FIFA-Weekly

Transcrição

FIFA-Weekly
NR. 26, 17. APRIL 2014
DEUTSCHE AUSGABE
Fédération Internationale de Football Association – Seit 1904
HERZOG
EIN ÖSTERREICHER
IN AMERIKA
BLATTER
VOM SINN DER
GEISTERSPIELE
MARKLUND
MÜTTER ALS
FUSSBALLPROFIS
TITELVERTEIDIGER SPANIEN
LA FURIA ROJA
W W W.FIFA.COM/ THEWEEKLY
I N H A LT
6
14
Anpfiff zum Campeonato Brasileiro
In Brasilien beginnt in weniger als zwei
Monaten die WM. Was viele nicht wissen:
Die brasilianische Meisterschaft steht ebenfalls
kurz vor dem Anpfiff. Bei Fluminese ist Fred,
einer der Schlüsselspieler der Seleção, bereit.
18
“Italien ist stark”
Fabio Cannavaro erzählt im Gespräch von
der Zeit nach seiner Karriere und erinnert sich
an den Gewinn des WM-Titels 2006. Er denkt,
dass Italien auch diesmal den WM-Pokal nach
Hause bringen könnte.
23
P residential Note: Geisterspiele
FIFA-Präsident Blatter spricht sich für harte
Strafen nach Publikumsausschreitungen aus,
sagt aber klar: “Ein Fussballspiel ohne
Zuschauer ist wie ein Konzert ohne Ton.”
36
Nord- und Mittelamerika
35 Mitglieder
www.concacaf.com
Spanien: Erfolgsgarant Kurzpass
Spanien reist als Titelverteidiger zur WM
nach Brasilien. Die “Furia Roja” hat in den
letzten Jahren Massstäbe gesetzt. Mit ihrem
Tiki-Taka, dem viel gelobten Kurzpassspiel,
wollen sie auch diesmal wieder überzeugen.
Jordi Punti über die Vergangenheit und die
Gegenwart des spanischen Fussballs.
N etzer weiss es!
Kann ein Aussenseiter die WM gewinnen?
Unser Experte denkt, dass dies auch 2014
nicht möglich sein wird. Denn er weiss:
“Ein WM-Titelgewinn setzt eine gewisse
Erfahrung voraus.”
Südamerika
10 Mitglieder
www.conmebol.com
17
“We Are One
(Ole, Ola)”
Jennifer Lopez,
die Sängerin des
offiziellen WMSongs 2014, im
Interview.
WM-Gruppen A – C
“La Furia Roja”
Der spanische Jubel war in den letzten sechs
Jahren grenzenlos. Unser Cover zeigt einen Fan in
Barcelona nach dem Sieg des WM-Finales 2010,
der eine Fahne mit der Aufschrift “Podemos!!!”
(“Wir können!!!”) schwenkt.
2
Gruppe B
Gruppe C
Brasilien
Spanien
Kolumbien
Kroatien
Niederlande
Griechenland
Mexiko
Chile
Elfenbeinküste
Kamerun
Australien
Japan
T H E F I FA W E E K LY
Cover: Albert Gea / Reuters
Gruppe A
D I E WO C H E I N D E R W E LT D E S F U S S B A L L S
Europa
54 Mitglieder
www.uefa.com
Afrika
54 Mitglieder
www.cafonline.com
Asien
46 Mitglieder
www.the-afc.com
Ozeanien
11 Mitglieder
www.oceaniafootball.com
37
Fussball
oder Baby
Hanna Marklund
beendete ihre
Karriere, als sie
schwanger wurde.
25
31
Andreas
Herzog
Der Co-Trainer des
US-Nationalteams
lebt den amerikanischen Traum.
Fuleco als
Botschafter
Das WM-Maskottchen auf Mission
für Fussball und
Ökologie.
WM-Gruppen D – H
Inhalt: Getty Images (3)
Gruppe D
Gruppe E
Gruppe F
Gruppe G
Gruppe H
Uruguay
Schweiz
Argentinien
Deutschland
Belgien
Costa Rica
Ecuador
Bosnien-Herzegowina
Por tugal
Algerien
England
Frankreich
Iran
Ghana
Russland
Italien
Honduras
Nigeria
USA
Korea
T H E F I FA W E E K LY
3
emirates.com
Tomorrow
brings us
all closer
To new people, new ideas and new states of mind.
Here’s to reaching all the places we’ve never been.
Fly Emirates to 6 continents.
UNCOVERED
Kleine Schritte,
grosse Erfolge
D
Susana Vera / Reuters
er Grundstein zu den spanischen Triumphen
an der WM 2010 und den EM 2008 und 2012
ist der Kurzpass. Die Spanier legten im Mittelfeld akribisch Passdreieck an Passdreieck
und überraschten mit dem öffnenden Zuspiel in
Richtung des gegnerischen Tors. Sie nannten
und nennen das noch immer: Tiki-Taka.
Der Kurzpass ist so etwas wie die kürzeste
Note in der Partitur – die inspirierten Spanier
spielten damit die grosse Symphonie. Unser
Mitarbeiter Jordi Punti zeichnet die vergangenen Jahrzehnte im spanischen Fussball nach
und versucht eine Standortbestimmung, wenige
Wochen vor der angestrebten Titelverteidigung
der “Furia Roja” an der WM 2014 in Brasilien.
D
er frühere Weltklassespieler Andreas Herzog stand einst gemeinsam mit Jürgen
Klinsmann beim FC Bayern München unter
Vertrag. Heute stehen der Österreicher und der
Deutsche für das US-Team an der Seitenlinie.
Andreas Jaros traf sich mit Herzog in einem
Wiener Café und sprach mit ihm über die
WM-Kampagne der Amerikaner und den
­A merican Dream.
H
anna Marklund stand 118-mal im schwedischen Nationalteam. Die Innenverteidigerin trat 2008 zurück. “Es trifft zu”, sagt sie
im Gespräch, “dass die Unterstützung für
schwangere Fussballspielerinnen nicht riesig
ist. Und es ist schwierig, als Mutter weiterhin
im Profisport tätig zu sein.” Marklund hofft,
dass es einst möglich sein wird, “Teil einer
Mannschaft und zugleich Mutter zu sein.”
G
eisterspiele sind eine Strafe gegen den Fussball, die weit übers Ziel hinausschiesst,
schreibt FIFA-Präsident Blatter in seiner
wöchentlichen Kolumne. Denn: “Es sind die
Krawallmacher, die sanktioniert werden müssen.” Verantwortlich für Letztere seien aber die
Klubs – und so bleibe nur die Strafe gegen die
Klubs, so Sepp Blatter. Å
Perikles Monioudis
Omnipräsentes rotes Jersey
Zwei neugierige spanische Brüder
spielen vor dem Haus.
T H E F I FA W E E K LY
5
SPANIEN
6
Die Architekten
des Tiki-Taka
T H E F I FA W E E K LY
Denis Doyle/Getty Images
Unbändige Freude
Sergio Ramos und das
spanische Team wollen
auch die WM 2014 auf
den Kopf stellen.
SPANIEN
Der WM-Titelverteidiger Spanien hat mit seinem
Kurzpass-Spielsystem den Fussball perfektioniert
und so drei grosse Titel errungen. Doch die Konkurrenz hat dazugelernt. Wo steht Coach Vicente
del Bosques Team kurz vor der WM?
S
Jordi Punti
panien ist heute ein geteiltes Land,
und dabei geht es nicht um Politik.
Die Fussballfans sind in zwei Lager
gespalten: Da wären einerseits die
jüngeren und optimistischen, die
bisher kaum Niederlagen der spanischen Nationalmannschaft gesehen
haben, und andererseits die Erwachsenen, die die ältere Vergangenheit miterlebt haben und sich
jetzt angesichts dieses wunderbaren Jahrzehnts die Augen reiben.
Der Dreifacherfolg von “La Roja” – ehemals als “La
Furia” (die Furie) bekannt – schwebt wie ein riesiger persönlicher Schutzgeist über allem und sollte
bei den Gegnern für Unruhe und bei den Einheimischen für Gelassenheit sorgen. Die Siege bei der
Getty Images (3), imago
1
2
EM 2008 in Österreich und der Schweiz, bei der
WM 2010 in Südafrika und bei der EM 2012 in der
Ukraine und Polen sowie eine lange Siegesserie
haben Spanien in der Weltrangliste der FIFA auf
den ersten Platz katapultiert. Ausserdem ist diese
spanische Spielergeneration damit zu der erfolgreichsten aller Zeiten avanciert. Die Trikots von
Akteuren wie Iniesta, Puyol, Casillas, Xavi, Ramos,
Villa, Busquets, Cazorla, Silva, Piqué, Xabi Alonso
und Torres finden weltweit reissenden Absatz.
Noch grössere Bedeutung erfährt das Ganze
– sofern dies möglich ist – dadurch, dass die riesige Fussballbegeisterung, die jahrzehntelang in
den Stadien jeder Stadt in Spanien und von den
Kindern in den Strassen ausgelebt wurde, angesichts des dürftigen Abschneidens der Nationalmannschaft keinen Widerhall fand. Im Grunde
wussten die Spanier nicht, wofür sie eigentlich
standen. Ein Psychologe äusserte einst die Vermutung, dass die existentiellen Zweifel die geopolitiT H E F I FA W E E K LY
sche Situation des Landes widerspiegelten: Es sei
hin- und hergerissen zwischen der chaotischen
Lebensfreude und dem schelmischen Charakter
Lateinamerikas (zurückzuführen auf die koloniale Vergangenheit) und die Notwendigkeit der Ordnung im Nachkriegseuropa.
Mit Blick auf die Geschichte ist es überraschend, dass die Vormachtstellung, die Real Madrid von 1956 bis 1960 im europäischen Vereinswettbewerb innehatte, sich nicht auch in
einem “Goldenen Zeitalter” für die spanische Nationalmannschaft niederschlug. Schliesslich hatte
der Klub in diesem Zeitraum die fünf ersten Auflagen des Europapokals der Landesmeister gewonnen. Dennoch konnte Spanien sich noch
nicht einmal für die WM 1958 in Schweden qualifizieren, und das obwohl das Team Stars wie
R amallets, Gento, Kubala und Di Stefano in
­
­seinen Reihen hatte.
3
Chancen aus dem Nichts
Vielleicht lag das Problem darin, dass im Spanien
des Diktators Franco eher physische Werte wie
Ethnie, Stolz, Mut und Ehrgefühl zählten, während kreatives Talent, individuelles Können oder
die Fähigkeit, Chancen aus dem Nichts zu kreieren, nicht sehr hoch angesehen waren. Dies waren
im Übrigen Eigenschaften, die Di Stefano oder
Kubala auf sich vereinten, ein Argentinier und ein
Ungar, die die spanische Staatsbürgerschaft angenommen hatten.
Wie in allen Diktaturen war der Sport auch in
der Franco-Ära (von 1939 bis 1975) ein Mittel, um
den patriotischen Geist zu wecken und das Volk
zu einen. Im Jahr 1960 gibt es ein gutes Beispiel
dafür, dass diese Manipulation im Fussball stattfand. Spanien musste in der Qualifikationsrunde
für die erste EM antreten, die in Frankreich stattfinden sollte. Einer der Gegner war die Sowjetunion. Der Kommunismus, der “Rote Terror”, war das
4
1 Galaktische
Trophäe
Real Madrid und der
europäische Meisterpokal (18. Mai 1960).
2 Goldener Stern
Der 1909 gegründete
Verband errang 2010
den WM-Titel.
3 Auf zum Titel
Die spanische
Umkleide vor dem
WM-Finale 2010.
4 Naturalisiert
Der gebürtige Ungar
Laszlo Kubala (r.)
und der gebürtige
Argentinier Alfredo
Di Stefano.
7
SPANIEN
5
5 Erster Titel
Spanien gewinnt
am 21. Juni 1964
in Madrid das EMFinale gegen die
Sowjetunion.
6 Mirós Plakat
Die WM 1982 in
Spanien mit
künstlerischer
Note
7 Kurzpass
Spanien bezwang
am 23. Juni 2012 im
EM-Finale von
Donetsk Frankreich.
8 Xavi
Der Barça-Star
ist der Dreh- und
Angelpunkt im
spanischen Spiel.
8
ala oder Maradona. Heute sind das in unserer Vorstellung Pioniere, die nach Spanien k
­ amen, um
einen ganz neuen Fussball zu entdecken.
Die Geburtsstunde des Tiki-Taka
Vor einer Woche schrieb David Winner an dieser
Stelle in seinem Artikel über die gegenwärtige Situation der niederländischen Auswahl, der “Fussball total” – zelebriert vom so genannten “Uhrwerk
Orange” – sei in den Niederlanden erfunden worden und der FC Barcelona sowie Bayern München
hätten es viele Jahre später verstanden, ihn erfolgreich zu modernisieren.
