Ausgabe 1987 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
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Ausgabe 1987 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV
M 3828 F H OH ENZOLLE RIS.CHE HEIMAT Innenraum der restaurierten Hechinger Synagoge. Herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein 37. J a h r g a n g N r . 1 / M ä r z 1987 Foto: Eberhard Wais Im Rahmen der 1200-Jahr-Feier der Stadt Hechingen ist am 19. November 1986 die ehemalige Synagoge in der Goldschmiedstraße wiedereröffnet worden. Sie diente von 1767 bis zu ihrer Schändung und Demolierung in der Reichskristallnacht 1938 der Hechinger Judengemeinde als Gotteshaus. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mußte die zerstörte Synagoge als Sühneakt von der Stadtgemeinde an die Israelitische Religionsgemeinschaft für Württemberg und Hohenzollern zurückgegeben werden. Weil für die Synagoge keine Gemeinde mehr vorhanden war, veräußerte sie die IRG. In privatem Besitz drohte sie zu verfallen. Initiative aufgebracht. Die Stadt Hechingen hat für die weitere Renovierung einen Betrag von 300000 DM zugesagt. Die Kostenschätzung von ca. 1,7 Millionen DM dürfte deutlich unterschritten werden. Im Sommer 1979 bildete sich eine »Initiative Hechinger Synagoge e.V.«, die sich zum Ziel setzte, die Synagoge als Kulturdenkmal zu erhalten und zu restaurieren. Nachdem das Landesdenkmalamt Ende 1979 die ehemalige Synagoge in das Denkmalbuch aufgenommen hatte, konnten von der Initiative Kaufverhandlungen geführt werden, die im Oktober 1982 endlich zum Ziel führten. Im September und November 1986 weilten auf Einladung der Stadt zwei Besuchergruppen früherer jüdischer Mitbürger für jeweils acht Tage in Hechingen. Die Sprecher der Gäste, Dr. Alfred Weil und Rabbiner Gustav Buchdahl, betonten, daß sie zwar nicht vergessen und vergeben könnten, aber eine Brücke über die Mauer aus Haß zu bauen bereit seien. Neben den Begegnungen mit alten Freunden, Bekannten und Nachbarn standen die Bemühungen, den Spuren der Geschichte der Juden in Hechingen zu folgen. Manfred Stützle und Otto Werner Von 1983 bis zur Eröffnung wurde rund eine Million DM zur grundlegenden Sanierung und Restaurierung des Gebäudes vom Landesdenkmalamt, vom Zollernalbkreis und von der Die »Alte Synagoge« soll künftig von einem Trägerverein als Kulturhaus genutzt werden. Als ständige Veranstaltung ist an jedem letzten Freitag im Monat der »Freitagabend in der Synagoge« mit Musik, Lesung und gemeinsamem Lied fest eingeplant. Daneben finden auch Veranstaltungen (Konzerte, Kabaretts, Theater, Lesungen, Vorträge, Ausstellungen etc.) verschiedener Institutionen statt. KARL W E R N E R STEIM Fastnacht in Haigerloch vom 15. bis 18. Jahrhundert 1 Wer nach mittelalterlichen Fastnachtsbräuchen sucht, tut sich schwer. Als älteste Belege der Fastnacht werden oft die in Urkunden des 14. Jahrhunderts genannten Fastnachtshühner angeführt. Sie beweisen aber nur, daß der Begriff Fastnacht schon üblich war und damals - wie beispielsweise an Martini - Naturalabgaben fällig waren. Uber fastnachtliches Brauchtum sagt dies nichts aus 2 . Früheste Fastnachtsaktivitäten im näheren Raum lassen sich aber doch seit dem 14. Jahrhundert nachweisen. So ist in Rottweil bereits um 1360 von »vasnacht Krapfen« (Fastnachtsküchle) die Rede 3 . In Rottenburg am Neckar sind für das Jahr 1410 Stadtpfeifer (»Pfiffer«) erwähnt, die »auf vassnacht« auszubezahlen waren 4 . Fastnacht im Stadtbüchle von 14572 Die älteste belegte Fastnacht in Haigerloch geht auf die Zeit zurück, als die Stadt in österreichischem Besitz war. 1452 hatte Mechthild von der Pfalz, die Witwe des Grafen Ludwig I. von Württemberg, Erzherzog Albrecht IV. von Osterreich geheiratet. Was sie in die Ehe einbrachte, wurde in der Übereignung der vorderösterreichischen Grafschaft Hohenberg auf ihre Person garantiert, und dazu gehörte auch die Herrschaft Haigerloch. Mechthild, die sich vorwiegend in Rottenburg aufhielt, galt als musisch interessiert und lebenslustig. Unter ihr gab es in Rottenburg eine höfische Fastnacht. Während Mechthilds Regierung wurde 1457 das sogenannte Haigerlocher Stadtbüchle verfaßt, das noch jahrhundertelang dem öffentlichen und privaten Recht in der Herrschaft Haigerloch die Richtung gab. Und in diesem ältesten Stadtbuch findet sich auch die erste Nachricht über Fastnachtsbrauchtum in Haigerloch: »Jtem vnd die herren schenckent an der äschrygen mittwochen ain pfund haller den lütten in die zech vnd die burger ouch ain pfund haller«. verfügt, künftig solle »an Aschermittwoch mit den Weibern keine Zehrung mehr passiert werden, auch soll bei andern Zehrungen eine bessere Mäßigung observiert werden« 9 . In der Hechinger Landesordnung von 1580, die mit den Haigerlocher Ordnungen fast identisch ist, werden schon Fastnachtsküchlein, Butzenkleidung und das Vermummen genannt. 10 Fastnachtsumzüge seit 1606 Altes Fastnachtsbrauchtum waren Umzüge in Haigerloch. Der erste wird in der Rentei-Rechnung 1605/06 genannt, wo es heißt: 11 »An der Faßnacht den jungen Gesellen allhie etwas bezahlt.« Ähnlich lautet die Formulierung 1609/10: »Den jungen Gesellen und Buben an der Faßnacht verehrt 1 fl 54 x.« Hier ist zwar der eigentliche Anlaß noch nicht genannt, doch geht aus den späteren Rechnungen hervor, daß es sich um die üblichen Fastnachtsumzüge handelte, deren erster ganz eindeutig 1638/39 wie folgt beschrieben wird: 12 »Der Ledigen Burst ahn der fasnaht alß Süe mit dem Gewehr uff dem schloß gewesen altem gbrauch nach vererth 1 fl 30 x.« Auch weitere Angaben finden sich über die Fastnacht im 17. Jahrhundert. So 1608 die Eintragung: 13 »An der Faßnacht auf der Reise nach Sigmaringen und daselbst ausgegeben und Geld gegeben 25 fl 8 x.« Das war eine beträchtliche Summe. An der Fastnacht 161014 stehen die »Spielleute zu Rottweil« in der Ausgabenliste. Spielleute ohne nähere Angaben erhalten 161215 zwei Gulden; Spielleute aus Balingen werden an der Fastnacht 161616 in Haigerloch genannt. Gut belohnt wurden an der Fastnacht die »Comedianten« mit insgesamt 5 fl 30 x 17 . Von der Fastnacht 162418 ist überliefert, daß im »Schlößle« für 3 Gulden verzehrt wurde. Unter den Ausgaben wird auch der Wein aufgeführt, der dem Gesinde an der Fastnacht gereicht wurde. Das »gn. Fräulein Theresa« bekam schließlich im Jahre 1697 1 fl 27 x »vor ein Mascara« 19 . »Zehrungen« Einen besonders großen Umfang hatten in früheren Jahrhunderten Trinksitten und Mahlzeitgebräuche. Es tagte keine Bürgerversammlung, ohne daß dabei Wein getrunken wurde. Die gemeinsamen Zechen (»Zehrungen«) wechselten das ganze Jahr über ab, so beispielsweise an den Rechtstagen, an kirchlichen Feiertagen und natürlich an der Fastnacht. Gerade der Aschermittwoch spielte eine besondere Rolle. Wie 1457 festgelegt wurde, mußten die Stadtherren, also in diesem Fall die Erzherzogin Mechthild, den Bürgern einen Trunk spendieren. Auch das Haigerlocher Stadtbuch von 15516 bestätigte diese Zeche. Mit dem Stadtbüchle von 1457 übernahmen die Zollergrafen als Nachfolger der Österreicher im 16. Jahrhundert die Leistung des Aschermittwochtrunks. Seit 1574/75 läßt sich in der Rentei-Rechung 7 belegen, daß das Grafenhaus Hohenzollern »den Bürgern zu Haigerloch nach altem Brauch nach in die Zech uf das Rathaus an den Öschernigen Mitwoch 1 Pfund« bezahlte. Im Jahre 1625 ist zu erfahren, daß die Obrigkeit auf dem Rathaus in Gegenwart einiger Geistlicher und des Schulmeisters nach altem Brauch einen Abendtrunk hielt, nach »Herkommen, Gewohnheiten, Besatzungen und Recht der Stadt Haigerloch« von 16218. Bei der Zeche am Aschermittwoch beteiligte sich auch das weibliche Geschlecht. Die Obrigkeit kämpfte - wohl meistens vergeblich - gegen diese Sitte an. 1710 wurde z.B. 2 Strafen für Unsinn an der Fastnacht Die Suche nach Strafen an der Fastnacht für ungebührliches Verhalten - anderswo sehr ergiebig - erwies sich im Falle von Haigerloch als recht fruchtlos. Nichts zu finden war beispielsweise in den Haigerlocher Stadtgerichtsprotokollen, die von 1656 an vorliegen. Nur einen Eintrag gibt es in der fürstlichen Rentei-Rechnung vom Jahre 169 8 20, wonach Hans Jakob Kessler jung »daß er Aschermittwoch Weibskleider angetan und übel geschworen« mit 6 Pfund Tübinger = 5 fl 48 x belegt wurde. Hart bestraft wurde der Haigerlocher Maurer Christoph Großbayer im Jahre 162521, als er an Aschermittwoch den Schulmeister Gallus Siber von Rottweil, der nach dem traditionellen Abendtrunk mit der Obrigkeit und Geistlichen auf dem Heimweg vom Rathaus war, aus Übermut auf der freien Landstraße ohnmächtig geschlagen hatte. Großbayer mußte bei Verpfändung von Hab und Gut versprechen, dem Schulmeister in vier Raten 35 Gulden zu bezahlen. Fastnachtsküchlein seit 1652 Jahrhunderte hindurch spielten die Fastnachtsküchlein eine große Rolle. Dies waren kleine Geschenke, meist Brote, Kuchen, weiße Wecken, die zur Fastnacht vor allem an die Kinder zur allgemeinen Erheiterung gereicht wurden. Sie bestanden aber auch in Leistungen von Speise und Trank an die Erwachsenen, wohl als kleine Gegengabe für die Lieferung des Zehnten an die Pfarrer, die hauptsächlich zur Leistung der Fastnachtsküchle verpflichtet waren. Diese Küchle tauchen in Haigerlocher Akten erst im 17. Jahrhundert auf. In der Haigerlocher Landesordnung von 165222 gibt es ein Kapitel »Der Kirchweihe und Faßnacht halber«: »Wie mir glaublich berichtet, daß an den Kirchweihen und Faßnachten unsere Unterthanen mit dem Ueberlaufen der Gäste und der Küchlein halber allein... hoch und schwerlich belästiget werden, daß denselben an anderer ihrer Unterhaltung und Nahrung Abbruch geschieht, und zu Kosten gebracht werden, denselbigen zu begegnen, sezen und verordnen wir, daß solche Gastereyen und Küchlein halten ganz und gar abseyn...« Fastnachtsumzüge im Barock Im 18. Jahrhundert, der Zeit des Barock, erlebte die Fastnacht in Haigerloch, das von 1737 bis 1769 Residenz des Fürsten Joseph Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen war, eine Blütezeit. Das war wohl u.a. diesem Fürsten zu verdanken, d e r - wenn er in Haigerloch w a r - stets dem Fastnachtsumzug persönlich beiwohnte und jeweils den traditionellen Obulus von einem Pfund Heller = 38 Kreuzer und 3 Heller entrichtete. In der Rentei-Rechnung 23 findet sich stereotyp fast jährlich der Vermerk, daß wegen des »bürgerlichen Umzuges an der Fastnacht« 38 Kreuzer 3 Heller gezahlt wurden. Leider ist über die Umzüge, die von 1731 an wieder regelmäßig genannt werden, nichts näheres berichtet. Den Formulierungen nach war der Umzug nur Sache der Männer bzw. der ledigen Burschen. Auch als Fürst Joseph Friedrich 1769 gestorben war und der Nachfolger Karl Friedrich die Residenz nach Krauchenwies verlegte, hielt man weiter den Umzug und bekam jährlich den Beitrag. Mit der Jahrhundertwende 1800 gab es eine Änderung. Erstmals in der Rentei-Rechnung des Jahres 1801/02 findet sich die Formulierung, die Bürgerschaft habe beim Fastnachtsumzug oder jetzt am Corporis Christ-Fest (Fronleichnam) ihre 38 Kreuzer und 3 Heller bekommen. In den Jahren bis 1806 wird wieder der Fastnachtsumzug genannt, von 1807 an erhalten die Bürger aber den Betrag jeweils an Fronleichnam - wohl für die Fronleichnamsprozession. Warum dieser Wechsel stattfand, ist nicht bekannt. Vermutlich hatten die Fastnachtsumzüge aufgehört, und der Beitrag des Fürsten wurde deshalb »umgelenkt«. Einstellung öffentlicher Lustbarkeiten Fürst Joseph Friedrich von Hohenzollern-Sigmaringen, der wohl ein Freund der Fastnacht war, hat im Jahre 1756 - wie in anderen Staaten - die Einstellung aller öffentlicher Lustbarkeiten in der Herrschaft Haigerloch verfügt: 24 »Weilen zu Verhietung aller fernerer göttlichen Straf so wohl in gantz Ostrich, als Churbayerischen Landten bey högster Straf alle Spihl-Leüth, vndt ofentliche Lustbarkaitten dise Faßnacht durch verbotten wordten auch solche von vnßerer Regierung zu Sigmaringen so löblich, als büllich eingestehet seyndt, als befehlen wür ebenfalls vnßerem Oberambt alhier mittelst communicierendter Abschrift gegenwärtigen Decrets ahn hiesige Statt, vndt Dorfschaften ein gleiches zu beobachten, vndt nit nach der Landtordtnung, sondtern nach willchürlicher herrschaftlichen Straf alsogleich, vndt ohne Zeittverluest zu inhibieren: Wormit wür mit Gnadten gewogen verbleiben.« Der traditionelle Umzug fand aber - in Anwesenheit des Fürsten - statt. l SA • w ,1 » w Jmi 3 7 7* ! \ * f* n Der »Rottweiler« wurde wie das »Bischöfle« einer Barock-Maske nachgeschnitzt. Foto: Weber Fastnachtsbegraben 1778 Ein Brauch, der bei der Kirche stets auf Kritik stieß, war das »Fastnachtsbegraben«, weil hier auf närrische Weise kirchliche Riten nachgeahmt wurden. In einem Brief an den Oberamtmann beschwerte sich Haigerlochs Stadtpfarrer Franz Xaver Waldraff über die »Unanständigkeiten« beim Fastnachtsbegraben des Jahres 1778: 25 »Wie vormahlen dem ärgerlichen Missbrauch der sogenannten Fassnachtbegräbnus am Aschermittwoch, wordurch meistens die Alt- und Newtestamentische Kirchen-Ceremonien gespotet wurden, wiedersprochen und Einhalt gethan worden. So würdet dermahlen, als eben an disem verflossnen ersten Busstag ein formliches Fassnachtspühl in der Vorstellung eines Pfarrers, seiner Köchein, und Sing- oder Kirchenknaben mit Verspotung. eines dahiessigen Burgers und seiner ehelichen Kindern ofentlich unter gröstem Tumult und Geschrey auch so unanständig - als ärgerlichen Ausschweifungen durch die Statt geführet, und von denen Statvorgesezten selbsten übersehen, oder, wie es verlauten will, erlaubt, insbesondere aber einige noch schuhlmässige Buben unter Absingung dess Gloria Patri etc. und zerschiedenen Reimen, als z.B. Herr Pfarr von Zepfenhahn hat einen langen Zipfel an darzu gebraucht...« Maskeradenverbot 1784 Ein Maskeradenverbot aus dem Jahre 1784 für die Herrschaft Wehrstein, die zur Herrschaft Haigerloch gehörte, ist sehr aufschlußreich, da hier über das ausgeübte Brauchtum einiges zu erfahren ist: 26 »Weil das Mascerenlaufen in der Fasnacht nach mehrmal ergebenem Beysphiehle mehr als ein Handlung betrachtet werden kann, die auf Muthwillen Ungezogenheiten, und Unanständigkeit abziehlen, als dasselbe zu Ergözen und Aufmunterung eingerichtet sind, so hat man sich in die Nothwendigkeit versetzet gefunden, auf die Zukunft alle Masceraden, selbe mögen beschafen seyn, wie sie nur immer 3 wollen, ohne Rücksicht der Person und der Zeit obrigkeitl. abzustellen, und einzubiethen; zu welchem End Eüch Schultheiß andurch der Auftrag gemacht wird, das ihr dises Verbott bey eüerer Gemeinde eröfnen und auf die Zukunft bey einer wieder alle Erwartung erscheinenden Masc die unverzügliche Anzeig machen, und in Kraft dieses einem jeden und allen insgesamt bedeuten sollet, das sich in diesem Falle ein jeder künftig vor Tadeln hüten und unter Vermeidung einer empfindlichen Strafe nach diser Verordnung richten... solle.« Haigerlocher Barock-Masken Die alten Haigerlocher Masken, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts entstanden sein dürften, gehören zu den besten und ältesten Exemplaren von guten Glattlarven der schwäbischalemannischen Fastnacht, wie es sie z. B. in Donaueschingen, Fridingen, Laufenburg, Möhringen, Oberndorf, Rottweil, Schömberg, Villingen und Wolfach gibt 27 . Bei ihrem Betrachten fällt die Verwandtschaft zu Rottweiler Masken auf. Ging man schon bisher - ohne Beleg - davon aus, daß diese Masken von Rottweil stammen dürften, so ist man in dieser Beziehung durch die neuere Forschung weitergekommen. Es konnte nachgewiesen werden 28 , daß es im 18.Jahrhundert unmittelbare persönliche Beziehungen zwischen der reichsstädtischen Narrenzunft und Haigerloch gegeben hat. 1760 bis 1762 malte der Haigerlocher Franz Josef Marmon als Mitarbeiter des Meisters Meinrad von O w in der Rottweiler Dominikanerkirche. Und zu eben dieser Zeit war sein aus Haigerloch stammender Vetter, der Rotochsen-Wirt Franz Xaver Marmon, in Rottweil »Narrenzunftmeister«. Die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Haigerlocher und seinem Vetter sind sicher der Grund für das Auftauchen Rottweiler Masken (vermutlich aus der Bildhauerwerkstätte der Dominikaner) in der Haigerlocher Fastnacht. Zu den markantesten Fastnachtsfiguren in Haigerloch zählen der noch heute so genannte »Rottweiler« und das »Bischöfle«. Das älteste erhaltene »Bischöfle« 29 war vermutlich gar nicht für das Tragen an der Fastnacht bestimmt, sondern für den alten Brauch des Kinderbischofs, der am Tage der unschuldigen Kindlein, am 28. Dezember, geübt wurde. Eine andere Deutung berichtet, daß z.B. im Jahre 1763 im Rahmen der Fastnachtsbelustigungen ein »Bischof« durch Rottweils Wirtshäuser zog und der Narrengemeinde die »Firmung« erteilte. Die alte Maske stammt aus der Zeit um 1750, das Butzenkleid um 1800. Das Kleid ähnelt denen von Laufenburg (Hochrhein) und von Siebnen (Kanton Schwyz). Es besteht aus Hose und Kittel aus grober, ungebleichter Leinwand. Der hüftlange Kittel ist nach unten zipfelig zugeschnitten. Auf ihn und die Hose sind kleine, rautenförmige Stoffblätzle genäht, die zwei bis drei Zentimeter lang und hellrot, weinrot, hellbraun, dunkelbraun und schwarz sind. Ihre Längsachse steht immer senkrecht. Kanten und Nähte des Kittels sind mit schmaler, weinroter oder dunkelbrauner Borte gefaßt. Die Maske des etwa gleich alten »Rottweiler« 30 ist dem Bischöfle ähnlich, aber ausdrucksvoller gestaltet. Das Gewand entspricht ebenfalls dem Bischöfle. Eine Einzelfigur ist der »Stadtbutz« 31 . Sein Kleid ähnelt denen der Engener und Uberlinger Hänsele und dem des Fossli von Siebnen. Es gehört mit seinen länglichen, schmalgeschnittenen Stoffstreifen zur Gattung der Blätzle- oder Spättiegewänder. Der Stadtbutz geht als markante Figur dem Narrenumzug voraus und sorgt für Ordnung. Anmerkungen 1 Auszug aus dem Buch: Karl Werner Steim, Fastnacht in Haigerloch. Hechingen 1987. 1 Werner Mezger: Narretei und Tradition. Die Rottweiler Fasnet. Stuttgart 1984. S. 50. 3 S. Anm.2. 4 Reinhard Schwarz und Kurt Hemeler: O h was Bogges. Fasnet in Rottenburg. Stuttgart 1986. S. 9. - Karl Otto Müller: Quellen zur 4 Das »Bischöfle« der Haigerlocher Narrenzunft geht auf eine erhaltene Vorlage des 18. Jahrhunderts zurück. Foto: Weber Verwaltungs- und Wirtschaftsgeschichte der Grafschaft Hohenberg. Erster Teil. Stuttgart 1953. S.284. 5 Stadtarchiv Haigerloch, Amtsbücher, Nr. 1. - Franz Xaver Hodler: Geschichte des Oberamts Haigerloch. Hechingen 1928. S. 601. 6 Staatsarchiv Sigmaringen, H o 177, Urkunden, Nr. 122. 7 Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv, Renteirechnung Haigerloch. 8 Stadtarchiv Haigerloch, Urkunden, Nr. (76.3). 9 Franz Xaver Hodler: Geschichte des Oberamts Haigerloch. S.883. 10 Ludwig Egler/Maximilian Rudolf von Ehrenberg/Walter Sauter! Bruno Ewald Reiser: Chronik der Stadt Hechingen. 3. Auflage. Hechingen 1980. S. 66-67. 11 S. Anm. 7. 12 S. Anm. 7. 13 S. Anm. 7, Jg. 1607/08. 14 S. Anm. 7, Jg. 1609/10. 15 S. Anm. 7, Jg. 1611/12. 16 S. Anm. 7, Jg. 1615/16. 17 S. Anm. 7, Jg. 1614/15. 18 S. Anm. 7, Jg. 1623/24. 19 S. Anm. 7, Jg. 1614/15. 20 S. Anm. 7, Jg. 1697/98. - Daß Männer »Weibskleider« trugen und damit in ;!ie Frauenröcke schlüpften, war im 18. Jahrhundert auch eine beliebte Rottweiler Fastnachssitte. S. Anm.2, S.59. 21 Staatsarchiv Sigmaringen, H o 177, Urfehden, Nr. 129. 22 Anm.8. - Staatsarchiv Sigmaringen, H o 177, Akten, Nr.273. 23 S. Anm. 7. 24 Staatsarchiv Sigmaringen, H o 202, Pr. O A , Nr. 1737. 25 S. Anm. 24. 26 S. Anm. 24. 27 Wilhelm Kutter: Schwäbisch-alemannische Fasnacht. Künzelsau 1976. S.54. 28 Winfried Hecht: Italienische Einflüsse auf die Rottweiler Fasnet? in: Rottweiler Heimatblätter 2 (1980). - S. Anm.2, S. 111. 29 Wilhelm Kutter: Schwäbisch-alemannische Maskenfiguren. Führer durch den Narrenschopf in Bad Dürrheim. Bad Dürrheim o. J., S. 39. 30 S. Anm. 29. 31 S. Anm. 29. ALOIS EISELE Holzschuhfabrikation in Gauselfingen Kaum jemand in unserem Dorf weiß, daß in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts die Holzschuhmacherei bei uns eingeführt wurde. Der nachstehende Bericht soll Zeugnis über diesen längst vergessenen und wohl ersten Industriebetrieb und die damit verbundene Einnahmequelle geben, die für einen nicht geringen Teil der männlichen Bevölkerung einen Arbeitsplatz und Existenzgrundlage bildete und viele so vor großer N o t und Armut schützte, ja sogar davor bewahrte auszuwandern und mit leeren Händen in einem fremden Land oder Erdteil neu zu beginnen. Am 20. September 1857 hielt Pfarrer Josef Blumenstetter in der Regierungsversammlung des 4. Bezirksvereins für Landwirtschaft und Gewerbe in Starzein einen Vortrag über die Holzschuhfabrikation in Gauselfingen und beschrieb den Werdegang sowie die Einrichtung dieses Industriezweiges. und die Heizung zu übernehmen, sondern auch das benötigte Werkholz den Lehrlingen sechs Wochen lang unentgeltlich und für die übrige Zeit um einen billigen Preis aus den Gemeindewaldungen abzugeben. Im Sommer 1856 brachte die württembergische Monatsschrift für Forstwissenschaft einen Aufsatz des Revierförsters Pollack, von Hohenberg Oberamt Ellwangen, worin derselbe über die dort bestehende Holzschuhmacherei einen günstigen Bericht erstattete. Dieser Bericht bewog das Königl. Oberamt, jenes Gewerbe auch bei uns einzuführen, und zwar zunächst in Burladingen und Gauselfingen, weil diese Gemeinden vorzugsweise das betreffende Arbeitsholz in erforderlicher Menge besitzen und viele Bürger, besonders den Winter hindurch, keine Beschäftigung haben und so die große N o t und Armuthey gemildert werden kann. Abermals unterstützte die Königliche Regierung den Lehrbetrieb mit 200 Gulden und schaffte 2 neue Werkzeuge zum Preis von 50 Gulden an, auch wurde der Lehrbetrieb von hochwohlgeborenen Herren besucht, dem Oberamtmann von Frank, dem Amtsverweser Stavenhagen und seiner Excellenz dem Regierungspräsidenten von Sydow. Alle lobten die Arbeiter und waren der Ansicht, daß dies in Zukunft eine sichere Erwerbsquelle für einen Teil der ländlichen Bevölkerung darstelle. Trotz der Erntezeit während des zweiten Kursus, haben die Lehrlinge vom 3. März bis 3. September beinahe neunhundert Paar Schuhe gefertigt, die einen Wert von ca. 300 Gulden darstellen. Werden hiervon die Auslagen für Holz und andere Materialien mit etwa 116 Gulden abgerechnet, so bleibt jedem noch ein durchschnittlicher Tagesverdienst von siebzehn Kreuzern, welcher bald auf das drei- bis vierfache steigen kann. So hat Meister Schips bewiesen, daß er imstande ist, an einem Tag bis zu zehn Paar Schuhe gänzlich anzufertigen und damit einen Taglohn von mindestens einem Gulden und achtundvierzig Kreuzern zu verdienen. Die Gauselfinger Schuhe fanden reißenden Absatz, von allen Seiten gingen zahlreiche Bestellungen ein, ein einziger Wiederverkäufer aus Stuttgart, der unmittelbar vorher 350 Paar Schuhe erhalten hatte, bestellte umgehend weitere achtzig Dutzend. Auf die gütige Verwendung von Herrn Regierungsassessor Longard, in dessen Dezernat die Holzschuhfabrikation von Gauselfingen lag, auch er besuchte den Lehrbetrieb, erfolgte der Regierungsbeschluß, den Lehrmeister Schips bis zum 1. März des nächsten Jahres zu behalten und noch weitere Lehrlinge auszubilden und die anderen zur Verfertigung feinerer Holzschuhsorten zu befähigen. Innerhalb dieser verlängerten Frist, soll Schips wöchentlich 6 Gulden erhalten und am Ende eine Gratifikation von 120 Gulden, welche zu einem Fünftel von der Königl. Regierung und zu Förster Pollack wurde um nähere Auskunft gebeten und übernahm auch die Bestellung eines ausgezeichneten Lehrmeisters namens Joseph Schips aus Hohenberg. Dieser verlangte ein Gehalt von 2 Gulden pro Tag sowie die Vergütung seiner Reisekosten, aber woher sollten die Mittel genommen werden? So wurde die Königliche Regierung um Unterstützung gebeten, und in unverhoffter Bälde überwies dieselbe den namhaften Betrag von zweihundert Gulden. N u n galt es noch Lehrlinge anzustellen und geeignete Räume zu finden, so meldeten sich zu Burladingen sieben und zu Gauselfingen fünf. Der Lehrmeister war schon auf der Anreise, als die Burladinger wieder absagten, und dadurch wurde der Lehrbetrieb in Gauselfingen eingerichtet und weitere acht Lehrlinge meldeten sich an. Der Ortsvorstand verpflichtete sich, nicht nur den Mietzins für die Werkstatt, die Beleuchtung So konnte Meister Schips am 31. März 1857 den auf 3 Monate angesetzten Lehrkursus beginnen. N u n machte sich der beklagenswerte Umstand bemerkbar, daß nur 4 Lehrlinge gleichzeitig ausgebildet werden konnten, da der Raum zu klein war und der Lehrmeister nicht imstande gewesen wäre, alle von den Lehrlingen ins Rauhe gearbeiteten Schuhe vollends anzufertigen. Nach Ablauf der ersten 3 Monate zeigte es sich, daß die Lehrlinge noch nicht die gewünschte Fertigkeit besaßen, so daß der Kursus um weitere 3 Monate verlängert werden mußte und drei weitere Lehrlinge dem Betrieb beitreten konnten. Roh gearbeiteter Schuh Zeichnungen: A. Eisele 5 vier Fünftel von der Zentralstelle des Hohenzollerischen Vereins für Landwirtschaft und Gewerbe übernommen werden. Gegenüber diesen großzügigen Spenden sah sich die Gemeindeverwaltung genötigt, für einen größeren Raum samt Beleuchtung und Heizung zu sorgen, den Lehrlingen sämtliches Material zu liefern und ihnen einen angemessenen Lohn für die gefertigten Schuhe zu bezahlen, die die Gemein- de weiterverkaufte. So nahm das Königl. Oberamt die Lehrlinge in Pflicht, auch nach Ablauf des Unterrichtskursus die Holzschuhfabrikation gemeinschaftlich zu betreiben. Wann die Herstellung von Holzschuhen aufgegeben wurde und wo die Werkstätte war, läßt sich heute leider nicht mehr feststellen, auch sind keine Werkzeuge oder Schuhe mehr vorhanden. Der Scharfrichter von Oberwachingen Nachstehender Bericht wurde uns von Herrn EmilHauler Grüningen bei Riedlingen überlassen. Er glaubt, daß Beitrag von Pfarrer Selig, Unlingen, geschrieben wurde, schon vor über 20 Jahren gestorben ist. Wahrscheinlich ist Beitrag jedoch wesentlich älter. aus der der der B. In Munderkingen saß im Jahr 1735 der Scharfrichter Johann Vollmar. Schon seine Eltern und Voreltern hatten lange Zeit durch mehrere Generationen hindurch das Scharfrichteramt im Gebiet des Klosters Obermarchtal versehen. Auch seine Söhne Bartholomä und Vitus (Veit) Vollmar lernten das Gewerbe ihres Vaters und verpflanzten es weiter in der Familie. Der alte Meister Johann Vollmar brauchte Erleichterung in seinem Dienst und sein Sohn Bartholomä wollte ihn im Klostergebiet ablösen. Im genannten Jahr machte Bartholomä Vollmar eine Eingabe an den Abt von Marchtal mit der Bitte, ihn im Herrschaftsgebiet des Klosters als Scharfrichter anzustellen. Der damalige Abt Ulrich Blank (von Uttenweiler gebürtigt) versprach ihm unter dem 26. November 1735, ihn als Scharfrichter unter derselben Belohnung wie sein Vater anzunehmen, wenn er sich getreu und fleißig aufführte. Bartholomä Vollmar wurde wirklich als Scharfrichter und Kleemeister für das Marchtaler Klostergebiet angestellt. Aber offenbar, weil sein Vater noch lebte, suchte man für ihn einen anderen Wohnsitz. DIE W A H L FIEL AUF O B E R W A C H I N G E N Ganz in der Nähe des Dorfes baute das Kloster im Jahr 1736 ein neues Haus und wies es dem neuen Scharfrichter als Wohnung an. Im November 1736 wohnte Bartholomä Vollmar mit seiner Frau Agatha Vollmar, Scharfrichters Tochter, bereits zu Oberwachingen. Es war ein ganz angenehmer Sitz mit einem Garten beim Haus. Später kamen verschiedene Lehengüter hinzu. Das Anwesen stand unter dem Schutz des hl. Cyriakus. Das war der Anfang der ehemaligen Kleemeisterei zu Oberwachingen. Am 30. November 1736 wurde dem jungen Ehepaar zu Oberwachingen ein Sohn Fidel geboren. Als Scharfrichter mußte Bartholomä Vollmar arme Sünder hinrichten, als Kleemeister krepiertes Vieh abdecken und auf den Wasen führen, und all das verrichten, was mit diesen Aufgaben zusammenhing. In verschiedenen Herrschaftsgebieten wurden besondere Scharfrichter-Ordnungen aufgestellt, worin die Aufgaben des Scharfrichters sowie die Belohnung für die einzelnen Verrichtungen genau festgelegt waren. Eine solche Ordnung wurde auch für das Marchtaler Klostergebiet nach Anstellung des Bartholomä Vollmar in seinem Bestallungsbrief vom 14. Januar 1737 gefertigt. Dieser Brief ist noch vorhanden und enthält manch interessante Punkte, weshalb derselbe hier zum erstenmal veröffentlicht wird. Was darin alles steht, ist aus der damaligen Zeit heraus gewachsen und darf nicht unter dem Gesichtswinkel der heutigen Zeit betrachtet werden. 6 Der Bestallungsbrief des Bartholomä Vollmar lautet wörtlich folgendermaßen: »Demnach Meister Bartholome Vollmar Scharfrichter von Munderkingen gebürtigt in dem Reichsgotteshaus Marchtal und samtlichen dahin gehörigen Dorf- und Herrschaften vor einen Scharfrichter und Kleemeister neuerlich aufgenommen worden, so hat man ihme mit gnädiger Herrschaft spezialen Vorwissen und Approbation nachstehende Bestallung ausgeworfen, welche schon von Jakobi letzthin ihren Anfang nehmen sollen. An barem Geld bei löbl. Großkellerei zu empfangen jährlich 40 fl. oder quatemberl. 10 fl. Veesen jährlich 8 oder quatemberl. 2 fl. Haber quatemberl. 1 Scheffel Roggen quatemb. 6 Viertel, alles Biberacher Meß. Veesenstroh jährlich 80 Buschein Haberstroh jährlich 40 Buschein. Holz jährl. 