Movida Herbst 2011
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Movida Herbst 2011
Herbst 2011 Die Klimakrise und die Suche nach Alternativen Nicaragua ist eines der Länder, die bereits in der Gegenwart die Auswirkungen des Klimawandels mit aller Härte zu spüren bekommen. Dabei liegt hier der jährliche Ausstoß des klimaschädlichen CO2 bei gerade mal 0,8t pro Kopf. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 12t. Der gefährliche Klimawandel und die Zerstörung der Umwelt sind ein Nebenprodukt der wirtschaftlichen Entwicklung des Nordens. Es ist eine große Ungerechtigkeit, dass die Länder des Globalen Südens die Rechnung dafür zahlen müssen. Das kapitalistische Wirtschaftssystem hat die Welt gefährlich nah an ihren ökologischen Zusammenbruch geführt. Zynisch wirken die Rezepte, mit denen der Norden versucht, auf diese Situation zu reagieren: Vermeintliche Lösungsansätze, wie die Produktion von Agrartreibstoffen (E10) und die Einrichtung von Naturschutzgebieten, werden in den Ländern des Südens verortet und führen dort zu noch mehr sozialen Konflikten. Der Emissionshandel verhindert, dass wirksame Maßnahmen zur Reduzierung von klimaschädlichen Treibhausgasen umgesetzt werden. Zwar verpassen sich viele Firmen ein grünes Image, doch tatsächliche Veränderungen und notwendige Einschränkungen fehlen. Es deutet vieles darauf hin, dass die Rechnung für diese Politik am Ende so teuer sein wird, dass sie nicht mehr zu begleichen ist. Dabei gibt es politische Gegenentwürfe. Es kann nicht nur darum gehen, an den Symptomen des Klimawandels herumzudoktern. Sinnvolle Reaktionen auf die fortschreitende Zerstörung der Welt müssen Veränderungen nicht nur auf ökologischer Ebene, sondern auch im Politischen, Sozialen und Ökonomischen beinhalten. Solche Alternativen und Gegenentwürfe diskutieren wir übrigens in diesem Herbst im Wuppertaler Süd-Nord-Kolloquium. Wir würden uns freuen, Euch bei der einen oder anderen Veranstaltung zu begrüßen. Viel Spaß beim Lesen! Euer Informationsbüro Nicaragua WUPPERTALER SÜD-NORD-KOLLOQUIUM +++ 19.09.2011: ZWISCHEN UTOPIE UND REALPOLITIK - LATEINAMERIKAS LINKE AN DER MACHT Klimawandel, Greenwashing und die Frage nach Klimagerechtigkeit Viele Menschen in den ländlichen Gebieten des Globalen Südens sind auf den Zugang zu natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser oder Wald für ihren Lebensunterhalt angewiesen. Für sie ist der Klimawandel eine existentielle Bedrohung: Dürren und Überschwemmungen drohen die Ernten ganzer Landstriche zu vernichten, die kleinbäuerlichen Gemeinschaften haben selbst nicht die Mittel, um wirksame und notwendige Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Sie verlieren ihre Lebensgrundlage und werden durch kli- matische Veränderungen von ihrem Land vertrieben. Die Folgen sind zunehmende Armut, Hunger, gewaltsame Umweltkonflikte und eine Infragestellung der Ernährungssouveränität ganzer Staaten. Nicaragua gehört nach dem Globalen Klima Risiko Index 2011 zu den Ländern, die schon heute und gegenwärtig mit am Stärksten von den negativen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Es kommt zu einer Zunahme und Verschärfung von Wetterextremen wie El Niño und La Niña. Temperaturveränderungen und eine Verschiebung in der Häufigkeit und Intensität der Regenfälle erhöhen sowohl die Anzahl der Überschwemmungen als auch die der Dürren. In einigen “Schlimm sind die Veränderungen inGebieten dauert heute die Trockenzeit nerhalb der Gemeinschaftsstrukturen. länger, in anderen wiederum erstreckt Es kommt zu Streitigkeiten um den sich die Regenzeit über eine längere Zugang zu Wasser. Außerdem führt Zeitspanne. Beides wirkt sich negativ auf der Klimawandel zu einem Vertraudie Ernteerträge aus. Schwere Stürme und ensverlust in Bezug auf das Dasein als Hurrikans, wie Mitch (1998), Felix (2007) campesin@s: die Ernten reichen nicht und Ida (2009), gefolgt von sintflutartimehr aus und es kommt immer wieder gen Niederschlägen, fordern tausende zu Enttäuschungen. Campesin@ zu sein Opfer, vernichten Ernten und hinterlassen bedeutet mittlerweile nicht mehr nur eine verwüstete Landschaft und eine kultureller, materieller und ökonomizerstörte Infrastruktur. Im Herbst 2008 scher Rückstand, sondern es ist beschäkam es zu wochenlangen Niederschlägen mend, nicht selbst zurechtkommen zu mit verheerenden Folgen. Im darauf folkönnen und emigrieren zu müssen. Es genden Jahr fiel die Regenzeit fast völlig ist traumatisch, den Niedergang nicht aus, was im Land