HELIOS Klinikum Erfurt
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HELIOS Klinikum Erfurt Folie: 1 Berufliche Eingliederung für Hydrozephalus-Patienten – Chancen und Probleme Interdisziplinäre Therapie des Hydrozephalus Erfurt, 22. April 2016 Dr. med. Friedemann Schulze, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 2 • Im Erfurter SPZ wurden seit 1975 insgesamt 203 Kinder mit Hydrocephalus behandelt • Die Behandlung erstreckt sich in der Regel über die gesamte Kindheit und Jugend • Die Behandlung ist auf die Kinder ausgerichtet, bei denen in mehreren Entwicklungsdimensionen Probleme bestehen HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 3 HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 4 Hydrocephalus: Ursachen [%] • • • • • • • Intraventrikuläre Hämorrhagie (häufig: Frühgeborene) Aquäduktstenose Dysraphische Störungen Postinfektiöser Hydrocephalus Unbekannte Ursachen Zerebrale Fehlbildungen Posthämorrhagischer Hydrocephalus IVH Frühgeborene 7 Aqueduktstenose 6 23 Dysraphische Störungen 13 posDnfekDös 19 15 17 unbekannte Ursachen Fehlbildung psthämorrhagisch HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 5 • Epilepsie • Zerebrale Bewegungsstörungen • Blasen-MastdarmFunktionsstörungen • Unterdurchschnittliche mentale Gegebenheiten • Chronisches hirnorganisches Psychosyndrom Begleiterkrankungen [%], Epilepsie (auch Mehrfachnennungen) Zerebrale Bewegungsstörungen (GMFCS I bis maximal II) 36 Blasen-‐Mastdarm-‐ FunkDonsstörungen 63 20 13 41 – antriebsarm – (pseudo) neurasthenisch HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze unterdurchschni[liche mentale Leistungsvoraussetzun gen chronisches hirnorganisches Psychosyndrom Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 6 Eine Krankengeschichte … • G.G.; geb. 1961 • IV/1982 - Einlieferung in psychiatrische Klinik • Bis III/1982 völlig unauffällig; Abitur, Motorradfahrer, Wehrdienst bei der NVA • Grippaler Infekt, langer Verlauf, langsame Erholung • „eigenartiges“ Verhalten: anscheinend normal intelligent, handlungsfähig, aber ohne jede Initiative • Neurologisch: Reflexspastik der Beine, Pyramidenbahnzeichen; Kopfumfang 61 cm • Pneumenzephalographie: massiver Hydrocephalus int. HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 7 Ein charakteristisches Beispiel: x.x.; * 15.01.1998 • thorakale MMC mit Hydrocephalus • Erstuntersuchung: „keinerlei neurolg. Ausfälle“ • progrediente Reflexspastik ab 3. LJ • Drainagerevision • SSEP: Spinale Leitungsverzögerung • normale mot. und sens. NLG HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 8 • Reflexspastik weiter progredient • Pes valgus und Hallux valgus • Verminderung der Gehstrecke • erheblich gestörte Abrollfunktion HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 9 2004 Nachweis einer thorakalen Syringomyelie C5 – Th 10 Im SSEP Zunahme der Latenzverzögerung im Bereich der langen Bahnen Bei Kontrolle 2007 keine Progredienz der Syrinx, leichtes tethering im Bereich der ehemaligen Cele Situation der Hüften bei zunehmend beeinträchtigtem Gangbild „stabil“ 2008 Erneute Revision der Ableitungsdrainage HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 10 Bildungsweg: • Integrative Kindertagesstätte • Einschulung in die Körperbehindertenschule • Sozial gut integriert • Hauptschulabschluss ist zu erwarten • Beruflich noch keine Vorstellungen HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 11 Drainage: Seit 2008 ohne Probleme In den zurückliegenden Jahren Behandlungsschwerpunkt auf orthopädischem Gebiet (Hallux valgus, Orthesenversorgung) Resultate der Op. An den Füßen ist nicht zufriedenstellend; Gangunsicherheit, „Gleichgewichtsstörungen“ Fortlaufende Physiotherapie und Ergotherapie im schulischen Umfeld HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 12 Aktuelle gesundheiitliche Probleme • Unsicheres Gangbild (wahrscheinlich überwiegend spinal beding) • Begrenzte freie Gehstrecke (außerhalb der Wohnung ca. 50 m) • Adipositas (BMI z.Z. 29,21) • Psychisch: Antriebsprobleme, kognitive Dysbalancen, leichtes chronisches (neurasthenisches) hirnorganisches Psychosyndrom HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 13 In Übereinstimmung mit der Literatur: • Ca. 80 % der Hydrocephaluspatienten haben bis zum Erwachsenenalter mindestens 1 Shuntrevision erlebt • Der Schwerpunkt der hydrocephalusspezifischen Maßnahmen liegt im Säuglings- und frühen Kleinkindalter • Späterhin liegt der Betreuungsschwerpunkt der Kinder mit „Hydrocephalus plus …“ auf dem Gebiet der vorschulischen, schulischen und beruflichen Bildung sowie beim Management der assoziierten Probleme • Zielstellung: Ein möglichst hohes Maß an Selbständigkeit und Teilhabe HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 14 In der sozialpädiatrischen Nachsorge sind umfangreiche Koordinationsleistungen erforderlich. Schwerpunkte sind: – Bildungsweg – Koordination konservativer Behandlungsformen (Physiotherapie, Ergotherapie, Heilpädagogik) – Hilfsmittelversorgung und Koordination der orthopädischen Maßnahmen – Psychologische Diagnostik (Teilleistungsprobleme, Antriebsprobleme – Psychologische Begleitung / Psychotherapie insbes. während der Pubertät – Support im sozial-kommunikativen Bereich – Beratung in sozialrechtlichen Fragen HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 15 Was wird im Erwachsenenalter? Paulsen et al: Twenty year outcome in young adults … J Neurosurg Pediatr. 6(2010)527-535 Preuss et al., Adult long-term outcome of patients after congenital hydrocephalus shunt therapy Childs Nerv Syst 31 (2015) 49-56 PAULSEN et al.: (n = 128, Norwegen, in Oslo operiert, 1967-1970, follow up > 40 Jahre) • Nach 20 Jahren lag die Letalität bei 21,7 % • 10 % der 138 Patienten lebten mit der 1. Drainage, bei 81 % war zumindest 1, durchschnittlich 4,2 Rev. erfolgt. Die Revisionsrate war in der 1. Dekade signifikant höher als in der 2. Dekade. • Die Mehrheit der Betroffenen lebte in vergleichbaren Verhältnissen wie nicht betroffene Altersgenossen HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 16 • • • • • 67 % hatten einen Regelschulabschluss 20 % waren mit körperlicher Behinderung belastet 13 % wiesen eine +/- schwere Intelligenzminderung auf 56 % waren in regulären Arbeitsverhältnissen oder studierten 23 % waren unter geschützten Bedingungen voll oder in Teilzeit beschäftigt • Der HRQOL (Index zur Beschreibung der Lebensqualität) war gegenüber der Normalpopulation leicht, nicht signifikant, reduziert • In den Bereichen: Physische Funktionen und allgemeine Gesundheit bestanden signifikante Unterschiede gegenüber der Normalpopulation HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 17 berufliche Eingliederung Preuss et al. 2015 tägliche berufliche-‐ od. Werksta[-‐ TäDgkeit Schulbildung [%], n=66, Preuss et al., 2015 75 Regelschulabschluss, integraDv 1,5 9,1 TäDgkeit in Werksta[ für Behinderte o.ä. Einrichtung 26 40,9 [%], n= 66 Ausbildung und berufl.TäDgkeit unter geschützten Bedingungen 45 50 Körperbehindertensch ule, 8-‐9 Jahre Hauptschulniveau schwer mehrfachbehindert, keine klassische Schulbildung Schule für Hörgeschädigte Reguläre, erfolgreiche Berufsausbildung 44 0 20 40 60 80 HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 18 Die berufliche und soziale Prognose korreliert nicht mit der Ursache des Hydrocephalus, sondern mit • Begleiterkrankungen • Komplikationen • Epilepsie • Anzahl der shunt-Revisionen Der postinfektiöse Hydrocephalus scheint eine etwas schlechtere