American University (2009/10)
Transcrição
American University (2009/10)
American University Das Herbstsemester 2009 habe ich mit dem Programm Foreign Policy an der American University in Washington D.C. verbracht. Das Semester Programm ist eine einmalige Gelegenheit, die Stadt und damit das politische Amerika kennen zu lernen. Nirgendwo sonst ist man so dicht dran, an der großen Weltpolitik. Institutionen wie Ministerien, Think Tanks und Unternehmen werden den Besuchern geöffnet, wichtige Persönlichkeiten und Berufseinsteiger plaudern aus dem Nähkästchen. Die Studenten genießen ein Semester lang das Flair der Hauptstadt und knüpfen im Idealfall einige neue Freundschaften. Im Zentrum des Studiums steht dabei der starke Praxisbezug. Neben dem Praktikum bei einer Washingtoner Institution, gibt die Gestaltung des Unterrichts interessante Einblicke in die Funktionsweisen der – je nach Schwerpunkt – amerikanischen und internationalen Organisationen. Klassische Seminare oder Vorlesungen stehen im Hintergrund. Anstelle dessen hören die Studenten zahlreiche Vorträge von ExpertInnen. In meinem Fall waren das unter anderen Henry Kissinger und Romano Prodi. Häufig werden die Klassen von den Vortragenden eingeladen. So bekommen die StudentInnn im Laufe des Semesters einen guten Eindruck von den unterschiedlichen Einrichtungen der Stadt. In vielen Fällen sprechen die RednerInnen auch ganz gezielt die Interessen der Studierenden an, beantworten deren Fragen und berichten über ihre tägliche Arbeit. Auf diese Weise gewinnen die ProgrammteilnehmerInnen zum einen aufschlussreiche Einblicke in die Arbeitsweisen der Institutionen, zum anderen auch in die verschiedenen Berufe, innerhalb des gewählten Schwerpunktes. Letzteres ist natürlich besonders interessant für Studierende in fortgeschrittenen Semestern. Textarbeit, wie man sie von der heimischen Universität kennt, kam – zumindest in meiner Klasse – gar nicht vor. Der Unterricht ist indes stark verschult. Ein/e DozentIn ist das ganze Semester über für eine feste Klasse zuständig. Der Stundenplan ist für die ganze Klasse gleich. Dieser plant die Tage und organisiert die Gastsprecher. In der Regel ist von morgens bis nachmittags Programm. Auf diese Weise entsteht schnell eine Gemeinschaft. Die Klassen sind meist international und auch die amerikanischen KommilitonInnen sind von verschiedenen Hochschulen. In der Regel kennen die Neuankömmlinge zu Beginn des Semester deshalb keinen der anderen TeilnehmerInnen, so dass jede/r daran in- 1 teressiert ist, Kontakte zu knüpfen. Das Highlight meines Aufenthaltes in Washington war mein Praktikum. Die Praktikumssuche zu Beginn des Semesters gehörte allerdings auch zu den anstrengendsten Unterfangen des Programms. Zunächst lernen die internationalen StudentInnen das ABC der Praktikumssuche in den USA. Das Wichtigste ist hier wohl die Bewerbungsschreiben, aber auch Umgangsformen und das Vorgehen bei der Suche im Allgemeinen. So kommt es auf zahlreiche Details an, die das amerikanische Bewerbungsverfahren von dem in anderen Ländern unterschieden. Eine von EuropäerInnen oft als aufdringliche empfundene Selbstdarstellung wird in den USA beispielsweise eher als Zeichen großer Motivation aufgefasst. Die American University gibt schnell Gelegenheit, die neu erlernten Skills zu erproben. So findet jedes Jahr ein großer InternshipBazaar statt. Die unterschiedlichsten Institutionen der Stadt haben hier einen Stand und sind auf der Suche nach neuen PraktikantInnen. Die StudentInnen haben Gelegenheit, sich