zu großer Dürre führte. aufhalten zu können und das Leben In der Karibikregion hingegen kam es zu auf dem Land aufgeben zu müssen.” schweren Überschwemmungen. Schwere FEM, Fundación entre mujeres // Estelí Niederschläge im Herbst 2010 forderten dutzende Tote und verursachten große Schäden und massive Ernteausfälle. Tausende Menschen mussten aus den betroffenen Gebieten evakuiert werden. “Seit einigen Jahren häufen sich Tornados und Durch die TemperaHurrikans in Gegenden, in denen diese sonst nie turverschiebungen vorkamen. Es kommt zu Auswaschungen und zu kommt es außerdem einer Erosion der Böden. Dies hat aufgrund der zu einer Verlagerung damit einhergehenden Hitze- und Kältewellen von Malaria- und Auswirkungen auf die Gesundheit der MenDengue in Regioschen. Auch wirtschaftlich sind wir betroffen, nen, in denen diese denn die Ernten sind weniger ertragreich, sei Krankheiten zuvor es aufgrund von zu viel oder zu wenig Regen. nicht existierten. Dies sind Phänomene, die ständig in unserem Land auftreten. Es kommt zu einer Verteuerung der Grundnahrungsmittel, gerade für ärmere Menschen sind sie kaum noch erschwinglich.“ CMR, Comité de mujeres rurales // León II Was sind schon zwei Grad mehr? Der Klimawandel schreitet voran. Die bereits eingetretene Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau beträgt 0,7 Grad Celsius. Klimaforscher_ innen verweisen darauf, dass eine weitere Zunahme der Durchschnittstemperatur ernste Probleme für die Ökosysteme und alle Lebewesen mit sich bringt. Das von der Staatengemeinschaft formulierte Klimaziel fordert, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Doch selbst dann wird etwa im Mittelmeerraum und dem südlichen Afrika das verfügbare Wasser um bis zu 30% zurückgehen, werden die Ernteerträge in Lateinamerika durch Dürren und Überschwemmungen deutlich geringer ausfallen, weite Gebiete Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zusätzlich der Malaria ausgesetzt und von Sturmfluten betroffen sein, werden mindestens 15% der Arten aussterben und manche Inselstaaten untergehen. Millionen Menschen werden Wetterextremen, sich ausbreitenden Krankheiten, zerstörten Ernten und fehlender Wasserversorgung zum Opfer fallen. Dieses 2-Grad-Ziel ist nur zu erreichen, wenn sofort und unmittelbar wirksame Maßnahmen ergriffen werden, den Ausstoß der Treibhausgase signifikant zu verringern. Gelingt dies nicht und steigt die Temperatur weiter um insgesamt drei oder vier Grad in Vergleich zum vorindustriellen Niveau, wird der Klimawandel noch gravierender sein: Zerstörte Regenwälder, abtauende Gletscher und Polkappen werden zusätzlich CO 2 und Methan freisetzen und die Atmosphäre wird sich weiter aufheizen. Es wird zu einem starken Rückgang der Ernteerträge in weiten Regionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas kommen, selbst in den Ländern des Globalen Nordens; die Wasserverfügbarkeit wird sich stark verschieben und viele Gebiete komplett austrocknen lassen, während der Meeresspiegelanstieg zahlreiche Küstenregionen und Flachland verschwinden lassen wird. Ein bedeutender Anteil von Ökosystemen wird zerstört und es besteht das große Risiko weiterer großer Verschiebungen im Klimasystem. Herbst 2011 29.09.2011: BUEN VIVIR – DAS GUTE LEBEN FINDEN? +++ 10.10.2011: STRATEGIEN FÜR EINE GESELLSCHAFT JENSEITS DES WIRTSCHAFTSWACHSTUMS Das Problem des Greenwash Seit einigen Jahren treffen sich Vertreter_innen der Regierungen und großen Unternehmen regelmäßig zu ihren Konferenzen, um eine Lösung zur Begrenzung des Anstiegs der Erdtemperatur zu finden. Diese Klimakonferenzen waren jedoch meist eine große Enttäuschung und das Papier nicht Wert, auf denen ihre Erklärungen gedruckt wurden. Am Ende standen wortreiche Absichtserklärungen wenig greifbaren Ergebnissen gegenüber. Und selbiges findet auch Ausdruck im Geschäftsgebaren vieler Firmen: Viele Menschen möchten ihren Lebensstil an sozialen, ökologischen und nachhaltigen Kriterien orientieren. Jedoch nur wenige sind bereit, dafür auf ihren alltäglichen Luxus zu verzichten, gerechte Preise zu bezahlen, persönliche Einschränkungen hinzunehmen oder ihren Konsum generell in Frage zu stellen. Diese Art von Umweltbewusstsein wird als Wettbewerbsfaktor verstanden. Viele Unternehmen haben das erkannt und versuchen, ihre Kundinnen und Kunden zufrieden zu stellen, indem sie sich und den eigenen Produkten ein „grünes“ Image verpassen – ohne jedoch auf ihre bisherigen zerstörerischen Geschäftspraktiken und damit verbundene