierung der Lehrper­
sonen statt. In NRW zertifizieren sich
alevitische Lehrkräfte durch einen
Kurs, der berufsbegleitend stattfindet.
In diesen Fällen benötigen die Lehr­
kräfte eine Abordnung seitens der
zuständigen Schulbehörde. In beiden
Fällen bestimmt die AABF die Lehrbe­
auftragten für die jeweiligen Semi­
nare. Obgleich die Möglichkeiten der
Ausbildung von alevitischen Lehrkräf­
ten vorhanden sind, ist ein reguläres
Studium der Alevitischen Theologie
unentbehrlich, um den Lehrpersonen
fundiertes Wissen zu vermitteln.
Erfahrungen
Bisherige Erfahrungen zeigen, dass
der Alevitische Religionsunterricht,
sowohl von den Schülern als auch
von seitens der Eltern als positiv ange­
nommen wird. Da sich der Unterricht
mit der eigenen Identität befasst, ist
eine hohe Motivation auf beiden Sei­
ten zu erkennen. Erfreulich sind vor
allem solche Situationen, in denen er­
kennbar wird, dass die Schüler nicht
nur über das Wissen verfügen, son­
dern dieses Wissen auch in ihre Hand­
lungen integrieren und so alevitische
bzw. humanistische Lebensweisen
einnehmen. Diese sind vor allem im
Umgang mit anderen Mitschülern
der Schule zu beobachten. Der Un­
terricht erweckt Neugierde, sodass
Schüler beispielsweise Interesse am
Baglama spielen entwickeln oder In­
teresse daran haben, einen Cemhaus
oder einen Cem zu besuchen. Neben
diesen und noch weiteren positiven
Erfahrungen mit dem ARU gibt es
leider auch negative, die vor allem
auf die Eltern zurück zu führen sind.
Wie bereits erwähnt, gibt es wahrlich
Eltern, die sich gegen die Teilnahme
ihres Kindes am ARU entscheiden.
Gründe sind entweder die Angst,
dass das Kind überfordert sei und die
Identität
[email protected]
Das erste Treffen des Jugendprojektes Zukunftswerkstatt im Alevitischem Kulturverein Mannheim, Dezember 2012
Leistungen in anderen Fächern sinken
würden, sowie die Angst, dass das
Kind aufgrund seiner Religionszuge­
hörigkeit ausgegrenzt wird. Rückmel­
dungen von anderen Lehrern oder
Eltern der Kinder beweisen, dass der
Alevitische Religionsunterricht den
Bildungserfolg positiv unterstützt.
Des Weiteren gibt es Eltern, die an­
dere Angebote der Schule vorziehen,
sowie Eltern, die einfach kein Interes­
se, besser gesagt, keine Verbunden­
heit zum Alevitentum haben. Auffäl­
lig ist vor allem, dass ausgerechnet
die Eltern die Teilnahme befürwor­
ten, die selbst in den Alevitischen
Gemeinden aktiv tätig sind. Hier sind
insbesondere die Alevitischen Ortsge­
meinden gefragt, die den Dialog zu
den Erziehungsberechtigten suchen
und eine kontinuierliche Koopera­
tion ge­währl­eisten müssen, in dem
sie Aufklärungsarbeit, z.B. in Form
von Informationsabenden betreiben,
indem konkrete Unterrichtsbeispiele
und die Bedeutung des Unterrichts
de­monstriert werden. Auch der Lehr­
kräftemangel stellt nach wie vor, vor
allem für weiterführende Schulen, ein
Problem dar.
Perspektiven
Nichtsdestotrotz ist der Alevitische
Religionsunterricht auf erhebliches In­
teresse gestoßen, sodass das Kultus­
ministerium in NRW die Ausarbeitung
eines Lehrplans für die Sekundarstufe
1 genehmigte, um den Unterricht an
weiterführenden Schulen einzufüh­
ren. So werden seit dem 2. Schuljahr
2011 / 2012 Schüler der Klassen 5- 10
nach alevitschem Kernlehrplan unter­
richtet. Es gilt ein großer Dank an alle
an der Einführung des Alevitischen
Religionsunterrichts an öffentlichen
Schulen beteiligten Personen aus­
zusprechen, die hervorragende und
zugleich fundamentale Leistungen
erbracht haben. Diese werden zwei­
fellos damit belohnt werden, das ale­
vitisches Glaubensgut über weitere
Generationen hin getragen und der
Schatz des Alevitentums bewahrt zu
haben. Analog zum Alevitischen Reli­
gionsunterricht, wird auch dieser Ar­
tikel abgeschlossen mit einem Ritual
und einem Gülbenk (z.Dt.: Rosenruf),
den die Schülerinnen und Schüler
zum Ende der Stunde im Stehkreis
aussprechen; Möge H›z›r uns be­
schützen!