Wenn wir diesen Faden weiterspinnen, ist es
sicher keine allzu gewagte These, dass Spanien
bei seinen drei Titelgewinnen dank einer verbesserten Version dieser niederländischen Fussballvariante triumphierte – oder besser gesagt: dank
des Vermächtnisses, das Rinus Michels und Johan Cruyff bei Barcelona hinterliessen. Das Aufkommen des Kreativ-Fussballs der spanischen
Nationalmannschaft im Jahr 2008 fiel zeitlich
mit einer der brillantesten Etappen Barças zusammen, das zunächst vom Niederländer Frank
Rijkaard und später dann von Pep Guardiola trainiert wurde. Beide setzten auf ein und denselben
Spieler, um die von ihnen propagierte Spielweise
auf dem Platz optimal umzusetzen. Gemeint ist
natürlich Xavi Hernández, der sein Debüt im Übrigen unter einem weiteren Niederländer feierte,
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Die grössten Optimisten werden in der WM 1982
einen Wendepunkt sehen, die in Spanien stattfand.
Zu diesem Zeitpunkt war das Land bereits eine junge Demokratie, ein zartes Pflänzchen, das noch
gehegt werden wollte. Die grossen Spiele dieses
Turniers lieferten allerdings andere Mannschaften,
beispielsweise Brasilien mit Zico und Sócrates, Polen mit Lato sowie der Turniersieger Italien, bei
dem Tardelli und Rossi zu beeindrucken wussten.
Aber wenn diese Weltmeisterschaft etwas Positives bewirkte, dann war es sicher die Schaffung
eines ganz neuen Panoramas: Neue Stadien, neue
Infrastruktur und Investitionen schufen die Atmosphäre eines Massenspektakels. Wenn das Nationalteam auch weiterhin von existenziellen Zweifeln
geplagt war und nicht wusste, wofür es stand, so
hatte der spanische Fussball zumindest seine Fangemeinde erweitert. Ausserdem verpflichteten die
reicheren Klubs bereits seit einigen Jahren prestigeträchtige Spieler wie Netzer, Breitner, Cruyff, Ay-
7
unter Louis van Gaal, dem aktuellen niederländischen Nationalcoach.
Mit seiner Art zu spielen und die anderen ins
Spiel zu bringen, hatte Xavi bei seinem Klub bereits
hervorragende Ergebnisse erzielt. So war es ein gelungener Schachzug von Luis Aragonés und später
auch von Vicente del Bosque, ihn mit Spielern zu
umgeben, die von seinen Eigenschaften profitieren
konnten. Fast unbewusst und mit der ihm eigenen
schlichten Ungezwungenheit brachte Aragonés
den Wandel, den es in der spanischen Nationalmannschaft gegeben hatte, eines Tages auch
sprachlich zum Ausdruck. Anlässlich einer Pressekonferenz bezeichnete er die Nationalmannschaft
als “La Roja” anstelle des üblichen Spitznamens “La
Furia” oder “La Furia Roja” (“Die rote Furie”) .
Traditionell kamen die Nationalspieler der “Furia” nämlich vor allem aus den Reihen von Real
Madrid. Die Madrilenen stellten die grösste Anzahl
von Spielern, hinzu kamen die besten Akteure anT H E F I FA W E E K LY
8
Getty Images (4)
grosse politische Feindbild Francos, und da man
verpflichtet gewesen wäre, nach Moskau zu reisen
und später die Sowjets in Spanien zu empfangen,
zog er es vor, erst gar nicht anzutreten. Er ordnete
das freiwillige Ausscheiden Spaniens an. Eine hervorragende Auswahl mit Stars wie Luis Suárez,
Segarra, Gento, Kubala und Di Stefano konnte wegen der Allüren des Diktators nicht spielen. Die
Angst, gegen den Kommunismus zu verlieren, war
grösser als die Hoffnung auf einen glorreichen Sieg.
Die UEFA belegte den spanischen Fussballverband
mit einer Strafe und beschloss die automatische
Qualifikation der Sowjetunion, die das Turnier in
der Folge für sich entscheiden sollte.
Später betraute die UEFA Spanien mit der Ausrichtung der zweiten EM, 1964, vielleicht auch, um
die Wogen zu glätten. Der Spielplan war den Spaniern gewogen, und sie trafen erst im Finale in Madrid auf die Auswahl der UdSSR, die sie dank eines
Treffers von Marcelino 2:1 besiegten. Das Bild des
Spielers, der den Ball ins Tor jagte, wurde zu einem
Symbol des Franco-Regimes, zu einem Triumph, der
als Geschenk des Schicksals zum 25. Jahrestag
­seines Sieges im Bürgerkrieg herhalten musste.
Abgesehen von diesem Erfolg jedoch hinterliess der spanische Fussball zur damaligen Zeit
nicht viele Spuren. Die Träume und Ambitionen
vor einer Weltmeisterschaft oder einem olympischen Fussballturnier lösten sich jedes Mal nach
der ersten oder zweiten Partie in Wohlgefallen auf.
SPANIEN
derer Teams, vor allem des Erzrivalen FC Barcelona.
Ende der 1980er- und in den 1990er-Jahren war es
den Stars der letzten grossen Spielergeneration
­Reals gelungen, eine höhere Stufe auf der Leiter zu
erklimmen. Es handelte sich dabei um die so genannte “Quinta del Buitre” (die Klasse des Geiers),
benannt nach dem Spitznamen des charismatischen Emile Butragueño. Ihr gehörten Butragueño,
Míchel, Sanchis, Pardeza und Martín Vázquez an,
die mit der Nationalmannschaft bei der EM 84 in
Frankreich den zweiten Platz belegten.
Unter Luis Aragonés vollzog sich dann ein
schrittweiser Wandel, als es ihm gelang, Spieler
und Fans nach und nach vom neuen Modell zu
überzeugen. Den ersten grossen Erfolg gab es bei
der EM 2008. Leistungsträger von Real Madrid wie
Sergio Ramos, Iker Casillas oder Xabi Alonso gesellten sich zur Barça-Fraktion um Puyol, Xavi,
Iniesta und Cesc Fábregas sowie später Pedro, Piqué und den unberechenbaren Busquets. Sie zogen
einen auf Spielkontrolle ausgerichteten Offensivfussball auf, der vor allem auf Ballbesitz gründet.
Damit war der Tiki-Taka geboren.
“Tiki-Taka, Tiki-Taka, Tiki-Taka …”
Tatsächlich gibt es, wie so oft bei schönen Erfindungen, mehrere Theorien zum Ursprung des Begriffs
Tiki-Taka. Diverse Fans schreiben die Herkunft ihrem Verein zu, gemeinhin geht man jedoch davon
aus, dass der Begriff ursprünglich abwertend ge-
Reuters (1), Getty Images (2), PD (1)
9
10
meint war. Als erstes benutzte ihn wohl in den
1980er-Jahren José M. Maguregui, seines Zeichens
Trainer von RCD Espanyol, um die eher gemächliche Spielweise des FC Barcelona von Bernd Schuster
zu kritisieren, der dem kontrollierten Querspielen
und Zirkulieren des Balls in den eigenen Reihen den
Vorzug vor steilen Spielzügen in die Spitze gab.
In Umlauf brachte den Begriff allerdings der
Journalist Andrés Montes, der Fussballspiele im
Fernsehen kommentierte. In seiner lustigen und
unbekümmerten Art begleitete Montes bereits bei
der WM 2006 die einzelnen Stationen der
Pass-Stafetten von Aragonés’ Auswahl mit einem
rhythmischen “Tiki-Taka, Tiki-Taka, Tiki-Taka …”,
das fast schon musikalisch anmutete. Diese Lautmalerei war einfach wunderbar, denn sie klang
wie ein schneller werdender Herzschlag, wie das
Tick-Tack des niederländischen “Uhrwerk Orange”
und der sanfte Sambarhythmus des besten brasilianischen Fussballs.
T H E F I FA W E E K LY
Im Juli 2010, als Spanien die WM in Südafrika
gewann, erntete das Team Lob von allen Seiten. Der
ehemalige italienische Nationalspieler Franco Baresi hob den Charakter der Mannschaft hervor, der
Trainer Roberto Martínez definierte die Spielweise
als “reif”. Franz Beckenbauer, noch immer überrascht von der Niederlage Deutschlands im Halbfinale, sagte, die WM stehe eher im Zeichen der Kollektive als im Zeichen der Einzelspieler. Andere
gaben an, Tiki-Taka sei ein schnelles Reissbrettspiel, ein architektonischer Plan, die Linienführung wurde gar mit dem berühmten Mosaik von
Antoni Gaudí verglichen: Die Schönheit, die Farbgebung und die Klarheit, die nur der hervorbringen
kann, der weiss, dass eine gerade Linie nicht immer
die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten
ist. Oder zumindest nicht die schönste.
Der ausgewogene Kader aus talentierten, ehrgeizigen und bescheidenen Spielern ist grösstenteils der Arbeit der beiden letzten spanischen Nationaltrainer zu verdanken. Vielleicht wurden die
Rollen, die Luis Aragonés beim ersten EM-Titel und
Vicente del Bosque bei der WM 2010 und der EM
2012 spielten, zu wenig gewürdigt. Obwohl sie sich
in ihrem Stil unterscheiden, haben sie doch auch
vieles gemein, beispielsweise die Nähe zu den Spielern. Schliesslich waren beide zuvor selbst hochklassige Spieler und konnten aus eigener Erfahrung
Verständnis für die Probleme ihrer Schützlinge
aufbringen. Aragonés, der im Februar im Alter von
11
75 Jahren verstarb, verhalf den meisten der besagten Spieler zu ihrem Debüt, behandelte sie mit Respekt und Autorität und verstand es hervorragend,
aus jedem das Beste herauszuholen. “Der Weise von
Hortaleza” (mit Bezug auf seinen Geburtsort) hatte
zuvor bereits zahlreiche spanische Klubs trainiert
und mit der Zeit ein Gespür für den Fussball entwickelt, das es ihm ermöglichte, die besten Eigenschaften jedes Spielers zum Vorschein zu bringen.
Vicente del Bosque, der aktuelle Nationaltrainer, war früher ein ballgewandter Spieler mit viel
Spielübersicht und taktischem Kalkül, der ein perfektes Verständnis von der Rolle hat, die ein schöpferischer Gestalter im Mittelfeld spielen sollte. Als
Spieler blieb er in seiner Karriere Real Madrid treu,
und als Trainer gewann er mit dem Team der
­“Galaktischen” zweimal die Champions League.
2008 übernahm er das Ruder in der Nationalmannschaft, wo er sich seither einen Namen als umgänglicher Trainer gemacht hat, der seinen gesunden
12
9 Pure Freude
Spanischen Fans
feiern in Madrid den
WM-Titel 2010.
10 Bayernspieler
Thiago (r.) und
Javi Martínez.
11 Dreimal Hoch
Coach Luis Aragones
nach dem EM-Finalsieg 2008.
12 Andrés Montes
“Tiki-Taka, Tiki-Taka,
Tiki-Taka …”
9
SPANIEN
Wen aufstellen?
Es gibt zwei Momente, die sich positiv oder negativ
für Spanien auswirken können. Zunächst einmal
wird Del Bosque auf den zentralen Kern von Spielern setzten, die ihm die bisherigen Erfolge gebracht haben und vorwiegend aus den Reihen des
FC Barcelona stammen. Allerdings wird damit
auch eine reifere Mannschaft auf dem Feld stehen,
in der Stützpfeiler wie Xavi und Puyol an spielerischem Gewicht verloren haben. Nun gilt es, die
13
13 Verteidiger
ganz vorn
Carles Puyol (l.)
kommt im WM-Finale
2010 zum Abschluss.
14 Star-Trainer
Vicente del Bosque (l.)
und Pep Guardiola.
15 Hinter Neymar
Am Konföderationen-Pokal-Finale 2013
unterlagen die Spanier
den Brasilianern.
16 In guter
Gesellschaft
Vor einem WMQualifikationsspiel
der Spanier.
10
“Aragonés behandelte
seine Spieler mit Respekt
und Autori tät.”
wichtigen neuen Leistungsträgern in Del Bosques Team zählen. Thiago könnte in einigen Phasen des Turniers wie Xavi agieren, und Martínez
ist ein Allround-Spieler. Und damit sind wir bei
einem weiteren Faktor angelangt, den es zu berücksichtigen gilt: Es bleibt abzuwarten, inwieweit Del Bosque auf Spanier setzen wird, die in
ausländischen Ligen aktiv sind – und deren Anzahl im Team beständig steigt. Zu nennen wären
beispielsweise Akteure wie Mata, Silva, Negredo,
Cazorla und Azpilicueta.
In einigen Wochen, am 11. Mai, wird Del Bosque die vorläufige Kaderliste für Brasilien herausgeben. Natürlich ist auch noch allen das Finale des Konföderationen-Pokals 2013 in
Erinnerung, in dem Spanien Brasilien 0:3 unterlag. Das war eine traurige Angelegenheit, die die
Spanier lieber vergessen und die in der WM-Vorbereitung keine Rolle spielen soll. Glück geht
über Traurigkeit, egal, was Tom Jobim sagt.