wirtschaftliche Erfolgsmodelle verzichten zu müssen. Die dahinterstehende Marketing- bzw. Unternehmensstrategie wird als Greenwash (auf deutsch: Grünwaschen oder Grünfärben) bezeichnet. Durch die gezielte Verbreitung von Desinformation, auch in Form von selbst kreierten Ökolabeln, versuchen Firmen, sich ein Image ökologischer Verantwortung zu verschaffen. Dabei ist Greenwash vor allem eine Reaktion von Unternehmen auf den wachsenden öffentlichen Druck, die durch sie verursachten Umweltbelastungen zu reduzieren. Die Förderung eines grünen Images soll unabhängig vom realen Geschäftsverhalten die Verwundbarkeit der Unternehmen reduzieren. Greenwash wird zu Werbezwecken eingesetzt, nach dem Motto: „Seht her, wir kooperieren mit Umweltverbänden! Mit jedem Liter Benzin, den Sie bei uns tanken, investieren Sie in den Naturschutz.“ Greenwash dient der politischen Beeinflussung von Entscheidungsträger_innen, Meinungsmacher_innen und kritischen viele Rohstoffe es braucht, um diese Autos zu produzieren und wie diese Rohstoffe gewonnen werden. Die betroffenen Menschen, die dort leben, wo die Rohstoffe herkommen, werden nicht gehört. Zu wenig wird thematisiert, auf welche Art und Weise Agrarkraftstoffe produziert werden und was dies für die Klimaverträglichkeit bedeutet, den Einfluss auf die Biodiversität und die Flächenkonkurrenz gegenüber der Nahrungsmittelerzeugung. Aber wir – im Globalen Norden – dürfen uns gut fühlen, wenn wir ein solches Auto kaufen. Und glaubt man der Werbung, werden wir durch das Betanken des neuen Umweltautos mit „Bio“sprit selbst zu Klimaschützer_innen. Konsument_innen: „Mit Grünfärberei sollen politische Entscheidungen beeinflusst werden. Greenwash wird sehr oft eingesetzt, um drohende unliebsame Gesetzesvorhaben zu unterlaufen. Die Grünwä“Die Auswirkungen des Klimawandels beruhen auf scher versuchen dabei, den einem strukturellen Problem: In der Vergangenheit Eindruck zu vermitteln, sie wurden große Teile der Landbevölkerung in marginawürden das Umweltproblem lisierte Zonen mit geringer Produktivität umgesiedelt. bereits selbst lösen, verpflichVerantwortlich sind die Prozesse der Kapitalakkumutende Regeln seien damit also lation bereits vor der Somoza-Zeit. Die sandinistische unnötig. (…) In Zeiten des Revolution versuchte, dies zu ändern, aber leider sind Klimawandels gibt es weitere wir zur Contra-Agrarreform zurückgekehrt. Neue Aklohnende Gründe, sich als teure, darunter auch solche, die in der Revolution als umweltbewusstes UnterRevolutionäre erschienen, haben die nahrhaftesten nehmen zu präsentieren: Für Böden und Ressourcen des Landes wieder unter sich Klimaschutzprojekte gibt es aufgeteilt. Außerdem haben die sozio-ökologischen häufig staatliche UnterstütRisiken nicht die gleichen Auswirkungen auf Mänzung.“ Auf diese Weise wird ner wie auf Frauen. Bereits vor dem Klimawandel Autofahren immer sauberer waren Frauen strukturell benachteiligt, denn es und sogar einige Flugzeuge gab eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die werden bald ganz umweltFrauen in den reproduktiven Bereich drängte.” schonend mit Bio-Kerosin fliegen. Immer mehr ÖkoFEM, Fundación entre mujeres // Estelí Autos werden produziert und verkauft. Niemand kümmert sich allerdings darum, wie “Da es keine konsistente Bildungs- und Sensibilisierungskampagne im Umweltbereich gibt, sind sowohl der Bevölkerung in der Stadt als auch auf dem Land die negativen Folgen nicht bekannt, obwohl wir oftmals selbst Mitverursachende des Klimawandels sind. Wenn wir uns für die eigenen Handlungen verantwortlich fühlen und gleichzeitig bewusst am Verbrauch zum Beispiel von Unmengen Getränkeverpackungen und Plastiktüten teilhaben, wieso wird nicht so schnell wie möglich auf dieses Phänomen reagiert, welches jeden Tag unserer menschlichen Entwicklung schadet?” Colectivo de Mujeres “8 de Marzo” // Managua III GEGENENTWÜRFE ZUR GLOBALEN KRISE +++ 20.10.2011: WEM GEHÖRT DIE STADT?: ZUR (WIEDER-)ANEIGNUNG DES ÖFFENTLICHEN RAUMES +++ Die Forderung nach Klimagerechtigkeit Die Auswirkungen des Klimawandels treffen die Menschen in den Länden des Globalen Südens viel stärker als die in den Ländern des Nordens, obwohl letztere hauptsächlich für die Ursachen verantwortlich sind. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen betragen in den USA 20 Tonnen (t), in der EU 14t und in „Der Hauptgrund dafür, dass große Teile der Bevölkerung weiterhin in Risikozonen leben, ist das Fehlen einer territorialen Ordnungspolitik. Die fertigen Programme liegen in der Schublade, aber die betroffenen Familien werden nicht umgesiedelt, so dass sie immer wieder in ihre Häuser zurückkehren. Da unser wichtigstes Ziel die Verbesserung der Lebensqualität der benachteiligten Sektoren der Bevölkerung ist, müssen wir bei der lokalen und nationalen Politik eine territoriale Ordnungspolitik zugunsten der unmittelbar Betroffenen durchsetzen. Wir müssen die Bevölkerung sensibilisieren, damit sie ihre Rechte in Würde einklagen, denn Rechte sind eine Verpflichtung und keine Gnade.“ ADIC, Asociación para el Desarrollo Integral Comunitario // Matagalpa „Wir leben in ökologisch verletzbaren Zonen: San Dionisio ist von Überschwemmungen des flachen Umlands seiner Flüsse, San Isidrio von Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen, San Ramón auch vom Abrutschen vieler Berge; in La Dalia kommt es auch immer wieder zu Erdrutschen und einem Übertreten der Flüsse; in Matagalpa ist das Abwassersystem unzureichend. Gründe für diese Beispiele sind Armut, ein Unwissen über Risiken, mangelnde Urbanisierung, Auswirkungen von Hurrikans, Vertreibung der Menschen von ihren Ländereien sowie ein Mangel an ökonomischen Mitteln, um den Ort wechseln zu können.“ MCN, Movimiento Comunal Nicaragüense // Matagalpa IV Lateinamerika und Afrika 0,85t pro Kopf pro Jahr. CO2 ist ein rund 100 Jahre lang wirkendes Treibhausgas. Die Frage, wer in welchem Maße für die Emissionen und somit für die Erderwärmung und den Klimawandel verantwortlich ist, erfordert also nicht nur einen Blick auf die Gegenwart, sondern auch in die Vergangenheit: Die wirtschaftliche Entwicklung der Länder des Globalen Nordens in den letzten 100 Jahren, der produzierte Wohlstand und Fortschritt, beruht auf der Ausbeutung und Zerstörung der Welt und belastet das Klima noch heute durch besonders hohe Treibhausgasemissionen. Der Reichtum verschafft dem Norden einen großen Handlungsspielraum, um sich gegen die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Den Ländern im Globalen Süden dagegen ist es verwehrt, die gleiche wirtschaftliche Entwicklung des Nordens nachzuholen und trotzdem zahlen sie die Rechnung für die Auswirkungen des Klimawandels. Weltweit fordern soziale Organisationen – unter ihnen auch das nicaraguanische Netzwerk Alianza social nicaraguagüense “Otro mundo es posible“– daher, dass die Industriestaaten die Verantwortung für die negativen Auswirkungen des Klimawandels übernehmen. Sie müssen bis 2020 mindestens 40% ihrer gegenwärtigen Emissionen verringern und bis zum Jahr 2050 90%. Außerdem erwarten sie, dass die Industriestaaten die Schäden wiedergutmachen, die durch den Klimawandel entstehen. Mehr denn je ist es erforderlich, konsequent umzusteuern. Die Betrachtung der Welt als Ware, die Ausbeutung der Ressourcen und die gleichzeitige Ressourcenverschwendung durch einen grenzenlosen Konsum stellt die Hauptursache für die gegenwärtige Klimakrise dar. Weltweit ist die Verteilung des vorhandenen Reichtums schlichtweg ungerecht, das vorherrschende Wirtschaftsmodell begünstigt auf Grundlage dieser ungerechten Verteilung Wenige. Das ökologische, soziale und wirtschaftliche Gleichgewicht wiederherzustellen, würde aber einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel und eine Unterbindung der Verschwendung von Ressourcen erfordern. 1. Austrian Development Agency (ADA): Länderinformation Nicaragua. August 2011. http://www.entwicklung. at/uploads/media/Laenderinfo_Nicaragua_Aug2011.pdf 2. BfdW/eed (Hrsg.): Klimawandel. Eine Arbeitshilfe für die Gemeindearbeit zur Studie „Zukunftsfähiges Deutschland in einer globalisierten Welt“. Bonn, 2009. 3. Germanwatch: Globaler Klimawandel: Ursachen, Folgen, Handlungsmöglichkeiten. Bonn, 2008. 4. Irene Knorke: Träge aber gewaltig. Auswirkungen des Klimawandels auf Lateinamerika. Ila 332 (Feb. 2010). 