Burcak Tuncel
Alevitische Religionslehrerin an der Hart­
ranft-Grundschule in Freudenstadt
Literaturangabe :
Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein Westfalen (Hrsg.): Lehrplan für die Grundschule in Nordrhein Westfalen. Alevitischer Religionsunterricht Klasse 1-4, Ritterbach 2008
Kaplan, Ismail: Das Alevitentum- Eine Glaubens- und Lebensgemeinschaft in Deutschland. Hrsg.: Alevitische Gemeinde Deutschland, Köln 2004
Spuler-Stegemann, Ursula: Gutachten: Ist die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. eine Religionsgemeinschaft? Marburg 2003
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
83
Identität
[email protected]
Gastbeitrag über die Zusammenarbeit mit alevitischen Jugendlichen
Identitätsbildung
von alevitischen
Jugendlichen
W
enn wir über die alevitische Jugend sprechen,
sollten einige Ausführungen zum Thema Ju­
gend gemacht werden. Für viele von euch ist
der Begriff Jugend eindeutig. Wer ist denn für euch ein
Jugendlicher? Im Alltag ist der Begriff Jugend eindeutig,
jedoch haben die Wissenschaftler verschiedene Möglich­
keiten gesehen, Jugend zu betrachten. Ich werde die Ju­
gend aus einer sozialisationstheoretischer Perspektive be­
schreiben. Damit wird eine zeitliche Perspektive eröffnet,
die neben den Wandlungen in der Jugendphase auch
die stattfindenden gesellschaftlichen Wandlungen in den
Blick nimmt, die sich in den letzten Jahren ergeben ha­
ben, welches auch die Jugendphase mitbestimmen, z.B.:
längere Schulbildung. Die Situation der alevitischen Ju­
gendlichen in Deutschland zeigt, dass sie im Verlauf ihrer
Entwicklung mit besonderen Problemkonstellation kon­
frontiert werden. Daraus ergibt sich die Frage nach den
Risiken, die sich hierdurch für diese alevitischen Jugend­
lichen für eine eigenständige Lebensgestaltung ergeben.
Als individuell wirkende Faktoren, welche auf die Ent­
wicklung der alevitischen Jugendlichen Einfluss nehmen,
werden in der Literatur folgende Faktoren aufgelistet:
• Formale Kriterien (Einreisealter, Aufenthaltsdauer, Unterbrechungen durch zwischenzeitliche Aufenthalte im Ursprungsland)
• Qualität der familiären Beziehungen
• Umgangsformen der eigenen Eltern und anderer Bezugspersonen mit der Migration (aus dem Dorf
in die Großstadt) und etwaigen Problemen
84 • positive Erfahrungen im Sinne von
„Sich-hier-wohl-und-geborgen fühlen“
• Negative bzw. traumatische Erfahrungen
(direktes oder indirektes Erleben von
Ausländerfeindlichkeit, Diskriminierung bezüglich des Glaubens (Alevitentums) etc.)
• Lebensumfeld (Qualität des Wohnumfeldes;
Zustand, Größe, Ausstattung der Wohnung)
• Sprachkompetenzen (Muttersprache, auch Deutsch)
• Anzahl und Qualität von Freundschaften,
Partnerschaften zu Deutschen oder anderen
Nationalitäten
• Erfolgreicher Abschluss einer Schul- und
Berufsausbildung
• Möglichkeit der sozioökonomischen Existenz-
sicherung in Form einer adäquaten und
dauerhaften Arbeitsstelle
• Ausmaß und Existenz kultureller oder religiöser
Inhalte (Kulturvereine) wie Literatur, Musik,
Feiern, rituelle Handlungen etc.
Diese Auflistung macht deutlich, dass es zu Konsequenzen
in der Jugendphase der alevitischen Jugendlichen kommt
oder kommen kann.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Identität
[email protected]
Für viele Erwachsene war und ist die Jugend eine Über­
gangsphase zwischen Kindheit und des Erwachsenen­
seins. Diese weit verbreitete Vorstellung ist jedoch unzeit­
gemäß. Sie passt in die Zeit der 50er Jahre, in der die
Jugendphase mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres als
beendet galt. Die einzelnen Lebensphasen haben sich bis
heute weiter ausdifferenziert, bedingt durch die sich im­
mer weiter verlängernde Lebensdauer und des stattfin­
denden gesellschaftlichen Wandels: z.B. längere Schul­
dauer: früher 8 Jahre – heute 10 Jahre.
Die Jugendlichen haben den entscheidenden Schritt in
Richtung Erwachsenenstatus dann vollzogen, wenn sie
die schulischen und beruflichen Ausbildungsverhältnisse
verlassen und den Übertritt in die Berufswelt vornehmen
und sich von den Eltern loslösen und die Gründung einer
festen Partnerschaft und eine eigene Familie anstreben.
Bei alevitischen Jugendlichen kann aber die Ablösung aus
dem Elternhaus mit großen Schwierigkeiten verbunden
sein, wobei es auf die Einstellungen der Eltern ankommt.
Die Jugendlichen sind zudem außerfamiliären Sozialisati­
onsprozessen ausgesetzt, die nicht von den Eltern (Groß­
eltern, Onkel etc.) kontrollierbar sind.
Diese Ungewissheit macht den Eltern Sorgen, dass die
Kinder insbesondere die Töchter einen schlechten Ruf be­
kommen könnten.
Da aber ein gesellschaftlicher Wandel stattgefunden hat,
kann ein bestimmtes Alter für den Übergang in die Er­
wachsenenphase nicht genannt werden. Die Lebenslage
des Einzelnen ist so unterschiedlich geworden, dass über
das Ende der Jugend keine genauen Angaben gemacht
werden können. Da die Jugendlichen die Entwicklungs­
aufgaben nach und nach bewältigen, kann von einem
schrittweisen Übergang von der Jugend zur Erwachse­
nenphase gesprochen werden. Wie schon erwähnt findet
der Übergang zur Erwachsenenphase meistens zwischen
dem 20. und 30. Lebensjahr statt.