über die Einrichtung und die angebotene Stelle zu informieren, mit den VertreterInnen ins Gespräch zu kommen und ihre Bewerbungsunterlagen zu überreichen. Im Nachgang ergeben sich erstaunlich häufig Bewerbungsgespräche, von denen jede/r BewerberIn am besten einige machen sollte. Um die passende Stelle schnell zu finden, empfiehlt sich es natürlich, schon vor der Abreise einen Überblick über die zahlreichen Möglichkeiten zu gewinnen. Hier ist die Internship-Datenbank des Washingtoner-Semesterprogramms die richtige erste Anlaufstelle. Aber auch darüber hinaus können interessante Praktikumsplätze gefunden werden. Die Universität akzeptiert jede Stelle, die im Weitesten Sinne zu dem gewählten Programm passt. Die meisten ausländischen StudentInnen sind im Vorfeld des Bewerbungsverfahrens besonders nervös. Dabei wird schon alleine der Umstand, als junger Mensch im Ausland zu sein, sehr positiv bewertet. Obwohl Englisch für die meisten internationalen Studenten nicht die Muttersprache ist, sind sie deshalb gegenüber den amerikanischen MitbewerberInnen keineswegs im Nachteil. MasterdstudentInnen seien zusätzlich daran erinnert, dass ein Bachelorabschuss in den USA viel höher geschätzt wird, als es zumeist in Deutschland der Fall ist. Dies Internship Bazaar 2 kann sich durchaus auch bei der Praktikumssuche als nützlich erweisen. Wenn man, wie in meinem Fall, im Studentenwohnheim auf dem Tenley Campus wohnt, bekommt man zusätzlich Gelegenheit neue Freunde zu finden. In der Regel teilt man sich ein Zimmer mit zwei anderen StudentInnnen in einem der drei, dicht beieinander gelegenen, Wohnheime. Die Zusammensetzung der Zimmer ist dabei meist gemischt, so wohnt jede/r in der Regel mit ProgrammteilnehmerInnen eines anderen Schwerpunkts und/oder anderer Herkunft. Idealerweise teilt man sich das Zimmer mit mindestens einer/m AmerikanerIn. Da alle Studierende auf sehr engem Raum zusammenleben, kann es natürlich auch zu Konflikten kommen. Die Universität bietet für diese Fälle Beratung zur Problem- Doppelzimmer Capital Hall lösung an. Auch gibt es die Möglichkeit, mit den MitbewohnerInnen, gemeinsam mit einer/m MitarbeiterIn des Konfliktlösungsservices, ein geleitetes Gespräch zu führen. Außerdem wird hier psychologische Beratung angeboten. Da Alkohol auf dem gesamten Campus, auch auf den Zimmer, strikt verboten ist und Studenten (Resident Assistents) dafür angestellt sind Bücherei mit Ausblick auf den Hauptcampus - auch Nachts - nach dem Rechten zu sehen, findet sich der/die ein oder andere WeinliebhaberIn schnell in einem Beratungsgespräch zum Thema Alkoholismus wieder. Hier ist Vorsicht geboten, bei wiederholtem Verstoß gegen die Hausordnung kann es zu einem Rauswurf kommen. Zusätzlich zum Konfliktservice, der auch für erzieherischen Maßnahmen dieser Art zuständig ist, hat der Hauptcampus eine eigene Gemeinschaftspraxis, mehrere Cafés und ein modernes Fitnessstudio zu mieten. Erwähnt werden muss unbedingt auch die große, fantastisch ausgestattete und total gemütliche Bibliothek, die während des regulären Semesters rund um die Uhr geöffnet ist. Der Hauptcampus ist 10 – 15 Gehminuten vom Tenley Campus entfernt, natürlich gibt es aber auch einen klimatisierten Shuttlebus. 