5. Ulrich Müller: Greenwash in Zeiten des Klimawandels. November 2007. http://www.lobbycontrol.de/download/greenwash-studie.pdf Herbst 2011 ALLE VERANSTALTUNGEN IMMER 19.30 UHR +++ IN DER BÖRSE IN WUPPERTAL +++ ALLE INFOS UNTER WWW.HERMITDEMGUTENLEBEN.DE +++ Lasst das Öl im Boden – und die Bäume darüber stehen Die Yasuní-ITT1-Initiative im Nationalpark Ecuadors Ecuador machte am 5. Juni 2007 der Weltgemeinschaft einen erstaunlichen Vorschlag: Der Energieminister der just neu gewählten Regierung unter Rafael Correa, Alberto Acosta, schlug vor, dass Ecuador auf die Förderung von 900 Mio. Barrel Öl im Yasuní-Nationalpark gegen Zahlung von 50% der voraussichtlichen Einnahmen durch die Weltgemeinschaft (etwa 3,5 Mrd. US-Dollar verteilt auf 13 Jahre) verzichte. Dieser Vorschlag war in der Diskussion mit Umweltschutzgruppen Ecuadors – wie z.B. Acción Ecológica – entwickelt und von der neuen Regierung aufgegriffen worden. „Auf internationalen Foren, unter Wissenschaftlern und in vielen Medien ist die Initiative auf ein großes Echo gestoßen. Die Debatte, die sie in Ecuador und weltweit angestoßen hat, ist bereits ein unbestreitbarer Erfolg. Vor allem der Gedanke der geteilten Verantwortung – immerhin haben die reichsten Gesellschaften der Erde die größte Zerstörung verursacht – hat vielfältige Aktivitäten überall auf dem Planeten angestoßen“ (Alberto Acosta, Le Monde diplomatique, März 2011, S. 1). Bei Erfolg der Initiative würde einer der artenreichsten Regenwälder der Welt erhalten bleiben sowie Lebensraum für dort lebende Indigene. Der Atmosphäre würde eine Verschmutzung von 400 Mio. t CO2 erspart bleiben, die bei Erschließung und Verbrennung anfallen würde. Die Menge Öl, die nicht gefördert würde, entspricht einem Weltverbrauch von nur 11 Tagen und stellt 20% der förderbaren Ölmenge Ecuadors dar. Innerhalb Ecuadors gibt und gab es von Anfang an eine starke Lobby, die sich für die Förderung des Öls stark macht und nicht auf die voraussichtlichen Erlöse von 7,2 Mrd. Dollar für die Entwicklung des Landes verzichten will. Alberto Acosta zeigt im Gegenzug auf, dass seit 1972 zwar nominell 90 Mrd. Dollar vom Staat Ecuador aus Erdölerlösen eingenommen worden seien, dass aber der ecuadorianische Staat einer positiven Gesamtentwicklung nicht näher gekommen sei. Im Gegenteil, die Öllecks, die Verseuchung der Sümpfe, das Abbrennen von Gas, der Verlust an Artenvielfalt und die Entwaldung haben die Natur zerstört und Schäden in Milliardenhöhe hinterlassen (Le monde diplomatique, März 2011, S. 18). Für die Einzahlung der 3,5 Mrd. US-Dollar wurde im August 2010 ein Treuhandfonds bei den Vereinten Nationen eröffnet. Das Geld solle für die Entwicklung alternativer Energien und Aufforstungsprogramme in Ecuador verwendet werden, wobei den Vereinten Nationen eine Kontrolle der Verwendung zugestanden wurde. Doch das Ausland reagierte skeptisch und zögernd auf den neuen Vorschlag. In Deutschland wurde auf Initiative der Grünen am 26.6.2008 im Bundestag einstimmig ein Antrag auf Unterstützung des ITT-Projektes verabschiedet. Doch nach dem Regierungswechsel hebt der neue Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel im November 2010 die Zusage komplett auf und versetzt der Initiative damit einen schweren Schlag. Niebel bietet höchstens an, die ohnehin zur Verfügung stehenden Entwicklungshilfegelder von etwa 15 Mio. Euro jährlich auf das Yasuní-ITT-Projekt umzulenken – ein unakzeptabler Vorschlag für Ecuador (taz, 26.5.2011). Italien kündigte an, 35 Mio. US-Dollar Schuldenerlass zugunsten des Projektes durchzuführen. In Frankreich sind über 50 Mio. US-Dollar Gegenstand einer ähnlichen Diskussion. Auch aus Chile, Spanien und Belgien gibt es Unterstützungen in kleinerem Umfang. Rafael Correa – der auch innenpolitisch unter Druck steht – fordert 100 Mio. US-Dollar bis Jahresende. Gerade mal 1,7 Mio. US-Dollar beträgt der Kontostand derzeit. Die Ambivalenz des ecuadorianischen Präsidenten zeigt sich darin, dass der sogenannte Plan B, die Förderung des Öls, nur wenige Tage nach Unterzeichnung des Treuhandfonds im August 2010 ausführlich von ihm vorgestellt wurde, ohne auf Plan A einzugehen (LN 443, S. 52). Immer häufiger betont er Plan B. Er wolle in erster Linie das Wohl der Ecuadorianer_innen: »Wenn die internationale Gemeinschaft nicht zahlen will, dann sehen wir uns gezwungen, das Öl aus der Erde zu holen« (Womblog, 15.7.2011). »Die Welt hat keine Tatsachen geschaffen.« Petroamazonas sei jetzt so weit. Wenn nichts Überraschendes mehr geschehe, könnten die Leute vom Ölkonzern im Januar mit den Bohrungen beginnen (ZEIT-online, 20.6.2011). Dennoch will man erst im Dezember wirklich Bilanz ziehen. 