Identität - Kultur
Hier ist es natürlich nicht möglich, auf alle Ebenen der
Identitätsentwicklung einzugehen. Ich werde bewusst
den Aspekt der Identitätsentwicklung zwischen den
Kulturen herausgreifen, da es sonst den Rahmen dieses
Textes sprengen würde.
Es ist nicht abzuleugnen, dass die alevitischen Jugend­
lichen sich mit mindestens zwei kulturellen Wertesyste­
men innerhalb ihrer sozialen Umwelt auseinandersetzen
müssen, wodurch sie zweifelsohne eine Vielzahl von
Problemen zu bewältigen haben. Gleichwohl sollten die
positiven Aspekte eines Lebens in diesen Kulturen nicht
unterschätzt werden. Gerade das Aufwachsen in ver­
schiedenen Kulturen kann zu einer positiven Persönlich­
keitsentwicklung der alevitischen Jugendlichen führen,
denn sie gewähren größere Handlungskompetenzen, in
dem sie früh üben, sich in den Kulturen zurechtzufinden
und sich in ihrer Lebensgestaltung auf die Normen und
Werte der Kulturen einzustellen.
Kultur ist als ein unabgeschlossenes, prozeßhaftes und
in Bewegung befindliches System zu sehen, was nicht
aber ein für alle Gruppen der Gesellschaft das Leben ver­
bindlich regelndes System verstanden werden darf. Als
Schlussfolgerung daraus, kann gesagt werden, dass die
Identitätsbildung als ein lebenslanger Prozess aufzufassen
ist.
Um nun die Identitätsentwicklung bei alevitischen Jugend­
lichen verstehen zu können, soll nun ebenfalls die Identität
definiert und dargestellt werden, wie sie entsteht. Nach
Erikson, der sich wie kein anderer mit der Entstehung von
Identität beschäftigt hat, gehen viele Forscher davon aus,
dass die Identitätsentwicklung nur dann möglich sei, wenn
die Wahrnehmung der eigenen Person durch sich selbst
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
85
Identität
und durch andere identisch sei. Identitätsbildung als ein
Prozess würde somit auf einer immer, vergleichenden und
damit auch wertenden Wahrnehmung beruhen, nämlich
der Wahrnehmung des „Sich-selbst-Gleichens“ und der
eigenen Gleichheit in der Wahrnehmung des Umfeldes.
Die Identität des Menschen ist also faktisch vielfältig. Eine
Frau kann zum Beispiel mehrere Rollen gleichzeitig be­
herrschen. Sie kann einmal Mutter und eine berufstätige
Frau zugleich sein. Die alevitischen Jugendlichen befinden
sich in einem Prozess, in dem viele Hürden vorhanden
sind und sie auf Ablehnung stoßen, weil sie oft von den
Kulturen (sowohl von der Christlichen und Sunnitischen)
als etwas Fremdes gesehen werden, und sie versuchen
diese zu überwinden. Sie müssen sich in beiden Kulturen
beweisen. Dabei stoßen sie auf eine Gefahr, z.B.: In der
Schule haben viele Jugendliche Angst zuzugeben, dass
sie Aleviten sind, weil sie sich mit dem Alevitentum nicht
auskennen. Zum Teil passen sie sich ihren Mitschülern an,
wie z.B.: das Fasten im Ramadan. Erst wenn mehrere ale­
vitische sich Jugendliche zusammenschließen, trauen sich
diese Jugendlichen auch zu sagen, dass sie im Ramadan
nicht fasten, d.h. ihre eigenen Regeln im Alevitentum ha­
ben.
Die Jugendlichen müssen die Veränderungen in der jewei­
ligen Kultur durchsetzen, weil diese Kultur imstande ist,
an die Stelle der alten Überlebensstrategien neue zu set­
zen, die sich aus der jeweils eigenen Geschichte ergeben.
Dieser Prozess ist voller Krisen, in dem viele auf der Stre­
cke bleiben. Aber es ist der einzige Weg, der überhaupt
die Entwicklung neuer Lebensformen ermöglicht, wenn
auch nicht garantiert.
Es kann also zusammenfassend davon ausgegangen wer­
den, dass alevitische Jugendliche zahlreiche kulturelle
Wand­lungsprozesse vollziehen, die die verschiedensten
Bereiche ihres Lebens betreffen, wobei die von den Eltern
mitgebrachten kulturellen Werte und Normen für die Ju­
gendlichen eine neue Bedeutung erhalten.
[email protected]
sehr große Rolle, weil sie untereinander ihre Erfahrungen
austauschen können. Die beste Gelegenheit hierzu haben
sie in den alevitischen Kulturvereinen/Cem Häusern, wo
sie Gleichaltrige treffen können. Für viele der alevitischen
Jugendlichen dienen diese Kulturvereine/Cem Häuser als
ein Ort, in dem sie sich mit Gleichaltrigen treffen können
und dort ihr Freizeit verbringen (z.B.:Saz Kurse, Folklore,
Fußball, Semah und Theater). Insbesondere für alevitische
Jugendliche, die in besonderer Weise von Verunsiche­
rungen, Diskriminierungen und Ausgrenzungen betrof­
fen sind, ist die Zugehörigkeit zu solchen Vereinen, in der
ihnen Anerkennung und Akzeptanz entgegen gebracht
wird, von großer Bedeutung für ihre Persönlichkeitsent­
wicklung, da sie dort Gleichaltrige treffen. Daher ist es
für die Aleviten sehr wichtig, diese Kulturvereine / CEM
Häuser zu unterstützen und ihnen eine Hilfestellung zu
geben. Wie sieht nun diese Hilfestellung aus?
