Ausgabe 1987 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

Transcrição

Ausgabe 1987 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
M 3828 F
H OH ENZOLLE RIS.CHE
HEIMAT
Innenraum der restaurierten Hechinger Synagoge.
Herausgegeben vom
Hohenzollerischen Geschichtsverein
37. J a h r g a n g
N r . 1 / M ä r z 1987
Foto: Eberhard Wais
Im Rahmen der 1200-Jahr-Feier der Stadt Hechingen ist am
19. November 1986 die ehemalige Synagoge in der Goldschmiedstraße wiedereröffnet worden. Sie diente von 1767
bis zu ihrer Schändung und Demolierung in der Reichskristallnacht 1938 der Hechinger Judengemeinde als Gotteshaus. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mußte die
zerstörte Synagoge als Sühneakt von der Stadtgemeinde an
die Israelitische Religionsgemeinschaft für Württemberg und
Hohenzollern zurückgegeben werden. Weil für die Synagoge
keine Gemeinde mehr vorhanden war, veräußerte sie die
IRG. In privatem Besitz drohte sie zu verfallen.
Initiative aufgebracht. Die Stadt Hechingen hat für die weitere Renovierung einen Betrag von 300000 DM zugesagt. Die
Kostenschätzung von ca. 1,7 Millionen DM dürfte deutlich
unterschritten werden.
Im Sommer 1979 bildete sich eine »Initiative Hechinger
Synagoge e.V.«, die sich zum Ziel setzte, die Synagoge als
Kulturdenkmal zu erhalten und zu restaurieren. Nachdem
das Landesdenkmalamt Ende 1979 die ehemalige Synagoge in
das Denkmalbuch aufgenommen hatte, konnten von der
Initiative Kaufverhandlungen geführt werden, die im Oktober 1982 endlich zum Ziel führten.
Im September und November 1986 weilten auf Einladung der
Stadt zwei Besuchergruppen früherer jüdischer Mitbürger für
jeweils acht Tage in Hechingen. Die Sprecher der Gäste, Dr.
Alfred Weil und Rabbiner Gustav Buchdahl, betonten, daß
sie zwar nicht vergessen und vergeben könnten, aber eine
Brücke über die Mauer aus Haß zu bauen bereit seien. Neben
den Begegnungen mit alten Freunden, Bekannten und Nachbarn standen die Bemühungen, den Spuren der Geschichte
der Juden in Hechingen zu folgen.
Manfred Stützle und Otto Werner
Von 1983 bis zur Eröffnung wurde rund eine Million DM zur
grundlegenden Sanierung und Restaurierung des Gebäudes
vom Landesdenkmalamt, vom Zollernalbkreis und von der
Die »Alte Synagoge« soll künftig von einem Trägerverein als
Kulturhaus genutzt werden. Als ständige Veranstaltung ist an
jedem letzten Freitag im Monat der »Freitagabend in der
Synagoge« mit Musik, Lesung und gemeinsamem Lied fest
eingeplant. Daneben finden auch Veranstaltungen (Konzerte,
Kabaretts, Theater, Lesungen, Vorträge, Ausstellungen etc.)
verschiedener Institutionen statt.
KARL W E R N E R STEIM
Fastnacht in Haigerloch vom 15. bis 18. Jahrhundert 1
Wer nach mittelalterlichen Fastnachtsbräuchen sucht, tut sich
schwer. Als älteste Belege der Fastnacht werden oft die in
Urkunden des 14. Jahrhunderts genannten Fastnachtshühner
angeführt. Sie beweisen aber nur, daß der Begriff Fastnacht
schon üblich war und damals - wie beispielsweise an Martini
- Naturalabgaben fällig waren. Uber fastnachtliches Brauchtum sagt dies nichts aus 2 . Früheste Fastnachtsaktivitäten im
näheren Raum lassen sich aber doch seit dem 14. Jahrhundert
nachweisen. So ist in Rottweil bereits um 1360 von »vasnacht
Krapfen« (Fastnachtsküchle) die Rede 3 . In Rottenburg am
Neckar sind für das Jahr 1410 Stadtpfeifer (»Pfiffer«) erwähnt, die »auf vassnacht« auszubezahlen waren 4 .
Fastnacht im Stadtbüchle von 14572
Die älteste belegte Fastnacht in Haigerloch geht auf die Zeit
zurück, als die Stadt in österreichischem Besitz war. 1452
hatte Mechthild von der Pfalz, die Witwe des Grafen Ludwig I. von Württemberg, Erzherzog Albrecht IV. von Osterreich geheiratet. Was sie in die Ehe einbrachte, wurde in der
Übereignung der vorderösterreichischen Grafschaft Hohenberg auf ihre Person garantiert, und dazu gehörte auch die
Herrschaft Haigerloch. Mechthild, die sich vorwiegend in
Rottenburg aufhielt, galt als musisch interessiert und lebenslustig. Unter ihr gab es in Rottenburg eine höfische Fastnacht.
Während Mechthilds Regierung wurde 1457 das sogenannte
Haigerlocher Stadtbüchle verfaßt, das noch jahrhundertelang
dem öffentlichen und privaten Recht in der Herrschaft
Haigerloch die Richtung gab. Und in diesem ältesten Stadtbuch findet sich auch die erste Nachricht über Fastnachtsbrauchtum in Haigerloch: »Jtem vnd die herren schenckent
an der äschrygen mittwochen ain pfund haller den lütten in
die zech vnd die burger ouch ain pfund haller«.
verfügt, künftig solle »an Aschermittwoch mit den Weibern
keine Zehrung mehr passiert werden, auch soll bei andern
Zehrungen eine bessere Mäßigung observiert werden« 9 .
In der Hechinger Landesordnung von 1580, die mit den
Haigerlocher Ordnungen fast identisch ist, werden schon
Fastnachtsküchlein, Butzenkleidung und das Vermummen
genannt. 10
Fastnachtsumzüge
seit 1606
Altes Fastnachtsbrauchtum waren Umzüge in Haigerloch.
Der erste wird in der Rentei-Rechnung 1605/06 genannt, wo
es heißt: 11 »An der Faßnacht den jungen Gesellen allhie etwas
bezahlt.« Ähnlich lautet die Formulierung 1609/10: »Den
jungen Gesellen und Buben an der Faßnacht verehrt 1 fl 54 x.«
Hier ist zwar der eigentliche Anlaß noch nicht genannt, doch
geht aus den späteren Rechnungen hervor, daß es sich um die
üblichen Fastnachtsumzüge handelte, deren erster ganz eindeutig 1638/39 wie folgt beschrieben wird: 12 »Der Ledigen
Burst ahn der fasnaht alß Süe mit dem Gewehr uff dem schloß
gewesen altem gbrauch nach vererth 1 fl 30 x.«
Auch weitere Angaben finden sich über die Fastnacht im
17. Jahrhundert. So 1608 die Eintragung: 13 »An der Faßnacht
auf der Reise nach Sigmaringen und daselbst ausgegeben und
Geld gegeben 25 fl 8 x.« Das war eine beträchtliche Summe.
An der Fastnacht 161014 stehen die »Spielleute zu Rottweil«
in der Ausgabenliste. Spielleute ohne nähere Angaben erhalten 161215 zwei Gulden; Spielleute aus Balingen werden an
der Fastnacht 161616 in Haigerloch genannt. Gut belohnt
wurden an der Fastnacht die »Comedianten« mit insgesamt
5 fl 30 x 17 . Von der Fastnacht 162418 ist überliefert, daß im
»Schlößle« für 3 Gulden verzehrt wurde. Unter den Ausgaben wird auch der Wein aufgeführt, der dem Gesinde an der
Fastnacht gereicht wurde. Das »gn. Fräulein Theresa« bekam
schließlich im Jahre 1697 1 fl 27 x »vor ein Mascara« 19 .
»Zehrungen«
Einen besonders großen Umfang hatten in früheren Jahrhunderten Trinksitten und Mahlzeitgebräuche. Es tagte keine
Bürgerversammlung, ohne daß dabei Wein getrunken wurde.
Die gemeinsamen Zechen (»Zehrungen«) wechselten das
ganze Jahr über ab, so beispielsweise an den Rechtstagen, an
kirchlichen Feiertagen und natürlich an der Fastnacht. Gerade der Aschermittwoch spielte eine besondere Rolle. Wie
1457 festgelegt wurde, mußten die Stadtherren, also in diesem
Fall die Erzherzogin Mechthild, den Bürgern einen Trunk
spendieren. Auch das Haigerlocher Stadtbuch von 15516
bestätigte diese Zeche.
Mit dem Stadtbüchle von 1457 übernahmen die Zollergrafen
als Nachfolger der Österreicher im 16. Jahrhundert die Leistung des Aschermittwochtrunks. Seit 1574/75 läßt sich in der
Rentei-Rechung 7 belegen, daß das Grafenhaus Hohenzollern
»den Bürgern zu Haigerloch nach altem Brauch nach in die
Zech uf das Rathaus an den Öschernigen Mitwoch 1 Pfund«
bezahlte. Im Jahre 1625 ist zu erfahren, daß die Obrigkeit auf
dem Rathaus in Gegenwart einiger Geistlicher und des
Schulmeisters nach altem Brauch einen Abendtrunk hielt,
nach »Herkommen, Gewohnheiten, Besatzungen und Recht
der Stadt Haigerloch« von 16218.
Bei der Zeche am Aschermittwoch beteiligte sich auch das
weibliche Geschlecht. Die Obrigkeit kämpfte - wohl meistens vergeblich - gegen diese Sitte an. 1710 wurde z.B.
2
Strafen für Unsinn an der Fastnacht
Die Suche nach Strafen an der Fastnacht für ungebührliches
Verhalten - anderswo sehr ergiebig - erwies sich im Falle von
Haigerloch als recht fruchtlos. Nichts zu finden war beispielsweise in den Haigerlocher Stadtgerichtsprotokollen, die
von 1656 an vorliegen. Nur einen Eintrag gibt es in der
fürstlichen Rentei-Rechnung vom Jahre 169 8 20, wonach
Hans Jakob Kessler jung »daß er Aschermittwoch Weibskleider angetan und übel geschworen« mit 6 Pfund Tübinger
= 5 fl 48 x belegt wurde.
Hart bestraft wurde der Haigerlocher Maurer Christoph
Großbayer im Jahre 162521, als er an Aschermittwoch den
Schulmeister Gallus Siber von Rottweil, der nach dem traditionellen Abendtrunk mit der Obrigkeit und Geistlichen auf
dem Heimweg vom Rathaus war, aus Übermut auf der freien
Landstraße ohnmächtig geschlagen hatte. Großbayer mußte
bei Verpfändung von Hab und Gut versprechen, dem Schulmeister in vier Raten 35 Gulden zu bezahlen.
Fastnachtsküchlein
seit 1652
Jahrhunderte hindurch spielten die Fastnachtsküchlein eine
große Rolle. Dies waren kleine Geschenke, meist Brote,
Kuchen, weiße Wecken, die zur Fastnacht vor allem an die
Kinder zur allgemeinen Erheiterung gereicht wurden. Sie
bestanden aber auch in Leistungen von Speise und Trank an
die Erwachsenen, wohl als kleine Gegengabe für die Lieferung des Zehnten an die Pfarrer, die hauptsächlich zur
Leistung der Fastnachtsküchle verpflichtet waren. Diese
Küchle tauchen in Haigerlocher Akten erst im 17. Jahrhundert auf. In der Haigerlocher Landesordnung von 165222 gibt
es ein Kapitel »Der Kirchweihe und Faßnacht halber«: »Wie
mir glaublich berichtet, daß an den Kirchweihen und Faßnachten unsere Unterthanen mit dem Ueberlaufen der Gäste
und der Küchlein halber allein... hoch und schwerlich belästiget werden, daß denselben an anderer ihrer Unterhaltung
und Nahrung Abbruch geschieht, und zu Kosten gebracht
werden, denselbigen zu begegnen, sezen und verordnen wir,
daß solche Gastereyen und Küchlein halten ganz und gar
abseyn...«
Fastnachtsumzüge
im Barock
Im 18. Jahrhundert, der Zeit des Barock, erlebte die Fastnacht
in Haigerloch, das von 1737 bis 1769 Residenz des Fürsten
Joseph Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen war, eine
Blütezeit. Das war wohl u.a. diesem Fürsten zu verdanken,
d e r - wenn er in Haigerloch w a r - stets dem Fastnachtsumzug
persönlich beiwohnte und jeweils den traditionellen Obulus
von einem Pfund Heller = 38 Kreuzer und 3 Heller entrichtete. In der Rentei-Rechnung 23 findet sich stereotyp fast jährlich der Vermerk, daß wegen des »bürgerlichen Umzuges an
der Fastnacht« 38 Kreuzer 3 Heller gezahlt wurden. Leider ist
über die Umzüge, die von 1731 an wieder regelmäßig genannt
werden, nichts näheres berichtet. Den Formulierungen nach
war der Umzug nur Sache der Männer bzw. der ledigen
Burschen. Auch als Fürst Joseph Friedrich 1769 gestorben
war und der Nachfolger Karl Friedrich die Residenz nach
Krauchenwies verlegte, hielt man weiter den Umzug und
bekam jährlich den Beitrag.
Mit der Jahrhundertwende 1800 gab es eine Änderung.
Erstmals in der Rentei-Rechnung des Jahres 1801/02 findet
sich die Formulierung, die Bürgerschaft habe beim Fastnachtsumzug oder jetzt am Corporis Christ-Fest (Fronleichnam) ihre 38 Kreuzer und 3 Heller bekommen. In den Jahren
bis 1806 wird wieder der Fastnachtsumzug genannt, von 1807
an erhalten die Bürger aber den Betrag jeweils an Fronleichnam - wohl für die Fronleichnamsprozession. Warum dieser
Wechsel stattfand, ist nicht bekannt. Vermutlich hatten die
Fastnachtsumzüge aufgehört, und der Beitrag des Fürsten
wurde deshalb »umgelenkt«.
Einstellung öffentlicher
Lustbarkeiten
Fürst Joseph Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen, der
wohl ein Freund der Fastnacht war, hat im Jahre 1756 - wie in
anderen Staaten - die Einstellung aller öffentlicher Lustbarkeiten in der Herrschaft Haigerloch verfügt: 24 »Weilen zu
Verhietung aller fernerer göttlichen Straf so wohl in gantz
Ostrich, als Churbayerischen Landten bey högster Straf alle
Spihl-Leüth, vndt ofentliche Lustbarkaitten dise Faßnacht
durch verbotten wordten auch solche von vnßerer Regierung
zu Sigmaringen so löblich, als büllich eingestehet seyndt, als
befehlen wür ebenfalls vnßerem Oberambt alhier mittelst
communicierendter Abschrift gegenwärtigen Decrets ahn
hiesige Statt, vndt Dorfschaften ein gleiches zu beobachten,
vndt nit nach der Landtordtnung, sondtern nach willchürlicher herrschaftlichen Straf alsogleich, vndt ohne Zeittverluest
zu inhibieren: Wormit wür mit Gnadten gewogen verbleiben.« Der traditionelle Umzug fand aber - in Anwesenheit
des Fürsten - statt.
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Der »Rottweiler« wurde wie das »Bischöfle« einer Barock-Maske
nachgeschnitzt.
Foto: Weber
Fastnachtsbegraben
1778
Ein Brauch, der bei der Kirche stets auf Kritik stieß, war das
»Fastnachtsbegraben«, weil hier auf närrische Weise kirchliche Riten nachgeahmt wurden. In einem Brief an den Oberamtmann beschwerte sich Haigerlochs Stadtpfarrer Franz
Xaver Waldraff über die »Unanständigkeiten« beim Fastnachtsbegraben des Jahres 1778: 25 »Wie vormahlen dem
ärgerlichen Missbrauch der sogenannten Fassnachtbegräbnus
am Aschermittwoch, wordurch meistens die Alt- und Newtestamentische Kirchen-Ceremonien gespotet wurden, wiedersprochen und Einhalt gethan worden. So würdet dermahlen, als eben an disem verflossnen ersten Busstag ein formliches Fassnachtspühl in der Vorstellung eines Pfarrers, seiner
Köchein, und Sing- oder Kirchenknaben mit Verspotung.
eines dahiessigen Burgers und seiner ehelichen Kindern
ofentlich unter gröstem Tumult und Geschrey auch so unanständig - als ärgerlichen Ausschweifungen durch die Statt
geführet, und von denen Statvorgesezten selbsten übersehen,
oder, wie es verlauten will, erlaubt, insbesondere aber einige
noch schuhlmässige Buben unter Absingung dess Gloria Patri
etc. und zerschiedenen Reimen, als z.B. Herr Pfarr von
Zepfenhahn hat einen langen Zipfel an darzu gebraucht...«
Maskeradenverbot
1784
Ein Maskeradenverbot aus dem Jahre 1784 für die Herrschaft
Wehrstein, die zur Herrschaft Haigerloch gehörte, ist sehr
aufschlußreich, da hier über das ausgeübte Brauchtum einiges
zu erfahren ist: 26 »Weil das Mascerenlaufen in der Fasnacht
nach mehrmal ergebenem Beysphiehle mehr als ein Handlung
betrachtet werden kann, die auf Muthwillen Ungezogenheiten, und Unanständigkeit abziehlen, als dasselbe zu Ergözen
und Aufmunterung eingerichtet sind, so hat man sich in die
Nothwendigkeit versetzet gefunden, auf die Zukunft alle
Masceraden, selbe mögen beschafen seyn, wie sie nur immer
3
wollen, ohne Rücksicht der Person und der Zeit obrigkeitl.
abzustellen, und einzubiethen; zu welchem End Eüch Schultheiß andurch der Auftrag gemacht wird, das ihr dises Verbott
bey eüerer Gemeinde eröfnen und auf die Zukunft bey einer
wieder alle Erwartung erscheinenden Masc die unverzügliche
Anzeig machen, und in Kraft dieses einem jeden und allen
insgesamt bedeuten sollet, das sich in diesem Falle ein jeder
künftig vor Tadeln hüten und unter Vermeidung einer empfindlichen Strafe nach diser Verordnung richten... solle.«
Haigerlocher
Barock-Masken
Die alten Haigerlocher Masken, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden sein dürften, gehören zu den besten und
ältesten Exemplaren von guten Glattlarven der schwäbischalemannischen Fastnacht, wie es sie z. B. in Donaueschingen,
Fridingen, Laufenburg, Möhringen, Oberndorf, Rottweil,
Schömberg, Villingen und Wolfach gibt 27 . Bei ihrem Betrachten fällt die Verwandtschaft zu Rottweiler Masken auf. Ging
man schon bisher - ohne Beleg - davon aus, daß diese Masken
von Rottweil stammen dürften, so ist man in dieser Beziehung durch die neuere Forschung weitergekommen. Es
konnte nachgewiesen werden 28 , daß es im 18.Jahrhundert
unmittelbare persönliche Beziehungen zwischen der
reichsstädtischen Narrenzunft und Haigerloch gegeben hat.
1760 bis 1762 malte der Haigerlocher Franz Josef Marmon als
Mitarbeiter des Meisters Meinrad von O w in der Rottweiler
Dominikanerkirche. Und zu eben dieser Zeit war sein aus
Haigerloch stammender Vetter, der Rotochsen-Wirt Franz
Xaver Marmon, in Rottweil »Narrenzunftmeister«. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Haigerlocher
und seinem Vetter sind sicher der Grund für das Auftauchen
Rottweiler Masken (vermutlich aus der Bildhauerwerkstätte
der Dominikaner) in der Haigerlocher Fastnacht.
Zu den markantesten Fastnachtsfiguren in Haigerloch zählen
der noch heute so genannte »Rottweiler« und das »Bischöfle«. Das älteste erhaltene »Bischöfle« 29 war vermutlich gar
nicht für das Tragen an der Fastnacht bestimmt, sondern für
den alten Brauch des Kinderbischofs, der am Tage der
unschuldigen Kindlein, am 28. Dezember, geübt wurde. Eine
andere Deutung berichtet, daß z.B. im Jahre 1763 im Rahmen
der Fastnachtsbelustigungen ein »Bischof« durch Rottweils
Wirtshäuser zog und der Narrengemeinde die »Firmung«
erteilte. Die alte Maske stammt aus der Zeit um 1750, das
Butzenkleid um 1800. Das Kleid ähnelt denen von Laufenburg (Hochrhein) und von Siebnen (Kanton Schwyz). Es
besteht aus Hose und Kittel aus grober, ungebleichter Leinwand. Der hüftlange Kittel ist nach unten zipfelig zugeschnitten. Auf ihn und die Hose sind kleine, rautenförmige Stoffblätzle genäht, die zwei bis drei Zentimeter lang und hellrot,
weinrot, hellbraun, dunkelbraun und schwarz sind. Ihre
Längsachse steht immer senkrecht. Kanten und Nähte des
Kittels sind mit schmaler, weinroter oder dunkelbrauner
Borte gefaßt. Die Maske des etwa gleich alten »Rottweiler« 30
ist dem Bischöfle ähnlich, aber ausdrucksvoller gestaltet. Das
Gewand entspricht ebenfalls dem Bischöfle. Eine Einzelfigur
ist der »Stadtbutz« 31 . Sein Kleid ähnelt denen der Engener
und Uberlinger Hänsele und dem des Fossli von Siebnen. Es
gehört mit seinen länglichen, schmalgeschnittenen Stoffstreifen zur Gattung der Blätzle- oder Spättiegewänder. Der
Stadtbutz geht als markante Figur dem Narrenumzug voraus
und sorgt für Ordnung.
Anmerkungen
1
Auszug aus dem Buch: Karl Werner Steim, Fastnacht in Haigerloch. Hechingen 1987.
1
Werner Mezger: Narretei und Tradition. Die Rottweiler Fasnet.
Stuttgart 1984. S. 50.
3
S. Anm.2.
4
Reinhard Schwarz und Kurt Hemeler: O h was Bogges. Fasnet in
Rottenburg. Stuttgart 1986. S. 9. - Karl Otto Müller: Quellen zur
4
Das »Bischöfle« der Haigerlocher Narrenzunft geht auf eine erhaltene Vorlage des 18. Jahrhunderts zurück.
Foto: Weber
Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der Grafschaft Hohenberg. Erster Teil. Stuttgart 1953. S.284.
5
Stadtarchiv Haigerloch, Amtsbücher, Nr. 1. - Franz Xaver Hodler: Geschichte des Oberamts Haigerloch. Hechingen 1928. S. 601.
6
Staatsarchiv Sigmaringen, H o 177, Urkunden, Nr. 122.
7
Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv, Renteirechnung Haigerloch.
8
Stadtarchiv Haigerloch, Urkunden, Nr. (76.3).
9
Franz Xaver Hodler: Geschichte des Oberamts Haigerloch.
S.883.
10
Ludwig Egler/Maximilian Rudolf von Ehrenberg/Walter Sauter!
Bruno Ewald Reiser: Chronik der Stadt Hechingen. 3. Auflage.
Hechingen 1980. S. 66-67.
11
S. Anm. 7.
12
S. Anm. 7.
13
S. Anm. 7, Jg. 1607/08.
14
S. Anm. 7, Jg. 1609/10.
15
S. Anm. 7, Jg. 1611/12.
16
S. Anm. 7, Jg. 1615/16.
17
S. Anm. 7, Jg. 1614/15.
18
S. Anm. 7, Jg. 1623/24.
19
S. Anm. 7, Jg. 1614/15.
20
S. Anm. 7, Jg. 1697/98. - Daß Männer »Weibskleider« trugen und
damit in ;!ie Frauenröcke schlüpften, war im 18. Jahrhundert auch
eine beliebte Rottweiler Fastnachssitte. S. Anm.2, S.59.
21
Staatsarchiv Sigmaringen, H o 177, Urfehden, Nr. 129.
22
Anm.8. - Staatsarchiv Sigmaringen, H o 177, Akten, Nr.273.
23
S. Anm. 7.
24
Staatsarchiv Sigmaringen, H o 202, Pr. O A , Nr. 1737.
25
S. Anm. 24.
26
S. Anm. 24.
27
Wilhelm Kutter: Schwäbisch-alemannische Fasnacht. Künzelsau
1976. S.54.
28
Winfried Hecht: Italienische Einflüsse auf die Rottweiler Fasnet?
in: Rottweiler Heimatblätter 2 (1980). - S. Anm.2, S. 111.
29
Wilhelm Kutter: Schwäbisch-alemannische Maskenfiguren. Führer durch den Narrenschopf in Bad Dürrheim. Bad Dürrheim o. J.,
S. 39.
30
S. Anm. 29.
31
S. Anm. 29.
ALOIS EISELE
Holzschuhfabrikation in Gauselfingen
Kaum jemand in unserem Dorf weiß, daß in der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Holzschuhmacherei bei
uns eingeführt wurde. Der nachstehende Bericht soll Zeugnis
über diesen längst vergessenen und wohl ersten Industriebetrieb und die damit verbundene Einnahmequelle geben, die
für einen nicht geringen Teil der männlichen Bevölkerung
einen Arbeitsplatz und Existenzgrundlage bildete und viele
so vor großer N o t und Armut schützte, ja sogar davor
bewahrte auszuwandern und mit leeren Händen in einem
fremden Land oder Erdteil neu zu beginnen.
Am 20. September 1857 hielt Pfarrer Josef Blumenstetter in
der Regierungsversammlung des 4. Bezirksvereins für Landwirtschaft und Gewerbe in Starzein einen Vortrag über die
Holzschuhfabrikation in Gauselfingen und beschrieb den
Werdegang sowie die Einrichtung dieses Industriezweiges.
und die Heizung zu übernehmen, sondern auch das benötigte
Werkholz den Lehrlingen sechs Wochen lang unentgeltlich
und für die übrige Zeit um einen billigen Preis aus den
Gemeindewaldungen abzugeben.
Im Sommer 1856 brachte die württembergische Monatsschrift für Forstwissenschaft einen Aufsatz des Revierförsters
Pollack, von Hohenberg Oberamt Ellwangen, worin derselbe
über die dort bestehende Holzschuhmacherei einen günstigen Bericht erstattete. Dieser Bericht bewog das Königl.
Oberamt, jenes Gewerbe auch bei uns einzuführen, und zwar
zunächst in Burladingen und Gauselfingen, weil diese Gemeinden vorzugsweise das betreffende Arbeitsholz in erforderlicher Menge besitzen und viele Bürger, besonders den
Winter hindurch, keine Beschäftigung haben und so die große
N o t und Armuthey gemildert werden kann.
Abermals unterstützte die Königliche Regierung den Lehrbetrieb mit 200 Gulden und schaffte 2 neue Werkzeuge zum
Preis von 50 Gulden an, auch wurde der Lehrbetrieb von
hochwohlgeborenen Herren besucht, dem Oberamtmann
von Frank, dem Amtsverweser Stavenhagen und seiner Excellenz dem Regierungspräsidenten von Sydow. Alle lobten
die Arbeiter und waren der Ansicht, daß dies in Zukunft eine
sichere Erwerbsquelle für einen Teil der ländlichen Bevölkerung darstelle. Trotz der Erntezeit während des zweiten
Kursus, haben die Lehrlinge vom 3. März bis 3. September
beinahe neunhundert Paar Schuhe gefertigt, die einen Wert
von ca. 300 Gulden darstellen. Werden hiervon die Auslagen
für Holz und andere Materialien mit etwa 116 Gulden
abgerechnet, so bleibt jedem noch ein durchschnittlicher
Tagesverdienst von siebzehn Kreuzern, welcher bald auf das
drei- bis vierfache steigen kann. So hat Meister Schips bewiesen, daß er imstande ist, an einem Tag bis zu zehn Paar Schuhe
gänzlich anzufertigen und damit einen Taglohn von mindestens einem Gulden und achtundvierzig Kreuzern zu verdienen. Die Gauselfinger Schuhe fanden reißenden Absatz, von
allen Seiten gingen zahlreiche Bestellungen ein, ein einziger
Wiederverkäufer aus Stuttgart, der unmittelbar vorher 350
Paar Schuhe erhalten hatte, bestellte umgehend weitere achtzig Dutzend. Auf die gütige Verwendung von Herrn Regierungsassessor Longard, in dessen Dezernat die Holzschuhfabrikation von Gauselfingen lag, auch er besuchte den Lehrbetrieb, erfolgte der Regierungsbeschluß, den Lehrmeister
Schips bis zum 1. März des nächsten Jahres zu behalten und
noch weitere Lehrlinge auszubilden und die anderen zur
Verfertigung feinerer Holzschuhsorten zu befähigen. Innerhalb dieser verlängerten Frist, soll Schips wöchentlich 6 Gulden erhalten und am Ende eine Gratifikation von 120 Gulden,
welche zu einem Fünftel von der Königl. Regierung und zu
Förster Pollack wurde um nähere Auskunft gebeten und
übernahm auch die Bestellung eines ausgezeichneten Lehrmeisters namens Joseph Schips aus Hohenberg. Dieser verlangte ein Gehalt von 2 Gulden pro Tag sowie die Vergütung
seiner Reisekosten, aber woher sollten die Mittel genommen
werden? So wurde die Königliche Regierung um Unterstützung gebeten, und in unverhoffter Bälde überwies dieselbe
den namhaften Betrag von zweihundert Gulden. N u n galt es
noch Lehrlinge anzustellen und geeignete Räume zu finden,
so meldeten sich zu Burladingen sieben und zu Gauselfingen
fünf. Der Lehrmeister war schon auf der Anreise, als die
Burladinger wieder absagten, und dadurch wurde der Lehrbetrieb in Gauselfingen eingerichtet und weitere acht Lehrlinge meldeten sich an. Der Ortsvorstand verpflichtete sich,
nicht nur den Mietzins für die Werkstatt, die Beleuchtung
So konnte Meister Schips am 31. März 1857 den auf 3 Monate
angesetzten Lehrkursus beginnen. N u n machte sich der
beklagenswerte Umstand bemerkbar, daß nur 4 Lehrlinge
gleichzeitig ausgebildet werden konnten, da der Raum zu
klein war und der Lehrmeister nicht imstande gewesen wäre,
alle von den Lehrlingen ins Rauhe gearbeiteten Schuhe
vollends anzufertigen. Nach Ablauf der ersten 3 Monate
zeigte es sich, daß die Lehrlinge noch nicht die gewünschte
Fertigkeit besaßen, so daß der Kursus um weitere 3 Monate
verlängert werden mußte und drei weitere Lehrlinge dem
Betrieb beitreten konnten.
Roh gearbeiteter Schuh
Zeichnungen: A. Eisele
5
vier Fünftel von der Zentralstelle des Hohenzollerischen
Vereins für Landwirtschaft und Gewerbe übernommen werden. Gegenüber diesen großzügigen Spenden sah sich die
Gemeindeverwaltung genötigt, für einen größeren Raum
samt Beleuchtung und Heizung zu sorgen, den Lehrlingen
sämtliches Material zu liefern und ihnen einen angemessenen
Lohn für die gefertigten Schuhe zu bezahlen, die die Gemein-
de weiterverkaufte. So nahm das Königl. Oberamt die Lehrlinge in Pflicht, auch nach Ablauf des Unterrichtskursus die
Holzschuhfabrikation gemeinschaftlich zu betreiben.
Wann die Herstellung von Holzschuhen aufgegeben wurde
und wo die Werkstätte war, läßt sich heute leider nicht mehr
feststellen, auch sind keine Werkzeuge oder Schuhe mehr
vorhanden.
Der Scharfrichter von Oberwachingen
Nachstehender Bericht wurde uns von Herrn EmilHauler
Grüningen bei Riedlingen überlassen. Er glaubt, daß
Beitrag von Pfarrer Selig, Unlingen, geschrieben wurde,
schon vor über 20 Jahren gestorben ist. Wahrscheinlich ist
Beitrag jedoch wesentlich älter.
aus
der
der
der
B.
In Munderkingen saß im Jahr 1735 der Scharfrichter Johann
Vollmar. Schon seine Eltern und Voreltern hatten lange Zeit
durch mehrere Generationen hindurch das Scharfrichteramt
im Gebiet des Klosters Obermarchtal versehen. Auch seine
Söhne Bartholomä und Vitus (Veit) Vollmar lernten das
Gewerbe ihres Vaters und verpflanzten es weiter in der
Familie. Der alte Meister Johann Vollmar brauchte Erleichterung in seinem Dienst und sein Sohn Bartholomä wollte ihn
im Klostergebiet ablösen. Im genannten Jahr machte Bartholomä Vollmar eine Eingabe an den Abt von Marchtal mit der
Bitte, ihn im Herrschaftsgebiet des Klosters als Scharfrichter
anzustellen. Der damalige Abt Ulrich Blank (von Uttenweiler
gebürtigt) versprach ihm unter dem 26. November 1735, ihn
als Scharfrichter unter derselben Belohnung wie sein Vater
anzunehmen, wenn er sich getreu und fleißig aufführte.
Bartholomä Vollmar wurde wirklich als Scharfrichter und
Kleemeister für das Marchtaler Klostergebiet angestellt. Aber
offenbar, weil sein Vater noch lebte, suchte man für ihn einen
anderen Wohnsitz.
DIE W A H L FIEL AUF O B E R W A C H I N G E N
Ganz in der Nähe des Dorfes baute das Kloster im Jahr 1736
ein neues Haus und wies es dem neuen Scharfrichter als
Wohnung an.
Im November 1736 wohnte Bartholomä Vollmar mit seiner
Frau Agatha Vollmar, Scharfrichters Tochter, bereits zu
Oberwachingen. Es war ein ganz angenehmer Sitz mit einem
Garten beim Haus. Später kamen verschiedene Lehengüter
hinzu. Das Anwesen stand unter dem Schutz des hl. Cyriakus. Das war der Anfang der ehemaligen Kleemeisterei zu
Oberwachingen. Am 30. November 1736 wurde dem jungen
Ehepaar zu Oberwachingen ein Sohn Fidel geboren.
Als Scharfrichter mußte Bartholomä Vollmar arme Sünder
hinrichten, als Kleemeister krepiertes Vieh abdecken und auf
den Wasen führen, und all das verrichten, was mit diesen
Aufgaben zusammenhing. In verschiedenen Herrschaftsgebieten wurden besondere Scharfrichter-Ordnungen aufgestellt, worin die Aufgaben des Scharfrichters sowie die Belohnung für die einzelnen Verrichtungen genau festgelegt waren.
Eine solche Ordnung wurde auch für das Marchtaler Klostergebiet nach Anstellung des Bartholomä Vollmar in seinem
Bestallungsbrief vom 14. Januar 1737 gefertigt. Dieser Brief
ist noch vorhanden und enthält manch interessante Punkte,
weshalb derselbe hier zum erstenmal veröffentlicht wird. Was
darin alles steht, ist aus der damaligen Zeit heraus gewachsen
und darf nicht unter dem Gesichtswinkel der heutigen Zeit
betrachtet werden.
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Der Bestallungsbrief des Bartholomä Vollmar lautet wörtlich
folgendermaßen:
»Demnach Meister Bartholome Vollmar Scharfrichter von
Munderkingen gebürtigt in dem Reichsgotteshaus Marchtal
und samtlichen dahin gehörigen Dorf- und Herrschaften vor
einen Scharfrichter und Kleemeister neuerlich aufgenommen
worden, so hat man ihme mit gnädiger Herrschaft spezialen
Vorwissen und Approbation nachstehende Bestallung ausgeworfen, welche schon von Jakobi letzthin ihren Anfang
nehmen sollen.
An barem Geld bei löbl. Großkellerei zu empfangen jährlich
40 fl. oder quatemberl. 10 fl.
Veesen jährlich 8 oder quatemberl. 2 fl.
Haber quatemberl. 1 Scheffel
Roggen quatemb. 6 Viertel, alles Biberacher Meß.
Veesenstroh jährlich 80 Buschein
Haberstroh jährlich 40 Buschein.
Holz jährl. 4 Klaster samt dem Reis, so er aber in seinen
Kosten machen zu lassen, und heimzuführen hat.
Item wird ihme zu Haltung eines Pferdes ein Anteil Wies in
dem Fuchsweiher und dann sein ausgezeichneter Platz beim
Haus zu Wieswachs oder Ackerfeld, Kraut und Hofgarten
angewisen, auch eine Kuh mit 1 oder 2 Stück Schmalvieh
auszuschlagen verwilligt, wegen etwa vorhabenden weitern
Ausschlag aber hat er sich mit der Gemeinde Oberwachingen
einzuverstehen. Ferner hat er ein wohlerbautes neues Haus
und Zugehörde unentgeltlich zu bewohnen, so man ihme
auch samt dem Schopf auf herrschaftliche Unkosten in
baulichem Stand erhalten wird, doch hat er die Reparation
von Hafner- und Glaserarbeit auf seine eigene Kosten zu
bestreiten.
So oft er Scharfrichter anhero gefordert wird, hat er ein Maß
Bier und ein Laible Schwarzbrot zu empfangen.
Bei vornehmenden Streifen solle der Scharfrichter den Untertanen gleich gehalten werden. Einen Maleficanten (Ubertäter)
vom Leben zum Tod hinzurichten, es geschehe solches durch
das Feuer, Rad, Strang oder Schwert 7 fl. 30 kr. und vor (für)
das Mahl 6 fl. .
Für Verbrennung eines Viehs, soviel deren wären, und doch
die Verbrennung auf einmal geschähe, für jedes 2 fl. 30 kr.
Sollten viele arme Sünder mit einander hingerichtet werden,
gebühren ihme von jedem obige 7 fl. 30 kr., doch höchstens
ein doppeltes Mahl p. 12 fl. Da (Wenn) sich eine Person selbst
entleibt, für dero Verlocherung 7 fl. 30 kr. So oft er an den Ort
der Tortur (Folter) begehrt wird, empfängt er für das Schrekken allein 30 kr., für die wirklich Tortur, es geschehe solche
mit was für Instrumenten es sei 1 fl. nebst 1 Maß Bier und ein
Laible Brot. Für eine Stellung auf den Pranger 1 fl. Sollte aber
auch das Ruten-Ausstreichen, mit oder ohne den Galgen auf
den Rücken zu brennen, dazukommen, 2 fl. Für Ohren und
Nasen Abschneiden oder auch nur das eine allein 30 kr.
das Abdecken 15 kr., für das Öffnen aber 3 kr., so es verlangt
wird.
Einen Maleficanten vom Galgen zu tun und zu begraben,
wenn solches erst eine Zeit nach der Exekution geschieht, 1 fl.
30 kr.
Mit den Bremelauern ist acrordiert worden, daß der Kleemeister ihr krepiertes Vieh, was zieht und trägt, mit seinem
eigenen Karren auf den Wasen liefern und für die Haut 30 kr.,
dem Boten aber 10 kr. nebst 1 Maß Bier und Brot geben solle,
von den kleinen Sachen aber behaltet der Kleemeister die
Haut und bezahlt den Botenlohn wie oben.
Einen Namen an den Galgen zu schlagen, wenn es schon
mehrere wären, doch in einem Akt geschehet, 1 fl. So oft der
Scharfrichter zu einem herrschaftlichen kranken Stück Vieh
oder Pferd berufen wird, es sei nach Marchtal in das Gotteshaus selbst oder die herrschaftlichen Statthaltereien und
Höfe, hat er ein Maß Bier und 1 Laibl Schwarzbrot, er mag
denn zu Ader lassen oder nicht.
So oft an jetzt gesagten Orten ein Stück Vieh krepiert oder
durch den Meister gestochen wird, hat er den Wasen zu
liefern, die Haut nach Hause zu nehmen und zu trocknen,
sodann aber zur Großkellerei zu überbringen, davon empfängt er von jedem Stück 2 Laible Schwarzbrot und 2 Maß
Bier.
Die zu gebrauchende Medizin, er Scharfrichter mag nun
solche selbst präparieren oder anderswärts erkaufen, hat er in
ein billigmäßiges Konto zu bringen, das ihm ordentlich
bezahlt werden solle.
Bei den Untertanen hat er Scharfrichter als Kleemeister
zufolge mit ihnen in öffentlicher Kanzlei gepflogenem umständlichem Accord zu empfangen und zwar in dem AltMarchtalischen.
1. Was trägt und zieht, es mag hernach sein, Roß oder Vieh,
so über ein Jahr alt ist, hat der Untertan selbst auf den
Wasen zu liefern und bezahlt ihm dem Scharfrichter für
das Abdecken von jedem Stück 24 kr. Item für das Öffnen,
wenn es verlangt wird, 4 kr. Hier entgegen verbleibt die
Haut den Untertanen, Kranz und Schwanz aber dem
Meister unentgeltlich.
2. Von den Stücken, so jährig und darunter sind, gebühren
dem Scharfrichter Abdeckerlohn 15 kr. Dagegen behaltet
der Untertan die Haut, er muß aber solch krepiertes Stück
Vieh selbst auf den Wasen liefern, auch den Boten selbst
bezahlen.
Mit der Gemeinde Uttenweiler ist acdordiert, daß sie einen
eigenen Karren mit zugehörigem Reitkissen und Kommlett
unterhalten und von jedem krepierten Stück Roß und Vieh
dem Kleemeister für Lieferung auf den Wasen item für das
Abedecken 30 kr. und für das Eröffnen, so es begehrt wird
4 kr. bezahlen, hingegen die Haut selbst behalten.
Von den Stücken, so jährig und darunter, behaltet der
Untertan gleichfalls die Haut und bezahlt für das WasenFühren und Abdecken dem Kleemeister 20 kr. Den Boten
haben die Untertanen auf ihre Kosten zu schicken. Wollte
aber ein Untertan von Uttenweiler ein Stück Vieh selbst auf
den Wasen führen, wird dem Kleemeister bezahlt wie in der
übrigen Marchtalischen Herrschaft. Bei den Gemeinden Dietershausen, Dobel und Minderreutig wird es gehalten wie bei
den übrigen Alt-Marchtalschen Untertanen.
Von Algershofen hat der Scharfrichter zu Munderkingen laut
Protokoll vom 28. Juni 1717 jährlich zu empfangen gehabt
Veesen 4 Mittlen, Haber 4 Mitt. Da nun die Marchtaischen
Untertanen hinfüro den diesseitigen Kleemeister zu gebrauchen haben, so hat er der neu aufgenommende Meister sich
derentwegen mit seinem Vater zu Munderkingen zu vergleichen, und zahl man wie bisher vom Abdecken eines Stücks
Vieh, so zieht und trägt, 24 kr. Item für das Öffnen, so es
verlangt wird 6 kr. Die Haut gebührt dem Untertanen, Kranz
und Schwanz aber dem Kleemeister, welcher aber das Vieh
auf den Wasen zu liefern und dem Boten 2 kr. zu zahlen hat.
Von den Stücken, so jährig und darunter, hat der Meister für
Weil aber seine jetzige Herberge zu Oberwachingen etwas
weiter, als zuvor Munderkingen war, entlegen ist, so haben
die Untertanen zu Bremelau ihren Boten weiter nicht als
bisher nach Marchtal zu schicken, von hier aus aber der
Meister Post auf seine Kosten zu besorgen und derentwegen
ein gewisses Haus anzuweisen. Sollte aber Wetter und Weg
gar zu impraktikabel sein, ist ihnen von Bremelau unverwehrt, ihr Vieh durch jemand anderen verlochern zu lassen.
Wenn ein Stück Vieh krepiert oder gestochen wird, welches
hirn- oder lungen-rizig oder krettig ist, behält der Kleemeister die Haut und bezahlt den Untertanen für das Führen auf
den Wasen 15 kr., zu Bremelau aber den Boten wie oben. So
oft einige schlechte Pferde für 1,2 bis 3 fl. gegen ausländlische
Christen oder Juden verkauft werden, mag sich der diesseitige
Kleemeister des Zugrechts bedienen. Und gleich wie den
Untertanen das Abdecken und Eingraben Roß und Vieh, so
jährig oder darüber ist, mehrmalen unter der schon den 7. Juli
1734 angesetzten Strafe per 3 fl. und dem Kleemeister bezahlenden Abdecklohn verboten wird, also hat er der Kleemeister hierauf genau Obacht zu tragen, und so oft er oder ein
anderer einen solchen Ubertretter anzeigen wird, nebst Verschweigung seines Namens 30 kr. Discretion von der Kanzlei
zu empfangen.
Sollten durchreisende Fremde oder aus anderer Herrschaft
gebürtige Leute durch Krepierung ein oder mehrere Rosse,
Vieh, Schweine und dgl. verunglücket werden, fällt dem
Kleemeister solch Stück samt Haut und Haar zu, er aber ist
schuldig, daselbe auf den Wasen zu liefern und dem Boten
den Lohn per 10 kr. zu bezahlen. Dessen zur Urkund sind
zwei gleichlautende Bestallungsbriefe ausgefertigt und der
eine dem hiesigen Vogtbuch inseriert, der zweite aber ihm
Meister Bartholome Vollmar unter vorgedrucktem mittleren
Canzlei secret Insigel gefertigter zugestellt worden, so geben
und geschehen in dem Reichsstift und Gotteshaus Marchtal
den 14.Januar 1737. Reichsprälat. Canzlei allda.« (Arch.
Obermarchtal L.2,7.)
Hier sei zum Vergleich mitgeteilt, daß bei Anstellung eines
Scharfrichters zu Uttenweiler im Jahr 1500 die Aufgabe
desselben folgendermaßen zum Ausdruck kam: Foltern,
Besichtigen, Stupfen, Schwemmen oder Strecken, Brand,
Radbrechen, Henken, Ertränken, Pfählen, Spießen, unterm
Galgen vergraben, verbrennen, aufs Wasser führen, Vierteilen, Köpfen, die Asche vergraben, mit glühenden Zangen
reißen, übel schleifen, die Glieder abhauen, an den Pranger
stellen, ausstreichen, die Ohren abschneiden. Und in einer
Scharfrichterbestallung für die Herrschaft Schussenried vom
14. September 1681 ist die Rede von Strecken, Hand abschlagen, mit glühenden Zangen pfezen, Griff, Finger stutzen,
Ohren, Nase, Zunge abschneiden, lebendig spießen, Radbrechen, Wiederablösung von Spieß oder Rad, an den Pranger
stellen, mit Ruten streichen.
Solche Zeiten sind
vorüber!
Es blieb nicht immer bei der für Bartholomä Vollmar und die
damaligen Marchtaler Untertanen aufgestellten Ordnung.
Bald gab es Streitigkeiten und Uneinigkeiten wegen des
Abdecklohnes. Die Untertanen wollten kein Stück Vieh, der
Meister aber fast alle als rizig und krettig anerkennen und
jeder Teil wollte die Haut. Durch einen gütlichen Vergleich
7
wurden die bisherigen Bestimmungen im Jahr 1742 abgeändert. Der Meister selbst war vom Oberamt aufgefordert
worden, wegen des Wasenlohns ein Prospekt einzureichen.
Die unangenehmste Aufgabe hatte Meister Bartholomä Vollmar in den Jahren 1745 bis 1747. Es war die Zeit der
Hexenverfolgung im Marchtaler Herrschaftsgebiet. Der
Scharfrichter von Oberwachingen und sein Bruder Veit
Vollmar, Scharfrichter in Munderkingen, wurden zum Foltern und Hinrichten der armen Opfer des Hexenwahns
beigezogen. Es mag die beiden Brüder selbst geschauert
haben, als sie die armen Weiber folterten, ihnen 40 Rutenund Geißelstreiche applizierten, die Nadel in den Leib steckten, Daumen und große Zehen zusammenpreßten, dieselben
an beiden Händen aufzogen, unter der Nase und unter den
Zehen brannten, auf den Bock legten und aufschraubten.
Bartholomä Vollmar nahm die letzten Folterungen in diesen
Gegenden vor, dann war Schluß damit.
Es begann ein humaneres
Zeitalter.
Ein kleines Vorkommnis aus dem Jahr 1751 sei hier kurz
erwähnt. Damals wurde zu Urach eine Person hingerichtet
und Scharfrichter Bartholomä Vollmar war dabei. Unter den
Zuschauern befand sich der Jäger vom Bremelau, welcher
darauf dem Scharfrichter von Oberwachingen ein Glas Wein
zutrank. Dies wurde von der Zunft der Jäger als entehrend
angesehen und führt zu interessanten Verhandlungen.
In den folgenden Jahrzehnten bestand die Hauptaufgabe des
Scharfrichters von Oberwachingen in den Verrichtungen des
Kleemeisters. Neue Beschwerden der herrschaftlichen Untertanen wurden laut, wobei es sich besonders um den
Abdecklohn handelte. Die Untertanen deckten krepiertes
Vieh zum Teil selbst ab und verlocherten dasselbe. Auch
wegen des Schinderkarrens gab es Meinungsverschiedenheiten. Infolgedessen wurde unter Abt Edmund (Sartor, gebürtig von Munderkingen) am 21. Juni 1765 eine neue herrschaftliche Verordnung wegen der Kleemeisterei Oberwachingen
herausgegeben. Dabei hat man das gemeinsame Wohl der
Untertanen beherzigt. Zwar wurde den Untertanen wie
schon bisher Selbstabdeckung und Verlocherung unter Strafe
verboten, aber sie konnten nun leichter in den Besitz der so
begehrten Haut gelangen. Die umfangreiche Verordnung
enthält auch Bestimmungen über das Fleisch, das noch zum
Genuß tauglich ist, sowie über Vieh, das durch Schuß,
Beinbruch u.a. verunglückt ist. Von den Verrichtungen des
Scharfrichters ist darin nicht die Rede.
Im Jahr 1771 starb Bartholomä Vollmar und hinterließ viele
Schulden, die größer waren als sein ganzes Vermögen. Seiner
Witwe M. Agatha Vollmar wurde am 17. April 1771 gestattet,
mit ihren Kindern Weiterzuhausen, bis ihr Sohn Tiber den
Dienst seines Vaters definitiv erhalten würde, doch mußte
Tiber alle einschlägigen Geschäfte verrichten. Es waren noch
drei ledige Töchter vorhanden, deren Versorgung Schwierigkeiten bereitete. Ein Bruder des Tiber Vollmar, namens
Xaver, war Scharfrichter in Saulgau, ein anderer Bruder,
Fidel, war Amtsdiener bei der gräfl. Schenk von Castell'schen
Oberamtskanzlei in Oberdischingen.
Am 3. Februar 1773 übergab die Witwe des verstorbenen
Scharfrichters das Anwesen ihrem Sohn Tiber Vollmar, der
nun auch als Herrschaftlicher Scharfrichter und Kleemeister
für das Marchtaler Klostergebiet angestellt wurde. Tiber
heiratete am 22. Februar 1773 die M. Anna Aubele, Tochter
des verstorbenen Scharfrichters Johann Aubele und der Josepha Steigendesch von Ammerstetten in der gräfl. Fugger'schen Herrschaft. Die Braut brachte 400 Gulden Heiratsgut
mit und ihr Stiefvater, Meister Franz Gebhard Burkhart,
wurde Tibers, des Scharfrichters von Oberwachingen, Assistent.
8
Tiber Vollmar besaß also das herrschaftliche Lehensgut auf
St. Cyriakus und das Amt seines Vaters. Im Jahr 1774 wurde
das Anwesen genau beschrieben. Es war bedeutend größer als
am Anfang. Denn es gehörten dazu Haus, Scheuer, Zwinger,
Brunnen, Gärten, Hanf- und Krautteil, 2 Jauchert 60 Ruten
Wiesen und über 9 Jauchert Äcker.
Die Witwe des Bartholomä Vollmar, Tibers Mutter, Agatha
Vollmarin, heiratete im Jahr 1777 den gewesenen Scharfrichter Jakob Rizer in Ehingen, den sie in seinem hohen Alter
verpflegte, bis er anno 1787 starb. Es war verabredet worden,
daß ihr Sohn zu Oberwachingen ihr von da an kein Leibgeding mehr zu reichen brauche, bis sie etwa wieder in den
Witwenstand versetzt würde. Nach dem Tod ihres zweiten
Mannes schrieb sie am 20. August 1787 an den Prälaten von
Obermarchtal, sie möchte gern an ihren Witwensitz nach
Oberwachingen zurückkehren, aber die weite Entfernung
von der Kirche u.a. Umstände legen ihr nahe, in Ehingen zu
bleiben.
Im Jahr 1797 starb die Ehefrau des Scharfrichters Tiber
Vollmar, M.Anna, geb. Aubele, worauf Tiber im Jahre 1798
die Barbara Dolpatschin, Witwe des Fidel Fritschle, heiratete,
die aber schon 1801 starb.
Trotzdem Tiber Vollmar viele Kinder hatte, kam kein Sohn
von ihm an seine Stelle. Er war nicht bloß aus seinem
Geschlecht, sondern überhaupt der letzte Scharfrichter im
Marchtaler Klostergebiet. Denn als das Kloster Marchtal im
Jahr 1802 aufgehoben war, nahm auch das Marchtalsche
Scharfrichteramt ein Ende. Der bisherige Scharfrichter war
dann nur noch Kleemeister.
Wiederholt bekam Tiber Vollmar Gelegenheit, in Obermarchtal sein Amt als Scharfrichter auszuüben. Nur ein
Beispiel sei hier angeführt. Im Dezember 1791 geschah in der
Nachbarschaft ein aufsehenerregendes Verbrechen, dem ein
Menschenleben zum Opfer fiel. Zwei Wundärzte und der
Amtsphysikus Dr. med. F. Weitzmann von Munderkingen,
der Vater des bekannten Dialektdichters, gaben medizinische
Urteile ab, Oberamtmann Spiegier von Aulendorf ein rechtliches Gutachten. Der Verbrecher wurde vom Oberamtsgericht in Obermarchtal zum Tod durch das Schwert verurteilt.
Vergebens bat er um Schonung seines Lebens. Es blieb beim
gerichtlichen Urteil vom 2. April 1792, wonach er »zu seiner
wohlverdienten Strafe, andern aber zum abschreckenden
Beispiel dem Nachrichter an Hand und Band geliefert, von
selbigem auf die Richtstatt hinausgeführt und daselbst mit
dem Schwert vom Leben zum Tod gebracht werden solle«.
Die Hinrichtung fand am 3. April 1792 statt. Den Todesstreich führte Scharfrichter Tiber Vollmar und erhielt für
denselben 7 Gulden 30 Kreuzer.
Wir setzen das ganze in mehrfacher Hinsicht interessante
Conto des Scharfrichters unter Weglassung der Namen wörtlich hieher.
Conto
»Es ist durch das oberambtliche Gericht allhier der N. N. von
N . den 3ten April von Mir durch das Schwer hingerichtet und
Mir nach lauth Meiner gnädiger herrschäftl. Bestallung nachstehende Punkten bezahled worden wie folgt
Erstlich beym leben absprech vor Oberamt begerth Strick
und Sailer auch andere Sachen was nothwendig wahren
angefrembt
36 kr.
den andern dag vor Oberamt befohlen den
Plaz zur Execuzion auszusehen
36 kr.
mer vor den Straich
7 fl. 30 kr.
mer vor das Mahl
6 fl.
Sa.
14 fl.
Tiberi Vollmarr Scharpfrichter allhier
Mit dangh bezald.«
02 kr.
Am 7. November 1808 starb Tiber Vollmar, der letzte
Scharfrichter seines Namens zu Oberwachingen. Seine Tochter Theodora hatte am 31. August 1806 den Christoph Sorg,
Sohn des Scharfrichters und Kleemeisters Joseph Sorg in
Mühlhausen bei Oberstadion, geheiratet. Sorg betrieb fortan
die Kleemeisterei zu Oberwachingen und starb 1849. Sein
Sohn gleichen Namens übernahm das Geschäft seines Vaters
und war der letzte Kleemeister zu Oberwachingen.