1 ITT = Ishpingo-Tiputini-Tambococha (ITT-)Projekt – Ölquellen, die bereits 1992 bei Probebohrungen entdeckt wurden. V 29.10.2011: AUSWEGE AUS DER SCHULDENKRISE +++ 10.11.2011: NATURSCHUTZ IM SPANNUNGSFELD VON MENSCH, UMWELT UND PROFIT +++ Naturschutz im Spannungsfeld von Mensch, Umwelt und Profit Beim Stichwort „Naturschutz“ denken wir an grüne Wälder und Naturschönheiten; an Maßnahmen, um die Zerstörung natürlicher Ressourcen zu verhindern und die biologische Vielfalt zu schützen. Weniger bekannt ist, dass oftmals wirtschaftliche Interessen hinter dem eigentlichen Naturschutzgedanken stecken. Viele Naturschutzgebiete stellen Ausgleichsflächen für weltweite wachstumsbedingte Naturzerstörung dar. Um den hohen CO2-Ausstoß in den Ländern des Nordens zu kompensieren, wird Naturschutz im Globalen Süden oftmals auf Kosten der lokalen Bevölkerung durchgesetzt. Der Agrarwissenschaftler Peter Clausing wird im Rahmen des Wuppertaler Süd-Nord Kolloquiums am 10. November zum Thema „Naturschutz im Spannungsfeld von Mensch, Umwelt und Profit“ referieren. Wir haben ihn vorab interviewt. Wo liegt der Ursprung des Naturschutz-Begriffes? Allgemein wird der Beginn von „Naturschutz“ mit der Gründung des Yellowstone-Nationalparks 1872 in Verbindung gebracht. Wenn auf Nationalparks als die „heute international erfolgreichste Schutzgebietskategorie“ verwiesen wird, wird die koloniale Geschichte dieser Parks ausgeblendet. Das betrifft den Yellowstone, aus dem zunächst amerikanische Ureinwohner vertrieben werden mussten, ebenso wie das Selous Wildreservat, dem ersten und größten Schutzgebiet in Afrika. Letzteres wurde 1896 von Hermann von Wissmann, Gouverneur des damaligen „Deutsch-Ostafrika“, dekretiert. Wissmann war eine Ikone für die Nazis. Welche Interessen stecken hinter Natur- bzw. Umweltschutz? Die Interessen sind vielschichtig. Angesichts der fortschreitenden Naturzerstörung gibt es die ehrliche Sorge vieler Menschen um den Erhalt der Natur. Jedoch gibt es auch wirtschaftliche Interessen: Pharmaindustrie und Agrobusiness brauchen „Natur“ als Quelle für Innovationen. Wenn anderswo Natur zerstört wird, müssen Reserveflächen ausgewiesen werden, auf die man später zurückgreifen kann. Hinzu kommt der Emissionshandel: Wälder werden zu CO2-Senkern degradiert und gegen die Emission von Treibhausgasen in den Industrieländern verrechnet. Und schließlich ist für große Organisationen „Naturschutz“ an sich zum Geschäftsmodell geworden – mit Tausenden von MitarbeiterInnen und jährlichen Budgets von mehreren Hundert Millionen Dollar. Inwiefern ist die lokale Bevölkerung von Naturschutzprojekten betroffen? Oftmals musste die lokale Bevölkerung weichen. Es gibt demografische Schätzungen, dass allein in Afrika davon 14 Millionen Menschen betroffen waren. Für einige der weltweit 2200 Nationalparks ist detailliert dokumentiert, wann und wie viele Menschen dort entschädigungslos vertrieben wurden. Es gibt Fallberichte darüber, wie brutal dabei gelegentlich vorgegangen wurde. Es gibt aber auch Schutzgebiete, bei denen der lokalen Bevölkerung eine weitere Nutzung der Ressourcen gestattet wird. Gibt es (aktuelle) Beispiele aus Lateinamerika? Von Südmexiko bis Panama gibt es eine Kette von Schutzgebieten mit hohem Konfliktpotential und gelegentlichen Vertreibungen. Am bekanntesten ist die Selva Lacandona in Chiapas, Hochburg der Zapatistas, wo Aufstandsbekämpfung das Motiv der Vertreibungen war, die von den mexikanischen Behörden aber unter dem Vorwand von Naturschutz betrieben wurden. Vertreibungen sind aber auch aus den großen Biosphärenreservaten in Nicaragua (Bosawas) und Honduras (Rio Plátano) bekannt. Welche Rolle spielen die großen Umweltschutzorganisationen, wie etwa der WWF? Organisationen wie der WWF sind für einen aggressiven Naturschutz bekannt. Meist wird die lokale Bevölkerung ausgeschlossen. Finanziert werden die Projekte aus einer Mischung von Entwicklungshilfegeldern, privaten Spenden und immer stärker auch durch Spenden von Firmen, die sich damit „grünwaschen“ und zugleich einen gewissen Einfluss auf die Projekte ausüben. Das wird von den Naturschutzorganisationen selbstverständlich bestritten. Doch unlängst wurde die Verquickung des WWF mit der Gentechnikindustrie durch den Dokumentarfilmer Winfried Huismann1 exponiert. In Lateinamerika sind vor allem Conservation International und The Nature Conservancy aktiv – die zwei anderen Naturschutz-Multis. Das Strickmuster ist das gleiche wie beim WWF. Siehst Du Alternativen zum „klassischen“ Naturschutz? Naturschutzprojekte sollten von der lokalen Bevölkerung gestaltet werden. Langfristig sollte es aber einen globalen gesellschaftlichen Wandel geben, der Naturschutz überflüssig macht. Dazu zählt vor allem eine hocheffektive kleinbäuerliche Landwirtschaft, die auf agroökologischen Prinzipien basiert. 