3 Die Entscheidung für das Studentenwohnheim, ist gleichzeitig auch eine Entscheidung für den Mealplan der Mensa. Das heißt, jeder Bewohner muss ein Abo für mindestens 75 Mahlzeiten kaufen. Das Tenley Café sowie Hauptmensa sind damit zu benutzen. Der Preis ist für jede Mahlzeit gleich, Frühstück, Lunch und Dinner kosten je eine Speisen-Einheit. Im kleinsten Mealplan (75 Speisen) kostet eine Mahlzeit ca. 14 Dollar. Abgesehen vom Preis, ist das Campus Essen absolut lobenswert. Der Gast bedient sich an einer vielfältigen Auswahl verschiedener Gerichte. Hier reicht das Angebot von Fast Food über frisch Zubereitetes, eine Salatbar bis hin zu Eiscreme und Kuchen. (Watch out for Taco Tuesday!) Jede Etage der Wohnheime ist zudem mit einer kleinen Kochzeile ausgestattet. Leider ohne Kühlschrank oder sonstige Ausstattung – mit Ausnahme einer Mikrowelle. Kühlschränke sind zu Beginn des Semesters für insgesamt ca. 150 Dollar zu bieten. Töpfe, Pfannen und Geschirr gibt es günstig bei TARGET. Es empfiehlt sich, bei Bedarf eine kleine Kochgruppe zu bilden und die Anschaffungen aufzuteilen. Natürlich hat die Stadt Washington auch über das Campus Leben hinaus eine ganze Menge zu bieten. Zu empfehlen sind vor allem die Viertel Adams Morgen und Georgetown. Ersteres in erster Linie wegen des Nachtlebens. Hier tummeln sich, besonders an den Wochenenden, die Washingtoner in Clubs und Kneipen. Georgetown ist dagegen die richtige Adresse zum gemütlichen Restaurantbesuch (es gibt aus allen Gegenden der Welt und für jeden Geschmack etwas), aber auch zum shoppen und bummeln. Dies ist übrigens auch super an Sonntagen auf dem riesigen Flohmarkt Eastern Market zu empfehlen. Die Georgetown Uni hat eine super Theatergruppe, die für einen niedrigen Eintrittspreise sehr professionell, gute Stücke aufführen. Für Ausflüge an der frischen Luft ist Rad und oder Kanu fahren zu empfehlen. Beides kann gemietet werden. Am besten im Internet oder Reiseführer nach verschiedenen Anbietern schauen. 4 Ich habe mich bei allen Aktivitäten in der Stadt immer sehr sicher gefühlt. Allerdings gibt es wohl auch Viertel, die man als unbedarfte/r TouristIn nicht ohne Weiteres betreten sollte. Hier bitte vorher informieren. Reiseführer, aber auch die Mitarbeiter der Uni, können wertvolle Tipps geben. Die Wochenenden eignen sich außerdem hervorragend, um einen Trip nach New York zu unternehmen. Der Bus kostet ca. 20 Dollar pro Strecke. Es gibt verschiedene Anbieter, beispielsweise Megabus und Chinatown Bus. Die Fahrt dauert in der Regel vier Stunden. Beide Unternehmen sind zuverlässig und sicher. Der Zug ist schneller, aber auch wesentlich teurer. Viele StudentInnen unternehmen auch weitere Ausflüge, zum Beispiel nach Boston oder sogar bis an die Niagarafälle. Letzteres ist am besten mit einem Mietwagen und bei mindestens drei freien Tagen zu machen. Zur Vorbereitung ist noch dringend zu sagen, dass das Auslandsbafög für Studiengebühren, Flug und Krankenkasse aufkommt. Zuständig ist das Studentenwerk Hamburg. Geht es ans Packen der Koffer muss dringend bedacht werden, dass Washington auf einem ehemaligen Sumpfgebiet errichtet wurde, im Sommer wird es sehr warm und schwül. Im Winter kann es dagegen zu starkem Schneefall kommen. Die meisten Fluggesellschaften erlauben zwei Koffer mit je 23 Kilogramm. Je nach Wechselkurs lohnt sich unter Umständen auch das Einkleiden vor Ort. Rückblickend war das Semester sicher teils sehr anstrengend, auch aufgrund der doch sehr ungewöhnlichen Wohnsituation, doch die guten Erfahrungen waren alle Mühen wert. Mit der Bereitschaft, sich auf eine andere (Studier-) Kultur einzulassen und der Neugier darauf, hinter die Kulissen Washingtons zu schauen, ist das Semester Programm sicherlich eine persönliche Bereicherung und möglicherweise auch Weichen stellend für den beruflichen Werdegang. 5