Das reichverzierte Schwert des alten Scharfrichters Vollmar
wurde von dessen Nachkommen lange Zeit als wertvolles
Andenken aufbewahrt, bis es eines Tages verschwand. Heute
noch erzählt man in dieser Gegend vom alten Scharfrichter zu
Oberwachingen eine Geschichte, die sich auch von anderen
Scharfrichtern im Volksmund erhalten hat. Einst holten
vermummte Männer den Scharfrichter bei Nacht ab, verbanden ihm die Augen und setzten ihn in eine Kutsche. Dann
gings fort an einen dem Scharfrichter unbekannten Ort. Dort
angekommen, führte man ihn in einen Gerichtssaal, nahm
ihm die Binde ab und befahl ihm, eine gewisse Person mit dem
Schwert hinzurichten. Hernach verband man ihm die Augen
wieder und führte ihn nach Hause.
Der Scharfrichter von Oberwachingen wurde auch für die
Dienste des Herren von Stain zu Rechtenstein in Anspruch
genommen, wovon noch heute die mündliche Uberlieferung
erzählt.
In Rechtenstein erzählt die mündliche Uberlieferung, daß der
Scharfrichter von Oberwachingen bei der nächtlichen Entführung in das Burgverlies zu Rechtenstein mit Gefährt
gebracht wurde und daß man dort durch eine Radikalkur im
damaligen Hexenwahn Kopf um Kopf rollen sah.
Wie uns bestätigt wird, befand sich das Richtschwert bis vor
ca. 30 Jahren in Munderkingen. Es wurde dann der Munderkinger Familie Josef Vollmer, Kleemeister, von einem sogenannten »Liebhaber von Altertümern« abgeschwätzt und um
ein paar Groschen verkauft.
O T T O H. BECKER
Die Fürsten von Hohenzollern und ihr Füsilier-Regiment
Studien zur Geschichte des Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern
Vierziger-Vereine* - (Fortsetzung von Nr. 4/1986)
Am 7. Juni 1905 starb in Berlin Fürst Leopold von Hohenzollern. Kaiser Wilhelm II., der an der Spitze einer großen
Anzahl von Fürstlichkeiten seinem Vetter die letzte Ehre
erwies, ernannte am selben Tag seinen ältesten Sohn, Fürst
Wilhelm von Hohenzollern, zum Chef des FüsilierRegiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern. Auch dieser
Fürst hat die Tradition seiner Vorgänger fortgesetzt und stets
die Beziehungen zu seinem Regiment wie auch zu den
Vierziger-Vereinen aufrechterhalten. Doch darüber soll später berichtet werden.
Die Garnisonen Aachen und Rastatt
Die 43jährige Friedenszeit zwischen dem Frankreichfeldzug
und dem Ausbruch des 1. Weltkriegs bedeutete für das
Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern keineswegs Stillstand. 1887 wurde bei dem Regiment ein IV. Bataillon aufgestellt. Diese Einheit erhielt noch im gleichen Jahr
eine Fahne. Zur Bildung des Infanterie-Regiments Nr. 144
mußte das Füsilier-Regiment N r . 40 sein IV. Bataillon jedoch
bereits 1890 wieder abgeben.
Dieser Verlust konnte jedoch alsbald fast wieder ausgeglichen
werden. Infolge der 1893 angeordneten Heeresvermehrung
wurde dem Füsilier-Regiment N r . 40 ein IV. (Halb-)Bataillon zugeteilt. Die Nagelung der Fahnen der damals neu
aufgestellten Bataillone durch Kaiser Wilhelm II. fand am
17. Oktober 1894 in Berlin statt. Die feierliche Verleihung
der Bataillonsfahne erfolgte am folgenden Tag.
1905 schließlich verlieh der Kaiser dem I., II. und III. Bataillon neue Fahnentücher. Die Nagelung der Fahnen erfolgte in
der Ruhmeshalle des Zeughauses zu Berlin und die Weihe im
Lichthof. Bei der Kaiserparade des VIII. Armeekorps am
11. September 1905 wurden die Fahnen an das FüsilierRegiment Nr. 40 übergeben. Eine gute und ausführliche
Beschreibung der Regimentsfahnen liegt nunmehr in dem
Beitrag von Reinhold Redlin-Fluri vor.
Die Friedenszeit brachte außerdem Standortwechsel mit sich.
1895 wurde das Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von
Hohenzollern nach Aachen verlegt. 1910 fand dann der letzte
(Hohenzollemsches)
Nr. 40 und der
Garnis'onswechsel statt. Das Regiment wurde, um seinem
Aushebungsbezirk näher zu sein, wie der Literatur zu entnehmen ist, nach Rastatt verlegt und als preußisches
Regiment dem XIV. (badischen). Armeekorps zugeteilt.
Die Hohenzollernfüsiliere im 1. Weltkrieg
Das Kriegsgeschick, das den Hohenzollernfüsilieren im
Weltkrieg 1914—1918 beschieden war, unterschied sich
grundlegend von dem der vorangegangenen Feldzüge. Waren
letztere durch schnelles Vorwärtsdrängen, kurze und blutige
Schlachten und wiederum durch endlose Märsche gekennzeichnet, erstarrte an der Westfront nach anfänglichem
Bewegungskrieg das kriegerische Geschehen zu einem blutigen und zermürbenden Stellungskrieg.
Es würde den Rahmen des Beitrags sprengen, wollte man hier
den Versuch unternehmen, die Einsätze des FüsilierRegiments N r . 40 auf den Kriegsschauplätzen in Frankreich
nachzuzeichnen und zu würdigen. Es sei hier nur an die
Einsätze des Regiments in der Champagne, an der Somme,
vor Verdun und die Tankschlacht von Cambrai erinnert.
Besonderen Ruhm hat das Füsilier-Regiment Fürst Karl
Anton von Hohenzollern 1915 bei dem Sturm der französischen Armee auf die Loretto-Höhe erworben.
Den Kameraden, die in den Schützengräben ihren Dienst
taten, blieb Fürst Wilhelm von Hohenzollern stets zugetan.
Mehrfach besuchte er sein Regiment an der Front und
zeichnete es durch zahlreiche Verleihungen des Fürstl.
Hohenz. Hausordens und der Verdienstmedaille an Offiziere
und Mannschaften aus. An seinem 53. Geburtstag, am
7. März 1917, stiftete der Fürst einen Fonds in Höhe von 5000
Mark, der dann bald auf 10000 Mark aufgestockt wurde,
zugunsten der Hohenzollernfüsiliere. Aus dem Fonds sollten
Beihilfen an bedürftige Hinterbliebene von Gefallenen oder
verwundeten Regimentsangehörigen sowie an Angehörige
von vermißten Kameraden vom Feldwebel abwärts gezahlt
werden. Anläßlich der 100jährigen Stiftung des RegimentsNr. 40 i. J. 1918 stiftete der Fürst einen Unterstützungsfonds
in Höhe von 10000 Mark für die Offiziere des Regiments.
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Die Opfer, die das Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von
Hohenzollern im "Weltkrieg hat erbringen müssen, waren
ungeheuer. Allein 94 Offiziere und 3766 Unteroffiziere und
Mannschaften des Regiments waren auf den Schlachtfeldern
Frankreichs gefallen.
Wie wir wissen, waren die Mühen und Opfer vergebens. Der
Untergang der Monarchie besiegelte auch das Ende der
kaiserlichen Armee. Am 31. Mai 1919 erfolgte die endgültige
Auflösung des Füsilier-Regiments N r . 40. Die Fahnen des
Regiments wurden in das Heeresmuseum in Kassel übergeführt. Die Traditionspflege des ehemaligen Regiments bekam
1921 das 14. (Bad.) Infanterie-Regiment, 2. (Schützen-)
Bataillon, 5. Kompanie in Tübingen übertragen.
Die Vierziger-Vereine und - Verbände in der Nachkriegszeit
Die Umwälzung, die sich nach dem Kriege in Deutschland
vollzog, ging auch an dem Verband und an den Vereinen der
Vierziger nicht spurlos vorüber. Nachdem die interalliierte
Kommission die Tätigkeit der Militärvereine zunächst
erschwert und dann völlig verboten hatte, war an die Fortführung der Verbands- und Vereinsarbeit der Vierziger im
besetzten Rheinland nicht mehr zu denken.
Bereits am 19. Juli 1919 wurde in Rastatt der »Verein der
Offiziere des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl
Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40«
gegründet. Eine Filiale dieses Offiziervereins im rheinischwestfälischen Industriegebiet entstand 1920.
Um den Kameraden aus der besetzten Zone die Möglichkeit
zu Zusammenkünften zu bieten, wurde am 3. April 1921 der
»Verein der Angehörigen des ehemaligen Füsilier-Regiments
Nr. 40 im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet« gegründet. Die süddeutschen Kameraden schlossen sich im August
1921 in Rastatt zum »Verband ehemaliger Vierziger in Süddeutschland« mit Sitz in Rastatt zusammen.
Um den Zusammenhalt der nord- und süddeutschen
Regimentsangehörigen zu gewährleisten, wurden in den folgenden Jahren jeweils Große Vierziger-Tage abgehalten. An
dem Vierziger-Tag am 5. und 6. Juli 1924 in Rastatt wurde
angeregt, mit dem Landwehr-Regiment N r . 40 einen Verband zur Pflege der Kameradschaft und der Erstellung eines
Vierziger-Denkmals in Rastatt zu Ehren der im Kriege 1914/
18 vor dem Feinde gefallenen Helden zu gründen. Der
gemeinsame Verband ist dann 1925 endgültig besiegelt
worden.
Um die gleiche Zeit bestand auch in Sigmaringen ein Vierziger-Verein, der jedoch in den Verbandsorganen schon 1927
keine Erwähnung mehr fand. Der Verband umfaßte 1932 25
Ortsgruppen und wies ohne die beiden Offiziersvereine rund
800 Mitglieder auf.
Die feierliche Enthüllung des Ehrenmals der Vierziger auf
dem Schloßplatz in Rastatt fand am 31. Juli 1927 statt. Bei der
Feier war auch der frühere Regimentschef des FüsilierRegiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40, Fürst Wilhelm von Hohenzollern, zugegen. Der Fürst hatte übrigens einen wesentlichen Teil der
Kosten des Denkmals bestritten.
Kurz nach der Rastatter Feier, am 22. Oktober 1927, starb
Fürst Wilhelm von Hohenzollern und mit ihm auch der letzte
Chef des ausgelöschten Füsilier-Regiments N r . 40. An seiner
Beisetzung am 27. Oktober in der Erlöserkirche in Sigmaringen nahmen als Vertreter des ehemaligen Regiments Oberst
von Werner, Oberst Kaether und der Verbandsvorsitzende
Johann Prym teil.
Die Uberführung
der Regimentsfahnen
nach
Sigmaringen
Auch der Sohn und Nachfolger des Fürsten Wilhelm, Fürst
Friedrich von Hohenzollern (1891-1965), war bestrebt, die
10
unter seinen Vorfahren geflochtenen Bande zu den Angehörigen des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von
Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40 zu pflegen und zu
bewahren. Bereits am 2. Dezember 1927 nahm er das ihm von
den Vierziger-Vereinen angetragene Protektorat über alle
Vierziger-Vereinigungen an und überwies im Andenken an
seinen Vater dem Fonds für das Ehrenmal der Vierziger in
Rastatt den Betrag von 1000 RM. Vor allem aber gelang es
dem Fürsten, die in Kassel verwahrten Feldzeichen des
Füsilier-Regiments N r . 40 nach Sigmaringen zu überführen.
Bemühungen des Vierziger-Verbands mit Sitz in Rastatt, die
Fahnen nach Rastatt zu bekommen, waren 1930 am Widerstand des Reichswehrministeriums gescheitert.
Zunächst verfocht der Fürst die Überführung der Feldzeichen auf die Burg Hohenzollern. So heißt es in einem
Schreiben des Obersten a . D . Kaether vom 22. November
1932 an den Fürsten: »Durchlauchtigster Fürst! Mit großer
Freude haben die Kameraden vom Offiziersverein der ehemaligen Hohenzollern-Füsiliere durch den Kameraden Prym
(Vorsitzender des 40er Verbandes mit dem Sitz in Rastatt)
soeben erfahren, daß Ew. Königliche Hoheit vor kurzem mit
dem Reichswehrminister, Herrn General von Schleicher,
wegen Überführung unserer Fahne vom Stadtschloß in Kassel nach der Burg Hohenzollern gesprochen haben, und daß
General v. Schleicher das Einverständnis des Ministeriums
zum Ausdruck gebracht hat. Untertänigsten Dank hierfür.
Ein Herzenswunsch von uns allen wird hierdurch erfüllt. Zu
Kassel hatte unser Regiment ja gar keine Beziehungen.«
Unterm 17. März 1933 erteilte der neue Reichswehrminister
von Blomberg die Genehmigung zu der geplanten Überführung der Fahnen des Füsilier-Regiments N r . 40 in die Hohenzollernhalle der Burg Hohenzollern. In einem Schreiben des
Kabinettchefs des Fürsten von Hohenzollern, des Obersten
Freiherr von Hallberg, vom gleichen Tage an den schon
erwähnten Obersten Kaether taucht dann erstmals der Plan
zur Überführung der Fahnen in das Schloß Sigmaringen auf,
der später bei dem Hechinger Vierziger-Verein auf großen
Widerstand gestoßen ist.
In dem Schreiben heißt es: »Gleichzeitig darf ich Ihnen
mitteilen, daß die Angelegenheiten der Fahnen dadurch, daß
der neue Regierungspräsident Dr. Simon selbst sehr großes
Interesse daran hat, in einiger Zeit zur Entscheidung kommen
wird. - Es hat sich aber herausgestellt, daß die Burg Hohenzollern für die Aufbewahrung der Fahnen nicht geeignet ist
und daß deshalb voraussichtlich das Schloß Sigmaringen
hierfür gewählt wird, was mir persönlich noch wesentlich
sympathischer ist.«
In einer Eingabe an den Reichswehrminister von Blomberg
vom 9. April 1933 konkretisierte Fürst Friedrich die Gründe
für das neue Projekt mit folgenden Sätzen: »Inzwischen ist
nun in der Sache eine kleine Komplikation eingetreten, als
eine örtliche Besichtigung des Aufstellungsplatzes ergeben
hat, daß die Fahnen auf der Burg, nach Ansicht des in diesen
Dingen sehr erfahrenen Herrn Regierungspräsidenten Dr. Simons nicht absolut sicher untergebracht werden können. Der
einzige Schutz für die Fahnen ist oben der Kastellan. Der
Herr Regierungspräsident, der die Angelegenheit in freundlichster Weise sehr zu fördern bemüht ist, und das größte
Interesse daran hat, da er in seiner vorhergehenden Dienststelle in Kassel die Fahnen betreut hat, hat nun geraten, ob es
nicht zweckmäßiger wäre, die Fahnen nach dem Schloß
Sigmaringen zu verbringen, wo sie im Ahnensaal meiner
Vorfahren äußerst würdig aufgestellt werden k ö n n t e n . . .
Eine andere Anregung wurde ebenfalls durch den Herrn
Regierungspräsidenten noch gegeben, nämlich die zur Zeit
auch in Kassel befindliche Fahne des Hohenzollernschen
Fußartillerie-Bataillons N r . 13 mitüberführen zu lassen, da
entsprechend dem Rekrutierungsprinzip dieses Bataillons
auch dessen Fahne zweifellos ein größeres Heimatrecht im
Hohenzollernlande hat als in Kassel.«
Die Anregung des Sigmaringer Regierungspräsidenten, der in
seiner vorangegangenen Stelle beim preuß. Oberpräsidenten
in Kassel im Bereich der Museums- und Kunstverwaltung
tätig war, ist Fürst Friedrich, wie in der umfangreichen
Korrespondenz über diese Frage deutlich wird, offensichtlich
sehr gelegen gekommen. Mit der Überführung der Fahnen
des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von
Hohenzollern und dann auch des Fußartillerie-Bataillons
Nr. 13 (verl. 1902) in den Ahnensaal des Sigmaringer Schlosses wollte der Fürst die Traditionspflege dieser Einheiten
seinem Hause, den schwäbischen Hohenzollern, vorbehalten, ein Programm, das bei einer Aufbewahrung dieser
Symbole auf der Burg Hohenzollern, dem Denkmal der
preußischen Königsdynastie, wohl kaum zur Geltung hätte
gebracht werden können.
Die Verbindung der Traditionspflege der ehemaligen Hohenzollernregimenter mit der des Fürstl. Hauses Hohenzollern
hat denn auch Kaiser Wilhelm II. in einem Brieftelegramm an
Fürst Friedrich vom 16. Juli 1933 anläßlich der Überführung
der Fahnen nach Sigmaringen mit den folgenden Worten
grundsätzlich anerkannt: »Für den Treuegruß von der Fahnen-Übergabe in Sigmaringen danke ich Dir und den Kameraden des tapferen Hohenzollern-Füsilier-Regiments, das in
seinen ruhmreichen Kämpfen seinem verewigten Chef, Deinem lieben Vater, und dem stolzen Namen, den es trägt,
allezeit Ehre gemacht hat. Alleweg guet Zolre.«
Nach umfangreichen Verhandlungen mit dem Reichswehrminister und der Tübinger Traditionskompanie konnte dann
das folgende Programm für die am 9. Juli 1933 stattgefundene
Überführung der Feldzeichen nach Sigmaringen festgelegt
werden:
Samstag, den 8. ]uli:
Ankunft der 40er Kameraden gegen 12 Uhr in Tübingen.
Unterbringung in der Kaserne. 13.30 Uhr gemeinsames
Mittagessen aus der Feldküche. Nach dem Essen, sportliche
Vorführungen der Traditionskompanie, Besichtigung der
Kaserne und Führung durch die Sehenswürdigkeiten Tübingens.
Sonntag, den 9. Juli:
Die Traditionskompanie fährt mit der Bahn nach Sigmaringen. Abfahrt aller 40er mit ihren Angehörigen punkt 6 Uhr
früh mit den gleichen Fahrzeugen, womit sie nach Tübingen
gekommen sind, nach Sigmaringen. Treffpunkt aller Teilnehmer am Bahnhof Sigmaringen.
9.30 Uhr Kranzniederlegung am Sarkophag Weiland
S. Königl. Hoheit des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern und Ehrung der Toten des Weltkrieges
am Gefallenendenkmal in Sigmaringen durch eine
Abordnung beider Verbände. (Die Abordnung
wird am Bahnhof Sigmaringen bestimmt.)
9.50 Uhr Abmarsch aller Teilnehmer vom Bahnhof zum
Prinzengarten.
10.00 Uhr Feldgottesdienst im Prinzengarten.
11.00 Uhr Vorbeimarsch auf dem Leopoldplatz an Seiner
Hoheit dem Fürsten, dem Bataillonskommandeur der Reichswehr, Herrn Oberstleutnant
Tschunke, und Herrn Oberst Kaether.
Reihenfolge des
Vorbeimarsches:
Bataillonsmusik 11/14
Unsere alten Fahnen und die Fahne der Hohenzollernschen
Fußartillerie-Abt.
Traditionskompagnie
Traditionsabteilung der Fußartillerie
Alle ehemaligen 40er geordnet nach Vereinen mit
Vereinsfahnen
Artillerie-Vereine
Kriegerverein Sigmaringen - D. Offiziersbund
Stahlhelm und S. A.
ihren
Nach dem Vorbeimarsch Abmarsch ins Schloß
Fahnenübergabe
im Schloßhof:
Hier sind die Kriegsgeschädigten derart zu führen, daß sie vor
allen anderen als erste im Schloßhof eintreffen, wo sie auf
Anordnung S. Hoheit des Fürsten bequem an die günstigste
Stelle gebracht werden.
Anschließend gemeinsames Essen aller Teilnehmer aus der
Feldküche vor der Stadthalle (geringer Anteil an den Selbstkosten dieses Essens wird noch bekanntgegeben).
15.30-16.30 Uhr Platzkonzert der Bataillonskapelle auf dem
Leopoldplatz. Nachmittags ist die Besichtigung des Schlosses
und des Museums kostenlos gestattet.
Dieses Programm wurde kurz vor der Fahnenübergabe noch
etwas verändert. Die Fahnen wurden nicht im Schloß, sondern am Denkmal des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern
übergeben. Es schlossen sich Festreden des Obersten Kaether
für die 40er, S. Exzellenz Schabel für die Artillerie, des
Oberstleutnants Tschunke 11/14 als Übergeber und des Fürsten von Hohenzollern als Übernehmer der Fahnen an.
Während der Übergabe spielte die Bataillonsmusik den Präsentiermarsch. Abschließend folgte das Deutschlandlied.
Die kurze Ansprache des Fürsten soll wegen ihres spezifischen Inhalts hier im Wortlaut wiedergegeben werden: »Mit
stolzem und bewegtem Herzen übernehme ich die Fahnen
der hohenzollerischen Regimenter in die Obhut meines
Hauses. Angesichts der zahlreichen Krieger, die unter diesem
stolzen Zeichen unseres alten ruhmreichen Heeres gefochten
und geblutet haben, die auf diese Fahnen ihren Treueeid
leisteten, verspreche ich, diese heeren Feldzeichen an würdigem Orte betreuen und aufheben zu wollen, bis - so Gott will
- ein neuer Tag anbricht, wo die alten traditionsreichen
Hohenzollernregimenter mit ihren alten Fahnen wieder neu
erstehen zum Ruhme und zur Treue unseres geliebten deutschen Vaterlandes. Unser teures Vaterland, Hurra!«
Die Fahnen haben danach im Kanonensaal des Sigmaringer
Schlosses ihren Aufbewahrungsort gefunden. Soweit aus den
Akten erkennbar, sind sie vor dem 2. Weltkrieg von dort nur
einmal weggenommen worden. Den Anlaß zu dieser Wegnahme bildete die Anbringung des Frontkämpferkreuzes an
den Fahnen am Heldengedenktag 1935. Zu diesem Zwecke
wurden die Feldzeichen des Füsilier-Regiments Nr. 40 in den
Standort Tübingen und die Fahne des FußartillerieRegiments N r . 13 in den Standort Ulm verbracht.
Die Gründung der
Traditionsgemeinschaft
Die Vierziger-Verbände und -Vereine, die 1934 dem NS
Reichskriegerbund einverleibt worden waren, sind mit dem
Zusammenbruch 1945 zu Grabe getragen worden. Der Geist
der Kameradschaft unter den Vierzigern blieb indes auch
fortan lebendig. Bereits 1951 hatte der frühere Verbandsvorsitzende Prym eine Anzahl von Anschriften , ausfindig
gemacht und verschickte das erste Rundschreiben, das mit
dem Satz begann: »Einen kameradschaftlichen Gruß aus
Rastatt, der letzten Garnison unseres stolzen Regiments und
Standort unseres Ehrenmals.«
Der Appell des früheren Verbandsvorsitzenden blieb nicht
ungehört. 1954 konnte die Kameradschaft in Karlsruhe ins
Leben gerufen werden und schon 1955 fand eine erste
Wiedersehensfeier in Rastatt statt. Ende Mai 1957 gab eine
große Zahl ehemaliger Vierziger dem verstorbenen Kamera11
den Prym das letzte Geleit. Die dort versammelten Kameraden waren sich einig, daß der Geist der Treue und Anhänglichkeit an das Füsilier-Regiment Nr. 40 weiter gepflegt und
das Andenken an die toten Kameraden wachgehalten werden
müßte.
In diesem Sinne trafen sich am 28. Juli 1957, am 30. Jahrestag
der Einweihung des Ehrenmals der Vierziger im Schloßgarten
zu Rastatt, eine große Anzahl ehemaliger Angehöriger des
Füsilier-Regiments N r . 40. Prinz Franz Josef, der Zwillingsbruder des Fürsten Friedrich von Hohenzollern, schlug vor,
die Verbindung mit den Kameraden aus Hohenzollern wieder aufzunehmen und alle Hohenzollernfüsiliere wieder zusammenzuführen.
Die hierfür eingesetzte Arbeitsgemeinschaft traf unter Eugen
Riedel, Hechingen, die notwendigen Vorbereitungen zu dem
Großen Vierziger-Treffen auf der Burg Hohenzollern 1958,
bei dem über 600 ehemalige Regimentskameraden aus allen
Teilen der Bundesrepublik zusammenkamen, unter ihnen
auch Fürst Friedrich und Prinz Franz Josef von Hohenzollern.
Die geschäftlichen Angelegenheiten waren durch einen Ausschuß so weit vorbereitet, daß der eingebrachte Vorschlag,
den alten ehemaligen Vierziger-Verband Rastatt in Form
einer Arbeitsgemeinschaft neu ins Leben zu rufen, Zustimmung fand. Der Vorschlag wurde dann auch umgehend in die
Tat umgesetzt und unter der Schirmherrschaft des Fürsten
Friedrich von Hohenzollern die »Traditionsgemeinschaft
Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern
(Hohenzollernsches) Nr. 40 und seine Nebenformationen«
gegründet. Annähernd 100 Kameraden sind damals spontan
dem neuen Vierziger-Verein beigetreten. Die Satzung der
Traditionsgemeinschaft wurde auf der ersten Sitzung des
Gesamtvorstandes am 22. Februar 1959 in Karlsruhe
beschlossen. Als Zweck des Vereins wird darin postuliert:
a) die Kameradschaft unter den Angehörigen des ehemaligen
Regiments und seiner Formationen aufrechtzuerhalten
und zu pflegen,
b) die Verbindung zwischen den Kameraden, ihren Angehörigen und den Hinterbliebenen der Gefallenen und Verstorbenen zu erhalten,
c) das Andenken an die Gefallenen und Verstorbenen des
ehemaligen Regiments und seiner Formationen wachzuhalten und das ehrende Gedenken im Kameradenkreis zu
wahren,
d) die noch lebenden Kameraden von Zeit zu Zeit zur
Abhaltung örtlicher und auf Bezirksebene zu organisierender Kameradentreffen zu veranlassen,
e) in wiederkehrenden größeren Zeitabständen Wiedersehensfeiern in Form von Regimentstreffen zu veranstalten.
Diese sollen hauptsächlich in der ehemaligen Garnisonsstadt Rastatt stattfinden.
Schlußbemerkung
und
Ausblick.
Der Verein hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten unter
den Vorsitzenden und Geschäftsführern Riedel, Hertel,
Hanel, Ruff, Jauch, Weller, Franz Prinz von Hohenzollern
und Steim die Pflege der Tradition und der Kameradschaft
der ehemaligen Vierziger gefördert und erhalten. Dies
geschah vor allem durch regionale und überregionale Kameradschaftstreffen, die Herausgabe einer regelmäßig erscheinenden Vereinsschrift und schließlich durch die alljährlich
stattfindende Kranzniederlegung am Ehren- und Mahnmal
des Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern
(Hohenzollernsches) Nr. 40 und des Landwehr-Regiments
Nr. 40 in Rastatt.
Der natürliche Auszehrungsprozeß des Vereins konnte indes
durch die Neuaufnahme von Witwen, Söhnen und Enkeln
ehemaliger Vierziger sowie interessierter Zeitgenossen nicht
12
ausgeglichen werden. So ist die Mitgliederzahl, die 1964 mit
340 Mitgliedern ihren Höhepunkt erreicht hatte, kontinuierlich auf 131 Mitglieder im Jahre 1985 zurückgegangen.
Der Verein suchte deshalb die Kooperation mit dem Reservistenverband der Bundeswehr. 1984 verpflichtete sich die
Kreis gruppe Neckar-Alb im Verband der Reservisten der
Deutschen Bundeswehr e.V., die Traditionspflege des Vereins der Hohenzollern-Füsiliere mitzuübernehmen. Vor
allem soll sich der Kreisverband an der Gestaltung der
alljährlich stattfindenden Gedächtnisfeier in Rastatt beteiligen, eine Aufgabe, die nach Aufstellung der Feldzeichen der
Hohenzollernfüsiliere und des Hohenzollernschen Fußartillerie-Bataillons N r . 13 dort sicherlich noch an Gewicht
gewinnen wird.
* Überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Verfasser am
13. November 1985 im Rahmen der Weiterbildung des Stabs und der
Stabskompanie der 10. Panzerdivision in Sigmaringen und am
13. April 1986 bei der Jahresversammlung der Traditionsgemeinschaft Füs.-Rgt. Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40 auf der Burg Hohenzollern gehalten hat.
QUELLEN:
I. Staatsarchiv Sigmaringen
H o 235 (Preuß. Regierung der Hohenz. Lande), Präsidialabteilung,
XIV Nr. 46
Dep. 39 (Fürstl. Hohenzollernsches Haus- und Domänenarchiv),
N V A 13.470, 13.472, 15.853, 15.855, 15.858, 16.039, 26.250, 26.377,
31.318
Dep. 42 (Archiv der Traditionsgemeinschaft Füs.-Rgt. Fürst Karl
Anton von Hohenzollern), Nr. 1
II. Stadtarchiv Rastatt, A 3787
LITERATUR:
Festbuch zur Denkmalsenthüllung, verbunden mit 40er Appell am
30. und 31. Juli 1927 in Rastatt, o . O . u . J .
Franz Führen, Die Hohenzollernfüsiliere im Weltkrieg 1914-1918,
Oldenburg-Berlin 1930.
Paul Liebeskind (Bearb.), Geschichte des Füsilier-Regiments Fürst
Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40, Berlin
1896.
Eva Link - Heinz Gauggel, Fürstlich Hohenzollernsche Orden und
Ehrenzeichen, Fridingen 1985.
Ludwig (Bearb.), Geschichte des Hohenzollernschen FußartillerieRegiments Nr. 13, Ulm 1905.
Albert Neininger, Rastatt als Festung und Garnison, Rastatt 1938.
Reinhold Redlin-Fluri, Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von
Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40. Formations- und Fahnengeschichte, in: Zeitschrift für Heereskunde 35 (1971), S. 59-64.
Nachrichtenblatt des Vereins der Offiziere des ehemaligen FüsilierRegiments Fürst Karl Anton (Hohenzollernsches) N r . 4 0 (E.V.),
N r . 1 ( 1 9 1 9 ) - N r . 17-(1925).
Der Vierziger. Nachrichtenblatt der Vereinigung der Angehörigen
des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40, des Landwehr-InfanterieRegiments Nr. 40 und der anderen 40er Kriegsformationen, Nr. 1
(1925) - N r . 24 (1928).
Rundschreiben der Traditionsgemeinschaft ehemaliger Hohenzollernfüsiliere des Regiments N r . 40 Fürst Karl Anton von Hohenzollern, Nr. 1 (1959) - Nr. 48 (1971); fortgesetzt als:
Mitteilungen. Traditionsgemeinschaft Füs.-Rgt. Fürst Karl Anton
von Hohenzollern (Hohenz.) N r . 40 und seiner Nebenformationen,
N r . 49 (1972) - 81 (1986).
Hohenzollerische Blätter [Hechingen], Nr. 104 vom 8.5. 1908.
Hohenzollerische Volkszeitung [Sigmaringen], Nr. 163 vom 10.7.
1933
Schwäbische Zeitung [Sigmaringen], Nr. 126 vom 4.6. 1958.
Rundscheibe der Veronika von Rietheim, Äbtissin des Klosters Heiligkreuztal. Meister von Meßkirch 1534.
London, Victoria & Albert Museum.
HERBERT RÄDLE
Die Londoner
Rundscheibe der
Veronika von
Rietheim: ein
Werk des »Meisters
von Meßkirch«
In der Heidelberger Ausstellung »Die Renaissance im deutschen Südwesten« (Juni bis Oktober 1986) waren auch
mehrere Kunstgegenstände aus dem ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal bei Riedlingen zu sehen. Darunter befand sich eine sehr schöne Rundscheibe der Äbtissin
Veronika von Rietheim aus dem Jahre 1534, die in der
bisherigen einschlägigen Literatur, soweit ich sehe, nicht
berücksichtigt ist, da sie den Autoren offenbar unbekannt
war 1 .
Der Ausstellungskatalog 2 bietet eine Schwarz-Weiß-Aufnahme des Glasbildes (siehe Abb.) und daneben die folgenden
Angaben: »Rundscheibe der Veronika von Rietheim, Südwestdeutschland, 1534, Hüttenglas, Schwarzlot, Silbergelb,
Durchmesser 27,5 cm, London, Victoria and Albert Museum,
Inv. N r . 2271-1900. Die Scheibe trägt die Umschrift Feronika
von Riethain Äbtissin des Gotzhushailig Kr(u)tzthal hat dies
huß (von) nuivem lassen bauwen 1534. Im Spruchband der
Äbtissin: O MATER DEI MEME(N)TO MEI.« (Soweit der
Katalog).
Die im Gesamteindruck sehr ausgewogene und harmonisch
wirkende Scheibe zeigt im Zentrum die Gottesmutter in
prächtiger Gewandung mit dem Jesuskind auf dem Schoß.
Über ihrem Haupt schwebt inmitten der Engelschöre der
Heilige Geist in Gestalt einer Taube. Rechts vor der Madonna
kniet in andächtiger Haltung und mit dem Äbtissinnenstab in
der Hand die Stifterin, Veronika von Rietheim. Zu ihren
Füßen erkennen wir ihr Wappen mit dem gevierteilten Feld,
in dem neben dem Esel der Rietheimer die drei Hirschstangen
der Landau stehen 3 .
Leider geht nun der genannte Katalog auf die Frage nach der
Urheberschaft des Bildes nicht ein. Doch liegt es natürlich
von vornherein nahe, an ein Werk des berühmten Meisters
von Meßkirch zu denken, dessen Tätigkeit gerade für die
Jahre 1532-1535 in Heiligkreuztal bezeugt ist. Er hat damals
zusammen mit seinen Gesellen die Gewölbe- und Wandmalereien in der Kirche angebracht. 4 Und in der Tat sprechen für
ihn nicht nur Qualitäts- und allgemeine Stilmerkmale wie
runde Gesichtsformen, bauschig geblähte Gewänder und der
durch Auflösung der Linien bewußt unklare Faltenwurf. Es
spricht für seine Urheberschaft vor allem die Tatsache, daß
Motiv und Anordnung der Komposition in fast identischer
Form an anderer Stelle in Heiligkreuztal vorkommt, nämlich
auf dem Triumphbogen der Kirche, der mit Sicherheit vom
Meister selbst gestaltet wurde. Dort (Abb. bei Engelmann,
gegenüber S. 33) sehen wir in der Mitte die Muttergottes mit
dem Jesuskind, während sie von Engeln gekrönt wird. Schräg
rechts unter ihr aber ist - genau wie auf unserer Scheibe - die
kniende Äbtissin mit dem Stab dargestellt, vor ihr ihr Wappen
und darüber wiederum ein Spruchband mit der Bitte: O MATER DEI M E M E N T O MEI. Aufgrund der frappierenden
Ähnlichkeit der beiden Bilder kann es, denke ich, als gesichert
gelten: Die Londoner Rundscheibe der Veronika von Rietheim ist ein Werk des Meisters von Meßkirch. 5
Anmerkungen
1
Weder bei U. Engelmann OSB: Heiligkreuztal, Beuron 1983, noch
in den grundlegenden Arbeiten von Ch. Salm zum Meister von
Meßkirch und zu dessen Tätigkeit in Heiligkreuztal finde ich einen
Hinweis auf die Londoner Scheibe. (Ch. Salm, Der Meister von
Meßkirch, Diss. Freiburg 1950; Ders., Die Wand- und Gewölbemalereien des Meisters von Meßkirch in Heiligkreuztal, in: Heilige
Kunst, 1956, S. 29-47)
2
Der 2-bändige Katalog wurde 1986 herausgegeben vom Badischen
Landesmuseum Karlsruhe. Unsere Scheibe auf S.276!
3
Zum Wappen und den zugrundeliegenden Verwandtschaftsverhältnissen: Engelmann, S.43f.
4
Engelmann, S. 36
5
Will sagen: Dieser hat den Entwurf für das Glasgemälde, den sog.
Scheibenriß, geliefert!
13
Buchbesprechungen
Manfred Hermann, Kunst im Landkreis Sigmaringen Plastik.
Herausgegeben von der Hohenzollerischen Landesbank
Kreissparkasse Sigmaringen.
In der Zeit vor 1978 schenkte die Hohenzollerische Landesbank ihren Kunden zu Weihnachten den Beuroner Kunstkalender. 1978 ließ die Bank dann vom Beuroner Kunstverlag
erstmals einen eigenen Kalender machen mit Kunstwerken
aus dem Kreis Sigmaringen. Die Kalender erfreuten seither
Jahr für Jahr die Bevölkerung des Kreises Sigmaringen und
leisteten sicher auch einen Beitrag zur Bildung eines neuen
»Kreisbewußtseins«. Irgendwann einmal sollte aus den hervorragenden Kalenderbildern von P. Coelestin Merkle OSB
ein Kunstband entstehen. Daß diese Idee weitergeführt wurde und schließlich ein feines Buch erscheinen konnte, ist
zweifellos Herrn Hans Joachim Dopfer von der Landesbank
zu danken. Es gelang ihm als »Texter« für den Kalender zwei
Experten zu gewinnen, Bruno Effinger, Kulturreferent von
Saulgau, und Manfred Hermann, bis 1979 Pfarrer in Neufra.
Pfarrer Hermann war 1968 Pfarrer in Neufra geworden und
hatte sich mit Elan auf die bisher nur mäßig beackerte
Kunstgeschichte in Hohenzollern gestürzt. Zahlreiche Veröffentlichungen, vor allem in der »Hohenzollerischen Heimat«, berichteten von Entdeckungen und Erkenntnissen.
Eine Zusammenfassung erschien dann 1981 in dem Buch
»Der Landkreis Sigmaringen«, Der Landkreis in seinen Bauund Kunstwerken. Als Pfarrer Hermann 1979 von Neufra
nach Ebringen ging, war die Befürchtung groß, daß er nun
auch für die hohenzollerische Kunstgeschichte verloren sei.
Um so größer war die Freude, als er die Autorenschaft für das
neue Buch übernommen hat. Dies war sicher keine kleine
Aufgabe. Zu den Farbaufnahmen von P. Coelestin hat er über
100 eigene Schwarz-Weiß-Aufnahmen hinzugefügt. Blättert
man das Buch durch, so ist man beeindruckt von der nicht
enden wollenden Fülle von Kunstwerken. Es ist kaum zu
glauben, daß dies alles Kriege und Zerstörungen durch
Jahrhunderte überstanden hat. 195 Plastiken sind ganzseitig
abgebildet und begleitet von einer Textseite. Die meisten
Texte stammen von Manfred Hermann, einige von Bruno
Effinger, Franz Gluitz und vom verstorbenen Erzabt Dr.
Engelmann. Es findet sich jeweils eine Beschreibung mit
Sinngebung und eine kunstgeschichtliche Einordnung der
Plastik mit Hinweis auf die Entstehung und den Bildhauer.
Die Texte regen zu eigener Betrachtung an und vermitteln
auch viel kunstgeschichtliches Wissen mit den neuesten Erkenntnissen der Forschung.
Die Reihe der Bildwerke beginnt mit den romanischen
Kreuzen von Wolfratsweiler, Saulgau, Siessen und Sigmaringen aus dem 12. Jahrhundert. In die Zeit der Gotik führt das
Triumphkreuz im Chorbogen der Veringendorfer Pfarrkirche. Die Gotik ist im Kreis mit einer großen Zahl hervorragender Kunstwerke vertreten. Zwei Christus-JohannesGruppen befanden sich in Klöstern des Kreisgebietes. Die
Inzigkofer Gruppe, die heute in Berlin steht, und die KlosterWalder Gruppe im Augustinermuseum in Freiburg. Eine
weitere Gruppe im Württembergischen Landesmuseum in
Stuttgart stammt möglicherweise aus Mariaberg. Eine große
Zahl der Bildwerke entstand im 15. Jahrhundert. Neben
Werken auswärtiger Werkstätten, vor allem aus Ulm, lassen
sich viele Plastiken dem Schaffen der Veringer Künstlerfamilie Strüb zuordnen. Die Strüb hatte man ja in den letzten
Jahrzehnten Kunstgeschichte als Bildhauer gestrichen. Jetzt
sind sie wieder da. Sogar das herrliche Werk der Heiligen
Sippe in der Pfarrkirche von Veringenstadt erkennt Hermann
als Arbeit der Bildhauer Strüb. Daneben gibt es viele wertvolle Ulmer Plastiken wie z. B. die Weckmann-Figuren in Enne14
tach und Bingen und die »Feldhauser Madonna« von Michael
Erhart, von Hermann im Hinblick auf ihre wahrscheinliche
Herkunft als »Reutlinger Madonna« bezeichnet. Zweifellos
stellt die Zeit bis ca. 1520 den Höhepunkt einer Entwicklung
dar, welche durch die Reformation schlagartig unterbrochen
wurde. Vermutlich kamen auch spätgotische Plastiken aus
reformierten Kirchen in unseren Raum. So z.B. Werke des
Meisters des Heinstetter Altars, dessen Werkstatt Hermann
im Raum Balingen-Ebingen vermutet.
Für die Zeit der Renaissance seien nur die Bronze-Epitaphe
von Meßkirch, die Werke der Hechinger Taubenschmid und
Michael Binders erwähnt. Die Bildhauer waren in dieser Zeit
viel mit Grabmälern für die Adelshäuser beschäftigt, von
denen einige gezeigt werden. Auch das 17. Jahrhundert ist
trotz des Dreißigjährigen Krieges mit Bildwerken vertreten.
Genannt seien die Namen Valentin Ungelehrt und der Biberacher Thomas Kutzberger. Bezeichnend ist seit Beginn des
18. Jahrhunderts eine ständige Zunahme von Künstlern und
Kunstwerken. Neben den berühmten Meistern des Barock
wie Christian aus Riedlingen, Feichtmayer und anderen,
entstanden auch in kleineren Orten Bildhauerwerkstätten.
Manche von ihnen wurden von Manfred Hermann entdeckt,
wie der Mariaberger Klosterschreiner Balthasar Wild und der
Veringenstädter Egidius Hochstein. Um 1780 setzte ein
Stilwandel ein. Auf die Schnörkel und die farbige Pracht des
Rokoko folgten die ruhigen Formen des Klassizismus. Ein
typisches Beispiel ist der Stuckmarmor-Hochaltar von Herdwangen. Zu erwähnen ist für diese Zeit der Bildhauer Fidelis
Mock aus Sigmaringen. Wie die Blüte der Spätgotik durch die
Reformation, wurde das religiöse Kunstschaffen des 18. Jahrhunderts durch die Säkularisation 1803 fast ganz unterbrochen. Es ist bezeichnend, daß zwischen dem Hl. Lukas von
Gammertingen (1810) und der Beuroner Madonna von Desiderius Lenz (1872) eine Lücke von 63 Jahren klafft.
Das Buch zeigt auch einige Werke der Bildhauerwerkstatt
Marmon in Sigmaringen aus der Zeit vor ca. 100 Jahren. Dies
ist sehr verdienstvoll, denn die Arbeiten sind ganz gewiß
nicht schlechter, als die Werke vieler Barockbildhauer, deren
Kunst man im 19. Jahrhundert als »wertlosen Zopfstil« bezeichnete. Mit Recht charakterisiert Hermann die Renovationen in der Zeit von 1950 bis 1975 als Bilderstürmerei.
Zahlreiche Werke der Neugotik und anderer Stile des
19. Jahrhunderts wurden erbarmungslos weggeworfen. Man
gönnte ihnen oft nicht einmal die Gnade, auf der Kirchenoder Pfarrhausbühne auf verständnisvollere Zeiten zu hoffen.
Den Abschluß des Buches bilden moderne Plastiken von
P. Ansgar Dreher, Josef Henger, Gisela Bär und nicht zuletzt
vom jüngst verstorbenen Professor Josef Henselmann. Henselmann, Schüler von Franz Marmon, braucht keinen Vergleich mit den im Buch gezeigten alten Meistern zu scheuen.
Der Band wurde im Beuroner Kunstverlag ganz ausgezeichnet gestaltet und hergestellt. Eine wahre Freude ist der
Anblick der Ennetacher Madonna auf dem Schutzumschlag.
Das Buch enthält 195 ganzseitige Abbildungen, davon 63 in
Farbe. Der Band ist auffallend schwer, denn alle Seiten
bestehen aus Kunstdruckpapier. Der Verkaufspreis von D M
50,- ist sehr moderat, wenn man weiß, was die Herstellung
eines solchen Buches kostet. Herrn Pfarrer Hermann, der
Landesbank und allen Beteiligten herzlichen Dank. Sie haben
dem Kreis Sigmaringen und allen Kunstfreunden ein Geschenk von bleibendem Wert gemacht.
B.
Tübingen 1945. Chronik von Hermann Werner, bearbeitet
von Manfred Schmid. 256 Seiten und 95 Abbildungen. D M
28,- Konrad Theiss Verlag Stuttgart.
1950 wurde vom Tübinger Gemeinderat der Journalist Hermann Werner (1880-1955) mit der Abfassung einer Chronik
über die Jahre 1945 bis 1950 beauftragt. Diese wurde nun,
über 40 Jahre später, erstmals veröffentlicht. Sie berichtet von
den letzten Kriegsmonaten in Tübingen, der Rolle der
NSDAP, der Wehrmacht, von Luftangriffen, Evakuierten,
Lazaretten und den Verhältnissen an der Universität. Recht
dunkel erinnert man sich noch an Prof. Hauer und seine
»Gottgläubigen«, und wer weiß, daß der Anatom Prof.
R. Wetzel Leiter des NS Dozentenbundes, zuletzt Führer
einer Volkssturmgruppe im Schönbuch war? Sowohl bei der
Partei, wie bei der Wehrmacht hatte man über die Verteidigungsmöglichkeiten keine Illusionen mehr. Trotzdem tat
man weiter so, als wäre man bereit, den irrsinnigen Befehlen
aus Berlin und von Gauleiter Murr zu folgen, um ja nicht den
Eindruck zu erwecken, man sei nicht zuverlässig. Nur Standortarzt Dr. Dobler riskierte Kopf und Kragen, als er auf
eigene Faust den Franzosen Parlamentäre entgegenschickte,
um eine Beschießung der Stadt zu verhindern. Mit Recht gilt
Dr. Dobler als der Retter von Tübingen, obwohl nachträglich
dann noch andere »Retter« auftraten. Auch die Sprengung
der Neckarbrücke konnte von Doblers Leuten verhindert
werden.
Nach der Besetzung durch die Franzosen folgte das »Chaos
der ersten Wochen« mit Plünderungen, Vergewaltigungen
und Beschlagnahmungen von Häusern und Wohnungen.
Auch die Chirurgische Universitätsklinik wurde beschlagnahmt und blieb es für viele Jahre. Wer irgend ein Amt oder
eine Funktion hatte, wurde als »Nazi« verhaftet. Der Bevölkerung blieb keine Erniedrigung erspart, es sei nur daran
erinnert, daß jeder französische Offizier und jede alliierte
Fahne auf der Straße gegrüßt werden mußte. Auch dunkle
Elemente tauchten auf, die unter dem Vorwand, aus dem KZ
zu kommen, die Bevölkerung terrorisierten. Die langsam
wieder entstehende deutsche Verwaltung hatte zunächst nur
die Aufgabe, die Wünsche der Franzosen zu erfüllen. Im Juni
1945 begannen dann die notwendigsten Instandsetzungsarbeiten. Viktor Renner wurde Oberbürgermeister von Tübingen. Er mußte auch noch das Landratsamt übernehmen, weil
die Franzosen den bisherigen Landrat grundlos verhaftet
hatten. Im Juni konnte die Eisenbahn auf einigen kleinen
Teilstrecken wieder in Betrieb genommen werden. Die Beförderung von Briefen war erst im September wieder möglich. Die Franzosen hatten zunächst auch Stuttgart besetzt
und dort gegen den Willen der Amerikaner eine deutsche
Regierung etabliert. Am 8. Juli mußten sie auf Druck der
Amerikaner Stuttgart verlassen. Nachdem man zunächst
noch die Fiktion einer gemeinsamen Regierung in Stuttgart
beibehalten hatte, setzten die Franzosen am 24. September
eine eigene südwürttembergische Landesverwaltung ein, deren Leiter Prof. Dr. Carlo Schmid wurde. Am 21. September
erschien als erste deutsche Zeitung das Schwäbische Tagblatt.
Zum Wintersemester wurde auch die Universität wieder
eröffnet. Die Franzosen legten großen Wert darauf, daß ihre
Zonenhauptstadt auch eine Universität bekam. Viele Lehrstühle waren durch die Entnazifizierung und Kriegsverluste
unbesetzt. Im neuen Semester waren über 3000 Studenten an
der Universität, darunter viele Kriegsbeschädigte und Uberalterte. Mit großem Eifer wurde gearbeitet und alle Unannehmlichkeiten des täglichen Lebens in der überfüllten Stadt
in Kauf genommen. Auch das kulturelle Leben kam im Lauf
des Sommers in Gang. Viele bedeutende Künstler hatte es im
Krieg in den Südwesten verschlagen, die nun nach Betätigung
und Verdienst drängten. Konzerte und Theateraufführungen
wurden veranstaltet. Auch die Franzosen waren auf kulturellem Gebiet recht aktiv. Aber immer noch waren Lebensmittel
knapp und ein schlimmer Winter ohne Heizmaterial stand
bevor.
Die Werner'sche Chronik wird ergänzt durch Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Erinnerungen von Frauen und
Männern, welche die damalige Zeit, teilweise in leitender
Stellung, miterlebt haben. Bei vielen, die in der unmittelbaren
Nachkriegszeit in Tübingen studiert haben, weckt das Buch
manche schon vergessene Erinnerung und macht vieles klar,
was man damals nicht so genau wußte. Die reiche Bebilderung des Buches trägt dazu bei, die Atmosphäre des Jahres
1945 und danach wieder lebendig zu machen.
B.
Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg
Herausgegeben von der Landesstelle für Volkskunde Freiburg, Badisches Landesmuseum Karlsruhe und der Landesstelle für Volkskunde Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Stuttgart. Band 1/1985 DM 30,-, Abonnementpreis
DM 20,-, Konrad Theis Verlag Stuttgart.
»Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg« heißt eine
neue Schriftenreihe, die jährlich erscheinen soll. Sie soll die
Ergebnisse regionaler und lokaler Kulturforschung einem
interessierten Publikum bekannt machen. Themen des ersten
Bandes sind: Brauchtumstradition (H. Bausinger), Kollektivauswanderung aus Pfaffenweiler 1853, Wohnen im Odenwälder Bauernhaus. Ein dörflicher Verein, Vereinsforschung in
Freiburg-Littenweiler,
Freiburger
Jahrhundertwende,
Religion in bäuerlichen Gemeinden, Die St. Pantaleonswallfahrt zu Niederrotweil, Zur allegorischen Fastnachtsforschung, Tagungsberichte und Buchbesprechungen. Die bewährte Reihe »Forschungen und Berichte zur Volkskunde in
Baden-Württemberg« soll beibehalten werden und künftig
nur Monographien zur Volkskunde bringen.
B.
Karl Werner Steim, Fastnacht in Haigerloch, Glückler Verlag, Hechingen 1987.
Den ältesten Beleg für die Haigerlocher Fastnacht fand Steim
im Stadtbüchle von 1457. Die jeweilige Stadtherrschaft spendierte den Bürgern am Aschermittwoch einen Trunk. In einer
Landesordnung von 1580 werden schon Fastnachtsküchlein,
Butzenkleider und Vermummen erwähnt und gleichzeitig
Übergriffe gerügt. Überhaupt lebt die Fastnachtsgeschichte
hauptsächlich von Verboten und Strafen wegen irgendwelchen Unsinns, der an diesen Tagen getrieben wurde. Fastnachtsumzüge sind in Haigerloch schon im 17. Jahrhundert
nachweisbar. Besonders in der Zeit der Haigerlocher
Residenz im 18. Jahrhundert wurden wohl prächtige Umzüge
gemacht. Im 19. Jahrhundert begannen in der »Post« die
bürgerlichen Fastnachtsbälle, die später auch von Vereinen
gestaltet wurden mit Musik, Maskenprämierungen und Theaterpossen. Die Straßenfastnacht war damals eine Sache der
Kinder und der »Ledigen«, die nicht gerne gesehen wurde.
Ein spezieller Haigerlocher Fastnachtsbrauch ist das Bräuteln, wie es auch in Sigmaringen geübt wird. Angeblich ein
uralter Brauch; Steim kann jedoch zeigen, daß das Bräuteln
erstmals im Jahr 1860 angekündigt wurde. Gegen Ende des
19. Jahrhunderts gab es einen Narrenvorstand, 1906 wurde
dann ein Karnevalverein gegründet. Der Verein hatte einen
Präsidenten und hielt Sitzungen ab, wie die großen Vorbilder
im Rheinland. Immerhin gehörte ja Hohenzollern damals zur
Rheinprovinz. Die Fastnacht zwischen den beiden Weltkriegen wurde hauptsächlich von den Vereinen gestaltet. Der
ursprüngliche Karnevalverein mauserte sich in den Zwanziger Jahren zur Narrenzunft. Diese wurde schon 1930 in die
Gemeinschaft der schwäbisch-alemannischen Narrenzünfte
aufgenommen. Nach dem zweiten Weltkrieg nahm auch die
Haigerlocher Fasnacht einen gewaltigen Aufschwung. Besonders die Narrentreffen werden immer mehr zu Großveranstaltungen mit Tausenden von Maskenträgern. Neben der
Geschichte und Gegenwart der Haigerlocher Fasnacht ist
Steim auch den Masken der Haigerlocher Fastnacht nachge-
15
Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen
M 3828 F
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.
gangen. Außer dem originalen Haigerlocher alten Stadtbutz
gibt es den Alten Rottweiler und das Bischöfle als Holzmasken.
Ein besonderes Glück für die Haigerlocher Narren war der
Bildschnitzer Max Kaiser, der für die Fastnacht zahlreiche
Traditionsmasken aus Lindenholz anfertigte. Den Abschluß
des Buches bildet eine Schilderung der Fastnacht in den acht
Haigerlocher Teilorten. Einige Orte haben eine Narrenvereinigung, andere improvisieren die Fastnacht noch so, wie es
immer schon war, ohne daß sie deshalb weniger Spaß daran
hätten.
Das Buch von Karl Werner Steim enthält nicht nur eine
beispielhafte historische Untersuchung über die Ursprünge
der Haigerlocher Fastnacht, sondern auch eine lebendige
Schilderung der Entwicklung bis zur heutigen Form der
lokalen Fastnacht. Bemerkenswert ist auch die Sachlichkeit
und Objektivität der Darstellung, die nicht versucht, irgendwelche Banalitäten als »historisches Brauchtum« anzubieten.
Der Verlag hat das Buch mit zahlreichen sehr guten Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß ausgestattet. Sehr gelungen ist auch der bunte, Fastnachtsstimmung vermittelnde,
Einband.
B.
Register 1986
AichgasserJ.G. 1701-1767
S.61
Alb, Weltbeschreibung des Seb. Münster
S. 14
Anwand, Ackergewann, Pflugwende
S. 41
Baur, Willy, Zum Tode von
S. 51
Beizkofen, Müller und Bauern im Konflikt
S. 27 u. S. 38
Bisingen, die Kirche St. Nikolaus
S. 42
Bittelbronn, Vor 200 Jahren wurde die Kirche erbaut
S. 17
Buchbesprechungen:
Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1985
S. 48
Landkreis Sigmaringen
S. 15
Schwäbisches Handwörterbuch
S. 64
Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen
S. 30
Unser Land Baden-Württemberg
S. 47
Burladingen, Nicht nur durch das Fehlatal verbunden
S. 3
Burladingen, Römische Verbindung von Rottenburg
zum Alblimeskastell
S. 22
Die Fürsten von Hohenzollern und ihr Füsilierregiment S. 49
Egler, Ludwig 1828-1898
S.45
Egler, Ludwig, Zu Besuch bei L. E. vor 100 Jahren
S. 46
Flurnamen: Der mehrdeutige »Wert«
S. 12
Gailhofen, Wo lag G.