Spanien ist heute ein Land, das dringend
Streicheleinheiten und Lebensfreude braucht. Es
14
richtige Mischung zu finden. Dieser Spielerkreis –
zu dem auch Villa, Xabi Alonso und Torhüter Casillas gehören, der bei Real Madrid in der Liga nur
noch Reservist ist – muss mit jüngeren Akteuren
wie Juanfran oder Isco bereichert werden, damit
am Ende eine gelungene Komposition aus Neu und
Alt auf dem Platz steht, wie immer natürlich dirigiert von Mittelfeldgenie Iniesta.
Ausserdem darf man nicht vergessen, dass die
spanischen Turniersiege der Jahre 2010 und 2012
auch auf der Grundlage von Tiki-Taka-Automatismen zustande kamen, die Guardiola mit dem Mittelfeld Barças einstudiert hatte und die Del Bosque
mit Anpassungen auf das Nationalteam übertragen
konnte. Allerdings wäre es möglich, dass jetzt
Deutschland durch den Bayern-Block im Nationalteam über Teile dieser Automatismen verfügt.
Andererseits werden Thiago und Javi Martínez, die ja bekanntermassen ebenfalls bei Bayern
München unter Vertrag stehen, zweifellos zu den
15
ist gebeutelt von den Problemen, die die Krise
mit sich bringt; die hohe Jugendarbeitslosigkeit,
die Regierung, die einen strengen Sparkurs fährt.
Diese allgemeine Unzufriedenheit wird während
der WM in Brasilien hintergründig im Raum stehen. Sie kann sich für die Spieler als Belastung
erweisen, aber auch als Motivation.
Ein WM-Sieg Spaniens hätte keinen Einfluss
auf die wirtschaftliche Lage des Landes, aber er
würde die Stimmung heben und vielleicht einen
Beitrag dazu leisten, die Zukunft in einem anderen
Licht zu sehen. Vicente del Bosque sagte kürzlich
in einem Interview: “Wir sind sehr gut, unsere
Spielweise findet viel Anerkennung, wir haben eine
Vorstellung davon, was wir tun müssen. Um weiterzukommen, müssen wir jetzt mit Engagement,
Bescheidenheit und Vernunft an die Sache herangehen. Wir dürfen keine Aufschneider sein und
denken, dass wir die Grössten sind. Wir müssen
ganz normal sein, denn nichts anderes sind wir.” Å
T H E F I FA W E E K LY
16
AFP, (1), Reuters (1), Getty Images (1), PD (1)
Menschenverstand einsetzt, das Rampenlicht meidet und seinen Spielern mit Respekt gegenübertritt. Sein grösstes Verdienst ist vielleicht, dass er
das Siegen zu etwas ganz Normalem gemacht hat.
“Die Traurigkeit hat kein Ende, das Glück schon”,
sang einst der Brasilianer Tom Jobim. Die Spanier
wollen in Brasilien beweisen, dass er sich geirrt hat
und dass ihnen das Glück hold ist.
2010, am Vorabend des Finales zwischen Spanien und den Niederlanden, schrieb der Schriftsteller Javier Marías in einem Artikel: “Spanien geht
mit dem Vertrauen der Unschuldigen in dieses Finale, die nicht nur ’frei von Schuld’ sind, sondern
ausserdem ’gewisse Dinge gar nicht kennen’.” Heute, vier Jahre später, hat die spanische Nationalmannschaft sich in der ganzen Welt Respekt verschafft. Sie kennt Siege und ist nicht mehr
unschuldig, aber genau deshalb ist sie auch der
Gegner, den es zu schlagen gilt.
SPANIEN
imago
Feiern mit dem
FIFA-Präsidenten
Das spanische Team
bei der WM-Pokalübergabe am 11. Juli 2010
in Johannesburg.
T H E F I FA W E E K LY
11
SPANIEN
Sechs unvergessliche Jahre
Vor Beginn der Europameisterschaft galten die
üblichen Verdächtigen als Favoriten, nämlich
Deutschland, die Niederlande, Italien und
Frankreich … Dann zeigte sich jedoch sehr
schnell, dass sich Spanien dieses Mal von den
anderen abhob. Die Spanier spielten eine perfekte Vorrunde und setzten sich im Viertelfinale nach Elfmeterschiessen gegen Italien durch.
Sie gewannen auf sehr italienische Art, und das
verlieh dem Team Flügel. Das Finale gegen
Deutschland entschied “La Roja” mit einem
einzigen Tor von Torres für sich. Das Team von
Luis Aragonés bestach mit starkem Fussball.
Villa wurde bester Torschütze des Turniers.
Xavi, der einen königlichen Auftritt hinlegte,
wurde zum besten Spieler der EM gewählt.
“Wir haben dem Fussball einen Gefallen getan”,
erklärte er am nächsten Tag in Interviews. In
Bezug auf seinen Trainer fügte er hinzu: “Luis
ist der Inbegriff des Fussballs und er versteht
es auch noch, diesen Inbegriff weiterzugeben.
Wir haben auf eine ganz bestimmte Spielweise
gesetzt und damit gewonnen.” Å
12
T H E F I FA W E E K LY
Denis Doyle/Getty Images (3)
2008
SPANIEN
2010
2012
Südafrika war die Weltmeisterschaft der Vuvuzelas, des Waka-Waka und des Kraken Paul; für Spanien war es jedoch vor allem der euphorische Aufschrei, den “La Roja” auslöste. Das Team startete
mit einer Niederlage gegen die Schweiz und einer
eher zögerlichen Spielweise ins Turnier, fand jedoch
nach und nach zu seiner Philosophie und zum Glauben daran zurück. Der Treffer von Puyol im Halbfinale gegen Deutschland, den er per Kopf erzielte,
war eine Demonstration von Siegeswillen und Strategie. Für den FC Barcelona hatte er bereits einen
ähnlichen Treffer erzielt. In der K.o.-Runde gewann
Spanien all seine Spiele 1:0 und im Finale gegen die
Niederlande wollte das Tor erst in der Verlängerung
fallen. Es war eine taktisch geprägte Partie: Angesichts des Kurzpass-Spiels der Spanier warfen die
Niederländer ihre Ideale über Bord und verteidigten bis zum Schluss. Ein wunderschöner Treffer
von Iniesta in der Verlängerung brachte die gerechte Entscheidung. “Newton hat mir geholfen”, so
Iniesta später, “Ich habe den Ball unter Kontrolle
gebracht und dann gewartet, bis er herunterkam.
Ich wusste, dass es ein Tor werden würde. Es war
eine Sache des Gravitationsgesetzes.” Å
Obwohl er keinen einzigen Treffer erzielte,
wurde Iniesta zum besten Spieler der EM gewählt. Fernando Torres war bester Torschütze
eines Wettbewerbs, bei dem Spanien mit
grosser ­Autorität und Frische auftrat. Damit
bewies man, dass die Erneuerung nach der WM
gelungen und die Mannschaft intakt war. Das
Finale in Kiew, das mit einem 4:0-Sieg gegen
Italien endete, stand sinnbildlich für den Weg
eines aufstrebenden Teams, das auch schwierige Situationen mit Einsatz gemeistert hatte,
beispielsweise das Halbfinale gegen ­Portugal,
in dem die Spanier sich erst im Elfmeterschiessen durchsetzen konnten. Nach dem hervorragenden Auftritt im Finale titelte die französische Zeitung “L’Équipe” mit einem einzigen
Wort: “Gracias!” (Spanisch für “Danke!”). Die
lobenden Adjektive waren den begeisterten
Journalisten bereits ausgegangen. Å
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13
BLICK IN DIE LIGEN
N
Brasilien: Campeonato Série A
Das Spektakel vor
dem Spektakel
Sven Goldmann ist Fussball­
experte beim “Tagesspiegel” in
Berlin.
Es gibt auch ein Spektakel
vor dem Spektakel. Es be­
ginnt schon jetzt im April und findet doch
weitgehend verborgen vor denen statt, die im
Sommer gar nichts anderes mehr kennen als
Brasilien. Jeder begeistert sich für die Welt­
meisterschaft, sie beginnt am 12. Juni. Aber
wer weiss schon, dass jetzt, zwei Monate vor
der WM das Campeonato Brasileiro beginnt,
die Meisterschaft in dem Land, das jeder
kennt und dessen Liga doch für viele ein
Mysterium ist?
Da ist zum Beispiel Fluminense, die Mann­
schaft aus Rio de Janeiro, die hauptsächlich
von den Fans aus dem Umland geliebt wird
(vor allem im Gegensatz zu Flamengo und ein
S
I
bisschen auch zu Vasco da Gama und Bota­
fogo). Am Samstag empfängt Fluminense zum
ersten Saisonspiel die Konkurrenz von Figuei­
rense. Das ist ein Klub von eher regionaler
Bedeutung, er spielt in Florianopolis, eine der
südlichsten Städte Brasiliens. Florianopolis
wäre auch ganz gern dabei gewesen bei der
WM, aber die Bewerbung fiel durch, denn das
Stadion entsprach nicht den Ansprüchen.
Diese Probleme hatte Fluminense nicht. Die
Heimat der grün-weiss-roten Tricolor ist das
Maracaña, und eine WM ohne das berühm­
teste Stadion der Welt ist schwer vorstellbar.
So in etwa trifft das auch auf Fluminense
und das Campeonato Brasileiro zu. Fluminen­
se zählt zu den prominentesten Mannschaf­
ten in Brasilien, war 2012 Meister – bis dann
gleich im nächsten Jahr dieser Betriebsunfall
folgte, der rechnerisch vollzogene Abstieg aus
der obersten Klasse. Wie auf Bestellung
setzte dann am zum Finale der Liga die
eigentlich schon gerettete Konkurrenz
Portuguesa aus São Paulo einen gesperrten
Spieler ein, was ihm in der Arithmetik der
Liga einen Abstiegsplatz bescherte und
Fluminense in der Liga beliess.
Ein Stürmer im Maracaña Der Fluminense-Kapitän und brasilianische Nationalspieler Fred zeigt, wo’s lang geht.
14
T H E F I FA W E E K LY
D
E
Das war eine schöne Nachricht, jedenfalls für
die vielen Fans rund um Rio und vor allem für
den Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari. Sein
Stürmer Fred, einer der Schlüsselspieler der
Seleçao, darf sich nun doch unter besten
Bedingungen für den Mundial im Sommer
vorbereiten. Fred wäre nach einem Abstieg
schon ganz gern gewechselt, aber Fluminense
hätte auf keinen Fall eine Freigabe erteilt. Am
Ende blieb Fluminense im Campeonato und
Fred in Rio – aber die heisse WM-Phase
begann für beide nicht ganz so gut, nämlich
mit einer 1:3-Niederlage im Pokal beim Hori­
zonte Ceará. Die Fans waren ziemlich ausser
sich, worauf ihnen Fred entgegnete, sie hätten
nicht das Recht dazu.
Das gab dann wiederum einigen Ärger in der
Öffentlichkeit, aber im Rückspiel fand alles
ein gutes Ende. Fluminense siegte 5:0 gegen
Ceará im Maracaña. Und ebendort erwarten
die Torcedores nichts anderes, wenn am
Wochenende die Gegnerschaft von Figueirense
zum ersten Akt des Spektakels vor dem
Spektakel vorbeischaut. Å
imago
I
Malawi: TNM Super League
Hoffnungen zum
Start der Liga
Peter Kanjere ist Sportjournalist
in Malawi.
Malawis Eliteliga, die TNM
Super League, startet am
19. April 2014 in die neue
Saison. Das südostafrikanische Land verfügt
über enorm talentierte Spieler und die Fussball-Leidenschaft ist gross. Der von der Zentralbank gesponserte Klub FC Silver Strikers
will den Titel in der 15 Teams umfassenden
Liga zum vierten Mal in Folge erringen – das
wäre Rekord. Das ist sicherlich ein sehr ehrgeiziges Ziel, aber laut Silvers Mannschaftskapitän Lucky Malata ist in der Liga alles möglich.
“Wir haben die erforderliche Tiefe im Kader,
um in der nächsten Saison weitere Trophäen
zu gewinnen. Als Kapitän werde ich alles
daran setzen, damit es uns gelingt”, so Malata.
Bei Silver will man dieses Ziel erreichen, ohne
grosse Namen zu verpflichten. Stattdessen
haben sich die Verantwortlichen dieses Mal
dafür entschieden, auf einige Juwele aus der
eigenen Jugend zu setzen.
Bobby Kabango
Allerdings ist man sich auch der wachsenden
Dominanz der fünf malawischen Armeeklubs
Red Lions, MAFCO, Kamuzu Barracks sowie
der Neulinge Support Battalion und Moyale
Barracks bewusst, von denen Letzterer in der
Vorsaison den zweiten Platz belegte. In der
abgelaufenen Spielzeit schlug MAFCO das
Team von Silver im Presidential Cup 10:9 nach
Elfmeterschiessen und errang die Trophäe.
Kamuzu Barracks sicherte sich derweil mit
einem 1:0-Sieg gegen Moyale den Titelgewinn
im Carlsberg Cup. Vier der fünf Armeeklubs
wollen ihre Vorherrschaft nun von den Pokalwettbewerben auf die Liga ausweiten. Kapitän
Gilbert Mittawa, der Pressesprecher von
Kamuzu Barracks, dazu: “Nach einer Analyse
unserer Stärken und Schwächen sind wir der
Ansicht, dass wir die Erwartungen übertreffen konnten. Vor der neuen Saison wollen wir
nun verstärkt auf Disziplin- und Logistikprobleme eingehen.”