In erster Linie sollen die Jugendlichen motiviert werden
sich ehrenamtlich zu engagieren und es wird versucht,
ihnen ein Gefühl des Vertrauens zu geben, da viele Ju­
gendliche mit den gleichen Problemen kommen. Es soll­
ten viele Seminare und Kurse stattfinden, wo die Jugend­
lichen aufgeklärt werden, damit sie in ihrer Religion nicht
diskriminiert werden.
Die alevitischen Jugendlichen sollten auch in der deut­
schen Gesellschaft repräsentiert werden, so dass die Ju­
gendlichen auch ein Gefühl haben, dass sie in der deut­
schen Gesellschaft vertreten sind, und sie damit sehen,
dass sie nicht alleine sind. Zusammenfassend können wir
sagen, wenn der Jugendliche auf genügend Bezugsper­
sonen zurückgreifen kann, die ihm Rückhalt und Sicher­
heit geben, sind die Belastungssituationen besser und
leichter zu bewältigen, als für Jugendliche, die diese Mög­
lichkeit nicht haben.
Nehir Baflaran
Sozialarbeiter in Duisburg
Peer-Group
Neben der Familie haben die Freunde und Gleichaltrigen
(Peer-Group) haben in der Sozialisation als auch in der
Freizeit eine sehr wichtige Funktion. Die Peer-Group zählt
für Kinder und Jugendliche ab dem Schulalter zu den
wichtigsten Sozialisationsinstanzen, weil sie gleichaltrige
suchen, die gleiche Probleme wie sie selber haben, und
versuchen für sich Vorbilder bzw. Wege zu finden, wie
sie damit zu recht kommen. Sie sind die wichtigste Be­
zugsgruppe für den Loslösungsprozess vom Elternhaus
und für die Entwicklung des eigenen Lebensstils. Daher
spielen für alevitische Jugendliche Gleichaltrige auch eine
86 Literaturverzeichnis
• Alamdar-Niemann, Monika: Türkische Jugendliche im Eingliederungsprozess. Hamburg: Kovac Verlag, 1992
• Atabay, Ilhami: Ist dies mein Land. Identitätsentwicklung türkischer
Migrantenkinder in der Bundesrepublik. Herbolzheim: Centarus Verlag,
1994
• Azizefendioglu, Aziz: Die Zukunftsperspektiven türkischer Jugendlicher in der Bundesrepublik Deutschland. Herbolzheim: Centarus Verlag,
2000
•Boos-Nünning, Ursula: Multikultuviert oder doppelt benachteiligt. Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes NRW.
Essen: 2000
• Hurrelmann, Klaus: Lebensphase Jugend. Eine Einführung in die sozialwissenschaftliche Jugendforschung. München. Juventa Verlag, 11.
überarbeitete Vorlage: 2012
• Sökefeld, Martin: Aleviten in Deutschland: Identitätsprozesse einer Religionsgemeinschaft in der Diaspora. Transcript Verlag, 1.Aufl. 2008
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Identität
[email protected]
Identitätsbildung von
alevitischen jungen
Erwachsenen
E
ines der auffälligsten Beobachtungen scheint wohl
zu sein, dass sich sowohl alevitische Heranwach­
sende als auch Erwachsene häufig über die Abgren­
zung vom „Fremden“ definieren. Äußerungen wie „Wir
tragen kein Kopftuch“ oder „Wir beten nicht fünf Mal am
Tag“ sind in dieser Hinsicht keine Seltenheit, wobei oft
noch weitergegangen und das Alevitentum letztendlich
als eine Religion vorgestellt wird, die von der Moderne
bestimmt und sehr flexibel umsetzbar sei. Diese Negativ­
definitionen weisen demnach darauf hin, wie unsicher die
Selbstwahrnehmung junger alevitischer Menschen ist.
Bei der Bildung einer Identität ist es wichtig, die individu­
elle Identität von der kollektiven zu unterscheiden. Wo­
durch definiere ich mich und wodurch definiert sich mein
alevitischer Kulturverein? Ist das Eigene das, was mich von
den Sunniten unterscheidet? Und wenn ja, wie viel Iden­
tität bleibt mir dann noch? Wie wertvoll ist diese Identi­
tät, wenn sie durch das Fremde bestimmt wird? Und wie
wichtig sind einheitliche Lebensweisen für eine kulturelle
Identität?
Bei der kollektiven Identität wird deutlich, wie wichtig
historische und ethnische Gemeinsamkeiten sind. Je stär­
ker diese ist, desto eher dient sie als Rahmenbedingung
für die Ausbildung einer individuellen Identität. Das wohl
markanteste Beispiel hierfür ist das Massaker in Sivas ge­
wesen. Ismail Kaplan schreibt von einem Wendepunkt in
der Identitätsgeschichte der Aleviten. Trotz räumlicher und
persönlicher Distanz fand eine einheitlich starke Bewusst­
machung statt, welche dazu führte, dass junge Aleviten
anfingen, sich in der Öffentlichkeit zu ihrem Glauben zu
bekennen. Trotz unterschiedlicher Abstammungen wur­
de ein kollektives Identitätsgefühl geschaffen. Traurig ist
jedoch, dass es erst schrecklicher Taten bedurfte, bevor
dieses demonstrative Wirgefühl entstand. Die Frage, ob
auch in Zukunft zunächst Ungerechtigkeiten geschehen
müssen, damit das Gemeinschaftsgefühl gestärkt wird,
mag ich nicht zu beantworten.