S.27
Glockenkunde
S. 5
Grynaeus, Simon und Markus Heiland
S. 46 u. S. 62
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern
und der angrenzenden Landesteile mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär
gehaltene Beiträge.
Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.
Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:
803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen
(BLZ 65351050).
Druck:
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co..
7480 Sigmaringen, Karlstraße 10.
16
Haigerloch, Eine merkwürdige Inschrift
Hechingen, Blutgericht
Hechingen, Mordbrenner vor Gericht
Hechingen, Von der Schloßkirche
Jungingen, St. Sylvester, Hl. Abendmahl (Bild)
Jungingen, Supplikation von 1591
Jungnau, Bildhauer Karl Volk
Killer, Quelle in der Kirche
Mietingen, Bildhauerfamilie Hops
Namenskunde:
Bumiller, Dehmer, Dehner
Griener
Buchmiller, Bumiller
Zum Namen Schnägäg usw.
Neuneck, Ausstellung zur Geschichte der Herren von
Ostrach, Beitrag zur Geschichte der Kaplanei
Owingen, Grenzvergleich
Sigmaringen, 1875, Lithographie von Emminger
Stetten b. Haigerloch unter dem Krummstab
Walbertsweiler, Ein oberschwäbischer Pfarrhof
aus dem 18. Jh.
Wirttemberg, Zum Namen
Zur Schenkung des Grafen Gerold
Die Autoren dieser
Nummer:
Otto Werner
Friedrich-List-Straße 55
7540 Hechingen
Karl Werner Steim
Wegscheiderstraße 26
7940 Riedlingen
S. 23
S. 23
S. 53
S. 1
S. 1
S. 10
S. 4
S. 59
S. 7
S. 13
S. 15
S. 30
S. 59
S. 30
S. 35
S. 60
S.27
S.24
S.33
S. 64
S.61
Schriftleitung:
Dr. med. Herbert Burkarth,
7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329)
Die mit Namen versehenen Artikel geben die
persönliche Meinung der Verfasser wieder;
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.
Alois Eisele
7453 Burladingen-Gauselfingen
Otto H. Becker
Hedinger Straße 17
7480 Sigmaringen
Dr. Herbert Rädle
Veit-Jung-Straße 13a
8430 Neumarkt
Manuskripte und Besprechungsexemplare
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiter zu empfehlen.
M 3828 F
HOHENZOLLERISCHE
HEIMAT
Herausgegeben vom
Hohenzollerischen Geschichtsverein
37. Jahrgang
Nr. 2/Juni 1987
Die Stadt Hechingen mit der (alten) gotischen Stiftskirche. Nach dem Merianstich von 1662
OTTO WERNER
Die Anfänge des Kollegiatstifts in Hechingen
In Hechingen ist es noch heute üblich, von der Stiftskirche
und nicht nur von der Stadtpfarrkirche oder der Pfarrkirche
St. Jakobus zu sprechen. N u n bestand in Hechingen - wie
andernorts auch, so z.B. in Hettingen, Hildrizhausen und
Tübingen - ein Kollegiat- oder Chorherrenstift, und der
Name Stiftskirche zeugt noch davon. Das Kollegiat- oder
Chorherrenstift gehört aber längst der Vergangenheit an; es
sind mehr als 180 Jahre her, daß es im Zuge der Säkularisierung aufgehoben wurde; aufgehört hatte es schon längst. Und
dennoch: Es war einmal, und es ist kein Märchen.
Wie aber hat das Kollegiatstift vor 500 Jahren seinen Anfang
genommen?
Das »alt Büecblin«
Kaplan Conrad Unverdorben schreibt gegen Ende des
16. Jahrhunderts 1 von einem alten Büchlein, welches der erste
Dekan des Stifts geschrieben habe und das in der Lade des
Stifts zu finden sei.
Heute haben wir es nicht mehr so leicht. Wir können nicht
einfach die Fundationslade des Stifts, in der die Urkunden
und Siegel verwahrt wurden, öffnen und nachsehen, um
Aufschluß über die Gründung und die Verhältnisse in der
Anfangszeit des Stifts zu erhalten. Die Literatur darüber ist
auch sehr spärlich 2 .
Fleißige Nachsuche in Archiven förderte eben jenes »alt
Büechlin« zutage. Es ist in Pergament gebunden und umfaßt
acht Doppelblätter, also 32 Seiten. Geschrieben hat es der
erste Dekan des Stifts, Magister Michael Zimmermann bzw.
(latinisiert) Carpentarii 3 .
Die Entstehungszeit des Büchleins dürfte zwischen den
Jahren 1515 und 1520 liegen.
Die Gründer des Stifts
Schon seit Jahren vermutete ich, daß Graf Jos Nikiaus I. von
Zollern (1443-1488) nicht nur den Bau der Marienkapelle in
der Hechinger Oberstadt ins Werk setzte, sondern damit
auch die Absicht verband, ein Stift in der Marienkapelle zu
gründen. N u n bestätigte sich: Seine beiden Söhne Bischof
Friedrich von Augsburg und Graf Eitelfriedrich IL von Zollern kamen dem Willen ihres Vaters nach, der die Errichtung
und Ausstattung eines Stifts in seinem Testament niedergelegt
hatte. (Wörtlich heißt es: »...bayd grauff iosen elich sin
/ habend zu hertz genommen sin testament ¡¿rs hertzlieben
vatters / in wölchem sy bayd fünden hond das er willen was
ainen stifft in der obbestimpten capell zu erigierend dotierend
vnd zu begabend...«.) Jos Nikiaus und seine beiden Söhne
wollten damit Gott, den himmlischen König, loben und die
reine Jungfrau Maria und das ganze himmlische Heer ehren.
Durch Jos Nikiaus unerwarteten Tod am 9. Februar 1488 zu
Augsburg erlebte er nicht nur die Einweihung und Vollendung der Marienkapelle, sondern auch die darin beabsichtigte
Errichtung des Stifts nicht mehr. Nichtsdestoweniger ist Graf
Jos Nikiaus I. von Zollern als der eigentliche Gründer des
Stifts anzusehen.
Das kleine Büchlein ist gewissermaßen auch ein Gedenkbuch,
das den Abschied der Stifter aus dieser Zeit vermerkt:
- des bereits genannten Graf Jos Nikiaus I. von Zollern am
9. Februar 1488;
- der Gemahlin Graf Eitelfriedrichs II. von Zollern, Magdalena von Brandenburg, am 18. Juni 1496 4 ;
- von Graf Friedrich von Zollern, Bischof von Augsburg, am
8. März 1505;
- von Graf Eitelfriedrich II. von Zollern am 18. Juni 1512.
Nirgendwo ist übrigens die Rede von einem Patron St. Jakobus. Dort, wo der Begriff Patron gebraucht wird, sind damit
die vier Stifter bzw. (von 1512 bis 1517) der Landesherr Graf
Franz Wolfgang von Zollern gemeint. Der Patronatsherr
hatte das Vorschlagsrecht (Präsentationsrecht) bei der
Anstellung eines Geistlichen.
Der Beginn des Stiftslebens
Eine große Überraschung brachte der Bericht über den
Beginn des Stiftslebens, mit dem Pfarrer Michael Zimmermann, Kaplan Hans Kymmerlin und Kaplan Friedrich
Musler bereits am 2. Juli 1488 in aller Feierlichkeit begannen 5 .
Die Marienkapelle war ja erst am l.Juni 1488 von Bischof
Friedrich von Augsburg geweiht worden 6 , und der Bau
wurde erst am 16. Oktober 1488 vollendet 7 . Einige wenige
Daten aus deren Priesterleben seien hier kurz angeführt:
1. Michael Zimmermann stammte aus Ostdorf. Am 25. Juni
1488 war er auf die Pfarrkirche St. Luzen vor den Mauern der
Stadt Hechingen proklamiert worden; er wurde am 21.Juli
1488 dort investiert. Präsentiert hatte ihn Graf Eitelfriedrich
von Zollern. Er war nicht nur Pfarrherr von Hechingen,
sondern auch Dekan des Ruralkapitels [= Landkapitels]
Hechingen 8 . Er verzichtete auf die Pfarrei, als er (1499)
Dekan des Chorherrenstifts wurde. Um 1518 scheint er auch
dieses Amt abgegeben zu haben. 1520 besaß er die Prädikatur
(die Predigerstelle), ein Kanonikat und die Altarpfründe
St. Johannis Baptistae. Die Grafen Christoph von Werden18
berg, Joachim von Zollern und Truchseß Georg von Waldburg richteten am 24. Juni 1520 als Vormünder der Kinder des
verstorbenen Grafen Franz Wolfgang von Zollern den
Antrag an Bischof Hugo von Konstanz, diese Amterhäufung
aufzulösen, weil der dazu bestimmte Priester - der hochwürdige Herr Magister Michael Carpentarii - seine drei Amter,
»besonders bei Sterbensläuften und grassierender Pest«, nicht
verwalten könne. Sie schlugen deshalb vor: Magister Michael
Zimmermann »und seine Nachfolger sollen an allen Sonntagen des Jahres zu gegebener Zeit die Predigt ans Volk halten
oder halten lassen. An den Apostel- und Marienfesten jedoch
braucht er nicht predigen, sondern soll es der jeweilige
Leutepriester oder dessen Stellvertreter tun. Bei Freiwerden
eines Kanonikats darf nur ein wirklicher Priester und Magister der freien Künste und Bakkalaureus der hl. Theologie
nach Aufnahme ins Stift und Vereidigung auf die Statuten
darauf angenommen werden. Dieser Prediger soll in Chor
und Kapitelsversammlungen und Prozessionen ersten Platz
und Stimme hinter dem Dekan und Leutpriester der Stiftskirche haben. Vom Besuch der Kirche, auch vom Amt des
Nokturnars und Diurnus (d.i. Leiter des Chorgebetes und
Gottesdienstes) ist er jeweils vor seiner Predigt befreit.
Ferner wurde beantragt, daß der Prediger an seinem genannten Altar nur jede dritte Woche diese Messe lese, an den
andern 2 Wochen aber die Helfer. Er hat dem Dekan und
Präsenzgeldverwalter jeweils seine Woche vorher anzuzeigen, ebenso die Helfer.
Sein Nachfolger als Prädikator wird durch Dekan, Leutpriester und den Senior des Stifts gewählt. Er hat dann vor dem
Vogt oder Kapitän der Herrschaft in Hechingen und deren
Gegenwart den Eid abzulegen und wird darauf dem derzeitigen Herrn von Hechingen und dem Bischof in Konstanz
präsentiert. Über die Einkünfte des Canonikats hinaus soll
der Prediger 15 fl. [= Gulden] auf den Tag Johannis des
Täufers und Johannis Evang. je zur Hälfte erhalten.
Außerdem hat Mag. Michael Carpentarii in seinem Testament dem Nachfolger sein jetziges Haus in Hechingen mit
allem Zubehör und Büchern vermacht, und stimmt ausdrücklich obigen Anträgen in allem zu.
Bischof Hugo von Hohenlandenberg zu Konstanz bestätigte
das Ganze am 6. Juli 1520« 9 .
Am 24. November 1526 wird auf die von ihm bis dahin
innegehabte Stelle Nikolaus Walch investiert. Prädikatur und
Kaplanei waren durch den Tod des Magisters Michael Zimmermann frei geworden 10 .
2. Kaplan Hans Kymmerlin war noch von Graf Jos Nikiaus I.
von Zollern präsentiert und bereits am 19.12.1465 als Kaplan
des St. Laurentiusaltars eingesetzt worden. Wenn nicht alles
trügt, hatte er als Kaplan damals auch die Oberstadt zu
versorgen. (»Et habet duplicem commissionem.«) Die Kaplanei des S. Laurentius-Altares in der Pfarrkirche der Stadt
wurde am 23. August 1492 neu besetzt; sie war durch den Tod
des Johann Kumerlin vakant geworden 11 .
3. Friedrich Musler war zu jener Zeit Kaplan des Ottilienaltars in St. Luzen.
Vom Stiftsleben zum regulierten
Chorherrenstift
Am 23. Juni 1490 sei das Stift laut eines apostolischen Briefs
von Papst Innozenz VIII. (1484—1492) zugelassen und samt
den »almucien« konfirmiert und approbiert worden. Mit den
Almutien sind die die Schultern mitbedeckenden Kapuzen
gemeint, die im späten Mittelalter beim Chordienst gebräuchlich waren. J. A. Kraus erklärt »almuceum, almutium« als
»Gewand der Kleriker, das Kopf und Schultern deckte« 12 .
Wenn die Gemeinschaft über den Rahmen des Pfarrers und
dessen Helfer hinauswachsen sollte, dann mußte auch für den
Lebensunterhalt weiterer Kleriker gesorgt werden. Dazu
dienten die Schaffung weiterer Kaplaneipfründen und die
Stiftung von Kapitalien und Liegenschaften, um die Präsenzen, d.s. die Gelder für die Anwesenheit der Chorherren
beim Chorgebet und bei den Ämtern zu belohnen und (durch
deren Entzug) sicherzustellen.
Die Dotation für die Präsenzgelder und die weiteren Besitzungen des Stifts werden in dem Büchlein ausführlich
beschrieben. Es sei hier nur erwähnt, daß für die Stiftungen
auch Verpflichtungen eingegangen wurden, so z.B. für die
Abhaltung eines Jahrtages der Herrschaft an den vier Fronfasten im Jahr und für den Jahrtag der Gräfin Magdalena nach
deren Ableben, oder jeden Samstag in den Ämtern der
verstorbenen Seelen der Herrschaft Zollern zu gedenken und
alle Tage nach der Messe und dem Komplet in einer Prozession zum Grab der Herrschaft zu gehen, womit der Gang der
Stiftsherren zur (neuen) Gruft in der Marienkapelle gemeint
sein dürfte.
Stiftungsurkunde
Die eigentliche Stiftungsurkunde, die unter dem 7. Januar
1495 ausgestellt ist, wird in dem kleinen Büchlein nicht
erwähnt. Darüber berichtet Theodor Dreher 1 3 .
Bischof Friedrich von Augsburg bekundet, daß für die Stiftung folgende Regelungen getroffen werden sollen, denen
Graf Eitelfriedrich II. von Zollern ausdrücklich zustimmt:
Die zehn vorhandenen Kaplaneien werden in Kanonikate
umgewandelt. Von dem Geld, das Bischof Friedrich in
Straßburg als Domdechant und Kleriker der niederen Weihen
erspart hat, erhalten die Kanoniker Präsenzgelder für die
Feier des Gottesdienstes. Jeder anwesende Chorherr erhält
denselben Anteil, der Dechant aber den doppelten, »damit er
um so aufmerksamer im Chore sei«. Der Dechant und der
Austeiler der Präsenzgelder verpflichten sich durch Eid, nur
den Anwesenden die Präsenzen auszuteilen. Wer nicht am
Chordienst teilnimmt, scheide bei der Zuteilung aus, auch
wenn er in Geschäften für den Landesherrn unterwegs sei
oder aus anderem Grund fehle; Präsenzgelder bekämen aber
die Geistlichen, die in der Schloßkapelle vor den Mitgliedern
des Grafenhauses Messe lesen, und die Kranken. Die Chorherren beten die kirchlichen Tagzeiten gemeinsam in der
Kirche und singen beim täglichen feierlichen Gottesdienst.
Dabei sollen die Kanoniker durch zwei Kooperatoren, welche gleichfalls Präsenzen beziehen, unterstützt werden. Alle
haben den Pfarrer als Stiftsdechanten zum Vorsteher. Wenn
Streitigkeiten über die Verteilung der Gelder entstehen, so
entscheidet das Kapitel durch Mehrheit. Wer wegen einer
solchen Entscheidung an den Bischof appellieren will, hat
beim Dechant des Kapitels zehn rheinische Gulden zu hinterlegen, welche er wieder zurückerhält, wenn er Recht
bekommt, aber zugunsten der übrigen verliert, wenn es sich
herausstellt, daß er unnötig den Streit verlängerte. Das Kollegiatstift bezieht den Großzehnten von Steinhofen und den
Filialen dieser Pfarrei Bisingen und Thanheim mit der Auflage, daß der jeweilige Dechant oder Vorsteher des Kapitels
diesen Zehnten nicht veräußern darf. Das Patronat und
Präsentationsrecht auf Steinhofen und alle von Bischof Friedrich errichteten Pfründen gehen auf den Bruder Graf Eitelfriedrich II. von Zollern über und bleibt bei seinen Erben, den
Herren von Hechingen, welche die Schutzherren des Kollegiatstifts sind, unbeschadet der Rechte des Bischofs von
Konstanz. Der Dechant und der Verwalter und Austeiler der
Präsenzgelder leisten einen Eid, daß sie die übergebenen
Gelder unverzüglich anlegen, niemanden, auch nicht dem
Landesherren, davon leihen und zu keinen anderen Zwecken
als zu Präsenzzahlungen verwenden. Hat das Kapitel Prozeßkosten, Steuern etc. zu bezahlen, so müssen diese Ausgaben
von den Benefizien oder aus eigener Tasche bestritten wer-
den. Der Dechant ist befugt, Strafen in Form des Entzugs der
Präsenzgelder bis zu einem Monat zu verhängen. Mit Zustimmung des Kapitels kann er auch weiter gehen. Folgt das
Stiftskapitel seinen Vorschlägen zur Disziplinierung nicht, so
hat er die Hilfe des Ordinarius anzurufen.
In dem Büchlein heißt es weiter, laut einer Bulle, ausgestellt in
der Monatsmitte Mai des Jahres 1498, sei das Stift samt den
Almuden von dem päpstlichen Legaten Raimundo abermals
zugelassen worden. Dreher hingegen schreibt 14 , der päpstliche Legat Peraudi habe durch ein auf Bitten Bischof Friedrichs »ausgestelltes Breve d.d. Ulm 15. Mai 1498 dem Kapitel
Pelzkapuzen zu tragen erlaubt, und zwar dem Dechanten
cappam varii (= verschiedene Kapuzen), den Kanonikern
asperiolas cappas (= rauhere, wohl: einfachere Kapuzen)«.
Dies ist aber kein Widerspruch, denn wie die im Pfarrarchiv
Hechingen lagernde Urkunde ausweist, hieß der volle Name
des päpstlichen Legaten Raimundus Peyraudi.
Die Besetzung des Stifts 1499
Das Stift wurde am 11. Oktober 1499 mit zwölf Personen
besetzt und war für diese dotiert, und zwar einem Dekan,
einem Pfarrer, acht Kaplänen und zwei Helfern. Dabei
empfingen sie in aller Feierlichkeit ihre Almuden und legten
sie an. Dekan des Stifts war Meister Michael Zimmermann,
Pfarrer Meister Hans Vögelin 15 . Kapläne waren Meister
Wilhelm Baldecker (Laurentiusaltar in St. Luzen), Heinrich
Zimmermann (Elftausend Jungfrauen Altar), Martin Pflüger
von Rosenfeld (Martinaltar), Baltes Nieferlin (Ottilienaltar in
St. Luzen), Jörg Schwarz von Dillingen (Katherinenaltar in
St. Luzen), Bernhard Rinz von Esslingen (Frühmesse), Konrad Herencüntz (Heiligkreuz), Jörg Trittwin (Altar unserer
Frau). Die beiden Helfer sind nicht namentlich aufgeführt.
Mit dem Titel »Meister« wurden die Geistlichen belegt, die
einen Magistergrad an einer Universität erworben hatten.
Aus der Auflistung folgt, daß der Pfarrer nicht in jedem Fall
zugleich auch Dekan des Stifts war. Dies hing wohl in erster
Linie damit zusammen, daß St. Luzen zunächst Pfarrkirche
blieb, Stift und Pfarrei rechtlich noch voneinander getrennt
waren.
Die Statuten von 1499 nennen die Jungfrau Maria, den
Apostel Jakobus und den Bekenner Luzius als Schutzheilige
der Stadt, als Pfarrkirche eindeutig St. Luzen, die Kollegiatkirche Beatae Mariae Virginis eine Kapelle 16 . In dem Fundationsbrief von 1591, der im Pfarrarchiv Hechingen lagert,
heißt es 17 : Die Pfarrei ist am Zinstag nach Pauli Bekehrung
des Jahres 1536 mit all ihrer Nutzung, pfarrlicher Gerechtigkeit, den Zehnten und Neubrüchen - »nichts außgenommen«
- dem Stift und den Chorherren übergeben und »incorporirt«
worden. Dies geschah durch die Grafen Joachim, Christoph
Friedrich, Jos Nikiaus und Karl zu Zollern mit Zustimmung
des damaligen Stiftsdekans und Pfarrherrn Meister Hans
Vögelin. Damals hätten die beiden Jüngsten im Stift für
jährlich 10 Gulden den Helferstand (die Seelsorge der Pfarrei
unter Leitung des Pfarrers) versehen sollen. Diese Übergabe
habe sich aber nicht bewährt, weshalb Pfarrei und Stift später
(wann?) wieder voneinander getrennt worden seien. Die
Helfer waren danach wieder wie vordem vom Pfarrer zu
halten. Die verpfründeten Priester des Stifts sollte der Pfarrer
mit der Helferei nicht behelligen. Nur auf freiwilliger Basis
könnten sie ihm beistehen.
Kehren wir wieder zum Jahre 1499 zurück. 1499 hatte
Bischof Friedrich von Augsburg mit seinem Vikar, Offizial
und Insiegler (=sein Name ist mir nicht bekannt) und Dr.
Johannes Geiler von Kaysersberg, dem berühmten Kanzelprediger von Straßburg und Freund Bischof Friedrichs 18 , die
Statuten des Stifts entworfen. Hugo von Landenberg, Bischof
von Konstanz, genehmigte sie am 12. Oktober 1499 1 '.
19
»Alle Chorherren des Stifts versprachen am 3. August 1501
Bischof Friedrich von Augsburg im Beisein von Graf Eitelfriedrich IL von Zollern in die Hand, die Statuten zu halten.«
Verdienstvoll wäre es, wenn ein des spätmittelalterlichen
Kirchenlateins Kundiger die Statuten des Kollegiatstifts vom
12. Oktober 1499, die J . A . Kraus 1951 mitgeteilt hat 20 , ins
Deutsche übersetzte oder zumindest eine ausführliche Darstellung davon gäbe.
Als Kanoniker oder Chorherren galten solche Kleriker, die
als Mitglieder eines Dom- oder Stiftskapitels nach einer
bestimmten Regel (canon = Richtschnur) in Gemeinschaft
lebten. Es war eine Lebensform zwischen Mönchsorden und
Säkularkleriker (oder Weltpriester). Die Kappe (lat. caputium) war dafür ein äußeres Zeichen. Nach einer noch
weitgehend ungeregelten Anfangszeit darf das Hechinger
Stift mit der Setzung von Statuten als reguliertes Kollegiatstift
gelten 21 .
Auseinandersetzung
Auch ein Streit sollte in der Anfangszeit des Stifts nicht
ausbleiben. Er entstand zwischen Pfarrer Hans Vögelin und
seinen Helfern einerseits und Dekan Michael Zimmermann
und dem ganzen (Stifts-)Kapitel andererseits darüber, ob die
beiden Helfer Anteil am Weinzins aus einem 1513 in Hirschau gekauften Weingarten 22 haben sollten, wie dies der
Pfarrer forderte. Die Auseinandersetzung entschied Graf
Franz Wolfgang von Zollern (f 1517) mit seinen Räten unter
Beiziehung des Pfarrers von Tübingen, Martin Blaisch, des
Doktors der Theologie Caspar Vorstmeister und des Doktors
beider Rechte, Heinrich Ninckelhoffer, zugunsten des Stifts:
Die Helfer hätten keinen Anspruch und keine Forderungen
an der Weinlandgarbe.
Weiter erfahren wir, daß jeder Chorherr bei seinem Eintritt
ins Stift zehn Gulden gebe. Wahrscheinlich sind damit die
Annaten (= Erstfrüchte) gemeint, ein Teil des Jahreseinkommens, der dem Bischof bei der Besetzung einer Stelle zustand.
Das Stiftskapitel konnte als Anstalt auch das Erbe antreten,
»so ain chor her absturb«. Falls eine Pfründe durch den Tod
eines Chorherrn vakant wurde, fiel die Nutzung bis zur
Neubesetzung an das Stift. Alles, was nicht der Präsenz,
sondern dem Stift zur Zeit gehöre oder künftig zufalle, solle
dem Dekan, dem Pfarrer, den acht verpfründeten Chorherren
und Kapitularen zustehen und unter diesen zehn Personen
aufgeteilt werden. Die Helfer hätten - außer an den Präsenzgeldern - keinen Anteil daran.
Falls sich Streitigkeiten zwischen den Parteien ergäben, so
sollten sie es Graf Franz Wolfgang (oder dessen Erben) als
Patron bzw. seinen Räten vortragen und deren Entscheidung
anerkennen.
Außerordentliche
Ausgaben
Aufgeführt sind auch die außerordentlichen Ausgaben seit
Bestehen des Stifts:
A. für Chorbücher
- eine Antiphon (= Sammlung von liturgischen Wechselgesängen) in zwei Teilen für 100 Gulden;
- ein Graduale (= Sammlung von Zwischengesängen, den
Responsorien) in zwei Teilen für 40 Gulden;
- um diese Bücher neu zu binden und Sequenz und Kyrie
eleison hineinzuschreiben 4 Gulden 3 Schilling;
- zwei Spezial einer Antiphon auf Pergament in vier Teilen
für 80 Gulden;
- ein Chorpsalter (= Psalmenbuch) auf Pergament für
56 Gulden 6 Schilling 6 Heller;
- ein Psalter auf Pergament, welches 26 Pfund kostete, hat
der Dekan aus dem Nachlaß des Kaplans Nikolaus Schelhammer zu Binsdorf dem Stift verschafft; dafür wird für
ihn ein Jahrtag gehalten;
20
- ein Psalter auf Pergament, das die Schüler beim Singen
verwenden, für 1 Gulden 1 Pfund 2 Schilling 3 Heller.
(Bei den teuren Chorbüchern - meist auf Pergament - wird es
sich um Handschriften gehandelt haben.)
B. für Gebetbücher
- sechs Gebetbücher (Druck auf Papier) für 24 Gulden
1 Schilling 3 Heller;
- neun Meßbücher (Druck auf Papier) für 28 Gulden 2(?);
- ein Direktorium (= Kirchenkalender, nach welchem das
Brevier zu verrichten und die hl. Messe zu lesen ist) für
15 Schilling;
- ein gedrucktes Obsequial (= Leichengesänge) für 1 Pfund
10 Heller;
- ein Direktorium für 1 Pfund 10 Heller;
- drei Psalter (Druck auf Papier).
Bis zum Jahr 1515 waren für Bücher 366 Gulden 6 Schilling
9 Heller (in Goldwährung) ausgegeben worden.
C. Der Bischof von Konstanz erhielt für die Genehmigung
der Statuten und die Errichtung des Kollegiats 52 Gulden.
Zwei Büchlein (sie sind nicht näher bezeichnet) im Wert von
36 Gulden 4 Schilling 5 Heller wurden dem Stift »als ain gots
gab« am Weihnachtsfest des Jahres 1515 übergeben. Am Fest
des hl. Michael des Jahres 1516 bekam das Stift zwei Zimbeln
im Wert von 2 Pfund 2 Schilling 6 Heller. Drei Figuren: einen
hl. Sebastian, eine hl. Ursula, eine hl. Agnes, die in Silber
gefaßt und im Innern mit Reliquien ausgestattet waren,
erhielt das Stift am Fest der Aufnahme Mariens in den
Himmel des Jahres 1517. Wert: 11 Gulden 11 Schilling
8 Heller.
Hauptaufgaben und Funktionen der Stiftsherren
Hauptaufgabe der Stiftsherren war, die »Horas Canonicas«
(= das Chorgebet) zu verrichten und die Amter zu singen.
Graf Eitelfriedrich II. von Zollern schreibt in der Urkunde
der Übergabe des Laienzehnten in Steinhofen, Bisingen und
Thanheim, den Bischof Friedrich von Augsburg gekauft
hatte, und des anderen Zehnten an das Stift am 5. November
1499: »So wollen wir, das fürohin in ewig Zeit von einem
yeden kirchherrn, helffern vnnd bepfrönndten caplan zu
Hechingen die siben Zeit gesungen oder psalliert werden
sollen.« Die sieben Zeiten des Chorgebets führt er auch an:
»Nemlich mettin, prim, tertz, sext, non, vesper vnnd complet« 23 .
An Funktionen können wir in der Anfangszeit des Stifts
unterscheiden:
- den Dechant oder Dekan als Vorsteher des Chorherrenstifts,
- den Pfarrherrn und dessen Helfer,
- den Nokturnar und Diurnus als Leiter des Chorgebets und
des Gottesdienstes,
- den Präsentiar als Austeiler der Präsenzgelder,
- den Prädikator (seit 1515) als Prediger,
- die gewöhnlichen Chorherren.
Schon frühzeitig müssen auch Singknaben zur Gestaltung der
Gottesdienste miteinbezogen worden sein.
Fortbestand
gesichert
Im Testament vom Jahre 1511 legte Eitelfriedrich II. von
Zollern nieder: »Item ferrer, den Stift, so ich, mein bruder
bischof Friderich vnd mein hausfraw zu Hechingen gemacht
habend mit 12 priestern vnd ain dechant, der soll nach lut vnd
inhalt der statuta in wirden vnd Ordnung beleiben nach inhalt
der fundacion unverhindert aller meiner kinder vnd nachkummen« 2 4 . Die Vormünder 2 5 der Kinder des verstorbenen
Grafen Franz Wolfgang von Zollern bestätigten am
9. Februar 1518 den Stiftungsbrief des Kollegiatstifts in der
Marienkapelle zu Hechingen von 1499 sowie alle Rechte und
Freiheiten des Stifts 26 .
Über die weitere Geschichte des Kollegiatstifts geben folgende Veröffentlichungen Aufschluß: Josef Riegger,
Geschichtliche Quellen der Grafschaft HohenzollernHechingen aus dem 16. und 17. Jahrhundert (Visitationsberichte über das Collegiatstift Hechingen und die Landpfarreien der Grafschaft Hohenzollern-Hechingen aus den
Jahren 1592-1688). In: Heimatklänge 1, 1934, S. 53-63;
Johann Adam Kraus, Kirchliche Pläne in Hechingen 1699. In:
Hohenzollerische Heimat 5, 1955, S. 48; Ein Hechinger
Stadtpfarrer in Pest-, Hungers- und Kriegsnot. In: Der Zoller
Nr. 125 vom 2.6.1919, Nr. 126 vom 3. 6.1919, Nr. 127 vom
4. 6.1919, Nr. 130 vom 7.6.1919; Johann Adam Kraus, Aus
den Visitationsakten des Kapitels Hechingen 1651-1709. In:
Hohenzollerische Heimat 3, 1963, S. 40^12.
Anmerkungen
1
Extract Fol: 208. Ausser dem Pfarrlichen Lagerbuech zue Hechingen so von Herren Conradt Vnverdorben geschriben worden, was
der Pfarrherr von obgeschribnem der Pfarr einkhommen Järlich
zue geben schuldig ist. - Lagerort: StAS, Dep. 39, H H 7 8 ,
Nr. 1415.
2
a) Das Chorstift zu Hechingen. Hohenzollernsches Wochenblatt
1858 Nr. 109.
b) Willy Baur, Studien über das Hechinger Collegiatstift. Zollerheimat 1933, Nr. 2, S. 51-52.
c) Unbekannte Klerikerstatuten. Mitgeteilt von Johann Adam
Kraus. III. Statuten des Kollegiatstifts Hechingen 1499. Freiburger Diözesanarchiv, 1951, Nr. 71, S. 267-282.
d) Johann Adam Kraus, Vom Collegiatstift Hechingen. Hohenzollerische Heimat 1954, Nr. 4, S.44.
3
Lagerort der Quelle: StAS, Dep. 39, D H 83,35.
4
Als Todestag auf Burg Hohenzollern gilt sonst der 17. Juni.
5
Hierauf hat schon Oberstaatsarchivrätin Dr. Maren Kuhn-Rehfus
in dem Ausstellungsverzeichnis »Streifzüge durch die Geschichte
Hechingens«, Staatsarchiv Sigmaringen, 1986, S. 43, Nr. 194, hingewiesen.
6
Siehe Theodor Dreher, Das Tagebuch über Friedrich von Hohenzollern, Bischof von Augsburg (1486-1505), in: Mitteilungen des
Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern.
Sigmaringen, XIX. Jahrgang 1885/86, S. 78.
7
Vgl. die Inschrift der Sandsteinplatte in der Wandnische am
nördlichen Choraufgang der Hechinger Stiftskirche.
8
Vgl. Manfred Krebs, Die Investiturprotokolle der Diözese
Konstanz aus dem 15. Jahrhundert, in: Beihefte zum Freiburger
Diözesanarchiv Nr. 68, 1941, S. 360.
9
Copiar G, S. 157; Erzb. Archiv in Freiburg. Mitgeteilt von Johann
Adam Kraus, in: Hohenzollerische Heimat Nr. 3, 1954, S.44,
unter der Uberschrift »Vom Collegiatstift Hechingen«.
10
Siehe Johann Adam Kraus, Notizen aus Konstanzer Protokollen
zur hohenzollerischen Pfarrgeschichte, in: Z H G , 2. Bd., 1966,
S. 122, Nr. 158.
11
Siehe Krebs, wie Anm. 8, S. 360.
12
Wie Anm. 2c, S.272.
13
Das Tagebuch über Friedrich von Hohenzollern, Bischof von
Augsburg (1486-1505), historisch erläutert und zum Lebensbild
erweitert von Dr. Theodor Dreher, in: Mitteilungen des Vereins
für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Sigmaringen, XIX. Jahrgang 1885/86, S.86f.
14
Wie Anm. 13, S. 87.
15
Letzterer stammte aus Stetten bei Hechingen. Er war am
11. Dezember 1492 laut eines Manumissionsbriefes (Lagerort:
StAS, Dep. 39, D H 1 0 3 , 546) von Graf Eitelfriedrich II. von
Zollern aus der Leibeigenschaft entlassen worden, um Geistlicher
werden zu können.
16
Vgl. die Stiftungsurkunde vom 7. Januar 1495 im Pfarrarchiv
Hechingen.
17
Beigefügtes Blatt zu fol. 41.
18
Siehe Karl Stemel, Geiler von Kaysersberg und Friedrich von
Zollern. Ein Beitrag zur Geschichte des Straßburger Domkapitels
am Ausgang des 15.Jahrhunderts. In: Zeitschrift für die
Geschichte des Oberrheins. Karlsruhe, 1926, Band 79, S. 61-113.
19
Dreher (wie Anm. 14) schreibt, daß Bischof Hugo mit den zu
hinterlegenden lOfl. in §8, sowie mit dem ganzen §10 nicht
einverstanden war und diesen Bestimmungen ausdrücklich seine
Bestätigung versagte; in dem §10 sei dem Dechanten ein Recht
eingeräumt, das der Ordinarius selbst zu üben habe. - Dreher
bezieht sich dabei auf die Stiftungsurkunde vom 7. Januar 1495,
während es sich bei den Statuten doch um eine eigene Quelle
handelt.
20
Siehe Anm. 2c.
21
Vgl. Carl Andresen und Georg Denzler, dtv Wörterbuch der
Kirchengeschichte. München, 1984, S. 297f.
22
Siehe Kaufbrief der Landgarbe oder Weingült zu Hirschau für das
Kollegiatstift zu Hechingen vom 10. Januar 1513 und Vertrag
zwischen dem Kollegiatstift und dem Pfarrer zu Hechingen über
den Bezug der Landgarbe oder Weingült zu Hirschau vom
11. November 1513. - Lagerort: StAS, Dep. 39, D H 7 8 , 122 und
123.
23
StAS, Dep. 39, D H 7 8 , 118.
24
Sebastian Locher, Nachrichten über den Grafen Eitelfriedrich II.
von Hohenzollern. 1452-1512. In: Mitteilungen des Vereins für
Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Sigmaringen,
XXI. Jahrgang 1887/88, S. 107.
25
Markgraf Ernst von Baden und Graf Eitelfriedrich II. von Zollern.
26
StAS, Dep. 39, D H 78, 126. - Vgl. Kuhn-Rehfus im Ausstellungsverzeichnis »Streifzüge durch die Geschichte Hechingens«, Staatsarchiv Sigmaringen, 1986, S. 43, Nr. 195.
KARL W E R N E R STEIM
Wilhelm Baeumer erstellte den Erkerbau in Bad Imnau
Der Stuttgarter Architekt Wilhelm Baeumer hat 1868 für das
Bad Imnau den Kursaal im »italienischen Renaissancestil«
errichtet. Nicht bekannt war, daß auch der zwei Jahre später
fertiggestellte und besonders prunkvoll eingerichtete sogenannte Erkerbau ebenfalls nach seinen Plänen erbaut wurde.
Belege dafür finden sich in verschiedenen Zeitungsberichten
des Jahres 1870. Den Erkerbau, ein über leicht rechteckigem
Grundriß errichteter dreigeschossiger Putzbau, deckt ein
Walmdach. Straßenseitig springen zwei über Eck gesetzte
zweigeschossige Erker vor. Sohlbankgesimse gliedern den
Bau horizontal. Fenster - im Erdgeschoß und ersten Obergeschoß mit stichbogenförmigem, im zweiten Obergeschoß mit
waagrechtem Sturz - und die Erker rahmen profilierte, an den
Erkern zusätzlich ornamentierte Haussteingewände. Der
Hauptzugang war offensichtlich an der Seite, wo ein kleiner
hölzerner Vorbau mit Kupferbedeckung sichtbar wird. Das
hier befindliche Treppenhaus wird durch gekuppelte Fenster
erhellt. In seiner klaren architektonischen Formensprache
werden noch die Einflüsse des ausklingenden Klassizismus
spürbar, obwohl der Bau insgesamt bereits stilistisch der
Neurenaissance verpflichtet ist (Hannmann).
Der Kursaal in Bad Imnau, als »Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung« eingestuft, wird derzeit grundlegend
renoviert. Wie der Tübinger Denkmalpfleger Dr. Eckart
Hannmann geschrieben hat, ist der Kursaal »eines der wenigen und für unser Gebiet frühesten Zeugnisse der Neurenaissance« ... »Darüber hinaus ist der Imnauer Bau eines der
wenigen Kurgebäude des 19. Jahrhunderts, die diese Neurenaissancerichtung der Architektur verkörpern«
Der »Kur- und Konversationssaal«, wie ihn sein stolzer
Besitzer, Badeigentümer Max Frey 2 , 1868 in einer Zeitungsanzeige vorstellte 3 , wurde gleichsam zum Magneten des
immer mehr aufstrebenden Bades. Feierliche Eröffnung war
am Sonntag, 21. Juni 1868, mit einem Festball, abends wurden
der Saal und der Kurplatz beleuchtet 4 .
Schon damals waren die Unterkunftsmöglichkeiten in Imnau
knapp, wie aus einem Zeitungsbericht 5 hervorgeht: »Vor
21
einigen Tagen hat Herr Frey einen wirklich großartigen, im
edelsten Style erbauten Kursaal eröffnet. Nichts desto weniger glauben wir, daß mit diesen Einrichtungen nur der
Anfang von dem geschehen ist, was geschehen muß, wenn
unsere Prophezeihung in Betreff der Zukunft Imnaus in
Erfüllung gehen, und wenn die Frequenz des Bades, welche in
den letzten Jahren auf das Zehnfache gestiegen ist, in derselben Weise weiter zunehmen soll. Freilich ist es durch den Bau
des neuen Kursaales möglich geworden, eine Anzahl neuer
Logirzimmer einzurichten; aber wenn schon in der letzten
und vorletzten Saison ein Theil der Badegäste, weil sie in
Imnau kein Unterkommen fanden, genöthiget war, nach dem
benachbarten Mühringen überzusiedeln, so wird die Wohnungsnoth noch viel größer werden, wenn sich unter dem
Publikum und besonders unter den Aerzten die Kenntniß
von der Wirksamkeit der Imnauer Quellen und von der
Vortrefflichkeit der dortigen Einrichtungen weiter verbreitet.
Wir halten die Erbauung eines großen Logirhauses in Imnau
für ein dringendes Desiderium und hoffen, daß die preußischen Behörden recht bald nach dem Beispiele des benachbarten Württemberg, in welchem derartige Anstalten von der
Regierung mit der größten Munifizenz unterstützt werden,
Herrn Frey in die Lage versetzen werden, auf dem von ihm
mit großer Umsicht und vielem Geschick betretenen Wege
noch schneller, als bisher, vorzuschreiten. Sind in Imnau erst
die Räume vorhanden, um eine ähnliche Zahl von Kurgästen
aufzunehmen, wie an den mit Kranken überschwemmten
Eisenbädern, denen Imnau mindestens gleich steht, und
Der »Erkerbau« in Bad Imnau wurde
1870 - wie schon zuvor der Kursaal
- nach Plänen des bekannten Stuttgarter Architekten Wilhelm Baeumer erstellt.
1872 schrieb Frey über den neuen Erkerbau: 8 »Die so äußerst
glücklichen Heilerfolge der Quellen Imnau's haben auch im
vorigen Jahre den Zufluß der Fremden derart gesteigert, daß
einem großen Theile der Anforderungen kaum entsprochen
werden konnte. U m den gerechten Ansprüchen an den CurO r t möglichst Rechnung zu tragen, habe ich nun neuerdings
40 Zimmer weiter erbaut und auf das comfortabelste eingerichtet. Es ist dadurch die Zahl der Curgäste, die, ohne die
Privat-Wohnungen gerechnet, in den Cur-Gebäuden aufgenommen werden können, bis über dreihundert gestiegen.«
Als im Jahre 1873 tatsächlich höchster Besuch nach Imnau
kam, wurde er am Erkerbau empfangen: 9 »Gestern Abend
nach 8 Uhr kamen Ihre Hoheiten der Fürst und die Fürstin
von Rumänien mit der kleinen Prinzessin Marie zu mehrwöchentlichem Aufenthalte hier an. Zwei Ehrenpforten, geziert
mit den rumänisch-wied'schen und hohenzollern'schen
Wappen und mit Fahnen von gleichen Farben, waren am Einund Ausgang des Badetablissements errichtet. Am Portale des
Erkerbaues, woselbst sich die Vertreter der Gemeinde, die
Schuljugend mit ihren Lehrern, die Soldaten, welche den
letzten Feldzug mitgemacht, und Jungfrauen in der alten
Ortstracht aufgestellt hatten, wurden die hohen Herrschaften
vom Ortspfarrer mit einer kurzen Ansprache begrüßt...«
(kindergsnasun^ieii
lassen es sich die Herrn Badeärzte angelegen sein, über die in
Imnau erzielten, in der That ausgezeichneten Heil-Erfolge
regelmäßig in allgemein verbreiteten medicinischen Zeitschriften zu berichten, so wird der liebliche Kurort sich noch
schneller als bisher emporschwingen und bald den renommirtesten Eisenbädern Konkurrenz machen.«
Über die Erbauung des sogenannten Erkerbaus nach Plänen
des Architekten Wilhelm Baeumer findet sich in den »Hohenz. Blättern« 6 1870 folgende Notiz, die dem »Schwäb.
Merkur« entnommen war: »... Ungemein ansprechend präsentirt sich ferner das nach einer Zeichnung von Professor
Bäumer äußerst geschmackvoll aufgeführte neue Logirhaus«.
Und Badeigentümer Max Frey schrieb selbst in einer Anzeige, die im Mai 1870 erschien: 7 »Der so äußerst rasch gestiegene Zufluß von Kurgästen zu den so rühmlichst anerkannten,
von glücklichsten Heilerfolgen gekrönten Quellen Imnaus
hat mich auf's Neue veranlaßt, mein Etablissement zu vergrößern, und habe ich diesem zufolge ein weiteres neues Logir22
haus nach Zeichnung des Herrn Professor Bäumer in Stuttgart erbaut, das mich durch seine elegante Einrichtung befähigt, den Anforderungen höchster Herrschaften Genüge zu
tragen.«
Wer war nun jener damals berühmte Architekt Wilhelm
Baeumer? 10 Er wurde 1829 in Ravensburg geboren und starb
1895 in Straßburg. Ausgebildet wurde er am Polytechnikum
in Stuttgart und an der Ecole des Beaux-Arts in Paris. Mit
knapp 30 Jahren folgte er einem Ruf an das Stuttgarter
Polytechnikum. 1870 siedelte er nach Wien über, wo er den
Bahnhof fertigstellte, und kehrte 1874 nach Stuttgart zurück.
Später ging Baeumer als Vorstand an die Baugewerbeschule
nach Karlsruhe, gründete dann eine Kunstgewerbeschule in
Bad Freiersbach, siedelte 1884 nach Straßburg über, wo er als
Architekt und Privatdozent an der dortigen Universität bis zu
seinem Tode wirkte. Dieser bedeutende Architekt des
19. Jahrhunderts hatte sich vor allem dem Renaissancestil
verschrieben. Seine Werke in Bad Imnau erinnern an ihn.
Welche weitere Verwendung hatte nun der Erkerbau? 11 Als
die ersten Kreuzschwestern 1908 in Bad Imnau eintrafen,
fanden sie den Erkerbau in verwahrlostem Zustand vor. 1915
wurde darin ein Lazarett eingerichtet, 1917 ging das ganze
Anwesen der einstigen Badeanstalt samt Erkerbau in den
Besitz der Kreuzschwestem des Provinzhauses in Hegne am
Bodensee über. 1918 wurde der Erkerbau renoviert und im
folgenden Jahr als Kinderheim eingerichtet. 1925 nahm man
eine gründliche Renovierung vor, übrig blieben nur noch die
Außenmauern. 1939 bis 1945 diente der Bau wiederum als
Lazarett. 1962-1964 erfolgte ein Erweiterungsbau und Neubau des Kinderheimes, das schließlich 1976 geschlossen wurde. Im Jahr danach wurde der Erkerbau als Wohnheim für
betagte Schwestern umgebaut.
2
3
4
5
6
7
8
Anmerkungen
1
Eckart Hannmann: Der Kursaal von Bad Imnau. Ein Werk des
Architekten Wilhelm Baeumer. In: Hohenz. Heimat Nr. 3 (1981),
S. 33-35 und »Denkmalpflege in Baden-Württemberg«, Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes, Nr. 3, 1981
9
10
11
Max Frey stammte aus Hausen vor Wald. Er heiratete am 8.1.1852
Elisabetha geb. Gilly aus Hüfingen. Bis 1862 betrieben die Eheleute in Hüfingen ein Geschäft mit Wirtschaft und Kaufladen. Dann
erwarb Frey die stark heruntergekommene Badeanstalt Imnau, die
er zu großer Blüte emporführte. 1888 mußte er das Bad aber an
eine Aktiengesellschaft abgeben
Hohenz. Blätter Nr. 113 vom 17. 5. 1868
Hohenz. Blätter Nr. 139 vom 20. 6. 1868
Hohenz. Blätter Nr. 156 vom 11. 7. 1868
Hohenz. Blätter Nr. 96 vom 30. 4. 1870
Hohenz. Blätter Nr. 112 vom 19. 5. 1870
Hohenz. Blätter Nr. 69 vom 9. 5. 1872
Der Zoller Nr. 81 vom 12. 7. 1873
S. Anm. 1
Nachstehendes entnommen dem Schreiben des Stahlbads Imnau,
Sanatorium und Homöopathische Kurklinik, an den Verfasser
vom 23. 10. 1986
BOTHO WALLDORF
Sonderzüge der Hohenzollerischen Landesbahn im Spiegel der Zeitgeschichte
In den Akten der Hohenzollerischen Landesbahn haben sich
Fahrpläne und Aufzeichnungen erhalten, die eine Rekonstruktion der in den Jahren 1939 bis 1952 eingesetzten
Sonderzüge erlauben.
Im Hochsommer 1939 verkehrt alles noch friedensmäßig,
zum Beispiel: Sonderzüge für das Irma-West-Kinderfest in
Hechingen am 23. Juli 1939. Zur Bewältigung des Verkehrs
wird u.a. die damals stärkste Landesbahndampflok, die
N r . 14 eingesetzt. (Erbaut 1914, 1937 von der Landesbahn
erworben, verschrottet 1958). Die Triebwagenzüge werden
durch einen Anhänger verstärkt. Die Züge von Haigerloch
nach Hechingen und umgekehrt werden durch 2 zweiachsige
und einen vierachsigen Personenwagen verstärkt. Das sind
230 Plätze. Benutzt wird auch der Wagen N r . 27, ein uralter
ehemaliger württembergischer Personenwagen, der zu dem
damaligen Zeitpunkt schon 8o Jahre in Betrieb war. Am Zuge
finden wir Lok 21, die 1914 fabrikneu von der Hohenzollerischen Landesbahn (HzL) erworben und 1962 verschrottet
wurde. Von Gammertingen nach Hechingen werden die
Züge folgendermaßen erweitert: um 4 Vierachser (erwähnt
werden neben den heute im Museumszug laufenden Wagen
N r . 21 und 22 und die ehem. preußischen Wagen N r . 29 und
28, Bauart Langenschwalbach, letzterer endete 1970 in Hermannsdorf als Wohnwagen).
Mit dabei waren noch vier Zweiachser (C-Wagen, erbaut
1899 bei Beuchelt in Grünberg in Schlesien). Planmäßig
bestand der Zug aus einem C C P P O S T (vereinigter Personen-, Post- und Gepäckwagen) und einem C C (vierachsiger
Personenwagen). So sah der Standard-Personenzug bei der
Landesbahn während der reinen Dampflokzeit (1900-1934)
aus. Mit 32 Achsen, 207 t Zuggewicht und 456 Sitzplätzen
dampfte also Lok 14 bei fast voller Belastung über die Steigung der Fehlahöhe bei Gammertingen zum Kinderfest nach
Hechingen. Auf der Rückfahrt wurden sogar 500 Sitzplätze
angeboten, da einer der damals hochmodernen Triebwagen
am Schlüsse des Zuges ohne Kraftabgabe mitlief.
Am folgenden Wochenende, dem 30. Juli 1939, fand der
Landesfeuerwehrtag in Burladingen statt. Von Bad Imnau,
Sigmaringendorf, Sigmaringen und Trochtelfingen, also fast
ihrem gesamten Streckennetz bringt die H z L die Besuchermassen. Zur Verkehrsbewältigung setzt die Hzl folgende
Lokomotiven ein: In Haigerloch Lok21, in Gammertingen
Lok 22 (Baujahr 1911) und Lok 142 (Baujahr 1902). Übrigens
besaß die H z L Dampfloks aus Preußen, Baden und Württemberg, also aus sämtlichen Anrainerstaaten. Auch das schönste
und bequemste Fahrzeug der HzL, der Triebwagen T 3
(später in VT 3 Verbrennungstriebwagen umbezeichnet) war
mit von der Partie. Er wurde 1936 erbaut und endete durch
Totalschaden 1986 im Harter Wald. Es erging Anordnung,
daß Bahnhof Gammertingen die Packwagen PPOST Nr. 71
und andere mit Bänken ausrüste. An diesem Tage waren also
sämtliche HzL-Personenwagen im Einsatz. Welches Erlebnis
wäre es für einen Eisenbahnfreund heute, in einem mit
Bänken versehenen Packwagen und einem gedeckten Güterwagen und Lok 142 abends von Gammertingen nach Trochtelfingen zu fahren. Am gleichen Tage wird auch noch eine
>Gefolgschaft< von Mägerkingen nach Kleinengstingen befördert in einem zweiachsigen Triebwagen (VT 1 oder 2, erbaut
1934, die >alten Dessauer«, verschrottet um 1975).
Im Zweiten
Weltkrieg
Inzwischen hat der Zweite Weltkrieg begonnen. Anläßlich
einer Theatervorstellung in Burladingen verkehren am
16.12.1939 folgende Sonderzüge: Gammertingen ab 19.20
Uhr, an Burladingen 19.50 Uhr und Burladingen ab 22.45
Uhr nach Schlatt 23.08 Uhr. Bei einem solchen Zugangebot
fiel die H z L zu benutzen nicht schwer. Eingesetzt wurde Lok
N r . 7 mit den beiden Wagen Nr. 22 und 28. Das muß
urkomisch ausgesehen haben. Lok 7 wurde 1899 erbaut und
war eine der beiden >c<-Maschinen, die im steigungsreichen
Killertal anfangs Dienst taten. Sie wurde 1951 verschrottet.
Am 16. Oktober 1940 bereist der >Reichsbevollmächtigte für
Bahnaufsicht< die HzL. Die Bahn stellt hierzu, wie immer,
einen zweiachsigen Triebwagen.
Am 14. Dezember 1940 fährt der vierachsige Triebwagen T 3
Sonderzüge bis Veringenstadt anläßlich einer Betriebsfeier
der M U N A (Munitionsanstalt) Haid. Wegen einer Hochzeit
in Hausen-Starzeln verkehrt ein Sondertriebwagen in Einmannbedienung von Gammertingen nach Trochtelfingen
(3. Mai 1941).
Am Montag, den 28. 7.1941 verkehren zwei Sonderzüge betr.
Beförderung von Verwundeten von Eyach nach Bad Imnau.
Am 7. August 1941 werden Verwundete in planmäßigen
Zügen von Eyach nach Bad Imnau gebracht. Am 6. September 1941 wird ein Wehrmachtstransport, bestehend aus
6 Reichsbahn-Personenwagen und 4 Güterwagen von Haidkapelle nach Sigmaringendorf durch Lok 14 ausgeführt. Am
Samstag, den 20. Dezember 1941 verkehrt ein Sonderzug
anläßlich der Weihnachtsfeier der M U N A Haid (VT 3).
Weitere Unterlagen finden sich erst wieder unter dem 8. Mai
1944, als 570 Mütter mit Kindern und Begleitern transportiert
werden sollen. Unter diesem Datum und am 10. Juni 1944
(676 Mütter und Kinder) und am 25. Juli 1944 werden von der
23
Reichsleitung der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) in Berlin Sonderzüge angefordert, die den Namen
>Mutter und Kind< tragen. Es handelte sich um Evakuierungen aus dem Ruhrgebiet. Abfahrt Oberhausen 18.27 Uhr, in
Gammertingen andertags gegen 14 Uhr. Eingesetzt wird
Lok 15, von Gammertingen bis zur Fehlahöhe wird von
Lok 21 nachgeschoben. Lok 15 ist die damals modernste
Landesbahndampflok, erbaut 1940, verschrottet 1965. Es
steigen aus: 25 Personen für Neufra, 52 für Gammertingen,
40 für Trochtelfingen, 20 für Hettingen, 25 für Veringenstadt,
20 für Veringendorf, 28 für Bingen (Hohenz.), Straßberg-Winterlingen25, in Storzingen7, in Oberschmeien 13, in
Sigmaringen 58, in Krauchenwies 76, in Menningen-Leitishofen45, Schwackenreute 37, Ach-Linz 37 und nach Ostrach
56 Personen. Das sind die letzten vermerkten Sonderzüge im
Dritten Reich. Die Evakuierten erleben das Kriegsende in den
genannten Orten. Bereits am 9. September 1944 beginnt der
erste der acht Luftangriffe auf die Landesbahn, welche das
Tagebuch der Betriebswerkstätte Gammertingen vermerkt.
Am 21. April 1945 verkehren Lok 21, Lok 12 und der Triebwagen T2 zum letzten Mal. Unter dem 22. April 1945
vermerkt Werkstättenvorsteher Fritz Däche (Amtszeit
1934-1956, f 1967): »Der Betrieb wurde am 21.4.1945
abends eingestellt. Beginn der Aufräumungsarbeiten in der
Werkstätte und an den gesprengten Brücken am 8.5.1945.