4 Klaster samt dem Reis, so er aber in seinen Kosten machen zu lassen, und heimzuführen hat. Item wird ihme zu Haltung eines Pferdes ein Anteil Wies in dem Fuchsweiher und dann sein ausgezeichneter Platz beim Haus zu Wieswachs oder Ackerfeld, Kraut und Hofgarten angewisen, auch eine Kuh mit 1 oder 2 Stück Schmalvieh auszuschlagen verwilligt, wegen etwa vorhabenden weitern Ausschlag aber hat er sich mit der Gemeinde Oberwachingen einzuverstehen. Ferner hat er ein wohlerbautes neues Haus und Zugehörde unentgeltlich zu bewohnen, so man ihme auch samt dem Schopf auf herrschaftliche Unkosten in baulichem Stand erhalten wird, doch hat er die Reparation von Hafner- und Glaserarbeit auf seine eigene Kosten zu bestreiten. So oft er Scharfrichter anhero gefordert wird, hat er ein Maß Bier und ein Laible Schwarzbrot zu empfangen. Bei vornehmenden Streifen solle der Scharfrichter den Untertanen gleich gehalten werden. Einen Maleficanten (Ubertäter) vom Leben zum Tod hinzurichten, es geschehe solches durch das Feuer, Rad, Strang oder Schwert 7 fl. 30 kr. und vor (für) das Mahl 6 fl. . Für Verbrennung eines Viehs, soviel deren wären, und doch die Verbrennung auf einmal geschähe, für jedes 2 fl. 30 kr. Sollten viele arme Sünder mit einander hingerichtet werden, gebühren ihme von jedem obige 7 fl. 30 kr., doch höchstens ein doppeltes Mahl p. 12 fl. Da (Wenn) sich eine Person selbst entleibt, für dero Verlocherung 7 fl. 30 kr. So oft er an den Ort der Tortur (Folter) begehrt wird, empfängt er für das Schrekken allein 30 kr., für die wirklich Tortur, es geschehe solche mit was für Instrumenten es sei 1 fl. nebst 1 Maß Bier und ein Laible Brot. Für eine Stellung auf den Pranger 1 fl. Sollte aber auch das Ruten-Ausstreichen, mit oder ohne den Galgen auf den Rücken zu brennen, dazukommen, 2 fl. Für Ohren und Nasen Abschneiden oder auch nur das eine allein 30 kr. das Abdecken 15 kr., für das Öffnen aber 3 kr., so es verlangt wird. Einen Maleficanten vom Galgen zu tun und zu begraben, wenn solches erst eine Zeit nach der Exekution geschieht, 1 fl. 30 kr. Mit den Bremelauern ist acrordiert worden, daß der Kleemeister ihr krepiertes Vieh, was zieht und trägt, mit seinem eigenen Karren auf den Wasen liefern und für die Haut 30 kr., dem Boten aber 10 kr. nebst 1 Maß Bier und Brot geben solle, von den kleinen Sachen aber behaltet der Kleemeister die Haut und bezahlt den Botenlohn wie oben. Einen Namen an den Galgen zu schlagen, wenn es schon mehrere wären, doch in einem Akt geschehet, 1 fl. So oft der Scharfrichter zu einem herrschaftlichen kranken Stück Vieh oder Pferd berufen wird, es sei nach Marchtal in das Gotteshaus selbst oder die herrschaftlichen Statthaltereien und Höfe, hat er ein Maß Bier und 1 Laibl Schwarzbrot, er mag denn zu Ader lassen oder nicht. So oft an jetzt gesagten Orten ein Stück Vieh krepiert oder durch den Meister gestochen wird, hat er den Wasen zu liefern, die Haut nach Hause zu nehmen und zu trocknen, sodann aber zur Großkellerei zu überbringen, davon empfängt er von jedem Stück 2 Laible Schwarzbrot und 2 Maß Bier. Die zu gebrauchende Medizin, er Scharfrichter mag nun solche selbst präparieren oder anderswärts erkaufen, hat er in ein billigmäßiges Konto zu bringen, das ihm ordentlich bezahlt werden solle. Bei den Untertanen hat er Scharfrichter als Kleemeister zufolge mit ihnen in öffentlicher Kanzlei gepflogenem umständlichem Accord zu empfangen und zwar in dem AltMarchtalischen. 1. Was trägt und zieht, es mag hernach sein, Roß oder Vieh, so über ein Jahr alt ist, hat der Untertan selbst auf den Wasen zu liefern und bezahlt ihm dem Scharfrichter für das Abdecken von jedem Stück 24 kr. Item für das Öffnen, wenn es verlangt wird, 4 kr. Hier entgegen verbleibt die Haut den Untertanen, Kranz und Schwanz aber dem Meister unentgeltlich. 2. Von den Stücken, so jährig und darunter sind, gebühren dem Scharfrichter Abdeckerlohn 15 kr. Dagegen behaltet der Untertan die Haut, er muß aber solch krepiertes Stück Vieh selbst auf den Wasen liefern, auch den Boten selbst bezahlen. Mit der Gemeinde Uttenweiler ist acdordiert, daß sie einen eigenen Karren mit zugehörigem Reitkissen und Kommlett unterhalten und von jedem krepierten Stück Roß und Vieh dem Kleemeister für Lieferung auf den Wasen item für das Abedecken 30 kr. und für das Eröffnen, so es begehrt wird 4 kr. bezahlen, hingegen die Haut selbst behalten. Von den Stücken, so jährig und darunter, behaltet der Untertan gleichfalls die Haut und bezahlt für das WasenFühren und Abdecken dem Kleemeister 20 kr. Den Boten haben die Untertanen auf ihre Kosten zu schicken. Wollte aber ein Untertan von Uttenweiler ein Stück Vieh selbst auf den Wasen führen, wird dem Kleemeister bezahlt wie in der übrigen Marchtalischen Herrschaft. Bei den Gemeinden Dietershausen, Dobel und Minderreutig wird es gehalten wie bei den übrigen Alt-Marchtalschen Untertanen. Von Algershofen hat der Scharfrichter zu Munderkingen laut Protokoll vom 28. Juni 1717 jährlich zu empfangen gehabt Veesen 4 Mittlen, Haber 4 Mitt. Da nun die Marchtaischen Untertanen hinfüro den diesseitigen Kleemeister zu gebrauchen haben, so hat er der neu aufgenommende Meister sich derentwegen mit seinem Vater zu Munderkingen zu vergleichen, und zahl man wie bisher vom Abdecken eines Stücks Vieh, so zieht und trägt, 24 kr. Item für das Öffnen, so es verlangt wird 6 kr. Die Haut gebührt dem Untertanen, Kranz und Schwanz aber dem Kleemeister, welcher aber das Vieh auf den Wasen zu liefern und dem Boten 2 kr. zu zahlen hat. Von den Stücken, so jährig und darunter, hat der Meister für Weil aber seine jetzige Herberge zu Oberwachingen etwas weiter, als zuvor Munderkingen war, entlegen ist, so haben die Untertanen zu Bremelau ihren Boten weiter nicht als bisher nach Marchtal zu schicken, von hier aus aber der Meister Post auf seine Kosten zu besorgen und derentwegen ein gewisses Haus anzuweisen. Sollte aber Wetter und Weg gar zu impraktikabel sein, ist ihnen von Bremelau unverwehrt, ihr Vieh durch jemand anderen verlochern zu lassen. Wenn ein Stück Vieh krepiert oder gestochen wird, welches hirn- oder lungen-rizig oder krettig ist, behält der Kleemeister die Haut und bezahlt den Untertanen für das Führen auf den Wasen 15 kr., zu Bremelau aber den Boten wie oben. So oft einige schlechte Pferde für 1,2 bis 3 fl. gegen ausländlische Christen oder Juden verkauft werden, mag sich der diesseitige Kleemeister des Zugrechts bedienen. Und gleich wie den Untertanen das Abdecken und Eingraben Roß und Vieh, so jährig oder darüber ist, mehrmalen unter der schon den 7. Juli 1734 angesetzten Strafe per 3 fl. und dem Kleemeister bezahlenden Abdecklohn verboten wird, also hat er der Kleemeister hierauf genau Obacht zu tragen, und so oft er oder ein anderer einen solchen Ubertretter anzeigen wird, nebst Verschweigung seines Namens 30 kr. Discretion von der Kanzlei zu empfangen. Sollten durchreisende Fremde oder aus anderer Herrschaft gebürtige Leute durch Krepierung ein oder mehrere Rosse, Vieh, Schweine und dgl. verunglücket werden, fällt dem Kleemeister solch Stück samt Haut und Haar zu, er aber ist schuldig, daselbe auf den Wasen zu liefern und dem Boten den Lohn per 10 kr. zu bezahlen. Dessen zur Urkund sind zwei gleichlautende Bestallungsbriefe ausgefertigt und der eine dem hiesigen Vogtbuch inseriert, der zweite aber ihm Meister Bartholome Vollmar unter vorgedrucktem mittleren Canzlei secret Insigel gefertigter zugestellt worden, so geben und geschehen in dem Reichsstift und Gotteshaus Marchtal den 14.Januar 1737. Reichsprälat. Canzlei allda.« (Arch. Obermarchtal L.2,7.) Hier sei zum Vergleich mitgeteilt, daß bei Anstellung eines Scharfrichters zu Uttenweiler im Jahr 1500 die Aufgabe desselben folgendermaßen zum Ausdruck kam: Foltern, Besichtigen, Stupfen, Schwemmen oder Strecken, Brand, Radbrechen, Henken, Ertränken, Pfählen, Spießen, unterm Galgen vergraben, verbrennen, aufs Wasser führen, Vierteilen, Köpfen, die Asche vergraben, mit glühenden Zangen reißen, übel schleifen, die Glieder abhauen, an den Pranger stellen, ausstreichen, die Ohren abschneiden. Und in einer Scharfrichterbestallung für die Herrschaft Schussenried vom 14. September 1681 ist die Rede von Strecken, Hand abschlagen, mit glühenden Zangen pfezen, Griff, Finger stutzen, Ohren, Nase, Zunge abschneiden, lebendig spießen, Radbrechen, Wiederablösung von Spieß oder Rad, an den Pranger stellen, mit Ruten streichen. Solche Zeiten sind vorüber! Es blieb nicht immer bei der für Bartholomä Vollmar und die damaligen Marchtaler Untertanen aufgestellten Ordnung. Bald gab es Streitigkeiten und Uneinigkeiten wegen des Abdecklohnes. Die Untertanen wollten kein Stück Vieh, der Meister aber fast alle als rizig und krettig anerkennen und jeder Teil wollte die Haut. Durch einen gütlichen Vergleich 7 wurden die bisherigen Bestimmungen im Jahr 1742 abgeändert. Der Meister selbst war vom Oberamt aufgefordert worden, wegen des Wasenlohns ein Prospekt einzureichen. Die unangenehmste Aufgabe hatte Meister Bartholomä Vollmar in den Jahren 1745 bis 1747. Es war die Zeit der Hexenverfolgung im Marchtaler Herrschaftsgebiet. Der Scharfrichter von Oberwachingen und sein Bruder Veit Vollmar, Scharfrichter in Munderkingen, wurden zum Foltern und Hinrichten der armen Opfer des Hexenwahns beigezogen. Es mag die beiden Brüder selbst geschauert haben, als sie die armen Weiber folterten, ihnen 40 Rutenund Geißelstreiche applizierten, die Nadel in den Leib steckten, Daumen und große Zehen zusammenpreßten, dieselben an beiden Händen aufzogen, unter der Nase und unter den Zehen brannten, auf den Bock legten und aufschraubten. Bartholomä Vollmar nahm die letzten Folterungen in diesen Gegenden vor, dann war Schluß damit. Es begann ein humaneres Zeitalter. Ein kleines Vorkommnis aus dem Jahr 1751 sei hier kurz erwähnt. Damals wurde zu Urach eine Person hingerichtet und Scharfrichter Bartholomä Vollmar war dabei. Unter den Zuschauern befand sich der Jäger vom Bremelau, welcher darauf dem Scharfrichter von Oberwachingen ein Glas Wein zutrank. Dies wurde von der Zunft der Jäger als entehrend angesehen und führt zu interessanten Verhandlungen. In den folgenden Jahrzehnten bestand die Hauptaufgabe des Scharfrichters von Oberwachingen in den Verrichtungen des Kleemeisters. Neue Beschwerden der herrschaftlichen Untertanen wurden laut, wobei es sich besonders um den Abdecklohn handelte. Die Untertanen deckten krepiertes Vieh zum Teil selbst ab und verlocherten dasselbe. Auch wegen des Schinderkarrens gab es Meinungsverschiedenheiten. Infolgedessen wurde unter Abt Edmund (Sartor, gebürtig von Munderkingen) am 21. Juni 1765 eine neue herrschaftliche Verordnung wegen der Kleemeisterei Oberwachingen herausgegeben. Dabei hat man das gemeinsame Wohl der Untertanen beherzigt. Zwar wurde den Untertanen wie schon bisher Selbstabdeckung und Verlocherung unter Strafe verboten, aber sie konnten nun leichter in den Besitz der so begehrten Haut gelangen. Die umfangreiche Verordnung enthält auch Bestimmungen über das Fleisch, das noch zum Genuß tauglich ist, sowie über Vieh, das durch Schuß, Beinbruch u.a. verunglückt ist. Von den Verrichtungen des Scharfrichters ist darin nicht die Rede. Im Jahr 1771 starb Bartholomä Vollmar und hinterließ viele Schulden, die größer waren als sein ganzes Vermögen. Seiner Witwe M. Agatha Vollmar wurde am 17. April 1771 gestattet, mit ihren Kindern Weiterzuhausen, bis ihr Sohn Tiber den Dienst seines Vaters definitiv erhalten würde, doch mußte Tiber alle einschlägigen Geschäfte verrichten. Es waren noch drei ledige Töchter vorhanden, deren Versorgung Schwierigkeiten bereitete. Ein Bruder des Tiber Vollmar, namens Xaver, war Scharfrichter in Saulgau, ein anderer Bruder, Fidel, war Amtsdiener bei der gräfl. Schenk von Castell'schen Oberamtskanzlei in Oberdischingen. Am 3. Februar 1773 übergab die Witwe des verstorbenen Scharfrichters das Anwesen ihrem Sohn Tiber Vollmar, der nun auch als Herrschaftlicher Scharfrichter und Kleemeister für das Marchtaler Klostergebiet angestellt wurde. Tiber heiratete am 22. Februar 1773 die M. Anna Aubele, Tochter des verstorbenen Scharfrichters Johann Aubele und der Josepha Steigendesch von Ammerstetten in der gräfl. Fugger'schen Herrschaft. Die Braut brachte 400 Gulden Heiratsgut mit und ihr Stiefvater, Meister Franz Gebhard Burkhart, wurde Tibers, des Scharfrichters von Oberwachingen, Assistent. 8 Tiber Vollmar besaß also das herrschaftliche Lehensgut auf St. Cyriakus und das Amt seines Vaters. Im Jahr 1774 wurde das Anwesen genau beschrieben. Es war bedeutend größer als am Anfang. Denn es gehörten dazu Haus, Scheuer, Zwinger, Brunnen, Gärten, Hanf- und Krautteil, 2 Jauchert 60 Ruten Wiesen und über 9 Jauchert Äcker. Die Witwe des Bartholomä Vollmar, Tibers Mutter, Agatha Vollmarin, heiratete im Jahr 1777 den gewesenen Scharfrichter Jakob Rizer in Ehingen, den sie in seinem hohen Alter verpflegte, bis er anno 1787 starb. Es war verabredet worden, daß ihr Sohn zu Oberwachingen ihr von da an kein Leibgeding mehr zu reichen brauche, bis sie etwa wieder in den Witwenstand versetzt würde. Nach dem Tod ihres zweiten Mannes schrieb sie am 20. August 1787 an den Prälaten von Obermarchtal, sie möchte gern an ihren Witwensitz nach Oberwachingen zurückkehren, aber die weite Entfernung von der Kirche u.a. Umstände legen ihr nahe, in Ehingen zu bleiben. Im Jahr 1797 starb die Ehefrau des Scharfrichters Tiber Vollmar, M.Anna, geb. Aubele, worauf Tiber im Jahre 1798 die Barbara Dolpatschin, Witwe des Fidel Fritschle, heiratete, die aber schon 1801 starb. Trotzdem Tiber Vollmar viele Kinder hatte, kam kein Sohn von ihm an seine Stelle. Er war nicht bloß aus seinem Geschlecht, sondern überhaupt der letzte Scharfrichter im Marchtaler Klostergebiet. Denn als das Kloster Marchtal im Jahr 1802 aufgehoben war, nahm auch das Marchtalsche Scharfrichteramt ein Ende. Der bisherige Scharfrichter war dann nur noch Kleemeister. Wiederholt bekam Tiber Vollmar Gelegenheit, in Obermarchtal sein Amt als Scharfrichter auszuüben. Nur ein Beispiel sei hier angeführt. Im Dezember 1791 geschah in der Nachbarschaft ein aufsehenerregendes Verbrechen, dem ein Menschenleben zum Opfer fiel. Zwei Wundärzte und der Amtsphysikus Dr. med. F. Weitzmann von Munderkingen, der Vater des bekannten Dialektdichters, gaben medizinische Urteile ab, Oberamtmann Spiegier von Aulendorf ein rechtliches Gutachten. Der Verbrecher wurde vom Oberamtsgericht in Obermarchtal zum Tod durch das Schwert verurteilt. Vergebens bat er um Schonung seines Lebens. Es blieb beim gerichtlichen Urteil vom 2. April 1792, wonach er »zu seiner wohlverdienten Strafe, andern aber zum abschreckenden Beispiel dem Nachrichter an Hand und Band geliefert, von selbigem auf die Richtstatt hinausgeführt und daselbst mit dem Schwert vom Leben zum Tod gebracht werden solle«. Die Hinrichtung fand am 3. April 1792 statt. Den Todesstreich führte Scharfrichter Tiber Vollmar und erhielt für denselben 7 Gulden 30 Kreuzer. Wir setzen das ganze in mehrfacher Hinsicht interessante Conto des Scharfrichters unter Weglassung der Namen wörtlich hieher. Conto »Es ist durch das oberambtliche Gericht allhier der N. N. von N . den 3ten April von Mir durch das Schwer hingerichtet und Mir nach lauth Meiner gnädiger herrschäftl. Bestallung nachstehende Punkten bezahled worden wie folgt Erstlich beym leben absprech vor Oberamt begerth Strick und Sailer auch andere Sachen was nothwendig wahren angefrembt 36 kr. den andern dag vor Oberamt befohlen den Plaz zur Execuzion auszusehen 36 kr. mer vor den Straich 7 fl. 30 kr. mer vor das Mahl 6 fl. Sa. 14 fl. Tiberi Vollmarr Scharpfrichter allhier Mit dangh bezald.« 02 kr. Am 7. November 1808 starb Tiber Vollmar, der letzte Scharfrichter seines Namens zu Oberwachingen. Seine Tochter Theodora hatte am 31. August 1806 den Christoph Sorg, Sohn des Scharfrichters und Kleemeisters Joseph Sorg in Mühlhausen bei Oberstadion, geheiratet. Sorg betrieb fortan die Kleemeisterei zu Oberwachingen und starb 1849. Sein Sohn gleichen Namens übernahm das Geschäft seines Vaters und war der letzte Kleemeister zu Oberwachingen. Das reichverzierte Schwert des alten Scharfrichters Vollmar wurde von dessen Nachkommen lange Zeit als wertvolles Andenken aufbewahrt, bis es eines Tages verschwand. Heute noch erzählt man in dieser Gegend vom alten Scharfrichter zu Oberwachingen eine Geschichte, die sich auch von anderen Scharfrichtern im Volksmund erhalten hat. Einst holten vermummte Männer den Scharfrichter bei Nacht ab, verbanden ihm die Augen und setzten ihn in eine Kutsche. Dann gings fort an einen dem Scharfrichter unbekannten Ort. Dort angekommen, führte man ihn in einen Gerichtssaal, nahm ihm die Binde ab und befahl ihm, eine gewisse Person mit dem Schwert hinzurichten. Hernach verband man ihm die Augen wieder und führte ihn nach Hause. Der Scharfrichter von Oberwachingen wurde auch für die Dienste des Herren von Stain zu Rechtenstein in Anspruch genommen, wovon noch heute die mündliche Uberlieferung erzählt. In Rechtenstein erzählt die mündliche Uberlieferung, daß der Scharfrichter von Oberwachingen bei der nächtlichen Entführung in das Burgverlies zu Rechtenstein mit Gefährt gebracht wurde und daß man dort durch eine Radikalkur im damaligen Hexenwahn Kopf um Kopf rollen sah. Wie uns bestätigt wird, befand sich das Richtschwert bis vor ca. 30 Jahren in Munderkingen. Es wurde dann der Munderkinger Familie Josef Vollmer, Kleemeister, von einem sogenannten »Liebhaber von Altertümern« abgeschwätzt und um ein paar Groschen verkauft. O T T O H. BECKER Die Fürsten von Hohenzollern und ihr Füsilier-Regiment Studien zur Geschichte des Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern Vierziger-Vereine* - (Fortsetzung von Nr. 4/1986) Am 7. Juni 1905 starb in Berlin Fürst Leopold von Hohenzollern. Kaiser Wilhelm II., der an der Spitze einer großen Anzahl von Fürstlichkeiten seinem Vetter die letzte Ehre erwies, ernannte am selben Tag seinen ältesten Sohn, Fürst Wilhelm von Hohenzollern, zum Chef des FüsilierRegiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern. Auch dieser Fürst hat die Tradition seiner Vorgänger fortgesetzt und stets die Beziehungen zu seinem Regiment wie auch zu den Vierziger-Vereinen aufrechterhalten. Doch darüber soll später berichtet werden. Die Garnisonen Aachen und Rastatt Die 43jährige Friedenszeit zwischen dem Frankreichfeldzug und dem Ausbruch des 1. Weltkriegs bedeutete für das Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern keineswegs Stillstand. 1887 wurde bei dem Regiment ein IV. Bataillon aufgestellt. Diese Einheit erhielt noch im gleichen Jahr eine Fahne. Zur Bildung des Infanterie-Regiments Nr. 144 mußte das Füsilier-Regiment N r . 40 sein IV. Bataillon jedoch bereits 1890 wieder abgeben. Dieser Verlust konnte jedoch alsbald fast wieder ausgeglichen werden. Infolge der 1893 angeordneten Heeresvermehrung wurde dem Füsilier-Regiment N r . 40 ein IV. (Halb-)Bataillon zugeteilt. Die Nagelung der Fahnen der damals neu aufgestellten Bataillone durch Kaiser Wilhelm II. fand am 17. Oktober 1894 in Berlin statt. Die feierliche Verleihung der Bataillonsfahne erfolgte am folgenden Tag. 1905 schließlich verlieh der Kaiser dem I., II. und III. Bataillon neue Fahnentücher. Die Nagelung der Fahnen erfolgte in der Ruhmeshalle des Zeughauses zu Berlin und die Weihe im Lichthof. Bei der Kaiserparade des VIII. Armeekorps am 11. September 1905 wurden die Fahnen an das FüsilierRegiment Nr. 40 übergeben. Eine gute und ausführliche Beschreibung der Regimentsfahnen liegt nunmehr in dem Beitrag von Reinhold Redlin-Fluri vor. Die Friedenszeit brachte außerdem Standortwechsel mit sich. 1895 wurde das Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern nach Aachen verlegt. 1910 fand dann der letzte (Hohenzollemsches) Nr. 40 und der Garnis'onswechsel statt. Das Regiment wurde, um seinem Aushebungsbezirk näher zu sein, wie der Literatur zu entnehmen ist, nach Rastatt verlegt und als preußisches Regiment dem XIV. (badischen). Armeekorps zugeteilt. Die Hohenzollernfüsiliere im 1. Weltkrieg Das Kriegsgeschick, das den Hohenzollernfüsilieren im Weltkrieg 1914—1918 beschieden war, unterschied sich grundlegend von dem der vorangegangenen Feldzüge. Waren letztere durch schnelles Vorwärtsdrängen, kurze und blutige Schlachten und wiederum durch endlose Märsche gekennzeichnet, erstarrte an der Westfront nach anfänglichem Bewegungskrieg das kriegerische Geschehen zu einem blutigen und zermürbenden Stellungskrieg. Es würde den Rahmen des Beitrags sprengen, wollte man hier den Versuch unternehmen, die Einsätze des FüsilierRegiments N r . 40 auf den Kriegsschauplätzen in Frankreich nachzuzeichnen und zu würdigen. Es sei hier nur an die Einsätze des Regiments in der Champagne, an der Somme, vor Verdun und die Tankschlacht von Cambrai erinnert. Besonderen Ruhm hat das Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern 1915 bei dem Sturm der französischen Armee auf die Loretto-Höhe erworben. Den Kameraden, die in den Schützengräben ihren Dienst taten, blieb Fürst Wilhelm von Hohenzollern stets zugetan. Mehrfach besuchte er sein Regiment an der Front und zeichnete es durch zahlreiche Verleihungen des Fürstl. Hohenz. Hausordens und der Verdienstmedaille an Offiziere und Mannschaften aus. An seinem 53. Geburtstag, am 7. März 1917, stiftete der Fürst einen Fonds in Höhe von 5000 Mark, der dann bald auf 10000 Mark aufgestockt wurde, zugunsten der Hohenzollernfüsiliere. Aus dem Fonds sollten Beihilfen an bedürftige Hinterbliebene von Gefallenen oder verwundeten Regimentsangehörigen sowie an Angehörige von vermißten Kameraden vom Feldwebel abwärts gezahlt werden. Anläßlich der 100jährigen Stiftung des RegimentsNr. 40 i. J. 1918 stiftete der Fürst einen Unterstützungsfonds in Höhe von 10000 Mark für die Offiziere des Regiments. 9 Die Opfer, die das Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern im "Weltkrieg hat erbringen müssen, waren ungeheuer. Allein 94 Offiziere und 3766 Unteroffiziere und Mannschaften des Regiments waren auf den Schlachtfeldern Frankreichs gefallen. Wie wir wissen, waren die Mühen und Opfer vergebens. Der Untergang der Monarchie besiegelte auch das Ende der kaiserlichen Armee. Am 31. Mai 1919 erfolgte die endgültige Auflösung des Füsilier-Regiments N r . 40. Die Fahnen des Regiments wurden in das Heeresmuseum in Kassel übergeführt. Die Traditionspflege des ehemaligen Regiments bekam 1921 das 14. (Bad.) Infanterie-Regiment, 2. (Schützen-) Bataillon, 5. Kompanie in Tübingen übertragen. Die Vierziger-Vereine und - Verbände in der Nachkriegszeit Die Umwälzung, die sich nach dem Kriege in Deutschland vollzog, ging auch an dem Verband und an den Vereinen der Vierziger nicht spurlos vorüber. Nachdem die interalliierte Kommission die Tätigkeit der Militärvereine zunächst erschwert und dann völlig verboten hatte, war an die Fortführung der Verbands- und Vereinsarbeit der Vierziger im besetzten Rheinland nicht mehr zu denken. Bereits am 19. Juli 1919 wurde in Rastatt der »Verein der Offiziere des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40« gegründet. Eine Filiale dieses Offiziervereins im rheinischwestfälischen Industriegebiet entstand 1920. Um den Kameraden aus der besetzten Zone die Möglichkeit zu Zusammenkünften zu bieten, wurde am 3. April 1921 der »Verein der Angehörigen des ehemaligen Füsilier-Regiments Nr. 40 im Rheinisch-Westfälischen Industriegebiet« gegründet. Die süddeutschen Kameraden schlossen sich im August 1921 in Rastatt zum »Verband ehemaliger Vierziger in Süddeutschland« mit Sitz in Rastatt zusammen. Um den Zusammenhalt der nord- und süddeutschen Regimentsangehörigen zu gewährleisten, wurden in den folgenden Jahren jeweils Große Vierziger-Tage abgehalten. An dem Vierziger-Tag am 5. und 6. Juli 1924 in Rastatt wurde angeregt, mit dem Landwehr-Regiment N r . 40 einen Verband zur Pflege der Kameradschaft und der Erstellung eines Vierziger-Denkmals in Rastatt zu Ehren der im Kriege 1914/ 18 vor dem Feinde gefallenen Helden zu gründen. Der gemeinsame Verband ist dann 1925 endgültig besiegelt worden. Um die gleiche Zeit bestand auch in Sigmaringen ein Vierziger-Verein, der jedoch in den Verbandsorganen schon 1927 keine Erwähnung mehr fand. Der Verband umfaßte 1932 25 Ortsgruppen und wies ohne die beiden Offiziersvereine rund 800 Mitglieder auf. Die feierliche Enthüllung des Ehrenmals der Vierziger auf dem Schloßplatz in Rastatt fand am 31. Juli 1927 statt. Bei der Feier war auch der frühere Regimentschef des FüsilierRegiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40, Fürst Wilhelm von Hohenzollern, zugegen. Der Fürst hatte übrigens einen wesentlichen Teil der Kosten des Denkmals bestritten. Kurz nach der Rastatter Feier, am 22. Oktober 1927, starb Fürst Wilhelm von Hohenzollern und mit ihm auch der letzte Chef des ausgelöschten Füsilier-Regiments N r . 40. An seiner Beisetzung am 27. Oktober in der Erlöserkirche in Sigmaringen nahmen als Vertreter des ehemaligen Regiments Oberst von Werner, Oberst Kaether und der Verbandsvorsitzende Johann Prym teil. Die Uberführung der Regimentsfahnen nach Sigmaringen Auch der Sohn und Nachfolger des Fürsten Wilhelm, Fürst Friedrich von Hohenzollern (1891-1965), war bestrebt, die 10 unter seinen Vorfahren geflochtenen Bande zu den Angehörigen des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40 zu pflegen und zu bewahren. Bereits am 2. Dezember 1927 nahm er das ihm von den Vierziger-Vereinen angetragene Protektorat über alle Vierziger-Vereinigungen an und überwies im Andenken an seinen Vater dem Fonds für das Ehrenmal der Vierziger in Rastatt den Betrag von 1000 RM. Vor allem aber gelang es dem Fürsten, die in Kassel verwahrten Feldzeichen des Füsilier-Regiments N r . 40 nach Sigmaringen zu überführen. Bemühungen des Vierziger-Verbands mit Sitz in Rastatt, die Fahnen nach Rastatt zu bekommen, waren 1930 am Widerstand des Reichswehrministeriums gescheitert. Zunächst verfocht der Fürst die Überführung der Feldzeichen auf die Burg Hohenzollern. So heißt es in einem Schreiben des Obersten a . D . Kaether vom 22. November 1932 an den Fürsten: »Durchlauchtigster Fürst! Mit großer Freude haben die Kameraden vom Offiziersverein der ehemaligen Hohenzollern-Füsiliere durch den Kameraden Prym (Vorsitzender des 40er Verbandes mit dem Sitz in Rastatt) soeben erfahren, daß Ew. Königliche Hoheit vor kurzem mit dem Reichswehrminister, Herrn General von Schleicher, wegen Überführung unserer Fahne vom Stadtschloß in Kassel nach der Burg Hohenzollern gesprochen haben, und daß General v. Schleicher das Einverständnis des Ministeriums zum Ausdruck gebracht hat. Untertänigsten Dank hierfür. Ein Herzenswunsch von uns allen wird hierdurch erfüllt. Zu Kassel hatte unser Regiment ja gar keine Beziehungen.« Unterm 17. März 1933 erteilte der neue Reichswehrminister von Blomberg die Genehmigung zu der geplanten Überführung der Fahnen des Füsilier-Regiments N r . 40 in die Hohenzollernhalle der Burg Hohenzollern. In einem Schreiben des Kabinettchefs des Fürsten von Hohenzollern, des Obersten Freiherr von Hallberg, vom gleichen Tage an den schon erwähnten Obersten Kaether taucht dann erstmals der Plan zur Überführung der Fahnen in das Schloß Sigmaringen auf, der später bei dem Hechinger Vierziger-Verein auf großen Widerstand gestoßen ist. In dem Schreiben heißt es: »Gleichzeitig darf ich Ihnen mitteilen, daß die Angelegenheiten der Fahnen dadurch, daß der neue Regierungspräsident Dr. Simon selbst sehr großes Interesse daran hat, in einiger Zeit zur Entscheidung kommen wird. - Es hat sich aber herausgestellt, daß die Burg Hohenzollern für die Aufbewahrung der Fahnen nicht geeignet ist und daß deshalb voraussichtlich das Schloß Sigmaringen hierfür gewählt wird, was mir persönlich noch wesentlich sympathischer ist.« In einer Eingabe an den Reichswehrminister von Blomberg vom 9. April 1933 konkretisierte Fürst Friedrich die Gründe für das neue Projekt mit folgenden Sätzen: »Inzwischen ist nun in der Sache eine kleine Komplikation eingetreten, als eine örtliche Besichtigung des Aufstellungsplatzes ergeben hat, daß die Fahnen auf der Burg, nach Ansicht des in diesen Dingen sehr erfahrenen Herrn Regierungspräsidenten Dr. Simons nicht absolut sicher untergebracht werden können. Der einzige Schutz für die Fahnen ist oben der Kastellan. Der Herr Regierungspräsident, der die Angelegenheit in freundlichster Weise sehr zu fördern bemüht ist, und das größte Interesse daran hat, da er in seiner vorhergehenden Dienststelle in Kassel die Fahnen betreut hat, hat nun geraten, ob es nicht zweckmäßiger wäre, die Fahnen nach dem Schloß Sigmaringen zu verbringen, wo sie im Ahnensaal meiner Vorfahren äußerst würdig aufgestellt werden k ö n n t e n . . . Eine andere Anregung wurde ebenfalls durch den Herrn Regierungspräsidenten noch gegeben, nämlich die zur Zeit auch in Kassel befindliche Fahne des Hohenzollernschen Fußartillerie-Bataillons N r . 13 mitüberführen zu lassen, da entsprechend dem Rekrutierungsprinzip dieses Bataillons auch dessen Fahne zweifellos ein größeres Heimatrecht im Hohenzollernlande hat als in Kassel.« Die Anregung des Sigmaringer Regierungspräsidenten, der in seiner vorangegangenen Stelle beim preuß. Oberpräsidenten in Kassel im Bereich der Museums- und Kunstverwaltung tätig war, ist Fürst Friedrich, wie in der umfangreichen Korrespondenz über diese Frage deutlich wird, offensichtlich sehr gelegen gekommen. Mit der Überführung der Fahnen des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern und dann auch des Fußartillerie-Bataillons Nr. 13 (verl. 1902) in den Ahnensaal des Sigmaringer Schlosses wollte der Fürst die Traditionspflege dieser Einheiten seinem Hause, den schwäbischen Hohenzollern, vorbehalten, ein Programm, das bei einer Aufbewahrung dieser Symbole auf der Burg Hohenzollern, dem Denkmal der preußischen Königsdynastie, wohl kaum zur Geltung hätte gebracht werden können. Die Verbindung der Traditionspflege der ehemaligen Hohenzollernregimenter mit der des Fürstl. Hauses Hohenzollern hat denn auch Kaiser Wilhelm II. in einem Brieftelegramm an Fürst Friedrich vom 16. Juli 1933 anläßlich der Überführung der Fahnen nach Sigmaringen mit den folgenden Worten grundsätzlich anerkannt: »Für den Treuegruß von der Fahnen-Übergabe in Sigmaringen danke ich Dir und den Kameraden des tapferen Hohenzollern-Füsilier-Regiments, das in seinen ruhmreichen Kämpfen seinem verewigten Chef, Deinem lieben Vater, und dem stolzen Namen, den es trägt, allezeit Ehre gemacht hat. Alleweg guet Zolre.