Eine bewusste Auseinandersetzung mit der alevitischen
Glaubenslehre geschieht häufig, wenn es denn so be­
hauptet werden darf, viel zu spät. Dies wird entweder
durch Familienmitglieder eingeleitet oder in Form einer
Fremdbeschreibung. Ich denke, dass das Wort Vorurteil
hier zu recht gebraucht werden kann. Vorwürfen wie
„Ihr betet nicht in der Moschee“ oder „Ihr fastet nicht
während des Fastenmonats Ramadan“ entgegnen jun­
ge Aleviten häufig mit einem Kopfnicken. Sie bestätigen
dies­e negativen Beschreibungen, nehmen sie an und ver­
innerlichen sie. Dies geschieht unter anderem, da Religion
nicht als wesentliches bedeutungstragendes Merkmal für
die Identitätsbildung gesehen wird. Das Elternhaus spielt
hinsichtlich der Identitätsbildung eine besondere Rolle.
Abgesehen von einem eher unbewussten Vorleben von
alevitischen Gebräuchen, blieben Eltern nicht selten zu­
rückhaltend was die direkte religiöse Aufklärung anging.
Durch die Siedlung in größere Städte begann eine Los­
lösung von der traditionellen alevitischen Glaubensauf­
fassung und es fand zunächst eine Umorientierung statt,
um sich in die neue Gesellschaft einfügen zu können. Ihre
neuen Freiheiten in Deutschland machten sie zunächst
politisch und gesellschaftlich aktiv statt den alevitischen
Glauben im Vordergrund zu sehen. Auch heute stellen
zahlreiche Eltern ihre alltäglichen migrantentypischen Pro­
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
87
Identität
[email protected]
Fotos: Tanzgruppe der Alevitischen Gemeinde Bochum auf dem Stadtteilfest 2012
bleme über die Ausübung ihres Glaubens und die Weiter­
gabe seiner Lehre. Wie wir wissen, hat die Arbeit im Ale­
vitentum einen sehr hohen Stellenwert. Der Mensch soll
sich entfalten und dem Allgemeinwohl der Gesellschaft
dienen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Ausübung
religiöser Handlungen seine Wichtigkeit verliert. Eine ge­
sunde Mischung, die jede Alevitin und jeder Alevit für sich
selbst zu entscheiden hat, prägt die individuelle Identität.
Ein besonders häufig auftretendes Phänomen ist, dass
eine zunehmende Individualisierung und der Zugewinn
an Freiheit in Konflikt mit der eigenen alevitischen Glau­
bensgemeinschaft gesehen werden. Die Identität wird
entweder über die Religion oder über eine individuelle
neumoderne Lebensweise definiert. Sie wird als eine Ein­
heit gesehen, welche beides nicht zu vereinbaren scheint.
Wie kann ich mich auf der einen Seite mit meinem Glau­
ben auseinandersetzen und diesen praktizieren und auf
der anderen Seite als Teil einer Gesellschaft im Studium
oder Beruf fungieren? Widerspricht eine kritisch hinterfra­
gende Persönlichkeit einem religiösen Menschen?
Wichtig ist doch die Einsicht, dass wir niemals ein Prototyp
einer Gesellschaft sein werden. In allen Lebensbe­-­­­reichen,
in denen wir auf unterschiedliche Gemeinschaften stoßen,
wird unsere Identität differenziert stark geprägt werden.
88 Unsere alevitischen Gemeinden, Jugendprojekte wie die
Zukunftswerkstatt der alevitischen Akademie aber auch
Cem-Zeremonien tragen oft zur Identitätsbildung der
Jugendlichen bei. Der Begriff der Identitätsbildung ist
dynamisch. Das bedeutet, dass sie sich stetig verändert
und entwickelt. Unsere Aufgabe sollte es daher sein,
unserer eigenen Identität eine bestmögliche Entfaltung
zu gewährleisten. Dies kann nur geschehen, wenn wir
auch im Alevitentum nach Identifikationsmöglichkeiten
suchen und das kollektive Identitätsgefühl stärken bzw.
ein kollektives Gedächtnis entwickeln. Denn erst durch
ein solides WIR kann ein ICH entstehen, das sowohl
individuelle Faktoren als auch für die alevitische Glaubens­
gemeinschaft bedeutsame Merkmale vereint.
P›nar Bozkurt
Studentin aus Wuppertal
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Identität
[email protected]
Unsere Kinder sind unsere Zukunft
Undenkbar ist es für viele Glaubensgemeinschaften
wie Christen, Juden oder Sunniten dass in ihren Glau­
bensstätten keine regelmäßigen Angebote für die
Kinder gäben.
Es gehört zu den Selbstverständlichkeiten, Kinder von klein
an mit pädagogischen Konzepten dem jeweiligen Glauben
näher zu bringen. In den heiligen Feiertagen der Christen
sind die Jugendherbergen in Deutschland von Kirchengrup­
pen nahezu ausgebucht. Professionell wird Kindern spiele­
risch der eigene Glaube auf Feriencamps über mehrere Tage
beigebracht. Die Kinder haben Spaß, lernen neue Freunde
kennen und nebenbei nehmen Sie wichtige Identifikations­
merkmale mit nach Hause. Andere Glaubensgemeinschaften
haben erkannt, dass die Kinder bereits sehr früh damit
konfrontiert werden müssen und investieren bereits jetzt in
ihre Zukunft.