Auch die Big Bullets und die Mighty Wanderers, zwei rivalisierende Klubs aus der Stadt
Blantyre, könnten durchaus noch ins Rennen
um den Meistertitel eingreifen, wenn es
ihnen auch an Sponsoren mangelt. In der
vergangenen Saison landeten die Bullets auf
dem achten und die Wanderers auf dem
sechsten Platz. Blantyre ist das wirtschaftliche Zentrum Malawis, während Lilongwe die
Verwaltungshauptstadt ist.
Die beiden von EPAC neu verpflichteten
Hochkaräter Pilirani Zonda und Mussa Manyenje lassen bei den Bullets die Hoffnungen auf
eine Trophäe in der nächsten Saison steigen.
In der vergangenen Spielzeit gingen die
Bullets leer aus, und der Abgang von Chimango Kaira, einem Leistungsträger im Mittelfeld,
zum mosambikanischen Klub Costa Del Sol
schien die Stimmung im Team gedämpft zu
haben. Die Wanderers ihrerseits gewannen in
der letzten Saison zum zweiten Mal in Folge
die Standard Bank Knock-out Trophy, ein
Erfolg, auf dem sich aufbauen lässt. Es handelt
sich dabei um ein von der Standard Bank
Malawi gesponsertes Turnier.
Die malawische Liga heisst mit Support
Battalion, Chikhwawa United und Karonga
United drei Neulinge willkommen, die den
Aufstieg aus den Zweitligen Zentral, Süd und
Nord geschafft haben. Sie ersetzen die abgestiegenen Klubs Mponela United, Evirom und
Mzuzu United. Bisher hat ausser den Teams
aus der Zentral-Region kein Neuling länger als
eine Saison in der Super League bestehen
können. Daher werden die neuen Teams
vermutlich erst einmal ums blosse Überleben
kämpfen. Diese Ansicht vertritt auch Owen
Chomanika, der Vorsitzende von Chikhwawa,
der mittlerweile den ehemaligen Bullets-Trainer Gerald Phiri als Fussball-Direktor an Land
gezogen hat. “Unser Ziel ist es, nicht abzusteigen. Ausserdem haben wir die Absicht, unseren Kader zu verstärken. Mit Phiri als Kopf
des gesamten Trainerstabes glauben wir, in
der Liga bestehen zu können”, so Chomanika.
In Malawi werden neben der gesponserten
Liga drei nationale Pokalwettbewerbe ausgetragen: der Carlsberg Cup, der Presidential Cup
und die Standard Knock-Out Trophy. Abgesehen von Silver, Civo United, den vier Armeeteams und dem Polizeiklub Blue Eagles arbeiten die Klubs ohne Sponsoren. Das betrifft die
verbleibenden acht Vereine der Liga, die
folglich eine Abwanderung von Spielern zu
mosambikanischen Klubs zu beklagen haben.
In der letzten Saison kostete eine Massenpanik den Wanderers-Fan Lemiyasi Josita bei
einer Partie gegen Silver am 28. Dezember
2013 im Balaka-Stadion das Leben. “Die Super
League of Malawi (Sulom) darf nicht zulassen,
dass ein Spiel stattfindet, wenn die Sicherheit
nicht gewährleistet werden kann”, so Suzgo
Nyirenda, Generalsekretär des malawischen
Fussballverbands.
Die Fussball-Leidenschaft ist trotz allem
ungebrochen, und die meisten Ligaspiele
locken mindestens 20 000 Fans in die Stadien. Möge die Saison beginnen! Å
Hohe Ziele Der FC Silver Strikers will den Titel zum vierten Mal in Folge erringen.
T H E F I FA W E E K LY
15
Only eight countries have ever
lifted the FIFA World Cup Trophy.
Yet over 200 have been
winners with FIFA.
As an organisation with 209 member
associations, our responsibilities do not end
with the FIFA World Cup™, but extend to
safeguarding the Laws of the Game, developing
football around the world and bringing hope to
those less privileged.
Our Football for Hope Centres are one example
of how we use the global power of football to
build a better future.
www.FIFA.com/aboutfifa
C O U N T D O W N B R A S I L I E N 2 0 14 : N O C H 5 5 T A G E
→ http://www.fifa.com/worldcup
“Ich freue mich auf Brasilien”
Jennifer Lopez singt gemeinsam mit Pitbull und der brasilianischen Sängerin
Claudia Leitte den offiziellen WM-Song 2014 “We Are One (Ole, Ola)”.
Lopez ist ein grosser Fan von Cristiano Ronaldo und Hope Solo. Hier spricht
sie über den Song, ihr Sportprogramm und die Schönheit Brasiliens.
Jennifer Lopez, mögen Sie lieber American
Football oder Fussball?
Freuen Sie sich auf die Rückkehr nach
­Brasilien?
Jennifer Lopez: Ich liebe beides! Natürlich
freue ich mich ganz besonders auf die Fussball-WM im Sommer. Eine grossartige Gelegenheit für Menschen aus aller Welt, im
Geiste des Sports zusammenzukommen.
Fussball ist ein Sport, der alle nationalen
Grenzen überwindet.
Auf jeden Fall! Brasilien ist ein wunderschönes Land mit einer reichen Kultur und
beeindruckendem Temperament. Bei meiner
letzten Tournee hatten wir hier eine tolle Zeit.
Ich freue mich sehr darauf, bei diesem bedeutenden Event wieder in Brasilien aufzutreten.
mit Pitbull und Claudia Leitte hat riesigen
Spass gemacht. Das Musikvideo haben wir in
Miami gedreht. Ich glaube, dass es den Leuten
sehr gut gefallen wird.
Und wer wird Weltmeister?
Es wird ein spannendes Turnier – sehr
­ iele sehr starke Mannschaften nehmen teil.
v
Wir werden sehen. Å
Was sagen Sie zum WM-Song?
Haben Sie eine Lieblingsmannschaft im
Fussball?
Es ist ein Song voller Energie, mit unverwechselbar brasilianischem Sound. Die Arbeit
Mit Jennifer Lopez sprach
Thomas Renggli
Es gibt gerade jetzt sehr viele Teams mit
tollen Talenten. Es ist schwierig, sich für ein
Team zu entscheiden! Natürlich unterstütze
ich die USA, mein Heimatland. Aber ich freue
mich auch sehr darauf, Brasilien und den
amtierenden Weltmeister Spanien zu sehen.
Welche Spieler bewundern Sie am meisten?
Cristiano Ronaldo ist einer der besten
Spieler der Welt. Ich hatte das Vergnügen, ihn
ein paar Mal zu treffen. Er ist ein wirklich
netter Kerl. Ich bin auch ein grosser Fan von
Hope Solo und bewundere, was sie mit dem
US-Team vor einigen Jahren bei “ihrer” WM
geschafft hat.
Sie haben puerto-ricanische Wurzeln, also
wahrscheinlich auch ein bisschen Fussball im
Blut. Haben Sie selbst je Fussball gespielt?
Eigentlich bin ich heute nur noch Zuschauerin. Als Kind habe ich mal ein bisschen
gespielt und meine Kinder spielen auch.
Wie halten Sie sich fit?
Dukas / Action Press
Ich versuche, fünfmal die Woche Sport zu
treiben. Ich tanze sehr gern. Es ist harte
Arbeit, für eine Show zu proben oder auf
Tournee zu gehen, aber es macht auch grossen
Spass. Ich habe das Glück, mit einer tollen
Tänzer- und Choreografentruppe arbeiten zu
dürfen.
WM-Vorbereitung Jennifer Lopez beim Videodreh für den Song “We Are One (Ole, Ola)” in Fort Lauderdale.
T H E F I FA W E E K LY
17
DAS INTERVIEW
“Italien ist stark”
Am Abend des 9. Juli 2006 stemmte Fabio Cannavaro den WM-Pokal in die Höhe.
“Wir Spieler hatten alle viel Glück in unserem Leben”, sagte der ehemalige Kapitän des
italienischen Nationalteams. “Jetzt ist es an der Zeit, etwas weiterzugeben.”
Herr Cannavaro, wie geht es Ihnen?
Fabio Cannavaro: Sehr gut. Es ist schon
eine Zeit lang her, seit ich nicht mehr aktiv
Fussball spiele. Ich habe in den letzten Jahren
alle nötigen Trainer- und Sportdirektoren-­
Diplome gemacht und bin derzeit Coach in
Dubai. Wer weiss, was die Zukunft bringt?
Auf jeden Fall bin sehr glücklich mit meiner
jetzigen Situation.
So ganz aufgehört mit dem Fussballspielen
haben Sie aber nicht …
Ich spiele immer wieder mit ehemaligen
Fussballgrössen Benefizspiele oder sogenannte
Exhibition-Games. Gerade die Partien für
einen guten Zweck machen mir sehr viel Spass.
Wir haben alle Glück gehabt in unserem
Leben. Wir durften in grossen Klubs Fussball
spielen. Nach unserer Profikarriere ist es nun
an der Zeit, den Leuten zu helfen und etwas
von unserem Glück weiterzugeben. Meine
Hoffnung ist auch, dass die Fans an die
Benefiz­spiele kommen, um Geld für einen
guten Zweck zu spenden.
Was gab 2011 den Ausschlag, Ihre Karriere
zu beenden?
Zwei Dinge. Erstens hatten die vielen
Jahre als Profispieler körperlich Spuren
hinterlassen. In einem gewissen Alter spürt
man immer irgendwo einen Schmerz. In
meinem Fall machte sich eine alte Kniever­
letzung vehement bemerkbar. Andererseits
hatte mein Entscheid auch mit fehlender
Motivation zu tun. Ein Sportler ohne Moti­
vation riskiert, sich zu blamieren. Das wäre
nach einer erfolgreichen Karriere schade.
Was geschah am Tag eins nach Ihrem Rücktritt? Wie ging es Ihnen?
Am ersten Tag vermisste ich den Fussball
überhaupt nicht. Ich fing dann bald an zu
reisen. Zwei Jahre amtete ich als Botschafter
für Al Ahli in Dubai. Ich war viel in Asien
unterwegs und habe zwischendurch meine
Diplome gemacht. Die Rolle des Trainers und
des Managers liegt mir nun sehr. Ich verspürte
den Tatendrang, meine Ideen umzusetzen.
18
Sie arbeiten bei Al Ahli als Assistenztrainer.
Darf man davon ausgehen, dass Italien früher
oder später Ihr Ziel ist als Coach?
Sie waren im Dezember 2013 Draw Assistent
bei der Gruppenauslosung. Was für einen
Eindruck haben Sie von Brasilien bekommen?
Ganz klar. Ich bin Italiener und in meinem Heimatland arbeiten zu dürfen, würde
mich mit Stolz erfüllen. Aber die Möglichkeit, in verschiedenen Ländern zu arbeiten
und dabei neue Kulturen und Fussball-Men­
talitäten kennenzulernen, ist auch sehr
wertvoll.
Wenn man von Brasilien spricht, dann
spricht man immer von Fussball. Klar sind
nun die Nachrichten, die aus dem WM-Gastgeberland kommen, nicht immer positiv.
Man hört immer wieder von Verspätungen,
beispielsweise beim Bau der Stadien. Am
Ende wird es aber eine tolle WM werden.
Wir werden alle viel Freude haben.
Sie haben 2006 als Kapitän den WM-Pokal
in die Höhe stemmen dürfen. Kann man ein
solches Gefühl in Worte fassen?
Nein. Unmöglich! Vielleicht empfinde ich
heute sogar mehr als damals im Berliner
Olympiastadion. Jetzt, acht Jahre danach,
bin ich mir richtig bewusst, was dieser
WM-Titel aus uns gewöhnlichen Spielern
gemacht hat – nämlich Legenden. Genau
deshalb werden wir heute weltweit zu Bene­
fizspielen eingeladen.
Wie sehr hat sich Ihr Leben mit dem WM-Titel
verändert?
Es hat sich nur aus dem Grund verändert,
dass wir in den Augen der Leute zu Helden
wurden. Wir haben Fussballgeschichte
geschrieben. Auf persönlicher Ebene bin ich
derselbe geblieben, ich führe genau das
gleiche Leben wie vorhin. Wer mich gut
kennt, kann dies bestätigen.
Wie ist es, am grössten Fussballturnier der
Welt mitzuspielen?
Man vertritt eine ganze Nation und
spielt gegen die stärksten Spieler der Welt.
Es ist so ein bisschen wie im japanischen
Zeichentrickfilm “Holly und Benji”. Es sind
die Besten der Besten. Es braucht viel Vorbereitung. Ein Spieler darf nicht das Gefühl
haben, es läuft an der WM von alleine. Er
muss viel opfern, nicht nur physisch, sondern auch mental. Die Weltmeisterschaft
geht an die Substanz. Der Druck ist gross.