Wiederaufnahme der Reparaturarbeiten an Lokomotiven
und Wagen in der Werkstätte am 11. 6.1945. Zugverkehr ruht
auch weiterhin!«
eine Streckenbereisung durch den Aufsichtsrat statt. Die
Direktion weist darauf hin, daß das Gras an den Bahnböschungen und im Werkhof in Gammertingen gemäht und von
den Betriebsanlagen ein in jeder Hinsicht guter Eindruck
hervorgerufen werden muß.
Bei allen Zügen wird Gammertingen H P (Haltepunkt an der
Neuen Straße beim »Löwen«) erwähnt und zur Unterscheidung Gammertingen Bf. Wegen der vier gesprengten Brükken ist ein durchgehender Zugverkehr nicht möglich. Die
große Lauchertbrücke bei Gammertingen wird erst am
S.Dezember 1947 wieder eingeweiht.
Der erste bescheidene Sonderzug, dessen Anlaß nicht mehr
feststellbar ist, verkehrt am 18. August 1946 von Bingen nach
Gammertingen. Am 29. September 1946 wird ein Sonderzug
von Jungnau nach Gammertingen anläßlich einer kirchlichen
Feier (wahrscheinlich Männertag) durchgeführt. Kirchliche
Feiern, Wallfahrten, Sportfeste und kulturelle Veranstaltungen (z.B. die Freilichtbühne auf der Ruine Hornstein) und
später Ausflugsfahrten an den Bodensee und in die Schweiz
sollten den sich in den Jahren 1946 bis 1952 steigernden
Sonderzugverkehr bestimmen. Das waren die Ereignisse,
welche den Menschen nach den Entbehrungen der Kriegszeit
Erfüllung bedeuteten.
Am Sonntag, 8. Dezember 1946, wird in Hechingen das
Oratorium >Der Messias< aufgeführt. Die Besucher aus Richtung Gammertingen und von Bad Imnau fahren in verstärkten Planzügen, die anstelle von Triebwagen mit den Dampf-
Lok 14, für die Badische Staatsbahn
1914 erbaut, 1937 von der Hohenzollerischen Landesbahn erworben, 1958
als erste Dampflok der Landesbahn
verschrottet. Foto Deutsches Lokomotivbildarchiv Wuppertal
Neubeginn
nach dem Krieg
»Erster (bahninterner) Arbeitszug fährt am 5. 7.1945.« Weil
es auf der Rückseite beschrieben wurde, ist uns ein Fahrplandokument der H z L vom 17. Dezember 1945 erhalten geblieben. Es sagt folgendes aus: Die Omnibusse und die Eisenbahnen verkehren nur an Werktagen. Besondere Bestimmungen:
Kinder zahlen im Omnibus den vollen Fahrpreis. Ein
Anspruch auf Beförderung besteht nicht. Eine Gewähr für
die planmäßige Ausführung der Fahrten wird nicht übernommen. Zwischen Bad Imnau und Hechingen finden täglich drei
Busfahrten statt. Von Haigerloch nach Hechingen verkehrt
einmal täglich das Zugpaar Nr. 305/306. (Die Zug-Nr. 305 ist
noch heute belegt.) Zwischen Hechingen und Gammertingen
findet nur Busverkehr statt, und zwar pendeln fünf Buspaare.
Zwischen Gammertingen und Sigmaringen werden täglich
drei Triebwagenpaare gefahren.
Im März 1946 bereisen französische Offiziere mit dem
zweiachsigen Triebwagen die HzL. Am 17. Juli 1946 findet
24
lokomotiven Gölsdorf 12 (erbaut 1911) und Lok 141 (ELNA)
bespannt werden. Die eingeteilten zweiachsigen Triebwagen
laufen jedoch am Schluß der Züge ohne Kraftabgabe mit. Zur
Heimfahrt der Besucher werden ab Hechingen in beide
Richtungen Sonderzüge eingesetzt. Auf Anordnung des
Gouvernements des Kreises Hechingen wird am Montag,
30. Dezember 1946, für die schulpflichtigen Kinder vom
gesamten Kreis in Hechingen eine Weihnachtsfeier abgehalten. Aus Richtung Haigerloch sind 108 Personen und aus
Richtung Burladingen 70 Personen gemeldet. Zum Einsatz
kommen Lok 12 und Lok 141 mit zwei bzw. drei Personenwagen nebst Packwagen.
Im Jahre 1947 werden 26 Sonderzüge ausgeführt; davon
betreffen sieben Züge Sportwettkämpfe in Stetten bei Haigerloch, Burladingen, Hechingen und Sigmaringen. Zehn Züge
dienen kirchlichen Zwecken, davon allein vier Sonderzüge
für Wallfahrtsveranstaltungen in Jungingen, die an allen vier
Mai-Wochenenden verkehren. Die Pilgerzüge bestehen aus
sechs Personenwagen in beide Richtungen.
.
So groß war der Andrang in diesem Marienmonat. Am
20. 7.1947 und 27. 7.1947 werden Sonderzüge mit dem vierachsigen VT 3 zu den Freilichtspielen auf der Ruine Hornstein erstmalig erwähnt. Für die Sonderzüge von Sigmaringen
nach Burladingen und zurück anläßlich einer Sportveranstaltung am Ostermontag, 7. April 1947, wird je eine Viertelstunde Übergangszeit von Gammertingen Bahnhof nach
Gammertingen Haltepunkt gerechnet.
Der Sonderzugfahrplan für Sonntag, 22. Juni 1947, für Züge
zwischen Sigmaringen und Haigerloch trägt den Vermerk
>Nicht ausgeführt, weil Kommandant Funel abgelehnte
- Man sieht also den Einfluß der Besatzungsmacht. Der
Grund der Ablehnung ist nicht mehr ersichtlich.
Am Sonntag, 27.6.1947, ist ein französischer Militärtransport von Kleinengstingen nach Sigmaringen zu befördern.
Der Zug umfaßt 50 Achsen und hat ein Gesamtgewicht von
350-4001. Eingesetzt werden Lok 141 + 12.
den planmäßigen Sonntagszug um einen Packwagen, zwei
Vierachser und vier Zweiachser. So viele wollten damals mit.
Am 4. Oktober 1947 wird in Hechingen das Oratorium >Die
vier Jahreszeiten< aufgeführt. Wieder bietet die Landesbahn
nach Beendigung der Veranstaltung Sonderzüge in beide
Richtungen an.
Zu den Einweihungsfeierlichkeiten der Lauchertbrücke in
Gammertingen am 5. Dezember 1947 verkehren die zweiachsigen Triebwagen VT 1 und VT 2 bis Tübingen. Ein Novum
dabei: Damit die Züge ohne Halt bis Gammertingen durchgeführt werden können, werden sämtliche Unterwegsbahnhöfe
mit Fahrdienstleitern besetzt, die alle die vorgeschriebene
rote Mütze zu tragen haben. Als einer dieser Fahrdienstleiter
wird der langjährige spätere Betriebskontrolleur, Xaver Kleiner, erwähnt. Er stand 48 Jahre im Dienste der Landesbahn
(I >is 1983). Im Zeitalter des Funkverkehrs ist ein solcher
Wiederaufbau der zerstörten Landesbahnbrücken
bei
Gammertingen
1946. Fotos Georg Mühlbacher +
»
.v
Anläßlich einer Theateraufführung in Hechingen am 16. Juli
1947 werden Sonderzüge von Hechingen nach Haigerloch
und Gammertingen um OUhr angeboten. Bei einem solchen
Zugangebot konnte man tatsächlich die Landesbahn zum
Besuch von Veranstaltungen nutzen. Wegen eines Fußballspiels in Burladingen am 10. August 1947 verstärkt Lok21
Personalaufwand nicht mehr denkbar. Aus der in Französisch gehaltenen Eröffnungsrede: »On examinait la question
de remplacer les anciens arches par la forme la plus belle et
plus estétique des piles graciles d'un pont de fer. Malheureusement on ne réuissait pas parce que il était impossible de
trouver ces grands ponts de fer.« (»Es wurde die Möglichkeit
25
geprüft, die alten Brückenbögen durch eine schönere und
ästhetischere Form zu ersetzen, durch die schlanken Pfeiler
einer Eisenbrücke. Unglücklicherweise ist dies nicht gelungen, denn es war unmöglich, eiserne Brücken in dieser Größe
zu finden.« Es ist übrigens fraglich, ob eine eiserne Brücke
tatsächlich schöner wäre. Immerhin hat sich die damalige
Betonkonstruktion bis heute bewährt. Ubersetzung und
Anmerkung der Schriftleitung.)
Auffallend gering ist die Zahl der Sonderzüge im Jahre 1948.
Anlässe sind ein Sängerfest in Hechingen (5.9.1948), SonderFremdenveranstaltung des Hohenzollerischen Landestheaters in Sigmaringen, Musikfest in Hausen (26.9.1948), Aufführung von Passionsspielen in Hechingen und wieder die
Weihnachtsfeier für bedürftige Kinder des Kreises Hechingen (30.12.1948).
Am 4. bis 5. 6.1949 läuft ein Sonderzug von Gammertingen
nach Sigmaringen anläßlich eines dort gastierenden Circus.
Zum St.-Anna-Fest in Haigerloch am 31. Juli 1949 werden
planmäßige Züge verstärkt, die dann so aussehen: Vierachsiger Triebwagen plus zweiachsiger Triebwagen und drei Anhänger.
Darin ist fast alles vereinigt, was die Landesbahn damals an
Triebwagen besaß. Am Abend nach dem Schlußgottesdienst
zu Ehren der hl. Mutter Anna werden in Richtung Eyach und
Hechingen Sonderzüge eingesetzt, die aus vier vierachsigen
Personenwagen bestehen. Ein Zeichen, daß es wieder aufwärts geht, sind die jetzt durchgeführten Betriebsausflüge,
etwa die Hohenzollerische Landesbank am 7. August 1949
nach Kleinengstingen oder die Betriebsfeier der Firma
Gebrüder Mayer in Burladingen am 26. und 27. November
1949. Am 8. Oktober 1949 findet ein Feuerwerk in Haigerloch anläßlich des landwirtschaftlichen Festes statt. Die H z L
bringt die Besucher in Sonderzügen zu diesem einmaligen
Ereignis.
Am 1. und 2. April 1950 verkehren Sonderzüge anläßlich des
50jährigen Betriebsjubiläums der Landesbahn in Gammertingen. Auf dieses interessante Jubiläum kann in diesem Zusammenhang leider nicht eingegangen werden.
Zum Blutfreitag nach Weingarten am 19. 5.1950 startet der
vierachsige Triebwagen mit zwei Anhängern bereits um 2.05
Uhr in der Betriebswerkstätte Gammertingen. Um 3.54 Uhr
ist Abfahrt in Bad Imnau. Weingarten ist 8.10 Uhr erreicht,
wo um 16.05 Uhr wieder aufgebrochen wird.
Für Pfingsten 1950 wird vorgesehen, zahlreiche Züge durch
einen oder zwei Personenwagen zu verstärken. Ein Sonderzug soll von Bad Imnau nach Gammertingen laufen, ein
weiterer Sonderzug von Sigmaringen nach Lichtenstein.
Zu den 32 Sonderzügen im Jahre 1950 gehören die drei
Fahrten Mühringen ab 4.30 Uhr, Konstanz an 9.36 Uhr, mit
dem vierachsigen Triebwagen VT3, dem Zweiachser VT2 und
drei Anhängern. Eine wahrhaft elegante Kombination, als
man bei der Bundesbahn noch nichts anderes als rußige
Dampfzüge kannte.
Der längste Landesbahn-Sonderzug wird für den Betriebsausflug der Firma Gebrüder Mayer, Burladingen, nach Heidelberg zusammengestellt. Die Landesbahn bringt die
Betriebsangehörigen bis Hechingen am 26.-27. August 1950.
Der Sonderzug besteht aus 38 Achsen = 596 Sitzplätze.
Pilgerzüge
Hohenzollerische Pilgerzüge sind seit 1926 nachweisbar; sie
führten u. a. nach Maria-Einsiedeln. Aus den Begleitpapieren
für den 5. Hohenzollerischen Pilgerzug vom 18.-22. Mai
1928, die zufälligerweise bei der langjährigen Mesnerin Paula
Sauter (geb. 1905) in Gammertingen erhalten blieben: »Wenn
wir in Einsiedeln aussteigen, stellen wir uns schnellstens am
26
Bahnhof zu vieren auf in Prozession. Die Männer zuerst! An
der Spitze die Hochwürdigen Herren Geistlichen! Nach den
Männern die Frauen! Alle gehen in schönster Ordnung,
zuerst das Vater unser betend, dann das Lied singend b e g r ü ßet seist Du Königin< unter dem Geläut der Glocken, mit
Kreuz und Fahne zur Kirche und Gnadenkapelle. Dortselbst
hält der Pilgerführer eine Ansprache und gibt den hl. Segen.
... Das sogenannte Vespern und Trinken kommt auch sehr
teuer und man hat erst nichts rechtes.... Ein Zusammenschlafen im selben Bett, wie früher, kann nicht gestattet werden, da
zu unserer Zeit genug Platz in Einsiedeln ist. ...«
Die Pilgerfahrten wurden bis 1934 von dem damaligen Junginger Prälaten Benno Kramer geleitet. Ihr Fahrziel war
damals ausschließlich Maria Einsiedeln in der Schweiz. Kramer verstarb 1949, und ihm wurde die erste hohenzollerische
Pilgerfahne mit ins Grab gegeben. Seit 1953 bis heute stehen
die hohenzollerischen Pilgerzüge unter Leitung von Dekan
Wessner In Jungingen. Zu diesem Zeitpunkt stiftete Fürst
Friedrich von Hohenzollern die zweite hohenzollerische
Pilgerfahne. Neben der Fahne des Turngaus Hohenzollern ist
sie die einzige Fahne, hinter der sich heute noch die Bevölkerung Hohenzollerns schart. Die Pilgerzüge nach Beuron
nehmen ab 1950 etwa die gleiche Größenordnung ein. Im
Herbst 1950 werden zwei Pilgerzüge Mühringen-Beuron
gefahren. Die Plattformen des zweiachsigen Triebwagens
und der drei Anhänger sind mit je drei Feldstühlen ausgestattet. Offensichtlich reichte das Sitzplatzangebot nicht.
Ab Herbst 1951 werden die Pilgerzüge nach Beuron mit
Lok 14 gefahren, ab Gammertingen 36 Achsen, 234 t, 555
Sitzplätze. Im Packwagen sind zehn Körbe Kohle mitzuführen, die Lok wird während des Aufenthalts in Beuron
aufgerüstet. Heute fahren im Frühjahr etwa 250-300 Leute
mit nach Beuron, im Herbst als Dankwallfahrt für das
laufende Jahr sind es etwa 400 (freundliche Auskunft von
Dekan Wessner vom 13.1.1985).
1953 werden erstmals seit 1934 wieder Pilgerzüge von Mühringen (ab 2 Uhr) nach Maria Einsiedeln (an 10.30 Uhr)
gefahren. Nach Aussage von Dekan Wessner, Jungingen, der
diese Züge seither bis heute geistlich betreut, hatte die
Schweiz großes Interesse an der Wiederaufnahme der Pilgerfahrten. Die Schweizerischen Bundesbahnen stellten dafür
sieben leichte Stahlbauwagen mit Lautsprecheranlage zur
Verfügung, die es damals in Deutschland nicht gab. So kam
es, daß Lok 14 Schweizerische Wagen beförderte.
Am 1. bis 4. August 1953 wird erstmalig nach Altötting
gefahren. Die Fahrt beginnt in Mühringen um 4.20 Uhr und
endet in Altötting um 13.25 Uhr. Die Fahrleistung des
vierachsigen Triebwagens VT3 beträgt 900 km, zwei Fässer
mit 2001 Brennstoff müssen mitgeführt werden. Im Juli 1979
hat der 100. Pilgerzug dasselbe Ziel, allerdings wird seit
Jahren mit einer Bundesbahn-Garnitur gefahren, da im
Triebwagen nicht alle Teilnehmer Platz hätten. Auch Bingen
am Rhein war für den Landesbahn-Triebwagen nicht zu weit
(ebenfalls 900 km). »Der Wirtschaftsbetrieb ist im großen
Packabteil einzurichten. Im Packabteil dürfen sich außer der
Wirtin keine weiteren Personen vom Wirtschaftsbetrieb aufhalten. Auf keinen Fall dürfen Triebwagenführer und Lotse
durch den Wirtschaftsbetrieb abgelenkt werden.«
Als neues Fahrziel wird am 5.8. und 26.8.1951 Lindau
angefahren (Mühringen ab 4.30 Uhr, Lindau an 10.15 Uhr, ab
Lindau 18.40 Uhr, Mühringen an 0.13 Uhr). Es wird der
vierachsige Triebwagen VT3 mit zwei Anhängern eingesetzt.
»Der Wirtschaftsbetrieb ist im Packabteil einzurichten.«
Ein Anzeichen für das beginnende Wirtschaftswunder war
die Hohenzollerische Landwirtschaftliche Ausstellung in
Sigmaringen, die am 30.9. bis 7.10.1951 stattfand. An beiden
Wochenenden fuhr die H z L Sonderzüge ab Mühringen,
Trochtelfingen und Laucherthal in die ehemalige hohenzollerische Hauptstadt. In Gammertingen wird einer der damals
neuen Schienenbusse VT6 oder VT7 (erbaut 1951, verkauft
1973 an die Eisenbahnfreunde Zollernbahn) in Reserve gehalten und bei Bedarf eingesetzt. Von Gammertingen nach
Trochtelfingen besteht ein Sonderzug wegen mangelnder
Wagen aus einem Zweiachser und drei Packwagen, die mit
Bänken bestückt sind, und Lok 141. Die H z L hatte Hochkonjunktur vor der beginnenden Motorisierung, und manche
Anekdote über sie wurde im Volk erzählt. Heute ist die H z L
aus dem Gesichtskreis weiter Bevölkerungskreise verschwunden und ist zur Werkbahn für das Salzwerk Stetten
geworden. Lok 14 fuhr in jenen Tagen Vorspann bei Planzügen und stand für Nachschub von Sigmaringen nach Hanfertal
und
Gammertingen-Fehlahöhe
bereit
(Nachschub = nachschieben).
7.9.1951: Gammertingen ab 2.46 Uhr, Zürich 9.40 Uhr.
Der Wunsch vieler, mit einem Triebwagen-Sonderzug der
Landesbahn nach Zürich fahren zu können, findet heute seine
Verwirklichung. Bei der Ausreise dürfen von jeder Person
nur 10 D M mitgenommen werden. Wer einen höheren Betrag
hat, kann diesen bis zur Rückkehr in Singen hinterlegen. Die
Entfernung beträgt 240 km, insgesamt also 480 km. Fünf
Kanister Brennstoff sind im Packteil mitzuführen. Es fuhr
VT3 mit einem Anhänger.
Die Zeiten, wo das zur Verfügung stehende rollende Material
der Landesbahn nicht ausreichte, sind vorbei. Durch die
Motorisierung haben sich die Gewohnheiten der Bevölkerung stark gewandelt. Die Vorstellung, daß man nur mit dem
Zug woanders hinkommt, existiert nicht mehr. Möge dieses
bisher nicht beleuchtete Kapitel aus der hohenzollerischen
Eisenbahngeschichte dem Leser neue geschichtliche Zusammenhänge aufgezeigt haben.
Quellen
Akten von der Direktion der Hohenz. Landesbahn Hechingen, die
freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden und in Zukunft
beim Staatsarchiv Sigmaringen deponiert werden.
Leitz-Ordner: Betriebsbüro Sd-Fahrpläne vom 15.Juli 1939 bis
1. August 1952 von Nr.280-286 und N r . 1-146.
Leitz-Ordner: Betriebsbüro Sd-Fahrpläne - Urschriften - vom
1. Januar 1940 bis 1. August 1952 von Nr. 1-146.
DIN-A5-Leitz-Ordner: Betriebsbüro Fahrplanordnungen vom
1. Januar 1955 bis 31. August 1957, Nr. 88-150.
J O H A N N ADAM KRAUS
Ringinger Rätsel: Die Lai-Straße
Von dem Dorfkreben zieht nach Westen ansteigend das »Lai«
aufwärts gegen den Gallenberg. Seit neuestem schreibt man
»Laistraße«. Links oben im alten Gallengarten der Familie
Gregor Freudemann stand bis 1834 im Gelände die alte
Gallenkirche der Frühmeßpfründe, die schon 1535 mit der
Pfarrei vereinigt worden war.
Das Heiligtum zu St. Gallus und Othmar (deren Bilder man
an der Decke der Pfarrkirche findet) muß schon vor dem Jahr
1200 auf das Kloster St. Gallen (Schweiz) zurückreichen (Hz.
J.-Heft 1957, 36f.). Ein Bildstock neben Freudemanns Haus
erinnert an die Kapelle, die Franz Ferdinand Dent im Jahre
1763 an der Decke der Marienkapelle mit dem ganzen Dorf
verewigte. Im Lai selbst stehen rechts die Häuser 4 und
6 anstelle des früheren St.-Gallen-Hofes, der seit alters der
Pfarrei Truchtelfingen (Tailfingen) zugeschlagen war und
dorthin bis um 1848 zinste.
Die weiteren Häuser 8 und 10 »auf dem Lai« stehen auf altem
Ringinger Heiligengut, bei dem 1594 von Zipperenbäumen
die Rede ist. Zipperen sind kleine grüngelbe Pflaumen,
usprünglich aus Zypern stammend im Gegensatz zu den
blauen griechischen »Griechelen«. Von dieser Stelle »auf dem
Lai« verlief bis 1867 der breite Viehtrieb des Dorfes (an der
Marienkapelle vorbei) zum Heufelder Kreuz zur großen
Viehweide des Salmendinger/Ringinger Heufeldes. Der
breite Triebweg wurde nach Aufhören des Viehaustriebs als
»Triebteile« für die Bürger zerstückelt. Heute ist bis zur
genannten Kapelle alles mit Häusern überbaut, also »am
Kappelweg«.
Der uralte Name »Lai« erscheint in Ringinger Akten erstmals
im Jahre 1406 als »Leh«, dann 1530 als »Lech«, später »Lee«,
»Loch« und seit etwa 1620 als »Lai«. Die (Grenz-)Hügel
beim erwähnten Heufelder Kreuz hießen 1545 die »Leuhern«
(Hz. Heimat 1961,5: mit andern Flurnamen). Es handelt sich
um das althochdeutsche Wort für Hügel, besonders Grabhügel, Grenzhügel in Formen wie hlewari, hlewen, Lewen,
Leber, leuern usw., in Einzahlform meist Le, Leh, von zirka
1620 an als Lai.
Die genannten »Leuher« am Heufeldrand untersuchte ums
Jahr 1926 der »Hoid-Hanne«, ein passionierter Forscher von
der Haid (bei Trochtelfingen), wohin sein Vorfahr aus Ringingen gekommen war. Die meisten seiner Ausgrabungsfunde aus frühgeschichtlicher Zeit kamen übrigens nach
England!
Auf dem Salmendinger Teil des Heufelds gibt es ebenfalls
einige Grabhügel. Bei der Junginger Anna-Kapelle »uf der
Lehr«, die der Volksmund »Laihr« nennt (Mehrzahl von Le
- Lai) hat Lehrer Michael Lorch eine Anzahl Alemannengräber erforscht und in der »Hz. Heimat« 1959, 54 und 1965, 23
beschrieben.
Auch in Ringingen entdeckte man 1954 »unterm Lai«, wo
seinerzeit die Zipperenbäume standen, beim Hausbau des
Bürgers Lukas Hochsticher (Zugang vom »Neuen Weg« her)
einige Alemannengräber von etwa 650/80, (Hz. Heimat 1954,
46), doch mit wenig Beigaben. Auffallend waren die Feuersteine bei den Toten, einer lebenswichtigen Sache für unsere
Vorfahren, um damit und Zunder ein Feuer schlagen zu
können!
Da die gefundenen Gebeine mit dem Gesicht zur aufgehenden Sonne lagen, dürfte es sich um Christen gehandelt haben,
die in der aufgehenden Sonne den Weltenherrscher Christus
erwarteten. Daher waren auch die älteren Kirchen geostet!
Bei ihnen hat man dann auch bald die Toten beerdigt. Um 650
wird es in Ringingen schwerlich schon eine Kirche gegeben
haben.
Unsicher in der Erklärung dürfte das Burladinger »Wolfslaia«
sein, das auf einen Lehensbesitz Wolf zu deuten scheint, falls
nicht der Volksmund irrig eine mehrdeutige Endung
anhängte. Denn »Laia« bedeutet ja Lehen-Gut. Von einem
früheren Hügel ist dort nichts überliefert. Der große Grabhügel »Hohmichel-Le« bei Hundersingen-Heuneburg-Heiligkreuztal enthält noch in der Endung den Wortstamm Le!
Bemerkenswert ist, daß nicht nur das Wort Leh sich um 1620
in Lai änderte, sondern auch die Familiennamen DekerDeeker, Deugger zu Daigger und Daiker, und die Beler des
15. Jahrhunderts von Stetten-Melchingen zu Beiler, Böhler,
Bayhler zu heutigen Bailer wurden.
27
HERBERT RÄDLE
Ein Glasgemälde des Meisters von Meßkirch im Augustinermuseum Freiburg
Der Meister von Meßkirch - möglicherweise identisch mit
Peter Strüb d.J. aus Veringenstadt 1 , hat seinen Notnamen
von seiner Tätigkeit im Dienste der Freiherren bzw. (seit
1538) Grafen von Zimmern, Herren zu Wildenstein und
Meßkirch. In Meßkirch stattete er im Auftrag Gottfried
Werners von Zimmern (1484-1554) nach 1536 die neuerbaute
Stiftskirche St. Martin mit Altargemälden aus, von denen
eines, das ehemalige Hochaltarbild mit der Anbetung der
Könige, heute noch auf dem linken Seitenaltar zu sehen ist 2 .
der Komposition wie auch die Gestaltung der Figuren im
einzelnen weist m.E. auf einen überdurchschnittlichen
Künstler.
Das Thema, das uns im folgenden beschäftigen wird, ist die
Frage, inwieweit der Meister von Meßkirch auch als Autor
von Glasgemälden greifbar wird. Ein in der Wiener Albertina
erhaltener Scheibenriß (ein Entwurf für ein Glasbild also)
zeigt unzweifelhaft, daß der M. v. M. sich auch mit dieser Art
Malerei befaßte (vgl. Anm. 6). Andererseits ist es noch nicht
gelungen, auch nur ein einziges Glasgemälde ihm eindeutig
zuzuweisen. Weder für die Heiligkreuztaler Wappenscheiben (Stuttgart, Württ. Landesmuseum, Inv. Nr. 1098) noch
für die Wappenscheiben der Grafen von Zimmern aus dem
Meßkircher Rathaus 3 war eine von verschiedenen Autoren
vermutete Urheberschaft des M. v. M. bisher überzeugend zu
begründen 4 .
Hier hat nun die Ausstellung »Die Renaissance im deutschen
Südwesten« (2-bändiger Katalog, Heidelberg 1986), wie ich
meine, neue Aspekte eröffnet. In dieser Ausstellung war
nämlich eine Kabinettscheibe aus dem Freiburger Augustinermuseum zu sehen (Katalog Nr. D 1 9 : »Der zwölfjährige
Jesus im Tempel« = Abb. 1), die mir sehr starke Hinweise auf
den M. v.M. als Urheber zu enthalten scheint 5 .
Beschreibung
Figuren
der Scheibe: Anordnung
und Ausdruck
der
Auf der Scheibe - sie weist einen reichdekorierten Renaissancerahmen im Stile der Ropsteinwerkstatt auf, welcher sie von
Dietrich Rentsch daher im Katalog (S. 266) auch zugeschrieben wird - ist im Zentrum der lehrende Jesusknabe zu sehen,
um ihn gruppiert fünf Schriftgelehrte, sowie Maria und Josef.
Alle Figuren sind, wie ersichtlich, kompositioneil in Gruppen
zu jeweils zwei zusammengefaßt. Der Jesusknabe wendet
sich z.B. lebhaft diskutierend nach rechts einem in Rückenansicht gegebenen Schriftgelehrten zu. Der Kontakt zwischen beiden wird dabei sowohl durch den Blick wie durch
die in einer Art Antithese wiedergegebenen Hände hergestellt. Die weiteren Schriftgelehrten, je zwei links bzw. rechts
im Vordergrund, scheinen ebenfalls mit einer wissenschaftlichen Diskussion befaßt. Gestikulierend wendet sich der
Barhäuptige (links) dem Bärtigen (rechts außen) zu und stellt
so seinerseits eine Verbindung zwischen den zwei Gruppen
her. Von den anderen Gelehrten folgt der halbrechts Sitzende
ernsten und aufmerksamen Blickes der Argumentation seines
Nachbarn, während der Brillenträger (ganz links) in der Bibel
eine Stelle nachzuschlagen scheint. Maria und Josef erscheinen, nicht nur dadurch, daß sie farblos hell belassen sind, als
deutlich von den Diskutierenden abgesetzt: Ihre Blicke finden unter den Anwesenden keinen »Ansprechpartner«, Josef
scheint gleichsam hilfesuchend nach dem Betrachter zu blikken, während Maria betet. N u r der Heiligenschein Marias
stellt eine äußerliche Verbindung zum ebenfalls mit Nimbus
wiedergegebenen Jesus her. Die überzeugende Natürlichkeit
28
Abb. 1. Der l^ahrige Jesus im Tempel. Kabinettscheibe. Meister von
Meßkirch (?). Freiburg, Augustinermuseum
Argumente für die Urheberschaft des Meisters von Meßkirch
Monika Kopplin nennt - im Katalog S. 157 - als charakteristisch für die Kunst des M . v . M . u.a. folgende Merkmale:
kräftig-derbe Physis, wollige Haare und runde Gesichtsformen; gelasssene Ruhe und Heiterkeit, sowie das Fehlen alles
Ausdruckshaften und nervös Verzerrten in der Darstellung;
schließlich: sichtbares Streben nach Dreidimensionalität und
Perspektive.
Alle diese Stilmerkmale sind nun aber, so scheint mir, auf
unserer Kabinettscheibe in augenfälliger Weise vorhanden.
Geht man darüberhinaus ins Detail und vergleicht Einzelheiten unseres Bildes mit Details aus anderen, dem M . v . M .
unstrittig zugehörigen Werken, so erkennt man bald recht
deutlich, daß die Freiburger Kabinettscheibe ein Werk des
M.v. M. sein muß 6 .
Die Frage schließlich, welcher Umstand den Meister von
Meßkirch mit der Universität Freiburg - als der mutmaßlichen Auftraggeberin der Scheibe 7 - in Beziehung gebracht
haben kann, läßt sich mit dem Hinweis beantworten, daß
Wilhelm Werner von Zimmern (1485-ca. 1575) in Freiburg
studierte und an der dortigen Universität sogar mehrmals
Rektor war 8 . Im Dienste der Herren von Zimmern aber hat
der M . v . M . , wie anfangs bemerkt, vornehmlich gearbeitet.
Anmerkungen
' Chr. Salm, Der Meister von Meßkirch, Diss. Freiburg 1950, S. 213.
Vgl. Ders. in: Kindlers Malereilexikon, Bd. 9,1977, S. 103-105, mit
weiteren Literaturangaben.
2 Weitere wichtige Werke des M. v. M. sind der Falkensteiner Altar
(um 1525; Donaueschingen, Fürstl. Fürstenb. Gemäldegalerie); die
Portraits Eitelfriedrichs III. von Hohenzollern und seiner Gattin
Johanna von Berselle (1523; Rom, Musei Vaticani, Pinacoteca); der
Wildensteiner Altar (datiert 1536), sowie seine Arbeiten in Heiligkreuztal. Zu letzteren: Chr. Salm, Die Wand- und Gewölbemalereien des M . v . M . in Heiligkreuztal, in: Heilige Kunst, Stuttgart
1956, S. 29—47.
3
Heute in den Fürstl. Fürstenb. Sammlungen in Heiligenberg. Vgl.
]. D. Wohleb, Fensterbild- und Wappenscheibenentwürfe des
M.v. M., in: Schriften des Vereins für Gesch. u. Naturgeschichte
der Baar, Donaueschingen 22, 1950.
4
Dazu Salm, Der M. v. M. (1950), S. 159f., 171.
5
Der Text zu unserer Scheibe lautet im Katalog: Kabinettscheibe der
Universität Freiburg: »Der 12-jährige Jesus im Tempel«, Ropsteinwerkstatt (?), Freiburg, um 1520/30, Hüttengläser, Schwarzlot,
Silbergelb, H . 4 2 c m , B.32cm, Freiburg, Augustinermuseum,
Leihgabe der Universität Freiburg. - Die Szene mit dem im Tempel
lehrenden Jesusknaben ist von Renaissancesäulen gerahmt. Im
Bogenfeld darüber halten zwei Engel drei Wappen: in der Mitte
Abb. 3 (Donaueschingen)
Österreich, links Freiburg, rechts Habsburg. Die Darstellung des
lehrenden Christus ist bereits auf den ältesten Siegeln und Hoheitszeichen der Universität zu finden. Die Scheibe könnte eine Stiftung
der Universität sein. (Soweit der Katalog).
Große Ähnlichkeit zeigt etwa das pausbäckig-volle Gesicht des
Jesusknaben auf unserem Bild mit dem Gesicht der heiligen
Margarete auf der Berliner Federzeichnung (Katalog Nr. E16;
Ausschnitt in Abb. 2); oder auch die Maria unseres Bildes mit der
Maria der Donaueschinger Kreuzigung (Katalog Nr. C 1 3
= Abb. 3). Die beiden letztgenannten Mariendarstellungen sind
m.E. geradezu als identisch zu bezeichnen (Gestaltung der Kopfbedeckung, Gesichtszüge, Gesamthaltung!). Viel Ähnlichkeit zeigt
auch das Gesicht des Josef auf unserem Bild mit dem Gesicht des
mittleren Königs auf der Dreikönigstafel (die Augen, der kleine
Mund!). Am deutlichsten weist aber die Gestaltung der Gewänder
auf unserer Scheibe auf den Meister von Meßkirch. Der seltsam
verunklärte, manieristische Faltenwurf der Gewänder der Heiligen
auf dem Scheibenriß der Wiener Albertina (Katalog N r . E l 5 )
beispielsweise findet sich sehr ähnlich wieder in den Gewändern
des Jesusknaben und besonders der beiden außen sitzenden Schriftgelehrten unserer Scheibe.
\ gl. Anm.5!
1
Diese Information entnehme ich wiederum dem Katalog (S. 273).
Abb. 2 (Berlin)
J O H A N N ADAM KRAUS
Was bedeutet Simmendinger?
D i e F a m i l i e n S i m m e n d i n g e r im Killertal sind w e i t h i n bek a n n t . A b e r n u r w e n i g e wissen, w o h e r ihr N a m e k o m m t .
M a n k e n n t keine Ö r t l i c h k e i t , die so ähnlich heißt. D a fiel m i r
V o r j a h r e n eine u r k u n d l i c h e Stelle des J a h r e s 1740 auf, in d e r
ein O r t S i m m a t i n g e n gleichgesetzt w u r d e mit d e m D o r f
( O b e r - ) S u l m e n t i n g e n im Kreis B i b e r a c h a. d. R i ß , das tatsächlich a u c h als S i m m a t i n g e n - S i m m e n t i n g e n u. ähnlich v o r k o m m t u n d in d e r U m g e g e n d n o c h h e u t e so g e n a n n t w i r d .
(Vgl. A l b e r t i s w ü r t t b g . W a p p e n b u c h , B d . II, S. 789.) D e r m i r
b e f r e u n d e t e H e r r R o l a n d S i m m e n d i n g e r des M a t t h ä u s
(Jg. 1948) w o l l t e letzteres n i c h t glauben, setzte sich ins A u t o
u n d e r k u n d i g t e sich an O r t u n d Stelle u n d e r f u h r : S u l m e t i n gen w i r d in d e r U m g e g e n d n o c h S i m m a d i n g a g e n a n n t !
Z w e i f e l l o s geht diese Familie auf die g e n a n n t e Siedlung
z u r ü c k , die u m s J a h r 900 als » S u n e m u o t i n g « erwiesen ist. Als
u m 1717 ein S i m m e n d i n g e r aus d e m E n t l e b u c h (Schweiz) ins
Killertal e i n z o g , m e i n t e n w i r H e u t i g e n , er sei der S t a m m v a t e r
d e r F a m i l i e gewesen. I n z w i s c h e n hat j e d o c h d e r g e n a n n t e
F o r s c h e r R o l a n d in d e n K i r c h e n b ü c h e r n z u H a u s e n i. Kill,
d e n S t a m m bis z u e i n e m Veit S i m m e n d i n g e r des J a h r e s 1609
daselbst festgestellt.
S i m m e n d i n g e r gab es, w i e sich herausstellte, s c h o n im
1 6 . J a h r h u n d e r t im B e z i r k N e u f f e n - N ü r t i n g e n - W e i l h e i m .
29
Das verwundert uns nicht, wenn wir erfahren, daß schon ums
Jahr 1100 ein Sproß des einst berühmten Grafengeschlechts
von Sulmetingen-Simmetingen auch Herr auf Neuffen war.
Inzwischen können wir darüber nachgrübeln, was die Vorfahren um 400/500 n. Chr. gedacht haben, als sie einem Buben
den Namen »Sunemuot« gaben, also eine Verbindung von
»Sonne und Mut oder Gemüt«. Auf alle Fälle sind die alten
Sulmetinger die Nachkommen des Sunemuot gewesen. O b
der kleine Erdenbürger wohl »ein sonniges Gemüt« gewünscht bekommen hatte?
J O H A N N A D A M KRAUS
Das Namenrätsel »Hipp«
Im Gegensatz zu Familiennamen, die eine körperliche oder
geistige Eigenschaft oder die Herkunft bezeichnen, kommt
man beim Namen Hipp ohne geschichtliche Forschungen zur
Deutung nicht aus.
Da hat sich Rudolf Kapff in seinem Büchlein »Schwäbische
Geschlechtsnamen« (1927) sicher geirrt, wenn er sozusagen
aus dem Handgelenk auf ein in Stuttgart angeblich vorkommendes Kleidungsstück Faltenrock als »Hipp« tippte. Andere folgten dem Irrweg, die an die seit Luther bekannte Hippe
oder Sense als Zeichen des Todes dachten, wieder andere an
den römischen Heiligen Hippolyth erinnerten. Nachweisbar
im Jahre 1347 lebte in Erpfingen bei Melchingen (Mitt. Hohz.
8,2) ein Heinz Hipp, dessen Hyppenhube noch 1357 vorkommt (ebda 32,75). In Binzwangen nennt das Heiligkreuztaler Urkundenbuch zu 1370 einen Bauern Hippe Hans (U 1,
472), und in Bickelspergs zollerischem Lagerbuch findet sich
1435 in Mössingen mehrfach eine Hypp Elli (= Elisabeth).
Richtungweisend zeigt eine Burladinger Urkunde vom
Jahr 1446 einen Hipp als Vor- bzw. Taufnamen in Person des
Hipp Fulhaber (Hz. Heimat 1957/29). Hipp ist zweifellos die
Kurzform eines in Stettener Klosterurkunden (Nr. 87 und
102) in den Jahren 1332/36 genannten Bürgers Hiltbold, für
den dann 1558 ein Michael Hipp vorkommt. Das erwähnte
Kloster Heiligkreuztal hatte um 1277 einen Amtmann Hilti-
HELMUT HALLER
Junginger Heimatmuseum
Im vergangenen Sommer, rechtzeitig vor der Urlaubszeit,
konnte die Gemeinde Jungingen ihr erweitertes Heimatmuseum in einem bemerkenswerten Festakt eröffnen.
Aus den Vorarbeiten zur 900-Jahr-Feier 1976 entwickelte
sich eine »Arbeitsgemeinschaft Heimatbuch«, die sich heute
»Arbeitsgemeinschaft Heimatmuseum« nennt und sich zur
Aufgabe stellt, über die Einrichtung und Erhaltung des
Heimatmuseums hinaus Heimat- und Ortsgeschichtsforschung auf allen Gebieten zu betreiben.
Bereits 1981 konnte zum ersten Mal ein Heimatmuseum der
Öffentlichkeit vorgestellt werden, nachdem die Gemeinde
einige Räume im Dachgeschoß des Schulhauses zur Verfügung gestellt hatte. Doch bald waren die räumlichen Möglichkeiten erschöpft, der Sammeleifer der Mitarbeiter zeigte
Erfolge, und so drängte man auf eine Erweiterung auf das
ganze Dachgeschoß. Nach jahrelanger Vorbereitung, in der
das gute Dutzend regelmäßiger Mitarbeiter, zu denen auch
Dr. Casimir Bumiller, Freiburg, zählt, viel Geistes- und
Handarbeit einbrachten, konnte nun der Allgemeinheit eine
Ausstellung geboten werden, die in Art der Aufbereitung der
Historie, der dörflichen Lebensformen, der handwerklichen
Entwicklung zum Industriebetrieb als überaus gelungen
bezeichnet werden darf. Bis heute hat das Heimatmuseum
Jungingen von namhaften Besuchern viel Anerkennung erfahren.
In sieben Räumen präsentieren sich die Exponate unter den
verschiedensten Themen. Im Eingangsraum erwartet den
30
bolt (I, 83), der nach Wasserziehers Forschungen mühelos zu
Hippold wurde.
Die Ringinger Hipp gehen zurück auf einen 1686 aus Salmendingen auf den Kipfenhof im »Weissengässle« geheirateten
Kaspar Hipp, der zweifellos einen Nachkommen des Hans
H y p p (in der Salmendinger Türkensteuerliste) von 1542
darstellt (Zollerheimat 1938,91). Ein schlagender Beweis für
Deutung des Namens Hipp liegt im Dorfnamen Hippetsweiler bei Sigmaringen, der im Jahre 1209 als »Hiltiboldswilaer«
überliefert ist (Kunstdenkmälerwerk 1948, 153). Wenn dagegen Hans Behlow im »Deutschen Namenlexikon« (1981,241)
das mittelhochdeutsche Wort »hiepe« = Waffel und davon
den Beruf Waffelbäcker beizieht, so müßten erst urkundliche
Beweise geboten werden. Edmund Nied kennt ums Jahr 1000
einen Grafen Hiltibald in der Baar und um 1100 einen Mann
Hiltibold im Dorfe Klengen (Schriften Baar 1937,10). Daß
sich der obige Hiltibald, bzw. -bold leicht zu Hipp abschleifen konnte, liegt auf der Hand.
Was bezeichnet nun, der ungekürzte Name Hiltibold? Hilt
oder Hild bedeutet altdeutsch »Kampf«, Bold oder Bald aber
»kühn« oder »stark«. Man vergleiche Burg »Baldenstein« an
der Fehla (b. Gammertingen): Hiltibold der »Kampfesstarke« oder »starker« Kämpfer«. Wer hat dies vermuten
können?
Besucher die Geschichte des Dorfes; Alemannensiedlung, das
Rittergeschlecht derer »von Jungingen«, die zwei Hochmeister des Deutschritterordens aus dem Junginger Ortsadel, die
Pfarrei Jungingen, Junginger als zollerische Untertanen,
Hexenwesen in Jungingen sind hier dargestellte Schwerpunkte. Im großen Bühnenraum werden, liebevoll zusammengestellt, die Utensilien des täglichen Lebens in Haus- und
Landwirtschaft gezeigt, unterteilt in einzelne Sachgebiete.
Hier sind es oftmals Details, die den Besucher entzücken. Im
nächsten Raum ist alles über die Textilindustrie dargestellt.
Ein Teil davon ist dem Junginger Hausierhandel gewidmet.
Als Einmaligkeit präsentiert sich eine voll eingerichtete Peitschenmacherwerkstatt. Vom Rohling bis zur fertig umsponnenen Paradepeitsche kann die Herstellung verfolgt werden.
Unter den Handwerksbetrieben des Killertales stellt die
Peitschenmacherei ein besonderes Charakteristikum dar. In
weiteren Räumen ist eine Schreinerwerkstatt ebenso aufgebaut wie eine Mechanikerwerkstatt. Alles wie vor 60 Jahren,
mit altem Handwerkszeug und handbetriebenen Maschinen.
Ein Glanzstück im Junginger Heimatmuseum aber ist der
sogenannte Technikraum. Hier wird die Entwicklung der
Junginger Feinmechanik dargestellt, die den Namen des
Dorfes in alle Welt hinausgetragen hat. In vielen Einzelstükken ist der Bau der Waage von den Anfängen bis zur heutigen
Ausführung ebenso aufgebaut wie die Entwicklung des Blutdruckmeßgerätes. Auch finden die Produkte der anderen
metallverarbeitenden Betriebe ihre Berücksichtigung.
Dies alles erwartet den Besucher, der die vielen Eindrücke
und Informationen oft nicht auf das erste Mal verarbeiten
kann. Doch stehen immer Sachkundige zu vertiefender
Erklärung bereit.
Heimatmuseum Jungingen,
Peit- k
schenmacherhandwerk:
Schneidestuhl, an der Wand verschiedene Peitschen, Ohrenkappen für Pferde.
Foto: H. Haller
Trägt sich nun der Besucher am Ende des Rundganges ins
ausliegende Gästebuch ein, erwarten ihn weitere Angebote.
Neben dem Heimatbuch Jungingen, herausgegeben anl. der
900-Jahr-Feier 1976, kann er hier zwei Hefte mit heimatgeschichtlichen Beiträgen erwerben. Sie werden in unregelmäßigen Abständen von der Arbeitsgemeinschaft herausgegeben. Viel Lob erhielt das jüngste Heft, das u.a. einen Beitrag
zum Junginger Dialekt enthält.
Es tut sich auch weiterhin vieles in den Reihen der A G
Heimatmuseum. Der Besucher spürt das, ahnt um die Liebe
zur Heimat, um das Bemühen um die Sache, das hinter allem
steckt und honoriert es.
Geöffnet ist das Heimatmuseum Jungingen an jedem 2. Samstag im Monat von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Sonderführungen
können aber immer nach vorheriger Anmeldung auf dem
Rathaus vereinbart werden.
Stetten u. H.: Von Wall und Graben auf dem Kobel
Vor einiger Zeit wurde von Architekt Schäfer, Stetten u. H.,
auf eine Befestigung, bestehend aus Wall und Graben, auf
dem Berg Kobel bei Stetten u. H . hingewiesen. In der Forstbetriebskarte der Gegend finden sich Einträge, die von
römischen Mauerresten auf dem Kamm dieses Berges
berichten.
Römische Goldmünze in der Kirche von Killer
Wie erst vor kurzem bekannt wurde, fand man bei den
erdbebenbedingten Bauarbeiten des Jahres 1979 in der Kirche
in Killer eine Goldmünze aus römischer Zeit. Hierbei handelt
es sich um einen Auräus mit dem Kopfprofil Neros und der
Umschrift » N E R O AVGVSTVS CAESAR«! Die Rückseite
zeigt ein stark abgegriffenes Bildnis einer auf einem Thron
sitzenden Göttergestalt? Der Fundort lag hart an der Innenseite der Nordmauer, etwa in Höhe des heutigen Beichtstuhls. Leider wurde der Innenboden nur so weit entfernt,
daß Platz für die Fundamentarbeiten für die Mauern vorhanden war, deshalb ist nicht auszuschließen, daß weiter innen
unter dem Boden noch weitere Münzen vorhanden sind.
Offensichtlich befand sich die Münze direkt unter dem
Fußboden, erstaunlich daher, daß sie in den 60er Jahren, als
der heutige Boden eingebaut wurde, nicht bemerkt wurde.
Nach den damals gefundenen Fundamenten muß der Ort, an
dem die Münze verloren oder vergraben wurde, außerhalb
der früheren Kirchenschiffe gelegen haben, denn bekanntlich
hat ja erst Großbaier im Jahr 1778 die Kirche nach Norden
verbreitert. Es bleibt zu hoffen, daß künftige Zeiten das
notwendige Interesse an heimatgeschichtlichen Themen mitbringen, um im Falle einer Erneuerung des Fußbodens den
Bauuntergrund unserer Kirche gründlich zu untersuchen!
Dem Denkmalamt Tübingen wurden Fotographien von dem
Fundobjekt übergeben, eine Expertise ist von dort leider
noch nicht eingegangen.
Roland Simmendinger
Dies bewegte Herrn Rolf Burkhart, Gammertingen, und
mich, die beschriebenen Örtlichkeiten in Augenschein zu
nehmen. Hierbei ließ sich ein Graben-Wallsystem finden,
welches einem Bergkamm in westlicher Richtung vorgelagert
ist, seine Gesamtlänge liegt bei etwa 40 m, der Graben weist
bei einer Breite von etwa 1-1,5 m eine Tiefe von 0,5-1 m auf,
der dahinterliegende Wall ist etwa 1 m hoch und noch
erstaunlich gut erhalten. Am südlichen Ende des GrabenWallsystems führt ein Weg in die Anlage, der hangwärts mit
Gesteinsbrocken unterbaut ist. Die auf dem höchsten Punkt
des in Ost-West-Richtung verlaufenden Grates vermuteten
Mauerreste erwiesen sich nach einer Expertenmeinung (Ch.
Bizer, Deutscher Burgenverein, Oberlenningen) als natürliches Gestein.
Auf die Frage nach dem Alter der Anlage wollte derselbe
Fachmann einen mittelalterlichen, römischen oder gar vorgeschichtlichen Ursprung ausschließen! Auf Grund der relativen Steilheit der Wall- oder Grabenwände vermutet er ein
wesentlich jüngeres Baudatum, am ehesten deute alle auf ein
befestigtes, wenige Tage oder eine Woche dauerndes Biwak
einer kleineren Militär-Einheit (vielleicht des Dreißigjährigen
Krieges) hin.
Roland Simmendinger
31
Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen
M 3828 F
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.
Buchbesprechung
¡»Neue Musik< in Donaueschingen, Baden-Baden,
Berlin,
Pfullingen, Mannheim 1921-1950«. 204 Seiten, 45 Fotos,
umfangreiches Personen- und Sachregister (940). ISBN-Nr.
3-89264-051-3. Subskriptionspreis 50 DM (incl. Versand)
beim Bezug über Edition Zintgraf D-7271 Egenhausen.
Aus dem Nachlaß des Komponisten Hugo Herrmann
(1896-1967), durch Recherchen bei Institutionen und noch
indirekt beteiligt gewesenen Personen liegt jetzt erstmalig die
lückenlose dokumentarische Erfassung einer wichtigen Epoche für die Musikentwicklung in den letzten 70 Jahren vor.
Ausgangspunkt war die Gründung »Gesellschaft der Musikfreunde Donaueschingen« und eines symphonischen Orchesters im Jahre 1913 unter Leitung von Heinrich Burkard. Auf
Anregung von Willy und Walter Rehberg und des Fürstenhauses wurde 1920 von Burkard, Joseph Haas und Eduard
Erdmann eine »Plattform für junge musikalische Talente«
geschaffen. Zum »Ehrenausschuß« gehörten Busoni,
S. v. Hausegger, Nikisch, Pauer, Pfitzner, Schreker und
Richard Strauss. Burkard (später Rundfunkredakteur in
Berlin und Stuttgart) darf man als den Entdecker von Paul
Hindemith bezeichnen.
Das 1. Kammermusikfest fand am 31. Juli/1. August 1921
statt mit Werken von Haba, Grosz, Krenek, Philipp, Horwitz, Willner, Jarnach, R. Peters, Berg und Hindemith. Was
sich daraus entwickelte, bedarf hier keiner näheren Erläuterung. Wenig bekannt sind aber die Gründe zur Verlagerung
(mit Programmausweitung auf Musiktheater, Film- und
Rundfunkmusik) 1927 nach Baden-Baden, 1930 nach Berlin.
1934 begann in Donaueschingen ein neuer Start unter Hugo
Herrmann (1938 von Joseph Keilberth als »Oberrheinische
Musiktage« fortgesetzt) und wiederum 1946. Ab 1950 übernahm der SWF unter Heinrich Strobel die Regie.
Die Kapitel »Kammermusik in den Pfullinger Hallen«
(1931-1933) und »Neue Chormusik Mannheim« (ab 1931)
samt einem Nachtrag zum »Musikstudio der St. Bonifatiuskirche Mannheim« (seit 1973 unter der Regie von Wolfgang
Ludewig) sind unmittelbar in die »Donaueschinger Idee«
eingebunden, durch die ja auch eine Reform der Chor- und
Blasmusik ausgelöst wurde.
Eingeblendet sind »Zeitspiegelungen« über politische Strömungen und Entwicklungen anhand von Pressestimmen,
Briefzitaten und persönlichen Reflektionen.
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
Die Autoren dieser
Die Dokumentation soll eine Grundlage zum weiteren Quellenstudium bilden, insbesondere für Musikstudenten,
Dozenten und Musikologen. Sie ist lediglich ein Auszug aus
dem gesammelten Archivmaterial des Verfassers, in daß ad
libitum Einsicht genommen werden kann. Korrekturen und
kritische Anmerkungen sind erwünscht. Es ist beabsichtigt,
diese in einem Nachtrag zu erfassen. Mitglieder des Hohenzollerischen Geschichtsvereins erhalten die Broschüre zum
Sonderangebot von 40 DM.
Thaddäus Trolls schwäbische Schimpfwörterei.
Herausgegeben von Eleonore Lindenberg mit 27 Linolschnitten von Axel
Hertenstein. Silberburg-Verlag Stuttgart.
DM16.80.
365 schwäbische Schimpfnamen aus dem schwäbischen
Schimpfkalender von Thaddäus Troll. Jedes Wort ist seiner
Herkunft und Bedeutung nach humorvoll erklärt.
Richard Meinel, Gesammelte Grüße.
Baden-Württembergische Sehenswürdigkeiten auf Briefmarken und alten Ansichtskarten. Silberburg-Verlag Stuttgart.
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In dem Buch werden 79 deutsche Briefmarken gezeigt, auf
denen Sehenswürdigkeiten aus Baden-Württemberg dargestellt sind. Zu jedem Motiv wird ein Gegenstück gezeigt, das
sich auf einer alten Ansichtskarte befindet. Mit Texten wird
aus der Geschichte des Bauwerkes oder der Stadt berichtet.
Technische Angaben sind für Sammler gedacht. Alle Abbildungen sind farbig. Eine nette, besinnliche Lektüre.
Schallplatte: Musik am Fürstenhof und Stift HohenzollernHechingen. Chor und Orgelmusik u. a. von Leonhard Lechner, Jakob und Caspar Hassler, Ferdinand di Lasso. Vocalensemble Hochwang, M. Grüber, Orgel. Motette-Verlag Wiesbaden, Stereo M 50170.
Den Ausführenden darf man hohe Empfindsamkeit für die
Feinheiten der altklassischen Polyphonie bescheinigen. Von
besonderem Reiz ist auch das Spiel auf der mitteltönig
gestimmten Denkmalsorgel von St. Luzen (Musica sacra).
Es ist erfreulich, daß wir mit diesem repräsentativen Querschnitt endlich ein klingendes Bild der reichen musikalischen
Vergangenheit Hechingens besitzen. Eine Platte mit Kompositionen, die sonst nicht in Tonaufnahmen vorliegen. Die
Interpretationen sind sauber und klangschön. (Gesellschaft
für bayerische Musikgeschichte) Adresse: Michael Grüber,
Hohenbergstraße 3, 7450 Hechingen, Telefon 07471/15577.
Nummer:
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern
und der angrenzenden Landesteile mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär
gehaltene Beiträge.
Bezugspreis: 8.00 D M jährlich.
Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:
803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen
(BLZ 653 51050).
Druck:
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH 8c Co.,
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32
Helmut Haller, Rektor i.R.
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Otto Werner, Rektor
Friedrich-List-Straße 55, 7450 Hechingen
Schriftleitung:
Dr. med. Herbert Burkarth,
7487 Gammertingen Telefon 07574/4211
Die mit Namen versehenen Artikel geben die
persönliche Meinung der Verfasser wieder;
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.