Doch wie sieht es bei uns Aleviten aus? Haben wir in unseren
Gemeinden regelmäßige Angebote für unsere Kinder? Bie­
ten wir Feriencamps für Kinder an, wo unseren Kindern mit
pädagogischen Konzepten, beispielsweise H›z›r, mit einem
simplen Spiel beigebracht wird? Oder ein Kindercem (zum
Lernen) im Rahmen eines Kindercamps? Haben wir für un­
sere Kinder Märchenbücher über Hz. Ali, Haci Bektafl, fiah
‹smail oder Pir Sultan Abdal? Viele Leser werden diese Fragen
sicherlich mit Nein beantworten und zugleich die Notwen­
digkeit dieses Handlungsfeldes erkennen. In diesem Artikel
wollen wir die Leser, die Gemeinden, die Ortsjungenden,
unsere Dachverbände und den Eltern dieses wichtige Hand­
lungsfeld näher bringen und zum Handeln motivieren.
In unserer Kultur spielt die Familie eine sehr große Rolle für
das Kind. Die Eltern vor allem die Mutter ist fast immer die
Bezugsperson. Sie sind für die geistige und körperliche Ent­
wicklung, aber auch für die Wertevermittlung der Kinder
Schlüsselfiguren. Aber auch die Eltern können eben nur das
weitergeben, was sie an Wissen besitzen. Wenn die Eltern
selbst nicht wissen, wer Hz. Ali war, was für eine Rolle der
Prophet Muhammed im Alevitentum spielt, welches Gottesund Menschenbild die Aleviten haben, was sich in Kerbela
ereignet hat oder was die 4 Tore und die 40 Stufen sind,
können wir selbstverständlich nicht erwarten, dass grundle­
gende Werte die das Alevitentum ausmachen ausreichend
an die Kinder herangetragen werden. Seien wir ehrlich und
fragen wir uns selbst. Wer als Kind nicht das Glück hatte aus
einer geistlichen Familie zu stammen (Was für die überwäl­
tigende Mehrheit der alevitischen Kinder der Fall ist), konn­
te von den Eltern nicht genug an Wissen über den eigenen
Glauben vermittelt bekommen. Man wusste zwar, dass man
Alevite ist, dass wir Hz. Ali lieben und die Ehli-Beyt vereh­
ren, am Muharrem fasten und anders als die anderen Tür­
ken sind, doch unsere oft einfachen Fragen überforderten
manchmal auch unsere Eltern.
Genau hier sollten alevitische Gemeinden Verantwortung
übernehmen und Kinder alevitischen Glaubens bereits früh­
zeitig mit dem alevitischen Glauben vertraut machen und
wichtige Identifikationsmerkmale bereits frühzeitig den Kin­
dern vermitteln. An Kindern mangelt es den Gemeinden
nicht. Die üblichen Kurse wie Folklore oder Saz aber auch
Veranstaltungen der Gemeinden werden reichlich von Kin­
dern besucht. Auch gibt es mittlerweile gut ausgebildete
alevitische Pädagogen die ent­sprechend kinderfreundliche
Konzepte entwickeln könnten.
Oben wurde bereits erwähnt, dass unsere Gemeinden kaum
etwas für unsere Kinder bieten, wobei andere Glaubens­
gemeinschaften genau hier sehr weit voraus sind und die
Wichtigkeit dieses Handlungsfeldes erkannt haben. Auch
bei uns sollte sich zugunsten unserer Kinder einiges ändern.
Die Rede ist jedoch nicht von einmaligen Angeboten son­
dern von nachhaltigen Angeboten die beispielsweise über
ein ganzes Kalenderjahr dauern und entsprechend von Fach­
männern / Frauen entwickelt wurden.
Es gibt eine Menge an Alternativen was man für Kinder
anbieten könnte. Ob das Wochenendprogramme, Ferien­
camps, Tagesveranstaltungen, Filmabende oder Dokumen­
tationen über Alevitentum sind aber auch einmal im Monat
mit dem geistlichen der Gemeinde Religionsunterricht für
Kinder, Kindercem‘s, oder spielerisch das Alevitentum kenn­
nenzulernen etc.. Wichtig ist nur, dass die Gemeinden hier
aktiv werden und in unsere Zukunft investieren.
Ein türkisches Sprichwort sagt: „A¤aç yafl iken e¤ilir“ (dt.:
Der Baum biegt sich in jungen Jahren). Wir hoffen, dass die
Botschaft, die dieser Artikel versucht hat zu vermitteln auch
angekommen ist und ein bisschen auf die angesprochenen
Defizite aufmerksam gemacht hat. Denn wir sollten nicht
vergessen UNSERE KINDER SIND UNSERE ZUKUNFT.
Redaktion A.L.E.V.I
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
89
Identität
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Selbstfindung im Glauben durch alevitische Projekte, Zusammentreff von Gleichgesinnten
Lieder für
Kinder
„Musik verbindet“ so lautet ein berühmtes
Sprichwort, dass jeder von uns mal gehört
hat. Sie verbindet aber nicht nur Menschen
miteinander, sondern verbindet uns mit
allen gegenwärtigen Dingen, die es auf der
Welt gibt.
Bei uns Aleviten hat die Musik einen ganz besonderen
Stellenwert. Sie stellt für uns eine Verbindung zu Allah
her, besonders in unseren Cem-Zeremonien, wo viele Ge­
bete mit der Ba¤lama begleitet werden und viele heilige
Lieder ein fester Bestandteil der Zeremonie sind.