Prognose zu haben Teilhabe / Autonomie Preuss et al. [%] n= 66 unabhängig, beruflich angebunden, eigener Haushalt 20 45 35 HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Wohnen bei Eltern oder WG, auf +/-‐ Hilfe angewiesen Leben in Einrichtungen mit professioneller Hilfe Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 19 Unsere Klientel: • SPZ Erfurt, 1975-‐2015 [%] n=203 Nicht repräsentativ, da – – – Nur ca. 50% der Klientel unserer Kinderchirurgie Ca. 10 % mehrfach behinderte Kinder aus anderen Bundesländern Kaum Hydrocephalus als einziges Problem • Kein durchgängiges Assessment in der Nachuntersuchung Regelschulabschluss, integraDv 19 24 • Umfangreiche dokumentierte interdisziplinäre empirische Erfahrungen über 40 Jahre HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze 9 Körperbehindertensch ule od. anderes FÖZ, 8-‐9 Jahre Hauptschulniveau 48 schwer mehrfachbehindert, keine klassische Schulbildung Verbleib nicht bekannt Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 20 • Etwa die Hälfte aller Patienten mit Hydrocephalus haben Aussicht auf eine reguläre Schulbildung, einen regulären Schulabschluss und eine reguläre berufliche Tätigkeit • Ca. 1/3 der anderen Gruppe ist auf dauernde Pflege und Betreuung angewiesen, kann keinen regulären schulischen Bildungsgang absolvieren und gelangt nicht zu einer regulären beruflichen Tätigkeit • Ca. 2/3 dieser Gruppe kann auf einen regulären Bildungsgang zurückblicken und ist in einer regulären beruflichen- oder WerkstattTätigkeit integriert • Der Grad der Selbständigkeit in der letztgenannten Gruppe ist stark abhängig von dem sozialen Support (Intensität, Permanenz, personelle Kontinuität) HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 21 • Bei Patienten mit Hydrocephalus erweisen sich folgende Gegebenheiten (i.S. eines leichten chronischen hirnorganischen Psychosyndroms) als besonders problematisch: – Antrieb / spontane Aktivität – Umstellerschwernis – Psychomotorisches Tempo • Die intellektuellen Leistungsvoraussetzungen können wegen der o.g. Hemmnisse oft nicht/nur schwer erschlossen werden • Die Eingliederung in den regulären Arbeitsprozess werden Widerstände entgegengesetzt aus Sorge, dass das Arbeitstempo gering und die psychophysische Erschöpfbarkeit / Ausfallszeiten überdurchschnittlich hoch sind HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 22 Konsequenzen: • Frühzeitige klare schulische Zielstellungen • Konsequente Nutzung der gesetzlichen Möglichkeiten der Eingliederungshilfe • Inklusion / Integration hat Vorrang, ist jedoch nicht Selbstzweck • Erfolgreiche berufliche Eingliederung ist sehr wesentlich das Ergebnis einer angemessenen, erfolgreichen Schullaufbahn • Das höchst mögliche Bildungsniveau sollte angestrebt werden HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 23 Schullaufbahn: Nachteilsausgleich organisieren! Personelle Kontinuität ist besonders wichtig Integrationshelfer ? ! Zusätzlicher pädagogischer Support ! Fordern, aber nicht überfordern https://www.thueringen.de/mam/th2/tmbwk/jugend/ grundsatzangelegenheiten_jugendhilfe/ 2015-11._10_final_arbeitshilfe_sicherstellung_hilfebedarf.pdf HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Hydrocephalus – berufliche Eingliederung Folie: 24 Spätestens ab 5. Klasse: Abgleich von Interessen und Begabungen mit beruflichen Aussichten Peer Groups: Interessen in der Gruppe zusammenführen Nach Möglichkeit Beziehungen zum ersten Arbeitsmarkt Gesetzliche Möglichkeiten (Behindertenrecht, persönliches Budget) konsequent nutzen HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze Folie: 25 HELIOS Klinikum Erfurt , Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Sozialpädiatrisches Zentrum; Dr. Friedemann Schulze