Viele haben in ihrem Leben nur eine Chance,
eine WM zu spielen. Ich hatte das Glück, vier
Weltmeisterschaften zu bestreiten.
T H E F I FA W E E K LY
Was trauen Sie Italien zu?
Italien ist ein starkes Team und verfügt
mit Cesare Prandelli über einen sehr guten
Coach. Ich hoffe, dass die Jungs den Pokal
nach Hause bringen werden.
Sie haben immer ein Lächeln im Gesicht.
So bin ich. Es ist mein Charakter. Ich
versuche, immer alles zu relativieren. Es gibt
viele andere Leute, die grosse, echte Probleme
haben. Man muss versuchen, stets die Kraft
zu haben, auch in schwierigen Zeiten einen
Ausweg zu finden. Solange ich diese Kraft
habe, werde ich immer lachen.
Letzten Herbst haben Sie Ihren 40. Geburtstag
gefeiert. Ist nun die Zeit gekommen, erwachsen
zu werden?
(lacht) Meine Mutter sagt, dass ich schon
sehr früh erwachsen war. Ich setze mir jetzt
neue Ziele, möchte beispielsweise einen
Cheftrainer-Job annehmen. Ich konnte von
den besten Trainern der Welt profitieren. Ich
will mein Know-how weitergeben. Dazu fühle
ich mich bereit. Å
Mit Fabio Cannaravo
sprach Giovanni Marti
Name
Fabio Cannavaro
Geburtstag, Geburtsort
13. September 1973, Neapel
Klubs
Napoli, Parma, Inter, Juventus,
Real Madrid, Al Ahli
Italienisches Nationalteam
136 Spiele, 2 Tore
Remo Neuhaus
Grösste Erfolge
WM-Titel 2006
Uefa-Pokal-Sieger 1998/99 (Parma)
Meister 2006/07 und 2007/08 (Real Madrid)
T H E F I FA W E E K LY
19
First Love
Jonathan Kingston / National Geographic Stock
Or t: For t Sa n Jeron i mo, Pa na ma
Datum: 10. April 2014
Z e it : 17. 1 8 U h r
T H E F I FA W E E K LY
21
DEBAT T E
Goethe und der Fussball
Gähnende Leere.
Stadion­sperren haben
sich im Fussball als
Strafmass etabliert.
Über ihren Sinn scheiden sich die Geister.
Thomas Renggli
D
er Fussball lässt sich mit den Füssen
­k icken und mit den Händen greifen. Gelegentlich driftet er aber ins Unfassbare,
Paranormale und Übersinnliche ab,
wenn beispielsweise ein Phantomtor geschossen wird, die Hand Gottes ins Spiel
kommt, die Trainer Gespenster sehen – oder
­Partien unter Ausschluss der Öffentlichkeit
stattfinden. Im letztgenannten Fall spricht der
Volksmund von “Geisterspielen”.
Angstzustände lösen solche vor allem bei
den Finanzchefs der Klubs und Verbände aus.
Dies kann beispielsweise der Schweizer Meister
Basel bestätigen: Nach den Ausschreitungen
seiner Fans im Europa-League-Achtel­finale bei
22
Red Bull Salzburg musste er sein Viertelfinal-Hinspiel gegen Valencia am 3. April vor
leeren Rängen austragen. Dem Klub entgingen
Einnahmen in der Grössenordnung von zwei
Millionen Schweizer Franken.
Anstatt in einer ausverkauften Arena empfingen die Basler die spanischen Gäste vor
handverlesenem Publikum – 75 UEFA-Offizielle, 200 Gäste der Sponsoren, 209 akkreditierte
Journalisten, je 75 Mitglieder der Klubs (inklusive Spieler und Trainer) sowie 65 Klubangestellte. 699 Zuschauer statt 36 500.
Vor allem auf nationalem und kontinentalem Parkett haben sich Stadionsperren als Strafmassnahme in den vergangenen Jahren etabliert. In Deutschland wurde am 26. Januar 2004
zum ersten Mal vor leeren Rängen gespielt – in
der Zweitligapartie zwischen Alemannia Aachen
und dem 1. FC Nürnberg. Die Begegnung war
abgebrochen worden, weil der Nürnberg-Trainer
Wolfgang Wolf von einem Wurfgeschoss getroffen worden war.
Auf Nationalmannschaftsebene geht der
gravierendste Fall in Europa auf die Barrage-Partie Türkei – Schweiz in der Qualifika­
tion für die WM 2006 zurück. Nach schweren
Ausschreitungen musste die türkische
­
T H E F I FA W E E K LY
National­mannschaft damals sechs Heimspiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit und auf
neutralem Boden austragen.
Zuletzt wurde der ukrainische Verband mit
einer Stadionsperre belegt – nachdem Zuschauer im WM-Qualifikationsspiel gegen San Marino in Lwiw fremdenfeindliche Parolen gerufen
und Nazi-Symbole gezeigt hatten. Die Ukrainer
müssen das erste Heimspiel für die WM 2018
unter Ausschluss der Öffentlichkeit bestreiten
und dürfen während der gesamten Kampagne
nicht in Lwiw spielen.
Geht es nach FIFA-Präsident Blatter, soll dieses Verdikt aber die Ausnahme bleiben und stattdessen mit sportlichen Sanktionen gegen die
fehlbaren Verbände vorgegangen werden (siehe
Kolumne). Schliesslich machte schon ­Goethes
Zauberlehrling die Erfahrung, dass man mit
Geistern vorsichtig umgehen sollte. Wer sie ruft,
wird sie so schnell nicht wieder los. Å
Die Weekly-Debatte.
Was brennt Ihnen unter den Nägeln?
Über welche Themen wollen Sie
diskutieren? Ihre Vorschläge an:
[email protected]
Alessandro Della Bella / Keystone
Geisterbeschwörung Die Spieler des FC Zürich bedanken sich am 23. Juli 2008 bei der “Kulisse”. Das Spiel gegen Luzern (1:0) fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
DEBAT T E
Härtere Strafen wie Stadionsperren, Spiele
auf neutralem Boden oder Stadionverbote für
Fans würden die Fans zweifellos disziplinieren. Fussball ist ein Sport für anständige
Menschen und nicht für Ganoven und Krawallmacher. Wenn du Niederlagen deiner Mannschaften nicht akzeptieren kannst, darfst du
nicht ins Stadion. Fussball ist ein schönes
Spiel – und eine Reflexion des richtigen Lebens.
Ozoechi, Nigeria
PRESIDENTIAL NOTE
Ich bin ein flammender Fan der AS Roma.
Die Curva Sud wurde zuletzt oft gesperrt.
Gegenüber dem fairen Tifoso ist das eine
Beleidigung. Wir wollen unsere Mannschaft
in jedem Spiel mit Leidenschaft und Stimmgewalt unterstützen. Der Klub ist unser
Leben – und wir können es nicht abwarten,
bis wir endlich im neuen Stadion – ohne
Leichtathletikbahn – spielen. Erst dort
können wir die Mannschaft richtig spüren.
Massimo Marchetti, Rom
“Geister­
spiele
­isolieren
die Fans.”
Mit Geisterspielen schlägt man den Sack
und meint den Esel, sprich man will eigentlich den Klub und die 100 Chaoten bestrafen, in Wirklichkeit bestraft man aber die
anderen 39 900 Zuschauer, die ein Spiel
friedlich verfolgen wollen. Eine saftige
Busse für den Klub (weil er sich nicht von
diesen Chaoten abgrenzt) sowie die konsequente strafrechtliche Verfolgung und lebenslange Stadionverbote für die Chaoten wären
aus meiner Sicht die richtige Konsequenz.
Bezüglich des Sinns von Geisterspielen
stelle ich mir die Frage, warum nicht mehr
und härter gegen Randalierer vorgegangen
wird. Möglicherweise ist es eine Kostenfrage.
Vielleicht müssen die Vereine auf diesem
Sektor mehr investieren. Sie verdienen an den
Eintrittsgeldern am meisten, warum sollten
sie nicht dafür bestraft werden, wenn sie
nicht genügend für die Sicherheit tun?
Nein! Sie isolieren bloss die Fans. Wenn, dann
sollte der Klub gezwungen werden, die Einnahmen der Ticketverkäufe an eine Wohltätigkeitsorganisation zu spenden. Dies wäre
eine Win-win-Situation für die Fans und die
Gesellschaft und der Klub würde keinen
Gewinn machen.
Die Sanktion sollte meiner Meinung nach die
eigentlichen Verursacher treffen, die Fans
aus dem entsprechenden Block. Nicht die
Familienväter mit ihren Söhnen, die so um ein
tolles Spiel gebracht werden. Schliesst man
aber einfach die Fankurve oder einen bestimmten Sektor, wie das unlängst in München der Fall war, können die Fans sich ganz
einfach ein Ticket für einen anderen Sektor
kaufen. Somit ist auch diese Sanktion eine
reine Alibiübung. Um die Verursacher wirklich
zu treffen, braucht es in Zukunft wohl überall
umfassende Registrierung und detaillierte
Video-Kontrolle. Siehe England. Wenn man die
Tat genau zuordnen kann, ist auch eine direkte
Sanktion mit jahrelangen persönlichen Stadionsperren möglich. Jemanden direkt und hart
abzustrafen würde ich befürworten.
el_alan09, Mexico
Christian Bürge, Schweiz
H.D., Deutschland
Thomas Maag, Schweiz
Ich halte nichts von Kollektivstrafen. Viel
lieber sollen die Stadionbetreiber endlich
ihren Job machen und die fehlbaren Fans
konsequent aus dem Stadion verweisen und
mit Stadionsperren belegen.
Ralph Hennecke, Schweiz
“Ich halte diese Sanktion für sinnvoll.”
Sportliche
Sanktionen statt
Geisterspiele
F
ussballspiele sind auch gesellschaftliche
­A nlässe. Sie bringen Menschen zusammen,
verbinden soziale Schichten und Generationen, wecken Emotionen. Das Publikum ist
d abei mehr als nur Hintergrundkulisse. Es
­
­liefert einen entscheidenden Beitrag zur positiven Atmosphäre.
Ein Fussballspiel ohne Zuschauer ist wie
ein Musikkonzert ohne Ton, ein Karneval ohne
Kostüme oder eine Stadtrundfahrt mit der
U-Bahn. Etwas Wichtiges fehlt.
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch: Für
die FIFA ist es von höchster Priorität, dass bei
Publikumsausschreitungen mit Konsequenz
durchgegriffen wird und harte Strafen verhängt werden. Im vergangenen Jahr hat der
Kongress auf Mauritius die Resolution gegen
Rassismus und Diskriminierung einstimmig
angenommen und einen klaren Strafenkatalog
festgelegt: Beim ersten Verstoss kann eine
­Verwarnung oder eine Busse gegen die Teams
der fehlbaren Anhänger ausgesprochen werden. Im Wiederholungsfall oder bei schweren
Vergehen sind Punktabzüge oder der Ausschluss aus dem Wettbewerb vorgesehen.
Geisterspiele sind in diesem Katalog zwar
auch vorgesehen, aber ich erachte sie als ein
höchst fragwürdiges Instrument. Sie stellen
eine unverhältnismässige Kollektivbestrafung
dar. Schliesslich werden auch die Fans jener
Mannschaften ausgesperrt, die unschuldig sind.
Letztlich sind Geisterspiele eine Strafe gegen
den Fussball, die weit übers Ziel hinausschiesst.
Es sind die Krawallmacher, die sanktioniert werden müssen. Für mich ist aber klar:
Verantwortlich für die Chaoten sind die Klubs.
Und so bleibt in meinen Augen nur ein
­Lösungsansatz: Sportliche Sanktionen sind die
effektivste Strafe. Es muss den Klubs richtig
wehtun, sonst ändert sich nichts.
Ihr Sepp Blatter
T H E F I FA W E E K LY
23
A FIFA World Cup
in Brazil is just like Visa:
everyone is welcome.
™
TM & © 2014 Lucasfilm Ltd. All Rights Reserved. Used Under Authorization.
ANDREAS HERZOG
Ein
Österreicher
in Amerika
Einst bei Bayern
Andreas Herzog (l.)
und Jürgen Klinsmann
gingen schon bei
Bayern München
gemeinsam durch dick
und dünn.
Andreas Jaros
G
o West! Vor genau zehn Jahren war
Andreas Herzog schon einmal dem Ruf
von Jürgen Klinsmann gefolgt. Als Berater von L. A. Galaxy hatte sein ehemaliger
Teamkollege beim FC Bayern München
dem österreichischen Rekordinternationalen den Ausklang seiner aktiven Karriere in
Kalifornien schmackhaft gemacht.
Somit fühlte sich der Wiener ab Frühjahr
2004 eine Saison lang wie in einem Roadmovie –
mit ihm selbst in der Hauptrolle: Am Steuer
e­ ines Jeeps durfte der frühere Spielmacher von
Format auf einer Palmen-Allee zum Training
cruisen, von Newport nach Carson: So technicolor-bunt kann der graue Alltag eines Profis im
Indian Summer seiner Karriere schillern.