Manuskripte und Besprechungsexemplare
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.
Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiter zu empfehlen.
M 3828 F
HOHENZOLLERISCHE
HEIMÄT
Stetten bei Hechingen, ehemalige Klosterkirche, Chor mit Resten des Kreuzganges
Herausgegeben v o m
Hohenzollerischen Geschichtsverein
37. J a h r g a n g
N r . 3 / S e p t e m b e r 1987
Foto: R. Burkarth
KARL MORS
Die gotische Klosterkirche in Stetten
Diese Kirche ist der Rest eines altehrwürdigen »Monasterium
gratiä vallis«, das heißt des Klosters Stetten im Gnadental.
Der Name Gnadental ist für Stetten in der ersten Urkunde
nicht enthalten. In diesem Schutzbrief bestäigt Papst Alexander IV. 1261 den in Stetten ansässigen Augustinerinnen die
Privilegien, die sie von früheren Päpsten hatten. Privilegien
bedeutet: Befreiung von Abgaben und Unantastbarkeit ihrer
Besitzungen. Neuerdings wird die Echtheit dieses Schutzbriefes angezweifelt.
Eine gesicherte Urkunde spricht dann 1264 von einer
Schenkung des Tübinger Pfalzgrafen Hugo an die
Ordensfrauen des Klosters Stetin. Es war das Jahr, als
Thomas von Aquin das »Tantum ergo« für Fronleichnam
schuf. Das Erbauungsjahr der Kirche ist um das Jahr 1280
anzusetzen, während die Johanneskapelle 50 Jahre älter ist.
Um dies Zeit ist auch die Pfarrei Hechingen und ein Schultheiß dort belegt.
Der Name Gnadental geht auf eine Sage zurück. Danach soll
der Gründer, der Zollergraf Friedrich der Erlauchte, seinen
Schwager, einen Graf von Dillingen, im Zweikampf im Tal
hinter Boll erstochen haben. Des Dillinger letzte Worte sollen
gewesen sein: »Schäme Degen!« Dies sei der Anlaß für die
Bezeichnung Schamental geworden. Friedrich soll dann in
seiner Gewissensnot zum Papst einen Priester mit der Bitte
gesandt haben, ihm eine Buße aufzuerlegen. Darüber hat
Ludwig Egler folgende Verse geschrieben:
»Will der Graf Verzeihung finden,
will er sich mit Gott versühnen,
muß er eines Totenschädels
stets als Becher sich bedienen.«
»Doch sei dieser schweren Buße
ganz der Zollergraf enthoben,
wird ein gottgeheiligt Kloster
zu erbauen er geloben.«
Der Klosterbeginn muß in einem größeren Zusammenhang
gesehen werden, denn ein Grundherr von überörtlicher
Bedeutung benötigte damals eine Burg, einen Markt, eine
Erbgrablege für seine Familie und eine Unterbringungsstätte
für die Töchter seines Hauses. Schon 1095 waren die Zollern
bei der Gründung von Kloster Alpirsbach beteiligt. Wegen
der zu großen Entfernung dorthin war aber dieses Kloster als
Grablege nicht geeignet.
Friedrich der Erlauchte stand bei seinen Zeitgenossen in
hohem Ansehen, denn seine Grafschaft umfaßte damals auch
die Herrschaften Balingen, Mühlheim an der Donau und
Orte im Steinlachtal. Außerdem hatte seine Gemahlin, die
Gräfin Uodilhild von Dillingen großen Besitz mitgebracht,
so daß sie aus diesem einen Teil an das Kloster Zwiefalten
verschenken konnte. Ihre Ruhestätte erhielten die Zollergrafen an der Nordostseite des Chorhauptes bis 1488, als Graf
Jos Niklas in Hechingen die Stiftkirche erbauen ließ und die
Erbgrablege dorthin verlegte.
1267 erhob dann Friedrich das Kloster zum Hauskloster und
unterstellte es dem Dominikanerorden. Mitsiegler dieser
Stiftungsurkunde war der letzte Hohenstaufe Konradin. Es
war kurz vor dem Aufbruch Konradins von Ravensburg nach
Italien, wo er den Tod finden sollte. Erste Priorin in diesem
Kloster war die Zollergräfin Anna. 1278 kam das Kloster in
die Obhut des Dominikanerprovinzials in Rottweil.
Dominikus, geboren 1170, aus einem alten spanischen
Geschlecht, hatte einige Zeit vor der Klostergründung
gewirkt. Er hatte die Irrlehre der Albigenser miterlebt und
34
Führung mit Betrachtungen zur Gotik und zur Klostergeschichte
erkannt, daß nur durch Entsagung und Predigt die Reinheit
der Glaubenslehre wiederhergestellt werden könne. Deshalb
gründete er den Bettel- und Predigerorden der Dominikaner,
und zwar auf der Grundlage der Augustinerregel. Im Bettelorden gelten die Grundregeln der Armut, der Enthaltsamkeit
und des Gehorsams. Die Dominikaner erwarben sich unvergängliche Verdienste auf dem Gebiet der philosophischtheologischen Wissenschaften. Namen wie Albert der Große,
der scholastische Gelehrte, dessen Schüler Thomas von
Aquin, der große Kirchenlehrer, Heinrich Suso von Überlingen u.v.a., später besonders der gewaltige Bußprediger
Savonarola zeugen dafür. In der Bedeutung zurücktretend
waren die Dominikanerinnen, die erstmals 1205 auftraten. Ihr
Hauptanliegen bestand im Gebet und in der frommen
Betrachtung. Sie widmeten sich aber auch der Jugenderziehung, der körperlichen Arbeit und stellten Paramente her.
Ihren Klöstern stand eine Priorin vor. Viele Frauen aus dem
Adel nahmen hier ihren Schleier.
Bei einer Grabung 1831 durch Graf Stillfried, dem Förderer
des Baues der jetzigen Zollerburg, wurden vor dem Hochaltar Gebeine gefunden, die den Stiftern zugeordnet wurden.
Jedoch fand man damals keine Grabsteine.
1208 kam das Kloster dann durch den Schacher des Reichdeputationshauptschlusses in den Besitz der Hechinger Fürsten
und wurde aufgehoben. Die verbliebenen Dominikanerinnen
erhielten das Absterberecht, das heißt, sie konnten im Kloster
bis zu ihrem Tod verbleiben, wie auch die Nonnen von
Rangendingen.
Die letzte Klosterfrau, Gundisalve Utz, hielt noch 66 Jahre
danach in den Klostermauern aus und starb 91 jährig erst im
Jahre 1867. Ihren Lebensunterhalt fristete sie hauptsächlich
mit der Herstellung von Kräuterschnäpsen aus dem Klostergarten und der Anfertigung von Seidenstickereien. Ihr Grabstein, früher auf Heiligkreuz neben denen von Sprißler und
Blumenstetter, wurde jüngst hierhergebracht, an die Nordseite der Kirche.
Das Außere der Kirche
Die Kirche, 60 m lang, bildete den Nordflügel der ehemals
vierflügeligen Klosteranlage. Im vorderen Teil sehen wir weit
vorgezogene Strebepfeiler mit Gurtgesimsen auf halber Höhe
und kleinen Giebeln beim Übergang zur Schräge. Im Westteil
fehlen die Außenstreben, denn innen ist die Kirche durch
eingezogene waagerechte Decken hinreichend gesichert. Dieser rücwärtige Teil ohne die Strebepfeiler wurde erst 1738
gebaut. Von der Nordseite führen zwei Eingänge ins Innere:
der vordere für die Kirche, der hintere für das ehemalige
Kloster. Über dem Eingang vorne stand ursprünglich eine
Madonna mit Krone, die heute im Innern angebracht ist, jetzt
ohne Krone, denn diese wurde der spätgotischen Madonna
stilwidrig erst im Barock aufgesetzt. Über der hinteren Pforte
sehen wir eine kleine Statue der hl. Ottilie, einer Dominikanerin, die die Patronin der Augenkranken ist. Sie war im Elsaß
blind geboren, wurde von ihrem Vater verstoßen und hat
nach der Taufe das Augenlicht erhalten.
Auf dem Westteil des Daches sitzt ein schlichter Dachreiter
mit Spitzhelm, in diesem zwei Glocken, 600 Jahre alt. Die
Bettelorden durften sich ja den Luxus von hohen Kirchtürmen nicht leisten. Auch besaß das Kloster keine Kirchenuhr.
Man orientierte sich später an dem Morgenläuten, das der
Lehrer mit dem Glöcklein auf dem Rathaus besorgte.
Vorne rechts schließt sich an die Kirche die Johanneskapelle
mit der Sakristei an, vorne links die Gruft für die ehemalige
Erbgrablege.
Das Innere
Bei der Betrachtung des Inneren möchte ich einige Erläuterungen zur Gotik vorausschicken. Gotisch heißt im Sinne der
Italiener »barbarisch«, denn in Italien sah man diese Kunstrichtung als von den Goten, den Barbaren, herstammend an.
Nachdem sich mit der Stauferzeit ein Wandel in Europa
vollzogen und die geistige Mitte sich nach Norden verlegt
hatte, entstand jenseits der Alpen die gotische Architektur,
die als erste Entfaltung christlich-abendländischer Kultur
gelten kann, und zwar zuerst in Frankreich. Gegenüber der
Romanik, die mit Baukunst und Malerei beherrschend war
- denken wir an die großen Freskenzyklen ottonischer
Malerei auf der Reichenau - meldet nunmehr die Architektur
mit steinernen Zeugen ersten Anspruch an. Die Plastik bleibt
zunächst noch im Hintergrund und drängt in Deutschland
erst später nach vorne.
Genährt wird diese Stilrichtung von den Bettelorden, den
Franziskanern, den Zisterziensern und den Dominikanern,
die alle eine Hinwendung zur Gottessehnsucht in Gang
setzen. Urzellen dieser Kunstrichtung bilden sich im 12. Jahrhundert in Frankreich mit Kathedralen von einmaliger Großartigkeit: in St.Denis (1140), Chartres, Reims, Amiens...
Dort erlebt man eindrucksvolle Bauten mit mehrschiffigem
Langhaus, teils mit Querschiff, in einer vollendeten konstruktiven Durchgliederung und in einer Uberwölbung der
bis dahin meist ebenen Kirchendecke altchristlicher Basiliken.
Der Geist dieser gotischen Kathedralen ist aus dem Verlangen
einer Gottanschauung zu verstehen. Da dies real aber nicht
möglich ist, soll dem Hergott auf Erden ein Himmelssaal
errichtet werden, der sich nach oben ausweitet und dadurch
den Eindruck von etwas Uberirdischem erweckt. Es war die
glaubensbrünstige Zeit, ab welcher der Meßpriester die
Hostie hochhielt und die ersten Fronleichnamsprozessionen
gehalten wurden. Diese gehen übrigens auf die Bestrebungen
des Dominikaners Thomas von Aquin zurück. Der Glaube
verinnerlichte sich in der Mystik mit ihrer asketischen
Grundhaltung, durch die man Gott unmittelbar zu erleben
versuchte. Solche kontemplative Grundhaltungen findet man
ja bei den meisten Religionen. Der Zug zum Metaphysischen
sollte nunmehr auch die Kunst durchdringen; den Primat
bekam die Baukunst, und zwar so stark, daß anfänglich die
Skulpturen nur modifizierende Glieder der Architektur wurden. Gleichsam Atlanten oder Karyatiden stützen die Skulpturen die Architrave, oder sie werden als Freifiguren säulenartig dargestellt. Angedeutet hat auch der hl. Georg am
Sakramentshäuschen die Rolle einer Stützfigur.
Der gotische Stil ist durch hochstrebende Kraftlinien gekennzeichnet. In jeder Linie soll das himmelwärts strebende
Drängen empfunden werden. Zu höchster Entfaltung kommt
das Uberirdische dann, wenn leuchtende Farben der Fenster
den Anschein von Jenseitigem erwecken, sobald sie den meist
gedämpften Raum durchziehen.
Mit dem Streben nach oben sind nun die Grundelemente
gotischer Gestaltung gegeben: Strebepfeiler, Säulenbündel,
Spitzbogen, Rippengewölbe und leuchtende Glasfenster. Sie
bestimmen als technische Elemente sowohl die Raumproportionen als auch den ästhetischen Eindruck. Die Vielzahl von
senkrechten Linien läßt schließlich die Flächen zurücktreten,
manchmal ganz verschwinden, hier in Stetten noch nicht.
Wenn man sich den Kölner Dom vorstellt, fragt man sich, wo
eigentlich die Außenwände geblieben sind. In der vorausgegangenen Romanik mit den blockhaften Grundelementen
und den ruhenden Massen war noch viel Fläche vorhanden, in
der Szenen des Heilsgeschehens zur Darstellung kommen
konnten. In der Gotik werden die Flächen, wo noch vorhanden, feingliedrig mit zahlreichen, in Stein gehauenen spitzbo-
gigen Blendarkaden oder ebensolchen Blendfriesen durchstrukturiert. Alles ist in Bewegung und doch in strenger
Ordnung. Die Künstler haben dies hier auch im Sakramentshäuschen deutlich gemacht. Dazu kommt die Feingliedrigkeit, die sich in den Wimpergen, in den Altargesprengen
steigert und die Türme durchsichtig werden läßt. Die Linien
der Pfeiler, der Rippengewölbe und der Verzierungen zaubern Kurvengebilde hervor, die Elemente sind und zugleich
Kraft ausdrücken.
Zum deutlicheren Erlebnis der verinnerlichenden Wirkung
eines hochgotischen Raumes versuche man einmal, sich in
Gedanken in einen der bekannten Dome oder eines der
besuchten Münster zu versenken: Man ist ja schon einmal in
Straßburg oder Köln, in Ulm oder Eßlingen gewesen oder ist
in der Marienkirche in Reutlingen zuhaus oder kennt den
schönen Hallenbau zum Heiligkreuz in Schwäbisch Gmünd
oder die Michaelskirche von Schwäbisch Hall oder das
fünfschiffige Überlinger Nikolaus-Münster. Zunächst empfindet man unendliche Ruhe, die zu besinnlichem Gespräch
mit Gott einlädt. Während in der Romanik ein rächender
Gott die menschliche Haltung bestimmte, ist nun das Bild des
Weltenlenkers ein gnadenspendender Gott, zu dem sich der
Mensch hingezogen fühlt. Daher allenthalben die zwingende
Bewegung nach oben. Der Hinweis auf die genannten Bauwerke macht außerdem klar, daß sich die Gotik hauptsächlich
nach Deutschland ausgebreitet hat.
Bemerkenswert ist, wie man zu den Spitzbogen gekommen
ist: Beim Halbrundbogen oder dem Tonnengewölbe der
Romanik ist über zwei Pfeilern oder Wänden nur ein Bogen
möglich und damit die Deckenhöhe festgelegt. Nimmt man
aber zwei Viertelbogen mit veränderbarem Radius, so daß die
Bogenteile ganz spitz oder auch weniger spitz zusammentreten können, so werden über zwei Wänden verschieden hohe
Gewölbe möglich, oder können bei verschiedener Schiffsbreite Gewölbe gleicher Höhe aufgeführt werden, wie es bei
mehrschiffigen Kirchen gelegentlich zu beobachten ist. Mit
den Spitzbögen wird eine kühne Höhenentfaltung mit
beachtlicher statischer Sicherheit möglich. Meist wird der
Seitendruck noch durch Strebepfeiler abgefangen, manchmal
auch durch freie Strebebögen, die sogenannten Schwibbogen,
die z.B. über ein Seitenschiff nach innen führen. Man
bedenke, daß Stetten die vielen Erdbeben vergangener Jahrhunderte heil überstanden hat. In die Füllmauern zwischen
den Strebungen können nur noch schlanke hohe Fenster
eingesetzt werden. Mit ihrem Maßwerk und den prächtigen
Glasgemälden machen sie ein wesentliches Stück der Gotik
aus.
Die Themen der Glasmalereien enthalten meist in vielen
Darstellungen Szenen aus der Heilsgeschichte, wobei der
künstlerische Wert in der Zusammenschau der Zyklen zu
sehen ist, wie bei einem Konzertstück, bei welchem sich das
einzelne Instrument dem Ganzen einordnet. Die ursprünglichen Glasfenster der Gotik hatten zwischen den Farben
konturierende Bleistäbe. Erst später trug man Schwarzlot
direkt auf die Farben auf und schuf so die Illusion einer
Tafelmalerei.
Leider sind die Stettener Glasfenster, die als die ältesten im
schwäbischen Raum und neben denen von Eßlingen zu den
wertvollsten zählen, nach der Säkularisation herausgebrochen und auf die Zollerburg verbracht worden, wobei sie eine
barbarische Zerstückelung erlitten haben. Wäre die Kirche
damals in Gemeinde- oder Ordensbesitz gewesen, so wäre
eine Entnahme und damit eine Verstümmelung unterblieben.
Nach der Zerstückelung kamen Teile in das Schloß Stolzenfels, wo Kronprinz Friedrich Wilhelm ebenfalls restaurieren
ließ; andere Teile kamen in das Hessische Landesmuseum
nach Darmstadt, wieder andere in das Kerner Museum nach
Weinheim, und schließlich sind ein paar Brocken in das
35
Der hl. Dominikus wird von Engeln gespeist. Um 1700
Schlößchen Lichtenstein gekommen; denn der Herzog von
Urach weilte als Schwager von Fürstin Eugenie viel am
Hechinger Fürstenhof. Möglicherweise hat auch die Aufstellung des barocken Hochaltars durch seine Verstellung der
Glasfenster deren Wegnahme begünstigt. Die Einglasierung
in die Michaelskapelle 1823 erfolgte beim Umbau der Reste
der Zollerburg durch den Kronprinzen in eine romantische
Ruine. Graf Stillfried, der geistige Bauherr der Zollerburg,
hat damals ein Scherbenstück, mit dem Bild des Stifters, wie
er das Kloster in Händen hält, dem Kronprinzen vermacht.
Während des letzten Krieges wurden die Fenster zum
Schutze vor Zerstörung ausgebaut und nach dem Krieg unter
Hinzunahme von Kopien aus den verstreuten Teilen wieder
eingesetzt. Das mittlere dreigliedrige Fenster enthält Szenen
aus dem alten und neuen Testament, das linke solche aus der
Passion, und das rechte Fenster ist ein Ornamentfenster.
Heute stellen sie auf dem Zoller eine kunstgeschichtliche
Attraktion dar. Die Maßwerkfüllungen des mittleren Chorfensters sind noch original.
Immerhin ist hier noch etwas Unverfälschtes aus der Zeit vor
700 Jahren vorhanden: die klaren Verhältnisse einer dominikanischen Predigerkirche mit dem schlichten frühgotischen
vierjochigen Chorraum und dem Kreuzgewölbe mit seinen
birnstabförmigen Rippen. Dessen Schlußsteine verweisen auf
einige Inhalte des Glaubens: der vordere Schlußstein auf
Christus, der nächste auf das Lamm Gottes, der weitere auf
seine segnende Hand und hinten ist der Kopf des Täufers zu
sehen, des Kirchenpatrons. Bedenken wir, daß der Anfang
der Kirche zugleich in die Gründungszeit des Straßburger
Münsters fällt. Warum aber dort eine unbändige Fülle von
Kraft und hier diese Schlichtheit? Der Grund hierfür braucht
eigentlich nicht erläutert zu werden; denn hier galten die
Bedürfnisse eines Bettelordens, der sich mit der Einschiffigkeit begnügte, um einen deutlichen Akzent für einen Predigerraum zu setzen. Außerdem hätten die kargen Finanzmittel
eines Zollergrafen gar nicht für Säulenbündel und Mehrschiffigkeit gereicht. Die angesprochenen Münster konnten sich
36
auf den Opferwillen von tausenden freier Bürger stützen.
Kurz: Die Stettener Kirche ist aus der Kargheit dominikanischer Bauweise zu begreifen, einer Mönchskunst, die gerade
die Zeit um 1200 und kurz danach bestimmte. Das Verbot
einer Bekrönung mit Türmen entsprach der asketischen
Forderung nach Weltentsagung. Auch paßt die Anonymität
des Baumeisters hier herein. Lediglich in den eingetieften
Fensterlaibungen entdeckt man einige Steinmetzzeichen.
Zur inneren
Ausstattung
Originales findet man hier im kostbaren Sakramentshäuschen, links vom Altar. Die nadeiförmig schlanke Steinmetzarbeit imponiert mit ihrer zarten Durchgliederung und kann
als edles Kunstwerk der Spätgotik angesprochen werden.
Man vermutet hinter ihm eine Reutlinger Schule aus dem
15. Jahrhundert. Auf dem gedrehten schlanken Schaft bauen
drei Stockwerke auf, jedes einzelne mit Wimpergen, das sind
die durchbrochenen Ziergiebel mit Maß- und Astwerk. Die
Stockwerke sind dreiseitig. Im unteren befindet sich die
Sakramentsnische mit dem hl. Georg als vorderem Pfeiler, im
nächsten Christophorus und Johannes der Täufer und im
dritten der hl. Sebastian, der zu den Pestheiligen zählt. Zur
Entstehungszeit dieses Sakramentshäuschens hatten ja Pestwellen gewütet. Auch die Hechinger Pfarrei besitzt eine
Sebastiansstatue, die wohl auf die Sebastiansbruderschaft
zurückgeht, welche sich der Pflege von Pestkranken verschrieben hatte.
In der Frühgotik waren die Figuren äußerst schlank und zart
gebildet, beinahe säulengleich. Die strenge lange Gewandung
reichte parallel gefaltet bis zum Boden, und der Kopf blieb
meist klein und rund, so daß die Figuren naiv-schüchtern
erscheinen. Hier sind die Statuen spätgotisch. Damals machte
sich die Gotik eine Gestaltungsfreudigkeit zu eigen. Es
entstanden Skulpturen mit stark diesseitiger Formensprache
und einem kraftvollen inneren Ausdruck, wie wir sie aus den
großartigen Schnitzaltären eines Veit Stoß aus Horb, eines
Tilman Riemenschneider aus Heiligenstadt oder eines Peter
Vischer aus Nürnberg kennen, alle mit einer faszinierenden
Ausdruckskraft. Die Einzelfiguren sind nicht mehr symmetrisch sondern S-förmig gebogen und bewegungsreich. Hier
bei Christopherus gibt der geöffnete Mantel den Körper frei
und ist das Gesicht ausdrucksstark. Ganz typisch sind die
geästelten Verschnörkelungen in den Wimpergen. Die Bewegung im ganzen wird dadurch verstärkt, daß die Figuren in
den einzelnen Stockwerken nicht genau übereinanderstehen,
da die Stockwerke gegeneinander verdreht sind. Noch eine
Besonderheit: In den Ziergiebeln entdeckt man den spätgotichen Kielbogen, der wie ein umgekehrter Schiffskiel aussieht
und die schlichte Form des Spitzbogens abwandelt. Uber dem
Geäst über der Sakramentsnische sieht man auch, wie dieser
Kielbogen entsteht: Bei zwei nebeneinanderstehenden Spitzbogen wird der mittlere Teil um 180 Grad nach oben
geklappt, so daß die Linie von zwei gefalteten Händen bei
gespreizten Ellbogen entsteht. Im Barock wird ja die Muschel
über einer Nische ähnlich als Stilisierung von zwei nebeneinander gehaltenen segnenden Händen gedeutet. Zuletzt wäre
noch auf den oberen Abschluß in Form einer Fiale mit
Krabben und krönender Kreuzblume hinzuweisen.
Gegenüber diesen gotischen Steinzeugen tritt der barocke
Hochaltar zurück; er ist aus späterer Zeit. Seine Mensa
stammt allerdings noch aus der Gründungzeit der Kirche (um
1280). Im Altarblatt erkennt man, wie die Muttergottes den
Rosenkranz an den heiligen Dominikus reicht, der ihn an die
vier Erdteile weitergibt, ein Gemälde des Augsburger Malers
Josef Hartmann. Die Legende schreibt Dominikus die Einführung des Rosenkranzgebetes zu. Ganz oben ein Gemälde
über Christus und die Ehebrecherin. Nach erzählender Uberlieferung soll früher hier ein Flügelaltar gestanden haben, der
sich bei bevorstehendem Tod eines Angehörigen des Zollergrafen geöffnet habe und die Leute in Angst versetzt haben
soll.
'
(Schluß folgt)
HERBERT RÄDLE
Die lateinische Inschrift auf dem Grabmal Albrecht Speths in Neufra
Pfarrer Manfred Hermann (früher Neufra, jetzt Ebringen)
hat in seinem kürzlich erschienenen Buch über die Kunst im
Landkreis Sigmaringen 1 auch das Epitaph des Ritters
Albrecht Speth zu Neufra aus dem Jahr 1608 berücksichtigt.
Er nennt den Grabstein, der sich im Chor der Neufraer
Pfarrkirche befindet, mit Recht »einen der schönsten Renaissance-Epitaphe des Landkreises« (S. 162).
1. Wer war Albrecht Speth ?
Bei H. Burkarth ist nachzulesen (S. 86-88), daß durch die
Erbteilung der Spethschen Herrschaft im Jahre 1599 Neufra
an einen der jüngeren Söhne Philipp Dietrichs, Albrecht Speth
von Zwiefalten (1574-1608) kam. Neufra war damals mit 646
Leibeigenen der größte Ort der Spethschen Herrschaft,
neben Gammertingen mit 621. Albrecht nahm am 29.Juli
1599 die Huldigung der Bevölkerung entgegen und ließ sich
alsbald in Neufra nieder. Er kaufte der Gemeinde 1601 unter
Schultheiß Hans Hänlin das Rathaus ab, quartierte dort den
Pfarrer ein und übernahm selbst dessen Pfarrhaus nahe der
Kirche. Dieses ließ er dann wahrscheinlich abreißen und in
einen kleinen Herrensitz umbauen. Das heutige »Schlößle«
stammt hingegen erst aus dem Jahr 1690 (Burkarth, S. 86).
Was für ein Mann dieser erste in Neufra residierende Ortsherr war, wissen wir nur umrißhaft. Wichtig in unserem
Zusammenhang ist, daß er 1603/04 daselbst eine neue Kirche 2
als Grablege für seine Familie baute, wo er als erster auch
beigesetzt wurde. Denn er starb bereits 1608 im Alter von 34
Jahren. Sein Grabmal (Abb.) zeigt ihn als jungen Mann mit
seiner hübschen Gattin Maria Anna von Rietheim.
Diese - sie hat sich als kinderlose Witwe wahrscheinlich
später wiedervermählt - stammte aus der Familie der Rietheimer (Sitz in Rietheim/Donaumoos), aus der besonders Veronika von Rietheim, 1521-1553 Äbtissin von Heiligkreuztal, eine große Bauherrin und energische Gegnerin der Reformation, bekannt ist 3 .
2. Die Inschrift
Die Inschrift erinnert in ihrer Ausdrucksweise (Topik) an
antike Vorbilder - wir befinden uns im Zeitalter von Renaissance und Humanismus! Dazu paßt auch die Erwähnung der
Parzen (in Vers 6), die, wie es heißt, »den Lebensfaden
kappen« 4 . Der scharfe inhaltliche Gegensatz Leben - Tod
findet seine formale Entsprechung in einer Reihe harter
Wortantithesen (risi - ploro; fui - non sum; v i x i - requiesco;
saltavi - dormio; edi - esca sum). Wie in vielen antiken
Grabgedichten spricht auch hier der Verstorbene den Vorbeigehenden an (Qui tu es, ego fui) und mahnt ihn, sich seiner
Sterblichkeit bewußt zu sein.
Auch der Versbau entspricht antikem Muster. Wie das antike
Grabepigramm ist unsere Inschrift in elegischen Distichen
gehalten. Die (daktylischen) Verse sind tadellos gebaut, auch
die üblichen metrischen Einschnitte (Zäsuren) sind beachtet.
Im jeweils zweiten Vers (Pentameter) weist der jeweils zweite
Halbvers (Hemiepes) die Reinform (ohne Spondeen) auf,
während der jeweils erste den Regeln der römischen Metrik
entsprechend variiert (teils Daktylen, teils Spondeen). Aus
metrischen Überlegungen ist daher in der dritten Zeile
»nunc« zu tilgen, auch wenn es vom Sinn her mit Recht
hineingesetzt erscheint. Der Text lautet dann (Betonungsakzente, die das metrisch korrekte Lesen der Verse erleichtern
sollen, sind vom Bearbeiter gesetzt):
Rísi ploro, fúi non súm, vixí requiésco,
sáltaví, cecini, / dórmio térra tenét.
Quí tu es nónne fui [nunc] pulvis fetidúmque cadáver?
Edi, séd mea núnc / vérmibus ésca caróest.
Gáudes lúgebís, rapit íncleméntia mortis,
iám scindént Parcáe / póllice fila leví.
Cérta diés non ést, multóest incértior hora,
iám tibi mórs adstát / mórs metuénda. Cavé!
Übersetzung:
Ich lachte - ich weine. Ich war - bin nicht mehr.
Ich lebte - ich ruhe. / Ich tanzte und sang. Jetzt schlaf im
Schoß ich der Erde. / Was du bist, bin ich gewesen: Staub jetzt
und stinkender Leichnam. / Einst aß ich wie Du, und nun ist
Speise mein Körper den Würmern. / Du kannst Dich noch
freun, doch Trauer und umbarmherziger Tod naht auch Dir.
/ Bald werden leichthin die Parzen 4 den Lebensfaden Dir
kappen. / Unbekannt ist der Tag, noch unbekannter die
Stunde. / Schon steht der Tod neben Dir, der schreckliche.
Nimm Dich in acht.
37
Grabdenkmal des Albrecht Speth
von Zwiefalten (1S74-1608) in
der Pfarrkirche Neufra.
Foto H. Burkarth.
An dieser Grabinschrift eines christlichen Ritters fällt meines
Erachtens auf, daß der Dichter Leben und Tod sozusagen rein
heidnisch sieht. Der Tod erscheint als der große, der schreckliche Feind des Menschen. Sein Werk ist Zerstörung, seine
Folge Zerfall. Mit keiner Silbe wird der Blick hinübergelenkt
in das Jenseits, wo nach christlicher Uberzeugung neues
Leben den Gläubigen erwartet. Einziges Motiv und Thema
bleibt die Schutzlosigkeit und Hinfälligkeit des Menschen
angesichts des Todes. In dieser Einseitigkeit der Sicht, die den
Dichter auf jeden Trostgedanken verzichten läßt, liegt aber,
so finde ich, gerade der herbe Reiz dieses lateinischen Gedichts.
jeden Fall annehmen. Sonst wäre sie ja auch wohl kaum auf
die Idee gekommen, ihrem Mann ein lateinisches Grabgedicht auf den Grabstein zu setzen! Wie dem auch sei - die
hohe handwerkliche Qualität des Gedichts, vor allem im
metrischen Bereich, spricht m. E. entschieden für einen
»Profi« als Verfasser, wenn dieser auch für uns anonym
bleiben muß.
Anmerkungen
1
2
3. Verfasser
3
Uber den Verfasser des Epigramms kann man, denke ich, nur
spekulieren. Weder der Ritter noch seine Frau kommen im
Grunde dafür in Frage. O b sie überhaupt Lateinkenntnisse
gehabt haben? Bei der Rietheimerin möchte ich dies - schon
in Anbetracht ihrer Verwandtschaft mit der geistig so regen
Äbtissin von Heiligkreuztal, Veronika von Rietheim - auf
38
4
M. Hermann, Kunst im Landkreis Sigmaringen: Plastik, Beuron
(Kunstverlag) 1986, S.162f.
Es handelt sich bei dieser in Renaissanceformen gehaltenen Kirche
mit Staffelgiebelturm an der Nordseite des Langhauses um die
Vorgängerin der jetzigen Neufraer Pfarrkirche, die 1860/61 erbaut
wurde (Hermann, S. 162).
Veronika wird auch die »Ander Stiffterin« von Heiligkreuztal
genannt - wegen ihrer Bautätigkeit. Vgl. U. Engelmann, Heiligkreuztal, Beuron (Kunstverlag) 21983, S. 36-44.
Die Parzen (griech. Moiren) sind die römischen Schicksalsgottheiten. Die eine, Klotho, spinnt den Lebensfaden, die zweite, Lachesis, teilt das Lebenslos zu und die dritte, Atropos, schneidet den
Lebensfaden ab.
ULRIKE K E R N
Der Sigmaringer Maler Johann Fidelis Wetz ( 1 7 4 1 - 1 8 2 0 )
Ein Zeitgenosse des bekannten Meinrad v. Au aus Sigmaringen war der Maler und Portraitist Johann Fidelis Wetz, der
ebenfalls aus Sigmaringen stammte und in Hohenzollern
vornehmlich wirkte. Wetz stand sehr lange im Schatten
v.Aus, der in Hohenzollern auf dem Gebiet der Malerei
unbestritten das Feld behauptete. Erst nach dem Tode v. Aus
stellten sich für Wetz größere Aufträge und damit Anerkennung in steigendem Umfange ein.
Geboren wurde Johann Fidelis Wez (er schrieb sich erst
später Wetz) am 19. September 1741 in Sigmaringen als Sohn
des Hirschwirtes Johann Georg Wez und der Agathe, geborene Filser. Einen kurzen Lebenslauf gibt der Maler von sich
als Selbstzeugnis auf der Rückseite eines Selbstbildnisses, das
sich heute in Privatbesitz befinden muß:
»Johann Fidelis Wetz, geboren in Sigmaringen anno 1741,
den 19. September, ward zum Studium angehalten. Nach
vollendeter Philosophie tratte er in den Franziskanerorden
churbayr. Provinz, wo er nach 4 Monaten solchen verließ und
dann im 19. seines Alters die Malkunst erlernte und im Jahr
darauf reiste, sich sodann mit Müh und Anstrengung nährte.
Dieses Portrait hat er selbst mit Beihilfe eines Spiegels
gemalen anno 1802.«
Eine weitere Quelle ist der Wahlspruch von J. F. Wetz, den
man ebenfalls auf diesem Selbstportrait findet. Er zeigt die
Liebe des Malers zu seinem Beruf und läßt ein wenig von der
Leidenschaft erkennen, mit der er an seinem Beruf hing:
»vita brevis, ars longa; ergo nulla dies sine linea.« (Kurz ist das
Leben, lang die Kunst; drum keinen Tag ohne Pinselstrich).
Wenn Wetz von sich sagt, daß er sich mit Mühe und
Anstrengung nährte, so darf man dies wohl nur auf die
Anfangsjahre seiner künstlerischen Tätigkeit beziehen, denn
der Umfang seines Werkes zeigt doch, daß der Künstler im
Laufe der Jahre, vor allem aber nach dem Tode Meinrad
v. Aus, eine stattliche Anzahl von Aufträgen erhielt.
Am Anfang seines künstlerischen Werdeganges gab es in
jener Zeit fast nur die Möglichkeit, sich der Kirchenmalerei
zuzuwenden. Doch nach 1780 wurden kaum noch neue
Kirchen in Hohenzollern gebaut, bzw. es wurde in der
Ausmalung der Kirchen weniger Geld ausgegeben. Aus
dieser Zeit finden sich Werke von J. F. Wetz in den Pfarrkirchen in Boll (1781), in Thalheim (1788), in Sigmaringendorf
(1819), in Hart und in Leibertingen. Stationsbilder von Wetz
befinden sich in Veringendorf, in Storzingen, in Steinhilben
und in Langenenslingen.
Diese Langenenslinger Stationsbilder wurden im Rahmen der
Renovierungsarbeiten an der St. Mauritiuskirche (1983) zur
Renovation zum Restaurator gegeben. Wie ich jetzt erfahren
habe, sind sie inzwischen fertiggestellt, befinden sich aber
noch beim Restaurator.
Die Apostelbilder, die sich früher ebenfalls in der Mauritiuskirche befanden, glaubte man verschollen. Als ich dann hörte,
daß sich auf dem Dachboden des Pfarrhauses (neben der
St. Konradskirche) noch alte Bilder befänden, schaute ich
kürzlich, mit der freundlichen Erlaubnis des Ortspfarrers
nach. Dort entdeckte ich dann die zwölf ovalen Apostelbilder, leider in recht desolatem Zustand. Den Beweis, daß diese
Ovalbilder von Fidelis Wetz stammen, fand ich auf dem Bild
des Hl.Paulus; es ist das einzige Bild, das signiert ist:
»F. Wetz pinxit 1812«. Die Bildnisse sind als Brustbilder in
dunklen Braun-Rot- und Ockertönen gehalten. Die Apostel
sind mit ihren Insignien, wie z. B. der Hl. Simon mit Säge,
dargestellt. Die Holzrahmen sind oval mit einem schmalen
Goldstreifen und die oben befestigten Schilder mit den
Apostelnamen sind leider bei einigen Bildnissen abgegangen.
Nachdem ich die Apostelbilder gefunden hatte, suchte ich
natürlich auch nach der entsprechenden Heiligenrechnung
und der Quittung über die Stations- und Apostelbilder, um
den Beweis der Urheberschaft Wetz's vollständig zu führen.
Glücklicherweise wurde ich auch da fündig. Unter den
Eintragungen der kirchlichen Unkosten »Auf Kirchen
Ornata und Notwendigkeiten« fand ich zum 19. Mai 1813
folgendes: »Wetz in Sigmaringen für 14 Stationen und Apostelbilder zu malen: vom 22.may 1813
197 fl 24 x - . ferner
sind noch 2 neue Stationen die Grablegung Christi und
Erfindung des Hl. Kreuzes K. H . vom 18. may nebst anderen
Arbeiten . . . . 22fl 5x.-«.
Hl. Thaddäus Apostel, von J. Fidelis Wetz, Sigmaringen (1812) früher
in der Mauritiuskirche in Langenenslingen. Foto S. Ehe.
Auch die quittierte Rechnung mit der Aufstellung der einzelnen Posten konnte ich auffinden. Die offensichtlich von Wetz
selbst geschriebene Rechnung beläuft sich über »... in der
Pfarr-Kirche zu Langenenslingen bestimmten 14 Gemälden
von der Leidens-Geschicht, wo von die Größe 2 fuß 3 zoll,
die breite 1 fuß 7 zoll und eben so bildnisse der Apostlen,
welche 3 fuß hoch und 2 fuß breit in ovalen Form...« Wetz
berechnte für ein Stationsgemälde 6 fl und für ein Apostelgemälde »in lebensgroßen brustbildern mit Händen« 5 fl. Für
einen Rahmen der Stationsgemälde mußte Wetz dem Schreiner 70 x-er und für einen ovalen Rahmen für die Apostelbil39
der l f l 12 x bezahlen und bei diesen Rahmen dem Maler
zusätzlich 1 fl für den jeweiligen Goldrand. Mit diesen
Kosten und noch einigen Nebenkosten, wie z. B. dem Geld
für den Fuhrmann, beläuft sich die Rechnung auf 197 fl 24 x.
Der Künstler unterschrieb die Rechnung mit »F. Wetz
Maler«. Quittiert wurde der Erhalt des Betrages am 22. Mai
1813 und für Langenenslingen von Pfarrer Waldraff
(1806-1816) gegengezeichnet.
Doch neben den religiösen Gemälden des Künstlers entstanden auf dem Gebiet der Bildnismalerei weit bessere Werke,
die wohl noch in einigen Sigmaringer Familien vorhanden
sind. Bis in unsere Zeit erhalten blieben auch Skizzenbücher
von Wetz, die 1955 vom Hohenzollerischen Landeskommunalverband und der Stadt Sigmaringen gemeinsam von einer
Hamburger Kunsthandlung erworben worden waren. Als ich
im Rahmen meiner Nachforschungen 1982 im Staatsarchiv in
Sigmaringen auch nach diesen Skizzenbüchern fragte, wurde
mir mitgeteilt, daß diese als vermißt gelten. Zufällig erfuhr ich
jedoch kürzlich, daß diese Skizzenbücher, die anscheinend
großartige Studien und Entwürfe enthalten, im Rathaus in
Sigmaringen verwahrt werden.
Der Rhein. Merkur schreibt in seiner Ausgabe vom 13.5.
1955 folgendes über die Skizzenbücher:
»Die Skizzenbücher enthalten zahlreiche Studien in Kreide,
Rötel und lavier Zeichnungen, deren Hauptteil auf der Italienreise des Künstlers entstanden ist; viele Blätter halten
Gemälde und Ausschnitte aus solchen fest. Die Skizzenbücher erweisen Wetz als einen aus barocker Tradition gewachsenen, liebevoller Versenkung ins Detail fähigen Künstler von
trefflicher Beobachtungsgabe und klarem sicherem Strich.«
(Rhein. Merkur, 13. 5. 1955)
Eines der beiden Skizzenbücher enthält auf der Innenseite des
Einbandes laut Beschreibungen folgenden handschriftlichen
Eintrag des Künstlers:
»In diesem Buch sind zwar flüchtige, aber doch sehr nützliche
Hinweise von malerischen Gedanken und Zeichnungen,
wovon viele nach guten Entwürfen anderer Künstler und sehr
vielen meiner eigenen Gedanken. Sollt dieses in nutzlose
Augen und Hände verfallen, so wäre es jammer schade für die
darauf gewandte Zeit und Mühe.«
(Hohenz. Heimat, Jahrg. 56)
Johann Fidelis Wetz, Maler und Portraitist, starb, vom Schlag
gerührt, am 29. April 1820. An ihn erinnert in Sigmaringen
noch die »Wetzstraße«.
KARL W E R N E R STEIM
Die Orgel der St. Mauritius-Kirche in Langenenslingen
Im Jahre 1986 wurde die Orgel der barocken St. MauritiusKirche in Langenenslingen von der Firma Orgelbau Späth in
Mengen-Ennetach restauriert. Es ist nicht bekannt, von wem
die älteste Orgel dieser Kirche stammte. Uberliefert ist aber,
daß der Hayinger Orgelbauer Urban Reiter im Jahre 1707 ein
Positiv eingebaut hat. Der ebenfalls aus Hayingen stammende
Ägidius Schnitzer erhielt dann 1737 den Auftrag für den Bau
einer neuen Orgel, die wiederum im Jahre 1842 durch ein
neues Werk von Josef bzw. Vitus Klingler aus Stetten bei
Haigerloch abgelöst wurde, das heute noch vorhanden ist.
Die St. Mauritius-Kirche war die alte Pfarrkirche von Langenenslingen. Ihr Turmschaft ist der Rest eines mittelalterlichen Baues. Gewisse Unregelmäßigkeiten und Strebepfeileransätze an den Langhausmauern lassen nicht nur vermuten,
daß auch in ihnen ein mittelalterlicher Kern steckt, der durch
einen Umbau von 1737 überdeckt ist; dies bestätigen auch
Bauakten. Der Chor, das Glockenhaus des Turmes und die
Sakristei sind damals neu errichtet worden.
Positiv von Urban Reiter 1707
Zuerst wird im Jahre 1707 eine Orgel in den Kirchenrechnungen erwähnt, wenngleich die Kirche sicher schon früher eine
Orgel gehabt hat. Damals kaufte man beim Hayinger Orgelbauer Urban Reiter ein Positiv für die Orgel, das 30 Gulden
und 32 Kreuzer kostete. Der Einbau dauerte offenbar länger,
erst 1710 kam der Orgelbauer zum Stimmen nach Langenenslingen. Kosten für den »Orgelmacher von Hayingen« finden
sich auch 1720/21.
Urban Reiter (*1672) war ein bekannter Orgelbauer.
1699-1701 baute er für die Zisterzienserinnen-Klosterkirche
Wald eine neue Orgel mit acht Registern, 1713 erstellte er für
die damalige Franziskanerinnen-Klosterkirche St. Luzen in
Hechingen ein neues Orgelwerk in ein Gehäuse von 1589.
Vermutlich ist Urban Reiter auch mit dem Orgelmacher aus
40
Hayingen zu identifizieren, der 1707 die Orgel in der Stiftskirche von Urach instandsetzte und umänderte. 1721 baute er
für Laupheim eine neue Orgel. Nicht genau zu datieren ist die
- wohl anfangs des 18. Jahrhunderts - von Reiter vorgenommene Vergrößerung der Stiftskirchenorgel in Buchau.
Neue Orgel von Agidius
Schnitzer
Vom 13./20.Mai 1737 ist der Vertrag über den Bau einer
neuen Orgel mit sechs Registern zwischen der Kirchenpflege
Langenenslingen und »Egidio Schnitzer, Orgelmacher zue
Hayingen« (Werkstatt-Nachfolger von Urban Reiter?)
datiert. Festgelegt wurde folgende Disposition: »Als erste
Princibal ins Gsicht (= Prospekt) von Zin 4 Schuhe, 2do ein
Quint 3 Schue von Zin, 3tio ein Sup: Oct: (= Super Oktav)
2 Schue von Zin, 4to ein Mixtur 4fach die gröst von 2 Schue
von Zin, 5to ein Coppel von Holz 8 Schue Thon, 6to ein
Flauten (= Flöte) von Holz 4 Schue Thon offen. Item ein
topleter Subpahs (= Subbaß), die gröst von 16 Schue Thon. In
das Pedal mit 9 Claves (= Tasten), vnd wird mit doplete
Claves in das Manual eingedragen.« Ferner wurde verabredet,
daß der Orgelmacher das Werk samt Orgelkasten, Schlosserund Bildhauerarbeit und allen erforderlichen Materialien auf
seine Kosten beizuschaffen habe. Die Kirchenpflege Langenenslingen müsse jedoch die Orgel auf ihre Kosten abholen,
»vnd solle das werckh in perfecten Chorthon eingerichtet
sein«.
Für die Orgel hatte die Pflege 200 Gulden in Raten zu
bezahlen. Davon waren zu Vertragsbeginn 30 Gulden fällig,
50 Gulden bei kompletter Herstellung, 50 Gulden an Weihnachten darauf, 50 Gulden wenn das Jahr vorbei ist und 20
Gulden als Rest. Der Orgelvertrag wurde am 27. Mai 1737
von der Fürstl. Hohenz. Kanzlei in Sigmaringen genehmigt.
Agidius Schnitzer aus Hayingen war ein sehr erfahrener
Orgelbauer. Zehn Jahre vor seinem Werk in Langenenslingen
lieferte er in die Augustiner-Chorfrauenstiftskirche in Inzigkofen eine neue Orgel für 490 Gulden, die er 1741 auseinandernimmt, stimmt und mit dem weiteren Register »Vox
humana« versieht. Zehn Jahre nach seinem Werk in Langenenslingen stellt er in Biberach eine neue Orgel auf (1775 durch
Blitzschlag zerstört) und im gleichen Jahr 1747 eine 17
Register zählende Chororgel in Schussenried.
1746/47 hatte der »Orgelmacher von Hayingen« (Agidius
Schnitzer) die Orgel in Langenenslingen »zu versetzen und
änderst einzurichten«, wofür er 31 Gulden und 3 Kreuzer
bekam.
Zehn Jahre später muß bereits wieder eine größere Reparatur
vorgenommen worden sein, denn in den Kirchenrechnungen
steht, der »Orgelmacher« habe sich 14 Tage im Pfarrhof
aufgehalten.
Knapp 100 Jahre später befaßte man sich in Langenenslingen
mit dem Bau einer neuen Orgel. Voraus ging eine Vergrößerung der Orgelempore. Im April 1840 steht in einer Ausschreibung: »Mit Ermächtigung Fürstlicher Landesregierung
wird zum Behufe der Aufstellung einer neuen Orgel in der
Pfarrkirche zu Langenenslingen deren Emporkirche vergrößert werden. Die Kosten dieser Vergrößerung sind auf nachstehende Weise berechnet: Maurerarbeit 373 fl. (= Gulden)
10 kr. (= Kreuzer), Steinhauerarbeit 73 fl. 54 kr., Zimmerarbeit 489 fl. 8 kr., Schreinerarbeit 147fl., Schlosserarbeit 47 fl.,
Glaserarbeit 9 fl., Anstreicharbeit 72 fl. 46 kr., Summa 1211 fl.
58 kr.
Alte Orgel wurde
verkauft
Erstmals im September 1842 ausgeschrieben wurde der »Verkauf zweier Altäre, ihrer Altarblätter und der bisherigen
Orgel der Kirche zu Langenenslingen« vom Fürstl. Oberamt
Sigmaringen. Aus der Beschreibung erfahren wir die damalige
Disposition der Orgel: »1 Orgel mit nachbemerkten
Bestandtheilen. Das Ciavier mit 54 Tasten von c. bis f. noch
brauchbar, 1 Pedal mit 18 Tasten in Stücken, die ManualLade in 2 getheilt, zu 9 Registern eingerichtet, und 72
Ventillen, noch in gutem Zustande, 1 Pedallade zu 2 Registern
und 18 Ventillen; der Mechanismus sowohl der Register als
der Spielmechanik ist ganz vorhanden, jedoch mangelhaft,
3 Blasbälge, jeder 7Vi lang, 3/4' breit nebst den dazu
gehörigen Kanälen, jedoch theilweise mangelhaft; das Holz-
pfeifenwerk in einem Pedal- und 3 Manual-Registern bestehend, als Subbaß, 16' gedekt, Posaune 16 Fuß gedekt, Coppel
8' und Flöte 8' offen, in geringem Zustande, das Zinnpfeiffenwerk, nemlich Principal 4', Octav 2', Quint VA', Gamba 8',
die Tiefe von Holz, Mixtur 1' 3fach; diese Register haben
zusammen 440 Pfeifen, jedoch in fast unbrauchbarem
Zustande. An dem Gehäuse nach altem Baustiele sind nur
noch die Kränze und einige Verzierungen brauchbar; Schäzung 80 fl.«
Da der Verkauf von Altären und Orgel vom Fürstl. Oberamt
Sigmaringen nicht genehmigt wurde, erfolgte im November
1842 eine erneute Ausschreibung. Kaufmann Franz Müller
aus Langenenslingen erwarb die Orgel am 28. November
1842 für 10 Gulden und 6 Kreuzer. Es ist leider nicht bekannt,
ob sie später noch einmal in eine Kirche gelangte.
Der aus Langenenslingen stammende Chordirektor und
Redakteur Michael Lehmann erinnerte sich 1902 noch an die
alte Orgel: »Die Zuschrift >Vom Biberbach< im letzten >Zoller< hat in mir, der schon im Jahre 1843 zum erstenmal
Abschied von seiner Heimat genommen hat, einige Erinnerungen aus früherer Zeit wachgerufen. In damaligen Tagen
heulte und pfiff noch ein gebrechliches Orgelwerk in der
>alten Pfarrkirche< zu Langenenslingen, in der ich schon
wegen meiner ausgiebigen hellen Altstimme und wegen
meiner Treffertigkeit als Singknabe auf dem Chor Verwendung fand. Es war kein Luxus, daß in dem Gotteshaus ein
neues - übrigens kein mustergültiges - Orgelwerk aufgestellt
wurde, an dem ich meine Freude hatte, und das ich als
Schulamtslehrling traktiren durfte...«
Orgel von Josef und Vitus Klingler
Am 21. April 1840 wurde der Vertrag über die Lieferung einer
neuen Orgel vor dem Oberamt in Sigmaringen mit dem
Orgelbauer Josef Klingler aus Stetten bei Haigerloch abgeschlossen. Vorausgegangen war ein entsprechender Beschluß
der Fürstlichen Landesregierung. Als Sachverständiger zog
man Professor Feßler von Sigmaringen zu. Zugrundegelegt
wurde die (leider nicht überlieferte) Disposition samt Vertrag
vom 17. April 1840, ein früherer Entwurf vom 8. Dezember
1832 wurde nicht berücksichtigt. Es sollte »zur Verbeßerung
der Orgel die Pedal-Quinte des früheren Anschlages in den
Oktavbaß verwendet werden.« Die Kosten wurden mit 1500
41
Gulden vereinbart, die in drei Raten - 500 Gulden bei Beginn,
100 Gulden während der Aufstellung und der Rest mit 900
Gulden nach der Abnahme durch einen unparteiischen Sachverständigen - zu zahlen waren. Klingler hatte eine Gewährleistung von 10 Jahren zu leisten. Weiter festgelegt wurde,
daß die »Ornamente der Orgel« nach den Handzeichnungen
des Baukandidaten Laur (späterer fürstlicher Baudirektor in
Sigmaringen) vorzunehmen waren. Die Orgel sollte vertragsgemäß bis zum 1. August 1841 aufgestellt und durch einen
Sachverständigen abgenommen werden. Die tatsächliche
Ausführung verzögerte sich freilich bis ins Jahr 1842. Im
Januar 1843 erhielt Josef Klingler die letzte Zahlung. Musikdirektor J. A. Seitz, Orgelbaurevident aus Reutlingen, hatte
am 9. November 1842 die Orgel überprüft und noch gewisse
Nacharbeiten verlangt, die auch ausgeführt wurden.
Vorausgegangen war übrigens eine Erweiterung der Orgelempore, um für die Aufstellung der neuen Orgel mehr Platz
zu bekommen. Diese bedeutende Baumaßnahme wurde vom
Sigmaringer Werkmeister Sauter im April 1843 mit insgesamt
1495 Gulden abgerechnet, war also fast so teuer wie die Orgel
selbst.
1952 ließ der damalige Pfarrer Wilhelm Ruff eine Renovierung der Orgel vornehmen, wobei der Landeskonservator für
Hohenzollern erklärte, sie stehe wegen ihres Alters und ihrer
Eigenart unter Denkmalschutz, eine Renovation sei dementsprechend durchzuführen. Bei der Kirchenrenovation 1979
bis 1983 wurde die Orgel schwer beschädigt, so daß eine
neuerliche Instandsetzung notwendig wurde. Als die Orgel
Anfang des Jahres 1986 von der Firma Orgelbau Späth in
Mengen-Ennetach restauriert wurde (die alten Orgelteile
wurden repariert und überholt, das alte Pfeifenwerk ebenfalls
beibehalten, gereinigt, überholt und - soweit erforderlich
- ergänzt) stieß man auf die Inschrift »1842 Vitus Klingler«.
Bekanntlich war aber der Orgelbau mit »Josef« Klingler
verabredet worden, der auch die Zahlungen entgegennahm.
Vermutlich wurde die Orgel von beiden Brüdern gemeinsam
oder im wesentlichen von Vitus Klingler fertiggestellt, offizieller Ausführender war aber nach den Rechnungen Josef
Klingler. Beide stammten ursprünglich aus Hart bei Haigerloch. Vitus Klingler war hauptsächlich im dortigen Raum
tätig gewesen und eröffnete dann 1843 in Ennetach bei
Mengen eine Firma, die er dort bis zu seinem Wegzug im
Jahre 1862 betrieb. 1844 war Alois Späth zu ihm in die Lehre
getreten, der sich dann 1862 selbständig machte. Josef Kling-
ler ist mindestens seit 1828 als Orgelbauer und Instrumentenmacher in Hart nachweisbar. Nach seiner Verheiratung verlegte er im Jahre 1836 das Geschäft nach Stetten bei Haigerloch.
Die Orgel hat heute folgende Disposition, die vollständig auf
Klingler zurückgehen dürfte:
Manual C - a3 Principal 8' (zum Teil im Prospekt), Dolce 8',
Coppel 8', Gamba 8', Flöte 8', Oktave 4', Gemshorn 4',
Traversflöte 4' (nicht überblasend), Quinte 22A', Flageolett
2', Mixtur 4fach 2'. - Pedal C-c 1 : Subbaß 16', Violon 16',
Oktavbaß 8', Quintbaß 6', Posaune 16' (durchschlagend,
sehr kurze Holzbecher), Pedal Koppel, Windablass.