1 VI Der Dokumentarfilm „Pakt mit dem Panda – was uns der WWF verschweigt“ (2011) ist im Internet zu finden und anzuschauen. Herbst 2011 24.11.2011: ALTERNATIVE KRITERIEN ZUR MESSUNG VON GESELLSCHAFTLICHER ENTWICKLUNG +++ 15.12.2011: COMMONS & SOZIALE INFRASTRUKTUR Agrotreibstoffe – Energie für’s Auto, Gift für die Arbeiter_innen In Nicaragua boomt der Zuckerrohranbau. Weil die Nachfrage nach dem hieraus gewonnenen Ethanol als Biokraftstoff groß ist, werden die Anbauflächen Jahr für Jahr ausgedehnt, um die Erträge zu steigern. Doch die einheimische Bevölkerung bezahlt den Biospritboom mit ihrer Gesundheit. Tausende Zuckerrohrarbeiter_innen sind aufgrund des Pestizideinsatzes an chronischer Niereninsuffzienz erkrankt oder an Nierenversagen gestorben. Die Betroffenen fordern nun Entschädigungszahlungen. Die Landwirtschaft in ihrer heutigen Form hat keine Zukunft, zumindest, wenn es darum geht, weltweit das Menschenrecht auf Nahrung umzusetzen und den Klimawandel aufzuhalten. Obwohl die industrielle Landwirtschaft eine erhebliche Produktivitätssteigerung erzielen konnte, steigt die Zahl der weltweit Hungernden weiter. Die monokulturelle Landwirtschaft entzieht den Böden einseitig Nährstoffe. Um überhaupt produzieren zu können, ist der Einsatz großer Mengen Düngemittel notwendig. Und um die Produktion gegen Schädlinge zu schützen, werden massiv Pestizide eingesetzt. Mittelfristig werden so die vormals fruchtbaren Böden zerstört und vergiftet. Die Verlagerung der Energieproduktion für das wachstumsorientierte Wirtschaftsmodell der führenden Industrieländer auf die Anbauflächen im Süden verschärft die Probleme noch einmal mehr. Bereits vor Einführung des E10-Kraftstoffs wurden 30% des Biosprits für Deutschland aus Ländern des Globalen Südens importiert. Zwar darf der Anbau von Energiepflanzen nicht auf Flächen mit hohem Naturschutzwert erfolgen. Jedoch tritt die Produktion von Energiepflanzen in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln, sie verdrängt die kleinbäuerliche Landwirtschaft und fördert dadurch die weitere Abholzung von Regenwäldern. Es kommt zu einer Landkonzentration in den Händen weniger großer Unternehmen. Zusammen mit den gesundheitsbelastenden Produktionsmethoden sowie katastrophalen Arbeits- und Lebensverhältnissen auf den Plantagen führt dies zu sozialen Verwerfungen, gefährdet mit dem hohen Ressourcenund Flächenverbrauch den Zugang zu ausreichendem sauberem Trinkwasser und stellt die Ernährungssicherheit der Bevölkerung in Frage. Tausende Arbeiter_innen und auch Teile der lokalen Bevölkerung leiden an gesundheitlichen Beschwerden. Am häufigsten wird hier Niereninsuffizienz erwähnt; 3.500 Todesfälle durch Nierenversagen und 8.000 Erkrankungen soll es bisher insgesamt gegeben haben. Die Häufung von Todesfällen in den Pazifik-Regionen lässt nach einer Studie der Boston University School of Public Health 2009 den Schluss zu, dass die Methoden des Zuckerrohranbaus, v.a. der Einsatz von Pestiziden und das verunreinigte Grundwasser, dafür mitverantwortlich sind. Von den 36 in der Zuckerverarbeitungsanlage San Antonio eingesetzten Agro-Chemikalien gibt es bei sechs den sicheren Nachweis für einen Zusammenhang mit einer starken Nierenschädigung. Die Trinkwasserversorgung der Arbeiter_innen und ihrer Familien durch einfache Brunnen inmitten der belasteten Anbauflächen dürfte eine weitere Ursache der Erkrankungen sein. In Nicaragua werden auf der Basis von Zuckerrohr pro Tag 850.000 Liter Bioethanol produziert 1. Davon wurden allein im Jahr 2010 80 Millionen Liter in die EU und die USA exportiert. Sowohl auf den Ländereien der Familie Pellas, einer der reichsten und einflussreichsten Unternehmerfamilien Nicaraguas, rund um den Zuckerrohrbetrieb San Antonio bei Chichigalpa, als auch auf den Plantagen der guatemaltekischen Verarbeitungsanlage Sta. Rosa (Grupo Pantaleón) bei El Viejo schlagen Tausende von Saisonarbeiter_innen im Akkord Zuckerrohr. Mit 35.000 Beschäftigten und einem Exportvolumen in Höhe von 80 Millionen US-Dollar ist die zuckerrohrverarbeitende Industrie die wichtigste Arbeitgeberin in der Pazifikregion. Die Anbauflächen werden jährlich ausgeweitet. Seit März 2009 kämpfen die erkrankten Zuckerrohrarbeiter_innen um ihr Recht auf Entschädigung. Sie organisierten sich in der Vereinigung der an chronischer Niereninsuffizienz erkrankten Zuckerrohrarbeiter_innen ANAIRC (Asociación Nicaragüense de Afectados por Insuficiencia Renal Crónica) und protestieren seither mit einem permanenten Protestcamp in Managua, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen und den Forderungen Nachdruck zu verleihen.2 1 Vgl. ausführlich in der ila 341, S.52f. Die Unternehmen reagierten unterschiedlich auf den öffentlichen Protest und die Forderung nach Entschädigung. Ihre Reaktionen reichen von Diffamierungen über öffentliche Gegenkampagnen bis hin zur Bereitstellung von monatlichen Lebensmittelpaketen an 1.800 erkrankte ehemalige Mitarbeiter_innen. 