Beeindruckende Organisation
Im Sommer freilich, als Klinsmanns Co-Trainer bei der amerikanischen Nationalmannschaft, werden Urlaubsgefühle keinen allzu
grossen Platz haben. Die Reise führt nach
Brasilien zur Fussball-WM. Eine Mission
­
­impossible? Die Vorrundengegner im Juni lauT H E F I FA W E E K LY
ten: Titelanwärter Deutschland, Ronaldos Portugal, Ghana, Africas Finest, – eine starke
­M ischung, ganz so wie die Melange und der
Tee im Altwiener Café, in dem Andreas Herzog
über die WM spricht.
Der 45-Jährige hat die amerikanisch-deutsche Siegermentalität verinnerlicht, macht
sich keinen Kopf angesichts der Gruppengegner. Gelassen nimmt er einen Schluck von seinem Tee: “Klar ist das eine schwere Gruppe.
Deutschland ist der Favorit. Aber wir haben
die wichtigen Qualifikationsspiele 2013 fast
alle gewonnen. Wir sind Gold-Cup-Sieger,
25
imago
“Horrorgruppe”? Die weiteste Anreise in Brasilien? Das ist Andreas Herzog
egal. Österreichs einziger WM-Beitrag träumt als Co-Trainer der amerikanischen Nationalmannschaft den American Dream. Eine Begegnung in Wien.
ANDREAS HERZOG
Heute für die USA
Rot-Blau spielt auch in
der Gegenwart eine
entscheidende Rolle bei
Trainer Klinsmann (l.)
und Assistent Herzog.
26
Die richtigen Schlüsse ziehen
Herzog, der weiterhin seinen Hauptwohnsitz
in Wien hat und nur zu Trainingslagern und
Länderspielen über den grossen Teich jettet,
ist quasi der Europa-Beauftragte im US-­
Betreuerstab. Er hält durch zahlreiche Match­
besuche und moderne Kommunikationsmittel
Kontakt zu den in Europa tätigen Legionären
und ihren Klubtrainern. Als Scout wird er tat­
kräftig von Matthias Hamann unterstützt,
dem Bruder des deutschen Ex-Internationalen
Didi Hamann.
Als Co-Trainer sieht sich Herzog nicht als
jemand, “der nur die Hütchen aufstellt. Ich
kann schnell ein Spiel lesen und die richtigen
Schlüsse daraus für das Training ziehen.”
Das macht Herzog neuerdings mit Tab Ra­
mos, gegen den der Österreicher bei der WM
1990 beim 2:1 gegen die USA in Florenz noch
T H E F I FA W E E K LY
spielte. Ramos, bis vor kurzem erfolgreicher
Coach des U20-Teams, wurde von Klinsmann
vor dem Testmatch gegen Mexiko Anfang April
überraschend anstelle des bisherigen Assisten­
ten Martin Vasquez in den Trainerstab gehievt.
Überstrahlt wurde diese Personalie freilich
vom neuen “Sonderberater” des US-Teams B
­ erti
Vogts. Der letzte deutsche Teamchef, der – mit
der Europameisterschaft 1996 in England – ei­
nen grossen Titel gewann, soll Trainingspläne
entwickeln, die WM-Gegner beobachten und
auch das Scouting unterstützen.
US-Fussball-Boom
Der Stil von Jürgen Klinsmann imponiert
­Herzog: “Diese Planungs- und Detailarbeit, die
ständige Bereitschaft, immer offen für Neues
zu sein.” Dazu die Gewinner-Mentalität, die
Klinsmann als Welt- und Europameister aus
pixathlon
s­ iegten in zwölf Partien am Stück, was neuer
­Rekord war. Hinter uns liegen die zwei besten
Jahre in der Geschichte des amerikanischen
Fussballs.”
Herzog sieht die weiten Wege zu den Spiel­
orten Natal, Manaus und Recife sowie die
­k limatischen Bedingungen als die grösseren
­Herausforderungen an. Infrastrukturell aber
wurden die Hausaufgaben bereits erledigt.
“Jürgen [Klinsmann] hat schon alles gecheckt,
Hotels und Trainingsplätze.” Als erste auslän­
dische Truppe hielten die Amerikaner im Ja­
nuar ein Camp an Ort und Stelle ab. Das Trai­
ningszentrum des FC Sao Pãulo in Barra Funda
wird auch in den WM-Tagen ihre Homebase
sein. “WM-Fieber hat noch keines geherrscht,
aber die Organisation war beeindruckend”, bi­
lanziert der 103-fache Ex-Internationale die
knapp zwei Schnupperwochen.
ANDREAS HERZOG
Name
Andreas Herzog
Geburtsdatum, Geburtsort
10. September 1968, Wien (Österreich)
Stationen als Spieler
SK Rapid Wien, FC Vienna, Werder Bremen,
FC Bayern München, L.A. Galaxy
Stationen als Trainer
Assistent Nationalmannschaft Österreich,
U-21-Headcoach Österreich,
Assistent Nationalmannschaft USA
Familienstand
Verheiratet mit Kathi,
zwei Söhne (Luca, 6, Louis, 3)
imago
Am Ball
Andreas Herzog 1997
im Dress der
österreichischen
Nationalmannschaft.
seiner goldenen Stürmer-Ära importiert. “Er
geht immer von einem Sieg aus, auch auswärts”,
sagt Herzog. Klinsmann kann eine Siegquote
von 69,3 Prozent ausweisen, mit der er ins WMJahr einstieg – ein Alltime High für einen
US-Teamchef.
Auch die heimische Meisterschaft, Major
League Soccer, verleitet zunehmend zu Optimismus. David Beckham wird in den nächsten
Jahren eine Mannschaft in Miami hochziehen.
Herzog: “Dazu sind zwei unserer wichtigsten
Spieler von europäischen Topligen heimgekehrt. Michael Bradley wechselte von der­
AS Roma zu Toronto, Clint Dempsey von Totten­
ham zu den Seattle Sounders. Alles Zeichen dafür, dass die Liga boomt.”
Auch der Unterbau scheint zu stimmen.
“Weil es mehr Akademien gibt, wird das taktische Niveau auch immer besser. Früher ist der
“Hinter uns
liegen die zwei
besten Jahre in
der Geschichte
des amerikanischen Fussballs.”
Andreas Herzog
T H E F I FA W E E K LY
Nachwuchs übers College gekommen, in dem
nur ein paar Monate im Jahr Fussball gespielt
wird – ein klarer Nachteil gegenüber Europa.”
Sprungbrett WM
Auch im Basketball sind die Soccer Boys eine
Wucht, verrät Andreas Herzog: “Wir haben
drei, vier Nationalspieler, die unglaublich
sprungstark und treffsicher sind. In diese Höhe
wäre ich in meiner aktiven Zeit nicht einmal
mit dem Trampolin gesprungen.”
Ein Sprungbrett soll für ihn die WM
­werden, auch wenn er sich genauso gut “eine
Vertragsverlängerung vorstellen” kann. “Ich
würde mir gerne in Brasilien einen Namen
machen und danach erstmals als Cheftrainer
arbeiten, entweder in der amerikanischen
Liga oder in Europa.” Das Zeug dazu hätte der
Wiener bestimmt. Å
27
game onor game over
all in or nothing
adidas.com/worldcup
© 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.
W E E K LY ’ S 11
FREE KICK
Legendäre
Kommentatoren
Stimmen aus
dem Äther
Sarah Steiner
Ü
ber 500 Medienunternehmen werden
während der Weltmeisterschaft in Brasilien über die Siege und Niederlagen berichten. Die WM wird so in Echtzeit in
die Wohnzimmer, Bars und Public-Viewing-Zonen dieser Welt übertragen werden. Neymar schiesst Brasilien in das Finale,
Ribéry vermasselt eine Riesenchance, Messi
macht Argentinien zum Weltmeister – und wir
sind mittendrin statt nur dabei.
Dank der modernen Technik ist dies heute
problemlos möglich. Ton- und /oder Bildaufnahmen werden an eine Sendezentrale weitergeleitet, diese wiederum leitet das Signal an
die Fernsehtürme und zu den Sendestationen
für die Satelliten. Und von ebendiesen gelangen die Fussballspiele dann in die Radio- und
Fernsehgeräte weltweit – mit einer Zeitverzögerung von wenigen Sekunden. Gleich nach
dem Spiel folgen Interviews mit den Topstars,
Spielanalysen mit Experten und Hintergrundberichte zu Trainer und Betreuern. Das Rundumpaket – Fussballherz was willst du mehr?
Was uns heute als selbstverständlich
­erscheint, steckte vor nicht einmal hundert
Jahren noch in den Kinderschuhen. Die erste
­Radioübertragung eines Fussball-Länderspiels
fand vor genau 88 Jahren statt, am 18. April
1926. Im Düsseldorfer Rheinstadion standen
sich Deutschland und die Niederlande gegenüber. Sportkommentator Bernhard Ernst hatte
sich mit seinem Mikrofon hinter einem der
Tore postiert und war bereit. Das Stadion war
mit 60 000 Zuschauern gefüllt, und als über
10 000 Fans ohne Eintrittskarte die Anlage
stürmten und sich rund um den Spielfeldrand
niederliessen, machte sich der Reporter auf
den Weg auf die Tribüne, wo für ihn ein zweiter
Kommentatorenplatz eingerichtet war. Erst 30
­ inuten nach Anpfiff erreichte er den neuen
M
Platz – und stellte verdutzt fest, dass ein Post­
inspektor seinen Job übernommen hatte. Der
Laie hatte das verwaiste Mikrofon ergriffen
und kommentierte fachkompetent das Spiel.
Damit die Zuhörer auch wirklich auf ihre
Rechnung kamen, wurden im Vorfeld der
Übertragungen Orientierungspläne in den
Rundfunkzeitschriften veröffentlicht. Diese
Grafiken teilten das Spielfeld in Planquadrate
ein, auf die der Kommentator während der
Übertragung verweisen konnte. “Der Ball fliegt
von A5 nach D8, wird nach A7 geflankt. Gefahr
in B8!”, klang es da durch den Äther.
Die Nutzung dieser Pläne setzte sich in
der Praxis jedoch nicht durch und wurde
schon bald nicht mehr vorangetrieben. Es
stellte sich heraus, dass Sportreportagen von
der journalistischen und sprachlichen Kunst
der Reporter leben. Zumindest daran hat sich
nichts geändert. Å
Die wöchentliche Kolumne aus der
The-FIFA-Weekly-Redaktion
T H E F I FA W E E K LY
1
T iziano Crudeli, Italien. Bei Spielen
seines Lieblingsklubs AC Milan ist der
Kult-Kommentator völlig aus dem Häusschen: Er singt, weint, schreit und jubelt.
2
Marcel Reif, Deutschland. Seit 1972 ist
er mit Sätzen wie “Je länger das Spiel
­dauert, desto weniger Zeit bleibt”, von den
Bildschirmen kaum mehr wegzudenken.
3
Kwabena Yeboah, Ghana. Einer der beliebtesten Kommentatoren Afrikas. Treffer feiert er mit einem lauten “Oluwaaaa”
meist gefolgt von einem “Wunderbar!”
4
Galvão Bueno, Brasilien. In Brasilien ist
er ein Star. Sein Herz schlägt für sein Land
und er lebt für den Sport wie kein Zweiter.
5
John Motson, England. Im Mutterland
des Fussballs ist Motty eine Legende.
Durch 1500 Spiele hat er die Zuhörerschaft in seiner Kar­r iere begleitet.
6
Andres Cantor, USA. Der Reporter eines
spanischsprachigen TV-Senders ist durch
sein lautes und langanhaltendes
“Gooooool” weltberühmt.
7
Zama Masondo, Südafrika. Statt “Goal”
schreit er “Laduma” (“Es donnert”, in
Zulu) und gibt den besten Spielern auf
dem Platz gerne Spitznamen.
8
Eugène Saccomano, Frankreich. Seine
Stimme steht für Fussball. Eine Ballberührung des eigenen Spielers 40 Meter
vor dem Tor kann ihn bereits aus der
Fassung bringen.
9
Peter Wong, Hongkong. Sprüche wie “Es
gibt nur zwei Möglichkeiten bei Penaltys:
Entweder gehen sie rein oder nicht”, sind
in ihrem Witz typisch für den Reporter.
10
G
eorgios Helakis, Griechenland. Regelmässig flippt er aus. Er hat dem griechischen Nationalteam den Spitz­namen
Piratenschiff verpasst.
11
Jack van Gelder, Niederlande. Beim Feiern des Siegtores im WM-Viertelfinale
1998 schrie er sich heiser. “Dennis Bergkamp, Dennis Bergkamp, Dennis Bergkamp ...!!!” in der Endlosschlaufe.
Welches sind Ihre Lieblinge im TV?
Ihre Meinung an:
[email protected]
29
FULECO
→ http://de.mascot.fifa.com/
Das Vorbild-Maskottchen
Sarah Steiner
W
er oder was repräsentiert Brasilien am
besten? Der Charakter, der das offizielle Maskottchen für die WM werden
sollte, musste eine harte Prüfung
­bestehen. Neben seinem brasilianischen Ursprung sollte er einzigartig
sein und vor allem ein breites Publikum
a nsprechen. Die Wahl fiel auf das Dreibin­
den-Gürteltier. Aufgrund seiner Eigenschaft,
sich bei Gefahr zu einer Kugel zusammenzurollen und so die Form eines Fussballs anzunehmen, hat es sich gegen seine Konkurrenz
durchgesetzt.