Wenn man die Disposition der heutigen Orgel mit der aus der
Barockzeit vergleicht, fällt eine große Ähnlichkeit auf. Die
Orgelbauer Klingler waren in ihrer Orgelbauweise offenbar
noch stark dem Barock verhaftet. Zwar wurde die Klinglersche Disposition wiederhergestellt, doch wäre auch eine
Rekonstruktion als »Schnitzer«-Orgel möglich gewesen. Die
Frage, ob die heutige Orgel noch mit der alten »blutsverwandt« ist, wird der Gutmütige bejahen, der Kritische wird
fragen, ob sie gut klingt. Wenn ja, darf auch der Name
Klingler nicht versteckt werden, wie der inzwischen verstorbene langjährige Beuroner Organist und Orgel-Kenner
P. Corbinian Gindele dem Verfasser schrieb.
Quellen
Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. 39 (Fürstl. Hohenz. Haus- und
Domänenarchiv, Veringen, 79,5)
Pfarrarchiv Langenenslingen: Kirchenrechnungen
Fürstl. Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen: Bestand Ecclesiastica 128
Verordnungs- und Anzeige-Blatt für das Fürstenthum Hohenzollern-Sigmaringen, Nr. 14 vom 5.4.1840; 1842, S. 378; Nr. 45 vom
6.11.1842
Der Zoller (Hechingen) Nr. 186 vom 2.12.1902; Nr. 187 vom
4.12.1902
Literatur
Gemmer, Walther (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns.
Zweiter Band, Kreis Sigmaringen. Stuttgart 1948
Kern, Ulrike: Die Pfarrkirche St. Mauritius in Langenenslingen und
ihre Künstler. Langenenslingen 1983
Steim, Karl Werner: Die Orgel der St. Mauritius-Kirche in Langenenslingen. In: Schwäbische Zeitung, Ausg. Riedlingen, Nr. 90 vom
18.4.1987
Völkl, Helmut: Orgel n in Württemberg. Neuhausen 1986
WOLFGANG HERMANN
Reinhart von Neuneck
Ein adeliges »Dienerleben«• der deutschen Renaissance *
Von den Jahren des Sturm und Drang bis zur Ergebung in den
Fürstendienst 1497-1504
weise im Bezugsfeld der Familien von Neuneck und von
Allmanshofen um 1497 deutlich und quellenmäßig belegbar 3 .
Von allen Männern seiner vielgliedrigen und weit zurückreichenden Familie ist Reinhart der bemerkenswerteste Vertreter geworden. Mit ziemlicher Sicherheit gibt Ottmar sein
Geburtsjahr mit 1475 an 1 . Urkundlich trat unser Adeliger
zwischen 1498 und 1551 auf 2 . Über den Vater wurde er schon
frühzeitig in hochadeligen Kreisen bekannt. Die Beziehungen
zu den übrigen niederadeligen Familien in Württemberg und
den angrenzenden Territorien waren von vielfältiger Art,
wobei Spannungen nicht ausblieben. Diese wurden beispiels-
Die niederadlige Familie von Allmanshofen zählte zu einem
ritterbürtigen Geschlecht, das in der Baar und an den Quellflüssen der Donau im 13. Jahrhundert begütert war. Heinrich, Hans, Hans-Haug und Conrad gehörten 1392 der
Gesellschaft zum St. Jörgenschild an. 1409 wurde Hans durch
die Grafen von Fürstenberg mit dem halben Dorf Unadingen
und drei Höfen in Gutmadingen belehnt. Außer diesen Lehen
trugen die von Allmanshofen noch solche der Grafen von
Zollern, von Württemberg, von Werdenberg, von Sulz und
von Lupfen. Ihre Grablege war vorzugsweise im Kloster
Neidingen, in welches zahlreiche Töchter eintraten. 1489
verkauften die drei Brüder Heinrich, Hans Ulrich und Georg
die Neuenburg und das Dorf Bachheim an der Gaucha (ein
Seitental der Wutach) an Reinhart von Neueneck 4 .
Eine Studie. Mit der ausführlichen Biographie Reinharts von
Neuneck befaßt sich bereits seit langer Zeit Dr. Johann Ottmar.
42
Hans d. Ä., Reinharts Vater, war mit Anna von Allmanshofen
verheiratet 5 . Sie war die Schwester der obengenannten Brüder. Hans Ulrich hatte Richardis von Reischach geheiratet,
und Georg nannte sich zu Hüfingen 6 . Helena von Allmanshofen war eine Base von Reinhart und seinen Brüdern von
Neuneck. Dieses Mädchen wurde 1509 Nonne in (Heiligkreuztal 7 ). Georg von Allmanshofen war also Reinharts
Onkel und Schwager des Vaters Hans von Neuneck.
Zwischen den Jahren 1474 und 1509 erfolgten in der Familie
von Allmanshofen verschiedene Erb- und Vermögensabsprachen 8 . 1474 bevollmächtigten Heinrich und Jörg von Allmanshofen ihren Bruder Hans Ulrich, die gemeinsamen und
ungeteilten Besitzungen zu verwalten. Damit war er auch
ermächtigt, die Schwester Anna mit Gütern und Einkünften
auszustatten, als sie Hans von Neuneck heiratete.
Noch im Jahre 1475 schien Hans Ulrich nicht verheiratet
gewesen zu sein. Am 12. Juni handelten die Brüder einen
Vermögensvertrag untereinander aus und verglichen sich.
Angelpunkt ihres Vertrages war, ob Hans Ulrich »ain wibe
nach siner gepurde« nähme. Stürbe Hans Ulrich ohne Leibeserben, so fielen Schloß, Mühle und Tagwerkdienste an seine
Brüder heim. Zunächst galt aber diese Bestimmung: Wenn
Hans Ulrich heiratet, erhält er Schloß Neuenburg, die dortige
Mühle und die Tagwerkdienste des Dorfes Bachheim. Sollten
die Brüder sich trennen wollen, würde das väterliche Erbe
geteilt. Es hat den Anschein, daß dies später auch geschah.
Heinrich von Allmanshofen hatte vor dem Jahre 1489 ein
Testament gemacht, welches er am 15. Oktober 1489 vor dem
Landgericht in der Baar, wo er dieses auch aufgerichtet hatte,
widerrief 9 . Die Begründung lautete, daß seine Schwester
Anna zu wenige Güter bei ihrer Verheiratung erhalten hatte.
Sie sollte daher nach seinem Tode die eine Hälfte seines
Gutes, der Bruder Georg die andere Hälfte erhalten. Am
1. Dezember 1489 bereits übergab Heinrich vor dem Hofgericht zu Rottweil seiner Schwester bzw. deren Mann, damals
Vogt zu Balingen, sein Gut, »wofür sie ihn (Heinrich) sein
Lebtag in Essen, Trinken, Kleidern und aller Notdurft erhalten sollen«. Es fragt sich nun, ob Heinrichs Bruder Georg
entsprechend dem Versprechen vom 15. Oktober gerecht
bedacht worden war.
Hans Ulrich starb möglicherweise noch 1489. Zu dieser
Annahme gelangt man deswegen, weil man erfährt: »Darnach
hat die Nuwburg mit ir zugehörd Reinhart von Nunegk an
statt sin und siner bruder im 1489. jar als erkofft umb ir
swager.« Reinhart schien diesen Besitz nicht allzulange behalten zu haben, denn das Fürstenbergische Urkundenbuch
fährt fort: »...Darnach hat Hannß von Almßhoffen (zu
Immendingen) die an sich gekofft und empfangen undsin
sune Philips von Almßhoffen die umb 1600 fl. ungeuarlich
her Conradten von Schellenberg zu koffen gegeben« 10 .
Was war geschehen? Der Anlaß war eine Heirat oder ein
erpresserischer Versuch von Hans d.A. und seinem Sohn
Reinhart, als sie die Frau Georgs von Allmanshofen entführten! Man stelle sich vor, die Neunecker entführten die Frau
des Schwagers bzw. des Onkels. Die unbekannten Gründe
mußten schwer wiegen. Obwohl Wilhelm von Gundelfingen
von seinem »Vetter Georg« sprach, konnte kein Verwandtschaftsgrad festgestellt werden n . Die Aufregung des Richters
von Gundelfingen ist daher von seiner Stellung als Hoheitsträger verständlich. Demnach mußte die Entführung innerhalb seines Gerichtsbezirks stattgefunden haben, vielleicht in
Villingen selbst.
Die Gründe für die Handlungsweise der Neunecker können
in vermögensrechtlichen Mißhelligkeiten gelegen haben, und
die Testamentsbestimmungen vom 1. Dezember 1489, welche Heinrich von Allmanshofen erlassen hatte, waren von
Georg durchkreuzt worden.
Ein anderer Gedanke bleibt eine Spekulation. Wenn wir uns
nicht den Vermögenswerten zuwenden, sondern der entführten Frau, könnte folgendes geschehen sein: Reinhart und sein
Vater hatten eine junge Frau ausersehen, die sich mit dem
Sohn verbinden sollte. Georg von Allmanshofen kam als
älterer Rivale Reinhart durch Heirat mit eben dieser unbekannten jungen Frau zuvor. Die beiden Neunecker, die sich
getrogen sahen, handelten. Dieser Gedankengang würde eine
Erklärung dafür abgeben, daß Reinhart von Neuneck Zeit
seines Lebens keine Ehe führte, sondern nur ein Verhältnis
mit Anna Schmid, seiner Dienerin, hatte. Mit ihr zeugte er
auch eine Tochter namens Barbara, die er in seinem Testament großzügig bedachte 13 . In gleichem Sinne würde auch
verständlich, weshalb Hans von Neuneck 1501 bei Bruder
und Provinzial des Predigerordens (Dominikaner), Peter
Syber, bewirkte, daß er, seine Ehefrau und ihre Kinder
»theilhaftig aller guten Werke (Gebet, Fasten etc.), die im gen.
Orden verrichtet werden«, sein würden 1 4 .
Die Entführung, die stattfand, mag Beweis genug für die
trotzige und kämpferische Fehdehaltung Reinharts gewesen
sein. Es zeigte sich daran, wie wenig der Reichstag von 1495
zu Worms, auf dem unter anderem der ewige Landfrieden
verkündet und das Fehderecht gänzlich aufgehoben worden
war, von der Ritterschaft und auch Teilen des schwächeren
landesherrlichen Adels beachtet wurde. Voraussetzung für
die Gewährleistung des Landfriedens wurde die Schaffung
einer höchsten Rechtsinstanz: Es wurde das Reichskammergericht geschaffen 15 . Was aber die Ritterschaft besonders
beunruhigte war die Wegnahme eines Elements ihrer Identität, was sie in gewisser Weise entmündigte und außerdem
noch an »Schreiberlinge« verwies. Reinhart und sein Vater
waren nicht gewillt, dieses neue Recht anzuerkennen. Damit
stellten sie sich gegen den Kaiser und die Reichsstände,
welche dieses neue Recht geschaffen hatten. Noch etliche
Jahre später verblieb Reinhart in dieser Opposition, wie wir
sehen werden. Deutete sich in dieser Handlungsweise nicht
schon der künftige Lebensweg Reinharts an, der allen Einsatz
an Mut, Schlauheit und Beharrlichkeit erforderte?
Das Jahr 1497 war nun ein konfliktreiches Jahr, und die
Ursachen liegen im dunkeln. Die Quelle im Stadtarchiv
Villingen berichtet über einen Prozeß, in dessen Mittelpunkt
Wilhelm von Gundelfingen stand 11 . Dieser bekleidete 1497 Georg von Allmanshofen, der Adressat in jener Fehde, wurde
ein hohes Richteramt in der Stadt. Am 5. Dezember 1497 vielleicht auch nicht glücklich, da er, wie es sich 1509 zeigte,
wurde der Vorwurf erhoben, daß Wilhelm seine richterliche resignierte. Georg ließ sich ein Leibgeding in Höhe von
Gewalt überzogen und die Folter zu schnell und zu streng jährlich zehn Gulden verschreiben. Wir wissen nicht, ob er in
angewandt hätte. Außerdem hätte er die Angeschuldigten zu ein Kloster eintrat, was man allerdings vermuten könnte. Am
rasch dem Henker überliefert. Aus Schilderungen des Wil- 27. Februar 1509 beurkundete Graf Eberhart von Nellenhelm von Gundelfingen nun, die mit seinem Prozeß eigent- burg, daß »Georg von Almshofen auf den ihm von seinem
lich nichts zu tun hatten, werden vorausgegangene Konflikte Bruder Heinrich vermachten Gutsanteil zu Gunsten seiner
des Hans und Reinhart von Neuneck mit Georg von All- Schwestersöhne Rienhard, Wildhans und Hans Oswald von
manshofen ersichtlich. Auf beide Neunecker hegte der Villin- Neuneck verzichte, da diese ihm dafür jährlich 10 fl. und
ger Richter einen erheblichen Groll, und sein Zorn auf diese seines Bruders Ulrich sei. Tochter Helena von Almshofen,
hätte ihm die Selbstkontrolle genommen. So sinngemäß die Klosterfrau zu Heiligkreuztal, jährlich 8 fl., je lebenslang, als
Leibgeding zu geben versprochen haben«
Aussage Wilhelms.
43
Die neuneckischen Erbverträge von 1515 berührten jenen
Punkt über die Zahlung der Leibgedingsbeträge. Dabei entnimmt man die auffällige Bestimmung, daß Reinharts Brüder
Hans Oswald und Wildhans je fünf Gulden zum Leibgeding
für Georg von Allmanshofen bezahlten - und nicht Reinhart.
In seiner Quellenwiedergabe bezeichnete Johann Adam
Kraus diesen Georg von Allmanshofen als Vetter - so wird
der Ausdruck in der Quelle auch lauten - und nicht als Onkel
der drei Brüder 17 . Diesen Erbverträgen zufolge zahlte
Reinhart an seine Base Helena 12 fl. und seine Brüder je 3 fl.
20 kr. für deren Leibgeding.
2. Die Karriere Reinharts von Neuneck im
Dienst bis zum Ausbruch des Bauernkrieges
a) E r p r o b u n g s j a h r e
landesherrlichen
in Deutschland
1499-1503
In hochadeligen Kreisen trat Reinhart von Neuneck (bereits ?)
mit etwa 20 Jahren auf, als er der Erhebung Württembergs
zum Herzogtum unter Graf Eberhart dem Alteren während
des Reichstags zu Worms 1495 beiwohnte. Mit dem Grafen
von Württemberg waren vor Kaiser Maximilian 51 Edelleute
erschienen, in deren Gefolge sich der junge Neunecker
befand 18 . Anzunehmen ist, daß Hans von Neuneck seinen
Sohn dorthin mitnahm, um diesen während der Festlichkeiten dem Kaiser vorzustellen. Gleichzeitig ließen sich mit dem
frisch ernannten Herzog klärende Gespräche führen, um
Reinhart in den Dienst für Württemberg aufzunehmen.
1499 trat Reinhart dann auch in herzogliche Dienste gegen
Jahrgeld von 40 Gulden ein 19 . Die Empfehlungen des Vaters
hatten den Herzog wohl überzeugt, vielleicht hatte sich der
»Streich« von Villingen herumgesprochen und einen Grund
für die Anstellung bei Württemberg geliefert.
Bald ging Reinhart von Neuneck jedoch andere Wege. Einige
Jahre danach schloß er sich dem Herzogtum Bayern an. Dies
geht aus einem Bericht des Junkers hervor, in welchem ersieh
zu den kriegerischen Ereignissen zwischen dem Grafen Hugo
von Werdenberg und den Freiherren von Zimmern im Jahr
1503 äußerte. Diesem »Bekenntnis Reinharts von Neuneck«
zufolge zählte er zu Jörgs, des Herzog in Nieder- und
Oberbayern, »seyner gnaden hoeffgesindt« 20 . Durch die
Perfidie des Grafen Hugo von Werdenberg, in dieser Weise
drückt sich die Zimmersche Chronik aus, war die Herrschaft
Meßkirch 1488 an den Werdenberger Grafen durch Kaiser
Friedrich III. übergeben und Freiherr Johann Werner von
Zimmern in die Reichsstadt gestoßen worden 21 . Da sämtliche
Rechtsmittel und Bemühungen, die der Herr von Zimmern
versuchte, fehlschlugen (auch vor dem Reichskammergericht), entschloß er sich zur Rückeroberung seiner Herrschaft
Meßkirch. Die Vorbereitungen, die 1503 abgeschlossen
waren, standen unter einem günstigen Stern, denn Pfalzgraf
Philipp zu Rhein und Herzog Georg in Bayern unterstützten
Johann Werner von Zimmern. Die Besprechungen wurden
am Hof in Heidelberg geführt. Reinhart bekam die Rolle
eines Verbindungsmannes nach Bayern, von wo er auch
etliche Reiter und Fußvolk herbeischaffen sollte. Die Ausführung jenes Auftrags war nicht leicht, da sie in aller Stille und
Heimlichkeit geschehen mußte. Dies gelang auch, und
Reinhart von Neuneck überschritt im September die Donau
und führte einen Wagen mit Büchsen, Blei und Pulver zur
Burg Kallenberg im Donautal 2 2 . Viele Ritter und Junker aus
dem Raum des Ostschwarzwaldes beteiligten sich am Zug
nach Meßkirch: Jakob von Neuneck, Hans von Brandeck,
Wilhelm von Weitingen, Wilhelm Brackenlerer und Wildhans von Neuneck. Reinhart hatte 36 Pferde (und Reiter)
zugeführt, Wilhelm von Rechberg 43. Insgesamt war man auf
zirka 130 Reiter gekommen 2 3 .
Da sich während dieser Monate der König Maximilian, die
Grafen von Zollern und Fürstenberg am Hofe zu Innsbruck
44
weilten 24 , gelang die Einnahme der Stadt Meßkirch ohne
hinzutretende politische Verwicklungen 25 . Am 17. September 1503 huldigten die Bürger von Meßkirch ihren angestammten Herren 2 6 . Schließlich brachte der Reichstag von
Augsburg 1504 die Beilegung des Streits, und ein Vertrag vom
9. März dieses Jahres, den König Maximilian verkündigte,
bestätigte die alten zimmerischen Rechte, wobei dem Grafen
von Werdenberg eine Ausgleichszahlung über 2000 Gulden
geleistet werden mußte 2 7 .
b) T r e u e u n d B e w ä h r u n g
1504-1521
Pfalzgräfin Elisabeth und Friedrich II., Pfalzgraf und Vormund von Ottheinrich und Philipp
Reinhart schien bei der Pfalzgräfin Elisabeth Gefallen gefunden zu haben, denn diese, Mutter von Ottheinrich und
Philipp, berief den Neunecker 1504 an den pfälzischen Hof.
Sie war eine Tochter Herzog Georgs des Reichen von Niederbayern und hatte 1499 Ruprecht, den Bruder des pfälzischen
Kurfürsten Ludwig V. (1478-1544) geheiratet. Elisabeths
Gatte verstarb 1504. Ihr Schwager war Friedrich II. 28 , dem
Reinhart in den späteren Jahren als Hofmeister diente 29 .
Prunkvoll und berühmt war die Hochzeit Georgs des
Reichen mit Hedwig von Polen 1475, die heute noch als die
Landshuter Fürstenhochzeit festlich begangen wird. Außer
seiner Tochter Elisabeth hatte er keine männlichen Erben,
weswegen seine Linie ausstarb. Der Landshuter Erbfolgekrieg (1503-1505) brach aus, da Georg dieses Erbe seinem
Schwiegersohn Rupprecht, entgegen den Hausverträgen der
Wittelsbacher, verschrieb 30 . Georg der Reiche starb am
1. Dezember 1503 in seiner Stadt Landshut.
Elisabeth und Reinhart waren im gleichen Alter, vielleicht
miteinander bekannt. Jedenfalls wußte die Pfalzgräfin, wen
sie am 24. August 1504 nach Heidelberg berief: »unsern
lieben getrewen Reinharten von Neyneck In unsern dienst...
unnd also das er uns unnd unsern Erben mit seiner Rüstung
wider menghlich mit dinst gewarten solle«. Dafür sicherte sie
ihm 200 fl. jährlich zu 31 . Die Berufung gründete sich möglicherweise auf die Leistungen Reinharts vor der Stadt Meßkirch.
1511 erschien Reinhart in pfälzischem Gefolge in Stuttgart,
als Herzog Ulrich von Württemberg die wohl prächtigste
Hochzeit des Jahrhunderts mit Sabina von Bayern hielt.
Etliche Herren von Neuneck waren dort gleichfalls anzutreffen 32 .
Alles in allem schritt Reinhart als Junker und Ritter über das
von seinen Vorfahren Erreichte hinaus. Während Vater und
Großvater kaum den schwäbischen Raum verließen, wandte
sich Reinhart, im Dienste der Pfalz, der Reichspolitik zu. Er
erwies sich als ein verläßlicher Diener des Hauses Wittelsbach, dem er bis zum Jahre 1544 verbunden blieb. Dabei
wechselte er von der Kurpfalz hinüber in den Dienst bei der
Oberpfalz unter Pfalzgraf Friedrich und diente diesem, als er
Reichsverweser wurde. Zuletzt unterstand Reinhart den Grafen der Neupfalz.
Über seine Missionen, Tätigkeiten und Geldverhältnisse
führte Reinhart ein Buch, bzw. er erstellte Listen seiner
Einnahmen und Ausgaben, die er in Glatt aufbewahrte.
Daraus erfahren wir, daß er als Junker im Jahre 1508 die
Bühne der europäischen Politik betrat, als er in die Niederlande zog: »Ist ein Register, was Herr Reinhart von Neuneck
von wegen Herzog Friedrich alls Ir fürstliche gnaden mit der
Königlichen Majestät ins Niederland gezogen, annos im
Achten. Dabei seind auch etlich befelch und Missium selbige
Rayß belangend« 33 . Damals unterstand Reinhart vielleicht
noch direkt der Pfalzgräfin Elisabeth, doch am 14. Mai 1510
übernahm ihn Pfalzgraf Friedrich, welcher der Vormund
Ottheinrichs und Philipps wurde, in seinen Dienst 34 . Mit ihm
war Reinhart ein weiteres Mal in die Niederlande gezogen,
Schloß und Stadt Lauingen, ständiger Amtssitz des Reinhart von Neuneck ah 1530. Foto Stadtarchiv
worüber der Neunecker berichtete, und der Archivar des
16. Jahrhunderts zusammenfassend niederschrieb: »Item, ein
hoch Säcklin, litera L und Sig. • bezeichnet, darinnen sind
fünf Packet brief, das ain betrifft herr Reinhardten von
Neuneck Zeitten und herr Hansen Baumgartern, das ander,
Herzogen Fridrichs alls er Statthaliter zu Braband gewesen
anno (15)14...« 35 .
Zurück im pfälzisch-bayerischen Raum ums Jahr 1515 wurde
der Junker von Pfalzgraf Ludwig, Herzog in Bayern(-Landshut), er gilt als Ludwig X. (1495-1545), angefordert. Reinhart
wurde auf vier Jahre in Dienst genommen und ihm eine
Besoldung von 100 Gulden versprochen. Die Urkunde darüber wurde am 5. Februar 1515 in Landshut ausgestellt 36 .
1519, nach Ablauf der vier Jahre, als Ottheinrich 17 und sein
Bruder Philipp 16 Jahre alt waren, übernahm Reinhart von
Neuneck das Amt eines Hofmeisters bei Pfalzgraf Friedrich 37 , und am 3. Oktober des gleichen Jahres wurde Reinhart
erstmals als Pfleger in Lauingen a.D. erwähnt 38 .
Die Rolle, die Reinhart in den folgenden Jahren bis etwa 1530
erhielt, war umfassender als die eines Erziehers oder »höheren Amtmanns« geworden. Als Hofmeister des Pfalzgrafen
und Herrn der Oberpfalz, Friedrich II. (1482-1556) wurde
Reinharts regionaler Verwaltungsbereich durch eine zeitweilige beratende Tätigkeit am kurfürstlichen Hof in Heidelberg
erweitert. Auch trat der »Ritter aus Glatt« in den Kreis jener
Fürsten und Räte, die zu Anfang des 16. Jahrhunderts die
politischen Bahnen des Reiches vorzeichneten. Reinhart
zählte zwar nie zu einer Regierung, jedoch zum Hofstaat. Als
Hofmeister nahm er dadurch an zahlreichen Sitzungen der
Regierungsbehörde und auch beim Kurfürsten teil. Dort
wurden die Interessen des pfälzischen, bayerischen bzw.
Lauingen.
wittelsbachischen Hauses vorformuliert. Zeitweise assistierte
Reinhart den Tagungen der Reichsstände mit dem Kaiser
bzw. dessen Kommissaren. Demzufolge waren seine Aufenthalte in Lauingen auf der Burg kurz; in Glatt muß er sich
wohl nur zum Urlaub aufgehalten haben.
Über die Tätigkeiten und die Einflußnahmen Reinharts während der Reichstage zwischen 1519 und 1529 berichten die
»Deutschen Reichstagsakten«, die seit Ende des vergangenen
Jahrhunderts ediert wurden 3 9 .
Der Reichstag von Augusburg, der vom 18. April 1518 bis
zum 20. September 1518 dauerte, war der letzte Reichstag, zu
dem Kaiser Maximilian aufgerufen hatte. In der Ausschreibung las man den Wunsch, wegen Aufruhrs in Deutschland
und der Türkengefahr zu Beschlüssen zu gelangen. Sein
Hauptanliegen jedoch lag darin, die Wahl seines Enkels Karl
zum römischen König vorzubereiten, und dies hatte er
wohlweislich in der Ausschreibung verschwiegen. Denn es
war ganz und gar nicht sicher, daß dem habsburgischen
Hause die Königs- bzw. Kaiserwürde erhalten bliebe.
Die pfälzische Seite war seit dem Ende des bayerischen
Erbfolgekrieges 1505, das auf dem Reichstag zu Köln herbeigeführt wurde, mit Habsburg sehr unzufrieden. Damals zog
Kaiser Maximilian u. a. die Landvogtei Hagenau an sich, doch
wurde ein Teil des Erbes abgetrennt und als Herzogtum
Neuburg den Verlierern zuerkannt. Der Wahl eines Habsburgers zum Kaiser standen die Pfälzer sehr zurückhaltend
gegenüber und fürchteten deren Übermacht. Deshalb hatte
sich der regierende Kurfürst Ludwig an Frankreich angelehnt. Er war am französischen Hof erzogen worden 4 0 und
neigte daher dazu, dem französischen König Franzi, seine
Wahlstimme zu geben.
45
Reinhart von Neuneck befand sich in einer unglücklichen
Lage. Seine Familie, vor allem sein Bruder Hans Oswald,
vertrat die Sache der Reichsritterschaft, die auf das Wohlwollen und die Privilegien des Kaisers angewiesen waren. In
seiner Argumentation konnte sich der Junker nicht ausschließlich auf die Seite Maximilians schlagen, um nicht seine
Stellung am Pfälzer Hof aufs Spiel zu setzen.
Reinhart von Neuneck versuchte nun die Vermittlung, und
sie hatte zuerst bei Pfalzgraf Friedrich Erfolg. Dieser fand
sich auf Zureden Mitte Juni 1518 am kaiserlichen Hof ein und
versöhnte sich mit Maximilian. Der Pfalzgraf war nun entschlossen, mit seinem Haushofmeister auf den Kurfürsten
einzuwirken, um in der Kaiserfrage einen Meinungswechsel
herbeizuführen. Ludwig wurde bei der Jagd in Dilsberg
angetroffen. Dort argumentierten Friedrich und Reinhart mit
den Vorteilen, die Kaiser Maximilian gewähren könne;
ebenso wiesen sie darauf hin, daß Franz I. doch ein unsicherer
Freund sei. So kam es dann, daß Ludwig am 25. Juli 1518 in
Augsburg eintraf.
Gelohnt hatte sich dieser Weg für die pfälzische Partei in
hohem Maß. Am 29. August 1518 fanden die Verhandlungen
des Kaisers und der pfälzischen Brüder ein Ende. Die Pfalz
erhielt eine großzügige Entschädigung für die Verluste aus
dem Erbfolgekrieg, weiter erhielten die kurpfälzischen Fürsten aus dem Wahlfond des Jakob Fugger große Summen.
Der britische Gesandte berichtete darüber an den Lordkanzler Wolsey in London 4 1 . Karl habe 1500000fl. bar ausgegeben. Der Kurfürst soll 139000 fl., Räte und Diener 8000 fl.,
Pfalzgraf Friedrich und sein Hofmeister Reinhart von Neuneck sollen zusammen die Summe von 3 7100 fl. erhalten
haben 42 . Die Summe, die an Pfalzgraf Friedrich und Reinhart
von Neuneck gegangen sein soll, muß jedoch überprüft
werden. Diesbezüglich stellte von Pölnitz fest 43 : »Der Posten
der pfalzgräflichen Abrechnung umfaßte 37108 Gulden in
folgenden Teilbeträgen: Anzahlung der Hälfte der ihm zugesagten Konfiskation von 20000 Dukaten, also 13333 Gulden
sowie 5000 Gulden Jahrespension. Das waren die eigentlichen Geschenke, zu denen sich der Unkostenersatz gestellte
mit 6000 Gulden für 280 Pferde, die er ein Vierteljahr lang zur
Verfügung hielt, 3000 Gulden für zwei spanische Reisen samt
2000 Gulden Reisevorbereitungen. Endlich erhielt Pfalzgraf
Friedrich restliche 5666 Gulden an einem Betrag von 8500
Dukaten abgetragen, den ihm Karl schuldete.«
Aufgrund dieser Zahlungen wurde ermöglicht, daß nun auch
der Kurfürst von der Pfalz, zusammen mit sechs übrigen
Kurfürsten, die ebenfalls Gelder und Rechte zugewiesen
bekommen hatten, Karl einstimmig am 28. und 29. Juni 1519
zum Deutschen König wählten.
Reinhart von Neuneck hatte die Reiterei des Pfalzgrafen mit
280 Pferden unter sich. Nun, da Friedrich eine solch große
Summe aus dem fuggerschen Fond erhalten hatte, wäre es
möglich gewesen, daß er sich seinem Diener gegenüber
einmal großzügig verhielte. Dies scheint jedoch nicht der Fall
gewesen zu sein - mehr als seine Besoldung hatte der Junker
aus Glatt offenbar nicht erhalten.
Wie lange und wie häufig sich Reinhart in der eigenen
Herrschaft Glatt oder in Lauingen aufgehalten hat, ist bisher
nicht deutlich geworden. Nach Angaben Ottmars ist er 1518
für einige Zeit in Glatt anzutreffen gewesen, wohin sich der
junge Pfalzgraf Philipp wegen einer Epidemie zu Freiburg
geflüchtet hatte 44 .
Wo sich Reinhart zwischen dem April 1519 und dem Frühjahr 1521 befand, läßt sich vorläufig nicht genau sagen; ob auf
seiner Stelle als Pfleger in Lauingen, am Hof Friedrichs oder
in Glatt. Während des Reichstages zu Worms 1521 war
Reinhart dort präsent, doch nur für die ersten drei Monate,
weil er danach auf eine lange Reise gehen wollte. Im Frühjahr
46
reihte sich der Hofmeister in die Schar der Wallfahrer nach
Jerusalem ein. War es eine zeitbedingte Mode, der er folgte?
War Reinhart Wallfahrer aus Frömmigkeit? Als Hofbeamter
konnte er nicht Urlaub nehmen wie er wollte. So hatte er dann
die Genehmigung seines Vorgesetzten erhalten, die jungen
Pfalzgrafen Ottheinrich und Philipp ins Heilige Land zu
begleiten. Wie die Umstände während dieser Fahrt beweisen,
war sie weniger Auftrag als Belohnung für Reinharts Dienste,
die von Friedrich hoch eingeschätzt worden waren.
Stufe um Stufe war der Niederadelige aus Glatt auf der
politischen Karriereleiter emporgestiegen. Zu größerer Selbständigkeit konnte er es nie bringen, da jenes Streben nach
größerer Unabhängigkeit an den realen Verhältnissen
gescheitert wäre, wie das Schicksal des Franz von Sickingen
oder des Götz von Berlichingen später bewiesen hat. Doch es
mußte für Reinhart ein persönlicher Triumph gewesen sein,
neben oder auch nur hinter den jugendlichen Pfalzgrafen die
Grabeskirche in Jerusalem zu betreten.
Ottheinrich hatte diese Fahrt schon als 13jähriger Knabe 1515
angetreten 45 ; von Lauingen war er am 15. April damals
aufgebrochen. Jetzt, 1521, wurde sie ebenfalls dort am
21. April begonnen, und dort traf die Pilgergruppe am
1.Dezember 1521 wieder ein 46 . Mitden beiden jungen Herrn
erhielt Reinhart Ende Juli 1521 in der Grabeskirche den
Ritterschlag 47 .
Anmerkungen
1
Jobann Ottmar, Die Grabmäler der Familie von Neuneck in der
Pfarrkirche in Glatt, Glatter Schriften Nr. 1, Sulz 1979, S. 16.
2
Franz Xaver Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch,
Hechingen 1928, S. 180.
3
Stadtarchiv Villingen, Rodersches Repertorium (Q 12a) 759.
4
/ . Kindler von Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 1,
S. 490-492.
5
Job. Ottmar, Die Burg Neuneck und ihr Adel, Göppinger Akademische Beiträge 1974, Nr. 84, S.217.
6
Kindler von Knobloch, wie Anm. 4, S. 6.
7
Johann Ad. Kraus, Zur Geschichte von Glatt und der Herren von
Neuneck, HJh 1962, S. 92.
8
Diese und die nachfolgenden Ausführungen stützen sich auf
Fürstenb. Urkb. B. 7, S. 100.
' Othmar Rotenbacher, freier Landrichter in der Baar, bekundete
die Auflösung der Gütergemeinschaft. Locher, Reg., S. 169,
Anm. 8.
10
FUB, Bd. 7, S.100.
11
Die Familie von Gundelfingen brachte berühmte Rittergestalten
hervor. Ihr Name fand sich an zahlreichen Plätzen, u. a. stand der
Name des Geschlechts für Nieder- und Hohengundelfingen im
Lautertal auf der Schwäbischen Alb. Seit dem Beginn des 12. Jhs.
waren die Gundelfinger bekannt. Mitte des 15. Jhs. war Hayingen
in der Hand der Brüder Wilhelm und Degenhart. Degenharts Sohn
Wilhelm von Gundelfingen war 1488 Satzbürgerin Rottweil, 1494
Bürger in Villingen. Er heiratete eine Agathe Sütterlin. An wichtiger Stelle war Schweighart von Gundelfingen tätig: er nahm 1499
die Position eines Domherrn zu Konstanz wahr. Kindler von
Knobloch, S. 490-92.
12
Kindler von Knobloch, wie Anm. 4, S. 491.
13
Job. Ad. Kraus, wie Anm. 7, S. 92.
14
Sebastian Locher, Die Herren von Neuneck, Urkundlicher Nachweis ihrer Glieder und Besitzungen, Schnellpressendruck Sigmaringen 1884, S. 184; künftig zit. unter »Regesten«.
15
Dieter Hellstem, Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, Veröff.
des Stadtarchivs Tübingen 5, 1971, S. 11.
16
FUB, Bd. 7, S. 100; FAS-Glatt, altes Repertorium, Rubr.5, 2,
Eintrag N r . 308, pag. 92v; Locher, Regesten, S. 189.
17
Job. Ad. Kraus, wie Anm. 7, S. 90.
18
Locher, Regesten, S. 177.
19
Ders., ebd., S. 182.
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
FUB, Bd. VII, Urk. Nr. 212, S. 358-361.
Die Chronik der Grafen von Zimmern, Hg. Hansmartin DeckerHauff, unter Mitarbeit von Rudolf Seigel, Band 1, Konstanz und
Stuttgart, S. 243-327.
Die Chronik der Grafen von Zimmern 1, S. 330; Locher, Regesten,
S. 185 mit Anm. 8.
Wie Anm. 5.
Wie Anm. 5.
Siehe Fehdeverbot v. 1495.
Die Chronik der Grafen von Zimmern 1, S. 333.
Ebd., S. 344-350.
Meyers Enzyklop. Lexikon 25, Stammtafel der Wittelsbacher,
S. 447.
Johann Ottmar, Burg Neuneck, S.225.
Meyers Enzyklop. Lexikon 10, S. 100.
FAS-Glatt, 40, 22 -Joh. Ottmar, Burg Neuneck, S.224f.; Locher,
Regesten, S. 186. Elisabeth starb noch 1504. Als Waisen ließ sie
Ottheinrich (1502-1559) und Philipp (1503-1548) zurück.
Locher, Regesten, S. 190.
FAS-Glatt, 5, 2, Nr. 259, pag. 77r. Dieses Archivregister wurde
nach Reinharts Tod erstellt und enthält eine Fülle von Material, das
in den Originalen häufig nicht mehr zu finden ist. Locher bezeichnete dieses Buch als »Altes Repertorium«.
34
Locher, Regesten, S. 186, Anm. 4; Friedrich, der von 1482-1556
lebte, trug den Beinamen der Weise. Er war als ein galanter Mann
bekannt und lebte in seiner Jugend an den Höfen in den Niederlanden, Frankreich und Spanien. 1508 diente er Maximilian gegen
Venedig und danach König Karl in Brüssel.
35
FAS-Glatt, 5, 2; Eintrag N r . 243, pag. 73v.
36
Locher, Regesten, S. 193.
37
Joh. Ottmar, wie Anm. 5, S.225; FAS-Glatt, 143, 21.
38
Lauingen war Sitz der Regierung und Verwaltung im Gebiet von
Pfalz-Neuburg/Bayern, bei Dillingen, nördlich des Donaurieds
gelegen.
39
Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe in acht Bänden, bearbeitet von August Kluckhohn 1893, Adolf Wrede 1901, Johannes
Kühn 1935, Göttingen ab 1962.
40
Deutsche Reichstagsakten, Bd. I., S.23.
41
Deutsche Reichstagsakten, Bd. I, Nr. 386.
42
Ebd., Anm. 3, Zeile 24-37.
43
G. v. Pölnitz, Jakob Fugger, Band 2, S.418, Kaiser, Kirche und
Kapital, Tübingen 1949-1951.
44
Joh. Ottmar, wie Anm. 5, S. 225.
45
Dt. Rtg-A. II, Nr. 224, Anm. 2, Zeile 26.
46
wie Anm. 5.
47
Joh. Ottmar, wie Anm. 5, S. 225.
(Fortsetzung folgt)
J O H A N N A D A M KRAUS
Freundsbürgle, Schnattere und Lägstein
A. Durch einen mächtigen Graben vom Bereich des Seeheimer Berges der Ringinger Markung des Heufeldes oberhalb
von Jungingen wird eine Ecke abgeschnitten, an deren äußersten bzw. tiefst liegender Stelle der Grenzstein des Jahres
1584 steht. Sie heißt im Volk, jedenfalls seit Jakob Barths
Ringinger Schulchronik 1867 »Eineck«, wie heute auch auf
der Landkarte steht. Die Stelle wird jedoch in einer Erneuerung des Fürstenbergischen Besitzes von 1545 Freundsbürgle, in einer anderen Fassung »Frundspürglin« genannt.
Barth kam zu dem Namen Eineck durch das Ringinger
kirchliche Jahrtagsbuch 1 , in dem von einer Veronika von
Eineck die Rede ist, verwechselt jedoch in Wirklichkeit mit
einer Frau »von Neuneck«, die dem bekannten Adelsgeschlecht der Glatter Gegend angehört: »vom Neuen Eck«.
Diese Frau Veronika von Neuneck verkaufte 1513 ihre
Rechte und Burgstelle am Seeheimer Berg mit Zustimmung
ihres Vetters Peter Schwelher von Straßberg an die Gemeinde
Ringingen 2a . Freunds- oder Frunspürglin war also der alte
Name! N u n lesen wir in der Geschichte der Truchsessen von
Ringingen 2 , die sich früher »von Urach« nannten schon von
einem Heinrich Truchsess von Urach, genannt »Freunt«. Er
wird als Dienstmann der Grafen von Helfenstein 1293 aufgeführt, die auch im Jahr 1292 einen Notar Ulrich von Ringingen beschäftigten. Dieser mag gelehrter Sproß einer bürgerlichen Familie unseres Ringingen in geistlichem Stande gewesen sein. Nach 1292, wo letztmals eine Urkunde des hochadeligen Eberhard von Ringingen-Entringen, dem kinderlosen,
vorkommt, finden wir dann 1303 die Gestalt einer Magdalena, Truchsessin von Ringingen, geborene von Hornstein.
Sie ist Gattin des Truchsessen Kun von Urach (1342 von
Ringingen), der mit den Bisinger Herren zusammenhängt 3 .
N u n scheint der genannte Truchsess Heinrich mit dem
Beinamen »Freunt« den Namen »Freundsbürgle« auf einfache Weise erklären zu können, wenn er eben auf dem späteren
»Eineck« seinen Sitz hatte und das Bürgle nach ihm benannt
wurde! Die Befestigung oder Burg kann jedoch schon längst
vor ihm bestanden haben.
B. »Schnattere« heißt die Turmruine über Erpfingen (jetzt zu
Sonnenbühl gehörend), die um 1912 an das Haus Württemberg geschenkt wurde. Sie steht in Richtung zum hohenzolle-
rischen Holnstein (= Stein mit Höhle) bei Stetten. Eine
andere Burg stand einst bei der heutigen Kirche. Der Name
Schnatteren dürfte dem Volkswitz zu verdanken sein. Ein
Hans von Salmendingen hat im Jahr 1358 beim Verkauf
anderer Güter in Erpfingen sich die Burg Schnatren vorbehalten 4 . Man mag vermuten, daß auf dem noch erhaltenen stark
abgerundeten Bergfried, einst die Bewohner in ihrem hohen
Sitz zum Plappern, Schwätzen oder Schnattern sich so laut
unterhielten, daß die Dorfbewohner es oft hörten. Beweise
gibt es freilich nicht. Merkwürdigerweise nennt man in der
Mundart (z.B. im nahen Ringingen) die hohlen Stengel
unserer Zwiebeln »Zibla-Schnattera«. Sollte da ein Vergleich
des stark gerundeten Turmes mit dem Zwiebelkraut gezogen
worden sein? 5
C. Das heutige Gauselfinger »Schlössle« auf steilem Felsen
überm westlichen Kohltäle ist teils irrig als Reckstein, dann
wieder als Leckstein überliefert. Der kleine Uberhang in
Richtung zum Dorf ist doch kaum ein Leck oder gar Loch!
Vielmehr wußte Dr. Michel Buck, daß »Läg« eigentlich
Abhang bedeutet, also man an einen Felsenstein am Abhang
denken muß 6 . Hierher gehört vermutlich auch die Burgruine
»Läglen« im Donautal. An eine »Lägel«, ein kleines Fäßchen
von lat. lagella oder griech. lagynos ist kaum zu denken.
Durch das erwähnte Kohltäle (in Richtung Burladingen)
kommt man zu einer felsigen breiten Anhöhe mit deutlichen
Burgresten, die der Volksmund spaßig »Hasenfratz« heißt.
Es dürfte sich jedoch um die alte Burg Schirmberg der Herren
Speth des 14.-15. Jahrhunderts handeln: Ein Schirm für das
Schlößle Lägstein und das Dorf Gauselfingen.
Anmerkungen:
1
Mitt. Hohenz. 1931, 67 wo der Grenzverlauf beschrieben ist.
Hohenz. Jahresheft 1952, 76, 77.
2a
Ebenda 1938, 139
3
Festschrift »1200 Jahre Bisingen« 1987, 24 f.
4
Mitt. Hohenz. 1898, 75
5
Anmerkung der Schriftleitung: Im »Schwäbischen Handwörterbuch »von H.Fischer u. H.Taigel S. 361 heißt es: Schnattere
= Schnittzwiebel. Demnach wurde wohl der hohe Bergfried mit
einem Zwiebelstengel verglichen.
6
H . H . 1969 Anhang S.4 und H . H . 1970, 73.
2
47
Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen
M 3828 F
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.
Burg der Herren von Meidelstetten
entdeckt
In der Gütergeschichte des Klosters Weißenau (b. Ravensburg) kommen ein Ritter Rodger von Meidelstetten und sein
Sohn Heinrich vor. Meidelstetten ist dem hohenzollerischen
Dorf Steinhilben benachbart und gehört heute zur Gemeinde
Hohenstein. Bisher gab es weder in der Literatur, noch durch
Flurnamen einen Hinweis auf eine Burg auf Markung Meidelstetten. Ein Felsen (Reifenbrünnlesfels) nördlich des Ortes
wurde in der mündlichen Uberlieferung als Platz einer abgegangenen Burg bezeichnet. Dies wurde jetzt von Herrn
Christoph Bizer, dem derzeit wohl besten Kenner der Burgen
auf der Alb, bestätigt. Er fand nicht nur den Verlauf der
Burgmauern, sondern als Oberflächenfunde auch 321 Bruchstücke von Geschirr- und Ofenkeramik. Spätestens um die
Mitte des 12. Jahrhunderts muß die Meidelstetter Burg entstanden sein. Möglicherweise ging sie schon im gleichen
Jahrhundert wieder ab. Für die kurze Existenz dieser Burg
spricht auch das Fehlen eines örtlichen Burgnamens und der
völlige Mangel an Hinweisen in der schriftlichen Uberlieferung. (Blätter des Schwäbischen Albvereins Heft 4-1987) B.
Buchbesprechungen
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Herausgegeben vom Schwäbischen Albverein. 219 Seiten mit
zahlreichen Zeichnungen und mehrfarbiger Wanderkarte.
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mit dem günstigen Format, die Mitnahme des Büchleins auf
Wanderungen zum Vergnügen macht. Bemerkenswert sind
die einleitenden Kapitel, welche einen Einblick in die Geologie, Flora, Fauna, Geschichte, Land- und Forstwirtschaft des
Bereiches geben. In 60 Rund- und 7 Streckenwanderungen
wird das Wandergebiet erschlossen. Neben der Beschreibung
der Wanderwege findet man viele Hinweise auf kulturelle
und historische Zeugnisse. Der Text ist durch zahlreiche
hübsche Zeichnungen von Julius Untterweiler aufgelockert.
Dem gelungenen Wanderführer ist eine weite Verbreitung zu
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Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg
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Vor kurzem erschien der sechste Band dieser neuen und man
darf wohl sagen, schon sehr beliebten Reihe. Der Band ist 50
Seiten stärker geworden als sein Vorgänger und enthält 102
Berichte über Ausgrabungen in Baden-Württemberg. Auch
1986 waren es zum größten Teil Rettungsgrabungen, die durch
Bauarbeiten notwendig geworden sind. Geplante Grabungen
mußten oft zurückgestellt werden, um wichtige Kulturdenkmäler vor der endgültigen Zerstörung zu bewahren.
Eine der wichtigsten Entdeckungen dürfte der alamannische
Friedhof bei Lauchheim im Ostalbkreis sein. In dem, durch
Baumaßnahmen bedrohten Gräberfeld, konnten besonders
reiche und schöne Funde gemacht werden. Auch in den
großen römischen Siedlungen des Landes (Rottweil, Rottenburg, Ladenburg) wurde 1986 gegraben. Im Federseegebiet
gingen die Ausgrabungen in der bronzezeitlichen Moorsiedlung Forschner (Bad Buchau) weiter. In der neu entdeckten
Moorsiedlung Täschenwiesen, Gemeinde Alleshausen, wurden erste Probegrabungen gemacht.
Einzige Grabung im hohenzollerischen Bereich war die
weitere Untersuchung des römischen Kastellvicus bei Burladingen. Es handelt sich um das Gebiet der beiden Parkplätze
in unmittelbarer Nähe der Wasserscheide. Die aufgedeckten
Siedlungsreste gehören zu vier Bauperioden, drei ältere in
Holzbauweise und die jüngste in Stein. Die ältere Bebauung
war ziemlich dicht, während die Steingebäude locker gestreut
war. Es wurden drei größere Steingebäude angeschnitten,
über deren Verwendung sich jedoch nichts sagen läßt. Durch
die Siedlung ging eine römische Straße, deren Fortsetzung
nördlich der B 32 auf eine Länge von 8 Metern aufgedeckt
wurde. Der Straßenkörper war 3,50 m breit und aus Kalkbruchsteinen aufgeschüttet. Die Randbegrenzung bildeten
grob zugehauene, senkrecht gesetzte Quader.
Das umfangreiche Fundmaterial der Grabung ist natürlich
noch nicht ausgewertet. Vorläufig läßt sich jedoch sagen, daß
die Zivilsiedlung mit dem Kastell um 80 n. Chr. angelegt
wurde. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts wurde die Holzbebauung durch Steingebäude ersetzt, wobei ein deutlicher
Rückgang der Siedlung festzustellen ist. Die Zerstörung
erfolgte wohl in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts
durch die Alamanneneinfälle. Die Grabungen ergaben dafür
aber keine Anhaltspunkte.
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Die Autoren dieser Nummer:
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern
und der angrenzenden Landesteile mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär
gehaltene Beiträge.
Bezugspreis: 8.00 DM jährlich.
Konto der »Hohenzollerischen Heimat«:
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(BLZ 65351050).
Druck:
M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.,
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Pfarrer Johann Adam Kraus
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Dr. Herbert
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Schriftleitung:
Dr. med. Herbert Burkarth,
7487 Gammertingen Telefon 07574/4211
Die mit Namen versehenen Artikel geben die
persönliche Meinung der Verfasser wieder;
diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge
verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet.
Manuskripte und Besprechungsexemplare
werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten.
Veit-Jung-Straße 13a, 8430 Neumarkt
Karl Werner Steim
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Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiter zu empfehlen.
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Werbeplakat der Hohenzollerischen
Herausgegeben vom
Hohenzollerischen Geschichtsverein
37. J a h r g a n g
N r . 4 / D e z e m b e r 1987
Landesbahn aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg (Ausschnitt).
WILFRIED S C H O N T A G
Die Hohenzollerische Landesbahn und die Entwicklung der gewerblichen
Wirtschaft in den ehemaligen Hohenzollerischen Landen
Das 19. Jh. ist das Jahrhundert des Eisenbahnbaues. So wie
heute von Technologietransfer, High tech und Ausbau des
Telekommunikationsnetzes gesprochen wird, redete man
damals vom Eisenbahnbau als einer der wesentlichsten Strukturmaßnahmen für eine umfassende volkswirtschaftliche
Entwicklung. Einige Beispiele sollen uns in unser Thema
einführen.
Als die beiden Hohenzollerischen Fürstentümer 1850 in
preußische Verwaltung übernommen wurden, bereisten
zahlreiche hohe Beamte und Fabrikanten das Land, um die
wirtschaftliche Situation zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. In seinem Gutachten stellte um
1852 der Fabrikant Reichenheim fest, daß es in Hohenzollern
an Eisenbahnen fehle. Daher sei die Gründung von Fabriken
nicht möglich. Wasserkraft, Holz, Grund und Boden und
Arbeitskräfte seien billig zu haben, der Landtransport von
Rohmaterialien sei jedoch zu teuer. Zur gleichen Zeit forderten die hohenzollerischen Bauhandwerker in einer Petition
den Anschluß an das württembergische Eisenbahnnetz.
Landwirtschaft, Handel, vor allem aber die Gewerbetreibenden könnten sonst nicht mit der ausländischen Konkurrenz
mithalten.
Ein anderes Beispiel: Nachdem 1879 im Fürstl. Hohenzollernschen Hüttenwerk Laucherthal die Verhüttung des
Bohnerzes aufgegeben worden war, mußten das Roheisen
importiert und die Fertigprodukte über weite Entfernungen
transportiert werden. In den 90er Jahren des 19. Jh. war die
Produktion so umfangreich geworden, daß die erforderlichen
Fuhrwerke kaum noch aufzutreiben waren. Auch waren die
Straßenverhältnisse diesem Schwerlastverkehr per Pferdewagen nicht mehr gewachsen. 1895 und 1897 reichten die Orte
des Laucherttals Bittschriften zum Eisenbahnbau ein, das
größte Interesse daran hatte jedoch das Hüttenwerk. Als erste
Strecke der vom Hohenzollerischen Kommunallandtag
beschlossenen Stichbahn wurde daher auch im Juni 1899 die
Strecke Sigmaringendorf-Laucherthal-Bingen begonnen und
am 28. März 1900 eröffnet. Die Hütte hatte damit einen
Bahnanschluß an die Reichsbahnstrecken Ulm-Donaueschingen bzw. Sigmaringen-Tübingen-Stuttgart erhalten.
Mit dem Zeitpunkt der Eröffnung der Strecke begann für das
Hüttenwerk Laucherthal eine neue Epoche. Und zum letzten
Beispiel, dem Salzwerk Stetten bei Haigerloch.
Im Jahresbericht der Zentralstelle des Vereins zur Beförderung der Landwirtschaft und der Gewerbe von 1898 heißt es
(S. 19): »Das einzige Bergwerk in Hohenzollern, Stetten bei
Haigerloch, kämpft mit herabgehenden Preisen und sinkendem Absatz infolge seiner Lage abseits des Bahnverkehrs«.
Seit der Aufnahme der Produktion litt der Geschäftsgang des
Bergwerks und der, Saline unter der schlechten Verkehrsanbindung. Wegen dieser ungünstigen Lage wurde schon Mitte
der 70er Jahre des 19. Jh. ernsthaft erwogen, das Werk wieder
zu schließen. Die württembergische Obere Neckartalbahn
brachte zwar eine gewisse Verbesserung, verschlechterte aber
andererseits die Absatzchancen, da die konkurrierenden
württembergischen Salinen Sulz und Rottenmünster bessere
Anbindungen an die Eisenbahn erhielten. Das in Stetten
gewonnene Salz oder die Hallerde, ein Dünger, wurden per
Pferdefuhrwerk direkt zum Abnehmer oder zum württembergischen Bahnhof in Eyach transportiert, ab 1869 auch zum
Bahnhof in Hechingen. Eine grundlegende Verbesserung trat
erst 1901 mit der Inbetriebnahme der Landesbahnstrecke
Stetten-Eyach und 1912 mit der Strecke Stetten-Hechingen
ein. Wie stark der Eigentümer des Salzwerkes, der preußischen Bergfiscus, am Bahnbau interessiert war, zeigt, daß er
sich 1899 mit 24000 Mark an den Grunderwerbskosten für
den Eisenbahnbau beteiligte.
Der Kundige hat sicherlich schon den Bogen in die Gegenwart geschlagen. Die damals größten Massengutlieferanten
sind es auch heute noch: Im Wagenladungsverkehr wie
Stückgutverkehr sind die Wacker-Chemie München, Salzwerk Stetten, und die Fürstlich Hohenzollernsche Hüttenverwaltung Laucherthal die beiden großen Kunden der Landesbahn, hinter denen alle anderen zurückstehen.
Doch zurück zu den Anfängen des Eisenbahnbaus im 19. Jh.,
der die Verkehrsströme auch in unserem Land beträchtlich
verändert hat. Von den hohenzollerischen Orten lag allein
Hechingen an einer international bedeutenden Nord-SüdVerbindung von Stuttgart nach Schaffhausen bzw. Konstanz,
der sogenannten Schweizerstraße. Um 1850 versuchte die
württembergische Regierung, den Verkehr von Tübingen
über Rottenburg, Horb, Sulz nach Rottweil und Tuttlingen
zu leiten, also um Hohenzollern herum. Die Beibehaltung der
50
alten Straßenführung wurde aus preußischer Sicht als Lebensfrage angesehen. Diese Nord-Süd-Verbindung besaß also für
die Entwicklung von Hechingen größte Bedeutung.
Das übrige Hohenzollern lag um die Mitte des 19. Jh. verkehrsfern zwischen den überregionalen württembergischen
und badischen Eisenbahnen, die im Osten von Ulm über
Aulendorf nach Friedrichshafen und im Westen im Rheintal
verliefen. Zwischen Aulendorf und Freiburg entwickelte sich
über Sigmaringen, Donaueschingen ein starker Post- und
Straßenverkehr, der später von einer Eisenbahnstrecke aufgenommen wurde.