2 Vgl. Interview im Schwerpunktheft 30 Jahre Revolution in Nicaragua (Hrsg. u.a. vom Informationsbüro Nicaragua). VII Herbst 2011 Doch auch hierin sieht ANAIRC den Versuch, die eigenen Selbsthilfestrukturen zu spalten und von der Forderung nach Entschädigung abzulenken. Ein Teilerfolg der Arbeiter_innen ist, dass die Arbeitsschutzgesetze für die Beschäftigten in der Landwirtschaft verbessert wurden. Chronische Niereninsuffizienz wurde als Berufskrankheit anerkannt, allerdings als eine „mit vielfältigen Ursachen“. Eine Formulierung, die Entschädigungsforderungen gegen die Familie Pellas nicht erleichtern dürfte. Seitdem werden regelmäßige Untersuchungen der Blutwerte der Arbeiter_innen durchgeführt, auch einige Dialyseplätze werden von den Unternehmen finanziert. Das staatliche Gesundheitssystem versucht dafür zu sorgen, dass Betroffene Medikamente für ihre Nierenerkrankungen erhalten. Jedoch gibt es bei weitem keine ausreichende Versorgung. Eine kurative Behandlung der Nierenerkrankung mit guten Heilungsaussichten ist nur dann möglich, wenn die Schädigung früh erkannt wird. In den meisten Fällen wird die Erkrankung jedoch erst dann festgestellt, wenn die Nieren schon so stark geschädigt sind, dass nur noch begleitende Behandlungen (z.B. an den viel zu wenigen Dialyseplätzen) und eine medikamentöse Stabilisierung möglich sind. Die sozialen und finanziellen Belastungen durch die Nierenerkrankungen sind immens und können von den Landarbeiter-Familien nicht aufgebracht werden. Dieses Beispiel zeigt, dass Agrotreibstoffe kein geeigneter Ersatz für herkömmliches Benzin und Diesel sein können, wenn ihre Herstellung zur Vertreibung von Campesin@Familien, zur Verteuerung und Verknappung von Nahrungsmitteln oder zur Schädigung der Gesundheit von Menschen in den Produktionsgebieten führen. Die bestehenden Einfuhrkriterien für Agrotreibstoffe sind ungeeignet, um Hunger, Umweltzerstörung und die Schädigung der im Umfeld der Produktionsgebiete lebenden Menschen zu verhindern. Menschen, die durch direkte und indirekte Folgen der Produktion von Agrotreibstoffen für die Energiegewinnung gesundheitlich schwer geschädigt wurden, erhalten keine angemessene Entschädigung. Angesichts der Exportabhängigkeit der Produzentenländer herrscht das Recht des wirtschaftlich Stärkeren. Und innerhalb der Produzentenländer haben die mächtigsten Wirtschaftsgruppen das Sagen. Kampagne zur Unterstützung der erkrankten ehemaligen Zuckerrohrarbeiter_innen! Zusammen mit dem Nicaragua Forum Heidelberg und el rojito nimmt das Informationsbüro Nicaragua an einer Kampagne zur Unterstützung der Betroffenen mit Lebensmitteln und Medikamenten teil. Im Rahmen einer Aktion von „Rettet den Regenwald“ wurden bereits 15.000 Unterschriften gesammelt und im August 2011 an das Unternehmen Nicaragua Sugar Estates Ltd., das den Zuckerrohrbetrieb in San Antonio betreibt und Teil der Pellas-Gruppe ist, überreicht. Die Kampagne fordert unter anderem eine angemessene Entschädigung für die Arbeitskräfte und die lokale Bevölkerung, die durch die Zuckerrohrproduktion geschädigt wurden, sowie eine angemessene medizinische Behandlung für alle Betroffenen. Weitere Informationen unter: http://www.nicaragua-forum.de/ http://informationsbuero-nicaragua.org Um auch weiterhin über die Situation in Nicaragua und Lateinamerika berichten zu können, brauchen wir Eure Unterstützung! Wir freuen uns über Spenden für Öffentlichkeitsarbeit Konto: 963611 BLZ 33050000 bei der Stadtsparkasse Wuppertal. Herausgeber: Informationsbüro Nicaragua e.V. Deweerthstr. 8 - 42107 Wuppertal Postfach 101320 - D 42013 Wuppertal Tel 0049-202-300030 Fax 0049-202-314346 [email protected] www.informationsbuero-nicaragua.org VIII Movida ist der Rundbrief des Informationsbüro Nicaragua e.V. Er erscheint als Beilage in der Zeitschrift ila. Ein Abo der Zeitschrift ila wird ausdrücklich empfohlen – www.ila-bonn.de Die Movida kann alleine – oder auch in größerer Stückzahl gegen Portokosten – beim Informationsbüro Nicaragua bestellt werden. Die Movida Herbst 2011 wurde mit finanzieller Unterstützung des BMZ und der Stiftung Umwelt und Entwicklung NRW erstellt. Der Herausgeber ist für den Inhalt selbst verantwortlich. Vielen Dank.