Mehr Ökologie
Im Rahmen eines Ideenwettbewerbs hatten 6
brasilianische Agenturen 47 verschiedene Vorschläge für das Maskottchen eingereicht. Bei
der Auswahl berücksichtigten die FIFA und das
lokale Organisationskomitee insbesondere
auch die Ergebnisse breitangelegter Befragun-
gen der wichtigsten Zielgruppe: brasilianische
Kinder zwischen fünf und zwölf Jahren. “Eine
grosse Rolle spielte aber auch, dass es sich beim
Dreibinden-Gürteltier um eine gefährdete
­Tierart handelt”, betont FIFA-Generalsekretär
Jérôme Valcke. “Eines unserer Hauptanliegen
im Umfeld der WM ist es, die Veranstaltung als
Plattform zu nutzen, um für mehr Ökologie und
Umweltschutz zu werben.” Und so steht auch
der Name ganz im Zeichen der Nachhaltigkeit.
17 Millionen Teilnehmer
Fuleco ist eine Verschmelzung von “Futebol”
(Fussball) und “Ecologia” (Umweltschutz). In
einer Onlineabstimmung mit über 1,7 Millionen Teilnehmenden entschieden sich 48 Prozent dafür. Das Maskottchen wird an der WM
in allen zwölf Stadien präsent sein und als
Umweltschutz-Botschafter auftreten. Die
­
­Zuschauer sollen insbesondere für das Thema
Abfallentsorgung sensibilisiert werden. Denn
die WM soll die Menschen weltweit animieren,
sorgsam mit der Umwelt umzugehen.
T H E F I FA W E E K LY
Erfolg auf allen Kanälen
Das Gürteltier setzt eine lange Tradition der
offiziellen WM-Maskottchen fort, die 1966 in
England mit World Cup Willie begann und
seither viele legendäre Charaktere hervorgebracht hat (siehe The FIFA Weekly, Nr. 23). Es
wird das visuelle Erscheinungsbild der WM
wesentlich prägen und hat schon heute, knapp
60 Tage vor der WM, unglaublichen Erfolg.
Über 520 000 Facebook-Likes, ein eigener
Twitter-Account und eine Website. Sogar ein
eigener Song, der im offiziellen WM-­A lbum
vertreten sein wird, wurde Fuleco gewidmet.
In Brasilien ist er bereits ein Star, und
auch weltweit ist Fuleco auf dem besten Weg
dazu, das beliebteste Maskottchen in der Geschichte der Weltmeisterschaft zu werden. Å
31
Stuart Franklin / FIFA via Getty Images
Fuleco ist auf bestem Weg das beliebteste Maskottchen in der
Geschichte der Weltmeisterschaft zu werden. Als Botschafter für Brasilien
stehen Fussball und Ökologie im Mittelpunkt seiner Mission.
ZEITSPIEGEL
T
H
E
N
München,
Deutschland
1974
imago
Es sollte reichen: Deutsche Fans mit
­Fussbällen auf den Hüten am Tag vor dem
WM-Finale in der Münchner Innenstadt.
Ihr Team gewann am 7. Juli 1974 gegen die
Niederlande 2:1.
32
T H E F I FA W E E K LY
ZEITSPIEGEL
N
O
W
Rio de Janeiro,
Brasilien
2014
Silvia Izquierdo / AP
Bälle als Hut: Nach dem Münchner Beispiel
ein gutes Omen für die WM-Kampagne des
brasilianischen Teams?
T H E F I FA W E E K LY
33
EVERY GASP
EVERY SCREAM
EVERY ROAR
EVERY DIVE
EVERY BALL
E V E RY PAS S
EVERY CHANCE
EVERY STRIKE
E V E R Y B E AU T I F U L D E TA I L
SHALL BE SEEN
SHALL BE HEARD
S H A L L B E FE LT
Feel the Beauty
BE MOVED
THE NEW 4K LED TV
“SONY” and “make.believe” are trademarks of Sony Corporation.
DAS FIFA-R ANKING
Rang Team
1
2
3
4
5
6
6
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
25
25
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
46
47
47
49
50
51
52
53
54
54
56
56
58
59
59
61
62
63
64
65
66
67
68
69
70
71
72
73
74
75
76
76
Rang­veränderung Punkte
Spanien
Deutschland
Portugal
Kolumbien
Uruguay
Argentinien
Brasilien
Schweiz
Italien
Griechenland
0
0
1
1
1
-3
3
-1
-1
3
1460
1340
1245
1186
1181
1174
1174
1161
1115
1082
England
Belgien
USA
Chile
Niederlande
Frankreich
Ukraine
Russland
Mexiko
Kroatien
Elfenbeinküste
Schottland
Dänemark
Ägypten
Bosnien und Herzegowina
Schweden
Algerien
Ecuador
Slowenien
Serbien
Rumänien
Honduras
Armenien
Costa Rica
Panama
Tschechische Republik
Iran
Ghana
Türkei
Österreich
Venezuela
Kap Verde
Peru
Ungarn
Nigeria
Slowakei
Japan
Wales
Tunesien
Kamerun
Guinea
Finnland
Usbekistan
Paraguay
Montenegro
Republik Korea
Norwegen
Island
Mali
Australien
Burkina Faso
Libyen
Senegal
Jordanien
Republik Irland
Südafrika
Vereinigte Arabische Emirate
Bolivien
El Salvador
Albanien
Sierra Leone
Polen
Bulgarien
Sambia
Saudiarabien
Trinidad und Tobago
Marokko
1
-2
1
1
-4
1
1
1
1
-4
3
15
-1
2
-4
2
0
-5
2
-2
1
4
8
0
-6
-6
5
-3
-1
4
-2
-9
-3
-1
2
4
1
2
-5
0
2
6
2
5
-8
4
1
-6
-3
4
1
9
6
2
3
-2
-6
2
9
-16
1
1
-6
0
0
0
1
1043
1039
1015
1011
967
935
913
903
876
871
830
825
819
798
795
795
795
790
787
759
756
754
750
744
739
731
715
713
711
673
670
665
653
623
620
616
613
613
597
583
580
578
577
555
555
551
551
546
545
545
528
522
511
510
504
500
499
497
488
486
484
479
460
456
455
454
454
Rang
Nov 2013
Dez 2013
Jan 2014
→ http://de.fifa.com/worldranking/index.html
Feb 2014
Mrz 2014
Apr 2014
1
-41
-83
-125
-167
-209
78
79
80
81
82
83
84
85
86
87
88
89
90
91
92
93
94
95
96
97
98
99
100
101
102
103
104
105
106
106
108
109
110
111
112
113
114
115
116
117
118
119
120
121
122
122
124
125
126
127
128
129
129
131
131
133
134
135
136
137
138
139
140
141
142
143
143
Platz 1 Aufsteiger des Monats Israel
Haiti
EJR Mazedonien
Oman
Jamaika
Belarus
Nordirland
Aserbaidschan
Uganda
Gabun
DR Kongo
Togo
Kuba
Botsuana
Kongo
Estland
Angola
Katar
VR China
Benin
Simbabwe
Moldawien
Irak
Äthiopien
Niger
Georgien
Litauen
Bahrain
Kenia
Zentralafrikanische Republik
Kuwait
Lettland
Kanada
Neuseeland
Luxemburg
Äquatorial-Guinea
Mosambik
Libanon
Vietnam
Sudan
Kasachstan
Liberia
Namibia
Malawi
Tansania
Afghanistan
Guatemala
Burundi
Dominikanische Republik
Malta
Zypern
Suriname
Ruanda
Gambia
Syrien
Tadschikistan
Grenada
St. Vincent und die Grenadinen
Neukaledonien
DVR Korea
Lesotho
Antigua und Barbuda
Thailand
St. Lucia
Malaysia
Belize
Philippinen
T H E F I FA W E E K LY
-13
0
2
0
-2
0
2
6
-1
1
-4
0
3
4
-5
-1
2
6
2
-3
4
9
3
-1
2
-4
1
1
3
1
2
4
2
-21
8
6
1
1
9
5
9
-22
4
-7
-5
5
2
4
-15
7
-6
2
5
5
6
-12
-2
4
-18
-4
5
5
8
5
-1
-3
-13
Absteiger des Monats
450
446
443
418
414
404
400
398
395
386
380
374
371
369
367
366
347
336
333
332
329
325
324
319
315
303
293
289
284
284
283
273
272
271
266
261
252
251
242
241
235
234
233
227
226
226
224
215
212
204
201
197
197
190
190
188
184
181
174
172
159
158
156
155
153
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145
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153
155
156
157
158
159
160
161
162
163
164
164
166
167
168
169
170
171
172
173
174
174
176
177
178
179
180
181
182
183
184
184
186
187
188
189
190
191
191
191
194
195
195
197
197
199
200
201
202
202
204
205
206
207
207
207
Singapur
Indien
Kirgisistan
Puerto Rico
Liechtenstein
Guyana
Indonesien
Mauretanien
Malediven
St. Kitts und Nevis
Aruba
Turkmenistan
Tahiti
Hongkong
Nepal
Dominica
Pakistan
Barbados
Bangladesch
Palästina
Färöer
São Tomé und Príncipe
Nicaragua
Bermuda
Tschad
Chinese Taipei
Guam
Salomon-Inseln
Sri Lanka
Laos
Myanmar
Mauritius
Seychellen
Curaçao
Swasiland
Jemen
Vanuatu
Fidschi
Samoa
Komoren
Guinea-Bissau
Bahamas
Mongolei
Montserrat
Madagaskar
Kambodscha
Brunei Darussalam
Osttimor
Tonga
Amerikanische Jungferninseln
Cayman-Inseln
Papua-Neuguinea
Britische Jungferninseln
Amerikanisch-Samoa
Andorra
Eritrea
Südsudan
Somalia
Macau
Dschibuti
Cook-Inseln
Anguilla
Bhutan
San Marino
Turks- und Caicos-Inseln
4
7
-1
3
2
3
3
3
4
3
7
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-19
-13
1
-1
-3
-1
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1
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0
0
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0
0
0
144
144
143
143
139
137
135
127
124
124
122
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116
111
107
103
102
101
98
91
91
86
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83
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75
74
73
73
67
66
65
64
60
55
47
45
43
43
40
35
33
32
28
26
26
26
23
21
21
18
18
16
11
10
8
8
6
5
3
0
0
0
35
NET ZER WEISS ES!
DAS OBJEK T
Weshalb können nur
“grosse” Teams die WM
gewinnen?
Frage von Bill Pollock, Dundonald (Schottland)
Perikles Monioudis
E
s wäre vielleicht ganz nett, würde auch
mal ein “kleines” Fussballland die WM
gewinnen. Wenn Sie darauf anspielen
wollen, Herr Pollock, gebe ich Ihnen
recht. Aber so einfach ist das nicht. Die
acht bisherigen Weltmeister-Nationen
haben eine lange Entwicklungsgeschichte hinter sich. Das macht es für die anderen Länder
in ihren Aussenseiterrollen schwierig.
Einen jungen Fussballer gut auszubilden
kostet Geld. Sein Talent muss gefördert werden. Da fängt das Problem aber schon an: Wer
erkennt die Fähigkeiten eines unbekannten
Jugendspielers? Und wer begleitet den jungen
Fussballer danach auf seinem Weg? In wirtschaftlich schwachen Ländern sind hochbegabte Jugendliche auf sich alleine gestellt.
Kommen sie vom Weg ab, hört man nie wieder
was von ihnen.
Natürlich fehlt es diesen Nationen auch an
der nötigen Infrastruktur, die für den Aufbau
so unverzichtbar ist. Die guten Spieler verlassen das Land und kehren erst wieder in ihre
Heimat zurück, wenn ihr Karriereende ansteht.
Und die grossen Coachs des internationalen
36
Fussballgeschäfts lassen sich nicht auf Experimente oder Entwicklungsarbeiten in fremden
Ländern ein.
Wichtig scheint mir auch, dass an einem
vierwöchigen Turnier viele, scheinbar kleine
Faktoren zusammenkommen, die eine gewisse Erfahrung voraussetzen. Ich denke an die
Planung, an die Ernährung oder an die Konstanz über sechs Spiele bis zum Finale. Der
­a frikanische Fussball zum Beispiel gefällt mir
richtig gut. Aber für einen grossen Titel wird
es den potenziellen Favoriten aus der Elfenbeinküste oder Ghana auch dieses Mal nicht
ganz reichen. Å
Was wollten Sie schon immer über
Fussball wissen? Fragen Sie Günter
Netzer: [email protected]
T H E F I FA W E E K LY
imago
Je kleiner die Fans, desto grösser die Autogrammkarte
Die Kleinen dürfen noch nicht in Netzers Pop-Diskothek “Lovers Lane”.