Ohne die Lieder bzw. Gedichte beispielsweise von fiah
‹smail Hatayi, Pir Sultan Abdal oder Ozane aus der uns
näheren Zeit, von Afl›k Veysel oder Afl›k Daimi würde ein
fester Bestandteil unserer Religion bzw. Identifikation
fehlen.
Obwohl manche Lieder Jahunderte alt sind, werden sie
immer noch gesungen. Warum sollte eine musikalische
Annäherung an unsere Religion nicht fortgeführt wer­
den? Es hat sich doch bis heute bewährt.
Für unsere Kinder, die bald unsere Rollen einnehmen
werden, haben wir uns überlegt Kinderlieder zu schrei­
ben. Kinderlieder, die den Kindern als erste Annäherung
zu dem Glauben dienen sollen, damit sie eine erste kleine
Basis besitzen, auf die sie mit der Zeit aufbauen können.
Eine Verbindung, die selbst im jungen Alter sehr wich­
tig ist. Schließlich ist das Schöne an der Musik, dass man
sich dadurch Dinge besser merken kann. Denn der „tro­
ckene“ Stoff wird mit einem süßen, melodischen Mantel
bekleidet.
90 Diese Methode wird bis heute erfolgreich von evan­ge­
lischen und katholischen Kindergärten angewendet. Das
bestärkte uns in unserem Vorhaben, durch musikalische
Identifikation Kindern den Glauben näherzubringen. Es
gab nur zwei wichtige Aspekte zu berücksichtigen. Kind­
gerecht und in deutscher Sprache sollten die Texte sein.
Denn die deutsche Sprache ist für viele Kinder ein wich­
tiger Bestandteil im Leben und gleichwertig mit der Mut­
tersprache zu betrachten. Viele beherrschen die türkische
Sprache nicht mehr richtig. Was aber nicht heißen soll,
dass in Zukunft keine türkischen Lieder geschrieben wer­
den. Gleichzeitig versuchen wir, die Lieder so zu schrei­
ben, dass gewisse Bewegungen damit in Verbindung ge­
bracht werden können. Bekanntermaßen führt dies dazu,
dass die Kinder sich den Inhalt der Lieder besser merken
können. Es gibt auch erste Ergebnisse, die wir euch Le­
sern nicht vorenthalten und bald präsentieren wollen.
Wir wünschen euch noch viel Spaß beim weiteren Lesen
der Zeitschrift und hoffen, dass euch die Lieder gefallen
Aflk ile Team Alevitentum
Emre Tahtali und Burcu Avsan
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
Identität
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So wie wir Menschen auch
Die Wale singen, so wie wir Menschen auch,
Allah, du bist der, der vom Himmel zu uns schaut.
Nichts ist größer und nichts ist breiter,
als deine Liebe, die jeder von uns braucht.
Die Fische schwimmen, so wie wir Menschen auch,
Allah du bist der, der vom Himmel zu uns schaut.
Nichts ist tiefer und nichts ist schöner,
als deine Liebe, die jeder von uns braucht.
Die Vögel fliegen, so wie wir Menschen auch,
Allah, du bist der, der vom Himmel zu uns schaut.
Nichts ist größer und nichts ist breiter
als deine Liebe, die jeder von uns braucht.
Alle Tiere beten, so wie wir Menschen auch,
Allah, du bist der, der vom Himmel zu uns schaut,
nichts ist tiefer und nichts ist schöner,
als deine Liebe, die jedes Leben braucht.
Wichtig ist
Was du suchst, das such in dir,
Haci Bektas sagte das.
Imam Hüseyin ist mit dir,
wie sein Bruder Celal Abbas.
Pir Sultan schrieb viele Lieder,
um die Liebe uns zu zeigen,
und er zeigte immer wieder,
Schlechtes ständig zu vermeiden.
Jesus liebte jedes Wesen,
wollte, dass wir von ihm lernen.
Wichtig ist das Schreiben, Lesen.
sodass wir Wissen kennenlernen.
Vergesse den Propheten nicht,
der für uns hat viel getan,
Muhammed zeigte uns das Licht,
weil er mit Allahs Botschaft kam.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
91
Identität
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LESENSWERTE BÜCHER
Rezension I
In dem Buch „Alevilik & K›z›lbafll›k Tarihi“
von Dr. Ali Yaman, welches im Oktober
des Jahres 2011 veröffentlicht wurde,
geht es um die islamische Glaubensrich­
tung des Alevitentums. Im Buch werden
nicht nur die historischen Grundlagen
und die Entwicklungen der Aleviten be­
schrieben, sondern auch allgemeine Glaubensinhalte ver­
deutlicht. Insgesamt besteht das Buch aus vier Kapiteln:
1. Zusammensetzung und Verbreitung
des Alevitentums
- Gruppierungen (türkische Aleviten, kurdische Aleviten,
Bektafli, K›z›lbafl, Rafizi und Caferi)
- Bevölkerungsstärke und regionale Verbreitung
2. Historische Entwicklung
- Ursprung des Alevitentums
- Entstehung des Alevitentums
- Unterdrückung des Alevitentums
3. Glaubensinhalte
- Hz. Ali / Ehlibeyt/ 12 Imame
- Cem - die vier Tore/ vierzig Pforten
- Musahiplik
- eline-beline-diline sahip olmak
4. Literatur, Musik und Kunst im Alevitentum
- Yunus Emre
- Fuzuli
- Semah
- Afl›k Veysel
Ein zentrales Thema, welches im Buch angesprochen wird, ist
dass sich das Alevitentum und das Haci Bektaschitum unter­
scheiden, diese aber durch die Ursprungsgeschichte und Ent­
stehungsgeschichte miteinander verbunden sind. Der Begriff
,,Alevilik‘‘ wird vom Autor neu erläutert worden, da seiner
Meinung nach in der Türkei eine Begriffsverwirrung existiert,
was zu einer falschen Interpretation des Alevitentums führt.