Die Gewerbetreibenden in Hohenzollern standen vor komplizierten Transportproblemen. Die Gammertinger Tuchfabrikanten ließen z.B. die Baumwolle über die Rheinhäfen
bis nach Cannstatt verschiffen, von dort mußten die Ballen
mit dem Pferdefuhrwerk über die Alb nach Gammertingen
gebracht werden. Ein anderer Lieferweg erfolgte mit der
Eisenbahn von Stuttgart über Ulm nach Aulendorf und von
dort mit dem täglichen Postkurs nach Sigmaringen.
Die Eisenbahnferne hatte negative Folgen für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe. Es waren daher vor allem
Inhaber der größeren Betriebe, die sich verstärkt nach 1870/
80 für einen Anschluß an das überregionale Eisenbahnnetz
einsetzten. Diese Kreise - beispielhaft seien aus dem Haigerlocher Raum der Fabrikant Meyer von der Spinnerei Karlstal
bei Haigerloch, der Brauereibesitzer Zöhrlaut aus Haigerloch, der Badbesitzer Stumpf aus Imnau oder der Preußische
Bergfiscus als Eigentümer des Salzwerks Stetten genannt - ,
waren die treibenden Kräfte bei den in allen Landesteilen
entstehenden Eisenbahnkomitees, sie spendeten namhafte
Geldbeträge für die politische Agitation und die Vorbereitungsarbeiten wie auch den Eisenbahnbau selbst.
Nachdem ich mehrfach von dem badischen und württembergischen Eisenbahnbau gesprochen habe, gilt es jetzt, den
Bau der Hohenzollerischen Landesbahn in diese Entwicklung einzuordnen.
Im Königreich Württemberg wie im Großherzogtum Baden
war der Eisenbahnbau wie das gesamte Verkehrswesen überhaupt eine Angelegenheit des Staates, eine politische und
strukturpolitische Maßnahme, über die die Regierungen und
die Parlamente entschieden. Nationalstaatlicher Egoismus
drückte sich daher in der Linienführung der Eisenbahnen aus.
Jedes Land berücksichtigte in erster Linie seine Interessen.
Nachdem in einer ersten Bauphase von 1840-1854 in beiden
Ländern Nord-Süd-Verbindungen hergestellt worden
waren, - für unsere Fragestellung ist die Linie Stuttgart-UlmAulendorf-Friedrichshafen von Bedeutung - folgten in einer
zweiten Bauperiode von 1855-1864 erste Verzweigungen, so
die Neckanalbahn Reutlingen-Tübingen-Eyach. In der dritten Bauperiode von 1865 bis 1874 erfolgte der intensive
Ausbau. Wichtig für unseren Raum waren die Linien UlmRiedlingen-Sigmaringen (1873 eröffnet) und TübingenHechingen (1869 eröffnet) die 1874 bis Balingen weitergeführt wurde. Für diese Bauten war am 3. März 1865 ein
Staatsvertrag zwischen Preußen und Württemberg geschlossen worden, der es zuließ, daß die württembergische Eisenbahn auch über preußisches Gebiet geführt werden konnte.
Als Gegenleistung für die Erlaubnis, die württembergische
Neckartalbahn von H o r b nach Süden über hohenzollerisches
Gebiet weiterbauen zu können, verpflichtete sich Württemberg, die Hohenzollernbahn von Tübingen über Hechingen
nach Sigmaringen zu errichten. Da Württemberg für alle
Baukosten aufkam, bestimmt es auch die Streckenführung.
Wurde 1869 die Eröffnung der Strecke Hechingen-Tübingen
als »Anschluß an die Welt« gefeiert, so kam die Ernüchterung
wenige Jahre später, als die Streckenführung über Balingen,
Ebingen nach Sigmaringen weite Gebiete Hohenzollerns
ohne Bahnanschluß ließ. Der Strecke Tübingen-Balingen
wurde bis zum Jahr 1899 ein Bestandsschutz eingeräumt, so
daß Württemberg bis dahin den Bau jeder konkurrierender
Bahnlinien unterbinden konnte.
Im Staatsvertrag mit Baden vom 3. März 1865 wurde Sigmaringen mit dem badischen Eisenbahnnetz verbunden, diese
Entwicklung muß hier außeracht bleiben.
In den weiteren Bauperioden der württembergischen Eisenbahnen wurden für Hohenzollern wesentliche Linien gebaut
(Balingen-Ebingen-Sigmaringen 1878, Sigmaringen-Inzigkofen-Tuttlingen 1890), eine Linie durch das Land fehlte jedoch.
Auf diesem Hintergrund sind die Bestrebungen zu sehen,
eine Hohenzollern erschließende Eisenbahn zu erhalten, da ja
alle bisherigen Linien das Land umfuhren oder nur kreuzten.
Das preußische Kleinbahngesetz von 1892 eröffnete hierfür
den rechtlichen Rahmen, so daß auch in Hohenzollern,
ähnlich wie in Baden und Württemberg bis zum 1. Weltkrieg
zahlreiche Nebenbahnlinien gebaut werden konnten. Diese
Bahnen erschlossen die letzten eisenbahnfernen Gebiete und
sollten vor allem dem Lokalverkehr dienen. Die Entwicklung
des Eisenbahnbaues verlief also in Hohenzollern vergleichbar
der in anderen Regionen.
Aus hohenzollerischer Sicht wäre zuerst eine Eisenbahnverbindung nach Reutlingen wünschenswert gewesen. Reutlingen war für die Webereien und die Textilindustrie ein wichtiger Umschlagplatz gewesen, daher wurde die Verbindung
Sigmaringen-Gammertingen-Engstingen-Reutlingen seit den
60er Jahren angestrebt. Den württembergischen Interessen
entsprach dies jedoch nicht. Nachdem der Eisenbahnbau
durch den Staatsvertrag von 1865 in württembergische Hände
gelegt worden war, konnten die hohenzollerischen Eisenbahnkomitees nichts durchsetzen.
Der Hohenzollerische Landeskommunalverband gründete
1896 die Hohenzollerische Kleinbahn AG deren Kapital zu
50% beim Preußischen Staat, zu 25% beim Landeskommunalverband und zu 25% bei der Westdeutschen Eisenbahngesellschaft lag, die den Bau vornehmen und den Betrieb der
Kleinbahn übernehmen sollte. Als Anreiz gewährte der Landeskommunalverband der Westdeutschen Eisenbahngesellschaft eine Zinsgarantie von 3,5%. Am 18. Juni 1907 nahm die
Gesellschafterversammlung eine Namensänderung
in
»Hohenzollerische Landesbahn AG« vor.
Die Bauarbeiten wurden rasch in Angriff genommen. Am
28. März 1900 konnte die Stichbahn Sigmaringendorf-Bingen
eingeweiht werden, 1901 drei weitere Strecken, 1908 und
1910 folgten die wichtige Verbindung über Burladingen,
Gammertingen-Hanfertal nach Sigmaringen, am 24. Dezember 1912 wurde das letzte Stück zwischen Stetten und
Hechingen eingeweiht. Von der 107 km langen Strecke
verliefen nur 15 km über württembergisches Territorium. Die
Baukosten betrugen rund 8 563000 Mark. 1927 schied die
Westdeutsche Eisenbahngesellschaft als Betreiber aus, der
Landeskommunalverband übernahm den Betrieb in eigener
Regie. Auch die Kreisreform überlebte die Hohenzollerische
Landesbahn, so daß heute das Land Baden-Württemberg
71,8% des Kapitals, und der Landkreis Sigmaringen und der
Zollernalbkreis je 14,06% innehaben.
An dieser Stelle ist daran zu erinnern, daß viele Menschen am
Zustandekommen der Hohenzollerischen Landesbahn beteiligt waren, daß aber ein Mann zu nennen ist, der als der Vater
der Hohenzollerischen Landesbahn bezeichnet werden muß:
Landesbaurat Max Leibbrand. Neben den finanziellen löste
er vor allem die technischen Probleme, die der Eisenbahnbau
durch die,Hochtäler der Alb mit sich brachte. Als Brückenbauspezialist meisterte er die Schwierigkeiten. Von 1899 bis
1923 war er ehrenamtlicher Vorstand der Hohenzollerischen
Landesbahn, ein Zeichen für seine herausragenden Verdienste um die Landesbahn.
Die Hohenzollerische Landesbahn sollte zwei wesentliche
Funktionen erfüllen. Sie sollte Verkehrsmittel für den Binnenaustausch von Waren und für den Personenverkehr, vor
allem den Berufsverkehr innerhalb des Landes sein. Diese
Erwartungen erfüllten sich nicht ganz. Der rege Personenverkehr stellte sich schnell ein. Der Binnenverkehr für Güter
entwickelte sich jedoch zu einem Wechselverkehr mit der
Reichsbahn. Jetzt zeigte es sich, daß es weitsichtig gewesen
war, eine vollspurige Nebenbahn zu bauen. Der Ubergang
der Güterwagen auf die Reichsbahngleise war reibungslos
möglich. Schon in den 30er Jahren des 20. Jh. wurde 99% des
Güterverkehrs als Wechselverkehr mit der Reichsbahn über
vier Anschlußbahnhöfe abgewickelt.
Um eine Größenvorstellung der Verkehrsleistungen zu erhalten, nenne ich einige Zahlen. Zunächst der Personenverkehr:
Im ersten vollen Betriebsjahr 1913 wurden 685 744 Personen
befördert, 1932 rund 390000, 1938 rund 893000. 1971 waren
es 1 174000 und 1986 750500, wobei zu berücksichtigen ist,
daß im Omnibusverkehr 1700000 bzw. 2320000 Personen
zusätzlich befördert worden sind.
Einige Zahlen zum Güterverkehr:
Wurden 1913 119327 t umgeschlagen, waren es 1932
104153t, 1938 183808 t, 1971 404153 und 1986 382016 t.
Interessante Zahlen liegen für das Jahr 1938 vor. Damals
nahmen die landwirtschaftlichen Güter beim Frachtaufkommen nur einen Anteil von 3,4% aus, der Rohstoff Holz 11%,
das Salz 21,5%. Bei den Fertigfabrikaten war das Hüttenwerk
Laucherthal mit 32,5% des Frachtaufkommens der größte
Kunde.
In den 30er Jahren setzte die Konkurrenz des Straßenverkehrs
ein, so daß die Landesbahn seit 1934 das modernste Verkehrsfahrzeug auf der Schiene, den Dieseltriebwagen einsetzte. 1938
wurden 39% der Zugleistung durch Dieseltriebwagen geleistet. Seit den 30er Jahren setzte die Textilindustrie Lastkraftwagen für den Transport der hochtarifierenden Rohgüter und
Fertigprodukte ein. Ebenso zeichnete sich die Arbeiterbeförderung durch Omnibusse ab. Der Landkreis Sigmaringen
errichtete 1927 seine erste Omnibuslinie in die nicht durch
Eisenbahnen erschlossenen südlichen Kreisteile. Die Konkurrenz von Straße und Schiene bereitete schon damals der
Hohenz. Landesbahn einigen Kummer. Doch diese Entwicklung kann aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden.
Grundsätzlich ist damit der Gesichtspunkt der Rentabilität
angesprochen. Als politische Entscheidung war der Eisenbahnbau eine Maßnahme zur Verbesserung der Infrastruktur,
es war aber auch ein unmittelbarer Wirtschaftsfaktor. Der
Gesichtspunkt der Rentabilität für die hohenzollerischen
Bahnen war von Anfang an zweifelhaft. Die Spannung von
Infrastrukturmaßnahme und mangelnder Rentabilität war
somit immer gegeben.
Schon 1878 verweigerte die Württembergische Eisenbahndirektion Stuttgart den Einsatz eines weiteren Zuges zwischen Ebingen und Sigmaringen mit dem Hinweis auf »... die
unverhältnismäßige Vermehrung der Betriebskosten einer
voraussichtlich ohnehin unrentablen Bahn«.
Auch bei der Hohenzollerischen Landesbahn war die Frage
der Rentabilität, ja des Uberlebens, verbunden mit dem
wirtschaftlichen Wohlergehen einiger weniger Großkunden,
die schon genannt wurden.
Der Eisenbahnbau gab zunächst zahlreichen Personen Arbeit
und Verdienst. Der Bau der württembergischen Eisenbahnen
durch Hohenzollern führte dazu, daß die Arbeitskräfte
knapp wurden und die Löhne anzogen.
Als 1899 mit dem Bau der Landesbahn begonnen wurde,
waren es nicht nur die hohen Löhne, sondern der Arbeitermangel insgesamt, der Probleme bereitete. Die »Leutenoth«
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bestand nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch für alle
anderen Wirtschaftsbereiche in Hohenzollern. In der Landwirtschaft waren die Löhne für Knechte von 1877 bis 1899 um
mehr als 100% gestiegen, bei den Mägden sogar um
300-400%. Die fürstliche Domäne Bauhof in Sigmaringen
stellte in diesen Jahren russische und polnische Landarbeiter
ein, beim Landesbahnbau, ja insgesamt beim Straßen- und
Hochbau wurden großenteils Italiener beschäftigt. Diese
Feststellungen werden manchen verwundern, ist doch geläufig, daß in diesen Jahrzehnten in Hohenzollern teilweise
große Armut herrschte, die zur Auswanderung oder Abwanderung zwang.
Hier ist also eine differenzierende Betrachtung erforderlich.
Der Eisenbahnbau um und in Hohenzollern hat zu einer
unterschiedlichen Entwicklung des Landes geführt, die auch
innerhalb von wenigen Jahren zu meßbaren Bevölkerungsverschiebungen führte. 1906 wurde z.B. der weitere Ausbau
der Landesbahn mit dem Argument befürwortet, daß die
letzte Volkszählung bewiesen habe, daß die an die Bahn
angeschlossenen Gebietsteile an Einwohnerzahlen zunehmen, die nicht angeschlossenen Orte und Landesteile dagegen
Bewohner verlieren.
Der Hintergrund für diese Aussagen ist in der Entwicklung
von Hechingen und Umgebung zu suchen. Nachdem sich in
Hechingen die Textilindustrie festgesetzt hatte, zogen die
Fabriken viele Arbeiter aus den umliegenden Ortschaften an.
Diese fehlten dort in den landwirtschaftlichen Betrieben. Die
Löhne für Knechte und Mägde zogen im Raum um Hechingen daher wesentlich stärker als im Gammertinger oder gar
Sigmaringer Raum an. Weiterhin ist das Phänomen zu beobachten, daß die Menschen zu den Arbeitsplätzen hin abwanderten, die den höchsten Lohn erbrachten. Neben den Fabriken in Hohenzollern und im benachbarten Württemberg ist
hier die Saisonarbeit in der Schweiz und im Elsaß zu nennen,
die für viele jungen Männer und Frauen hohen Verdienst
brachte. Für die Schwerarbeit oder Dreckarbeit (immer im
damaligen Sinne) wurden schließlich Gastarbeiter geholt.
Gewisse heutige Erscheinungen hat es also auch schon früher
gegeben.
In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 verstärkte sich diese
Bewegung. Viele Frauen und Jugendliche nahmen Arbeit in
den benachbarten württembergischen Fabriken auf, vor allem
in den großen Munitionsfabriken, die wesentlich höhere
Löhne als in Hohenzollern zahlten. Erst die Erschließung der
Region durch Haupt- und Nebenbahnen ermöglichte diese
Arbeiterbewegungen, d. h. die tägliche Rückkehr vom
Arbeitsplatz nach Hause. Eine neue, bisher unbekannte
Beweglichkeit eröffnete sich für die Arbeiter.
Insgesamt lassen sich die wirtschaftlichen Impulse durch den
Bahnbau jedoch nur schwer messen. Eisenbahn bedeutete
Infrastruktur, die genutzt werden konnte. Für eine gewerbliche Entwicklung waren jedoch noch weitere Faktoren wie
Kapital, technisches Wissen und Märkte erforderlich und
beides war zunächst nicht vorhanden.
Waren in der 1. Hälfte des 19.Jh. das Kapital und die
Maschinen vor allem für die Textilproduktion von Unternehmern aus der Schweiz und aus Baden gekommen, die in
Hohenzollern billige Arbeitskräfte und Produktionsmöglichkeiten fanden, so wurde die Entwicklung in Hechingen ab
1846 von wenigen aus Württemberg kommenden jüdischen
Familien getragen, die Kapital mitbrachten und stark mit der
württembergischen Industrie verflochten waren.
Auf Kapital und Ausbildung als Strukturmerkmale machte
z. B. 1899 die Zentralstelle für Landwirtschaft und Gewerbe
aufmerksam. Die Bahnlinie Hechingen-Burladingen werde
für die Heimwerkstätten und den Vertrieb der Waren
Erleichterungen mit sich bringen. Die Zentralstelle prognostizierte jedoch, daß trotz der Entstehung von wenigen
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größeren Betrieben, die auch für den Export arbeiteten
(Feinmechanik und Waagenbau in Jungingen), im allgemeinen die Zersplitterung der Unternehmungen und das Fehlen
an Kapital und an gediegener fachmännischer und kaufmännischer Ausbildung und Leitung einem dauerhaften Aufschwung auch nach Eröffnung der Bahnstrecke entgegenstünde (Jahresbericht 1899 S.20).
Die Entwicklung im benachbarten Burladingen belegte dagegen, wie durch das Zusammenfallen von unternehmerisch
aktiven Personen, Kapital, Arbeitskräften und günstigen
Verkehrsanbindungen ein ungewöhnlicher Aufschwung aus
eigener Kraft erfolgte.
Verfolgen wir die Zahlen der Arbeitsplätze über Jahre hinweg, sehen wir, wie mühselig diese Entwicklung in Hohenzollern war. Von den 75 gewerblichen Betrieben mit 10 oder
mehr Arbeitern, die 1913 4752 Arbeiter beschäftigten, entfielen allein 63% (=47) mit 75% (= 3545) Arbeitern auf das
damalige Oberamt Hechingen. Die Trikotagefabriken und
die ihnen zuarbeitenden Betriebe beschäftigten die meisten
Arbeiter (35%) gefolgt von der Schuhindustrie (30%), dem
Hüttenwerk Laucherthal (7%) und der Zellstoffproduktion
(6% der Arbeiter), um nur die wichtigsten Sparten zu nennen.
Die Kriegswirtschaft des 1. Weltkriegs führte zum Zusammenbruch vieler Betriebe, so daß nach dem Krieg eine neue
Entwicklung einsetzte. 1933 bestanden 3414 gewerbliche
Niederlassungen (Industrie und Handel) mit 12550 beschäftigten Personen. Die größten Betriebe waren das Salzwerk
Stetten, die Hütte Laucherthal, dann folgten die Textilfabriken, die insgesamt noch 32% aller Arbeiter beschäftigten.
Daneben waren jedoch zahlreiche Betriebe für Metallwaren,
Maschinen und Apparatebau, elektrotechnische Industrie,
Optik und Feinmechanik getreten. Der Mittelpunkt der
gewerblichen Wirtschaft war Hechingen und Umgebung,
von dort zog eine Achse durch das Killertal nach Gammertingen.
Der Sigmaringer Raum blieb bis auf wenige Orte von dieser
Entwicklung ausgespart. Einige Zahlen verdeutlichen dies.
1933 gab es in Haigerloch rund 130 gewerbliche Arbeitsplätze, in Fischingen 80, in Bisingen 580, in Hechingen rund
1400, in Jungingen 119, in Burladingen 1000, in Neufra 150,
in Gammertingen 53, in Sigmaringendorf 460, in Sigmaringen
12, in Laiz 86 und in Ostrach 46. Diese räumliche Verteilung
zeigt, daß der Eisenbahnbau nur ein Faktor unter anderen
war, um Arbeitsplätze zu schaffen. Die Eisenbahnerschließung im Ober- wie Unterland war gleich intensiv, die
gewerbliche Entwicklung verlief jedoch stark abweichend.
Die gewerbliche Entwicklung war jedoch nicht so groß, um
eine steigende Bevölkerungszahl ernähren zu können. Die
Entwicklung der Bevölkerung in Hohenzollern im Vergleich
mit der von Baden und Württemberg zeigt dies. Bis um etwa
1860 vollzog sich in Hohenzollern eine ähnliche Bevölkerungsbewegung wie in Baden und Württemberg. Bis in die
40er Jahre stieg die Bevölkerung kontinuierlich an. Die
Mißernten der Jahre 1846/47 und 1851/52 wie auch die
revolutionären Unruhen 1848/49 führten zu einer hohen
Abwanderungs- bzw. Auswanderungsrate. 1855 erreichte die
Bevölkerungskurve einen Tiefstand. Während Baden und
Württemberg den Bevölkerungsrückgang schon 1860 bzw.
1862 aufgeholt hatten, dauerte es in Hohenzollern bis 1871,
um den Bevölkerungsstand von 1850 wieder zu erreichen.
Trotz hoher Geburtenüberschüsse von jährlich 4% bis 6%
stagnierte in Hohenzollern die Bevölkerungszahl von 1871
bis 1900 (um 66000 Einwohner) und stieg dann langsam an,
um 1933 rund 73000 Bewohner (+ 11%) zu erreichen. In
Baden und Württemberg war in der gleichen Zeit die Bevölkerung um 78% bzw. 50% gestiegen.
Ich habe nun einiges über die Verschränkung von Eisenbahnbau und gewerblicher Entwicklung bis in die 30er Jahre
unseres Jahrhunderts schlaglichtartig vorgestellt. Mit dem
Beginn der Konkurrenz der Straßenfahrzeuge wird die Entwicklung sehr komplex und kann hier nicht mehr dargestellt
werden. Der Eisenbahnbau bedeutete auch in Hohenzollern
den Zugang zur Welt, vor allem für die Gewerbe- und
Handeltreibenden. Die Eisenbahn verbesserte aber auch die
Bewegungsmöglichkeiten innerhalb des Landes. Letzteres
war für die Arbeiterbauern wichtig, die als Pendler morgens
und abends gute Verkehrsverbindungen brauchten. Eine
gewerbliche Entwicklung wäre in Hohenzollern also ohne
den Bahnbau, ohne die Hohenzollerische Landesbahn, nicht
möglich gewesen. In allen wirtschaftswissenschaftlichen
Theorien, sei es die Standort- oder die komplexere
Raumwirtschaftstheorie, stellen die Transportkosten einen
wesentlichen Faktor der Kalkulation dar.
Über diesem engeren Aspekt darf nicht übersehen werden,
daß der Eisenbahnbau einen differenzierenden Einfluß auf
die regionale Entwicklung hatte. In den bevorzugten Gebieten, Hechingen und Umgebung, führte das neue Transportmittel zu Wachstumstendenzen. Und in den benachteiligten
Gebieten förderte die Eisenbahn Entleerungstendenzen, hier
setzte ein Bevölkerungsschwund ein.
Die Geschichte zeigt uns, daß der Eisenbahnbau auf einer
zeitgebundenen politischen Entscheidung beruhte, die seit
einigen Jahren mehr und mehr revidiert wird. Bei aller
Nostalgie und Freude bei der Ansicht einer Dampflokomotive sollten wir jedoch nicht vergessen, daß diese den Menschen vor noch nicht allzulanger Zeit die Grundlage bot,
einen bescheidenen Wohlstand zu erwerben.
KARL MORS
Die gotische Klosterkirche
(Fortsetzung von Nr.
III
Stetten
Führung mit Betrachtungen zur Gotik und zur
Klostergeschichte
3/1987)
Das Rosenkranzthema wird im Zelebrantensitz rechts wieder
aufgenommen, der im Zopfstil dem Übergangsstil zwischen
Rokoko und Klassizismus Ende des 18. Jahrhunderts
geschaffen wurde, ganz in Weiß und Gold. Unter dem
Baldachin entdecken wir die Weltkugel, umrahmt vom
Rosenkranz, oben wieder der hl. Dominikus.
An der Nordwand des Schiffes fällt eine bemerkenswerte
Holzschnitzarbeit ins Auge: Maria mit Krone und Zepter,
das Jesuskind auf dem Arm, das Ganze in einer Strahlenmandorla. Die Madonna ist von einem Kranz aus Rosen umrahmt
und steht auf einer Mondsichel. In die Roseneinrahmung sind
fünf Sinnbilder des Leidens Christi eingefügt, stellvertretend
für die Vaterunser im Rosenkranz. Hier also wiederum ein
Hinweis auf die Rosenkranzbeziehung des hl. Dominikus.
Der Stand auf der Mondsichel wird als Erhabenheit über allen
Launen und dem wechselhaften gedeutet, denn auf das
lateinische Wort luna (Mond) geht das Wort Laune zurück.
Eine andere Deutung bezieht sich auf die Geheime Offenbarung, die von einer Frau spricht, die den Mond zu ihren
Füßen hat und eine Krone trägt. Verherrlicht wird die
Madonne von vier schwebenden Engeln. Dieses Werk
stammt vom Hechinger Holzschnitzer Zachäus Taubenschmid (1610), der auch die Madonna am Haus Wallishauser
in der Goldschmiedstraße in Hechingen, einem ehemaligen
Wohnsitz der Chorherren der Stiftskirche, geschaffen hat.
Die spätgotische Madonna, ehemals über der Kirchenpforte,
jetzt restauriert vom Konstanzer Früh, mit dem Gesicht einer
eher reifen Maria, ist in das 15. Jahrhundert einzuordnen. Sie
gefällt durch einen weichen Mantelwurf mit drei Schüsselfalten - die mittlere etwas eingeschnörkelt - und die weiten von
der rechten Hüfte bis zum Boden schwingenden Falten, die
dort nicht zerknittern. Die Häufung von Madonnenstatuen
um Hechingen und die augenfällige Ähnlichkeit der Pieta im
Spittel mit der in Zimmern lassen eine Schnitzerwerkstatt in
Hechingen vermuten, die auf die Ulmer Schule um Hartmann
zurückgehen könnte.
Unter der Empore entdeckt man noch ein Kümmernisbild,
auch Heilige Hilfe genannt. Sie ist eine volkstümliche Heilige,
die der Legende nach als portugiesische Königstochter Wilgefortis zur Heirat gezwungen worden sein soll, aber wegen
eines Gelübdes zur Bewahrung ihrer Jungfräulichkeit Gott
um Zeichen der Männlichkeit gebeten haben soll. Der
erzürnte Vater habe sie daraufhin kreuzigen lassen. Darge-
stellt wird sie am Kreuz hängend mit Krone, meist mit einem
goldenen Schuh und einem langen, hier blaugrünen goldbestickten Mantel. Das Bildnis ist von einem baldachinartigen
Tuch hinterfangen. Die bekannteste Darstellung ist in Lucca
zu sehen.
Auf der Gegenseite sehen wir das Bild der Katharina von
Ricci, die als Priorin von Dominikanerinnen in strenger
Askese lebte und durch Gebet Christus von seinen Marterwerkzeugen zu befreien versuchte, wobei sie eine Stigmatisation erlebte.
Das Thema im Altarblatt, der Rosenkranz im Zelebrantensitz, der Kranz aus Rosen um die Strahlenmadonna und dieses
Stigmatisationsbild verweisen darauf, daß sich die Dominikanerinnen inbrünstig dem Gebet hingegeben haben. Hierher
paßt auch die ausdrucksvolle Pieta um 1500, die vielleicht
bald wieder in die Kirche zurückkehren darf.
Früher befanden sich an den Wänden mehrere Gemälde im
Charakter der Zeitblomschule, die heute in der Sigmaringer
Kunstsammlung zu bewundern sind, z.B. ein Gemälde über
die Enthauptung des Täufers, wie Herodias das abgeschlagene Haupt dem Herodes auf einem Teller vorweist. Das
große Gemälde in der Empore stellt den hl. Dominikus mit 18
seiner Mönche an einer Hufeisentafel dar, wobei die Runde
von zwei Engeln bewirtet wird (um 1700), gemäß der Schrift:
».. .und unser himmlischer Vater ernährt sie alle.« Auf beiden
Seiten sieht man, wie Mönche Bettler speisen. Der breite
Rahmen ist mit einer Blumenranke bemalt.
Die Kanzel stammt, wie aus der Kartusche abzulesen ist, aus
dem Jahre 1738, eine Barockschöpfung. Die beigegebene
Schrift: »Beati, qui audiunt verbum Dei et custodiunt id«
(Selig, die das Wort Gottes hören und es beachten) weist das
Gotteshaus als Predigerkirche aus.
Über dem Nonnenchor haben wir eine flache Putzdecke,
welche nur sparsame Profilierung zeigt und vom übrigen
Schiff durch einen Rundbogen abgetrennt ist. Früher reichte
die untere Empore mit einem Seitenteil weiter vor, so daß der
Pfarrer von der Kanzeltreppe aus die Kommunion den
Nonnen durch.ein Gitter reichen konnte. Die Emporenbrüstung selbst besteht aus einem durchbrochenen geschnitzten
Holzgitter. Auf der Empore ist das bescheidene Gestühl der
Nonnen mit Klappsitzen noch vorhanden. Die Orgel auf der
zweiten Empore wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts
53
von einem Tübinger Orgelbauer geschaffen. Aus dieser Zeit
stammen auch die kunstvollen reich geschnitzten Wangen des
Gemeindegestühls.
Zusammenfassung
Uber die Kirche
Sie wirkt durch ihre unverfälschte bis auf die heutige Zeit
überkommene Architektur, ihre stilreine bauliche Einheitlichkeit und ihre verhaltene durch den Bettelorden bedingte
Innenausstattung, die die Kirche als Stätte des Gebets kennzeichnet. Angesichts dessen ist man von der schlichten
ursprünglichen Form doch gefangen. Besonders kunstvoll ist
das Sakramentshäuschen.
Die
Johanneskapelle
Der älteste Teil der Kirche befindet sich im verschlossenen
Chorraum der Johanneskapelle, dem östlichen Vorraum der
Sakristei, wohl um 1230 erbaut. Dort findet man ein Kreuzgratgewölbe romanischer Art, außerdem eine Schnitzstuckausschmückung wie in St. Luzen mit Beschlagornamenten
(um 1600). Offenbar hat der Graf damals einige seiner
verdingten Handwerker hierher abgestellt. Der sehr wertvolle, in Weiß und Gold gefaßte Renaissancealtar der Johanneskapelle mit mehreren holzgeschnitzten Figuren aus dem
Beginn des 17. Jahrhunderts ist beim Brand 1898 leider
untergegangen. Er ähnelte dem Altar in der Hechinger Hofkapelle, von welchem noch einige Teile in der Junginger
Kirche zu sehen sind.
Die ehemaligen Bilder in der Johanneskapelle stammen von
früheren Seitenaltären und stellten Tobias mit dem Erzengel
Raphael und den hl. Nepomuk dar. Der Vater Tobias hatte
sich nach Entführung der Juden in die assyrische Gefangenschaft karitativ betätigt und war nach einem Unglücksfall
erblindet. Daraufhin schickte er seinen Sohn Tobias unter
dem Schutz des Reisepatrons Raphael nach Rages, wodurch
der Vater das Augenlicht wiedererhielt.
In drei Darstellungen haben also die Dominikanerinnen eine
Verbindung zum wertvollen Gut des Augenlichts festgehalten: in der Statue der hl. Ottilie, der Schutzheiligen für die
Blinden, über dem westlichen Kircheneingang, dann im
menschlich gehaltenen Auge Gottes unter dem Kümmernisbild und schließlich im Gemälde des Tobias eines früheren
Seitenaltars.
In der Johanneskapelle befanden sich einst noch zwei Skelette, die sogenannten heiligen Leiber eines Ehepaares Baum,
die später ebenfalls in die Junginger Kirche kamen. Dieses
kinderlose Ehepaar soll recht gottesfürchtig gewesen und
nach seinem Tod von den Stettenern als Selige angesehen
worden sein.
Die Sakristei birgt noch einige großartige Meßgewänder, 200
Jahr alt, die die Dominikanerinnen fertigten, zwei davon sind
im Stettener Heimatmuseum. Im Stuttgarter Schloßmuseum
befindet sich außerdem eine stehende Madonna von Stetten
aus dem 15. Jahrhundert und im Hohenzollerischen Landesmuseum in Hechingen die Kopie einer sehr alten Mariendarstellung mit Kind aus dem 14. Jahrhundert. Der Münchener
Restaurator Franz Lorch hat dieser ihre ehemalige Fassung in
leuchtenden Farben zurückgegeben. Sie gefällt durch einen
besonderen Liebreiz.
Außen an der Johanneskapelle stößt man im Süden auf ein
altes Wappen derer von O w . Die Herren von O w besaßen in
vielen Gemeinden der nördlichen Zollergrafschaft Rechte
und Besitz.
Der Klosterbau
Diese Form des ehemaligen Klosterbaues haben die Zisterzienser entwickelt, und zwar in einem strengen, immer
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wiederkehrenden Grundriß: An die Kirche im Norden
schließt sich ein dreiflügeliger Bau an. Dieser wird im Innern
von einem Kreuzgang mit Arkaden umrandet und enthält im
Innenhof einen Brunnen. Der schlichte quadratische Bau,
60 m im Geviert, hatte hier zwei Stockwerke. An die Johanneskapelle schloß sich der Kapitelsaal an, wie in den meisten
Klöstern, wo die täglichen Vermeidungen an die Nonnen und
auch die Kapitel in zweierlei Weisen verlesen wurden.
Von diesem Kapitelsaal erkennt man noch Fenster mit rundbogigem Abschluß über zwei Spitzbögen. Auch vom Kreuzgang ist noch ein Rest in Form eines Rundbogens über dem
Ziehbrunnen erhalten. Im Ostflügel befand sich ein sehr
schöner gotischer Speisesaal mit leicht gewölbter Balkendecke, holzgeschnitzten Säulen und gotischen Butzenscheiben.
Zur
Klostergeschichte
Im 14. Jahrhundert war das Kloster zu großem Wohlstand
gekommen, denn die adeligen Damen bekamen meist reichliche Mitgift. Verständlich, denn die Grafen und Edelleute
wollten ihre zahlreichen Töchter unterbringen. Um 1500 gab
es um Hechingen nicht weniger als 10 Frauenklöster, die aber
meist den Töchtern aus bürgerlichem Haus offenstanden,
während das zollerische Hauskloster eher den Adeligen
vorbehalten blieb. Namen wie »von Stuffenberg«, »von Ow«,
kommen häufig vor. Auch war die Schwester von Kaiser
Rudolf, dem Sohn von Kaiser Maximilian II., hier
Ordensfrau. In das Kloster Reichenau durften damals meist
nur Angehörige des hohen Adels eintreten.
In einem noch vorhandenen Urkundenbuch aus dem
14.Jahrhundert sind über 100 Verkäufe, Schenkungen und
Vererbungen von Gütern, Häusern, Lehenserträgen und
Gülten an das Kloster in einem Bereich zwischen Donau und
Neckar aufgezeichnet. Und in der Hechinger Chronik sind
alle paar Jahre Stiftungen von Grundbesitz an das Kloster mit
der Gegenleistung der Abhaltung von Jahrtagen erwähnt.
Das erste Hechinger Siegel mit dem weiß-schwarz gevierteten
Schild ist einer Urkunde über Zinsentausch Hechinger Bürger mit der Klosterfrau Agnes von Zolr zu Stetten angehängt.
1439 wird berichtet, daß ein Hechinger Bürger an seine
Zahlungsrückstände gemahnt werden mußte.
Um 1400 erfährt das Kloster eine Verbindung mit Heiligkreuz, und zwar durch den »Höllischen Schuß«, der zur
Gründung der dortigen Kapelle geführt hat. Da habe nach der
Sage ein Diener des Grafen mit Namen Wilhelm vom Teufel
die Eingebung bekommen, er werde ein nie fehlender Schütze
sein, wenn er in der Karwoche die Passion auf einem Fuß
stehend anhöre und anschließend drei Schuß auf ein Kruzifix
abgebe. Er tat dies, wurde aber am steckengebliebenen Pfeil
erkannt, so daß ihn der Graf enthaupten ließ. Das Kreuz
wurde nach ergangenem »erschröcklichem Actu« in einer
Prozession des Konvents nach Stetten gebracht und in die
Obhut der Priorin Adelhaid übergeben, einer Schenkin von
Stauffenberg. Der Sohn des Grafen, Friedrich der Öttinger,
hat dann an der Stelle, wo das »Merakul« der Blutung aus dem
Corpus Christi sich zugetragen, 1402 die »Cappel zum
Heiligen Creitz« als Sühne errichten lassen. In einer anderen
Darstellung soll der Schütze nach seiner Tat nicht mehr vom
Platz gekommen sein. Auch in der Kirche von Kloster Wald
ist ein solcher »Höllischer Schuß« dargestellt. Die drei Pfeile
sind übrigens später in sternförmiger Anordnung in das
Stettener Wappen eingegangen.
In der politischen Geschichte spielte das Kloster meist nur
eine passive Rolle, denn bei Belagerungen der Burg Hohenzollern wurde hier meist das Hauptquartier eingerichtet. So
auch 1422, als 18 Reichsstädte unter Führung von Henriette
von Württemberg dem Grafen Friedrich dem Öttinger den
Kampf ansagten und die Burg belagerten. Unter dieser Bela-
gerung, die zum Untergang der Zollerburg führte, litt das
Kloster sehr. Mit 3500 Mann lagerten die feindlichen Heere
um den Zoller. Der Hechinger Studienrat Karl Widmaier hat
in seinem Drama »Der Ottinger« das Zusammentreffen mit
dem Zollergrafen in ein Gemach des Klosters verlegt. Henriette demütigte hier den Grafen, der angeblich ihre Liebe
verschmäht hatte. Theodor Zingeler ließ den damaligen
Beichtvater von Stetten, Johannes Hospach, ausführlich über
die Übergabe und den Untergang der Burg berichten (vgl.
Th. Zingeler: Hohenzollern, S. 184ff.).
Damals ist das Kloster in elenden Zustand versetzt worden,
so daß der Provinzial der Dominikaner in Straßburg, Gisbert
von Trajecto, dem das Kloster unterstellt war, sich zur
Versprechung veranlaßt fühlte, daß für alle Wohltäter, die
etwas zum Wohle des Konvents beitragen, 300 hl. Messen
gelesen werden sollten.
Daß das Kloster bald wieder aufblühen konnte, geht aus einer
Übereinkunft mit der Gemeinde Stetten hervor, nach welcher
1458 dem Kloster ein Wehrbau gestattet wurde, um das
Wasser auf die klostereigene Mühle zu leiten.
1482 erneuerte Papst Sixtus IV. die Schutzbulle von 1261. Das
Kloster sollte nicht mehr dem Straßburger Provinzial, sondern dem Bistum Konstanz unterstellt werden.
In dieser Urkunde ist übrigens der Name Gnadental für das
Kloster zum erstenmal gesichert enthalten. Offenbar setzte
zu dieser Zeit dann ein Niedergang im Klosterleben ein, denn
der damalige Zollergraf Eitelfriedrich II. stellte einen merklichen Abfall in der geistigen Grundhaltung fest. Wegen des
unordentlichen Lebens bewirkte er wieder eine Unterstellung
des Klosters unter die Observanz der Dominikaner. Auch
verzichtete er darauf, daß das Kloster für ihn einen Reisewagen zu unterhalten habe. Bei der Aufstellung neuer Regeln
wurde verfügt, daß bei den Schwestern Privateigentum nicht
mehr geduldet wurde, das von der abendlichen Komplet bis
zur morgendlichen Prim Stillschweigen zu bewahren sei, daß
die Post überwacht werde, daß die Nonnen wieder Klosterkleidung zu tragen hätten usw.
Im 30jährigen Krieg war die Burg dann wieder Anziehungspunkt für Freund und Feind, dies besonders in den Jahren
1633/34. Wiederum überzog große N o t den Klosterbereich:
Alle Kostbarkeiten wurden in Eile hinauf auf die Zollerburg
gebracht, bevor der württembergische Herzog Eberhard III.
mit den Schweden zur Belagerung anrückte, diese unter dem
bekannten Feldmarschall Horn. Auch für den Bereich
Hechingen kamen schwere Zeiten: Die Soldaten raubten
rücksichtslos die Nahrungsvorräte der Bevölkerung, und als
Ersatz für rückständigen Sold nahmen sie Kupfer- und
Silbergeschirr und auch liturgische Geräte aus dem Kloster
mit. Der Beichtvater von Stetten wurde niedergehauen. Es
wird berichtet, daß sich die Bevölkerung von Kräutern und
Eicheln ernähren und daß Frauen und Kinder den Pflug
ziehen mußten. Die Einnahme der Burg durch die Schweden
wurde durch eine List verhindert. Man erzählt sich, daß die
Burgbesatzung ihr letztes Korn an eine Kuh verfütterte, diese
schlachtete und den Kuhmagen dann über die Mauer warf,
um zu zeigen, wie gut man noch bevorratet sei. Daraufhin
seien dann die Schweden abgezogen. Allerdings setzten die
Württemberger die Belagerung fort. Erst als die Hechinger
dem württembergischen Herzog gehuldigt hatten, übergab
der zollerische Kommandant, Leutnant Weinmann, die Burg.
Die Burgbesatzung nahm hierbei in Sack und Pack Klosterutensilien mit, um sich damit irgendwo einen Unterhalt zu
erkaufen. Der Sieg der Kaiserlichen 1634 bei Nördlingen
brachte dann eine Wende. Bayerische Truppen unter Kurfürst Maximilian rückten an, um die Württemberger von der
Burg zu vertreiben. In dieser Zeit überfiel der Hohentwieler
Konrad Wiederhold die Belagerer und haute bei Stetten
50 Mann nieder. Die Einnahme der Burg geschah durch eine
List: Im Hechinger Schloß hatte ein bayerischer Oberst ein
leeres Papier mit der Unterschrift des württembergischen
Herzogs Eberhard vorgefunden. Er kritzelte darauf die Aufforderung zur Übergabe der Burg an die Bayern und erschlich
so den Abzug der Württemberger. N u n wurde es auch im
Kloster wieder etwas ruhiger.
Das Jahr 1802 brachte aber eine große Wende: die Aufhebung
des Klosters im Vorgriff auf die Säkularisation. Napoleon
hatte in der Absicht, das Römische Reich Deutscher Nation
zu zerschlagen, die Gründung des Rheinbundes deutscher
Fürsten eingeleitet, der unter seiner Führung eine Konföderation bilden sollte. Im Reichsdeputationshauptschluß zu
Regensburg regelte dann eine Kommission die Neuverteilung
aller Gebiete mit Aufhebung der meisten Klöster und geistlichen Herrschaftsgebiete, die dann den Fürsten des Rheinbundes zugeteilt wurden. Auch die Reichsstädte verloren ihre bis
dahin geltende Selbständigkeit. So fiel das Kloster Stetten
zusammen mit St. Luzen und Kloster Rangendingen an den
Hechinger Fürst. Der Orden wurde aufgehoben, ebenfalls
das Kollegiatstift in Hechingen. Man muß bedenken, daß die
Klöster damals noch über größere Besitzungen verfügten. So
war der Konvent in Stetten größter Grundbesitzer der
Gemeinde und zählte etwa 60 Personen. Damals wurden die
in der Erbgrablege Stetten bestatteten früheren hohenzollerischen Mitglieder in die Fürstengruft nach Hechingen übergeführt (1804). Das Kloster durfte keine Novizinnen mehr
aufnehmen. Die noch lebenden Nonnen erhielten das Absterberecht, sofern sie nicht das Kloster verließen.
Die Gebäulichkeiten übernahm nach Aufstellung einer deutschen Bundesarmee 1814 das Leichte Hohenzollerische
Hausbataillon, das bis 1849 bestand. Von diesem Bataillon
wurden zwei Kompanien im Kloster Gorheim bei Sigmaringen, eine Kompanie hier in Stetten und ein Scharfschützenzug
im Fürstentum Liechtenstein untergebracht. Mit der Schlagkraft und Disziplin dieser Truppe muß es aber nicht weither
gewesen sein. Schon die Rekrutierung war höchst eigenartig,
denn der normale Bürger konnte sich durch Bezahlung eines
Rekruten freikaufen. So blieben für das Militär vielfach
Arme, dann Säufer und auch Verurteilte übrig, und dies für
eine sechsjährige Dienstzeit. Es kam vor, daß manche Rekruten lebenslängliche Berufsdiener wurden.
Als der Hechinger Fürst einmal unangemeldet hierher kam,
lagerten die Soldaten am Klosterhof; der zugehörige Feldwebel befand sich drinnen im Adler. Da die Soldaten sich nicht
bequemten, stramme Haltung anzunehmen, gärte es in seiner
Hochwohlgeboren nicht unerheblich. Aber er beherrschte
sich und übertünchte seinen Unmut mit dem Ansinnen, daß
er dem Faulsten der Soldaten einen Kreuzer geben wolle. Die
Landser murmelten: »Dr Friedr sei scho dr feilscht.« Der
Frieder lehnte ab mit der Bemerkung: »I will da Kreizr gar it,
hegschtens, wenn en dr Fiescht en mein Hosasack neischoppet.« Der Fürst, des Schwäbischen mächtig, erkannte dies als
Ausbund der Faulheit und warf dem Frieder den Kreuzer zu.
Dieser tat aber schlitzohrig gleichgültig, rückte dennoch mit
seinem Fiedla hehlinge über den Kreuzer und raisonnierte
gleichgültig: »Weelaweag!«
Die mangelnde Schlagkraft dieser Truppe mußte der Fürst am
eigenen Leib verspüren, denn bei der 48er Revolution wurde
das Bataillon nicht zu seinem Schutz eingesetzt, so daß sich
der Fürst von Hechinger Bürgern und dem Pfarrer Blumenstetter, der sein Kontrahent war, schützen lassen mußte.
Nach Auflösung des Bataillons 1849 standen die Klostergebäude leer. Da versuchte der Hechinger Stadtpfarrer Schön
1869, die Räume wieder mit Leben zu füllen. Es gelang ihm,
Franziskaner hierher zu bringen. Ihr Wirken stand aber unter
dem Unglückstern des Kulturkampfes. Es gab auch Mißtöne
mit der Gemeinde, so daß nach sechs Jahren die Patres wieder
abzogen.
55
Später wurden die Gebäulichkeiten durch ein Wirtschaftsunternehmen genutzt. Der Schuhmachermeister Sebastian Wolf
aus Boll richtete hier in unternehmerischer Initiative eine
Schuhfabrik ein. Begünstigt wurde die Gründung durch die
starke jüdische Gemeinde von Hechingen, welcher viele
Leder- und Viehhändler angehörten. Im Zusammenwirken
mit dem Fabrikanten Schiele brachte es das Unternehmen zu
großer Blüte. 1898 brannte aber diese Fabrik ab und damit
beinahe alle Wohnbauten des ehemaligen Klosters. Auch die
alte Johanneskapelle litt großen Schaden. Viel Inventar und
der wertvolle Renaissancealtar gingen in Schutt und Asche
unter. Lediglich das Kirchenschiff konnte durch das tatkräftige Eingreifen des Hechinger Feuerwehrhauptmanns Theo
Wild gerettet werden, der auf dem Dachboden der Kirche die
notwendigen Schutzmaßnahmen traf. Offenbar sind aber
auch dort viele Altertümer zugrunde gegangen. Vom alten
Kloster, das zur Ordenszeit über 100 Räume umfaßte, sind
heute nur noch das Beichtigerhaus und das Gästehaus, »der
Adler«, erhalten. Früher hieß man ihn den Klosterhof.
Dieser war einst den Hechingern eine begehrte Wirtschaft.
Insbesondere kamen am Schabbes die Hechinger Juden hierher, um »Aibbere und Blotter« zu genießen. Auch rühmte die
zechfrohe Gesellschaft Biedermannia dieses Wirtshaus. Der
Wirt Buckenmaier, ein Wessenbergianer, also ein Vorkämpfer für einen nationalen Katholizismus, war bekannt durch
seine Gedichte (f 1895).
Heute ist das Kloster mit der Kirche Eigentum des Sigmaringer Fürsten, denn nach der Niederlegung seiner Regierung
hatte der Hechinger Fürst alle seine nicht beweglichen Besitzungen an den Sigmaringer Fürsten gegen eine jährliche
Rente von 40000 Gulden abgetreten, reichlich genug, um in
Löwenberg in Schlesien ein üppiges Leben führen zu können.
Zur Pastoration der Gemeinde Stetten wäre zu berichten, daß
früher der klösterliche Beichtvater auch die Gemeinde
betreute. Nach der Säkularisation wurde Stetten Filialkirche
von Hechingen. Aber mit dem Weggang der Franziskaner
war die Gemeinde wieder ohne Pfarrer, und die Stettener
mußten zu Fuß ihren Kirchenweg nach Hechingen machen.
Eine Sammlung durch die hiesige Bevölkerung erbrachte
dann so viel Geld, daß der Hechinger Stadtpfarrer wieder
einen Kaplan bestellen konnte, und hierbei ist es geblieben.
Das Verhältnis des Klosters zur Gemeinde war im allgemeinen gut, aber nicht ohne Reibefläche, denn das Kloster hatte
Grundstücke und Gerechtsame. So kam es besonders in
Notzeiten gelegentlich zu Streitereien, auch mit dem Fürst.
Als im 16. Jahrhundert einmal zwei Bürger eine neue Hofstatt
errichten wollten, entschied der Obervogt, mithin der Graf,
daß die beiden Anwohner »hinfüro dem Kloster jährlich auf
Martini 9 Pfennig Hofstattzins zu entrichten hätten und daß
das Haus nur einstöckig gebaut werden dürfte, damit die
Anwohner nicht über die Klostermauer sehen und damit die
Klausur verletzen könnten«. Im 30jährigen Krieg war es zu
einem Gansstreit mit den Stettenern gekommen, weil die
Gänse der Gemeinde auf den Klosterwiesen Schaden verursacht hatten. Der Obervogt mußte festlegen, welchen Weg
die Gänse zu nehmen hätten, daß die Klosterfrauen ihr
Grundstück mit einem tiefen Graben zu umgeben hätten, um
das Eindringen auch des Weideviehs zu verhindern und daß
der Pfaffenwasen mit einem lebenden Hag zu umzäunen
wäre. Und 1686 drohte der Konstanzer Bischof dem Hechinger Fürsten samt seinem Hof mit der Exkommunikation,
wenn dieser die dem Stettener Kloster weggenommenen
tausend Zehntgarben nicht mehr zurückerstatten sollte. Aber
solche Querelen gab es ja weltweit.
Zum Schluß noch eine Brauchtumsverbindung mit dem Kirchenpatron : Die Gemeinde pflegt in Anhänglichkeit an Johannes Baptista zur Sommersonnenwende das sogenannte Singefur. Vielleicht ist dieser Brauch auch heidnischen Ursprungs.
Die Stettener lieben ihr Gotteshaus; verständlich, denn dies
beruht auf einer 700 Jahre alten Verbindung in N o t und Freud.
Abschließen möchte ich mit einigen Versen des Heimatdichters Buckenmaier über Maria Zell, das von drüben heruntergrüßt:
»Dort steht am Waldesrande
ein Kirchlein still und klein
im grünenden Gewände,
auf kluftigem Gestein.
Wie eine Blüt' im Laube
blickts freundlich niederwärts,
und drinnen lenkt der Glaube
das Auge himmelwärts...«
HERBERT RÄDLE
Markus Deas aus Veringen, Stadtarzt in Neumarkt und Verfasser einer Pestschrift
Veringen hat in der 1. Hälfte des 16. Jh. mehrere weit über die
Grenzen der engeren Heimat hinaus berühmt gewordene
Männer hervorgebracht. Da ist zunächst natürlich zu nennen
der Humanist und Reformator Simon Grynaeus, Erneuerer
der Universität Tübingen und Briefpartner so bedeutender
Reformatoren wie Melanchthon, Oekolampad, Zwingli,
Bucer und Calvin 1 . Grynaeus, der damals in Basel Griechisch
und Theologie lehrte, ist es gewesen, der dem Herzog Ulrich
von Württemberg in den Jahren nach 1534 Pfarrer und
Reformatoren für die Reformierung seines wiedererworbenen Landes vermittelte, unter ihnen den ersten evangelischen
Pfarrer von Gammertingen und Reformator von Mariaberg,
Markus Heiland 2 . Allgemeiner bekannt dürfte in Hohenzollern der »Meister von Meßkirch« sein, dessen Gemälde in
zahlreichen Museen in Europa und Ubersee hängen und
dessen Gleichsetzung mit Peter Strüb d. J. aus Veringenstadt
seit den Forschungen von Chr. Salm sich immer mehr
durchsetzt 3 .
56
Nicht so bekannt wie die vorigen und doch auch bemerkenswert ist hingegen ein weiterer Sohn der Gemeinde Veringen,
der Medizinschriftsteller und Arzt Markus Veringer, der seit
1531 Stadtarzt in Neumarkt i. d.OPf. war. Markus Deas
Veringer hat, wie die Auszüge Max Schaitels aus der Heidelberger Universitätsmatrikel zeigen, Mitte der 1520-er Jahre
zusammen mit Thomas Grynaeus, einem Neffen des oben
genannten Simon Grynaeus, in Heidelberg studiert (Zollernheimat 8, 1939, S.6). Dort legte er wenig später sein medizinisches Doktorexamen ab. Die Berufung nach Neumarkt
erfolgte 1531. Dieser Vorgang ist teilweise urkundlich dokumentiert. Bevor Veringer nämlich seine Anstellung erhielt
und den Amtseid leistete, kam es wegen des Gehalts zu einem
kurzen Hin und Her und einem diesbezüglichen Schriftwechsel, der mir deswegen bemerkenswert erscheint, weil er
ein Licht wirft auf die Persönlichkeit Veringers. Dieser war
offenbar ein Mann, der sich seines Wertes bewußt war und
seine Interessen zu vertreten verstand. Der Rat von Neu-
markt wollte ihm zunächst nur 32 Gulden im Jahr zahlen,
dazu 10 Maß Holz, Wohnung und vier Gulden Umzugskosten. Veringer, der damit nicht zufrieden war, scheint sich an
die Regierung gewandt zu haben. Denn diese empfahl in
einem Schreiben vom 22.11. 1531, ihm außer der Wohnung
und 10 Maß Holz acht Gulden Umzugskosten und ein
Benefizium, das 40 Gulden einbrachte, zuzustellen. Darauf
ging die Stadt ein. Ja, im dritten Dienstjahr Veringers entschloß man sich sogar, sein Gehalt auf 50 Gulden aufzustokken und ihm dazu eine Dienstwohnung im Sankt-GeorgsMesnerhaus einzurichten 4 . Offenbar hatte er die an ihn
gestellten Erwartungen der Stadtväter erfüllt.
Markus Veringer war in Neumarkt der erste Stadtarzt (Physicus) überhaupt, dessen Name überliefert ist. Als solcher war
er verantwortlich für die Gesundheitspflege in der Stadt. Er
hatte amtsärztliche Gutachten zu erstellen und Abwehrmaßregeln, besonders bei ansteckenden Krankheiten, anzuordnen. Es oblag ihm auch die gerichtliche Medizin. Gemeinsam
mit einem Ratsmitglied hatte er ferner die Apotheke zu
prüfen und die Wundärzte, Bader und Hebammen zu beaufsichtigen. Neben diesen seinen Amtspflichten fand Veringer
in den ersten Jahren seiner Amtszeit noch Muße zu
fachschriftstellerischer Tätigkeit. Er schrieb nämlich ein Pestbuch (Pestregiment), welches 1533 bei H.Steiner in Augsburg gedruckt wurde. Das Buch handelt, wie andere Pestschriften der Zeit, in einem ersten Teil von den Mitteln zur
Vorbeugung, im zweiten etwas umfangreicheren Teil über die
Möglichkeiten der Heilung. Daß Veringer ein im Sinne der
Zeit fortschrittlicher Arzt war, zeigt u. a. sein methodisches
Fragen nach den Ursachen. »Es ist«, so schreibt er im
Vorwort, »nicht möglich, einer Krankheit fürzukommen
oder zu begegnen, denn so der Krankheit entliche (= eigentliche) Ursach erforschet und erfragt ist worden«. Im übrigen ist
das auf deutsch geschriebene Buch gemeinverständlich
geschrieben und wendet sich an »den gemain ainfältig Mann«.