« Nach umfangreichen Verhandlungen mit dem Reichswehrminister und der Tübinger Traditionskompanie konnte dann das folgende Programm für die am 9. Juli 1933 stattgefundene Überführung der Feldzeichen nach Sigmaringen festgelegt werden: Samstag, den 8. ]uli: Ankunft der 40er Kameraden gegen 12 Uhr in Tübingen. Unterbringung in der Kaserne. 13.30 Uhr gemeinsames Mittagessen aus der Feldküche. Nach dem Essen, sportliche Vorführungen der Traditionskompanie, Besichtigung der Kaserne und Führung durch die Sehenswürdigkeiten Tübingens. Sonntag, den 9. Juli: Die Traditionskompanie fährt mit der Bahn nach Sigmaringen. Abfahrt aller 40er mit ihren Angehörigen punkt 6 Uhr früh mit den gleichen Fahrzeugen, womit sie nach Tübingen gekommen sind, nach Sigmaringen. Treffpunkt aller Teilnehmer am Bahnhof Sigmaringen. 9.30 Uhr Kranzniederlegung am Sarkophag Weiland S. Königl. Hoheit des Fürsten Wilhelm von Hohenzollern und Ehrung der Toten des Weltkrieges am Gefallenendenkmal in Sigmaringen durch eine Abordnung beider Verbände. (Die Abordnung wird am Bahnhof Sigmaringen bestimmt.) 9.50 Uhr Abmarsch aller Teilnehmer vom Bahnhof zum Prinzengarten. 10.00 Uhr Feldgottesdienst im Prinzengarten. 11.00 Uhr Vorbeimarsch auf dem Leopoldplatz an Seiner Hoheit dem Fürsten, dem Bataillonskommandeur der Reichswehr, Herrn Oberstleutnant Tschunke, und Herrn Oberst Kaether. Reihenfolge des Vorbeimarsches: Bataillonsmusik 11/14 Unsere alten Fahnen und die Fahne der Hohenzollernschen Fußartillerie-Abt. Traditionskompagnie Traditionsabteilung der Fußartillerie Alle ehemaligen 40er geordnet nach Vereinen mit Vereinsfahnen Artillerie-Vereine Kriegerverein Sigmaringen - D. Offiziersbund Stahlhelm und S. A. ihren Nach dem Vorbeimarsch Abmarsch ins Schloß Fahnenübergabe im Schloßhof: Hier sind die Kriegsgeschädigten derart zu führen, daß sie vor allen anderen als erste im Schloßhof eintreffen, wo sie auf Anordnung S. Hoheit des Fürsten bequem an die günstigste Stelle gebracht werden. Anschließend gemeinsames Essen aller Teilnehmer aus der Feldküche vor der Stadthalle (geringer Anteil an den Selbstkosten dieses Essens wird noch bekanntgegeben). 15.30-16.30 Uhr Platzkonzert der Bataillonskapelle auf dem Leopoldplatz. Nachmittags ist die Besichtigung des Schlosses und des Museums kostenlos gestattet. Dieses Programm wurde kurz vor der Fahnenübergabe noch etwas verändert. Die Fahnen wurden nicht im Schloß, sondern am Denkmal des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern übergeben. Es schlossen sich Festreden des Obersten Kaether für die 40er, S. Exzellenz Schabel für die Artillerie, des Oberstleutnants Tschunke 11/14 als Übergeber und des Fürsten von Hohenzollern als Übernehmer der Fahnen an. Während der Übergabe spielte die Bataillonsmusik den Präsentiermarsch. Abschließend folgte das Deutschlandlied. Die kurze Ansprache des Fürsten soll wegen ihres spezifischen Inhalts hier im Wortlaut wiedergegeben werden: »Mit stolzem und bewegtem Herzen übernehme ich die Fahnen der hohenzollerischen Regimenter in die Obhut meines Hauses. Angesichts der zahlreichen Krieger, die unter diesem stolzen Zeichen unseres alten ruhmreichen Heeres gefochten und geblutet haben, die auf diese Fahnen ihren Treueeid leisteten, verspreche ich, diese heeren Feldzeichen an würdigem Orte betreuen und aufheben zu wollen, bis - so Gott will - ein neuer Tag anbricht, wo die alten traditionsreichen Hohenzollernregimenter mit ihren alten Fahnen wieder neu erstehen zum Ruhme und zur Treue unseres geliebten deutschen Vaterlandes. Unser teures Vaterland, Hurra!« Die Fahnen haben danach im Kanonensaal des Sigmaringer Schlosses ihren Aufbewahrungsort gefunden. Soweit aus den Akten erkennbar, sind sie vor dem 2. Weltkrieg von dort nur einmal weggenommen worden. Den Anlaß zu dieser Wegnahme bildete die Anbringung des Frontkämpferkreuzes an den Fahnen am Heldengedenktag 1935. Zu diesem Zwecke wurden die Feldzeichen des Füsilier-Regiments Nr. 40 in den Standort Tübingen und die Fahne des FußartillerieRegiments N r . 13 in den Standort Ulm verbracht. Die Gründung der Traditionsgemeinschaft Die Vierziger-Verbände und -Vereine, die 1934 dem NS Reichskriegerbund einverleibt worden waren, sind mit dem Zusammenbruch 1945 zu Grabe getragen worden. Der Geist der Kameradschaft unter den Vierzigern blieb indes auch fortan lebendig. Bereits 1951 hatte der frühere Verbandsvorsitzende Prym eine Anzahl von Anschriften , ausfindig gemacht und verschickte das erste Rundschreiben, das mit dem Satz begann: »Einen kameradschaftlichen Gruß aus Rastatt, der letzten Garnison unseres stolzen Regiments und Standort unseres Ehrenmals.« Der Appell des früheren Verbandsvorsitzenden blieb nicht ungehört. 1954 konnte die Kameradschaft in Karlsruhe ins Leben gerufen werden und schon 1955 fand eine erste Wiedersehensfeier in Rastatt statt. Ende Mai 1957 gab eine große Zahl ehemaliger Vierziger dem verstorbenen Kamera11 den Prym das letzte Geleit. Die dort versammelten Kameraden waren sich einig, daß der Geist der Treue und Anhänglichkeit an das Füsilier-Regiment Nr. 40 weiter gepflegt und das Andenken an die toten Kameraden wachgehalten werden müßte. In diesem Sinne trafen sich am 28. Juli 1957, am 30. Jahrestag der Einweihung des Ehrenmals der Vierziger im Schloßgarten zu Rastatt, eine große Anzahl ehemaliger Angehöriger des Füsilier-Regiments N r . 40. Prinz Franz Josef, der Zwillingsbruder des Fürsten Friedrich von Hohenzollern, schlug vor, die Verbindung mit den Kameraden aus Hohenzollern wieder aufzunehmen und alle Hohenzollernfüsiliere wieder zusammenzuführen. Die hierfür eingesetzte Arbeitsgemeinschaft traf unter Eugen Riedel, Hechingen, die notwendigen Vorbereitungen zu dem Großen Vierziger-Treffen auf der Burg Hohenzollern 1958, bei dem über 600 ehemalige Regimentskameraden aus allen Teilen der Bundesrepublik zusammenkamen, unter ihnen auch Fürst Friedrich und Prinz Franz Josef von Hohenzollern. Die geschäftlichen Angelegenheiten waren durch einen Ausschuß so weit vorbereitet, daß der eingebrachte Vorschlag, den alten ehemaligen Vierziger-Verband Rastatt in Form einer Arbeitsgemeinschaft neu ins Leben zu rufen, Zustimmung fand. Der Vorschlag wurde dann auch umgehend in die Tat umgesetzt und unter der Schirmherrschaft des Fürsten Friedrich von Hohenzollern die »Traditionsgemeinschaft Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40 und seine Nebenformationen« gegründet. Annähernd 100 Kameraden sind damals spontan dem neuen Vierziger-Verein beigetreten. Die Satzung der Traditionsgemeinschaft wurde auf der ersten Sitzung des Gesamtvorstandes am 22. Februar 1959 in Karlsruhe beschlossen. Als Zweck des Vereins wird darin postuliert: a) die Kameradschaft unter den Angehörigen des ehemaligen Regiments und seiner Formationen aufrechtzuerhalten und zu pflegen, b) die Verbindung zwischen den Kameraden, ihren Angehörigen und den Hinterbliebenen der Gefallenen und Verstorbenen zu erhalten, c) das Andenken an die Gefallenen und Verstorbenen des ehemaligen Regiments und seiner Formationen wachzuhalten und das ehrende Gedenken im Kameradenkreis zu wahren, d) die noch lebenden Kameraden von Zeit zu Zeit zur Abhaltung örtlicher und auf Bezirksebene zu organisierender Kameradentreffen zu veranlassen, e) in wiederkehrenden größeren Zeitabständen Wiedersehensfeiern in Form von Regimentstreffen zu veranstalten. Diese sollen hauptsächlich in der ehemaligen Garnisonsstadt Rastatt stattfinden. Schlußbemerkung und Ausblick. Der Verein hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten unter den Vorsitzenden und Geschäftsführern Riedel, Hertel, Hanel, Ruff, Jauch, Weller, Franz Prinz von Hohenzollern und Steim die Pflege der Tradition und der Kameradschaft der ehemaligen Vierziger gefördert und erhalten. Dies geschah vor allem durch regionale und überregionale Kameradschaftstreffen, die Herausgabe einer regelmäßig erscheinenden Vereinsschrift und schließlich durch die alljährlich stattfindende Kranzniederlegung am Ehren- und Mahnmal des Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40 und des Landwehr-Regiments Nr. 40 in Rastatt. Der natürliche Auszehrungsprozeß des Vereins konnte indes durch die Neuaufnahme von Witwen, Söhnen und Enkeln ehemaliger Vierziger sowie interessierter Zeitgenossen nicht 12 ausgeglichen werden. So ist die Mitgliederzahl, die 1964 mit 340 Mitgliedern ihren Höhepunkt erreicht hatte, kontinuierlich auf 131 Mitglieder im Jahre 1985 zurückgegangen. Der Verein suchte deshalb die Kooperation mit dem Reservistenverband der Bundeswehr. 1984 verpflichtete sich die Kreis gruppe Neckar-Alb im Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V., die Traditionspflege des Vereins der Hohenzollern-Füsiliere mitzuübernehmen. Vor allem soll sich der Kreisverband an der Gestaltung der alljährlich stattfindenden Gedächtnisfeier in Rastatt beteiligen, eine Aufgabe, die nach Aufstellung der Feldzeichen der Hohenzollernfüsiliere und des Hohenzollernschen Fußartillerie-Bataillons N r . 13 dort sicherlich noch an Gewicht gewinnen wird. * Überarbeitete Fassung eines Vortrags, den der Verfasser am 13. November 1985 im Rahmen der Weiterbildung des Stabs und der Stabskompanie der 10. Panzerdivision in Sigmaringen und am 13. April 1986 bei der Jahresversammlung der Traditionsgemeinschaft Füs.-Rgt. Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) N r . 40 auf der Burg Hohenzollern gehalten hat. QUELLEN: I. Staatsarchiv Sigmaringen H o 235 (Preuß. Regierung der Hohenz. Lande), Präsidialabteilung, XIV Nr. 46 Dep. 39 (Fürstl. Hohenzollernsches Haus- und Domänenarchiv), N V A 13.470, 13.472, 15.853, 15.855, 15.858, 16.039, 26.250, 26.377, 31.318 Dep. 42 (Archiv der Traditionsgemeinschaft Füs.-Rgt. Fürst Karl Anton von Hohenzollern), Nr. 1 II. Stadtarchiv Rastatt, A 3787 LITERATUR: Festbuch zur Denkmalsenthüllung, verbunden mit 40er Appell am 30. und 31. Juli 1927 in Rastatt, o . O . u . J . Franz Führen, Die Hohenzollernfüsiliere im Weltkrieg 1914-1918, Oldenburg-Berlin 1930. Paul Liebeskind (Bearb.), Geschichte des Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40, Berlin 1896. Eva Link - Heinz Gauggel, Fürstlich Hohenzollernsche Orden und Ehrenzeichen, Fridingen 1985. Ludwig (Bearb.), Geschichte des Hohenzollernschen FußartillerieRegiments Nr. 13, Ulm 1905. Albert Neininger, Rastatt als Festung und Garnison, Rastatt 1938. Reinhold Redlin-Fluri, Füsilier-Regiment Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40. Formations- und Fahnengeschichte, in: Zeitschrift für Heereskunde 35 (1971), S. 59-64. Nachrichtenblatt des Vereins der Offiziere des ehemaligen FüsilierRegiments Fürst Karl Anton (Hohenzollernsches) N r . 4 0 (E.V.), N r . 1 ( 1 9 1 9 ) - N r . 17-(1925). Der Vierziger. Nachrichtenblatt der Vereinigung der Angehörigen des ehemaligen Füsilier-Regiments Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenzollernsches) Nr. 40, des Landwehr-InfanterieRegiments Nr. 40 und der anderen 40er Kriegsformationen, Nr. 1 (1925) - N r . 24 (1928). Rundschreiben der Traditionsgemeinschaft ehemaliger Hohenzollernfüsiliere des Regiments N r . 40 Fürst Karl Anton von Hohenzollern, Nr. 1 (1959) - Nr. 48 (1971); fortgesetzt als: Mitteilungen. Traditionsgemeinschaft Füs.-Rgt. Fürst Karl Anton von Hohenzollern (Hohenz.) N r . 40 und seiner Nebenformationen, N r . 49 (1972) - 81 (1986). Hohenzollerische Blätter [Hechingen], Nr. 104 vom 8.5. 1908. Hohenzollerische Volkszeitung [Sigmaringen], Nr. 163 vom 10.7. 1933 Schwäbische Zeitung [Sigmaringen], Nr. 126 vom 4.6. 1958. Rundscheibe der Veronika von Rietheim, Äbtissin des Klosters Heiligkreuztal. Meister von Meßkirch 1534. London, Victoria & Albert Museum. HERBERT RÄDLE Die Londoner Rundscheibe der Veronika von Rietheim: ein Werk des »Meisters von Meßkirch« In der Heidelberger Ausstellung »Die Renaissance im deutschen Südwesten« (Juni bis Oktober 1986) waren auch mehrere Kunstgegenstände aus dem ehemaligen Zisterzienserinnenkloster Heiligkreuztal bei Riedlingen zu sehen. Darunter befand sich eine sehr schöne Rundscheibe der Äbtissin Veronika von Rietheim aus dem Jahre 1534, die in der bisherigen einschlägigen Literatur, soweit ich sehe, nicht berücksichtigt ist, da sie den Autoren offenbar unbekannt war 1 . Der Ausstellungskatalog 2 bietet eine Schwarz-Weiß-Aufnahme des Glasbildes (siehe Abb.) und daneben die folgenden Angaben: »Rundscheibe der Veronika von Rietheim, Südwestdeutschland, 1534, Hüttenglas, Schwarzlot, Silbergelb, Durchmesser 27,5 cm, London, Victoria and Albert Museum, Inv. N r . 2271-1900. Die Scheibe trägt die Umschrift Feronika von Riethain Äbtissin des Gotzhushailig Kr(u)tzthal hat dies huß (von) nuivem lassen bauwen 1534. Im Spruchband der Äbtissin: O MATER DEI MEME(N)TO MEI.« (Soweit der Katalog). Die im Gesamteindruck sehr ausgewogene und harmonisch wirkende Scheibe zeigt im Zentrum die Gottesmutter in prächtiger Gewandung mit dem Jesuskind auf dem Schoß. Über ihrem Haupt schwebt inmitten der Engelschöre der Heilige Geist in Gestalt einer Taube. Rechts vor der Madonna kniet in andächtiger Haltung und mit dem Äbtissinnenstab in der Hand die Stifterin, Veronika von Rietheim. Zu ihren Füßen erkennen wir ihr Wappen mit dem gevierteilten Feld, in dem neben dem Esel der Rietheimer die drei Hirschstangen der Landau stehen 3 . Leider geht nun der genannte Katalog auf die Frage nach der Urheberschaft des Bildes nicht ein. Doch liegt es natürlich von vornherein nahe, an ein Werk des berühmten Meisters von Meßkirch zu denken, dessen Tätigkeit gerade für die Jahre 1532-1535 in Heiligkreuztal bezeugt ist. Er hat damals zusammen mit seinen Gesellen die Gewölbe- und Wandmalereien in der Kirche angebracht. 4 Und in der Tat sprechen für ihn nicht nur Qualitäts- und allgemeine Stilmerkmale wie runde Gesichtsformen, bauschig geblähte Gewänder und der durch Auflösung der Linien bewußt unklare Faltenwurf. Es spricht für seine Urheberschaft vor allem die Tatsache, daß Motiv und Anordnung der Komposition in fast identischer Form an anderer Stelle in Heiligkreuztal vorkommt, nämlich auf dem Triumphbogen der Kirche, der mit Sicherheit vom Meister selbst gestaltet wurde. Dort (Abb. bei Engelmann, gegenüber S. 33) sehen wir in der Mitte die Muttergottes mit dem Jesuskind, während sie von Engeln gekrönt wird. Schräg rechts unter ihr aber ist - genau wie auf unserer Scheibe - die kniende Äbtissin mit dem Stab dargestellt, vor ihr ihr Wappen und darüber wiederum ein Spruchband mit der Bitte: O MATER DEI M E M E N T O MEI. Aufgrund der frappierenden Ähnlichkeit der beiden Bilder kann es, denke ich, als gesichert gelten: Die Londoner Rundscheibe der Veronika von Rietheim ist ein Werk des Meisters von Meßkirch. 5 Anmerkungen 1 Weder bei U. Engelmann OSB: Heiligkreuztal, Beuron 1983, noch in den grundlegenden Arbeiten von Ch. Salm zum Meister von Meßkirch und zu dessen Tätigkeit in Heiligkreuztal finde ich einen Hinweis auf die Londoner Scheibe. (Ch. Salm, Der Meister von Meßkirch, Diss. Freiburg 1950; Ders., Die Wand- und Gewölbemalereien des Meisters von Meßkirch in Heiligkreuztal, in: Heilige Kunst, 1956, S. 29-47) 2 Der 2-bändige Katalog wurde 1986 herausgegeben vom Badischen Landesmuseum Karlsruhe. Unsere Scheibe auf S.276! 3 Zum Wappen und den zugrundeliegenden Verwandtschaftsverhältnissen: Engelmann, S.43f. 4 Engelmann, S. 36 5 Will sagen: Dieser hat den Entwurf für das Glasgemälde, den sog. Scheibenriß, geliefert! 13 Buchbesprechungen Manfred Hermann, Kunst im Landkreis Sigmaringen Plastik. Herausgegeben von der Hohenzollerischen Landesbank Kreissparkasse Sigmaringen. In der Zeit vor 1978 schenkte die Hohenzollerische Landesbank ihren Kunden zu Weihnachten den Beuroner Kunstkalender. 1978 ließ die Bank dann vom Beuroner Kunstverlag erstmals einen eigenen Kalender machen mit Kunstwerken aus dem Kreis Sigmaringen. Die Kalender erfreuten seither Jahr für Jahr die Bevölkerung des Kreises Sigmaringen und leisteten sicher auch einen Beitrag zur Bildung eines neuen »Kreisbewußtseins«. Irgendwann einmal sollte aus den hervorragenden Kalenderbildern von P. Coelestin Merkle OSB ein Kunstband entstehen. Daß diese Idee weitergeführt wurde und schließlich ein feines Buch erscheinen konnte, ist zweifellos Herrn Hans Joachim Dopfer von der Landesbank zu danken. Es gelang ihm als »Texter« für den Kalender zwei Experten zu gewinnen, Bruno Effinger, Kulturreferent von Saulgau, und Manfred Hermann, bis 1979 Pfarrer in Neufra. Pfarrer Hermann war 1968 Pfarrer in Neufra geworden und hatte sich mit Elan auf die bisher nur mäßig beackerte Kunstgeschichte in Hohenzollern gestürzt. Zahlreiche Veröffentlichungen, vor allem in der »Hohenzollerischen Heimat«, berichteten von Entdeckungen und Erkenntnissen. Eine Zusammenfassung erschien dann 1981 in dem Buch »Der Landkreis Sigmaringen«, Der Landkreis in seinen Bauund Kunstwerken. Als Pfarrer Hermann 1979 von Neufra nach Ebringen ging, war die Befürchtung groß, daß er nun auch für die hohenzollerische Kunstgeschichte verloren sei. Um so größer war die Freude, als er die Autorenschaft für das neue Buch übernommen hat. Dies war sicher keine kleine Aufgabe. Zu den Farbaufnahmen von P. Coelestin hat er über 100 eigene Schwarz-Weiß-Aufnahmen hinzugefügt. Blättert man das Buch durch, so ist man beeindruckt von der nicht enden wollenden Fülle von Kunstwerken. Es ist kaum zu glauben, daß dies alles Kriege und Zerstörungen durch Jahrhunderte überstanden hat. 195 Plastiken sind ganzseitig abgebildet und begleitet von einer Textseite. Die meisten Texte stammen von Manfred Hermann, einige von Bruno Effinger, Franz Gluitz und vom verstorbenen Erzabt Dr. Engelmann. Es findet sich jeweils eine Beschreibung mit Sinngebung und eine kunstgeschichtliche Einordnung der Plastik mit Hinweis auf die Entstehung und den Bildhauer. Die Texte regen zu eigener Betrachtung an und vermitteln auch viel kunstgeschichtliches Wissen mit den neuesten Erkenntnissen der Forschung. Die Reihe der Bildwerke beginnt mit den romanischen Kreuzen von Wolfratsweiler, Saulgau, Siessen und Sigmaringen aus dem 12. Jahrhundert. In die Zeit der Gotik führt das Triumphkreuz im Chorbogen der Veringendorfer Pfarrkirche. Die Gotik ist im Kreis mit einer großen Zahl hervorragender Kunstwerke vertreten. Zwei Christus-JohannesGruppen befanden sich in Klöstern des Kreisgebietes. Die Inzigkofer Gruppe, die heute in Berlin steht, und die KlosterWalder Gruppe im Augustinermuseum in Freiburg. Eine weitere Gruppe im Württembergischen Landesmuseum in Stuttgart stammt möglicherweise aus Mariaberg. Eine große Zahl der Bildwerke entstand im 15. Jahrhundert. Neben Werken auswärtiger Werkstätten, vor allem aus Ulm, lassen sich viele Plastiken dem Schaffen der Veringer Künstlerfamilie Strüb zuordnen. Die Strüb hatte man ja in den letzten Jahrzehnten Kunstgeschichte als Bildhauer gestrichen. Jetzt sind sie wieder da. Sogar das herrliche Werk der Heiligen Sippe in der Pfarrkirche von Veringenstadt erkennt Hermann als Arbeit der Bildhauer Strüb. Daneben gibt es viele wertvolle Ulmer Plastiken wie z. B. die Weckmann-Figuren in Enne14 tach und Bingen und die »Feldhauser Madonna« von Michael Erhart, von Hermann im Hinblick auf ihre wahrscheinliche Herkunft als »Reutlinger Madonna« bezeichnet. Zweifellos stellt die Zeit bis ca. 1520 den Höhepunkt einer Entwicklung dar, welche durch die Reformation schlagartig unterbrochen wurde. Vermutlich kamen auch spätgotische Plastiken aus reformierten Kirchen in unseren Raum. So z.B. Werke des Meisters des Heinstetter Altars, dessen Werkstatt Hermann im Raum Balingen-Ebingen vermutet. Für die Zeit der Renaissance seien nur die Bronze-Epitaphe von Meßkirch, die Werke der Hechinger Taubenschmid und Michael Binders erwähnt. Die Bildhauer waren in dieser Zeit viel mit Grabmälern für die Adelshäuser beschäftigt, von denen einige gezeigt werden. Auch das 17. Jahrhundert ist trotz des Dreißigjährigen Krieges mit Bildwerken vertreten. Genannt seien die Namen Valentin Ungelehrt und der Biberacher Thomas Kutzberger. Bezeichnend ist seit Beginn des 18. Jahrhunderts eine ständige Zunahme von Künstlern und Kunstwerken. Neben den berühmten Meistern des Barock wie Christian aus Riedlingen, Feichtmayer und anderen, entstanden auch in kleineren Orten Bildhauerwerkstätten. Manche von ihnen wurden von Manfred Hermann entdeckt, wie der Mariaberger Klosterschreiner Balthasar Wild und der Veringenstädter Egidius Hochstein. Um 1780 setzte ein Stilwandel ein. Auf die Schnörkel und die farbige Pracht des Rokoko folgten die ruhigen Formen des Klassizismus. Ein typisches Beispiel ist der Stuckmarmor-Hochaltar von Herdwangen. Zu erwähnen ist für diese Zeit der Bildhauer Fidelis Mock aus Sigmaringen. Wie die Blüte der Spätgotik durch die Reformation, wurde das religiöse Kunstschaffen des 18. Jahrhunderts durch die Säkularisation 1803 fast ganz unterbrochen. Es ist bezeichnend, daß zwischen dem Hl. Lukas von Gammertingen (1810) und der Beuroner Madonna von Desiderius Lenz (1872) eine Lücke von 63 Jahren klafft. Das Buch zeigt auch einige Werke der Bildhauerwerkstatt Marmon in Sigmaringen aus der Zeit vor ca. 100 Jahren. Dies ist sehr verdienstvoll, denn die Arbeiten sind ganz gewiß nicht schlechter, als die Werke vieler Barockbildhauer, deren Kunst man im 19. Jahrhundert als »wertlosen Zopfstil« bezeichnete. Mit Recht charakterisiert Hermann die Renovationen in der Zeit von 1950 bis 1975 als Bilderstürmerei. Zahlreiche Werke der Neugotik und anderer Stile des 19. Jahrhunderts wurden erbarmungslos weggeworfen. Man gönnte ihnen oft nicht einmal die Gnade, auf der Kirchenoder Pfarrhausbühne auf verständnisvollere Zeiten zu hoffen. Den Abschluß des Buches bilden moderne Plastiken von P. Ansgar Dreher, Josef Henger, Gisela Bär und nicht zuletzt vom jüngst verstorbenen Professor Josef Henselmann. Henselmann, Schüler von Franz Marmon, braucht keinen Vergleich mit den im Buch gezeigten alten Meistern zu scheuen. Der Band wurde im Beuroner Kunstverlag ganz ausgezeichnet gestaltet und hergestellt. Eine wahre Freude ist der Anblick der Ennetacher Madonna auf dem Schutzumschlag. Das Buch enthält 195 ganzseitige Abbildungen, davon 63 in Farbe. Der Band ist auffallend schwer, denn alle Seiten bestehen aus Kunstdruckpapier. Der Verkaufspreis von D M 50,- ist sehr moderat, wenn man weiß, was die Herstellung eines solchen Buches kostet. Herrn Pfarrer Hermann, der Landesbank und allen Beteiligten herzlichen Dank. Sie haben dem Kreis Sigmaringen und allen Kunstfreunden ein Geschenk von bleibendem Wert gemacht. B. Tübingen 1945. Chronik von Hermann Werner, bearbeitet von Manfred Schmid. 256 Seiten und 95 Abbildungen. D M 28,- Konrad Theiss Verlag Stuttgart. 1950 wurde vom Tübinger Gemeinderat der Journalist Hermann Werner (1880-1955) mit der Abfassung einer Chronik über die Jahre 1945 bis 1950 beauftragt. Diese wurde nun, über 40 Jahre später, erstmals veröffentlicht. Sie berichtet von den letzten Kriegsmonaten in Tübingen, der Rolle der NSDAP, der Wehrmacht, von Luftangriffen, Evakuierten, Lazaretten und den Verhältnissen an der Universität. Recht dunkel erinnert man sich noch an Prof. Hauer und seine »Gottgläubigen«, und wer weiß, daß der Anatom Prof. R. Wetzel Leiter des NS Dozentenbundes, zuletzt Führer einer Volkssturmgruppe im Schönbuch war? Sowohl bei der Partei, wie bei der Wehrmacht hatte man über die Verteidigungsmöglichkeiten keine Illusionen mehr. Trotzdem tat man weiter so, als wäre man bereit, den irrsinnigen Befehlen aus Berlin und von Gauleiter Murr zu folgen, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, man sei nicht zuverlässig. Nur Standortarzt Dr. Dobler riskierte Kopf und Kragen, als er auf eigene Faust den Franzosen Parlamentäre entgegenschickte, um eine Beschießung der Stadt zu verhindern. Mit Recht gilt Dr. Dobler als der Retter von Tübingen, obwohl nachträglich dann noch andere »Retter« auftraten. Auch die Sprengung der Neckarbrücke konnte von Doblers Leuten verhindert werden. Nach der Besetzung durch die Franzosen folgte das »Chaos der ersten Wochen« mit Plünderungen, Vergewaltigungen und Beschlagnahmungen von Häusern und Wohnungen. Auch die Chirurgische Universitätsklinik wurde beschlagnahmt und blieb es für viele Jahre. Wer irgend ein Amt oder eine Funktion hatte, wurde als »Nazi« verhaftet. Der Bevölkerung blieb keine Erniedrigung erspart, es sei nur daran erinnert, daß jeder französische Offizier und jede alliierte Fahne auf der Straße gegrüßt werden mußte. Auch dunkle Elemente tauchten auf, die unter dem Vorwand, aus dem KZ zu kommen, die Bevölkerung terrorisierten. Die langsam wieder entstehende deutsche Verwaltung hatte zunächst nur die Aufgabe, die Wünsche der Franzosen zu erfüllen. Im Juni 1945 begannen dann die notwendigsten Instandsetzungsarbeiten. Viktor Renner wurde Oberbürgermeister von Tübingen. Er mußte auch noch das Landratsamt übernehmen, weil die Franzosen den bisherigen Landrat grundlos verhaftet hatten. Im Juni konnte die Eisenbahn auf einigen kleinen Teilstrecken wieder in Betrieb genommen werden. Die Beförderung von Briefen war erst im September wieder möglich. Die Franzosen hatten zunächst auch Stuttgart besetzt und dort gegen den Willen der Amerikaner eine deutsche Regierung etabliert. Am 8. Juli mußten sie auf Druck der Amerikaner Stuttgart verlassen. Nachdem man zunächst noch die Fiktion einer gemeinsamen Regierung in Stuttgart beibehalten hatte, setzten die Franzosen am 24. September eine eigene südwürttembergische Landesverwaltung ein, deren Leiter Prof. Dr. Carlo Schmid wurde. Am 21. September erschien als erste deutsche Zeitung das Schwäbische Tagblatt. Zum Wintersemester wurde auch die Universität wieder eröffnet. Die Franzosen legten großen Wert darauf, daß ihre Zonenhauptstadt auch eine Universität bekam. Viele Lehrstühle waren durch die Entnazifizierung und Kriegsverluste unbesetzt. Im neuen Semester waren über 3000 Studenten an der Universität, darunter viele Kriegsbeschädigte und Uberalterte. Mit großem Eifer wurde gearbeitet und alle Unannehmlichkeiten des täglichen Lebens in der überfüllten Stadt in Kauf genommen. Auch das kulturelle Leben kam im Lauf des Sommers in Gang. Viele bedeutende Künstler hatte es im Krieg in den Südwesten verschlagen, die nun nach Betätigung und Verdienst drängten. Konzerte und Theateraufführungen wurden veranstaltet. Auch die Franzosen waren auf kulturellem Gebiet recht aktiv. Aber immer noch waren Lebensmittel knapp und ein schlimmer Winter ohne Heizmaterial stand bevor. Die Werner'sche Chronik wird ergänzt durch Tagebuchaufzeichnungen, Briefe und Erinnerungen von Frauen und Männern, welche die damalige Zeit, teilweise in leitender Stellung, miterlebt haben. Bei vielen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Tübingen studiert haben, weckt das Buch manche schon vergessene Erinnerung und macht vieles klar, was man damals nicht so genau wußte. Die reiche Bebilderung des Buches trägt dazu bei, die Atmosphäre des Jahres 1945 und danach wieder lebendig zu machen. B. Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg Herausgegeben von der Landesstelle für Volkskunde Freiburg, Badisches Landesmuseum Karlsruhe und der Landesstelle für Volkskunde Stuttgart, Württembergisches Landesmuseum Stuttgart. Band 1/1985 DM 30,-, Abonnementpreis DM 20,-, Konrad Theis Verlag Stuttgart. »Beiträge zur Volkskunde in Baden-Württemberg« heißt eine neue Schriftenreihe, die jährlich erscheinen soll. Sie soll die Ergebnisse regionaler und lokaler Kulturforschung einem interessierten Publikum bekannt machen. Themen des ersten Bandes sind: Brauchtumstradition (H. Bausinger), Kollektivauswanderung aus Pfaffenweiler 1853, Wohnen im Odenwälder Bauernhaus. Ein dörflicher Verein, Vereinsforschung in Freiburg-Littenweiler, Freiburger Jahrhundertwende, Religion in bäuerlichen Gemeinden, Die St. Pantaleonswallfahrt zu Niederrotweil, Zur allegorischen Fastnachtsforschung, Tagungsberichte und Buchbesprechungen. Die bewährte Reihe »Forschungen und Berichte zur Volkskunde in Baden-Württemberg« soll beibehalten werden und künftig nur Monographien zur Volkskunde bringen. B. Karl Werner Steim, Fastnacht in Haigerloch, Glückler Verlag, Hechingen 1987. Den ältesten Beleg für die Haigerlocher Fastnacht fand Steim im Stadtbüchle von 1457. Die jeweilige Stadtherrschaft spendierte den Bürgern am Aschermittwoch einen Trunk. In einer Landesordnung von 1580 werden schon Fastnachtsküchlein, Butzenkleider und Vermummen erwähnt und gleichzeitig Übergriffe gerügt. Überhaupt lebt die Fastnachtsgeschichte hauptsächlich von Verboten und Strafen wegen irgendwelchen Unsinns, der an diesen Tagen getrieben wurde. Fastnachtsumzüge sind in Haigerloch schon im 17. Jahrhundert nachweisbar. Besonders in der Zeit der Haigerlocher Residenz im 18. Jahrhundert wurden wohl prächtige Umzüge gemacht. Im 19. Jahrhundert begannen in der »Post« die bürgerlichen Fastnachtsbälle, die später auch von Vereinen gestaltet wurden mit Musik, Maskenprämierungen und Theaterpossen. Die Straßenfastnacht war damals eine Sache der Kinder und der »Ledigen«, die nicht gerne gesehen wurde. Ein spezieller Haigerlocher Fastnachtsbrauch ist das Bräuteln, wie es auch in Sigmaringen geübt wird. Angeblich ein uralter Brauch; Steim kann jedoch zeigen, daß das Bräuteln erstmals im Jahr 1860 angekündigt wurde. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es einen Narrenvorstand, 1906 wurde dann ein Karnevalverein gegründet. Der Verein hatte einen Präsidenten und hielt Sitzungen ab, wie die großen Vorbilder im Rheinland. Immerhin gehörte ja Hohenzollern damals zur Rheinprovinz. Die Fastnacht zwischen den beiden Weltkriegen wurde hauptsächlich von den Vereinen gestaltet. Der ursprüngliche Karnevalverein mauserte sich in den Zwanziger Jahren zur Narrenzunft. Diese wurde schon 1930 in die Gemeinschaft der schwäbisch-alemannischen Narrenzünfte aufgenommen. Nach dem zweiten Weltkrieg nahm auch die Haigerlocher Fasnacht einen gewaltigen Aufschwung. Besonders die Narrentreffen werden immer mehr zu Großveranstaltungen mit Tausenden von Maskenträgern. Neben der Geschichte und Gegenwart der Haigerlocher Fasnacht ist Steim auch den Masken der Haigerlocher Fastnacht nachge- 15 Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen M 3828 F Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt. gangen. Außer dem originalen Haigerlocher alten Stadtbutz gibt es den Alten Rottweiler und das Bischöfle als Holzmasken. Ein besonderes Glück für die Haigerlocher Narren war der Bildschnitzer Max Kaiser, der für die Fastnacht zahlreiche Traditionsmasken aus Lindenholz anfertigte. Den Abschluß des Buches bildet eine Schilderung der Fastnacht in den acht Haigerlocher Teilorten. Einige Orte haben eine Narrenvereinigung, andere improvisieren die Fastnacht noch so, wie es immer schon war, ohne daß sie deshalb weniger Spaß daran hätten. Das Buch von Karl Werner Steim enthält nicht nur eine beispielhafte historische Untersuchung über die Ursprünge der Haigerlocher Fastnacht, sondern auch eine lebendige Schilderung der Entwicklung bis zur heutigen Form der lokalen Fastnacht. Bemerkenswert ist auch die Sachlichkeit und Objektivität der Darstellung, die nicht versucht, irgendwelche Banalitäten als »historisches Brauchtum« anzubieten. Der Verlag hat das Buch mit zahlreichen sehr guten Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß ausgestattet. Sehr gelungen ist auch der bunte, Fastnachtsstimmung vermittelnde, Einband. B. Register 1986 AichgasserJ.G. 1701-1767 S.61 Alb, Weltbeschreibung des Seb. Münster S. 14 Anwand, Ackergewann, Pflugwende S. 41 Baur, Willy, Zum Tode von S. 51 Beizkofen, Müller und Bauern im Konflikt S. 27 u. S. 38 Bisingen, die Kirche St. Nikolaus S. 42 Bittelbronn, Vor 200 Jahren wurde die Kirche erbaut S. 17 Buchbesprechungen: Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1985 S. 48 Landkreis Sigmaringen S. 15 Schwäbisches Handwörterbuch S. 64 Stadtwerdung im Landkreis Sigmaringen S. 30 Unser Land Baden-Württemberg S. 47 Burladingen, Nicht nur durch das Fehlatal verbunden S. 3 Burladingen, Römische Verbindung von Rottenburg zum Alblimeskastell S. 22 Die Fürsten von Hohenzollern und ihr Füsilierregiment S. 49 Egler, Ludwig 1828-1898 S.45 Egler, Ludwig, Zu Besuch bei L. E. vor 100 Jahren S. 46 Flurnamen: Der mehrdeutige »Wert« S. 12 Gailhofen, Wo lag G. S.27 Glockenkunde S. 5 Grynaeus, Simon und Markus Heiland S. 46 u. S. 62 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge. Bezugspreis: 8.00 DM jährlich. Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 65351050). Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co.. 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10. 16 Haigerloch, Eine merkwürdige Inschrift Hechingen, Blutgericht Hechingen, Mordbrenner vor Gericht Hechingen, Von der Schloßkirche Jungingen, St. Sylvester, Hl. Abendmahl (Bild) Jungingen, Supplikation von 1591 Jungnau, Bildhauer Karl Volk Killer, Quelle in der Kirche Mietingen, Bildhauerfamilie Hops Namenskunde: Bumiller, Dehmer, Dehner Griener Buchmiller, Bumiller Zum Namen Schnägäg usw. Neuneck, Ausstellung zur Geschichte der Herren von Ostrach, Beitrag zur Geschichte der Kaplanei Owingen, Grenzvergleich Sigmaringen, 1875, Lithographie von Emminger Stetten b. Haigerloch unter dem Krummstab Walbertsweiler, Ein oberschwäbischer Pfarrhof aus dem 18. Jh. Wirttemberg, Zum Namen Zur Schenkung des Grafen Gerold Die Autoren dieser Nummer: Otto Werner Friedrich-List-Straße 55 7540 Hechingen Karl Werner Steim Wegscheiderstraße 26 7940 Riedlingen S. 23 S. 23 S. 53 S. 1 S. 1 S. 10 S. 4 S. 59 S. 7 S. 13 S. 15 S. 30 S. 59 S. 30 S. 35 S. 60 S.27 S.24 S.33 S. 64 S.61 Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen (Telefon 07574/2329) Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet. Alois Eisele 7453 Burladingen-Gauselfingen Otto H. Becker Hedinger Straße 17 7480 Sigmaringen Dr. Herbert Rädle Veit-Jung-Straße 13a 8430 Neumarkt Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten. Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiter zu empfehlen. M 3828 F HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein 37. Jahrgang Nr. 2/Juni 1987 Die Stadt Hechingen mit der (alten) gotischen Stiftskirche. Nach dem Merianstich von 1662 OTTO WERNER Die Anfänge des Kollegiatstifts in Hechingen In Hechingen ist es noch heute üblich, von der Stiftskirche und nicht nur von der Stadtpfarrkirche oder der Pfarrkirche St. Jakobus zu sprechen. N u n bestand in Hechingen - wie andernorts auch, so z.B. in Hettingen, Hildrizhausen und Tübingen - ein Kollegiat- oder Chorherrenstift, und der Name Stiftskirche zeugt noch davon. Das Kollegiat- oder Chorherrenstift gehört aber längst der Vergangenheit an; es sind mehr als 180 Jahre her, daß es im Zuge der Säkularisierung aufgehoben wurde; aufgehört hatte es schon längst. Und dennoch: Es war einmal, und es ist kein Märchen. Wie aber hat das Kollegiatstift vor 500 Jahren seinen Anfang genommen? Das »alt Büecblin« Kaplan Conrad Unverdorben schreibt gegen Ende des 16. Jahrhunderts 1 von einem alten Büchlein, welches der erste Dekan des Stifts geschrieben habe und das in der Lade des Stifts zu finden sei. Heute haben wir es nicht mehr so leicht. Wir können nicht einfach die Fundationslade des Stifts, in der die Urkunden und Siegel verwahrt wurden, öffnen und nachsehen, um Aufschluß über die Gründung und die Verhältnisse in der Anfangszeit des Stifts zu erhalten. Die Literatur darüber ist auch sehr spärlich 2 . Fleißige Nachsuche in Archiven förderte eben jenes »alt Büechlin« zutage. Es ist in Pergament gebunden und umfaßt acht Doppelblätter, also 32 Seiten. Geschrieben hat es der erste Dekan des Stifts, Magister Michael Zimmermann bzw. (latinisiert) Carpentarii 3 . Die Entstehungszeit des Büchleins dürfte zwischen den Jahren 1515 und 1520 liegen. Die Gründer des Stifts Schon seit Jahren vermutete ich, daß Graf Jos Nikiaus I. von Zollern (1443-1488) nicht nur den Bau der Marienkapelle in der Hechinger Oberstadt ins Werk setzte, sondern damit auch die Absicht verband, ein Stift in der Marienkapelle zu gründen. N u n bestätigte sich: Seine beiden Söhne Bischof Friedrich von Augsburg und Graf Eitelfriedrich IL von Zollern kamen dem Willen ihres Vaters nach, der die Errichtung und Ausstattung eines Stifts in seinem Testament niedergelegt hatte. (Wörtlich heißt es: »...bayd grauff iosen elich sin / habend zu hertz genommen sin testament ¡¿rs hertzlieben vatters / in wölchem sy bayd fünden hond das er willen was ainen stifft in der obbestimpten capell zu erigierend dotierend vnd zu begabend...«.) Jos Nikiaus und seine beiden Söhne wollten damit Gott, den himmlischen König, loben und die reine Jungfrau Maria und das ganze himmlische Heer ehren. Durch Jos Nikiaus unerwarteten Tod am 9. Februar 1488 zu Augsburg erlebte er nicht nur die Einweihung und Vollendung der Marienkapelle, sondern auch die darin beabsichtigte Errichtung des Stifts nicht mehr. Nichtsdestoweniger ist Graf Jos Nikiaus I. von Zollern als der eigentliche Gründer des Stifts anzusehen. Das kleine Büchlein ist gewissermaßen auch ein Gedenkbuch, das den Abschied der Stifter aus dieser Zeit vermerkt: - des bereits genannten Graf Jos Nikiaus I. von Zollern am 9. Februar 1488; - der Gemahlin Graf Eitelfriedrichs II. von Zollern, Magdalena von Brandenburg, am 18. Juni 1496 4 ; - von Graf Friedrich von Zollern, Bischof von Augsburg, am 8. März 1505; - von Graf Eitelfriedrich II. von Zollern am 18. Juni 1512. Nirgendwo ist übrigens die Rede von einem Patron St. Jakobus. Dort, wo der Begriff Patron gebraucht wird, sind damit die vier Stifter bzw. (von 1512 bis 1517) der Landesherr Graf Franz Wolfgang von Zollern gemeint. Der Patronatsherr hatte das Vorschlagsrecht (Präsentationsrecht) bei der Anstellung eines Geistlichen. Der Beginn des Stiftslebens Eine große Überraschung brachte der Bericht über den Beginn des Stiftslebens, mit dem Pfarrer Michael Zimmermann, Kaplan Hans Kymmerlin und Kaplan Friedrich Musler bereits am 2. Juli 1488 in aller Feierlichkeit begannen 5 . Die Marienkapelle war ja erst am l.Juni 1488 von Bischof Friedrich von Augsburg geweiht worden 6 , und der Bau wurde erst am 16. Oktober 1488 vollendet 7 . Einige wenige Daten aus deren Priesterleben seien hier kurz angeführt: 1. Michael Zimmermann stammte aus Ostdorf. Am 25. Juni 1488 war er auf die Pfarrkirche St. Luzen vor den Mauern der Stadt Hechingen proklamiert worden; er wurde am 21.Juli 1488 dort investiert. Präsentiert hatte ihn Graf Eitelfriedrich von Zollern. Er war nicht nur Pfarrherr von Hechingen, sondern auch Dekan des Ruralkapitels [= Landkapitels] Hechingen 8 . Er verzichtete auf die Pfarrei, als er (1499) Dekan des Chorherrenstifts wurde. Um 1518 scheint er auch dieses Amt abgegeben zu haben. 1520 besaß er die Prädikatur (die Predigerstelle), ein Kanonikat und die Altarpfründe St. Johannis Baptistae. Die Grafen Christoph von Werden18 berg, Joachim von Zollern und Truchseß Georg von Waldburg richteten am 24. Juni 1520 als Vormünder der Kinder des verstorbenen Grafen Franz Wolfgang von Zollern den Antrag an Bischof Hugo von Konstanz, diese Amterhäufung aufzulösen, weil der dazu bestimmte Priester - der hochwürdige Herr Magister Michael Carpentarii - seine drei Amter, »besonders bei Sterbensläuften und grassierender Pest«, nicht verwalten könne. Sie schlugen deshalb vor: Magister Michael Zimmermann »und seine Nachfolger sollen an allen Sonntagen des Jahres zu gegebener Zeit die Predigt ans Volk halten oder halten lassen. An den Apostel- und Marienfesten jedoch braucht er nicht predigen, sondern soll es der jeweilige Leutepriester oder dessen Stellvertreter tun. Bei Freiwerden eines Kanonikats darf nur ein wirklicher Priester und Magister der freien Künste und Bakkalaureus der hl. Theologie nach Aufnahme ins Stift und Vereidigung auf die Statuten darauf angenommen werden. Dieser Prediger soll in Chor und Kapitelsversammlungen und Prozessionen ersten Platz und Stimme hinter dem Dekan und Leutpriester der Stiftskirche haben. Vom Besuch der Kirche, auch vom Amt des Nokturnars und Diurnus (d.i. Leiter des Chorgebetes und Gottesdienstes) ist er jeweils vor seiner Predigt befreit. Ferner wurde beantragt, daß der Prediger an seinem genannten Altar nur jede dritte Woche diese Messe lese, an den andern 2 Wochen aber die Helfer. Er hat dem Dekan und Präsenzgeldverwalter jeweils seine Woche vorher anzuzeigen, ebenso die Helfer. Sein Nachfolger als Prädikator wird durch Dekan, Leutpriester und den Senior des Stifts gewählt. Er hat dann vor dem Vogt oder Kapitän der Herrschaft in Hechingen und deren Gegenwart den Eid abzulegen und wird darauf dem derzeitigen Herrn von Hechingen und dem Bischof in Konstanz präsentiert. Über die Einkünfte des Canonikats hinaus soll der Prediger 15 fl. [= Gulden] auf den Tag Johannis des Täufers und Johannis Evang. je zur Hälfte erhalten. Außerdem hat Mag. Michael Carpentarii in seinem Testament dem Nachfolger sein jetziges Haus in Hechingen mit allem Zubehör und Büchern vermacht, und stimmt ausdrücklich obigen Anträgen in allem zu. Bischof Hugo von Hohenlandenberg zu Konstanz bestätigte das Ganze am 6. Juli 1520« 9 . Am 24. November 1526 wird auf die von ihm bis dahin innegehabte Stelle Nikolaus Walch investiert. Prädikatur und Kaplanei waren durch den Tod des Magisters Michael Zimmermann frei geworden 10 . 2. Kaplan Hans Kymmerlin war noch von Graf Jos Nikiaus I. von Zollern präsentiert und bereits am 19.12.1465 als Kaplan des St. Laurentiusaltars eingesetzt worden. Wenn nicht alles trügt, hatte er als Kaplan damals auch die Oberstadt zu versorgen. (»Et habet duplicem commissionem.«) Die Kaplanei des S. Laurentius-Altares in der Pfarrkirche der Stadt wurde am 23. August 1492 neu besetzt; sie war durch den Tod des Johann Kumerlin vakant geworden 11 . 3. Friedrich Musler war zu jener Zeit Kaplan des Ottilienaltars in St. Luzen. Vom Stiftsleben zum regulierten Chorherrenstift Am 23. Juni 1490 sei das Stift laut eines apostolischen Briefs von Papst Innozenz VIII. (1484—1492) zugelassen und samt den »almucien« konfirmiert und approbiert worden. Mit den Almutien sind die die Schultern mitbedeckenden Kapuzen gemeint, die im späten Mittelalter beim Chordienst gebräuchlich waren. J. A. Kraus erklärt »almuceum, almutium« als »Gewand der Kleriker, das Kopf und Schultern deckte« 12 . Wenn die Gemeinschaft über den Rahmen des Pfarrers und dessen Helfer hinauswachsen sollte, dann mußte auch für den Lebensunterhalt weiterer Kleriker gesorgt werden. Dazu dienten die Schaffung weiterer Kaplaneipfründen und die Stiftung von Kapitalien und Liegenschaften, um die Präsenzen, d.s. die Gelder für die Anwesenheit der Chorherren beim Chorgebet und bei den Ämtern zu belohnen und (durch deren Entzug) sicherzustellen. Die Dotation für die Präsenzgelder und die weiteren Besitzungen des Stifts werden in dem Büchlein ausführlich beschrieben. Es sei hier nur erwähnt, daß für die Stiftungen auch Verpflichtungen eingegangen wurden, so z.B. für die Abhaltung eines Jahrtages der Herrschaft an den vier Fronfasten im Jahr und für den Jahrtag der Gräfin Magdalena nach deren Ableben, oder jeden Samstag in den Ämtern der verstorbenen Seelen der Herrschaft Zollern zu gedenken und alle Tage nach der Messe und dem Komplet in einer Prozession zum Grab der Herrschaft zu gehen, womit der Gang der Stiftsherren zur (neuen) Gruft in der Marienkapelle gemeint sein dürfte. Stiftungsurkunde Die eigentliche Stiftungsurkunde, die unter dem 7. Januar 1495 ausgestellt ist, wird in dem kleinen Büchlein nicht erwähnt. Darüber berichtet Theodor Dreher 1 3 . Bischof Friedrich von Augsburg bekundet, daß für die Stiftung folgende Regelungen getroffen werden sollen, denen Graf Eitelfriedrich II. von Zollern ausdrücklich zustimmt: Die zehn vorhandenen Kaplaneien werden in Kanonikate umgewandelt. Von dem Geld, das Bischof Friedrich in Straßburg als Domdechant und Kleriker der niederen Weihen erspart hat, erhalten die Kanoniker Präsenzgelder für die Feier des Gottesdienstes. Jeder anwesende Chorherr erhält denselben Anteil, der Dechant aber den doppelten, »damit er um so aufmerksamer im Chore sei«. Der Dechant und der Austeiler der Präsenzgelder verpflichten sich durch Eid, nur den Anwesenden die Präsenzen auszuteilen. Wer nicht am Chordienst teilnimmt, scheide bei der Zuteilung aus, auch wenn er in Geschäften für den Landesherrn unterwegs sei oder aus anderem Grund fehle; Präsenzgelder bekämen aber die Geistlichen, die in der Schloßkapelle vor den Mitgliedern des Grafenhauses Messe lesen, und die Kranken. Die Chorherren beten die kirchlichen Tagzeiten gemeinsam in der Kirche und singen beim täglichen feierlichen Gottesdienst. Dabei sollen die Kanoniker durch zwei Kooperatoren, welche gleichfalls Präsenzen beziehen, unterstützt werden. Alle haben den Pfarrer als Stiftsdechanten zum Vorsteher. Wenn Streitigkeiten über die Verteilung der Gelder entstehen, so entscheidet das Kapitel durch Mehrheit. Wer wegen einer solchen Entscheidung an den Bischof appellieren will, hat beim Dechant des Kapitels zehn rheinische Gulden zu hinterlegen, welche er wieder zurückerhält, wenn er Recht bekommt, aber zugunsten der übrigen verliert, wenn es sich herausstellt, daß er unnötig den Streit verlängerte. Das Kollegiatstift bezieht den Großzehnten von Steinhofen und den Filialen dieser Pfarrei Bisingen und Thanheim mit der Auflage, daß der jeweilige Dechant oder Vorsteher des Kapitels diesen Zehnten nicht veräußern darf. Das Patronat und Präsentationsrecht auf Steinhofen und alle von Bischof Friedrich errichteten Pfründen gehen auf den Bruder Graf Eitelfriedrich II. von Zollern über und bleibt bei seinen Erben, den Herren von Hechingen, welche die Schutzherren des Kollegiatstifts sind, unbeschadet der Rechte des Bischofs von Konstanz. Der Dechant und der Verwalter und Austeiler der Präsenzgelder leisten einen Eid, daß sie die übergebenen Gelder unverzüglich anlegen, niemanden, auch nicht dem Landesherren, davon leihen und zu keinen anderen Zwecken als zu Präsenzzahlungen verwenden. Hat das Kapitel Prozeßkosten, Steuern etc. zu bezahlen, so müssen diese Ausgaben von den Benefizien oder aus eigener Tasche bestritten wer- den. Der Dechant ist befugt, Strafen in Form des Entzugs der Präsenzgelder bis zu einem Monat zu verhängen. Mit Zustimmung des Kapitels kann er auch weiter gehen. Folgt das Stiftskapitel seinen Vorschlägen zur Disziplinierung nicht, so hat er die Hilfe des Ordinarius anzurufen. In dem Büchlein heißt es weiter, laut einer Bulle, ausgestellt in der Monatsmitte Mai des Jahres 1498, sei das Stift samt den Almuden von dem päpstlichen Legaten Raimundo abermals zugelassen worden. Dreher hingegen schreibt 14 , der päpstliche Legat Peraudi habe durch ein auf Bitten Bischof Friedrichs »ausgestelltes Breve d.d. Ulm 15. Mai 1498 dem Kapitel Pelzkapuzen zu tragen erlaubt, und zwar dem Dechanten cappam varii (= verschiedene Kapuzen), den Kanonikern asperiolas cappas (= rauhere, wohl: einfachere Kapuzen)«. Dies ist aber kein Widerspruch, denn wie die im Pfarrarchiv Hechingen lagernde Urkunde ausweist, hieß der volle Name des päpstlichen Legaten Raimundus Peyraudi. Die Besetzung des Stifts 1499 Das Stift wurde am 11. Oktober 1499 mit zwölf Personen besetzt und war für diese dotiert, und zwar einem Dekan, einem Pfarrer, acht Kaplänen und zwei Helfern. Dabei empfingen sie in aller Feierlichkeit ihre Almuden und legten sie an. Dekan des Stifts war Meister Michael Zimmermann, Pfarrer Meister Hans Vögelin 15 . Kapläne waren Meister Wilhelm Baldecker (Laurentiusaltar in St. Luzen), Heinrich Zimmermann (Elftausend Jungfrauen Altar), Martin Pflüger von Rosenfeld (Martinaltar), Baltes Nieferlin (Ottilienaltar in St. Luzen), Jörg Schwarz von Dillingen (Katherinenaltar in St. Luzen), Bernhard Rinz von Esslingen (Frühmesse), Konrad Herencüntz (Heiligkreuz), Jörg Trittwin (Altar unserer Frau). Die beiden Helfer sind nicht namentlich aufgeführt. Mit dem Titel »Meister« wurden die Geistlichen belegt, die einen Magistergrad an einer Universität erworben hatten. Aus der Auflistung folgt, daß der Pfarrer nicht in jedem Fall zugleich auch Dekan des Stifts war. Dies hing wohl in erster Linie damit zusammen, daß St. Luzen zunächst Pfarrkirche blieb, Stift und Pfarrei rechtlich noch voneinander getrennt waren. Die Statuten von 1499 nennen die Jungfrau Maria, den Apostel Jakobus und den Bekenner Luzius als Schutzheilige der Stadt, als Pfarrkirche eindeutig St. Luzen, die Kollegiatkirche Beatae Mariae Virginis eine Kapelle 16 . In dem Fundationsbrief von 1591, der im Pfarrarchiv Hechingen lagert, heißt es 17 : Die Pfarrei ist am Zinstag nach Pauli Bekehrung des Jahres 1536 mit all ihrer Nutzung, pfarrlicher Gerechtigkeit, den Zehnten und Neubrüchen - »nichts außgenommen« - dem Stift und den Chorherren übergeben und »incorporirt« worden. Dies geschah durch die Grafen Joachim, Christoph Friedrich, Jos Nikiaus und Karl zu Zollern mit Zustimmung des damaligen Stiftsdekans und Pfarrherrn Meister Hans Vögelin. Damals hätten die beiden Jüngsten im Stift für jährlich 10 Gulden den Helferstand (die Seelsorge der Pfarrei unter Leitung des Pfarrers) versehen sollen. Diese Übergabe habe sich aber nicht bewährt, weshalb Pfarrei und Stift später (wann?) wieder voneinander getrennt worden seien. Die Helfer waren danach wieder wie vordem vom Pfarrer zu halten. Die verpfründeten Priester des Stifts sollte der Pfarrer mit der Helferei nicht behelligen. Nur auf freiwilliger Basis könnten sie ihm beistehen. Kehren wir wieder zum Jahre 1499 zurück. 1499 hatte Bischof Friedrich von Augsburg mit seinem Vikar, Offizial und Insiegler (=sein Name ist mir nicht bekannt) und Dr. Johannes Geiler von Kaysersberg, dem berühmten Kanzelprediger von Straßburg und Freund Bischof Friedrichs 18 , die Statuten des Stifts entworfen. Hugo von Landenberg, Bischof von Konstanz, genehmigte sie am 12. Oktober 1499 1 '. 19 »Alle Chorherren des Stifts versprachen am 3. August 1501 Bischof Friedrich von Augsburg im Beisein von Graf Eitelfriedrich IL von Zollern in die Hand, die Statuten zu halten.« Verdienstvoll wäre es, wenn ein des spätmittelalterlichen Kirchenlateins Kundiger die Statuten des Kollegiatstifts vom 12. Oktober 1499, die J . A . Kraus 1951 mitgeteilt hat 20 , ins Deutsche übersetzte oder zumindest eine ausführliche Darstellung davon gäbe. Als Kanoniker oder Chorherren galten solche Kleriker, die als Mitglieder eines Dom- oder Stiftskapitels nach einer bestimmten Regel (canon = Richtschnur) in Gemeinschaft lebten. Es war eine Lebensform zwischen Mönchsorden und Säkularkleriker (oder Weltpriester). Die Kappe (lat. caputium) war dafür ein äußeres Zeichen. Nach einer noch weitgehend ungeregelten Anfangszeit darf das Hechinger Stift mit der Setzung von Statuten als reguliertes Kollegiatstift gelten 21 . Auseinandersetzung Auch ein Streit sollte in der Anfangszeit des Stifts nicht ausbleiben. Er entstand zwischen Pfarrer Hans Vögelin und seinen Helfern einerseits und Dekan Michael Zimmermann und dem ganzen (Stifts-)Kapitel andererseits darüber, ob die beiden Helfer Anteil am Weinzins aus einem 1513 in Hirschau gekauften Weingarten 22 haben sollten, wie dies der Pfarrer forderte. Die Auseinandersetzung entschied Graf Franz Wolfgang von Zollern (f 1517) mit seinen Räten unter Beiziehung des Pfarrers von Tübingen, Martin Blaisch, des Doktors der Theologie Caspar Vorstmeister und des Doktors beider Rechte, Heinrich Ninckelhoffer, zugunsten des Stifts: Die Helfer hätten keinen Anspruch und keine Forderungen an der Weinlandgarbe. Weiter erfahren wir, daß jeder Chorherr bei seinem Eintritt ins Stift zehn Gulden gebe. Wahrscheinlich sind damit die Annaten (= Erstfrüchte) gemeint, ein Teil des Jahreseinkommens, der dem Bischof bei der Besetzung einer Stelle zustand. Das Stiftskapitel konnte als Anstalt auch das Erbe antreten, »so ain chor her absturb«. Falls eine Pfründe durch den Tod eines Chorherrn vakant wurde, fiel die Nutzung bis zur Neubesetzung an das Stift. Alles, was nicht der Präsenz, sondern dem Stift zur Zeit gehöre oder künftig zufalle, solle dem Dekan, dem Pfarrer, den acht verpfründeten Chorherren und Kapitularen zustehen und unter diesen zehn Personen aufgeteilt werden. Die Helfer hätten - außer an den Präsenzgeldern - keinen Anteil daran. Falls sich Streitigkeiten zwischen den Parteien ergäben, so sollten sie es Graf Franz Wolfgang (oder dessen Erben) als Patron bzw. seinen Räten vortragen und deren Entscheidung anerkennen. Außerordentliche Ausgaben Aufgeführt sind auch die außerordentlichen Ausgaben seit Bestehen des Stifts: A. für Chorbücher - eine Antiphon (= Sammlung von liturgischen Wechselgesängen) in zwei Teilen für 100 Gulden; - ein Graduale (= Sammlung von Zwischengesängen, den Responsorien) in zwei Teilen für 40 Gulden; - um diese Bücher neu zu binden und Sequenz und Kyrie eleison hineinzuschreiben 4 Gulden 3 Schilling; - zwei Spezial einer Antiphon auf Pergament in vier Teilen für 80 Gulden; - ein Chorpsalter (= Psalmenbuch) auf Pergament für 56 Gulden 6 Schilling 6 Heller; - ein Psalter auf Pergament, welches 26 Pfund kostete, hat der Dekan aus dem Nachlaß des Kaplans Nikolaus Schelhammer zu Binsdorf dem Stift verschafft; dafür wird für ihn ein Jahrtag gehalten; 20 - ein Psalter auf Pergament, das die Schüler beim Singen verwenden, für 1 Gulden 1 Pfund 2 Schilling 3 Heller. (Bei den teuren Chorbüchern - meist auf Pergament - wird es sich um Handschriften gehandelt haben.) B. für Gebetbücher - sechs Gebetbücher (Druck auf Papier) für 24 Gulden 1 Schilling 3 Heller; - neun Meßbücher (Druck auf Papier) für 28 Gulden 2(?); - ein Direktorium (= Kirchenkalender, nach welchem das Brevier zu verrichten und die hl. Messe zu lesen ist) für 15 Schilling; - ein gedrucktes Obsequial (= Leichengesänge) für 1 Pfund 10 Heller; - ein Direktorium für 1 Pfund 10 Heller; - drei Psalter (Druck auf Papier). Bis zum Jahr 1515 waren für Bücher 366 Gulden 6 Schilling 9 Heller (in Goldwährung) ausgegeben worden. C. Der Bischof von Konstanz erhielt für die Genehmigung der Statuten und die Errichtung des Kollegiats 52 Gulden. Zwei Büchlein (sie sind nicht näher bezeichnet) im Wert von 36 Gulden 4 Schilling 5 Heller wurden dem Stift »als ain gots gab« am Weihnachtsfest des Jahres 1515 übergeben. Am Fest des hl. Michael des Jahres 1516 bekam das Stift zwei Zimbeln im Wert von 2 Pfund 2 Schilling 6 Heller. Drei Figuren: einen hl. Sebastian, eine hl. Ursula, eine hl. Agnes, die in Silber gefaßt und im Innern mit Reliquien ausgestattet waren, erhielt das Stift am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel des Jahres 1517. Wert: 11 Gulden 11 Schilling 8 Heller. Hauptaufgaben und Funktionen der Stiftsherren Hauptaufgabe der Stiftsherren war, die »Horas Canonicas« (= das Chorgebet) zu verrichten und die Amter zu singen. Graf Eitelfriedrich II. von Zollern schreibt in der Urkunde der Übergabe des Laienzehnten in Steinhofen, Bisingen und Thanheim, den Bischof Friedrich von Augsburg gekauft hatte, und des anderen Zehnten an das Stift am 5. November 1499: »So wollen wir, das fürohin in ewig Zeit von einem yeden kirchherrn, helffern vnnd bepfrönndten caplan zu Hechingen die siben Zeit gesungen oder psalliert werden sollen.« Die sieben Zeiten des Chorgebets führt er auch an: »Nemlich mettin, prim, tertz, sext, non, vesper vnnd complet« 23 . An Funktionen können wir in der Anfangszeit des Stifts unterscheiden: - den Dechant oder Dekan als Vorsteher des Chorherrenstifts, - den Pfarrherrn und dessen Helfer, - den Nokturnar und Diurnus als Leiter des Chorgebets und des Gottesdienstes, - den Präsentiar als Austeiler der Präsenzgelder, - den Prädikator (seit 1515) als Prediger, - die gewöhnlichen Chorherren. Schon frühzeitig müssen auch Singknaben zur Gestaltung der Gottesdienste miteinbezogen worden sein. Fortbestand gesichert Im Testament vom Jahre 1511 legte Eitelfriedrich II. von Zollern nieder: »Item ferrer, den Stift, so ich, mein bruder bischof Friderich vnd mein hausfraw zu Hechingen gemacht habend mit 12 priestern vnd ain dechant, der soll nach lut vnd inhalt der statuta in wirden vnd Ordnung beleiben nach inhalt der fundacion unverhindert aller meiner kinder vnd nachkummen« 2 4 . Die Vormünder 2 5 der Kinder des verstorbenen Grafen Franz Wolfgang von Zollern bestätigten am 9. Februar 1518 den Stiftungsbrief des Kollegiatstifts in der Marienkapelle zu Hechingen von 1499 sowie alle Rechte und Freiheiten des Stifts 26 . Über die weitere Geschichte des Kollegiatstifts geben folgende Veröffentlichungen Aufschluß: Josef Riegger, Geschichtliche Quellen der Grafschaft HohenzollernHechingen aus dem 16. und 17. Jahrhundert (Visitationsberichte über das Collegiatstift Hechingen und die Landpfarreien der Grafschaft Hohenzollern-Hechingen aus den Jahren 1592-1688). In: Heimatklänge 1, 1934, S. 53-63; Johann Adam Kraus, Kirchliche Pläne in Hechingen 1699. In: Hohenzollerische Heimat 5, 1955, S. 48; Ein Hechinger Stadtpfarrer in Pest-, Hungers- und Kriegsnot. In: Der Zoller Nr. 125 vom 2.6.1919, Nr. 126 vom 3. 6.1919, Nr. 127 vom 4. 6.1919, Nr. 130 vom 7.6.1919; Johann Adam Kraus, Aus den Visitationsakten des Kapitels Hechingen 1651-1709. In: Hohenzollerische Heimat 3, 1963, S. 40^12. Anmerkungen 1 Extract Fol: 208. Ausser dem Pfarrlichen Lagerbuech zue Hechingen so von Herren Conradt Vnverdorben geschriben worden, was der Pfarrherr von obgeschribnem der Pfarr einkhommen Järlich zue geben schuldig ist. - Lagerort: StAS, Dep. 39, H H 7 8 , Nr. 1415. 2 a) Das Chorstift zu Hechingen. Hohenzollernsches Wochenblatt 1858 Nr. 109. b) Willy Baur, Studien über das Hechinger Collegiatstift. Zollerheimat 1933, Nr. 2, S. 51-52. c) Unbekannte Klerikerstatuten. Mitgeteilt von Johann Adam Kraus. III. Statuten des Kollegiatstifts Hechingen 1499. Freiburger Diözesanarchiv, 1951, Nr. 71, S. 267-282. d) Johann Adam Kraus, Vom Collegiatstift Hechingen. Hohenzollerische Heimat 1954, Nr. 4, S.44. 3 Lagerort der Quelle: StAS, Dep. 39, D H 83,35. 4 Als Todestag auf Burg Hohenzollern gilt sonst der 17. Juni. 5 Hierauf hat schon Oberstaatsarchivrätin Dr. Maren Kuhn-Rehfus in dem Ausstellungsverzeichnis »Streifzüge durch die Geschichte Hechingens«, Staatsarchiv Sigmaringen, 1986, S. 43, Nr. 194, hingewiesen. 6 Siehe Theodor Dreher, Das Tagebuch über Friedrich von Hohenzollern, Bischof von Augsburg (1486-1505), in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Sigmaringen, XIX. Jahrgang 1885/86, S. 78. 7 Vgl. die Inschrift der Sandsteinplatte in der Wandnische am nördlichen Choraufgang der Hechinger Stiftskirche. 8 Vgl. Manfred Krebs, Die Investiturprotokolle der Diözese Konstanz aus dem 15. Jahrhundert, in: Beihefte zum Freiburger Diözesanarchiv Nr. 68, 1941, S. 360. 9 Copiar G, S. 157; Erzb. Archiv in Freiburg. Mitgeteilt von Johann Adam Kraus, in: Hohenzollerische Heimat Nr. 3, 1954, S.44, unter der Uberschrift »Vom Collegiatstift Hechingen«. 10 Siehe Johann Adam Kraus, Notizen aus Konstanzer Protokollen zur hohenzollerischen Pfarrgeschichte, in: Z H G , 2. Bd., 1966, S. 122, Nr. 158. 11 Siehe Krebs, wie Anm. 8, S. 360. 12 Wie Anm. 2c, S.272. 13 Das Tagebuch über Friedrich von Hohenzollern, Bischof von Augsburg (1486-1505), historisch erläutert und zum Lebensbild erweitert von Dr. Theodor Dreher, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Sigmaringen, XIX. Jahrgang 1885/86, S.86f. 14 Wie Anm. 13, S. 87. 