Wie erzählt man ein Fussballspiel nach? Im
Wesentlichen stehen dem Autor zwei Möglichkeiten offen: die chronologische und die synoptische. Erstere ist unter Sportjournalisten verpönt. Denn wer will schon einen Bericht lesen,
der mit dem Kick-off beginnt und mit dem
Schlusspfiff endet? Wichtiger ist es doch wohl,
nicht erst ganz am Schluss des Berichts zu
­erfahren, wie das Spiel ausgegangen ist.
Die andere Möglichkeit besteht darin, synoptisch vorzugehen: ganz so wie die attischen
Vasenmaler, die lang währende Kriege oder
noch so komplizierte Verstrickungen einiger
weniger Leute– Götter, Halbgötter usf. – auf
ihre Tonvasen bannten. Dabei ging ihre künstlerische Freiheit so weit, dass sie Personen oder
Figuren nebeneinander darstellten, die sich in
Wirklichkeit niemals begegnet sind. Ihr Bestreben war, in einem einzigen Bild zu zeigen,
was wichtig für den Sachverhalt ist – unabhängig von den Zufälligkeiten des Faktischen.
Kommen wir zurück zum Fussball und
­u nserem Autor, der sich entscheiden muss. Er
wählt den synoptischen Ansatz und beginnt
mit dem Mittelfeld des siegreichen Teams. Er
beschreibt es als innovativ, zielführend, inspiriert, und er kommt anschliessend auf die
­beiden Stürmer zu sprechen, die gemeinsam
die drei Treffer zum 3:1-Sieg erzielten.
Könnte er nicht nur schreiben, sondern
auch noch zeichnen, hätte unser Autor eine
Bildergeschichte herstellen können, die diese
beiden Disziplinen und ausserdem das chronologische und das synoptische Moment vereint:
“The Final for The Association Cup at Kennington Oval”. 1891 entstanden und seit längerem in der FIFA-Sammlung vertreten, handelt
es sich bei der Bildgeschichte des englischen
Cup-Finals um einen Holzschnitt von S.T.
Dadd. Der Engländer fertigte eine Vielzahl solcher Fussball-Holzschnitte an. Wir sind ihm
heute dankbar. Å
TURNING POINT
“Eine Mutter
muss Fussballerin
sein können.”
Die ehemalige schwedische
Nationalspielerin Hanna Marklund beendete ihre Karriere,
als sie schwanger wurde. Sie
fordert im Fussball bessere
Unterstützung für Mütter.
Carl Sandin / Bildbryan / freshfocus
I
ch hatte das grosse Glück, Vollzeit-Profispielerin zu sein. Als ich schwanger wurde,
war für mich aber klar, dass ich meine Karriere beenden werde. Das war okay. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Jahre
für das Nationalteam gespielt, war zurück
bei meinem Jugendklub Sunnana SK. Ich wollte nicht mehr so viel reisen, und spürte, dass
die Zeit gekommen war, die Fussballschuhe an
den Nagel zu hängen.
Doch es trifft zu, dass die Unterstützung
für schwangere Fussballspielerinnen nicht riesig ist. Und es ist schwierig, als Mutter weiterhin
im Profisport tätig zu sein. Es wäre wichtig und
zeitgemäss, Möglichkeiten zu schaffen, damit
Spielerinnen mit ihrer Familie reisen und am
täglichen Trainingsbetrieb teilnehmen können.
Die Leute müssen akzeptieren, dass Fussball­
spielerin ein Fulltime-Job ist. Eine Mutter muss
Teil der Mannschaft sein können.
Ich hoffe, das wird irgendwann Realität.
Denn der Frauenfussball entwickelt sich kontinuierlich. Die Trainingsmöglichkeiten werden
besser und damit auch die Voraussetzungen für
die Mädchen, gute Spielerinnen werden zu können. Heute sind die Machtverhältnisse im Frauenfussball auf mehrere Nationen verteilt, und
es kommen immer mehr Nationen dazu.
Fussball bleibt Fussball, egal, wer ihn spielt.
Taktik und Technik verändern sich nicht. Die
oberste Prämisse, um Erfolg zu haben, ist der
Teamgeist – bei Mann und Frau. Damit dieser
funktioniert, muss man arbeiten. An sich, an
seinen Fehlern, aber auch am Umgang mit den
Menschen. Ich habe das schon früh gelernt. Ich
bin zusammen mit meinen beiden Schwestern
in einem kleinen Dorf aufgewachsen. Dort spielten alle Fussball, also taten wir es auch. Wir sind
alle drei dem Fussballvirus erlegen. Meine
Schwestern sind meine besten Freundinnen und
die wichtigsten Menschen in meinem Leben.
Name
Hanna Marklund
Geburtsdatum, Geburtsort
26. November 1977, Skelleftea
Position
Verteidigerin
Vereine
1990–1999Sunnana SK
2000–2004 Umea IK
2005–2008 Sunnana SK
Nationalteam Schweden
118 Spiele, 6 Tore
Wir motivierten uns enorm, waren gegenseitig
unsere Trainerinnen, unsere Gegnerinnen, unser Ansporn: Wir waren und sind das perfekte
Team.
In Schweden ist der Mädchen- und Frauenfussball gut entwickelt. Das hat mir geholfen,
eine Profikarriere zu lancieren. Die Perspektiven waren gut, es war nicht ein Schuss ins
Blaue. Trotzdem habe ich auf Lehramt studiert,
denn ich dachte immer, es würde sich lohnen,
neben dem Sport noch etwas in der Hinterhand
zu haben. Der Fokus lag aber ganz klar auf dem
Fussball. Ich war vernarrt in ihn.
In Umea haben sich mir immense Möglichkeiten eröffnet. Das Training war hart aber
professionell, und ich hatte die Gelegenheit,
mit den besten Spielerinnen der Welt zu trainieren. Es hat mir die Tür zur schwedischen
Nationalmannschaft geöffnet, die Tür zu wunderschönen Momenten. Natürlich gab es auch
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die weniger schönen. Das WM-Finale 2003 zum
Beispiel. Wir hatten unseren Weg gemacht, waren bis ins Endspiel gekommen und verloren
dann gegen Deutschland. Wir waren eigentlich
gut vorbereitet. Aber es war wie so oft gegen die
Deutschen: Am Ende hatten sie in den entscheidenden Situationen das kleine Etwas mehr als
wir. Man kann nicht von Glück sprechen, das
ist es nicht. Es ist eine Art Kultur, die sich im
Team entwickeln muss. Deutschland hatte sie:
diesen unbedingten Willen zu gewinnen. Å
Aufgezeichnet von Sarah Steiner
Persönlichkeiten des Fussballs erzählen
von einem wegweisenden Moment in
ihrem Leben.
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The FIFA Weekly
Eine Wochenpublikation der
Fédération Internationale de Football
Association (FIFA)
FIFA - R ÄT SEL - CUP
Internet:
www.fifa.com/theweekly
Zwei Bälle, drei Hymnen, vier Topstürmer – und Vereinigte Staaten als Weltmeister? Raten Sie mit!
Herausgeberin:
FIFA, FIFA-Strasse 20,
Postfach, CH-8044 Zürich
Tel. +41-(0)43-222 7777
Fax +41-(0)43-222 7878
Präsident:
Joseph S. Blatter
Generalsekretär:
Jérôme Valcke
Direktor Kommunikation
und Öffentlichkeitsarbeit:
Walter De Gregorio
1
Chefredakteur:
Perikles Monioudis
Zwei der wertvollsten Bälle der WM-Geschichte – wenn sie wirklich echt sind. Wie viele Jahre
trennen die beiden Weltmeisterschaften mit diesen Bällen?
F 24
B 36
H 48
C 60
Redaktion:
Thomas Renggli (Autor),
Alan Schweingruber, Sarah Steiner
I
Art Direction:
Catharina Clajus
O
Bildredaktion:
Peggy Knotz
Produktion:
Hans-Peter Frei
Layout:
Richie Krönert (Leitung),
Marianne Bolliger-Crittin,
Susanne Egli, Mirijam Ziegler
A
2
E
Wer wurde in drei verschiedenen Ländern Torschützenkönig der höchsten Liga?
Korrektorat:
Nena Morf, Kristina Rotach
Ständige Mitarbeiter:
Sérgio Xavier Filho, Luigi Garlando,
Sven Goldmann, Hanspeter Kuenzler,
Jordi Punti, David Winner,
Roland Zorn
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I Star Spangled Banner
R Du gamla, Du fria
Mitarbeit an dieser Ausgabe:
Andreas Jaros, Peter Kanjere,
Giovanni Marti, Markus Nowak,
Andreas Wilhelm (Bild)
Redaktionssekretariat:
Honey Thaljieh
Bei einer WM wurden vor den Spielen insgesamt nur drei verschiedene Nationalhymnen gespielt: Eine war die Hymne von Uruguay,
eine die von Deutschland. Welches war die dritte?
L God Save The Queen
YMarseillaise
Projektmanagement:
Bernd Fisa, Christian Schaub
Die Vereinigten Staaten haben noch nie die WM der Männer gewonnen?
Doch, ein Land namens “Vereinigte Staaten” hat den WM-Pokal geholt.
Wann?
Übersetzung:
Sportstranslations Limited
www.sportstranslations.com
E1950
4
L1962
K1994
D2002
Druck:
Zofinger Tagblatt AG
www.ztonline.ch
Kontakt:
[email protected]
Der Nachdruck von Fotos und
Artikeln aus The FIFA Weekly,
auch auszugsweise, ist nur mit
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hergestellt und gedruckt.
Ansichten, die in The FIFA Weekly
zum Ausdruck gebracht werden,
entsprechen nicht unbedingt den
Ansichten der FIFA.
Das Lösungswort des Rätsel-Cups aus der Vorwoche lautete: PACE (ausführliche Erklärungen auf www.fifa.com/theweekly).
Inspiration und Umsetzung: cus
Bitte senden Sie Ihre Lösung bis zum 23. April 2014 an die E-Mail
[email protected]. Die richtigen Einsendungen aller Rätsel
bis zum 11. Juni 2014 nehmen an der Verlosung von zwei Eintrittskarten
für das WM-Finale am 13. Juli 2014 teil. Vor der Einsendung ihrer
Antworten müssen die Teilnehmenden die Teilnahmebedingungen des
Gewinnspiels sowie die Regeln zur Kenntnis nehmen und akzeptieren,
die unter folgendem Link zur Ansicht bereit stehen:
http://de.fifa.com/aboutfifa/organisation/the-fifa-weekly/rules.pdf
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FR AGEN SIE DIE FIFA!
UMFR AGE DER WOCHE
Wird Liverpool nach 24 Jahren
wieder Meister?
Wann und weshalb wurde die
Dreipunkte-Regel eingeführt?
Diana Morf, Winterthur (Schweiz)
Die Antwort von Thomas Renggli:
Die FIFA beschloss 1994, für
einen Sieg drei statt zwei Punkte
zu vergeben. Im gleichen Jahr
kam diese Regel zum ersten Mal
an einer WM-Endrunde zur
Anwendung. Ziel der Neuerung
war die Erhöhung der Risiko­
bereitschaft und eine offensivere
Ausrichtung. Mannschaften mit
vielen Unentschieden in der
Wertung werden bei der Dreipunkteregel eher benachteiligt,
weil drei Remis nötig sind, um
einen Sieg aufzuwiegen. Die
erhoffte Wirkung blieb aber aus.
Die Zahl der Tore pro Spiel an
WM-Endrunden stieg nur kurz­
fristig an. Seither ist sie von 2,71
(1994) auf 2,27 (2010) gesunken.
“This is Anfield”. Die Liverpool-Fans intonieren beim 3:2-Sieg gegen Manchester City “You’ll Never
Walk Alone” mit meisterlicher Leidenschaft. Nach dem 10. Sieg in Serie haben die Reds den Titel in
Griffnähe. Kommen sie ins Ziel? Meinungen an [email protected]
ERGEBNIS DER LETZTEN WOCHE
Wer gewinnt die Champions League 2013/14?
35%
Bayern München
26%
Real Madrid
24%
Chelsea FC
15%
Atlético Madrid
Z AHLEN DER WOCHE
3 12 42
der letzten 13 Tore von
von dem derzeit in brillanter
Jahre nachdem Granada letztmals
feierte Crystal Palace (im Bild
Form aufspielenden Marco
einen Liga-Sieg gegen Barcelona
Jason Puncheon) am Samstag
Reus (im Bild) erzielt oder
feiern konnte, gelang den Andalu-
erstmals wieder seit November 1994.
vorbereitet. Der 24-Jährige
siern am vergangenen Samstag endlich
Damals hatte das Team mit Stars wie
legte Henrikh Mkhitaryan
wieder ein Erfolg gegen die Katalanen. Der
Nigel Martyn, Gareth Southgate, John
am Samstag bei Bayern
Treffer von Yacine Brahimi (im Bild) in der
Salako und Chris Armstrong sogar vier
München clever den
16. Minute reichte den Gastgebern zum
Mal in Folge gewonnen.
Führungstreffer auf.
knappen 1:0-Sieg.
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Getty Images (3), imago (2)
Borussia Dortmund wurden
Premier-League-Siege in Folge