Hinzu kommt die Unwissenheit, dass sich das Wort ,,Alevi‘‘
aus zwei Wörtern zusammensetzt; ,,Ali‘‘ und ,,Evi‘‘. Erst im
Laufe der Zeit bildete sich die Begrifflichkeit ,,Alevi‘‘. Auch
wird die Liebe zu Gott, Hz. Mohammed und Hz. Ali dem
Leser verdeutlicht, was ein weiterer wichtiger Aspekt zum
Verständnis des Alevitentums führt. Ein weiteres Element des
Buches ist, dass sich der Autor nicht nur mit den geschicht­
lichen Faktoren, sondern auch mit den gegenwärtigen Pro­
blemen, die mit dem Alevitentum in Verbindung stehen,
auseinandersetzt. Darunter zählen unter anderem die Ver­
folgung durch anderen ethnischen Gruppierungen und die
eingeschränkte Ausübung des Glaubens. Persönlich kann ich
das Buch nur weiterempfehlen, da es die Grundbausteine
des Alevitentums vermittelt. Für Einsteiger in diese Thematik
ist das Buch ideal, weil es sämtliche Aspekte des Alevitentum
dem Leser vereinfacht vermittelt.
92 Rezension II
Dr. Ömer Ulucay zeigt in seinem Buch
„ARAP ALEVILIGI – Nusayrilik“ die isla­
mische Religionsgemeinschaft der „Nu­
sairier“. In seinem Buch welches er im
Jahre 1996 veröffentlichte, werden nicht
nur die geschichtlichen Aspekte der Nu­
sairier beschrieben, sondern auch die
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwi­
schen den Aleviten und den Nusairier erklärt. Der Name der
Nusairier leitet sich von Mohammed Ibn Nusayr-Al Namiri,
der als Gründer für diese Religionsgemeinschaft gilt. Sie be­
ten 5mal täglich in einer Moschee oder in einer ihrer Gebets­
häuser (ähneln dem ,,Cemevi‘‘), wobei die Frauen komplett
ausgeschlossen werden, jedoch darf nicht jeder in diesen
Gebetshäuser beten, da man erst eine gewisse Reife erlan­
gen muss. Sie galuben daran, dass das Alevitentum eine Ab­
spaltung ihrer Gemeinschaft sei, und erkennen wichtige Per­
sönlichkeiten (z.B. Hac› Bektafl Veli, Yunus Emre, Pir Sultan
Abdal etc.) nicht als ihre Autoritäten an. Es existieren jedoch
auch viele Parallelen zum Alevitentum. Man kann in beiden
ethnischen Gruppen nur hineingeboren werden und die
Heranwachsenden werden von den Mitgliedern in die Glau­
bensinhalte und Grundlagen unterwiesen. Beide ethnischen
Minderheiten wurden/werden unterdrückt, vor allem im Os­
manischen Reich wurden beide Gruppen verfolgt. Die Suche
nach einem tieferen Sinn der Existenz, des Handels etc. und
die Betonung der inneren Werte, sind wichtige Aspekte bei­
der Glaubensrichtungen. Weitere sehr wichtige Gemeinsam­
keiten sind, dass sie Hz. Ali als rechtmäßigen Nachfolger des
Propheten anerkennen, an die 12 Imame und der Familie des
Propheten (Ehlibeyt) glauben.
Die Nusairier „Arap Alevileri“ mussten sich, bedingt durch
die Umsiedlungspolitik des Osmanischen Reiches, in der Tür­
kei niederlassen. In der heutigen Türkei leben sie in Antakya
(Hatay), Mersin und Adana. Ihre Muttersprache ist arabisch.
Zweck des Buches ist es, die Nusairier näherzubringen und
die Vorurteile gegen diese Religionsgemeinschaft zu beseiti­
gen. Der Autor ist Alevite, daher weiß er genau, wie schwer
es für ethnische Minderheiten sein kann, ihre eigene Religion
auszuleben.
Im Grunde ist das Buch sehr vielfältig und enthält eine Men­
ge aufklärende Informationen. Man erkennt, dass sich viele
Inhalte des Alevitentum und der Nusairier überschneiden.
Ich fand das Buch sehr interessant, da ich vorher über „Nu­
sairier“ nichts wusste. Um das Buch verstehen zu können,
sind Vorkenntnisse über das Alevitentum förderlich, ansons­
ten kann man schnell die Lust am Buch verlieren. Sprachlich
gesehen ist es anspruchsvoll, daher sind mindestens gute
türkisch Kenntnisse vonnöten. Abschlie­
ßend kann ich das Buch für all diejeni­
gen empfehlen, die Spaß an einer an­
spruchsvollen Literatur haben.
A.L.E.V.I. – Zukunftswerkstatt Alevitentum – Ein Jugendprojekt der Alevitischen Akademie
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