15 Letzterer stammte aus Stetten bei Hechingen. Er war am 11. Dezember 1492 laut eines Manumissionsbriefes (Lagerort: StAS, Dep. 39, D H 1 0 3 , 546) von Graf Eitelfriedrich II. von Zollern aus der Leibeigenschaft entlassen worden, um Geistlicher werden zu können. 16 Vgl. die Stiftungsurkunde vom 7. Januar 1495 im Pfarrarchiv Hechingen. 17 Beigefügtes Blatt zu fol. 41. 18 Siehe Karl Stemel, Geiler von Kaysersberg und Friedrich von Zollern. Ein Beitrag zur Geschichte des Straßburger Domkapitels am Ausgang des 15.Jahrhunderts. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins. Karlsruhe, 1926, Band 79, S. 61-113. 19 Dreher (wie Anm. 14) schreibt, daß Bischof Hugo mit den zu hinterlegenden lOfl. in §8, sowie mit dem ganzen §10 nicht einverstanden war und diesen Bestimmungen ausdrücklich seine Bestätigung versagte; in dem §10 sei dem Dechanten ein Recht eingeräumt, das der Ordinarius selbst zu üben habe. - Dreher bezieht sich dabei auf die Stiftungsurkunde vom 7. Januar 1495, während es sich bei den Statuten doch um eine eigene Quelle handelt. 20 Siehe Anm. 2c. 21 Vgl. Carl Andresen und Georg Denzler, dtv Wörterbuch der Kirchengeschichte. München, 1984, S. 297f. 22 Siehe Kaufbrief der Landgarbe oder Weingült zu Hirschau für das Kollegiatstift zu Hechingen vom 10. Januar 1513 und Vertrag zwischen dem Kollegiatstift und dem Pfarrer zu Hechingen über den Bezug der Landgarbe oder Weingült zu Hirschau vom 11. November 1513. - Lagerort: StAS, Dep. 39, D H 7 8 , 122 und 123. 23 StAS, Dep. 39, D H 7 8 , 118. 24 Sebastian Locher, Nachrichten über den Grafen Eitelfriedrich II. von Hohenzollern. 1452-1512. In: Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde in Hohenzollern. Sigmaringen, XXI. Jahrgang 1887/88, S. 107. 25 Markgraf Ernst von Baden und Graf Eitelfriedrich II. von Zollern. 26 StAS, Dep. 39, D H 78, 126. - Vgl. Kuhn-Rehfus im Ausstellungsverzeichnis »Streifzüge durch die Geschichte Hechingens«, Staatsarchiv Sigmaringen, 1986, S. 43, Nr. 195. KARL W E R N E R STEIM Wilhelm Baeumer erstellte den Erkerbau in Bad Imnau Der Stuttgarter Architekt Wilhelm Baeumer hat 1868 für das Bad Imnau den Kursaal im »italienischen Renaissancestil« errichtet. Nicht bekannt war, daß auch der zwei Jahre später fertiggestellte und besonders prunkvoll eingerichtete sogenannte Erkerbau ebenfalls nach seinen Plänen erbaut wurde. Belege dafür finden sich in verschiedenen Zeitungsberichten des Jahres 1870. Den Erkerbau, ein über leicht rechteckigem Grundriß errichteter dreigeschossiger Putzbau, deckt ein Walmdach. Straßenseitig springen zwei über Eck gesetzte zweigeschossige Erker vor. Sohlbankgesimse gliedern den Bau horizontal. Fenster - im Erdgeschoß und ersten Obergeschoß mit stichbogenförmigem, im zweiten Obergeschoß mit waagrechtem Sturz - und die Erker rahmen profilierte, an den Erkern zusätzlich ornamentierte Haussteingewände. Der Hauptzugang war offensichtlich an der Seite, wo ein kleiner hölzerner Vorbau mit Kupferbedeckung sichtbar wird. Das hier befindliche Treppenhaus wird durch gekuppelte Fenster erhellt. In seiner klaren architektonischen Formensprache werden noch die Einflüsse des ausklingenden Klassizismus spürbar, obwohl der Bau insgesamt bereits stilistisch der Neurenaissance verpflichtet ist (Hannmann). Der Kursaal in Bad Imnau, als »Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung« eingestuft, wird derzeit grundlegend renoviert. Wie der Tübinger Denkmalpfleger Dr. Eckart Hannmann geschrieben hat, ist der Kursaal »eines der wenigen und für unser Gebiet frühesten Zeugnisse der Neurenaissance« ... »Darüber hinaus ist der Imnauer Bau eines der wenigen Kurgebäude des 19. Jahrhunderts, die diese Neurenaissancerichtung der Architektur verkörpern« Der »Kur- und Konversationssaal«, wie ihn sein stolzer Besitzer, Badeigentümer Max Frey 2 , 1868 in einer Zeitungsanzeige vorstellte 3 , wurde gleichsam zum Magneten des immer mehr aufstrebenden Bades. Feierliche Eröffnung war am Sonntag, 21. Juni 1868, mit einem Festball, abends wurden der Saal und der Kurplatz beleuchtet 4 . Schon damals waren die Unterkunftsmöglichkeiten in Imnau knapp, wie aus einem Zeitungsbericht 5 hervorgeht: »Vor 21 einigen Tagen hat Herr Frey einen wirklich großartigen, im edelsten Style erbauten Kursaal eröffnet. Nichts desto weniger glauben wir, daß mit diesen Einrichtungen nur der Anfang von dem geschehen ist, was geschehen muß, wenn unsere Prophezeihung in Betreff der Zukunft Imnaus in Erfüllung gehen, und wenn die Frequenz des Bades, welche in den letzten Jahren auf das Zehnfache gestiegen ist, in derselben Weise weiter zunehmen soll. Freilich ist es durch den Bau des neuen Kursaales möglich geworden, eine Anzahl neuer Logirzimmer einzurichten; aber wenn schon in der letzten und vorletzten Saison ein Theil der Badegäste, weil sie in Imnau kein Unterkommen fanden, genöthiget war, nach dem benachbarten Mühringen überzusiedeln, so wird die Wohnungsnoth noch viel größer werden, wenn sich unter dem Publikum und besonders unter den Aerzten die Kenntniß von der Wirksamkeit der Imnauer Quellen und von der Vortrefflichkeit der dortigen Einrichtungen weiter verbreitet. Wir halten die Erbauung eines großen Logirhauses in Imnau für ein dringendes Desiderium und hoffen, daß die preußischen Behörden recht bald nach dem Beispiele des benachbarten Württemberg, in welchem derartige Anstalten von der Regierung mit der größten Munifizenz unterstützt werden, Herrn Frey in die Lage versetzen werden, auf dem von ihm mit großer Umsicht und vielem Geschick betretenen Wege noch schneller, als bisher, vorzuschreiten. Sind in Imnau erst die Räume vorhanden, um eine ähnliche Zahl von Kurgästen aufzunehmen, wie an den mit Kranken überschwemmten Eisenbädern, denen Imnau mindestens gleich steht, und Der »Erkerbau« in Bad Imnau wurde 1870 - wie schon zuvor der Kursaal - nach Plänen des bekannten Stuttgarter Architekten Wilhelm Baeumer erstellt. 1872 schrieb Frey über den neuen Erkerbau: 8 »Die so äußerst glücklichen Heilerfolge der Quellen Imnau's haben auch im vorigen Jahre den Zufluß der Fremden derart gesteigert, daß einem großen Theile der Anforderungen kaum entsprochen werden konnte. U m den gerechten Ansprüchen an den CurO r t möglichst Rechnung zu tragen, habe ich nun neuerdings 40 Zimmer weiter erbaut und auf das comfortabelste eingerichtet. Es ist dadurch die Zahl der Curgäste, die, ohne die Privat-Wohnungen gerechnet, in den Cur-Gebäuden aufgenommen werden können, bis über dreihundert gestiegen.« Als im Jahre 1873 tatsächlich höchster Besuch nach Imnau kam, wurde er am Erkerbau empfangen: 9 »Gestern Abend nach 8 Uhr kamen Ihre Hoheiten der Fürst und die Fürstin von Rumänien mit der kleinen Prinzessin Marie zu mehrwöchentlichem Aufenthalte hier an. Zwei Ehrenpforten, geziert mit den rumänisch-wied'schen und hohenzollern'schen Wappen und mit Fahnen von gleichen Farben, waren am Einund Ausgang des Badetablissements errichtet. Am Portale des Erkerbaues, woselbst sich die Vertreter der Gemeinde, die Schuljugend mit ihren Lehrern, die Soldaten, welche den letzten Feldzug mitgemacht, und Jungfrauen in der alten Ortstracht aufgestellt hatten, wurden die hohen Herrschaften vom Ortspfarrer mit einer kurzen Ansprache begrüßt...« (kindergsnasun^ieii lassen es sich die Herrn Badeärzte angelegen sein, über die in Imnau erzielten, in der That ausgezeichneten Heil-Erfolge regelmäßig in allgemein verbreiteten medicinischen Zeitschriften zu berichten, so wird der liebliche Kurort sich noch schneller als bisher emporschwingen und bald den renommirtesten Eisenbädern Konkurrenz machen.« Über die Erbauung des sogenannten Erkerbaus nach Plänen des Architekten Wilhelm Baeumer findet sich in den »Hohenz. Blättern« 6 1870 folgende Notiz, die dem »Schwäb. Merkur« entnommen war: »... Ungemein ansprechend präsentirt sich ferner das nach einer Zeichnung von Professor Bäumer äußerst geschmackvoll aufgeführte neue Logirhaus«. Und Badeigentümer Max Frey schrieb selbst in einer Anzeige, die im Mai 1870 erschien: 7 »Der so äußerst rasch gestiegene Zufluß von Kurgästen zu den so rühmlichst anerkannten, von glücklichsten Heilerfolgen gekrönten Quellen Imnaus hat mich auf's Neue veranlaßt, mein Etablissement zu vergrößern, und habe ich diesem zufolge ein weiteres neues Logir22 haus nach Zeichnung des Herrn Professor Bäumer in Stuttgart erbaut, das mich durch seine elegante Einrichtung befähigt, den Anforderungen höchster Herrschaften Genüge zu tragen.« Wer war nun jener damals berühmte Architekt Wilhelm Baeumer? 10 Er wurde 1829 in Ravensburg geboren und starb 1895 in Straßburg. Ausgebildet wurde er am Polytechnikum in Stuttgart und an der Ecole des Beaux-Arts in Paris. Mit knapp 30 Jahren folgte er einem Ruf an das Stuttgarter Polytechnikum. 1870 siedelte er nach Wien über, wo er den Bahnhof fertigstellte, und kehrte 1874 nach Stuttgart zurück. Später ging Baeumer als Vorstand an die Baugewerbeschule nach Karlsruhe, gründete dann eine Kunstgewerbeschule in Bad Freiersbach, siedelte 1884 nach Straßburg über, wo er als Architekt und Privatdozent an der dortigen Universität bis zu seinem Tode wirkte. Dieser bedeutende Architekt des 19. Jahrhunderts hatte sich vor allem dem Renaissancestil verschrieben. Seine Werke in Bad Imnau erinnern an ihn. Welche weitere Verwendung hatte nun der Erkerbau? 11 Als die ersten Kreuzschwestern 1908 in Bad Imnau eintrafen, fanden sie den Erkerbau in verwahrlostem Zustand vor. 1915 wurde darin ein Lazarett eingerichtet, 1917 ging das ganze Anwesen der einstigen Badeanstalt samt Erkerbau in den Besitz der Kreuzschwestem des Provinzhauses in Hegne am Bodensee über. 1918 wurde der Erkerbau renoviert und im folgenden Jahr als Kinderheim eingerichtet. 1925 nahm man eine gründliche Renovierung vor, übrig blieben nur noch die Außenmauern. 1939 bis 1945 diente der Bau wiederum als Lazarett. 1962-1964 erfolgte ein Erweiterungsbau und Neubau des Kinderheimes, das schließlich 1976 geschlossen wurde. Im Jahr danach wurde der Erkerbau als Wohnheim für betagte Schwestern umgebaut. 2 3 4 5 6 7 8 Anmerkungen 1 Eckart Hannmann: Der Kursaal von Bad Imnau. Ein Werk des Architekten Wilhelm Baeumer. In: Hohenz. Heimat Nr. 3 (1981), S. 33-35 und »Denkmalpflege in Baden-Württemberg«, Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes, Nr. 3, 1981 9 10 11 Max Frey stammte aus Hausen vor Wald. Er heiratete am 8.1.1852 Elisabetha geb. Gilly aus Hüfingen. Bis 1862 betrieben die Eheleute in Hüfingen ein Geschäft mit Wirtschaft und Kaufladen. Dann erwarb Frey die stark heruntergekommene Badeanstalt Imnau, die er zu großer Blüte emporführte. 1888 mußte er das Bad aber an eine Aktiengesellschaft abgeben Hohenz. Blätter Nr. 113 vom 17. 5. 1868 Hohenz. Blätter Nr. 139 vom 20. 6. 1868 Hohenz. Blätter Nr. 156 vom 11. 7. 1868 Hohenz. Blätter Nr. 96 vom 30. 4. 1870 Hohenz. Blätter Nr. 112 vom 19. 5. 1870 Hohenz. Blätter Nr. 69 vom 9. 5. 1872 Der Zoller Nr. 81 vom 12. 7. 1873 S. Anm. 1 Nachstehendes entnommen dem Schreiben des Stahlbads Imnau, Sanatorium und Homöopathische Kurklinik, an den Verfasser vom 23. 10. 1986 BOTHO WALLDORF Sonderzüge der Hohenzollerischen Landesbahn im Spiegel der Zeitgeschichte In den Akten der Hohenzollerischen Landesbahn haben sich Fahrpläne und Aufzeichnungen erhalten, die eine Rekonstruktion der in den Jahren 1939 bis 1952 eingesetzten Sonderzüge erlauben. Im Hochsommer 1939 verkehrt alles noch friedensmäßig, zum Beispiel: Sonderzüge für das Irma-West-Kinderfest in Hechingen am 23. Juli 1939. Zur Bewältigung des Verkehrs wird u.a. die damals stärkste Landesbahndampflok, die N r . 14 eingesetzt. (Erbaut 1914, 1937 von der Landesbahn erworben, verschrottet 1958). Die Triebwagenzüge werden durch einen Anhänger verstärkt. Die Züge von Haigerloch nach Hechingen und umgekehrt werden durch 2 zweiachsige und einen vierachsigen Personenwagen verstärkt. Das sind 230 Plätze. Benutzt wird auch der Wagen N r . 27, ein uralter ehemaliger württembergischer Personenwagen, der zu dem damaligen Zeitpunkt schon 8o Jahre in Betrieb war. Am Zuge finden wir Lok 21, die 1914 fabrikneu von der Hohenzollerischen Landesbahn (HzL) erworben und 1962 verschrottet wurde. Von Gammertingen nach Hechingen werden die Züge folgendermaßen erweitert: um 4 Vierachser (erwähnt werden neben den heute im Museumszug laufenden Wagen N r . 21 und 22 und die ehem. preußischen Wagen N r . 29 und 28, Bauart Langenschwalbach, letzterer endete 1970 in Hermannsdorf als Wohnwagen). Mit dabei waren noch vier Zweiachser (C-Wagen, erbaut 1899 bei Beuchelt in Grünberg in Schlesien). Planmäßig bestand der Zug aus einem C C P P O S T (vereinigter Personen-, Post- und Gepäckwagen) und einem C C (vierachsiger Personenwagen). So sah der Standard-Personenzug bei der Landesbahn während der reinen Dampflokzeit (1900-1934) aus. Mit 32 Achsen, 207 t Zuggewicht und 456 Sitzplätzen dampfte also Lok 14 bei fast voller Belastung über die Steigung der Fehlahöhe bei Gammertingen zum Kinderfest nach Hechingen. Auf der Rückfahrt wurden sogar 500 Sitzplätze angeboten, da einer der damals hochmodernen Triebwagen am Schlüsse des Zuges ohne Kraftabgabe mitlief. Am folgenden Wochenende, dem 30. Juli 1939, fand der Landesfeuerwehrtag in Burladingen statt. Von Bad Imnau, Sigmaringendorf, Sigmaringen und Trochtelfingen, also fast ihrem gesamten Streckennetz bringt die H z L die Besuchermassen. Zur Verkehrsbewältigung setzt die Hzl folgende Lokomotiven ein: In Haigerloch Lok21, in Gammertingen Lok 22 (Baujahr 1911) und Lok 142 (Baujahr 1902). Übrigens besaß die H z L Dampfloks aus Preußen, Baden und Württemberg, also aus sämtlichen Anrainerstaaten. Auch das schönste und bequemste Fahrzeug der HzL, der Triebwagen T 3 (später in VT 3 Verbrennungstriebwagen umbezeichnet) war mit von der Partie. Er wurde 1936 erbaut und endete durch Totalschaden 1986 im Harter Wald. Es erging Anordnung, daß Bahnhof Gammertingen die Packwagen PPOST Nr. 71 und andere mit Bänken ausrüste. An diesem Tage waren also sämtliche HzL-Personenwagen im Einsatz. Welches Erlebnis wäre es für einen Eisenbahnfreund heute, in einem mit Bänken versehenen Packwagen und einem gedeckten Güterwagen und Lok 142 abends von Gammertingen nach Trochtelfingen zu fahren. Am gleichen Tage wird auch noch eine >Gefolgschaft< von Mägerkingen nach Kleinengstingen befördert in einem zweiachsigen Triebwagen (VT 1 oder 2, erbaut 1934, die >alten Dessauer«, verschrottet um 1975). Im Zweiten Weltkrieg Inzwischen hat der Zweite Weltkrieg begonnen. Anläßlich einer Theatervorstellung in Burladingen verkehren am 16.12.1939 folgende Sonderzüge: Gammertingen ab 19.20 Uhr, an Burladingen 19.50 Uhr und Burladingen ab 22.45 Uhr nach Schlatt 23.08 Uhr. Bei einem solchen Zugangebot fiel die H z L zu benutzen nicht schwer. Eingesetzt wurde Lok N r . 7 mit den beiden Wagen Nr. 22 und 28. Das muß urkomisch ausgesehen haben. Lok 7 wurde 1899 erbaut und war eine der beiden >c<-Maschinen, die im steigungsreichen Killertal anfangs Dienst taten. Sie wurde 1951 verschrottet. Am 16. Oktober 1940 bereist der >Reichsbevollmächtigte für Bahnaufsicht< die HzL. Die Bahn stellt hierzu, wie immer, einen zweiachsigen Triebwagen. Am 14. Dezember 1940 fährt der vierachsige Triebwagen T 3 Sonderzüge bis Veringenstadt anläßlich einer Betriebsfeier der M U N A (Munitionsanstalt) Haid. Wegen einer Hochzeit in Hausen-Starzeln verkehrt ein Sondertriebwagen in Einmannbedienung von Gammertingen nach Trochtelfingen (3. Mai 1941). Am Montag, den 28. 7.1941 verkehren zwei Sonderzüge betr. Beförderung von Verwundeten von Eyach nach Bad Imnau. Am 7. August 1941 werden Verwundete in planmäßigen Zügen von Eyach nach Bad Imnau gebracht. Am 6. September 1941 wird ein Wehrmachtstransport, bestehend aus 6 Reichsbahn-Personenwagen und 4 Güterwagen von Haidkapelle nach Sigmaringendorf durch Lok 14 ausgeführt. Am Samstag, den 20. Dezember 1941 verkehrt ein Sonderzug anläßlich der Weihnachtsfeier der M U N A Haid (VT 3). Weitere Unterlagen finden sich erst wieder unter dem 8. Mai 1944, als 570 Mütter mit Kindern und Begleitern transportiert werden sollen. Unter diesem Datum und am 10. Juni 1944 (676 Mütter und Kinder) und am 25. Juli 1944 werden von der 23 Reichsleitung der NSV (Nationalsozialistische Volkswohlfahrt) in Berlin Sonderzüge angefordert, die den Namen >Mutter und Kind< tragen. Es handelte sich um Evakuierungen aus dem Ruhrgebiet. Abfahrt Oberhausen 18.27 Uhr, in Gammertingen andertags gegen 14 Uhr. Eingesetzt wird Lok 15, von Gammertingen bis zur Fehlahöhe wird von Lok 21 nachgeschoben. Lok 15 ist die damals modernste Landesbahndampflok, erbaut 1940, verschrottet 1965. Es steigen aus: 25 Personen für Neufra, 52 für Gammertingen, 40 für Trochtelfingen, 20 für Hettingen, 25 für Veringenstadt, 20 für Veringendorf, 28 für Bingen (Hohenz.), Straßberg-Winterlingen25, in Storzingen7, in Oberschmeien 13, in Sigmaringen 58, in Krauchenwies 76, in Menningen-Leitishofen45, Schwackenreute 37, Ach-Linz 37 und nach Ostrach 56 Personen. Das sind die letzten vermerkten Sonderzüge im Dritten Reich. Die Evakuierten erleben das Kriegsende in den genannten Orten. Bereits am 9. September 1944 beginnt der erste der acht Luftangriffe auf die Landesbahn, welche das Tagebuch der Betriebswerkstätte Gammertingen vermerkt. Am 21. April 1945 verkehren Lok 21, Lok 12 und der Triebwagen T2 zum letzten Mal. Unter dem 22. April 1945 vermerkt Werkstättenvorsteher Fritz Däche (Amtszeit 1934-1956, f 1967): »Der Betrieb wurde am 21.4.1945 abends eingestellt. Beginn der Aufräumungsarbeiten in der Werkstätte und an den gesprengten Brücken am 8.5.1945. Wiederaufnahme der Reparaturarbeiten an Lokomotiven und Wagen in der Werkstätte am 11. 6.1945. Zugverkehr ruht auch weiterhin!« eine Streckenbereisung durch den Aufsichtsrat statt. Die Direktion weist darauf hin, daß das Gras an den Bahnböschungen und im Werkhof in Gammertingen gemäht und von den Betriebsanlagen ein in jeder Hinsicht guter Eindruck hervorgerufen werden muß. Bei allen Zügen wird Gammertingen H P (Haltepunkt an der Neuen Straße beim »Löwen«) erwähnt und zur Unterscheidung Gammertingen Bf. Wegen der vier gesprengten Brükken ist ein durchgehender Zugverkehr nicht möglich. Die große Lauchertbrücke bei Gammertingen wird erst am S.Dezember 1947 wieder eingeweiht. Der erste bescheidene Sonderzug, dessen Anlaß nicht mehr feststellbar ist, verkehrt am 18. August 1946 von Bingen nach Gammertingen. Am 29. September 1946 wird ein Sonderzug von Jungnau nach Gammertingen anläßlich einer kirchlichen Feier (wahrscheinlich Männertag) durchgeführt. Kirchliche Feiern, Wallfahrten, Sportfeste und kulturelle Veranstaltungen (z.B. die Freilichtbühne auf der Ruine Hornstein) und später Ausflugsfahrten an den Bodensee und in die Schweiz sollten den sich in den Jahren 1946 bis 1952 steigernden Sonderzugverkehr bestimmen. Das waren die Ereignisse, welche den Menschen nach den Entbehrungen der Kriegszeit Erfüllung bedeuteten. Am Sonntag, 8. Dezember 1946, wird in Hechingen das Oratorium >Der Messias< aufgeführt. Die Besucher aus Richtung Gammertingen und von Bad Imnau fahren in verstärkten Planzügen, die anstelle von Triebwagen mit den Dampf- Lok 14, für die Badische Staatsbahn 1914 erbaut, 1937 von der Hohenzollerischen Landesbahn erworben, 1958 als erste Dampflok der Landesbahn verschrottet. Foto Deutsches Lokomotivbildarchiv Wuppertal Neubeginn nach dem Krieg »Erster (bahninterner) Arbeitszug fährt am 5. 7.1945.« Weil es auf der Rückseite beschrieben wurde, ist uns ein Fahrplandokument der H z L vom 17. Dezember 1945 erhalten geblieben. Es sagt folgendes aus: Die Omnibusse und die Eisenbahnen verkehren nur an Werktagen. Besondere Bestimmungen: Kinder zahlen im Omnibus den vollen Fahrpreis. Ein Anspruch auf Beförderung besteht nicht. Eine Gewähr für die planmäßige Ausführung der Fahrten wird nicht übernommen. Zwischen Bad Imnau und Hechingen finden täglich drei Busfahrten statt. Von Haigerloch nach Hechingen verkehrt einmal täglich das Zugpaar Nr. 305/306. (Die Zug-Nr. 305 ist noch heute belegt.) Zwischen Hechingen und Gammertingen findet nur Busverkehr statt, und zwar pendeln fünf Buspaare. Zwischen Gammertingen und Sigmaringen werden täglich drei Triebwagenpaare gefahren. Im März 1946 bereisen französische Offiziere mit dem zweiachsigen Triebwagen die HzL. Am 17. Juli 1946 findet 24 lokomotiven Gölsdorf 12 (erbaut 1911) und Lok 141 (ELNA) bespannt werden. Die eingeteilten zweiachsigen Triebwagen laufen jedoch am Schluß der Züge ohne Kraftabgabe mit. Zur Heimfahrt der Besucher werden ab Hechingen in beide Richtungen Sonderzüge eingesetzt. Auf Anordnung des Gouvernements des Kreises Hechingen wird am Montag, 30. Dezember 1946, für die schulpflichtigen Kinder vom gesamten Kreis in Hechingen eine Weihnachtsfeier abgehalten. Aus Richtung Haigerloch sind 108 Personen und aus Richtung Burladingen 70 Personen gemeldet. Zum Einsatz kommen Lok 12 und Lok 141 mit zwei bzw. drei Personenwagen nebst Packwagen. Im Jahre 1947 werden 26 Sonderzüge ausgeführt; davon betreffen sieben Züge Sportwettkämpfe in Stetten bei Haigerloch, Burladingen, Hechingen und Sigmaringen. Zehn Züge dienen kirchlichen Zwecken, davon allein vier Sonderzüge für Wallfahrtsveranstaltungen in Jungingen, die an allen vier Mai-Wochenenden verkehren. Die Pilgerzüge bestehen aus sechs Personenwagen in beide Richtungen. . So groß war der Andrang in diesem Marienmonat. Am 20. 7.1947 und 27. 7.1947 werden Sonderzüge mit dem vierachsigen VT 3 zu den Freilichtspielen auf der Ruine Hornstein erstmalig erwähnt. Für die Sonderzüge von Sigmaringen nach Burladingen und zurück anläßlich einer Sportveranstaltung am Ostermontag, 7. April 1947, wird je eine Viertelstunde Übergangszeit von Gammertingen Bahnhof nach Gammertingen Haltepunkt gerechnet. Der Sonderzugfahrplan für Sonntag, 22. Juni 1947, für Züge zwischen Sigmaringen und Haigerloch trägt den Vermerk >Nicht ausgeführt, weil Kommandant Funel abgelehnte - Man sieht also den Einfluß der Besatzungsmacht. Der Grund der Ablehnung ist nicht mehr ersichtlich. Am Sonntag, 27.6.1947, ist ein französischer Militärtransport von Kleinengstingen nach Sigmaringen zu befördern. Der Zug umfaßt 50 Achsen und hat ein Gesamtgewicht von 350-4001. Eingesetzt werden Lok 141 + 12. den planmäßigen Sonntagszug um einen Packwagen, zwei Vierachser und vier Zweiachser. So viele wollten damals mit. Am 4. Oktober 1947 wird in Hechingen das Oratorium >Die vier Jahreszeiten< aufgeführt. Wieder bietet die Landesbahn nach Beendigung der Veranstaltung Sonderzüge in beide Richtungen an. Zu den Einweihungsfeierlichkeiten der Lauchertbrücke in Gammertingen am 5. Dezember 1947 verkehren die zweiachsigen Triebwagen VT 1 und VT 2 bis Tübingen. Ein Novum dabei: Damit die Züge ohne Halt bis Gammertingen durchgeführt werden können, werden sämtliche Unterwegsbahnhöfe mit Fahrdienstleitern besetzt, die alle die vorgeschriebene rote Mütze zu tragen haben. Als einer dieser Fahrdienstleiter wird der langjährige spätere Betriebskontrolleur, Xaver Kleiner, erwähnt. Er stand 48 Jahre im Dienste der Landesbahn (I >is 1983). Im Zeitalter des Funkverkehrs ist ein solcher Wiederaufbau der zerstörten Landesbahnbrücken bei Gammertingen 1946. Fotos Georg Mühlbacher + » .v Anläßlich einer Theateraufführung in Hechingen am 16. Juli 1947 werden Sonderzüge von Hechingen nach Haigerloch und Gammertingen um OUhr angeboten. Bei einem solchen Zugangebot konnte man tatsächlich die Landesbahn zum Besuch von Veranstaltungen nutzen. Wegen eines Fußballspiels in Burladingen am 10. August 1947 verstärkt Lok21 Personalaufwand nicht mehr denkbar. Aus der in Französisch gehaltenen Eröffnungsrede: »On examinait la question de remplacer les anciens arches par la forme la plus belle et plus estétique des piles graciles d'un pont de fer. Malheureusement on ne réuissait pas parce que il était impossible de trouver ces grands ponts de fer.« (»Es wurde die Möglichkeit 25 geprüft, die alten Brückenbögen durch eine schönere und ästhetischere Form zu ersetzen, durch die schlanken Pfeiler einer Eisenbrücke. Unglücklicherweise ist dies nicht gelungen, denn es war unmöglich, eiserne Brücken in dieser Größe zu finden.« Es ist übrigens fraglich, ob eine eiserne Brücke tatsächlich schöner wäre. Immerhin hat sich die damalige Betonkonstruktion bis heute bewährt. Ubersetzung und Anmerkung der Schriftleitung.) Auffallend gering ist die Zahl der Sonderzüge im Jahre 1948. Anlässe sind ein Sängerfest in Hechingen (5.9.1948), SonderFremdenveranstaltung des Hohenzollerischen Landestheaters in Sigmaringen, Musikfest in Hausen (26.9.1948), Aufführung von Passionsspielen in Hechingen und wieder die Weihnachtsfeier für bedürftige Kinder des Kreises Hechingen (30.12.1948). Am 4. bis 5. 6.1949 läuft ein Sonderzug von Gammertingen nach Sigmaringen anläßlich eines dort gastierenden Circus. Zum St.-Anna-Fest in Haigerloch am 31. Juli 1949 werden planmäßige Züge verstärkt, die dann so aussehen: Vierachsiger Triebwagen plus zweiachsiger Triebwagen und drei Anhänger. Darin ist fast alles vereinigt, was die Landesbahn damals an Triebwagen besaß. Am Abend nach dem Schlußgottesdienst zu Ehren der hl. Mutter Anna werden in Richtung Eyach und Hechingen Sonderzüge eingesetzt, die aus vier vierachsigen Personenwagen bestehen. Ein Zeichen, daß es wieder aufwärts geht, sind die jetzt durchgeführten Betriebsausflüge, etwa die Hohenzollerische Landesbank am 7. August 1949 nach Kleinengstingen oder die Betriebsfeier der Firma Gebrüder Mayer in Burladingen am 26. und 27. November 1949. Am 8. Oktober 1949 findet ein Feuerwerk in Haigerloch anläßlich des landwirtschaftlichen Festes statt. Die H z L bringt die Besucher in Sonderzügen zu diesem einmaligen Ereignis. Am 1. und 2. April 1950 verkehren Sonderzüge anläßlich des 50jährigen Betriebsjubiläums der Landesbahn in Gammertingen. Auf dieses interessante Jubiläum kann in diesem Zusammenhang leider nicht eingegangen werden. Zum Blutfreitag nach Weingarten am 19. 5.1950 startet der vierachsige Triebwagen mit zwei Anhängern bereits um 2.05 Uhr in der Betriebswerkstätte Gammertingen. Um 3.54 Uhr ist Abfahrt in Bad Imnau. Weingarten ist 8.10 Uhr erreicht, wo um 16.05 Uhr wieder aufgebrochen wird. Für Pfingsten 1950 wird vorgesehen, zahlreiche Züge durch einen oder zwei Personenwagen zu verstärken. Ein Sonderzug soll von Bad Imnau nach Gammertingen laufen, ein weiterer Sonderzug von Sigmaringen nach Lichtenstein. Zu den 32 Sonderzügen im Jahre 1950 gehören die drei Fahrten Mühringen ab 4.30 Uhr, Konstanz an 9.36 Uhr, mit dem vierachsigen Triebwagen VT3, dem Zweiachser VT2 und drei Anhängern. Eine wahrhaft elegante Kombination, als man bei der Bundesbahn noch nichts anderes als rußige Dampfzüge kannte. Der längste Landesbahn-Sonderzug wird für den Betriebsausflug der Firma Gebrüder Mayer, Burladingen, nach Heidelberg zusammengestellt. Die Landesbahn bringt die Betriebsangehörigen bis Hechingen am 26.-27. August 1950. Der Sonderzug besteht aus 38 Achsen = 596 Sitzplätze. Pilgerzüge Hohenzollerische Pilgerzüge sind seit 1926 nachweisbar; sie führten u. a. nach Maria-Einsiedeln. Aus den Begleitpapieren für den 5. Hohenzollerischen Pilgerzug vom 18.-22. Mai 1928, die zufälligerweise bei der langjährigen Mesnerin Paula Sauter (geb. 1905) in Gammertingen erhalten blieben: »Wenn wir in Einsiedeln aussteigen, stellen wir uns schnellstens am 26 Bahnhof zu vieren auf in Prozession. Die Männer zuerst! An der Spitze die Hochwürdigen Herren Geistlichen! Nach den Männern die Frauen! Alle gehen in schönster Ordnung, zuerst das Vater unser betend, dann das Lied singend b e g r ü ßet seist Du Königin< unter dem Geläut der Glocken, mit Kreuz und Fahne zur Kirche und Gnadenkapelle. Dortselbst hält der Pilgerführer eine Ansprache und gibt den hl. Segen. ... Das sogenannte Vespern und Trinken kommt auch sehr teuer und man hat erst nichts rechtes.... Ein Zusammenschlafen im selben Bett, wie früher, kann nicht gestattet werden, da zu unserer Zeit genug Platz in Einsiedeln ist. ...« Die Pilgerfahrten wurden bis 1934 von dem damaligen Junginger Prälaten Benno Kramer geleitet. Ihr Fahrziel war damals ausschließlich Maria Einsiedeln in der Schweiz. Kramer verstarb 1949, und ihm wurde die erste hohenzollerische Pilgerfahne mit ins Grab gegeben. Seit 1953 bis heute stehen die hohenzollerischen Pilgerzüge unter Leitung von Dekan Wessner In Jungingen. Zu diesem Zeitpunkt stiftete Fürst Friedrich von Hohenzollern die zweite hohenzollerische Pilgerfahne. Neben der Fahne des Turngaus Hohenzollern ist sie die einzige Fahne, hinter der sich heute noch die Bevölkerung Hohenzollerns schart. Die Pilgerzüge nach Beuron nehmen ab 1950 etwa die gleiche Größenordnung ein. Im Herbst 1950 werden zwei Pilgerzüge Mühringen-Beuron gefahren. Die Plattformen des zweiachsigen Triebwagens und der drei Anhänger sind mit je drei Feldstühlen ausgestattet. Offensichtlich reichte das Sitzplatzangebot nicht. Ab Herbst 1951 werden die Pilgerzüge nach Beuron mit Lok 14 gefahren, ab Gammertingen 36 Achsen, 234 t, 555 Sitzplätze. Im Packwagen sind zehn Körbe Kohle mitzuführen, die Lok wird während des Aufenthalts in Beuron aufgerüstet. Heute fahren im Frühjahr etwa 250-300 Leute mit nach Beuron, im Herbst als Dankwallfahrt für das laufende Jahr sind es etwa 400 (freundliche Auskunft von Dekan Wessner vom 13.1.1985). 