Veringer bekam, eher als ihm lieb sein konnte, von Amts
wegen zu tun mit der unheimlichen Krankheit. Noch im Jahr
1533 wurde die Pest, die zuvor schon im benachbarten
Nürnberg gewütet hatte, auch in Neumarkt eingeschleppt.
Vom 15. Juni bis zum 4. Oktober starben hier an die 800
Personen, darunter 34 werdende Mütter. Das war ungefähr
die Hälfte der Bevölkerung 5 .
Uber Veringers Lebensweg, der ihn aus seiner Heimat Veringen über den Studienort Heidelberg nach Neumarkt führte,
ist sonst nur wenig bekannt. Doch da er, wie oben erwähnt,
zusammen mit Thomas Grynaeus in Heidelberg auftaucht, ist
mehr als wahrscheinlich, daß auch ihn der Humanist Simon
Grynaeus, seit 1524 Griechischprofessorin Heidelberg, dorthin gezogen hat. Seine Elementarausbildung dürfte Veringer
in der für das Jahr 1478 urkundlich bezeugten städtischen
Schule seiner Vaterstadt 6 erhalten haben. Möglicherweise hat
er - gleich Thomas Grynaeus - in Heidelberg bei Simon
Grynaeus gewohnt, der dort ein Haus besaß 7 . Beide studierten zunächst wohl Griechisch bei Simon Grynaeus: Thomas
Grynaeus war später Griechischlehrer in Bern und Basel 8 .
Und was Veringer betrifft, so könnte er durchaus von Simon
Grynaeus zur Medizin angeregt worden sein. Denn dieser
hatte nach eigenem Zeugnis selbst eine große innere Neigung
zu dieser Wissenschaft. Er hatte bereits während seiner
Studienzeit in Wien um das Jahr 1512 bei dem späteren
Stadtarzt von Sankt Gallen, Joachim Vadian, medizinische
Vorlesungen gehört 9 , kaufte sich in Heidelberg den gesamten
griechischen G a l e n - w o h l in der Ausgabe des Aldus von 1525
- studierte ihn eifrig und hätte noch 1529 mit 35 Jahren am
liebsten seine Griechisch-Professur aufgegeben, um sich
»ernsthaft der Medizin zu widmen« 10 .
Anmerkungen
1
Die Sammlung und Publikation dieser Briefe wäre lohnend (falls
der Druck von irgendeiner Seite finanziert würde).
2
Vgl. H H 36. Jg. (1986) S.46ff.
3
So ist dessen Kreuztragung im Germanischen Nationalmuseum
Nürnberg neuerdings mit der Aufschrift versehen: Meister von
Meßkirch, wohl identisch mit Peter Strüb d. J. aus Veringenstadt.
* K. Ried, Geschichte der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz,
herausgegeben von der Stadt Neumarkt, 1960, S.400
5
K. Ried, wie Anm. 4, S. 633.
6
Die Schule wird erwähnt bei E. Zillenbiller (Hrsg.), Burg und
Stadt Veringen, Sigmaringen 1985, S. 80.
7
Vgl. / . V. Pollet: Martin Bucer - Etudes sur la correspondance,
Bd. II, Paris 1962, S. 372,3.
8
C. Roth, Stammtafeln einiger ausgestorbener Basler Gelehrtenfamilien, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde
16, 1917, S. 398.
' E. Arbenz (Hrsg.), Vadianische Briefsammlung, Sankt Gallen
1908, Nr. 710, Zeile l f .
10
»serio medicinam sequi« (Brief an Oekolampad; Staehelin
N r . 649, S. 303). Der Grieche Galen (ca. 130-200 n. Chr.) galt im
16. Jh. als unerschütterliche Autorität, als höchste und letzte
medizinische Instanz (/. Carter, Bücher, die die Welt verändern,
Darmstadt 1969, S. 96f.). In seinem umfangreichen Werk hatte er
die Errungenschaften der hippokratischen und alexandrinischen
Heilwissenschaft für den praktischen Arzt schon in der Antike
bequem zugänglich gemacht. Seine Schriften sind in vielen griechischen Handschriften, außerdem in arabischen und lateinischen
Ubersetzungen und Bearbeitungen erhalten. Die erste griechische
Galen-Ausgabe legte Aldus 1525 vor, ihm folgte Camerarius 1538.
Auf Galen als seinen Lehrmeister beruft sich Veringer im ersten
Kapitel seiner Pestschrift mit aller Deutlichkeit. Er beginnt mit den
Worten: »Galienus schreibt im Buch von den Fiebern...«
11
Für einen ersten Hinweis auf Markus Veringer danke ich herzlich
Herrn Josef Schülzle aus Burladingen.
J O H A N N A D A M KRAUS
Die Ringinger Rausse
Der Straßenname Rausse (man spricht den Namen Rausse
wie schwäbisch rot = raot, nicht wie Bauer oder wie hinaus!)
im Norden und in niedriger Lage Ringingens reicht vom
Kreben nach Osten bis über die Pfarramtliche Schächerwies
hinaus, die einige Zeit nach 1530 eine kleine (1934 abgegangene) Kapelle »Christus am Kreuz mit den beiden Schächern«
erhalten hatte. Die gotische Figur des gekreuzigten Herrn
ziert heute als kostbarstes Kunstwerk den Hochaltar. (Wo sie
herstammt, ist nicht bekannt, vielleicht aus einem im 16. Jahrhundert protestantisch gewordenen Ort. Oder vielleicht aus
einem Kloster?). Heute ist sie von ebenfalls gotischen Kopien
»Maria« und »Johannes« begleitet.
Der Name Rausse muß Jahrhunderte zurückreichen. Das
Kohlgärte hat den Namen von Hans Kohl 1545. Im Ortsplan
von 1728 (F.F. Archiv Donaueschingen) sieht man vom
Kreben nach Norden zum Dorfrand eine ganze Reihe von
Wasserlöchern, von denen eines den Flurnamen Harlache
(Har = Flachs!) hinterließ, ein anderes im vorigen Jahrhundert ummauert und mit steinernem Boden mit Holzstiege
versehen war und als »Raissle« weiterlebte, bis nach 1911
nach Einführung der Wasserleitung Isidor Dorn darauf ein
Haus baute.
In wasserklemmen Jahren grub man einmal sogar den Steinboden auf, um aus der Erde das dringend benötigte Naß
57
zusammenrinnen zu lassen. Bald darauf wurde das Raissle
durch Abwässer des Dorfes mit Schlamm und Unrat gefüllt,
aus dem Kröten und Frösche ihr Gequake erschallen ließen.
Man war froh, als das »Dreckloch« durch Überbauen verschwand.
Die genannten Wasserlachen stammten einst aus der Zeit, als
man überall Hanf und Flachs anbaute. Beide Gespinstpflanzen waren die einzige Möglichkeit, um daraus Fasern und
Seile für Stoffe zu gewinnen und (rauhe) Tuche zu erhalten.
Die feineren nannte man »reiste«, die gröberen »oowirke«
(aus Abwerg).
Nach dem Ersten Weltkrieg lebte für einige Zeit das Anpflanzen von Hanf und Flachs wieder auf mit ihrer Bearbeitung
durch »Liechen« (Ausrupfen), Trocknen, Brechen, Schwingen, Spinnen zu Fäden und Weben. Doch der frühere Brauch,
die harten Hanfstengel durch Einlegen in Wasserlachen für
einen Gärungsprozeß zu schnellerem Ablösen der harten
Angeln (Aegna) von den Fasern zu bringen, kam nicht mehr
in Mode. Vergessen war die Brechgrube in Saia, in der man
vordem den nassen Hanf an Feuern auf dazu gebauten
Herden getrocknet hatte.
Die Rausse hat den Namen von dem Mürbemachen der
Hanfstengel durch einen Fäulnisprozeß im Wasser, was man
rötzen, rotzen, rösten, rossen, raußen nannte. Solche Rotzen
oder Rooßen, Raußen gab es seinerzeit überall. Eine fand ich
auch in Gauselfingen überliefert.
Vermutlich erhielt davon die frühere Ringinger Bierwirtschaft »Zur Rose« den Namen, anderwärts etwa das
»Rössle«, das ich auf dem Weg nach Rottweil antraf. In
Inneringen ist dem sehr verdienten Forscher Johann Maier im
»Heimatbuch« ein Fehler unterlaufen, da er meinte, an
einigen Brunnen am Ort habe es »Rauffen« gegeben, dabei
sind zweifellos »Raußen« gemeint! Während der Flachs auf
der Alb etwa ein Meter hoch wird, erreichten die männlichen
Hanfpflanzen (die »Fei[m]len«) etwas mehr, die weiblichen
(»Sao[m]bora«) dagegen über Manneshöhe.
J O H A N N A D A M KRAUS
Volkstümliches aus Burladingen
Die Hechinger Tagespresse (»Schwarzwälder« und »Hohenzollerische«) brachte im Oktober 1987 Berichte über die alten
Bräuche in Burladingen, die in einem Heft der dortigen
rührigen Jugendgruppe zusammengetragen sind, das den
Titel trägt »Was für eine Jugend«. Ergänzungen hierzu wird
jeder Heimatfreund begrüßen, da alte Volksüberlieferungen
in unserer modernen Zeit überall im Schwinden zu sein
scheinen. Im zweiten Teil des leider unpaginierten Heftchens
ist wichtig zu beobachten, daß der Anbau von Weizen bei uns
auf der Alb erst einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg
erfolgte. Vorher kannte man als wichtigste Brotfrucht nur das
»Korn«, das sonst Spelz, Dinkel oder Veesen heißt. Beim
Buttermachen (»Ausrühren«) mittels Blotz-, Rühr- oder
Butterfaß kam es vor allem auf die richtige Temperatur des
Blotters bzw. der Milch an, wie schon bei Herstellung von
Sauer- oder »Gstandener« Milch. Deren Rahm schöpfte man
teils ab, teils pflegte man ihn mit der Milch zum Vespern mit
Brot zu essen. Beim »Ausrühren« rief man in Ringingen nicht
die Hl. Regina an, wie in Burladingen, sondern die Hl. Magdalena wegen ihres Salbengefäßes. Man rezitierte beim Rühren im Takt: »Sankt Madlee, Sankt Madlee, s'ischt it aus und
goht it aus, i hao koe Meggele Schmalz im Haus, Sankt
Madlee...« Gewundert hat mich im Jugendheft die moderne
Bezeichnung »Jungs« statt des schwäbischen »Buben« oder
(größeren) Burschen (»Buuscht«) bzw. »Ledigen«. Sagt man
in Burladingen tatsächlich »Mr hoant miaßa« und nicht »mr
haoat miasa«?
Nicht nur Herr Pfarrer R. Biener, sondern auch der »Vikare«
J. A. Kraus stieß bei den Nazis an. Erstmals in der »Linde« bei
einer Versammlung wegen seines Zwischenrufes, der nachher
in der Parteizeitung die Frage erzeugte: »Nicht wahr Herr
Vikar?«. Und noch mehr, als um 1935 derselbe Geistliche, der
sonst meistens in Gauselfingen amtete, beim Vorlesen eines
Hirtenbriefes auf der Burladinger Kanzel keck anfügte:
»Bemerkungen hierzu erübrigen sich, schon um den heimlich
aufgestellten Aufpassern keine Freude zu machen!« Das
ärgerte natürlich die versteckten Parteileute. Die Folge
war eine sofortige Zitation zur Kriminalpolizei (Herrn
Wahl) nach Sigmaringen und dort eine scharfe Rüge
und Verwarnung bzw. Strafandrohung im Wiederholungs58
falle! Schon das Wissen um Aufpasser brachte die Parteileute in Wut.
Bei den althergebrachten Jugendspielen in Burladingen muß
vor allem auf den Brauch des »Fasnetswagens« hingewiesen
werden, der vergessen zu sein scheint. So erschien 1931/32
vor dem alten Pfarrhaus der mit einer Stroh- oder SchaubStaffage hergerichtete breite Pferdewagen als »Bühne«. Die
Burschen spielten hier und auch noch in anderen Gassen ihre
humorvollen Spaße für jung und alt, deren Inhalte natürlich
längst die Fehla hinabschwammen. Die Bezeichnung »Fasnetswagen« war für mich besonders wichtig, da man im nahen
Ringingen damals und lange schon zuvor zwar auch von
Fasnetswagen sprach, aber damit eine feste, mittels Stangen,
Brettern, Tannenästen und Tüchern aufgebaute Theaterbühne im Kreben vor der Hirschwirtschaft meinte.
Das im besagten Heft (S. 24) aus Unwissenheit ins Lächerliche
gezogene »Besprechen von Warzen«, deren Entstehung und
Verschwinden manche Vermutung ernster Gelehrter anregte,
mag ein Kopfschütteln erzeugen, besonders was die dabei
vorgenommenen Sprüche und Mittelchen angeht. Aber tatsächlich erlebte ich selbst öfter Fälle von auffallender Heilung.
Der gelbe Saft einer Heilpflanze (Schellkraut?) und nach
Aussage eines bejahrten Arztes sogar das Bestreichen mit einer
lebenden Schnecke oder der plötzliche diesbezügliche Anruf
einer warzenbehafteten Dame in der Straßenbahn durch einen
Bekannten, habe zum Verschwinden der verhaßten Warze
geführt! Wahrscheinlich spielt der Glaube mit und wirkte da
mehr als Sprüchlein und Heilsalbe. »Fir d'Waaza toa« ist seit
Urzeiten für viele ein helfendes Mittel gewesen, ob es andere
glauben wollten, oder nicht. Schließlich brauchte man ja keine
Roßkur zu machen, wie ich in der Studienzeit, als mich auf dem
Handrücken der linken Hand eine erbsengroße »Stechwarze«
plagte, die ich mittels Brennglas und Sonne und zuletzt durch
Rasiermesser und Leitungswasser wegoperierte. Warzenblut
erzeuge neue Warzen, sagen die Leute.
Statt von Tuberkulose des besagten Jugendheftes, sprach man
früher nur von »Auszehrung«. O b man in Burladingen
immer mit der Taufe neugeborener Kinder 6-10 Tage wartete, scheint nicht sicher zu sein, angesichts der Sterblichkeit
von Säuglingen in früherer Zeit. Vor 80 Jahren tauften viel
Geistliche (»Hairle«) möglichst schnell, oft noch am gleichen
Tage.
Interessant war die Sitte, nach der Trauung den Neuvermählten ein Seil »fürzuspannen«, meist gegen die kleine Gabe eines
Nickels (Zehners), der den Weg wieder frei machte. In
Ringingen erinnere ich mich noch an das »Fürspannen« beim
Einzug eines fremden Brautwagens ins Dorf zum künftigen
Heim. Irrig nannte um 1925 ein Steinhilber Lehrer diese Sitte:
»Den Vorspann leisten«.
Als der noch ledige Mesner Josef Sauter in Burladingen bei
einer Theateraufführung seine »Flamme« mit »Horlde Jung-
frau« anredete (man sagte damals in Burladingen noch
»Warld«, »Harlde«, »Torlfinga« = Tailfingen) erkundigte
sich Herr Pfarrer Biener nach einigen Monaten, wie es denn
mit der künftigen Ehe stehe. Da antwortete der herzensgute
Josef echt burladingerisch: »S'isch no z'barld, weil ärlaweil
no karlt, zum a da Mischtena rum stao!«
Unverständlich ist mir die Bemerkung (S. 32) von Burladinger »Jungs« bzw. Ledigen beim Auseinandergehen: die Mädchen müßten gehen, um einen »Hust« aufzusetzen. Ist etwa
ein »Huet« gemeint? Im übrigen lesen sich die Seiten des
Jungensheftes, des »Gruuschts« sehr spannend! Hoffentlich
finden sie bald noch einige Fortsetzungen.
J O H A N N ADAM KRAUS
Vom Ringinger »Schächerchristus«
Am östlichen Ende der Raussenstraße auf der linken Seite
findet man hinter dem zweitletzten Haus das sogenannte
»Kohl-Gärtle«, das seit langem dreigeteilt und mit Obstbäumen bestanden seinen Namen seit etwa 1580 von einem
anwohnenden »Kohl Hans« erhalten hat. Er war ein Vertreter
der einst überall anzutreffenden Kohlenbrenner, die bei uns
bis in 17. Jahrhundert noch den Familiennamen Kohler (nicht
Köhler!) trugen. Man kennt ums Dorf herum noch etwa ein
halbes Dutzend »Kohlplatten« bis hin zum Stettener »Sankt
Johannes«. Noch gut erinnere ich mich an die vom Schmied
Josef Dorn um 1914 neu angelegte Kohlhütte mit Platz
zwischen der doppelten Käppelestaig, die nach dem ehemaligen Heiligtum des hl. Bernhard benannt ist, das 1834 abging
und heute durch einen Bildstock die Erinnerung weiterträgt.
Östlich ans Kohlgärtle stößt die schon i.J. 1530 erwähnte
»Pfarrers Wies« mit der uralten Dorflucke zum Kessel hin,
und weiterhin der alte Weg zur Bitze und nach Melchingen.
Östlich an der genannten »Lücke« stand bis 1834 das Schächerkäppele, das ein Kruzifix mit den beiden Schächern
enthielt, die nach damaligem Abbruch zum Glück auf die
Pfarrbühne wanderten. Schächer kommt vom altdeutschen
»scahhari« und bedeutet Räuber. Ein Glück, sage ich, für uns,
bzw. die wertvolle und somit gerettete Figur des Gekreuzigten!
Die »Schächerwies« behielt bis heute ihren Namen. Pfarrer
Karl Glaser nahm ums Jahr 1930 Beziehungen auf mit dem
bekannten Sigmaringer Bildschnitzer Alfred Tönnes. Er
stammte m. W. aus dem Rheinland und sein Sohn war mein
Klassenkamerad am Gymnasium, der später am Petersfelsen
bei Beuren bei Klettereien tödlich abstürzte. Als der Meister
die erhaltenen Figuren ansah, erwiesen sich die Schächer als
primitive Bretter-Arbeit eines einheimischen Dorfschreiners,
der »Christus« jedoch als Kunstwerk ersten Ranges aus der
Zeit vor dem Jahr 1500. Doch zeigte er eine Merkwürdigkeit:
Die Beine waren oberhalb der Fußknöchel um gut fünf
Zentimenter gekürzt! Der Fachmann Tönnes erkannte die
Pfuscherei sofort und konnte leicht das Fehlende ergänzen.
Offenbar hatte man s. Z. die zu große Statue des Heilandes in
die viel zu niedrige Nische mit Gewalt hineingezwängt, die
wohl fehlerhaft berechnet war. Oder sollte sie vorher ein
anderes Heiligenbild enthalten haben? Denn erst im Jahre
1615 ist ein hiesiger Bürger »Hans Kohler bei den Schechern«
in einem Schriftstück aufzuweisen. (HJHeft 1962, 186).
Woher das Kruzifix zwischen 1530 und 1615 kam, ist leider
nicht festzustellen. Schwerlich aus dem Dorf Ringingen!
Vielleicht stammte es aus einem evangelisch gewordenen Ort
»Schächerkreuz« vom Hochaltar der Pfarrkirche Ringingen (gotisch
vor 1500). Die beiden Assistenzfiguren Maria und Johannes stammen
von Karl Volk, Jungnau.
der württembergischen Nachbarschaft, oder etwa einem
Kloster? Sicher schuf eine erstklassige Meisterhand diese
Statue des Gekreuzigten! Das zeigte sich klar nach der
Wiederherrichtung durch Herrn Tönnes. Zunächst fand das
herrliche Stück seinen Platz an der nördlichen Innenwand der
Frauenseite der Kirche. Bei Kriegsende und dem Einmarsch
der Franzosen am 23. April 1945 wurde es durch eine in die
Mauer schlagende Granate leicht beschädigt (HJHeft 1961,
180). Unter Pfarrer Peter Heinzelmann erhielt dann das
»Schächerkreuz«, wie man es nennt, seinen gebührenden
Ehrenplatz auf dem Hochaltar. Dazu kamen dann die beiden
Begleitfiguren Maria und Johannes, die Meister Karl Volk aus
Jungnau nach gotischen Vorbildern des fürstlichen Museums
in Sigmaringen formte.
59
Unter dem gleichen Pfarrer kam die Statue des Guten Hirten
vom Hochaltar an den bisherigen Platz des genannten Kreuzes; die flankierenden Martinus und Gallus an den Choreingang. Die bisherigen Heiligenhäuslein aller drei Altäre, die
1894 unter Pfarrer Engelbert Schon der von Hechingen
stammende Bildhauer Schäfer für alle neun neuen Statuen des
Tiroler Meisters Josef Riffesser aus Groden geschaffen hatte,
kamen auf die Kirchenbühne. Bei der Kirchenrenovation
unter Pfarrer Udo Zinke, Salmendingen, rückte man den
Hochaltar mit starker Kürzung der Stufen tiefer in den
Chorraum, um mehr Platz für den reichlich massigen Zelebrationstisch zu gewinnen, der wieder das 1894 entfernte
Leinwandbild des Kirchenpatrons St. Martin verwendete,
während die schöne barocke Kommunionbank verschwand.
Das Bild der hl. Gallus mit Othmar sieht man an der Decke
des alten Kirchenteils zur Erinnerung an deren ins 13.Jh.
zurückgegangenen Kirche im erhöhten westlichen Ortsteil,
die 1834 abgebrochen wurde. Sie sind Hinweis auf ehemalige
Besitzungen des Klosters St. Gallen (Schweiz) in unserer
Gemeinde (HJH 1957, 36-57). Das »Schächerkruzifix« mit
den beiden jetzigen Begleitfiguren Maria und Johannes auf
dem Hochaltar bilden einen herrlichen Abschluß des Ostteils
unserer Pfarrkirche. Der Ursprung des kostbaren Kunstwerks wird leider für immer im dunkeln bleiben!
WOLFGANG HERMANN
Reinhart von Neuneck
Ein adeliges »Dienerleben« der deutschen Renaissance -
c) A u f d e m R e i c h s t a g zu W o r m s 1521 u n d in k a i serlicher Mission
Im Januar und März 1521 hatte Reinhart von Neuneck noch
an den politischen Arbeiten, zusammen mit seinem Dienstherrn, teilgenommen. Martin Luthers Auftreten vor dem
Reichstag am 17./18. April und die Verkündigung des Edikts
am 8. Mai hatte er nicht mehr erlebt. Doch noch Wochen vor
seiner Abreise nahm er den Dank Kaiser Karls für seine
geleistete Unterstützung im J ahre 1519 entgegen: Am 6. März
stellte der Kaiser »seinem Rath Reinhart, der über das Meer
reisen will«, einen Geleitbrief aus 48 .
Für künftige Zeiten wichtiger war es für den Herrn der
Herrschaft Glatt, daß ihm und seinen Brüdern vom Kaiser
erlaubt wurde, den Blutbann auszuüben und einen Jahrmarkt
abzuhalten. Daß die Brüder miteinbezogen wurden, ließe
sich damit begründen, daß diese während eines Jahres der
Herrschaft Glatt näher waren als Reinhart: Wildhans als
baden-durlachischer Vogt in Durlach, Hans Oswald als
Verwalter der Herrschaft Glatt 49 .
Die Pfalzgrafen Ottheinrich und Philipp machten sich nach
ihrer Rückkehr von der Pilgerfahrt daran, den Ritter fester an
sich zu binden. Reinhart wurde am 22. November 1522
endgültig Pfleger und Hauptmann in Lauingen 50 . Zusätzlich
bestätigten die jungen Pfalzgrafen »iren Rhennharten« als
Diener ihres Hauses gegen ein Gehalt von 200 Gulden
jährlich 51 . Reinhart versank deswegen keineswegs im Provinzialismus, den politischen Ratgebertätigkeiten im Umfeld der
späteren Reichstage blieb er verpflichtet. So wurde er 1523
nach Kroatien gesandt, um in Sachen der Kriegsführung
gegen die Türken zu sondieren 52 .
3. Reinhart von Neuneck und die bäuerliche Bewegung
1525
von
Als etwa 50jähriger erlebte Reinhart von Neuneck die prinzipiell wohl wichtigste Auseinandersetzung in seinem Leben,
als die Bauern die für so selbstverständlich gehaltene »göttliche Herrschafts- und Weltordnung« umgestalten wollten
und dabei zeitweilig Schlösser und Klöster, selbst Städte in
Besitz nahmen und kontrollierten.
Der Bauernaufstand der Jahre 1524 und 1525 breitete sich im
gesamten Südwesten Deutschlands aus. Zwischen Schwarzwald und Thüringer Wald kam es zu zahlreichen Einzelerhebungen, die sich im wesentlichen so abspielten: Anfänglich
trugen die Bauern ihre Beschwerden zum wiederholten Male
vor - und das meist vergeblich - , darauf folgten Drohungen
60
(Fortsetzung)
und Einungen der Bauern. Vereinzelt wurden Abkommen
mit den Herrn erzielt - häufig dann beiderseits aber die
Bewaffnung vorangetrieben, von den Bauern feste Plätze
eingenommen und vor allem Klöster geplündert. Schließlich
erfolgten die Niederlagen der nur regional auftretenden
Bauernhaufen. Gleichzeitig sprachen die zurückgekehrten
Herren oder ihre beauftragten Heerführer drastische Strafen
aus.
Der bekannteste und erfolgreichste Gegner der Bauern in
Süddeutschland war Georg, der Truchseß von Waldburg:
bekannt als der Bauernjörg. In den Monaten April bis Juni
1525 verfolgte er in seiner Aufgabe als Feldherr des Schwäbischen Bundes 53 nahezu sämtliche Bauernhaufen vom Bodensee bis zum Main. Von Würzburg über Bamberg ging seine
Verfolgungsjagd bis ins Allgäu, wo er am 25. Juli 1525 der
bäuerlichen Bewegung in Sulzburg ein Ende setzte. Unterstützung fand der Truchseß auch in den Territorien zwischen
Main und Donau. Das sind die fränkischen, öttingischen und
pfalz-neuburgischen Gebiete sowie diese des Hochstifts und
Bistums Eichstätt. Nicht immer in Übereinstimmung mit
dem Truchseß von Waldburg agierten der Pfalzgraf Friedrich, die Herzöge Wilhelm und Ludwig von Bayern, der
Markgraf Casimir von Brandenburg-Ansbach 34 und die Grafen Martin und Ludwig von Oettingen.
Reinhart von Neuneck fertigte über seine Feldzüge und über
die Geschehnisse zu Glatt einen Bericht an, der undatiert
vorliegt 55 . Er selbst war nicht in der Lage, die eigene Herrschaft zu schützen, da er an seine Herren gebunden war und
keinen Urlaub erhielt. Die Herrschaft und das Schloß vertraute er seinem Bruder Hans Oswald an. Dieser versah
damals das Amt des Obervogts in Sulz. Mitte April 1525
wurde dieser jedoch auf das Schloß nach Tübingen beordert.
Zuvor hatte er das Weiherschloß mit einer Besatzung aus dem
Dorf versehen und für alle Fälle militärisch ausgerüstet. Hans
Oswald verließ sich auf den Eid dieser Leute, das Schloß in
jedem Fall zu halten. Seine Hoffnungen erfüllten sich aber
nicht, denn die Besatzung übergab am 28. April 1525 den
Adelssitz an den Bauernführer Thoman Maier, um sich dann
der Bewegung anzuschließen. Nicht nur diese Männer aus
Glatt, sondern auch andere aus Dettingen und einer aus
Dürrenmettstetten reihten sich in den »Haufen vor dem
Schwarzwald« ein 56 .
Der dritte der Brüder, Wildhans von Neuneck zu Glatt,
vermochte den Fall des Schlosses auch nicht zu verhindern.
Er war Vogt zu Baden-Durlach und geriet dort in die
Gefangenschaft der Bauern. Die Stimmung, die aus Reinharts
Bericht hervortritt, verrät Bitterkeit und Zorn über die
Demütigung. Hinter den Worten des Ritters lassen sich
außerdem Vorwürfe gegen Hans Oswald vermuten, welche
sicher erst lange nach den Ereignissen zurückgenommen
wurden.
Bayern ließ sich vertreten, nur für Oettingen erschien Graf
Ludwig selbst mit seinem Kanzler und Hofmeister 66 . Als
Sammelplatz ihrer Kriegsvölker erwählten sie Neresheim, wo
sich diese unter dem Oberbefehl Reinharts von Neuneck am
15. Mai sammelten 67 .
a.b) Der Haufen von Nördlingen und Öttingen
a) D i e m i l i t ä r i s c h e L a g e u n d die B a u e r n h a u f e n in
den s c h w ä b i s c h e n , f r ä n k i s c h e n und b a y e r i s c h e n
Grenzgebieten
a.a) Der Haufe von Ellwangen und Dinkelsbühl
Bis Anfang des 13. Jahrhunderts war Ellwangen ein freiherrliches Kloster gewesen und hatte in der Nachfolgezeit auch
Angehörige des niederen Adels, aber keine Bürgerlichen
aufgenommen. Seit 1215 erschienen die Abte als Reichsfürsten und nahmen eine so starke Position ein, daß sie die Stadt
unbedingt beherrschten. Schutz gewährte zwischen 1370 und
1589 Württemberg.
Der Niedergang des Klosters war um 1450 vollzogen, und
zehn Jahre danach wurde die religiöse Stätte mit Genehmigung des Papstes in ein exemptes Chorherrenstift mit einem
Fürstprobst umgewandelt. Das Stiftskapitel bestand aus
zwölf ritterbürtigen Chorherren und zehn Chorvikaren 57 .
Als jedoch 1519 Ulrich von Württemberg durch den Schwäbischen Bund des Landes verwiesen und vertrieben worden
war, nachdem Österreich die Regierung übernommen hatte,
mußte Probst Albrecht II. (von Thumb) seinen Platz räumen.
Pfalzgraf Heinrich nahm als der kaiserliche Kandidat dessen
Stelle bis zu seinem Tod 1552 ein 58 . Heinrich war gleichzeitig
Bischof von Utrecht und ließ sich demzufolge durch einen
Statthalter vertreten 59 .
Während der Religionswirren hatte sich das Stift der evangelischen Richtung mehrheitlich geöffnet. Zwei Chorherren
waren auf die Seite des Landvolks getreten, welches sich
gegen die katholische Geistlichkeit verschworen hatte.
Am 24. April 1525 versammelten sich, wie Jörg Haberkorn an
Casimir von Brandenburg übermittelte, die Bauern um Ellwangen und Dinkelsbühl im Vierngrund an Jagst und Wörnitz 60 . Ellwangens Schloß war nur mit acht Mann bewacht, so
daß es den Bauern am 26. April als leichte Beute zufiel 61 .
Bürgerschaft und Statthalter wurden auf die »Zwölf Artikel«
verpflichtet. Außerdem erpreßte der Haufe Proviant im
Werte von 1200 Gulden von der Stadt. Daneben wurde
zerstört und geplündert: Die Benediktinerprobstei Mönchsroth litt darunter - der Probst Rödinger entfloh, die Schlösser
Wittelshofen und Dürrwangen an der Sulz wurden eingenommen.
Danach bewegte sich der Zug zur Reichsstadt Dinkelsbühl,
und diese mußte sich am 6. Mai den Bauern verschreiben. Der
Rat nahm wie Ellwangen die »Zwölf Artikel« an, lieferte auf
den Druck hin drei Geschütze, eineinhalb Zentner Pulver,
120 Kugeln und 100 Spieße aus 62 . Am 9. Mai lag der vereinigte
Haufen bei Thannhausen und begann einen Schriftwechsel
mit Markgraf Casimir um die »12 Artikel«, worauf ihnen der
Landesherr ausweichend antwortete 63 . Das nächste Ziel der
Bauern war dann das Schloß Baldern, das sie am 10. Mai
berannten, aber nicht in die Hand bekamen 64 . Am 12. Mai
stand der Haufe vor Lauchheim und hatte die Stadt Aalen im
Blickfeld, was die Fürsten dieses Raumes in helle Aufregung
versetzte. Wegen dem auf 2500 Mann geschätzten Haufen
versammelten sich die Gesandten der bayerischen Herzöge,
des Markgrafen, der Pfalzgrafen und der Grafen von Oeningen am 12. Mai in der Stadt Donauwörth 6 5 . Die Pfalzgrafen
ließen ihren Reiterhauptmann Reinhart von Neuneck nebst
Wolf Dietrich von Knöringen an den Beratungen teilnehmen.
Ende März 1525 sammelten sich die Bauern, die um das Ries
herum beheimatet waren. Ihre Abteilungen lagen auf dem Ipf
bei Bopfingen, dem Hesselberg im markgräflich-brandenburgischen Amt Wassertrüdingen und in Deiningen bei der
Reichsstadt Nördlingen. In diesem zuletzt genannten Dorf
vereinigten sie sich am 29. März 1525. Ihr Ziel war es, die
Reichsstadt Nördlingen in die Hand zu bekommen. Ihr
Haufe war damals an die 3000 Mann stark, und die Männer
kamen aus zirka 100 Ortschaften 6 8 . Am 4. April schrieben die
Grafen von Oettingen an die Herzöge von Bayern, daß bei
Deiningen 8000 Mann lägen. In der Antwort machten jene
den Grafen jedoch keine Hoffnung auf Hilfe 69 . Uber die
Bauern und den Fortgang der Ereignisse urteilte schon
Zimmermann Ende des 18.Jahrhunderts: So gut sie nach
Landsknechtsart organisiert waren, so schlecht war ihre
Ausrüstung. Trotz allem gelang es ihnen, am 4. April Nördlingen zu besetzen. Mit Hilfe der städtischen Unterschichten
gelang es den Bauern, den bisherigen zweiten Bürgermeister
der Stadt, Anton Forner, an die Spitze der Stadt zu stellen 70 .
Forner ging gleich daran, den großen und kleinen Rat im
Sinne der Unterschichten zu verändern und die Bauern mit
Geld, Korn und Holz zu versorgen. Doch bereits am
12. April besaßen die Bürger der städtischen Mittel- und
Oberschicht wieder die Macht im Rat. Trotz der Versuche
Forners, den Krieg voranzutreiben, hatte die städtische
Ratsmehrheit auf einen Vergleich der Bauern mit den Grafen
von Öttingen hingearbeitet. Den Bauern wurde gesagt, daß
sie bis zum 12. April darüber befinden sollten, ob sie einem
Schiedsverfahren über ihre Beschwerden zustimmen würden.
Zwischenzeitlich sollten sie aber sämtliche Abgaben und
Dienste wie bisher leisten. Die Gesandten der Städte Augsburg, Dinkelsbühl, Wörth und Nördlingen vertraten diesen
Plan und schlugen eine Beratung für den 21. April vor.
Die Bauern selbst aber waren an die Grafen von Öttingen
herangetreten: Diese möchten die Bauern von der Leibeigenschaft und weiteren Belastungen befreien, und dafür wollten
die Bauern die Kirchengüter einnehmen und sie den Grafen
überlassen. Darauf ließen sich die Herren nicht ein - sie
suchten überhaupt einem Ausgleich aus dem Weg zu gehen 72 .
Sie hatten sogar dem Markgrafen Casimir vorgeschlagen, die
Kräfte aller süddeutschen Fürsten gegen die Bauern zusammenzufassen 73 . Am 12. April verließen die Bauern ihr Lager
bei Deiningen. Die Ursache ist darin zu sehen, daß die Stadt
Nördlingen eine weitere Unterstützung den Bauern versagte,
und die Grafen von Öttingen mit Gewalt drohten. Da war es
gerade passend, daß Markgraf Casimir von Brandenburg
ihnen einige Reiter geschickt hatte.
Die Bauern vom Ries verhielten sich zurückhaltend, was die
gemeinsame Sache betraf. Die Niederlage ihrer Standesgenossen bei Leipheim am 4. April demoralisierte sie. »Hunger und
Armut hat uns heimgetrieben« 75 . Die Bauern waren auseinandergegangen, hatten jedoch einander versprochen, bei
neuen Ubergriffen der Herrschaft wieder zusammenzutreten 76 .
Etwa einen Monat später bahnte sich die Verwirklichung
dieses Versprechens an. Am 3. Mai war Öttingen eingenommen, und Graf Ludwig hatte seine Familie nach Donauwörth
in Sicherheit gebracht, war aber selbst nach Ansbach geritten 77 . Zwei Tage später vereinigte sich der Dinkelsbühler
Haufe mit den Markgräflichen, und danach stieß man zu den
Riesbauern 78 . Der 6. Mai war »der große Tag« der vereinigten
61
Bauernhaufen, als man das Kloster Ahausen (auch Auhausen)
wehrlos fand und plünderte 79 . Der Stolz über den Sieg währte
aber nicht länger als einen Tag.
ebenso sei es mit den 300 böhmischen Söldnern und einigem
Feldgeschütz des Herzogs Wilhelm von Bayern, welche jener
aber im Augenblick noch selbst brauchte 79 .
a.c) Die Erhebungen im Sulzgau um Eichstätt
Friedrich und Wilhelm von Bayern handelten schnell mit
ihren 700 Reitern und 300 böhmischen Bogenschützen. Auch
viele Leute des eichstättischen Lehensadels zogen mit den
Herzögen. Ihre Hilfe war dringlich für den Bischof von
Eichstätt, dessen Willibaldsburg belagert wurde. Am
28. April wurde ein Waffenstillstand mit den Bauern
geschlossen. Der Pfalzgraf Friedrich besetzte vertragsgemäß
Schloß Hirschberg, und der Mässinger Berg verblieb den
Bauern. Tags darauf brach der Pfalzgraf den Waffenstillstand
und eroberte die von den Bauern besetzte Burg 80 . Jäger sieht
die Gründe im schnellen Erfolg des Pfalzgrafen Friedrich
darin, daß die Bauern untereinander uneins geworden waren,
daß einzelne Anführer durch bayerische Hauptleute zum
Verrat an ihren Brüdern bewogen wurden, und daß ein
weiterer Teil aufgrund des Vertrages mit dem Pfalzgrafen
vom Mässinger Berg abgezogen war 81 .
Ohne Verbindung mit den Riesbauern zu haben, entwickelte
sich das Aufstandsgeschehen im Gebiet des Stifts Eichstätt.
Die dortigen Bauern empörten sich darüber, daß der Bischof
von Eichstätt ein gemeines Fischwasser an sich gezogen hatte
und von einer neuen Brücke über die Altmühl Zoll erhob. 400
Bauern fanden sich am 4. April an der Altmühl ein, um dort
soviel als möglich zu fischen. Danach zogen sie wieder nach
Hause 77 .
Nach den Ereignissen von Weinsberg in Württemberg wurden auch in Bayern die Aufstände allgemeiner. Zwischen dem
23. und 25. April gesellten sich ansbachische Bauern zu den
eichstättischen, und so kamen an die 5000 Leute zusammen.
Das gelang um so leichter, da am 22. April die Burg Obermässing eingenommen war. Auch die Bürger von Greding schlossen sich an. Weil wohl Untertanen des Herzogs von Bayern
mit dabei waren, bat Herzog und Pfalzgraf Friedrich um 100
Pferde bei Casimirvon Brandenburg. Dieser antwortete am
24. April, daß er sogleich kommen würde 78 .
Die Bauern erwählten zu ihren Zielen die Klöster Plankstetten, Rebdorf und Moosbronn. Ihr Hauptquartier bezogen sie
auf Schloß Landeck auf dem Obermässinger Berg. Ihre
Gegner, der Markgraf und Pfalzgraf Friedrich, suchten mit
den Bauern zu unterhandeln und trieben gleichzeitig militärische Vorbereitungen. Zwischen dem 25. und 30. April liefen
die Maßnahmen an. Reinhart von Neuneck und Caspar von
Seckendorf sollten nach Freystatt stoßen, wenn mit den
Bauern keine Einigung erreicht werden sollte. Mit Schreiben
vom 30. April und 1. Mai teilte Wolf von Wiesentau seinem
Herrn, dem Markgrafen, mit, daß der Pfalzgraf Friedrich
seinen Hauptmann Reinhart von Neuneck samt seinen
Reitern dem Markgrafen zur Verfügung stellten wollte;
Von den angetroffenen Aufständischen ließ der Pfalzgraf 14
enthaupten, wobei acht von ihnen aus der Stadt Greding
stammten. Das Vorgehen dieses »Kriegsfürsten« am 29. April
fand sogar in Nürnberg keine gute Aufnahme, wo man
Friedrich als einen Vertragsbrecher bezeichnete 83 .
Als am 2. Mai schließlich der Pfalzgraf mit einer kleinen
Truppe den Haufen zersprengt hatte, war das Aufstandsgeschehen zu Ende. Das »nackend elend Volk«, ein »unnütz
heillos Gesindel« mit »unverständigen Hauptleuten« war
zerstoben 84 . Enttäuscht war nur der Markgraf. Ihm war es zu
verdanken, daß die bayerischen Herzöge und der Bischof von
Eichstätt von den aufrührerischen Bauern befreit wurden.
Casimir hatte gehofft, entsprechend der Zusage von Ende
April, daß ihm die Böhmen und Reinhart von Neuneck
zugeschickt würden. Jetzt gab es aber nur Vertröstungen von
bayerisch/pfälzischer Seite 85 .
Anmerkungen
48
Locher, Regesten, S. 197; Locher bezog diesen Geleitbrief auf
Jerusalem und Santiago de Compostella. Letztere Wallfahrt ist
quellenmäßig noch nicht belegt, Doch zeigt das Sakramentshaus in
der Glatter Kirche (Abbildung auch in der H H 1969, S. 26 und 27),
gestiftet von Reinhart, die Muschel, das Zeichen der Jakobspilger.
Berühmte Zeitgenossen als Wallfahrer nach Santiago waren Heinrich der Fromme von Sachsen, ein Freiherr von Gundelfingen und
Jörg Truchseß von Waldburg. Zit. nach Hermann Hüffer, in: Vera
Hell, Die große Wallfahrt des Mittelalters, Tübingen 1965.
49
50
51
52
53
62
StAS, H o 163, Urk. Nr. 51. Wohl aus dem gleichen Grund war
schon 1515 die Herrschaftsausübung im Niedergericht geteilt.
Zum Teilungsvertrag siehe bei Job. Ad. Kraus, Zur Geschichte von
Glatt und der Herren von Neuneck, HJh 1962, S.89f.
FAS-Glatt, 64, 3. Hinweis bei Locher, Regesten, S. 198.
Locher, Regesten, S. 199.
Dt. Rtg.A., Bd. III., Nr. 51, S.293. Auf dem Reichstag zu Nürnberg vom 26.3.-30.4.1522 waren aus der schwäbischen Ritterschaft neben Jörg Truchseß von Waldburg, Graf Ludwig von
Leostein und Diethrich Speth auch Reinhart von Neuneck in den
Kriegsrat für den Kampf gegen die Türken befohlen worden. Dt.
Rtg.A., Bd. III, S. 175.
Der Schwäbische Bund, 1488 (er bestand bis 1534) als Vereinigung
zur Aufrechterhaltung des Landfriedens gegründet, war während
des Bauernaufstandes die einzige Macht, diese Bewegung aufzuhalten. Das Reichsregiment, das während der Abwesenheit
Karls V. regieren sollte, war handlungsunfähig. In Folge davon
lenkte der Schwäbische Bund, ohne eine reichsgesetzliche Grundlage zu besitzen, die deutschen Verhältnisse ganz nach seiner
Willkür. Seine Leitung lag in den Händen des bayerischen Kanzlers Leonhard von Eck. An der Spitze stand ein Bundesrat, der sich
je aus acht Räten und einem Hauptmann der drei Collegien oder
Bänke der Fürsten, Prälaten und Ritter und der Städte zusammensetzte. Seine Wehrkraft sollte aus 12000 Mann zu Fuß und 1200
Reitern bestehen. Zur Schlichtung innerer Streitigkeiten war ein
54
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Bundesgericht eingesetzt. Zu seinen Mitgliedern gehörten zuletzt
u.a. die Kurfürsten von Mainz und der Pfalz, der Markgraf von
Brandenburg-Ansbach, die Herzöge von Bayern und Pfalz-Neuburg, die Bischöfe von Bamberg, Würzburg, Eichstätt und Augsburg, die Grafen von Oettingen. Von den Städten beispielsweise
Nürnberg.
Der frühere Name von Ansbach ist Onoltsbach. 1331 Verkauf an
die Burggrafen von Nürnberg, 1385 Sitz der fränk. Hohenzollern.
1411/15 übertrug Friedrich VI., der die Burggrafschaft besaß und
Brandenburg erwarb, den Namen Brandenburg auf die fränk.
Territorien.
Bericht des Reinhart v. Neuneck unter StAS H o 163, Akten 68.
Dazu siehe Job. Ottmar, Der Bauernaufstand von 1525 zwischen
Nordschwarzwald und oberem Neckar, Glatter Schriften Nr. 2,
Sulz 1982.
Handbuch d. hist. Stätten Deutschlands, Ausg. Bad.-Württ.,
S. 174.
Alois Seiler, Der württ. Schutz und Schirm über Kloster und Stift
Ellwangen (1370-1590), in ZWLG 1969, S.358.
Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, Ausg. von 1933,
S. 348.
Wilhelm Zimmermann, Der große deutsche Bauernkrieg, Volksausg. Berlin 1976, S. 610.
Günther Franz, wie Anm. 59, Zimmermann, wie oben, S.612.
Wilh. Zimmermann, wie Anm. 60, S.612.
Ludwig Müller, Beiträge zur Geschichte des Bauernkriegs im
Riess und seinen Umlanden, in: Zeitschrift des Histor. Vereins für
Schwaben und Neuburg, 15.Jg., Augsburg 1889, S. 148.
Ders., ebd., S. 149.
Ders., ebd., S. 149.
Ders., ebd., S. 150 mit Anm. 4.
Ders., ebd., S. 150 mit Anm. 4.
Wilh. Zimmermann, wie Anm. 60, S. 338.
Ludw. Müller, wie Anm. 63, S. 71, Anm. 2.
70
72
75
75
76
77
78
79
80
Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S.339.
Ders., ebd., S. 340.
Ludw. Müller, wie Anm. 63, S. 86.
Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 341.
Günther Franz, wie Anm. 59, S. 346.
Ludwig Müller, wie Anm. 63, S. 132.
Ders., ebd., S. 128.
Ders., ebd., S. 129. Bei Carl Jäger, ausführl. zit. wird auf Seite 111 ff. die Beute der Bauern bzw. der Schaden des Klosters
Ahausen ausführlich beschrieben.
Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 612.
81
83
84
85
86
87
88
89
Carl Jäger, wie Anm. 79, S.44, 45.
Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 612; Jäger, a.a.O., S.45.
Günther Franz, wie Anm. 59, S. 351.
Carl Jäger, wie Anm. 79, S.45.
Wilhelm Zimmermann, wie Anm.60, S. 343.
Carl Jäger, Markgraf Casimir und der Bauernkrieg in den südlichen Grenzämtern des Fürstentums unterhalb des Gebirgs, in:
Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg,
9. Heft, Nürnberg 1892, S.22, 23. ,
Ders., ebd.
Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 343.
(Fortsetzung
folgt)
Erhaltung und Erforschung
von Kleindenkmalen
Die Gesellschaft zur Erhaltung und Erforschung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg e.V. schreibt uns:
Es ist heute mancherorts geradezu zur Unsitte geworden,
Grenzsteine aus einstigen Grenzlinien herauszunehmen und
sie in Vorgärten u. ä. zu verbringen, ohne dabei zu bedenken,
daß damit der Grenzstein seiner eigentlichen Funktion, nämlich den Grenzverlauf auszuweisen, beraubt wird. Bereits im
Jahre 1977 wollten öffentliche Stellen historisch wertvolle
Steine inventarisieren, jedoch war diesem Unternehmen ein
nur geringer Erfolg beschieden. Unsere Mitglieder haben
zwar mittlerweile tausende solcher Rechtsdenkmale aufgenommen, doch immer noch zu wenig in Anbetracht dessen,
was es doch zu sichern gilt.
Mit dieser Aktion wollen wir heimatverbundene Mitbürger
ansprechen, die sich vor O r t gut auskennen, bereit sind, sich
ein wenig in die Geschichte ihrer engeren Heimat einzulesen
und die nötige Liebe und Geduld aufbringen, alte Grenzzeichen aufzusuchen und zu verzeichnen. Als Unterlagen stellen
wir den Interessenten eine kleine Anleitung neben einer
Vorlage des Inventarisierungsbogens - beides haben wir
zusammen mit den uns angeschlossenen Heimat- und
Geschichtsvereinen entworfen und in der Praxis erprobt
- kostenlos zur Verfügung, von dem nach Belieben Kopien
für diesen Zweck hergestellt werden können (weitere Bögen
können im Bedarfsfalle gegen Unkostenerstattung angefordert werden). Verpflichtungen uns gegenüber entstehen dem
Inventarisierenden in keiner Weise: Die Unterlagen verbleiben bei ihm, er allein bestimmt, wem er Einsicht gewährt und
wem nicht. Natürlich würden wir uns für Forschungszwecke
darüber freuen, könnten uns die gewonnenen Unterlagen zur
Fertigung von Kopien überlassen werden. In erster Linie geht
es uns aber darum, daß die Grenzzeichen möglichst vollständig erfaßt und damit auch gesichert werden. Die Anschrift für
ev. Interessenten lautet: GEEK Postfach 1160, 7526 UbstadtWeiher 1.
Der Hohenzollerische Gesch-chtsverein bei der Besichtigung von
Kleindenkmalen (Empfingen).
Foto: H. Burkarth
Buchbesprechung
»Die Sprache des Ghettos ist - schwabisch*
Wäre 1781 dem Haigerlocher Barnas, dem Vorsteher einer
damals 20 Familien zählenden jüdischen Gemeinde, die noch
druckfrische Schrift des preußischen Archiv-Superintendenten D o h m »Über die bürgerliche Verbesserung der Juden« in
die Hände gefallen, er hätte vermutlich nur ratlos den Kopf
geschüttelt. Dohm bescheinigt der jahrhundertelang praktizierten Judenpolitik und ihren Methoden - rechtliche Sonderstellung und soziale Ausgrenzung der Juden - den Bankrott, macht als erster darauf aufmerksam, daß im Ghetto der
für staatliche Zwecke nutz- und brauchbare Untertan nicht
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Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein
Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen
M 3828 F
Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt.
erzogen werden könnte. In Preußen begann man über die
Emanzipation der Juden zumindest nachzudenken. In
Hohenzollern-Sigmaringen dagegen vertraute man - unangefochten vom aufklärerischen Räsonnement - weiterhin auf
die konsequente Fortführung des überkommenen herrschaftlichen Umgangs mit den Juden und beeilte sich, dem auch
sichtbar Ausdruck zu verleihen. Vielleicht Dohms Schrift in
der Hand, saß der Haigerlocher Barnas zusammen mit der
jüdischen Gemeinde im neu errichteten Ghetto, das die
Regierung - gewissermaßen als historischen Nachtrag - den
Haigerlocher Juden noch 1780 verordnet hatte: ein entgegenkommendes Nachgeben des Fürsten auch der Stadt Haigerloch gegenüber, die ihrem Unmut über die lästige wirtschaftliche Konkurrenz der Juden kurz zuvor lautstark vor dem
Oberamt verlauten ließ. Deutlich getrennt von der christlichen Bevölkerung lebten die Haigerlocher Juden seither im
»Haag«, bis sie 1941/42 deportiert und ermordet, endgültig
aus dem Haigerlocher Stadtbild verschwanden. Die erhaltenen Negative des Haigerlocher Photographen Paul Weber
von Karl Werner Steim zusammengestellt, mit einer kurzen
Geschichte der Juden in Haigerloch versehen und durch
zeitgenössische Berichte über das Leben im »Haag« ergänzt,
erlauben zumindest ausschnitthafte Einblicke in das Leben in
diesem dörflichen Ghetto, das nicht nur jüdischen Zeitgenossen auf der Durchreise als bemerkenswerte Besonderheit
erschien. Paul Weber photographierte nicht den Alltag. Er
liefert Ansichten vom »Haag«, zumeist aber die von seiner
jüdischen Kundschaft bestellte und bezahlte Dokumentation
eines festlichen Anlasses, bei der die Abgelichteten mit der
notwendigen Steifheit für die langen Belichtungszeiten posieren. Photos, die man zu kennen glaubt und die doch anders
sind. Wenn sich z.B. der jüdische Liederkranz unter der
Vereinsfahne mit dem Zoller - durch und durch Honoratioren, die sich der deutschen Volksliedpflege verschrieben
haben - dem Photographen präsentiert, wird augenfällig,
welch ideologischer Verrenkungen es bedurfte, um hier
»rassische« Andersartigkeit zu attestieren. Vielleicht auch ein
Indiz: wenn man aus dem »Haag« kam, mußte man »deutscher«, »hohenzollerischer« sein als die christliche Umwelt,
um gesellschaftliche Anerkennung zu finden; und der »Lie-
HOHENZOLLERISCHE HEIMAT
Die Autoren dieser
derkranz« hat sie sich ersungen, wie die Lobeshymnen der
zeitgenössischen Lokalpresse belegen. Assimilation ist aber
nur eine Seite jüdischer Existenz in Deutschland und in
Haigerloch seit dem 18.Jahrhundert. Das ehemalige Dorfghetto war auch nach der endgültigen Judenemanzipation im
19. Jahrhundert - wie die Zeitgenossen vielleicht ein wenig
romantisch verklärt bemerkten - ein Reservat für das Althergebrachte, ein Schutzraum für jüdische Traditionen, die hier
eingeübt und lebendig weitervermittelt wurden. Daß das
Chomezfeuer einmal in Haigerloch ebenso zu Hause war wie
die Fronleichnamsprozession ist heute weitgehend vergessen.
Den Reisenden in den zwanziger Jahren war die Synagoge im
»Haag« ebenso bemerkenswert, wie der Römerturm. Gerne
hätte man etwa mehr erfahren vom Leben der Levis, Behrs
und Ullmanns in Haigerloch, deren Portraits leider kaum
biographisch kommentiert sind. Eine Wiederbegegnung mit
einem Stück deutsch-jüdischer Geschichte in Hohenzollern
ermöglichen die Bilder von Paul Weber und der Text von Karl
Werner Steim allemal.
Karl Werner Steim, Juden in Haigerloch, Photos von Paul
Weber. Das Buch ist nur über die Fa. Foto-Weber, Unterstadt,
7452 Haigerloch zum Preis von 19,95 DM zu beziehen.
Klaus Peter Burkarth
»O Hechingen, du traute...«
Der Hechinger Heimatfilm, der 1986 anläßlich der 1200Jahr-Feier uraufgeführt wurde, ist als 90 Min. VHS-Video
erhältlich. Der Film zeigt Bilder aus der Geschichte von
Hechingen, einen ausführlichen Stadtrundgang, Sportmöglichkeiten und Festveranstaltungen, sowie Wanderungen in
der Umgebung der Stadt. Wer einen VHS Video-Recorder
besitzt, kann die Kassette erwerben, um Freunden und
Verwandten seine Heimatstadt zu zeigen, oder als »Auslands-Hechinger« ein Stück alte Heimat in Bild und Ton mit
in die neue Heimat zu nehmen.
Preis der Video-Kassette DM 86.-.
Bestelladresse: Ingrid und Heinz Willisch, Silcherweg 12,
7450 Hechingen, Telefon 07471/3246.
Nummer:
hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein.
Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat«
ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will
besonders die Bevölkerung in Hohenzollern
und der angrenzenden Landesteile mit der
Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie
bringt neben fachhistorischen auch populär
gehaltene Beiträge.
Klaus Peter Burkarth
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