1953 werden erstmals seit 1934 wieder Pilgerzüge von Mühringen (ab 2 Uhr) nach Maria Einsiedeln (an 10.30 Uhr) gefahren. Nach Aussage von Dekan Wessner, Jungingen, der diese Züge seither bis heute geistlich betreut, hatte die Schweiz großes Interesse an der Wiederaufnahme der Pilgerfahrten. Die Schweizerischen Bundesbahnen stellten dafür sieben leichte Stahlbauwagen mit Lautsprecheranlage zur Verfügung, die es damals in Deutschland nicht gab. So kam es, daß Lok 14 Schweizerische Wagen beförderte. Am 1. bis 4. August 1953 wird erstmalig nach Altötting gefahren. Die Fahrt beginnt in Mühringen um 4.20 Uhr und endet in Altötting um 13.25 Uhr. Die Fahrleistung des vierachsigen Triebwagens VT3 beträgt 900 km, zwei Fässer mit 2001 Brennstoff müssen mitgeführt werden. Im Juli 1979 hat der 100. Pilgerzug dasselbe Ziel, allerdings wird seit Jahren mit einer Bundesbahn-Garnitur gefahren, da im Triebwagen nicht alle Teilnehmer Platz hätten. Auch Bingen am Rhein war für den Landesbahn-Triebwagen nicht zu weit (ebenfalls 900 km). »Der Wirtschaftsbetrieb ist im großen Packabteil einzurichten. Im Packabteil dürfen sich außer der Wirtin keine weiteren Personen vom Wirtschaftsbetrieb aufhalten. Auf keinen Fall dürfen Triebwagenführer und Lotse durch den Wirtschaftsbetrieb abgelenkt werden.« Als neues Fahrziel wird am 5.8. und 26.8.1951 Lindau angefahren (Mühringen ab 4.30 Uhr, Lindau an 10.15 Uhr, ab Lindau 18.40 Uhr, Mühringen an 0.13 Uhr). Es wird der vierachsige Triebwagen VT3 mit zwei Anhängern eingesetzt. »Der Wirtschaftsbetrieb ist im Packabteil einzurichten.« Ein Anzeichen für das beginnende Wirtschaftswunder war die Hohenzollerische Landwirtschaftliche Ausstellung in Sigmaringen, die am 30.9. bis 7.10.1951 stattfand. An beiden Wochenenden fuhr die H z L Sonderzüge ab Mühringen, Trochtelfingen und Laucherthal in die ehemalige hohenzollerische Hauptstadt. In Gammertingen wird einer der damals neuen Schienenbusse VT6 oder VT7 (erbaut 1951, verkauft 1973 an die Eisenbahnfreunde Zollernbahn) in Reserve gehalten und bei Bedarf eingesetzt. Von Gammertingen nach Trochtelfingen besteht ein Sonderzug wegen mangelnder Wagen aus einem Zweiachser und drei Packwagen, die mit Bänken bestückt sind, und Lok 141. Die H z L hatte Hochkonjunktur vor der beginnenden Motorisierung, und manche Anekdote über sie wurde im Volk erzählt. Heute ist die H z L aus dem Gesichtskreis weiter Bevölkerungskreise verschwunden und ist zur Werkbahn für das Salzwerk Stetten geworden. Lok 14 fuhr in jenen Tagen Vorspann bei Planzügen und stand für Nachschub von Sigmaringen nach Hanfertal und Gammertingen-Fehlahöhe bereit (Nachschub = nachschieben). 7.9.1951: Gammertingen ab 2.46 Uhr, Zürich 9.40 Uhr. Der Wunsch vieler, mit einem Triebwagen-Sonderzug der Landesbahn nach Zürich fahren zu können, findet heute seine Verwirklichung. Bei der Ausreise dürfen von jeder Person nur 10 D M mitgenommen werden. Wer einen höheren Betrag hat, kann diesen bis zur Rückkehr in Singen hinterlegen. Die Entfernung beträgt 240 km, insgesamt also 480 km. Fünf Kanister Brennstoff sind im Packteil mitzuführen. Es fuhr VT3 mit einem Anhänger. Die Zeiten, wo das zur Verfügung stehende rollende Material der Landesbahn nicht ausreichte, sind vorbei. Durch die Motorisierung haben sich die Gewohnheiten der Bevölkerung stark gewandelt. Die Vorstellung, daß man nur mit dem Zug woanders hinkommt, existiert nicht mehr. Möge dieses bisher nicht beleuchtete Kapitel aus der hohenzollerischen Eisenbahngeschichte dem Leser neue geschichtliche Zusammenhänge aufgezeigt haben. Quellen Akten von der Direktion der Hohenz. Landesbahn Hechingen, die freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurden und in Zukunft beim Staatsarchiv Sigmaringen deponiert werden. Leitz-Ordner: Betriebsbüro Sd-Fahrpläne vom 15.Juli 1939 bis 1. August 1952 von Nr.280-286 und N r . 1-146. Leitz-Ordner: Betriebsbüro Sd-Fahrpläne - Urschriften - vom 1. Januar 1940 bis 1. August 1952 von Nr. 1-146. DIN-A5-Leitz-Ordner: Betriebsbüro Fahrplanordnungen vom 1. Januar 1955 bis 31. August 1957, Nr. 88-150. J O H A N N ADAM KRAUS Ringinger Rätsel: Die Lai-Straße Von dem Dorfkreben zieht nach Westen ansteigend das »Lai« aufwärts gegen den Gallenberg. Seit neuestem schreibt man »Laistraße«. Links oben im alten Gallengarten der Familie Gregor Freudemann stand bis 1834 im Gelände die alte Gallenkirche der Frühmeßpfründe, die schon 1535 mit der Pfarrei vereinigt worden war. Das Heiligtum zu St. Gallus und Othmar (deren Bilder man an der Decke der Pfarrkirche findet) muß schon vor dem Jahr 1200 auf das Kloster St. Gallen (Schweiz) zurückreichen (Hz. J.-Heft 1957, 36f.). Ein Bildstock neben Freudemanns Haus erinnert an die Kapelle, die Franz Ferdinand Dent im Jahre 1763 an der Decke der Marienkapelle mit dem ganzen Dorf verewigte. Im Lai selbst stehen rechts die Häuser 4 und 6 anstelle des früheren St.-Gallen-Hofes, der seit alters der Pfarrei Truchtelfingen (Tailfingen) zugeschlagen war und dorthin bis um 1848 zinste. Die weiteren Häuser 8 und 10 »auf dem Lai« stehen auf altem Ringinger Heiligengut, bei dem 1594 von Zipperenbäumen die Rede ist. Zipperen sind kleine grüngelbe Pflaumen, usprünglich aus Zypern stammend im Gegensatz zu den blauen griechischen »Griechelen«. Von dieser Stelle »auf dem Lai« verlief bis 1867 der breite Viehtrieb des Dorfes (an der Marienkapelle vorbei) zum Heufelder Kreuz zur großen Viehweide des Salmendinger/Ringinger Heufeldes. Der breite Triebweg wurde nach Aufhören des Viehaustriebs als »Triebteile« für die Bürger zerstückelt. Heute ist bis zur genannten Kapelle alles mit Häusern überbaut, also »am Kappelweg«. Der uralte Name »Lai« erscheint in Ringinger Akten erstmals im Jahre 1406 als »Leh«, dann 1530 als »Lech«, später »Lee«, »Loch« und seit etwa 1620 als »Lai«. Die (Grenz-)Hügel beim erwähnten Heufelder Kreuz hießen 1545 die »Leuhern« (Hz. Heimat 1961,5: mit andern Flurnamen). Es handelt sich um das althochdeutsche Wort für Hügel, besonders Grabhügel, Grenzhügel in Formen wie hlewari, hlewen, Lewen, Leber, leuern usw., in Einzahlform meist Le, Leh, von zirka 1620 an als Lai. Die genannten »Leuher« am Heufeldrand untersuchte ums Jahr 1926 der »Hoid-Hanne«, ein passionierter Forscher von der Haid (bei Trochtelfingen), wohin sein Vorfahr aus Ringingen gekommen war. Die meisten seiner Ausgrabungsfunde aus frühgeschichtlicher Zeit kamen übrigens nach England! Auf dem Salmendinger Teil des Heufelds gibt es ebenfalls einige Grabhügel. Bei der Junginger Anna-Kapelle »uf der Lehr«, die der Volksmund »Laihr« nennt (Mehrzahl von Le - Lai) hat Lehrer Michael Lorch eine Anzahl Alemannengräber erforscht und in der »Hz. Heimat« 1959, 54 und 1965, 23 beschrieben. Auch in Ringingen entdeckte man 1954 »unterm Lai«, wo seinerzeit die Zipperenbäume standen, beim Hausbau des Bürgers Lukas Hochsticher (Zugang vom »Neuen Weg« her) einige Alemannengräber von etwa 650/80, (Hz. Heimat 1954, 46), doch mit wenig Beigaben. Auffallend waren die Feuersteine bei den Toten, einer lebenswichtigen Sache für unsere Vorfahren, um damit und Zunder ein Feuer schlagen zu können! Da die gefundenen Gebeine mit dem Gesicht zur aufgehenden Sonne lagen, dürfte es sich um Christen gehandelt haben, die in der aufgehenden Sonne den Weltenherrscher Christus erwarteten. Daher waren auch die älteren Kirchen geostet! Bei ihnen hat man dann auch bald die Toten beerdigt. Um 650 wird es in Ringingen schwerlich schon eine Kirche gegeben haben. Unsicher in der Erklärung dürfte das Burladinger »Wolfslaia« sein, das auf einen Lehensbesitz Wolf zu deuten scheint, falls nicht der Volksmund irrig eine mehrdeutige Endung anhängte. Denn »Laia« bedeutet ja Lehen-Gut. Von einem früheren Hügel ist dort nichts überliefert. Der große Grabhügel »Hohmichel-Le« bei Hundersingen-Heuneburg-Heiligkreuztal enthält noch in der Endung den Wortstamm Le! Bemerkenswert ist, daß nicht nur das Wort Leh sich um 1620 in Lai änderte, sondern auch die Familiennamen DekerDeeker, Deugger zu Daigger und Daiker, und die Beler des 15. Jahrhunderts von Stetten-Melchingen zu Beiler, Böhler, Bayhler zu heutigen Bailer wurden. 27 HERBERT RÄDLE Ein Glasgemälde des Meisters von Meßkirch im Augustinermuseum Freiburg Der Meister von Meßkirch - möglicherweise identisch mit Peter Strüb d.J. aus Veringenstadt 1 , hat seinen Notnamen von seiner Tätigkeit im Dienste der Freiherren bzw. (seit 1538) Grafen von Zimmern, Herren zu Wildenstein und Meßkirch. In Meßkirch stattete er im Auftrag Gottfried Werners von Zimmern (1484-1554) nach 1536 die neuerbaute Stiftskirche St. Martin mit Altargemälden aus, von denen eines, das ehemalige Hochaltarbild mit der Anbetung der Könige, heute noch auf dem linken Seitenaltar zu sehen ist 2 . der Komposition wie auch die Gestaltung der Figuren im einzelnen weist m.E. auf einen überdurchschnittlichen Künstler. Das Thema, das uns im folgenden beschäftigen wird, ist die Frage, inwieweit der Meister von Meßkirch auch als Autor von Glasgemälden greifbar wird. Ein in der Wiener Albertina erhaltener Scheibenriß (ein Entwurf für ein Glasbild also) zeigt unzweifelhaft, daß der M. v. M. sich auch mit dieser Art Malerei befaßte (vgl. Anm. 6). Andererseits ist es noch nicht gelungen, auch nur ein einziges Glasgemälde ihm eindeutig zuzuweisen. Weder für die Heiligkreuztaler Wappenscheiben (Stuttgart, Württ. Landesmuseum, Inv. Nr. 1098) noch für die Wappenscheiben der Grafen von Zimmern aus dem Meßkircher Rathaus 3 war eine von verschiedenen Autoren vermutete Urheberschaft des M. v. M. bisher überzeugend zu begründen 4 . Hier hat nun die Ausstellung »Die Renaissance im deutschen Südwesten« (2-bändiger Katalog, Heidelberg 1986), wie ich meine, neue Aspekte eröffnet. In dieser Ausstellung war nämlich eine Kabinettscheibe aus dem Freiburger Augustinermuseum zu sehen (Katalog Nr. D 1 9 : »Der zwölfjährige Jesus im Tempel« = Abb. 1), die mir sehr starke Hinweise auf den M. v.M. als Urheber zu enthalten scheint 5 . Beschreibung Figuren der Scheibe: Anordnung und Ausdruck der Auf der Scheibe - sie weist einen reichdekorierten Renaissancerahmen im Stile der Ropsteinwerkstatt auf, welcher sie von Dietrich Rentsch daher im Katalog (S. 266) auch zugeschrieben wird - ist im Zentrum der lehrende Jesusknabe zu sehen, um ihn gruppiert fünf Schriftgelehrte, sowie Maria und Josef. Alle Figuren sind, wie ersichtlich, kompositioneil in Gruppen zu jeweils zwei zusammengefaßt. Der Jesusknabe wendet sich z.B. lebhaft diskutierend nach rechts einem in Rückenansicht gegebenen Schriftgelehrten zu. Der Kontakt zwischen beiden wird dabei sowohl durch den Blick wie durch die in einer Art Antithese wiedergegebenen Hände hergestellt. Die weiteren Schriftgelehrten, je zwei links bzw. rechts im Vordergrund, scheinen ebenfalls mit einer wissenschaftlichen Diskussion befaßt. Gestikulierend wendet sich der Barhäuptige (links) dem Bärtigen (rechts außen) zu und stellt so seinerseits eine Verbindung zwischen den zwei Gruppen her. Von den anderen Gelehrten folgt der halbrechts Sitzende ernsten und aufmerksamen Blickes der Argumentation seines Nachbarn, während der Brillenträger (ganz links) in der Bibel eine Stelle nachzuschlagen scheint. Maria und Josef erscheinen, nicht nur dadurch, daß sie farblos hell belassen sind, als deutlich von den Diskutierenden abgesetzt: Ihre Blicke finden unter den Anwesenden keinen »Ansprechpartner«, Josef scheint gleichsam hilfesuchend nach dem Betrachter zu blikken, während Maria betet. N u r der Heiligenschein Marias stellt eine äußerliche Verbindung zum ebenfalls mit Nimbus wiedergegebenen Jesus her. Die überzeugende Natürlichkeit 28 Abb. 1. Der l^ahrige Jesus im Tempel. Kabinettscheibe. Meister von Meßkirch (?). Freiburg, Augustinermuseum Argumente für die Urheberschaft des Meisters von Meßkirch Monika Kopplin nennt - im Katalog S. 157 - als charakteristisch für die Kunst des M . v . M . u.a. folgende Merkmale: kräftig-derbe Physis, wollige Haare und runde Gesichtsformen; gelasssene Ruhe und Heiterkeit, sowie das Fehlen alles Ausdruckshaften und nervös Verzerrten in der Darstellung; schließlich: sichtbares Streben nach Dreidimensionalität und Perspektive. Alle diese Stilmerkmale sind nun aber, so scheint mir, auf unserer Kabinettscheibe in augenfälliger Weise vorhanden. Geht man darüberhinaus ins Detail und vergleicht Einzelheiten unseres Bildes mit Details aus anderen, dem M . v . M . unstrittig zugehörigen Werken, so erkennt man bald recht deutlich, daß die Freiburger Kabinettscheibe ein Werk des M.v. M. sein muß 6 . Die Frage schließlich, welcher Umstand den Meister von Meßkirch mit der Universität Freiburg - als der mutmaßlichen Auftraggeberin der Scheibe 7 - in Beziehung gebracht haben kann, läßt sich mit dem Hinweis beantworten, daß Wilhelm Werner von Zimmern (1485-ca. 1575) in Freiburg studierte und an der dortigen Universität sogar mehrmals Rektor war 8 . Im Dienste der Herren von Zimmern aber hat der M . v . M . , wie anfangs bemerkt, vornehmlich gearbeitet. Anmerkungen ' Chr. Salm, Der Meister von Meßkirch, Diss. Freiburg 1950, S. 213. Vgl. Ders. in: Kindlers Malereilexikon, Bd. 9,1977, S. 103-105, mit weiteren Literaturangaben. 2 Weitere wichtige Werke des M. v. M. sind der Falkensteiner Altar (um 1525; Donaueschingen, Fürstl. Fürstenb. Gemäldegalerie); die Portraits Eitelfriedrichs III. von Hohenzollern und seiner Gattin Johanna von Berselle (1523; Rom, Musei Vaticani, Pinacoteca); der Wildensteiner Altar (datiert 1536), sowie seine Arbeiten in Heiligkreuztal. Zu letzteren: Chr. Salm, Die Wand- und Gewölbemalereien des M . v . M . in Heiligkreuztal, in: Heilige Kunst, Stuttgart 1956, S. 29—47. 3 Heute in den Fürstl. Fürstenb. Sammlungen in Heiligenberg. Vgl. ]. D. Wohleb, Fensterbild- und Wappenscheibenentwürfe des M.v. M., in: Schriften des Vereins für Gesch. u. Naturgeschichte der Baar, Donaueschingen 22, 1950. 4 Dazu Salm, Der M. v. M. (1950), S. 159f., 171. 5 Der Text zu unserer Scheibe lautet im Katalog: Kabinettscheibe der Universität Freiburg: »Der 12-jährige Jesus im Tempel«, Ropsteinwerkstatt (?), Freiburg, um 1520/30, Hüttengläser, Schwarzlot, Silbergelb, H . 4 2 c m , B.32cm, Freiburg, Augustinermuseum, Leihgabe der Universität Freiburg. - Die Szene mit dem im Tempel lehrenden Jesusknaben ist von Renaissancesäulen gerahmt. Im Bogenfeld darüber halten zwei Engel drei Wappen: in der Mitte Abb. 3 (Donaueschingen) Österreich, links Freiburg, rechts Habsburg. Die Darstellung des lehrenden Christus ist bereits auf den ältesten Siegeln und Hoheitszeichen der Universität zu finden. Die Scheibe könnte eine Stiftung der Universität sein. (Soweit der Katalog). Große Ähnlichkeit zeigt etwa das pausbäckig-volle Gesicht des Jesusknaben auf unserem Bild mit dem Gesicht der heiligen Margarete auf der Berliner Federzeichnung (Katalog Nr. E16; Ausschnitt in Abb. 2); oder auch die Maria unseres Bildes mit der Maria der Donaueschinger Kreuzigung (Katalog Nr. C 1 3 = Abb. 3). Die beiden letztgenannten Mariendarstellungen sind m.E. geradezu als identisch zu bezeichnen (Gestaltung der Kopfbedeckung, Gesichtszüge, Gesamthaltung!). Viel Ähnlichkeit zeigt auch das Gesicht des Josef auf unserem Bild mit dem Gesicht des mittleren Königs auf der Dreikönigstafel (die Augen, der kleine Mund!). Am deutlichsten weist aber die Gestaltung der Gewänder auf unserer Scheibe auf den Meister von Meßkirch. Der seltsam verunklärte, manieristische Faltenwurf der Gewänder der Heiligen auf dem Scheibenriß der Wiener Albertina (Katalog N r . E l 5 ) beispielsweise findet sich sehr ähnlich wieder in den Gewändern des Jesusknaben und besonders der beiden außen sitzenden Schriftgelehrten unserer Scheibe. \ gl. Anm.5! 1 Diese Information entnehme ich wiederum dem Katalog (S. 273). Abb. 2 (Berlin) J O H A N N ADAM KRAUS Was bedeutet Simmendinger? D i e F a m i l i e n S i m m e n d i n g e r im Killertal sind w e i t h i n bek a n n t . A b e r n u r w e n i g e wissen, w o h e r ihr N a m e k o m m t . M a n k e n n t keine Ö r t l i c h k e i t , die so ähnlich heißt. D a fiel m i r V o r j a h r e n eine u r k u n d l i c h e Stelle des J a h r e s 1740 auf, in d e r ein O r t S i m m a t i n g e n gleichgesetzt w u r d e mit d e m D o r f ( O b e r - ) S u l m e n t i n g e n im Kreis B i b e r a c h a. d. R i ß , das tatsächlich a u c h als S i m m a t i n g e n - S i m m e n t i n g e n u. ähnlich v o r k o m m t u n d in d e r U m g e g e n d n o c h h e u t e so g e n a n n t w i r d . (Vgl. A l b e r t i s w ü r t t b g . W a p p e n b u c h , B d . II, S. 789.) D e r m i r b e f r e u n d e t e H e r r R o l a n d S i m m e n d i n g e r des M a t t h ä u s (Jg. 1948) w o l l t e letzteres n i c h t glauben, setzte sich ins A u t o u n d e r k u n d i g t e sich an O r t u n d Stelle u n d e r f u h r : S u l m e t i n gen w i r d in d e r U m g e g e n d n o c h S i m m a d i n g a g e n a n n t ! Z w e i f e l l o s geht diese Familie auf die g e n a n n t e Siedlung z u r ü c k , die u m s J a h r 900 als » S u n e m u o t i n g « erwiesen ist. Als u m 1717 ein S i m m e n d i n g e r aus d e m E n t l e b u c h (Schweiz) ins Killertal e i n z o g , m e i n t e n w i r H e u t i g e n , er sei der S t a m m v a t e r d e r F a m i l i e gewesen. I n z w i s c h e n hat j e d o c h d e r g e n a n n t e F o r s c h e r R o l a n d in d e n K i r c h e n b ü c h e r n z u H a u s e n i. Kill, d e n S t a m m bis z u e i n e m Veit S i m m e n d i n g e r des J a h r e s 1609 daselbst festgestellt. S i m m e n d i n g e r gab es, w i e sich herausstellte, s c h o n im 1 6 . J a h r h u n d e r t im B e z i r k N e u f f e n - N ü r t i n g e n - W e i l h e i m . 29 Das verwundert uns nicht, wenn wir erfahren, daß schon ums Jahr 1100 ein Sproß des einst berühmten Grafengeschlechts von Sulmetingen-Simmetingen auch Herr auf Neuffen war. Inzwischen können wir darüber nachgrübeln, was die Vorfahren um 400/500 n. Chr. gedacht haben, als sie einem Buben den Namen »Sunemuot« gaben, also eine Verbindung von »Sonne und Mut oder Gemüt«. Auf alle Fälle sind die alten Sulmetinger die Nachkommen des Sunemuot gewesen. O b der kleine Erdenbürger wohl »ein sonniges Gemüt« gewünscht bekommen hatte? J O H A N N A D A M KRAUS Das Namenrätsel »Hipp« Im Gegensatz zu Familiennamen, die eine körperliche oder geistige Eigenschaft oder die Herkunft bezeichnen, kommt man beim Namen Hipp ohne geschichtliche Forschungen zur Deutung nicht aus. Da hat sich Rudolf Kapff in seinem Büchlein »Schwäbische Geschlechtsnamen« (1927) sicher geirrt, wenn er sozusagen aus dem Handgelenk auf ein in Stuttgart angeblich vorkommendes Kleidungsstück Faltenrock als »Hipp« tippte. Andere folgten dem Irrweg, die an die seit Luther bekannte Hippe oder Sense als Zeichen des Todes dachten, wieder andere an den römischen Heiligen Hippolyth erinnerten. Nachweisbar im Jahre 1347 lebte in Erpfingen bei Melchingen (Mitt. Hohz. 8,2) ein Heinz Hipp, dessen Hyppenhube noch 1357 vorkommt (ebda 32,75). In Binzwangen nennt das Heiligkreuztaler Urkundenbuch zu 1370 einen Bauern Hippe Hans (U 1, 472), und in Bickelspergs zollerischem Lagerbuch findet sich 1435 in Mössingen mehrfach eine Hypp Elli (= Elisabeth). Richtungweisend zeigt eine Burladinger Urkunde vom Jahr 1446 einen Hipp als Vor- bzw. Taufnamen in Person des Hipp Fulhaber (Hz. Heimat 1957/29). Hipp ist zweifellos die Kurzform eines in Stettener Klosterurkunden (Nr. 87 und 102) in den Jahren 1332/36 genannten Bürgers Hiltbold, für den dann 1558 ein Michael Hipp vorkommt. Das erwähnte Kloster Heiligkreuztal hatte um 1277 einen Amtmann Hilti- HELMUT HALLER Junginger Heimatmuseum Im vergangenen Sommer, rechtzeitig vor der Urlaubszeit, konnte die Gemeinde Jungingen ihr erweitertes Heimatmuseum in einem bemerkenswerten Festakt eröffnen. Aus den Vorarbeiten zur 900-Jahr-Feier 1976 entwickelte sich eine »Arbeitsgemeinschaft Heimatbuch«, die sich heute »Arbeitsgemeinschaft Heimatmuseum« nennt und sich zur Aufgabe stellt, über die Einrichtung und Erhaltung des Heimatmuseums hinaus Heimat- und Ortsgeschichtsforschung auf allen Gebieten zu betreiben. Bereits 1981 konnte zum ersten Mal ein Heimatmuseum der Öffentlichkeit vorgestellt werden, nachdem die Gemeinde einige Räume im Dachgeschoß des Schulhauses zur Verfügung gestellt hatte. Doch bald waren die räumlichen Möglichkeiten erschöpft, der Sammeleifer der Mitarbeiter zeigte Erfolge, und so drängte man auf eine Erweiterung auf das ganze Dachgeschoß. Nach jahrelanger Vorbereitung, in der das gute Dutzend regelmäßiger Mitarbeiter, zu denen auch Dr. Casimir Bumiller, Freiburg, zählt, viel Geistes- und Handarbeit einbrachten, konnte nun der Allgemeinheit eine Ausstellung geboten werden, die in Art der Aufbereitung der Historie, der dörflichen Lebensformen, der handwerklichen Entwicklung zum Industriebetrieb als überaus gelungen bezeichnet werden darf. Bis heute hat das Heimatmuseum Jungingen von namhaften Besuchern viel Anerkennung erfahren. In sieben Räumen präsentieren sich die Exponate unter den verschiedensten Themen. Im Eingangsraum erwartet den 30 bolt (I, 83), der nach Wasserziehers Forschungen mühelos zu Hippold wurde. Die Ringinger Hipp gehen zurück auf einen 1686 aus Salmendingen auf den Kipfenhof im »Weissengässle« geheirateten Kaspar Hipp, der zweifellos einen Nachkommen des Hans H y p p (in der Salmendinger Türkensteuerliste) von 1542 darstellt (Zollerheimat 1938,91). Ein schlagender Beweis für Deutung des Namens Hipp liegt im Dorfnamen Hippetsweiler bei Sigmaringen, der im Jahre 1209 als »Hiltiboldswilaer« überliefert ist (Kunstdenkmälerwerk 1948, 153). Wenn dagegen Hans Behlow im »Deutschen Namenlexikon« (1981,241) das mittelhochdeutsche Wort »hiepe« = Waffel und davon den Beruf Waffelbäcker beizieht, so müßten erst urkundliche Beweise geboten werden. Edmund Nied kennt ums Jahr 1000 einen Grafen Hiltibald in der Baar und um 1100 einen Mann Hiltibold im Dorfe Klengen (Schriften Baar 1937,10). Daß sich der obige Hiltibald, bzw. -bold leicht zu Hipp abschleifen konnte, liegt auf der Hand. Was bezeichnet nun, der ungekürzte Name Hiltibold? Hilt oder Hild bedeutet altdeutsch »Kampf«, Bold oder Bald aber »kühn« oder »stark«. Man vergleiche Burg »Baldenstein« an der Fehla (b. Gammertingen): Hiltibold der »Kampfesstarke« oder »starker« Kämpfer«. Wer hat dies vermuten können? Besucher die Geschichte des Dorfes; Alemannensiedlung, das Rittergeschlecht derer »von Jungingen«, die zwei Hochmeister des Deutschritterordens aus dem Junginger Ortsadel, die Pfarrei Jungingen, Junginger als zollerische Untertanen, Hexenwesen in Jungingen sind hier dargestellte Schwerpunkte. Im großen Bühnenraum werden, liebevoll zusammengestellt, die Utensilien des täglichen Lebens in Haus- und Landwirtschaft gezeigt, unterteilt in einzelne Sachgebiete. Hier sind es oftmals Details, die den Besucher entzücken. Im nächsten Raum ist alles über die Textilindustrie dargestellt. Ein Teil davon ist dem Junginger Hausierhandel gewidmet. Als Einmaligkeit präsentiert sich eine voll eingerichtete Peitschenmacherwerkstatt. Vom Rohling bis zur fertig umsponnenen Paradepeitsche kann die Herstellung verfolgt werden. Unter den Handwerksbetrieben des Killertales stellt die Peitschenmacherei ein besonderes Charakteristikum dar. In weiteren Räumen ist eine Schreinerwerkstatt ebenso aufgebaut wie eine Mechanikerwerkstatt. Alles wie vor 60 Jahren, mit altem Handwerkszeug und handbetriebenen Maschinen. Ein Glanzstück im Junginger Heimatmuseum aber ist der sogenannte Technikraum. Hier wird die Entwicklung der Junginger Feinmechanik dargestellt, die den Namen des Dorfes in alle Welt hinausgetragen hat. In vielen Einzelstükken ist der Bau der Waage von den Anfängen bis zur heutigen Ausführung ebenso aufgebaut wie die Entwicklung des Blutdruckmeßgerätes. Auch finden die Produkte der anderen metallverarbeitenden Betriebe ihre Berücksichtigung. Dies alles erwartet den Besucher, der die vielen Eindrücke und Informationen oft nicht auf das erste Mal verarbeiten kann. Doch stehen immer Sachkundige zu vertiefender Erklärung bereit. Heimatmuseum Jungingen, Peit- k schenmacherhandwerk: Schneidestuhl, an der Wand verschiedene Peitschen, Ohrenkappen für Pferde. Foto: H. Haller Trägt sich nun der Besucher am Ende des Rundganges ins ausliegende Gästebuch ein, erwarten ihn weitere Angebote. Neben dem Heimatbuch Jungingen, herausgegeben anl. der 900-Jahr-Feier 1976, kann er hier zwei Hefte mit heimatgeschichtlichen Beiträgen erwerben. Sie werden in unregelmäßigen Abständen von der Arbeitsgemeinschaft herausgegeben. Viel Lob erhielt das jüngste Heft, das u.a. einen Beitrag zum Junginger Dialekt enthält. Es tut sich auch weiterhin vieles in den Reihen der A G Heimatmuseum. Der Besucher spürt das, ahnt um die Liebe zur Heimat, um das Bemühen um die Sache, das hinter allem steckt und honoriert es. Geöffnet ist das Heimatmuseum Jungingen an jedem 2. Samstag im Monat von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Sonderführungen können aber immer nach vorheriger Anmeldung auf dem Rathaus vereinbart werden. Stetten u. H.: Von Wall und Graben auf dem Kobel Vor einiger Zeit wurde von Architekt Schäfer, Stetten u. H., auf eine Befestigung, bestehend aus Wall und Graben, auf dem Berg Kobel bei Stetten u. H . hingewiesen. In der Forstbetriebskarte der Gegend finden sich Einträge, die von römischen Mauerresten auf dem Kamm dieses Berges berichten. Römische Goldmünze in der Kirche von Killer Wie erst vor kurzem bekannt wurde, fand man bei den erdbebenbedingten Bauarbeiten des Jahres 1979 in der Kirche in Killer eine Goldmünze aus römischer Zeit. Hierbei handelt es sich um einen Auräus mit dem Kopfprofil Neros und der Umschrift » N E R O AVGVSTVS CAESAR«! Die Rückseite zeigt ein stark abgegriffenes Bildnis einer auf einem Thron sitzenden Göttergestalt? Der Fundort lag hart an der Innenseite der Nordmauer, etwa in Höhe des heutigen Beichtstuhls. Leider wurde der Innenboden nur so weit entfernt, daß Platz für die Fundamentarbeiten für die Mauern vorhanden war, deshalb ist nicht auszuschließen, daß weiter innen unter dem Boden noch weitere Münzen vorhanden sind. Offensichtlich befand sich die Münze direkt unter dem Fußboden, erstaunlich daher, daß sie in den 60er Jahren, als der heutige Boden eingebaut wurde, nicht bemerkt wurde. Nach den damals gefundenen Fundamenten muß der Ort, an dem die Münze verloren oder vergraben wurde, außerhalb der früheren Kirchenschiffe gelegen haben, denn bekanntlich hat ja erst Großbaier im Jahr 1778 die Kirche nach Norden verbreitert. Es bleibt zu hoffen, daß künftige Zeiten das notwendige Interesse an heimatgeschichtlichen Themen mitbringen, um im Falle einer Erneuerung des Fußbodens den Bauuntergrund unserer Kirche gründlich zu untersuchen! Dem Denkmalamt Tübingen wurden Fotographien von dem Fundobjekt übergeben, eine Expertise ist von dort leider noch nicht eingegangen. Roland Simmendinger Dies bewegte Herrn Rolf Burkhart, Gammertingen, und mich, die beschriebenen Örtlichkeiten in Augenschein zu nehmen. Hierbei ließ sich ein Graben-Wallsystem finden, welches einem Bergkamm in westlicher Richtung vorgelagert ist, seine Gesamtlänge liegt bei etwa 40 m, der Graben weist bei einer Breite von etwa 1-1,5 m eine Tiefe von 0,5-1 m auf, der dahinterliegende Wall ist etwa 1 m hoch und noch erstaunlich gut erhalten. Am südlichen Ende des GrabenWallsystems führt ein Weg in die Anlage, der hangwärts mit Gesteinsbrocken unterbaut ist. Die auf dem höchsten Punkt des in Ost-West-Richtung verlaufenden Grates vermuteten Mauerreste erwiesen sich nach einer Expertenmeinung (Ch. Bizer, Deutscher Burgenverein, Oberlenningen) als natürliches Gestein. Auf die Frage nach dem Alter der Anlage wollte derselbe Fachmann einen mittelalterlichen, römischen oder gar vorgeschichtlichen Ursprung ausschließen! Auf Grund der relativen Steilheit der Wall- oder Grabenwände vermutet er ein wesentlich jüngeres Baudatum, am ehesten deute alle auf ein befestigtes, wenige Tage oder eine Woche dauerndes Biwak einer kleineren Militär-Einheit (vielleicht des Dreißigjährigen Krieges) hin. Roland Simmendinger 31 Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen M 3828 F Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt. Buchbesprechung ¡»Neue Musik< in Donaueschingen, Baden-Baden, Berlin, Pfullingen, Mannheim 1921-1950«. 204 Seiten, 45 Fotos, umfangreiches Personen- und Sachregister (940). ISBN-Nr. 3-89264-051-3. Subskriptionspreis 50 DM (incl. Versand) beim Bezug über Edition Zintgraf D-7271 Egenhausen. Aus dem Nachlaß des Komponisten Hugo Herrmann (1896-1967), durch Recherchen bei Institutionen und noch indirekt beteiligt gewesenen Personen liegt jetzt erstmalig die lückenlose dokumentarische Erfassung einer wichtigen Epoche für die Musikentwicklung in den letzten 70 Jahren vor. Ausgangspunkt war die Gründung »Gesellschaft der Musikfreunde Donaueschingen« und eines symphonischen Orchesters im Jahre 1913 unter Leitung von Heinrich Burkard. Auf Anregung von Willy und Walter Rehberg und des Fürstenhauses wurde 1920 von Burkard, Joseph Haas und Eduard Erdmann eine »Plattform für junge musikalische Talente« geschaffen. Zum »Ehrenausschuß« gehörten Busoni, S. v. Hausegger, Nikisch, Pauer, Pfitzner, Schreker und Richard Strauss. Burkard (später Rundfunkredakteur in Berlin und Stuttgart) darf man als den Entdecker von Paul Hindemith bezeichnen. Das 1. Kammermusikfest fand am 31. Juli/1. August 1921 statt mit Werken von Haba, Grosz, Krenek, Philipp, Horwitz, Willner, Jarnach, R. Peters, Berg und Hindemith. Was sich daraus entwickelte, bedarf hier keiner näheren Erläuterung. Wenig bekannt sind aber die Gründe zur Verlagerung (mit Programmausweitung auf Musiktheater, Film- und Rundfunkmusik) 1927 nach Baden-Baden, 1930 nach Berlin. 1934 begann in Donaueschingen ein neuer Start unter Hugo Herrmann (1938 von Joseph Keilberth als »Oberrheinische Musiktage« fortgesetzt) und wiederum 1946. Ab 1950 übernahm der SWF unter Heinrich Strobel die Regie. Die Kapitel »Kammermusik in den Pfullinger Hallen« (1931-1933) und »Neue Chormusik Mannheim« (ab 1931) samt einem Nachtrag zum »Musikstudio der St. Bonifatiuskirche Mannheim« (seit 1973 unter der Regie von Wolfgang Ludewig) sind unmittelbar in die »Donaueschinger Idee« eingebunden, durch die ja auch eine Reform der Chor- und Blasmusik ausgelöst wurde. Eingeblendet sind »Zeitspiegelungen« über politische Strömungen und Entwicklungen anhand von Pressestimmen, Briefzitaten und persönlichen Reflektionen. HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser Die Dokumentation soll eine Grundlage zum weiteren Quellenstudium bilden, insbesondere für Musikstudenten, Dozenten und Musikologen. Sie ist lediglich ein Auszug aus dem gesammelten Archivmaterial des Verfassers, in daß ad libitum Einsicht genommen werden kann. Korrekturen und kritische Anmerkungen sind erwünscht. Es ist beabsichtigt, diese in einem Nachtrag zu erfassen. Mitglieder des Hohenzollerischen Geschichtsvereins erhalten die Broschüre zum Sonderangebot von 40 DM. Thaddäus Trolls schwäbische Schimpfwörterei. Herausgegeben von Eleonore Lindenberg mit 27 Linolschnitten von Axel Hertenstein. Silberburg-Verlag Stuttgart. DM16.80. 365 schwäbische Schimpfnamen aus dem schwäbischen Schimpfkalender von Thaddäus Troll. Jedes Wort ist seiner Herkunft und Bedeutung nach humorvoll erklärt. Richard Meinel, Gesammelte Grüße. Baden-Württembergische Sehenswürdigkeiten auf Briefmarken und alten Ansichtskarten. Silberburg-Verlag Stuttgart. DM19,80. In dem Buch werden 79 deutsche Briefmarken gezeigt, auf denen Sehenswürdigkeiten aus Baden-Württemberg dargestellt sind. Zu jedem Motiv wird ein Gegenstück gezeigt, das sich auf einer alten Ansichtskarte befindet. Mit Texten wird aus der Geschichte des Bauwerkes oder der Stadt berichtet. Technische Angaben sind für Sammler gedacht. Alle Abbildungen sind farbig. Eine nette, besinnliche Lektüre. Schallplatte: Musik am Fürstenhof und Stift HohenzollernHechingen. Chor und Orgelmusik u. a. von Leonhard Lechner, Jakob und Caspar Hassler, Ferdinand di Lasso. Vocalensemble Hochwang, M. Grüber, Orgel. Motette-Verlag Wiesbaden, Stereo M 50170. Den Ausführenden darf man hohe Empfindsamkeit für die Feinheiten der altklassischen Polyphonie bescheinigen. Von besonderem Reiz ist auch das Spiel auf der mitteltönig gestimmten Denkmalsorgel von St. Luzen (Musica sacra). Es ist erfreulich, daß wir mit diesem repräsentativen Querschnitt endlich ein klingendes Bild der reichen musikalischen Vergangenheit Hechingens besitzen. Eine Platte mit Kompositionen, die sonst nicht in Tonaufnahmen vorliegen. Die Interpretationen sind sauber und klangschön. (Gesellschaft für bayerische Musikgeschichte) Adresse: Michael Grüber, Hohenbergstraße 3, 7450 Hechingen, Telefon 07471/15577. Nummer: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge. Bezugspreis: 8.00 D M jährlich. Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 653 51050). Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH 8c Co., 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10. 32 Helmut Haller, Rektor i.R. Rosenweg 7, 7455 Jungingen Pfr. Johann Adam Kraus Badstraße 8, 7800 Freiburg-Littenweiler Dr. Herbert Rädle Veit-Jung-Straße 13a, 8430 Neumarkt Karl Werner Steim Wegscheiderstraße 26, 7940 Riedlingen Botho Walldorf Lenaustraße 23, 7415 Wannweil Otto Werner, Rektor Friedrich-List-Straße 55, 7450 Hechingen Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Telefon 07574/4211 Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet. Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten. Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiter zu empfehlen. M 3828 F HOHENZOLLERISCHE HEIMÄT Stetten bei Hechingen, ehemalige Klosterkirche, Chor mit Resten des Kreuzganges Herausgegeben v o m Hohenzollerischen Geschichtsverein 37. J a h r g a n g N r . 3 / S e p t e m b e r 1987 Foto: R. Burkarth KARL MORS Die gotische Klosterkirche in Stetten Diese Kirche ist der Rest eines altehrwürdigen »Monasterium gratiä vallis«, das heißt des Klosters Stetten im Gnadental. Der Name Gnadental ist für Stetten in der ersten Urkunde nicht enthalten. In diesem Schutzbrief bestäigt Papst Alexander IV. 1261 den in Stetten ansässigen Augustinerinnen die Privilegien, die sie von früheren Päpsten hatten. Privilegien bedeutet: Befreiung von Abgaben und Unantastbarkeit ihrer Besitzungen. Neuerdings wird die Echtheit dieses Schutzbriefes angezweifelt. Eine gesicherte Urkunde spricht dann 1264 von einer Schenkung des Tübinger Pfalzgrafen Hugo an die Ordensfrauen des Klosters Stetin. Es war das Jahr, als Thomas von Aquin das »Tantum ergo« für Fronleichnam schuf. Das Erbauungsjahr der Kirche ist um das Jahr 1280 anzusetzen, während die Johanneskapelle 50 Jahre älter ist. Um dies Zeit ist auch die Pfarrei Hechingen und ein Schultheiß dort belegt. Der Name Gnadental geht auf eine Sage zurück. Danach soll der Gründer, der Zollergraf Friedrich der Erlauchte, seinen Schwager, einen Graf von Dillingen, im Zweikampf im Tal hinter Boll erstochen haben. Des Dillinger letzte Worte sollen gewesen sein: »Schäme Degen!« Dies sei der Anlaß für die Bezeichnung Schamental geworden. Friedrich soll dann in seiner Gewissensnot zum Papst einen Priester mit der Bitte gesandt haben, ihm eine Buße aufzuerlegen. Darüber hat Ludwig Egler folgende Verse geschrieben: »Will der Graf Verzeihung finden, will er sich mit Gott versühnen, muß er eines Totenschädels stets als Becher sich bedienen.« »Doch sei dieser schweren Buße ganz der Zollergraf enthoben, wird ein gottgeheiligt Kloster zu erbauen er geloben.« Der Klosterbeginn muß in einem größeren Zusammenhang gesehen werden, denn ein Grundherr von überörtlicher Bedeutung benötigte damals eine Burg, einen Markt, eine Erbgrablege für seine Familie und eine Unterbringungsstätte für die Töchter seines Hauses. Schon 1095 waren die Zollern bei der Gründung von Kloster Alpirsbach beteiligt. Wegen der zu großen Entfernung dorthin war aber dieses Kloster als Grablege nicht geeignet. Friedrich der Erlauchte stand bei seinen Zeitgenossen in hohem Ansehen, denn seine Grafschaft umfaßte damals auch die Herrschaften Balingen, Mühlheim an der Donau und Orte im Steinlachtal. Außerdem hatte seine Gemahlin, die Gräfin Uodilhild von Dillingen großen Besitz mitgebracht, so daß sie aus diesem einen Teil an das Kloster Zwiefalten verschenken konnte. Ihre Ruhestätte erhielten die Zollergrafen an der Nordostseite des Chorhauptes bis 1488, als Graf Jos Niklas in Hechingen die Stiftkirche erbauen ließ und die Erbgrablege dorthin verlegte. 1267 erhob dann Friedrich das Kloster zum Hauskloster und unterstellte es dem Dominikanerorden. Mitsiegler dieser Stiftungsurkunde war der letzte Hohenstaufe Konradin. Es war kurz vor dem Aufbruch Konradins von Ravensburg nach Italien, wo er den Tod finden sollte. Erste Priorin in diesem Kloster war die Zollergräfin Anna. 1278 kam das Kloster in die Obhut des Dominikanerprovinzials in Rottweil. Dominikus, geboren 1170, aus einem alten spanischen Geschlecht, hatte einige Zeit vor der Klostergründung gewirkt. Er hatte die Irrlehre der Albigenser miterlebt und 34 Führung mit Betrachtungen zur Gotik und zur Klostergeschichte erkannt, daß nur durch Entsagung und Predigt die Reinheit der Glaubenslehre wiederhergestellt werden könne. Deshalb gründete er den Bettel- und Predigerorden der Dominikaner, und zwar auf der Grundlage der Augustinerregel. Im Bettelorden gelten die Grundregeln der Armut, der Enthaltsamkeit und des Gehorsams. Die Dominikaner erwarben sich unvergängliche Verdienste auf dem Gebiet der philosophischtheologischen Wissenschaften. Namen wie Albert der Große, der scholastische Gelehrte, dessen Schüler Thomas von Aquin, der große Kirchenlehrer, Heinrich Suso von Überlingen u.v.a., später besonders der gewaltige Bußprediger Savonarola zeugen dafür. In der Bedeutung zurücktretend waren die Dominikanerinnen, die erstmals 1205 auftraten. Ihr Hauptanliegen bestand im Gebet und in der frommen Betrachtung. Sie widmeten sich aber auch der Jugenderziehung, der körperlichen Arbeit und stellten Paramente her. Ihren Klöstern stand eine Priorin vor. Viele Frauen aus dem Adel nahmen hier ihren Schleier. Bei einer Grabung 1831 durch Graf Stillfried, dem Förderer des Baues der jetzigen Zollerburg, wurden vor dem Hochaltar Gebeine gefunden, die den Stiftern zugeordnet wurden. Jedoch fand man damals keine Grabsteine. 1208 kam das Kloster dann durch den Schacher des Reichdeputationshauptschlusses in den Besitz der Hechinger Fürsten und wurde aufgehoben. Die verbliebenen Dominikanerinnen erhielten das Absterberecht, das heißt, sie konnten im Kloster bis zu ihrem Tod verbleiben, wie auch die Nonnen von Rangendingen. Die letzte Klosterfrau, Gundisalve Utz, hielt noch 66 Jahre danach in den Klostermauern aus und starb 91 jährig erst im Jahre 1867. Ihren Lebensunterhalt fristete sie hauptsächlich mit der Herstellung von Kräuterschnäpsen aus dem Klostergarten und der Anfertigung von Seidenstickereien. Ihr Grabstein, früher auf Heiligkreuz neben denen von Sprißler und Blumenstetter, wurde jüngst hierhergebracht, an die Nordseite der Kirche. Das Außere der Kirche Die Kirche, 60 m lang, bildete den Nordflügel der ehemals vierflügeligen Klosteranlage. Im vorderen Teil sehen wir weit vorgezogene Strebepfeiler mit Gurtgesimsen auf halber Höhe und kleinen Giebeln beim Übergang zur Schräge. Im Westteil fehlen die Außenstreben, denn innen ist die Kirche durch eingezogene waagerechte Decken hinreichend gesichert. Dieser rücwärtige Teil ohne die Strebepfeiler wurde erst 1738 gebaut. Von der Nordseite führen zwei Eingänge ins Innere: der vordere für die Kirche, der hintere für das ehemalige Kloster. Über dem Eingang vorne stand ursprünglich eine Madonna mit Krone, die heute im Innern angebracht ist, jetzt ohne Krone, denn diese wurde der spätgotischen Madonna stilwidrig erst im Barock aufgesetzt. Über der hinteren Pforte sehen wir eine kleine Statue der hl. Ottilie, einer Dominikanerin, die die Patronin der Augenkranken ist. Sie war im Elsaß blind geboren, wurde von ihrem Vater verstoßen und hat nach der Taufe das Augenlicht erhalten. Auf dem Westteil des Daches sitzt ein schlichter Dachreiter mit Spitzhelm, in diesem zwei Glocken, 600 Jahre alt. Die Bettelorden durften sich ja den Luxus von hohen Kirchtürmen nicht leisten. Auch besaß das Kloster keine Kirchenuhr. Man orientierte sich später an dem Morgenläuten, das der Lehrer mit dem Glöcklein auf dem Rathaus besorgte. Vorne rechts schließt sich an die Kirche die Johanneskapelle mit der Sakristei an, vorne links die Gruft für die ehemalige Erbgrablege. Das Innere Bei der Betrachtung des Inneren möchte ich einige Erläuterungen zur Gotik vorausschicken. Gotisch heißt im Sinne der Italiener »barbarisch«, denn in Italien sah man diese Kunstrichtung als von den Goten, den Barbaren, herstammend an. Nachdem sich mit der Stauferzeit ein Wandel in Europa vollzogen und die geistige Mitte sich nach Norden verlegt hatte, entstand jenseits der Alpen die gotische Architektur, die als erste Entfaltung christlich-abendländischer Kultur gelten kann, und zwar zuerst in Frankreich. Gegenüber der Romanik, die mit Baukunst und Malerei beherrschend war - denken wir an die großen Freskenzyklen ottonischer Malerei auf der Reichenau - meldet nunmehr die Architektur mit steinernen Zeugen ersten Anspruch an. Die Plastik bleibt zunächst noch im Hintergrund und drängt in Deutschland erst später nach vorne. Genährt wird diese Stilrichtung von den Bettelorden, den Franziskanern, den Zisterziensern und den Dominikanern, die alle eine Hinwendung zur Gottessehnsucht in Gang setzen. Urzellen dieser Kunstrichtung bilden sich im 12. Jahrhundert in Frankreich mit Kathedralen von einmaliger Großartigkeit: in St.Denis (1140), Chartres, Reims, Amiens... Dort erlebt man eindrucksvolle Bauten mit mehrschiffigem Langhaus, teils mit Querschiff, in einer vollendeten konstruktiven Durchgliederung und in einer Uberwölbung der bis dahin meist ebenen Kirchendecke altchristlicher Basiliken. Der Geist dieser gotischen Kathedralen ist aus dem Verlangen einer Gottanschauung zu verstehen. Da dies real aber nicht möglich ist, soll dem Hergott auf Erden ein Himmelssaal errichtet werden, der sich nach oben ausweitet und dadurch den Eindruck von etwas Uberirdischem erweckt. Es war die glaubensbrünstige Zeit, ab welcher der Meßpriester die Hostie hochhielt und die ersten Fronleichnamsprozessionen gehalten wurden. Diese gehen übrigens auf die Bestrebungen des Dominikaners Thomas von Aquin zurück. Der Glaube verinnerlichte sich in der Mystik mit ihrer asketischen Grundhaltung, durch die man Gott unmittelbar zu erleben versuchte. Solche kontemplative Grundhaltungen findet man ja bei den meisten Religionen. Der Zug zum Metaphysischen sollte nunmehr auch die Kunst durchdringen; den Primat bekam die Baukunst, und zwar so stark, daß anfänglich die Skulpturen nur modifizierende Glieder der Architektur wurden. Gleichsam Atlanten oder Karyatiden stützen die Skulpturen die Architrave, oder sie werden als Freifiguren säulenartig dargestellt. Angedeutet hat auch der hl. Georg am Sakramentshäuschen die Rolle einer Stützfigur. Der gotische Stil ist durch hochstrebende Kraftlinien gekennzeichnet. In jeder Linie soll das himmelwärts strebende Drängen empfunden werden. Zu höchster Entfaltung kommt das Uberirdische dann, wenn leuchtende Farben der Fenster den Anschein von Jenseitigem erwecken, sobald sie den meist gedämpften Raum durchziehen. Mit dem Streben nach oben sind nun die Grundelemente gotischer Gestaltung gegeben: Strebepfeiler, Säulenbündel, Spitzbogen, Rippengewölbe und leuchtende Glasfenster. Sie bestimmen als technische Elemente sowohl die Raumproportionen als auch den ästhetischen Eindruck. Die Vielzahl von senkrechten Linien läßt schließlich die Flächen zurücktreten, manchmal ganz verschwinden, hier in Stetten noch nicht. Wenn man sich den Kölner Dom vorstellt, fragt man sich, wo eigentlich die Außenwände geblieben sind. In der vorausgegangenen Romanik mit den blockhaften Grundelementen und den ruhenden Massen war noch viel Fläche vorhanden, in der Szenen des Heilsgeschehens zur Darstellung kommen konnten. In der Gotik werden die Flächen, wo noch vorhanden, feingliedrig mit zahlreichen, in Stein gehauenen spitzbo- gigen Blendarkaden oder ebensolchen Blendfriesen durchstrukturiert. Alles ist in Bewegung und doch in strenger Ordnung. Die Künstler haben dies hier auch im Sakramentshäuschen deutlich gemacht. Dazu kommt die Feingliedrigkeit, die sich in den Wimpergen, in den Altargesprengen steigert und die Türme durchsichtig werden läßt. Die Linien der Pfeiler, der Rippengewölbe und der Verzierungen zaubern Kurvengebilde hervor, die Elemente sind und zugleich Kraft ausdrücken. Zum deutlicheren Erlebnis der verinnerlichenden Wirkung eines hochgotischen Raumes versuche man einmal, sich in Gedanken in einen der bekannten Dome oder eines der besuchten Münster zu versenken: Man ist ja schon einmal in Straßburg oder Köln, in Ulm oder Eßlingen gewesen oder ist in der Marienkirche in Reutlingen zuhaus oder kennt den schönen Hallenbau zum Heiligkreuz in Schwäbisch Gmünd oder die Michaelskirche von Schwäbisch Hall oder das fünfschiffige Überlinger Nikolaus-Münster. Zunächst empfindet man unendliche Ruhe, die zu besinnlichem Gespräch mit Gott einlädt. Während in der Romanik ein rächender Gott die menschliche Haltung bestimmte, ist nun das Bild des Weltenlenkers ein gnadenspendender Gott, zu dem sich der Mensch hingezogen fühlt. Daher allenthalben die zwingende Bewegung nach oben. Der Hinweis auf die genannten Bauwerke macht außerdem klar, daß sich die Gotik hauptsächlich nach Deutschland ausgebreitet hat. Bemerkenswert ist, wie man zu den Spitzbogen gekommen ist: Beim Halbrundbogen oder dem Tonnengewölbe der Romanik ist über zwei Pfeilern oder Wänden nur ein Bogen möglich und damit die Deckenhöhe festgelegt. Nimmt man aber zwei Viertelbogen mit veränderbarem Radius, so daß die Bogenteile ganz spitz oder auch weniger spitz zusammentreten können, so werden über zwei Wänden verschieden hohe Gewölbe möglich, oder können bei verschiedener Schiffsbreite Gewölbe gleicher Höhe aufgeführt werden, wie es bei mehrschiffigen Kirchen gelegentlich zu beobachten ist. Mit den Spitzbögen wird eine kühne Höhenentfaltung mit beachtlicher statischer Sicherheit möglich. Meist wird der Seitendruck noch durch Strebepfeiler abgefangen, manchmal auch durch freie Strebebögen, die sogenannten Schwibbogen, die z.B. über ein Seitenschiff nach innen führen. Man bedenke, daß Stetten die vielen Erdbeben vergangener Jahrhunderte heil überstanden hat. In die Füllmauern zwischen den Strebungen können nur noch schlanke hohe Fenster eingesetzt werden. Mit ihrem Maßwerk und den prächtigen Glasgemälden machen sie ein wesentliches Stück der Gotik aus. Die Themen der Glasmalereien enthalten meist in vielen Darstellungen Szenen aus der Heilsgeschichte, wobei der künstlerische Wert in der Zusammenschau der Zyklen zu sehen ist, wie bei einem Konzertstück, bei welchem sich das einzelne Instrument dem Ganzen einordnet. Die ursprünglichen Glasfenster der Gotik hatten zwischen den Farben konturierende Bleistäbe. Erst später trug man Schwarzlot direkt auf die Farben auf und schuf so die Illusion einer Tafelmalerei. Leider sind die Stettener Glasfenster, die als die ältesten im schwäbischen Raum und neben denen von Eßlingen zu den wertvollsten zählen, nach der Säkularisation herausgebrochen und auf die Zollerburg verbracht worden, wobei sie eine barbarische Zerstückelung erlitten haben. Wäre die Kirche damals in Gemeinde- oder Ordensbesitz gewesen, so wäre eine Entnahme und damit eine Verstümmelung unterblieben. Nach der Zerstückelung kamen Teile in das Schloß Stolzenfels, wo Kronprinz Friedrich Wilhelm ebenfalls restaurieren ließ; andere Teile kamen in das Hessische Landesmuseum nach Darmstadt, wieder andere in das Kerner Museum nach Weinheim, und schließlich sind ein paar Brocken in das 35 Der hl. Dominikus wird von Engeln gespeist. Um 1700 Schlößchen Lichtenstein gekommen; denn der Herzog von Urach weilte als Schwager von Fürstin Eugenie viel am Hechinger Fürstenhof. Möglicherweise hat auch die Aufstellung des barocken Hochaltars durch seine Verstellung der Glasfenster deren Wegnahme begünstigt. Die Einglasierung in die Michaelskapelle 1823 erfolgte beim Umbau der Reste der Zollerburg durch den Kronprinzen in eine romantische Ruine. Graf Stillfried, der geistige Bauherr der Zollerburg, hat damals ein Scherbenstück, mit dem Bild des Stifters, wie er das Kloster in Händen hält, dem Kronprinzen vermacht. Während des letzten Krieges wurden die Fenster zum Schutze vor Zerstörung ausgebaut und nach dem Krieg unter Hinzunahme von Kopien aus den verstreuten Teilen wieder eingesetzt. Das mittlere dreigliedrige Fenster enthält Szenen aus dem alten und neuen Testament, das linke solche aus der Passion, und das rechte Fenster ist ein Ornamentfenster. Heute stellen sie auf dem Zoller eine kunstgeschichtliche Attraktion dar. Die Maßwerkfüllungen des mittleren Chorfensters sind noch original. Immerhin ist hier noch etwas Unverfälschtes aus der Zeit vor 700 Jahren vorhanden: die klaren Verhältnisse einer dominikanischen Predigerkirche mit dem schlichten frühgotischen vierjochigen Chorraum und dem Kreuzgewölbe mit seinen birnstabförmigen Rippen. Dessen Schlußsteine verweisen auf einige Inhalte des Glaubens: der vordere Schlußstein auf Christus, der nächste auf das Lamm Gottes, der weitere auf seine segnende Hand und hinten ist der Kopf des Täufers zu sehen, des Kirchenpatrons. Bedenken wir, daß der Anfang der Kirche zugleich in die Gründungszeit des Straßburger Münsters fällt. Warum aber dort eine unbändige Fülle von Kraft und hier diese Schlichtheit? Der Grund hierfür braucht eigentlich nicht erläutert zu werden; denn hier galten die Bedürfnisse eines Bettelordens, der sich mit der Einschiffigkeit begnügte, um einen deutlichen Akzent für einen Predigerraum zu setzen. Außerdem hätten die kargen Finanzmittel eines Zollergrafen gar nicht für Säulenbündel und Mehrschiffigkeit gereicht. Die angesprochenen Münster konnten sich 36 auf den Opferwillen von tausenden freier Bürger stützen. Kurz: Die Stettener Kirche ist aus der Kargheit dominikanischer Bauweise zu begreifen, einer Mönchskunst, die gerade die Zeit um 1200 und kurz danach bestimmte. Das Verbot einer Bekrönung mit Türmen entsprach der asketischen Forderung nach Weltentsagung. Auch paßt die Anonymität des Baumeisters hier herein. Lediglich in den eingetieften Fensterlaibungen entdeckt man einige Steinmetzzeichen. Zur inneren Ausstattung Originales findet man hier im kostbaren Sakramentshäuschen, links vom Altar. Die nadeiförmig schlanke Steinmetzarbeit imponiert mit ihrer zarten Durchgliederung und kann als edles Kunstwerk der Spätgotik angesprochen werden. Man vermutet hinter ihm eine Reutlinger Schule aus dem 15. Jahrhundert. Auf dem gedrehten schlanken Schaft bauen drei Stockwerke auf, jedes einzelne mit Wimpergen, das sind die durchbrochenen Ziergiebel mit Maß- und Astwerk. Die Stockwerke sind dreiseitig. Im unteren befindet sich die Sakramentsnische mit dem hl. Georg als vorderem Pfeiler, im nächsten Christophorus und Johannes der Täufer und im dritten der hl. Sebastian, der zu den Pestheiligen zählt. Zur Entstehungszeit dieses Sakramentshäuschens hatten ja Pestwellen gewütet. Auch die Hechinger Pfarrei besitzt eine Sebastiansstatue, die wohl auf die Sebastiansbruderschaft zurückgeht, welche sich der Pflege von Pestkranken verschrieben hatte. In der Frühgotik waren die Figuren äußerst schlank und zart gebildet, beinahe säulengleich. Die strenge lange Gewandung reichte parallel gefaltet bis zum Boden, und der Kopf blieb meist klein und rund, so daß die Figuren naiv-schüchtern erscheinen. Hier sind die Statuen spätgotisch. Damals machte sich die Gotik eine Gestaltungsfreudigkeit zu eigen. Es entstanden Skulpturen mit stark diesseitiger Formensprache und einem kraftvollen inneren Ausdruck, wie wir sie aus den großartigen Schnitzaltären eines Veit Stoß aus Horb, eines Tilman Riemenschneider aus Heiligenstadt oder eines Peter Vischer aus Nürnberg kennen, alle mit einer faszinierenden Ausdruckskraft. Die Einzelfiguren sind nicht mehr symmetrisch sondern S-förmig gebogen und bewegungsreich. Hier bei Christopherus gibt der geöffnete Mantel den Körper frei und ist das Gesicht ausdrucksstark. Ganz typisch sind die geästelten Verschnörkelungen in den Wimpergen. Die Bewegung im ganzen wird dadurch verstärkt, daß die Figuren in den einzelnen Stockwerken nicht genau übereinanderstehen, da die Stockwerke gegeneinander verdreht sind. Noch eine Besonderheit: In den Ziergiebeln entdeckt man den spätgotichen Kielbogen, der wie ein umgekehrter Schiffskiel aussieht und die schlichte Form des Spitzbogens abwandelt. Uber dem Geäst über der Sakramentsnische sieht man auch, wie dieser Kielbogen entsteht: Bei zwei nebeneinanderstehenden Spitzbogen wird der mittlere Teil um 180 Grad nach oben geklappt, so daß die Linie von zwei gefalteten Händen bei gespreizten Ellbogen entsteht. Im Barock wird ja die Muschel über einer Nische ähnlich als Stilisierung von zwei nebeneinander gehaltenen segnenden Händen gedeutet. Zuletzt wäre noch auf den oberen Abschluß in Form einer Fiale mit Krabben und krönender Kreuzblume hinzuweisen. Gegenüber diesen gotischen Steinzeugen tritt der barocke Hochaltar zurück; er ist aus späterer Zeit. Seine Mensa stammt allerdings noch aus der Gründungzeit der Kirche (um 1280). Im Altarblatt erkennt man, wie die Muttergottes den Rosenkranz an den heiligen Dominikus reicht, der ihn an die vier Erdteile weitergibt, ein Gemälde des Augsburger Malers Josef Hartmann. Die Legende schreibt Dominikus die Einführung des Rosenkranzgebetes zu. Ganz oben ein Gemälde über Christus und die Ehebrecherin. Nach erzählender Uberlieferung soll früher hier ein Flügelaltar gestanden haben, der sich bei bevorstehendem Tod eines Angehörigen des Zollergrafen geöffnet habe und die Leute in Angst versetzt haben soll. ' (Schluß folgt) HERBERT RÄDLE Die lateinische Inschrift auf dem Grabmal Albrecht Speths in Neufra Pfarrer Manfred Hermann (früher Neufra, jetzt Ebringen) hat in seinem kürzlich erschienenen Buch über die Kunst im Landkreis Sigmaringen 1 auch das Epitaph des Ritters Albrecht Speth zu Neufra aus dem Jahr 1608 berücksichtigt. Er nennt den Grabstein, der sich im Chor der Neufraer Pfarrkirche befindet, mit Recht »einen der schönsten Renaissance-Epitaphe des Landkreises« (S. 162). 1. Wer war Albrecht Speth ? Bei H. Burkarth ist nachzulesen (S. 86-88), daß durch die Erbteilung der Spethschen Herrschaft im Jahre 1599 Neufra an einen der jüngeren Söhne Philipp Dietrichs, Albrecht Speth von Zwiefalten (1574-1608) kam. Neufra war damals mit 646 Leibeigenen der größte Ort der Spethschen Herrschaft, neben Gammertingen mit 621. Albrecht nahm am 29.Juli 1599 die Huldigung der Bevölkerung entgegen und ließ sich alsbald in Neufra nieder. Er kaufte der Gemeinde 1601 unter Schultheiß Hans Hänlin das Rathaus ab, quartierte dort den Pfarrer ein und übernahm selbst dessen Pfarrhaus nahe der Kirche. Dieses ließ er dann wahrscheinlich abreißen und in einen kleinen Herrensitz umbauen. Das heutige »Schlößle« stammt hingegen erst aus dem Jahr 1690 (Burkarth, S. 86). Was für ein Mann dieser erste in Neufra residierende Ortsherr war, wissen wir nur umrißhaft. Wichtig in unserem Zusammenhang ist, daß er 1603/04 daselbst eine neue Kirche 2 als Grablege für seine Familie baute, wo er als erster auch beigesetzt wurde. Denn er starb bereits 1608 im Alter von 34 Jahren. Sein Grabmal (Abb.) zeigt ihn als jungen Mann mit seiner hübschen Gattin Maria Anna von Rietheim. Diese - sie hat sich als kinderlose Witwe wahrscheinlich später wiedervermählt - stammte aus der Familie der Rietheimer (Sitz in Rietheim/Donaumoos), aus der besonders Veronika von Rietheim, 1521-1553 Äbtissin von Heiligkreuztal, eine große Bauherrin und energische Gegnerin der Reformation, bekannt ist 3 . 2. Die Inschrift Die Inschrift erinnert in ihrer Ausdrucksweise (Topik) an antike Vorbilder - wir befinden uns im Zeitalter von Renaissance und Humanismus! Dazu paßt auch die Erwähnung der Parzen (in Vers 6), die, wie es heißt, »den Lebensfaden kappen« 4 . Der scharfe inhaltliche Gegensatz Leben - Tod findet seine formale Entsprechung in einer Reihe harter Wortantithesen (risi - ploro; fui - non sum; v i x i - requiesco; saltavi - dormio; edi - esca sum). Wie in vielen antiken Grabgedichten spricht auch hier der Verstorbene den Vorbeigehenden an (Qui tu es, ego fui) und mahnt ihn, sich seiner Sterblichkeit bewußt zu sein. Auch der Versbau entspricht antikem Muster. Wie das antike Grabepigramm ist unsere Inschrift in elegischen Distichen gehalten. Die (daktylischen) Verse sind tadellos gebaut, auch die üblichen metrischen Einschnitte (Zäsuren) sind beachtet. Im jeweils zweiten Vers (Pentameter) weist der jeweils zweite Halbvers (Hemiepes) die Reinform (ohne Spondeen) auf, während der jeweils erste den Regeln der römischen Metrik entsprechend variiert (teils Daktylen, teils Spondeen). Aus metrischen Überlegungen ist daher in der dritten Zeile »nunc« zu tilgen, auch wenn es vom Sinn her mit Recht hineingesetzt erscheint. Der Text lautet dann (Betonungsakzente, die das metrisch korrekte Lesen der Verse erleichtern sollen, sind vom Bearbeiter gesetzt): Rísi ploro, fúi non súm, vixí requiésco, sáltaví, cecini, / dórmio térra tenét. Quí tu es nónne fui [nunc] pulvis fetidúmque cadáver? Edi, séd mea núnc / vérmibus ésca caróest. Gáudes lúgebís, rapit íncleméntia mortis, iám scindént Parcáe / póllice fila leví. Cérta diés non ést, multóest incértior hora, iám tibi mórs adstát / mórs metuénda. Cavé! Übersetzung: Ich lachte - ich weine. Ich war - bin nicht mehr. Ich lebte - ich ruhe. / Ich tanzte und sang. Jetzt schlaf im Schoß ich der Erde. / Was du bist, bin ich gewesen: Staub jetzt und stinkender Leichnam. / Einst aß ich wie Du, und nun ist Speise mein Körper den Würmern. / Du kannst Dich noch freun, doch Trauer und umbarmherziger Tod naht auch Dir. / Bald werden leichthin die Parzen 4 den Lebensfaden Dir kappen. / Unbekannt ist der Tag, noch unbekannter die Stunde. / Schon steht der Tod neben Dir, der schreckliche. Nimm Dich in acht. 37 Grabdenkmal des Albrecht Speth von Zwiefalten (1S74-1608) in der Pfarrkirche Neufra. Foto H. Burkarth. An dieser Grabinschrift eines christlichen Ritters fällt meines Erachtens auf, daß der Dichter Leben und Tod sozusagen rein heidnisch sieht. Der Tod erscheint als der große, der schreckliche Feind des Menschen. Sein Werk ist Zerstörung, seine Folge Zerfall. Mit keiner Silbe wird der Blick hinübergelenkt in das Jenseits, wo nach christlicher Uberzeugung neues Leben den Gläubigen erwartet. Einziges Motiv und Thema bleibt die Schutzlosigkeit und Hinfälligkeit des Menschen angesichts des Todes. In dieser Einseitigkeit der Sicht, die den Dichter auf jeden Trostgedanken verzichten läßt, liegt aber, so finde ich, gerade der herbe Reiz dieses lateinischen Gedichts. jeden Fall annehmen. Sonst wäre sie ja auch wohl kaum auf die Idee gekommen, ihrem Mann ein lateinisches Grabgedicht auf den Grabstein zu setzen! Wie dem auch sei - die hohe handwerkliche Qualität des Gedichts, vor allem im metrischen Bereich, spricht m. E. entschieden für einen »Profi« als Verfasser, wenn dieser auch für uns anonym bleiben muß. Anmerkungen 1 2 3. Verfasser 3 Uber den Verfasser des Epigramms kann man, denke ich, nur spekulieren. Weder der Ritter noch seine Frau kommen im Grunde dafür in Frage. O b sie überhaupt Lateinkenntnisse gehabt haben? Bei der Rietheimerin möchte ich dies - schon in Anbetracht ihrer Verwandtschaft mit der geistig so regen Äbtissin von Heiligkreuztal, Veronika von Rietheim - auf 38 4 M. Hermann, Kunst im Landkreis Sigmaringen: Plastik, Beuron (Kunstverlag) 1986, S.162f. Es handelt sich bei dieser in Renaissanceformen gehaltenen Kirche mit Staffelgiebelturm an der Nordseite des Langhauses um die Vorgängerin der jetzigen Neufraer Pfarrkirche, die 1860/61 erbaut wurde (Hermann, S. 162). Veronika wird auch die »Ander Stiffterin« von Heiligkreuztal genannt - wegen ihrer Bautätigkeit. Vgl. U. Engelmann, Heiligkreuztal, Beuron (Kunstverlag) 21983, S. 36-44. Die Parzen (griech. Moiren) sind die römischen Schicksalsgottheiten. Die eine, Klotho, spinnt den Lebensfaden, die zweite, Lachesis, teilt das Lebenslos zu und die dritte, Atropos, schneidet den Lebensfaden ab. ULRIKE K E R N Der Sigmaringer Maler Johann Fidelis Wetz ( 1 7 4 1 - 1 8 2 0 ) Ein Zeitgenosse des bekannten Meinrad v. Au aus Sigmaringen war der Maler und Portraitist Johann Fidelis Wetz, der ebenfalls aus Sigmaringen stammte und in Hohenzollern vornehmlich wirkte. Wetz stand sehr lange im Schatten v.Aus, der in Hohenzollern auf dem Gebiet der Malerei unbestritten das Feld behauptete. Erst nach dem Tode v. Aus stellten sich für Wetz größere Aufträge und damit Anerkennung in steigendem Umfange ein. Geboren wurde Johann Fidelis Wez (er schrieb sich erst später Wetz) am 19. September 1741 in Sigmaringen als Sohn des Hirschwirtes Johann Georg Wez und der Agathe, geborene Filser. Einen kurzen Lebenslauf gibt der Maler von sich als Selbstzeugnis auf der Rückseite eines Selbstbildnisses, das sich heute in Privatbesitz befinden muß: »Johann Fidelis Wetz, geboren in Sigmaringen anno 1741, den 19. September, ward zum Studium angehalten. Nach vollendeter Philosophie tratte er in den Franziskanerorden churbayr. Provinz, wo er nach 4 Monaten solchen verließ und dann im 19. seines Alters die Malkunst erlernte und im Jahr darauf reiste, sich sodann mit Müh und Anstrengung nährte. Dieses Portrait hat er selbst mit Beihilfe eines Spiegels gemalen anno 1802.« Eine weitere Quelle ist der Wahlspruch von J. F. Wetz, den man ebenfalls auf diesem Selbstportrait findet. Er zeigt die Liebe des Malers zu seinem Beruf und läßt ein wenig von der Leidenschaft erkennen, mit der er an seinem Beruf hing: »vita brevis, ars longa; ergo nulla dies sine linea.« (Kurz ist das Leben, lang die Kunst; drum keinen Tag ohne Pinselstrich). Wenn Wetz von sich sagt, daß er sich mit Mühe und Anstrengung nährte, so darf man dies wohl nur auf die Anfangsjahre seiner künstlerischen Tätigkeit beziehen, denn der Umfang seines Werkes zeigt doch, daß der Künstler im Laufe der Jahre, vor allem aber nach dem Tode Meinrad v. Aus, eine stattliche Anzahl von Aufträgen erhielt. Am Anfang seines künstlerischen Werdeganges gab es in jener Zeit fast nur die Möglichkeit, sich der Kirchenmalerei zuzuwenden. Doch nach 1780 wurden kaum noch neue Kirchen in Hohenzollern gebaut, bzw. es wurde in der Ausmalung der Kirchen weniger Geld ausgegeben. Aus dieser Zeit finden sich Werke von J. F. Wetz in den Pfarrkirchen in Boll (1781), in Thalheim (1788), in Sigmaringendorf (1819), in Hart und in Leibertingen. Stationsbilder von Wetz befinden sich in Veringendorf, in Storzingen, in Steinhilben und in Langenenslingen. Diese Langenenslinger Stationsbilder wurden im Rahmen der Renovierungsarbeiten an der St. Mauritiuskirche (1983) zur Renovation zum Restaurator gegeben. Wie ich jetzt erfahren habe, sind sie inzwischen fertiggestellt, befinden sich aber noch beim Restaurator. Die Apostelbilder, die sich früher ebenfalls in der Mauritiuskirche befanden, glaubte man verschollen. Als ich dann hörte, daß sich auf dem Dachboden des Pfarrhauses (neben der St. Konradskirche) noch alte Bilder befänden, schaute ich kürzlich, mit der freundlichen Erlaubnis des Ortspfarrers nach. Dort entdeckte ich dann die zwölf ovalen Apostelbilder, leider in recht desolatem Zustand. Den Beweis, daß diese Ovalbilder von Fidelis Wetz stammen, fand ich auf dem Bild des Hl.Paulus; es ist das einzige Bild, das signiert ist: »F. Wetz pinxit 1812«. Die Bildnisse sind als Brustbilder in dunklen Braun-Rot- und Ockertönen gehalten. Die Apostel sind mit ihren Insignien, wie z. B. der Hl. Simon mit Säge, dargestellt. Die Holzrahmen sind oval mit einem schmalen Goldstreifen und die oben befestigten Schilder mit den Apostelnamen sind leider bei einigen Bildnissen abgegangen. Nachdem ich die Apostelbilder gefunden hatte, suchte ich natürlich auch nach der entsprechenden Heiligenrechnung und der Quittung über die Stations- und Apostelbilder, um den Beweis der Urheberschaft Wetz's vollständig zu führen. Glücklicherweise wurde ich auch da fündig. Unter den Eintragungen der kirchlichen Unkosten »Auf Kirchen Ornata und Notwendigkeiten« fand ich zum 19. Mai 1813 folgendes: »Wetz in Sigmaringen für 14 Stationen und Apostelbilder zu malen: vom 22.may 1813 197 fl 24 x - . ferner sind noch 2 neue Stationen die Grablegung Christi und Erfindung des Hl. Kreuzes K. H . vom 18. may nebst anderen Arbeiten . . . . 22fl 5x.-«. Hl. Thaddäus Apostel, von J. Fidelis Wetz, Sigmaringen (1812) früher in der Mauritiuskirche in Langenenslingen. Foto S. Ehe. Auch die quittierte Rechnung mit der Aufstellung der einzelnen Posten konnte ich auffinden. Die offensichtlich von Wetz selbst geschriebene Rechnung beläuft sich über »... in der Pfarr-Kirche zu Langenenslingen bestimmten 14 Gemälden von der Leidens-Geschicht, wo von die Größe 2 fuß 3 zoll, die breite 1 fuß 7 zoll und eben so bildnisse der Apostlen, welche 3 fuß hoch und 2 fuß breit in ovalen Form...« Wetz berechnte für ein Stationsgemälde 6 fl und für ein Apostelgemälde »in lebensgroßen brustbildern mit Händen« 5 fl. Für einen Rahmen der Stationsgemälde mußte Wetz dem Schreiner 70 x-er und für einen ovalen Rahmen für die Apostelbil39 der l f l 12 x bezahlen und bei diesen Rahmen dem Maler zusätzlich 1 fl für den jeweiligen Goldrand. Mit diesen Kosten und noch einigen Nebenkosten, wie z. B. dem Geld für den Fuhrmann, beläuft sich die Rechnung auf 197 fl 24 x. Der Künstler unterschrieb die Rechnung mit »F. Wetz Maler«. Quittiert wurde der Erhalt des Betrages am 22. Mai 1813 und für Langenenslingen von Pfarrer Waldraff (1806-1816) gegengezeichnet. Doch neben den religiösen Gemälden des Künstlers entstanden auf dem Gebiet der Bildnismalerei weit bessere Werke, die wohl noch in einigen Sigmaringer Familien vorhanden sind. Bis in unsere Zeit erhalten blieben auch Skizzenbücher von Wetz, die 1955 vom Hohenzollerischen Landeskommunalverband und der Stadt Sigmaringen gemeinsam von einer Hamburger Kunsthandlung erworben worden waren. Als ich im Rahmen meiner Nachforschungen 1982 im Staatsarchiv in Sigmaringen auch nach diesen Skizzenbüchern fragte, wurde mir mitgeteilt, daß diese als vermißt gelten. Zufällig erfuhr ich jedoch kürzlich, daß diese Skizzenbücher, die anscheinend großartige Studien und Entwürfe enthalten, im Rathaus in Sigmaringen verwahrt werden. Der Rhein. Merkur schreibt in seiner Ausgabe vom 13.5. 1955 folgendes über die Skizzenbücher: »Die Skizzenbücher enthalten zahlreiche Studien in Kreide, Rötel und lavier Zeichnungen, deren Hauptteil auf der Italienreise des Künstlers entstanden ist; viele Blätter halten Gemälde und Ausschnitte aus solchen fest. Die Skizzenbücher erweisen Wetz als einen aus barocker Tradition gewachsenen, liebevoller Versenkung ins Detail fähigen Künstler von trefflicher Beobachtungsgabe und klarem sicherem Strich.« (Rhein. Merkur, 13. 5. 1955) Eines der beiden Skizzenbücher enthält auf der Innenseite des Einbandes laut Beschreibungen folgenden handschriftlichen Eintrag des Künstlers: »In diesem Buch sind zwar flüchtige, aber doch sehr nützliche Hinweise von malerischen Gedanken und Zeichnungen, wovon viele nach guten Entwürfen anderer Künstler und sehr vielen meiner eigenen Gedanken. Sollt dieses in nutzlose Augen und Hände verfallen, so wäre es jammer schade für die darauf gewandte Zeit und Mühe.« (Hohenz. Heimat, Jahrg. 56) Johann Fidelis Wetz, Maler und Portraitist, starb, vom Schlag gerührt, am 29. April 1820. An ihn erinnert in Sigmaringen noch die »Wetzstraße«. KARL W E R N E R STEIM Die Orgel der St. Mauritius-Kirche in Langenenslingen Im Jahre 1986 wurde die Orgel der barocken St. MauritiusKirche in Langenenslingen von der Firma Orgelbau Späth in Mengen-Ennetach restauriert. Es ist nicht bekannt, von wem die älteste Orgel dieser Kirche stammte. Uberliefert ist aber, daß der Hayinger Orgelbauer Urban Reiter im Jahre 1707 ein Positiv eingebaut hat. Der ebenfalls aus Hayingen stammende Ägidius Schnitzer erhielt dann 1737 den Auftrag für den Bau einer neuen Orgel, die wiederum im Jahre 1842 durch ein neues Werk von Josef bzw. Vitus Klingler aus Stetten bei Haigerloch abgelöst wurde, das heute noch vorhanden ist. Die St. Mauritius-Kirche war die alte Pfarrkirche von Langenenslingen. Ihr Turmschaft ist der Rest eines mittelalterlichen Baues. Gewisse Unregelmäßigkeiten und Strebepfeileransätze an den Langhausmauern lassen nicht nur vermuten, daß auch in ihnen ein mittelalterlicher Kern steckt, der durch einen Umbau von 1737 überdeckt ist; dies bestätigen auch Bauakten. Der Chor, das Glockenhaus des Turmes und die Sakristei sind damals neu errichtet worden. Positiv von Urban Reiter 1707 Zuerst wird im Jahre 1707 eine Orgel in den Kirchenrechnungen erwähnt, wenngleich die Kirche sicher schon früher eine Orgel gehabt hat. Damals kaufte man beim Hayinger Orgelbauer Urban Reiter ein Positiv für die Orgel, das 30 Gulden und 32 Kreuzer kostete. Der Einbau dauerte offenbar länger, erst 1710 kam der Orgelbauer zum Stimmen nach Langenenslingen. Kosten für den »Orgelmacher von Hayingen« finden sich auch 1720/21. Urban Reiter (*1672) war ein bekannter Orgelbauer. 1699-1701 baute er für die Zisterzienserinnen-Klosterkirche Wald eine neue Orgel mit acht Registern, 1713 erstellte er für die damalige Franziskanerinnen-Klosterkirche St. Luzen in Hechingen ein neues Orgelwerk in ein Gehäuse von 1589. Vermutlich ist Urban Reiter auch mit dem Orgelmacher aus 40 Hayingen zu identifizieren, der 1707 die Orgel in der Stiftskirche von Urach instandsetzte und umänderte. 1721 baute er für Laupheim eine neue Orgel. Nicht genau zu datieren ist die - wohl anfangs des 18. Jahrhunderts - von Reiter vorgenommene Vergrößerung der Stiftskirchenorgel in Buchau. Neue Orgel von Agidius Schnitzer Vom 13./20.Mai 1737 ist der Vertrag über den Bau einer neuen Orgel mit sechs Registern zwischen der Kirchenpflege Langenenslingen und »Egidio Schnitzer, Orgelmacher zue Hayingen« (Werkstatt-Nachfolger von Urban Reiter?) datiert. Festgelegt wurde folgende Disposition: »Als erste Princibal ins Gsicht (= Prospekt) von Zin 4 Schuhe, 2do ein Quint 3 Schue von Zin, 3tio ein Sup: Oct: (= Super Oktav) 2 Schue von Zin, 4to ein Mixtur 4fach die gröst von 2 Schue von Zin, 5to ein Coppel von Holz 8 Schue Thon, 6to ein Flauten (= Flöte) von Holz 4 Schue Thon offen. Item ein topleter Subpahs (= Subbaß), die gröst von 16 Schue Thon. In das Pedal mit 9 Claves (= Tasten), vnd wird mit doplete Claves in das Manual eingedragen.« Ferner wurde verabredet, daß der Orgelmacher das Werk samt Orgelkasten, Schlosserund Bildhauerarbeit und allen erforderlichen Materialien auf seine Kosten beizuschaffen habe. Die Kirchenpflege Langenenslingen müsse jedoch die Orgel auf ihre Kosten abholen, »vnd solle das werckh in perfecten Chorthon eingerichtet sein«. Für die Orgel hatte die Pflege 200 Gulden in Raten zu bezahlen. Davon waren zu Vertragsbeginn 30 Gulden fällig, 50 Gulden bei kompletter Herstellung, 50 Gulden an Weihnachten darauf, 50 Gulden wenn das Jahr vorbei ist und 20 Gulden als Rest. Der Orgelvertrag wurde am 27. Mai 1737 von der Fürstl. Hohenz. Kanzlei in Sigmaringen genehmigt. Agidius Schnitzer aus Hayingen war ein sehr erfahrener Orgelbauer. Zehn Jahre vor seinem Werk in Langenenslingen lieferte er in die Augustiner-Chorfrauenstiftskirche in Inzigkofen eine neue Orgel für 490 Gulden, die er 1741 auseinandernimmt, stimmt und mit dem weiteren Register »Vox humana« versieht. Zehn Jahre nach seinem Werk in Langenenslingen stellt er in Biberach eine neue Orgel auf (1775 durch Blitzschlag zerstört) und im gleichen Jahr 1747 eine 17 Register zählende Chororgel in Schussenried. 1746/47 hatte der »Orgelmacher von Hayingen« (Agidius Schnitzer) die Orgel in Langenenslingen »zu versetzen und änderst einzurichten«, wofür er 31 Gulden und 3 Kreuzer bekam. Zehn Jahre später muß bereits wieder eine größere Reparatur vorgenommen worden sein, denn in den Kirchenrechnungen steht, der »Orgelmacher« habe sich 14 Tage im Pfarrhof aufgehalten. Knapp 100 Jahre später befaßte man sich in Langenenslingen mit dem Bau einer neuen Orgel. Voraus ging eine Vergrößerung der Orgelempore. Im April 1840 steht in einer Ausschreibung: »Mit Ermächtigung Fürstlicher Landesregierung wird zum Behufe der Aufstellung einer neuen Orgel in der Pfarrkirche zu Langenenslingen deren Emporkirche vergrößert werden. Die Kosten dieser Vergrößerung sind auf nachstehende Weise berechnet: Maurerarbeit 373 fl. (= Gulden) 10 kr. (= Kreuzer), Steinhauerarbeit 73 fl. 54 kr., Zimmerarbeit 489 fl. 8 kr., Schreinerarbeit 147fl., Schlosserarbeit 47 fl., Glaserarbeit 9 fl., Anstreicharbeit 72 fl. 46 kr., Summa 1211 fl. 58 kr. Alte Orgel wurde verkauft Erstmals im September 1842 ausgeschrieben wurde der »Verkauf zweier Altäre, ihrer Altarblätter und der bisherigen Orgel der Kirche zu Langenenslingen« vom Fürstl. Oberamt Sigmaringen. Aus der Beschreibung erfahren wir die damalige Disposition der Orgel: »1 Orgel mit nachbemerkten Bestandtheilen. Das Ciavier mit 54 Tasten von c. bis f. noch brauchbar, 1 Pedal mit 18 Tasten in Stücken, die ManualLade in 2 getheilt, zu 9 Registern eingerichtet, und 72 Ventillen, noch in gutem Zustande, 1 Pedallade zu 2 Registern und 18 Ventillen; der Mechanismus sowohl der Register als der Spielmechanik ist ganz vorhanden, jedoch mangelhaft, 3 Blasbälge, jeder 7Vi lang, 3/4' breit nebst den dazu gehörigen Kanälen, jedoch theilweise mangelhaft; das Holz- pfeifenwerk in einem Pedal- und 3 Manual-Registern bestehend, als Subbaß, 16' gedekt, Posaune 16 Fuß gedekt, Coppel 8' und Flöte 8' offen, in geringem Zustande, das Zinnpfeiffenwerk, nemlich Principal 4', Octav 2', Quint VA', Gamba 8', die Tiefe von Holz, Mixtur 1' 3fach; diese Register haben zusammen 440 Pfeifen, jedoch in fast unbrauchbarem Zustande. An dem Gehäuse nach altem Baustiele sind nur noch die Kränze und einige Verzierungen brauchbar; Schäzung 80 fl.« Da der Verkauf von Altären und Orgel vom Fürstl. Oberamt Sigmaringen nicht genehmigt wurde, erfolgte im November 1842 eine erneute Ausschreibung. Kaufmann Franz Müller aus Langenenslingen erwarb die Orgel am 28. November 1842 für 10 Gulden und 6 Kreuzer. Es ist leider nicht bekannt, ob sie später noch einmal in eine Kirche gelangte. Der aus Langenenslingen stammende Chordirektor und Redakteur Michael Lehmann erinnerte sich 1902 noch an die alte Orgel: »Die Zuschrift >Vom Biberbach< im letzten >Zoller< hat in mir, der schon im Jahre 1843 zum erstenmal Abschied von seiner Heimat genommen hat, einige Erinnerungen aus früherer Zeit wachgerufen. In damaligen Tagen heulte und pfiff noch ein gebrechliches Orgelwerk in der >alten Pfarrkirche< zu Langenenslingen, in der ich schon wegen meiner ausgiebigen hellen Altstimme und wegen meiner Treffertigkeit als Singknabe auf dem Chor Verwendung fand. Es war kein Luxus, daß in dem Gotteshaus ein neues - übrigens kein mustergültiges - Orgelwerk aufgestellt wurde, an dem ich meine Freude hatte, und das ich als Schulamtslehrling traktiren durfte...« Orgel von Josef und Vitus Klingler Am 21. April 1840 wurde der Vertrag über die Lieferung einer neuen Orgel vor dem Oberamt in Sigmaringen mit dem Orgelbauer Josef Klingler aus Stetten bei Haigerloch abgeschlossen. Vorausgegangen war ein entsprechender Beschluß der Fürstlichen Landesregierung. Als Sachverständiger zog man Professor Feßler von Sigmaringen zu. Zugrundegelegt wurde die (leider nicht überlieferte) Disposition samt Vertrag vom 17. April 1840, ein früherer Entwurf vom 8. Dezember 1832 wurde nicht berücksichtigt. Es sollte »zur Verbeßerung der Orgel die Pedal-Quinte des früheren Anschlages in den Oktavbaß verwendet werden.« Die Kosten wurden mit 1500 41 Gulden vereinbart, die in drei Raten - 500 Gulden bei Beginn, 100 Gulden während der Aufstellung und der Rest mit 900 Gulden nach der Abnahme durch einen unparteiischen Sachverständigen - zu zahlen waren. Klingler hatte eine Gewährleistung von 10 Jahren zu leisten. Weiter festgelegt wurde, daß die »Ornamente der Orgel« nach den Handzeichnungen des Baukandidaten Laur (späterer fürstlicher Baudirektor in Sigmaringen) vorzunehmen waren. Die Orgel sollte vertragsgemäß bis zum 1. August 1841 aufgestellt und durch einen Sachverständigen abgenommen werden. Die tatsächliche Ausführung verzögerte sich freilich bis ins Jahr 1842. Im Januar 1843 erhielt Josef Klingler die letzte Zahlung. Musikdirektor J. A. Seitz, Orgelbaurevident aus Reutlingen, hatte am 9. November 1842 die Orgel überprüft und noch gewisse Nacharbeiten verlangt, die auch ausgeführt wurden. Vorausgegangen war übrigens eine Erweiterung der Orgelempore, um für die Aufstellung der neuen Orgel mehr Platz zu bekommen. Diese bedeutende Baumaßnahme wurde vom Sigmaringer Werkmeister Sauter im April 1843 mit insgesamt 1495 Gulden abgerechnet, war also fast so teuer wie die Orgel selbst. 1952 ließ der damalige Pfarrer Wilhelm Ruff eine Renovierung der Orgel vornehmen, wobei der Landeskonservator für Hohenzollern erklärte, sie stehe wegen ihres Alters und ihrer Eigenart unter Denkmalschutz, eine Renovation sei dementsprechend durchzuführen. Bei der Kirchenrenovation 1979 bis 1983 wurde die Orgel schwer beschädigt, so daß eine neuerliche Instandsetzung notwendig wurde. Als die Orgel Anfang des Jahres 1986 von der Firma Orgelbau Späth in Mengen-Ennetach restauriert wurde (die alten Orgelteile wurden repariert und überholt, das alte Pfeifenwerk ebenfalls beibehalten, gereinigt, überholt und - soweit erforderlich - ergänzt) stieß man auf die Inschrift »1842 Vitus Klingler«. Bekanntlich war aber der Orgelbau mit »Josef« Klingler verabredet worden, der auch die Zahlungen entgegennahm. Vermutlich wurde die Orgel von beiden Brüdern gemeinsam oder im wesentlichen von Vitus Klingler fertiggestellt, offizieller Ausführender war aber nach den Rechnungen Josef Klingler. Beide stammten ursprünglich aus Hart bei Haigerloch. Vitus Klingler war hauptsächlich im dortigen Raum tätig gewesen und eröffnete dann 1843 in Ennetach bei Mengen eine Firma, die er dort bis zu seinem Wegzug im Jahre 1862 betrieb. 1844 war Alois Späth zu ihm in die Lehre getreten, der sich dann 1862 selbständig machte. Josef Kling- ler ist mindestens seit 1828 als Orgelbauer und Instrumentenmacher in Hart nachweisbar. Nach seiner Verheiratung verlegte er im Jahre 1836 das Geschäft nach Stetten bei Haigerloch. Die Orgel hat heute folgende Disposition, die vollständig auf Klingler zurückgehen dürfte: Manual C - a3 Principal 8' (zum Teil im Prospekt), Dolce 8', Coppel 8', Gamba 8', Flöte 8', Oktave 4', Gemshorn 4', Traversflöte 4' (nicht überblasend), Quinte 22A', Flageolett 2', Mixtur 4fach 2'. - Pedal C-c 1 : Subbaß 16', Violon 16', Oktavbaß 8', Quintbaß 6', Posaune 16' (durchschlagend, sehr kurze Holzbecher), Pedal Koppel, Windablass. Wenn man die Disposition der heutigen Orgel mit der aus der Barockzeit vergleicht, fällt eine große Ähnlichkeit auf. Die Orgelbauer Klingler waren in ihrer Orgelbauweise offenbar noch stark dem Barock verhaftet. Zwar wurde die Klinglersche Disposition wiederhergestellt, doch wäre auch eine Rekonstruktion als »Schnitzer«-Orgel möglich gewesen. Die Frage, ob die heutige Orgel noch mit der alten »blutsverwandt« ist, wird der Gutmütige bejahen, der Kritische wird fragen, ob sie gut klingt. Wenn ja, darf auch der Name Klingler nicht versteckt werden, wie der inzwischen verstorbene langjährige Beuroner Organist und Orgel-Kenner P. Corbinian Gindele dem Verfasser schrieb. Quellen Staatsarchiv Sigmaringen, Dep. 39 (Fürstl. Hohenz. Haus- und Domänenarchiv, Veringen, 79,5) Pfarrarchiv Langenenslingen: Kirchenrechnungen Fürstl. Fürstenbergisches Archiv Donaueschingen: Bestand Ecclesiastica 128 Verordnungs- und Anzeige-Blatt für das Fürstenthum Hohenzollern-Sigmaringen, Nr. 14 vom 5.4.1840; 1842, S. 378; Nr. 45 vom 6.11.1842 Der Zoller (Hechingen) Nr. 186 vom 2.12.1902; Nr. 187 vom 4.12.1902 Literatur Gemmer, Walther (Hrsg.): Die Kunstdenkmäler Hohenzollerns. Zweiter Band, Kreis Sigmaringen. Stuttgart 1948 Kern, Ulrike: Die Pfarrkirche St. Mauritius in Langenenslingen und ihre Künstler. Langenenslingen 1983 Steim, Karl Werner: Die Orgel der St. Mauritius-Kirche in Langenenslingen. In: Schwäbische Zeitung, Ausg. Riedlingen, Nr. 90 vom 18.4.1987 Völkl, Helmut: Orgel n in Württemberg. Neuhausen 1986 WOLFGANG HERMANN Reinhart von Neuneck Ein adeliges »Dienerleben«• der deutschen Renaissance * Von den Jahren des Sturm und Drang bis zur Ergebung in den Fürstendienst 1497-1504 weise im Bezugsfeld der Familien von Neuneck und von Allmanshofen um 1497 deutlich und quellenmäßig belegbar 3 . Von allen Männern seiner vielgliedrigen und weit zurückreichenden Familie ist Reinhart der bemerkenswerteste Vertreter geworden. Mit ziemlicher Sicherheit gibt Ottmar sein Geburtsjahr mit 1475 an 1 . Urkundlich trat unser Adeliger zwischen 1498 und 1551 auf 2 . Über den Vater wurde er schon frühzeitig in hochadeligen Kreisen bekannt. Die Beziehungen zu den übrigen niederadeligen Familien in Württemberg und den angrenzenden Territorien waren von vielfältiger Art, wobei Spannungen nicht ausblieben. Diese wurden beispiels- Die niederadlige Familie von Allmanshofen zählte zu einem ritterbürtigen Geschlecht, das in der Baar und an den Quellflüssen der Donau im 13. Jahrhundert begütert war. Heinrich, Hans, Hans-Haug und Conrad gehörten 1392 der Gesellschaft zum St. Jörgenschild an. 1409 wurde Hans durch die Grafen von Fürstenberg mit dem halben Dorf Unadingen und drei Höfen in Gutmadingen belehnt. Außer diesen Lehen trugen die von Allmanshofen noch solche der Grafen von Zollern, von Württemberg, von Werdenberg, von Sulz und von Lupfen. Ihre Grablege war vorzugsweise im Kloster Neidingen, in welches zahlreiche Töchter eintraten. 1489 verkauften die drei Brüder Heinrich, Hans Ulrich und Georg die Neuenburg und das Dorf Bachheim an der Gaucha (ein Seitental der Wutach) an Reinhart von Neueneck 4 . Eine Studie. Mit der ausführlichen Biographie Reinharts von Neuneck befaßt sich bereits seit langer Zeit Dr. Johann Ottmar. 42 Hans d. Ä., Reinharts Vater, war mit Anna von Allmanshofen verheiratet 5 . Sie war die Schwester der obengenannten Brüder. Hans Ulrich hatte Richardis von Reischach geheiratet, und Georg nannte sich zu Hüfingen 6 . Helena von Allmanshofen war eine Base von Reinhart und seinen Brüdern von Neuneck. Dieses Mädchen wurde 1509 Nonne in (Heiligkreuztal 7 ). Georg von Allmanshofen war also Reinharts Onkel und Schwager des Vaters Hans von Neuneck. Zwischen den Jahren 1474 und 1509 erfolgten in der Familie von Allmanshofen verschiedene Erb- und Vermögensabsprachen 8 . 1474 bevollmächtigten Heinrich und Jörg von Allmanshofen ihren Bruder Hans Ulrich, die gemeinsamen und ungeteilten Besitzungen zu verwalten. Damit war er auch ermächtigt, die Schwester Anna mit Gütern und Einkünften auszustatten, als sie Hans von Neuneck heiratete. Noch im Jahre 1475 schien Hans Ulrich nicht verheiratet gewesen zu sein. Am 12. Juni handelten die Brüder einen Vermögensvertrag untereinander aus und verglichen sich. Angelpunkt ihres Vertrages war, ob Hans Ulrich »ain wibe nach siner gepurde« nähme. Stürbe Hans Ulrich ohne Leibeserben, so fielen Schloß, Mühle und Tagwerkdienste an seine Brüder heim. Zunächst galt aber diese Bestimmung: Wenn Hans Ulrich heiratet, erhält er Schloß Neuenburg, die dortige Mühle und die Tagwerkdienste des Dorfes Bachheim. Sollten die Brüder sich trennen wollen, würde das väterliche Erbe geteilt. Es hat den Anschein, daß dies später auch geschah. Heinrich von Allmanshofen hatte vor dem Jahre 1489 ein Testament gemacht, welches er am 15. Oktober 1489 vor dem Landgericht in der Baar, wo er dieses auch aufgerichtet hatte, widerrief 9 . Die Begründung lautete, daß seine Schwester Anna zu wenige Güter bei ihrer Verheiratung erhalten hatte. Sie sollte daher nach seinem Tode die eine Hälfte seines Gutes, der Bruder Georg die andere Hälfte erhalten. Am 1. Dezember 1489 bereits übergab Heinrich vor dem Hofgericht zu Rottweil seiner Schwester bzw. deren Mann, damals Vogt zu Balingen, sein Gut, »wofür sie ihn (Heinrich) sein Lebtag in Essen, Trinken, Kleidern und aller Notdurft erhalten sollen«. Es fragt sich nun, ob Heinrichs Bruder Georg entsprechend dem Versprechen vom 15. Oktober gerecht bedacht worden war. Hans Ulrich starb möglicherweise noch 1489. Zu dieser Annahme gelangt man deswegen, weil man erfährt: »Darnach hat die Nuwburg mit ir zugehörd Reinhart von Nunegk an statt sin und siner bruder im 1489. jar als erkofft umb ir swager.« Reinhart schien diesen Besitz nicht allzulange behalten zu haben, denn das Fürstenbergische Urkundenbuch fährt fort: »...Darnach hat Hannß von Almßhoffen (zu Immendingen) die an sich gekofft und empfangen undsin sune Philips von Almßhoffen die umb 1600 fl. ungeuarlich her Conradten von Schellenberg zu koffen gegeben« 10 . Was war geschehen? Der Anlaß war eine Heirat oder ein erpresserischer Versuch von Hans d.A. und seinem Sohn Reinhart, als sie die Frau Georgs von Allmanshofen entführten! Man stelle sich vor, die Neunecker entführten die Frau des Schwagers bzw. des Onkels. Die unbekannten Gründe mußten schwer wiegen. Obwohl Wilhelm von Gundelfingen von seinem »Vetter Georg« sprach, konnte kein Verwandtschaftsgrad festgestellt werden n . Die Aufregung des Richters von Gundelfingen ist daher von seiner Stellung als Hoheitsträger verständlich. Demnach mußte die Entführung innerhalb seines Gerichtsbezirks stattgefunden haben, vielleicht in Villingen selbst. Die Gründe für die Handlungsweise der Neunecker können in vermögensrechtlichen Mißhelligkeiten gelegen haben, und die Testamentsbestimmungen vom 1. Dezember 1489, welche Heinrich von Allmanshofen erlassen hatte, waren von Georg durchkreuzt worden. Ein anderer Gedanke bleibt eine Spekulation. Wenn wir uns nicht den Vermögenswerten zuwenden, sondern der entführten Frau, könnte folgendes geschehen sein: Reinhart und sein Vater hatten eine junge Frau ausersehen, die sich mit dem Sohn verbinden sollte. Georg von Allmanshofen kam als älterer Rivale Reinhart durch Heirat mit eben dieser unbekannten jungen Frau zuvor. Die beiden Neunecker, die sich getrogen sahen, handelten. Dieser Gedankengang würde eine Erklärung dafür abgeben, daß Reinhart von Neuneck Zeit seines Lebens keine Ehe führte, sondern nur ein Verhältnis mit Anna Schmid, seiner Dienerin, hatte. Mit ihr zeugte er auch eine Tochter namens Barbara, die er in seinem Testament großzügig bedachte 13 . In gleichem Sinne würde auch verständlich, weshalb Hans von Neuneck 1501 bei Bruder und Provinzial des Predigerordens (Dominikaner), Peter Syber, bewirkte, daß er, seine Ehefrau und ihre Kinder »theilhaftig aller guten Werke (Gebet, Fasten etc.), die im gen. Orden verrichtet werden«, sein würden 1 4 . Die Entführung, die stattfand, mag Beweis genug für die trotzige und kämpferische Fehdehaltung Reinharts gewesen sein. Es zeigte sich daran, wie wenig der Reichstag von 1495 zu Worms, auf dem unter anderem der ewige Landfrieden verkündet und das Fehderecht gänzlich aufgehoben worden war, von der Ritterschaft und auch Teilen des schwächeren landesherrlichen Adels beachtet wurde. Voraussetzung für die Gewährleistung des Landfriedens wurde die Schaffung einer höchsten Rechtsinstanz: Es wurde das Reichskammergericht geschaffen 15 . Was aber die Ritterschaft besonders beunruhigte war die Wegnahme eines Elements ihrer Identität, was sie in gewisser Weise entmündigte und außerdem noch an »Schreiberlinge« verwies. Reinhart und sein Vater waren nicht gewillt, dieses neue Recht anzuerkennen. Damit stellten sie sich gegen den Kaiser und die Reichsstände, welche dieses neue Recht geschaffen hatten. Noch etliche Jahre später verblieb Reinhart in dieser Opposition, wie wir sehen werden. Deutete sich in dieser Handlungsweise nicht schon der künftige Lebensweg Reinharts an, der allen Einsatz an Mut, Schlauheit und Beharrlichkeit erforderte? Das Jahr 1497 war nun ein konfliktreiches Jahr, und die Ursachen liegen im dunkeln. Die Quelle im Stadtarchiv Villingen berichtet über einen Prozeß, in dessen Mittelpunkt Wilhelm von Gundelfingen stand 11 . Dieser bekleidete 1497 Georg von Allmanshofen, der Adressat in jener Fehde, wurde ein hohes Richteramt in der Stadt. Am 5. Dezember 1497 vielleicht auch nicht glücklich, da er, wie es sich 1509 zeigte, wurde der Vorwurf erhoben, daß Wilhelm seine richterliche resignierte. Georg ließ sich ein Leibgeding in Höhe von Gewalt überzogen und die Folter zu schnell und zu streng jährlich zehn Gulden verschreiben. Wir wissen nicht, ob er in angewandt hätte. Außerdem hätte er die Angeschuldigten zu ein Kloster eintrat, was man allerdings vermuten könnte. Am rasch dem Henker überliefert. Aus Schilderungen des Wil- 27. Februar 1509 beurkundete Graf Eberhart von Nellenhelm von Gundelfingen nun, die mit seinem Prozeß eigent- burg, daß »Georg von Almshofen auf den ihm von seinem lich nichts zu tun hatten, werden vorausgegangene Konflikte Bruder Heinrich vermachten Gutsanteil zu Gunsten seiner des Hans und Reinhart von Neuneck mit Georg von All- Schwestersöhne Rienhard, Wildhans und Hans Oswald von manshofen ersichtlich. Auf beide Neunecker hegte der Villin- Neuneck verzichte, da diese ihm dafür jährlich 10 fl. und ger Richter einen erheblichen Groll, und sein Zorn auf diese seines Bruders Ulrich sei. Tochter Helena von Almshofen, hätte ihm die Selbstkontrolle genommen. So sinngemäß die Klosterfrau zu Heiligkreuztal, jährlich 8 fl., je lebenslang, als Leibgeding zu geben versprochen haben« Aussage Wilhelms. 43 Die neuneckischen Erbverträge von 1515 berührten jenen Punkt über die Zahlung der Leibgedingsbeträge. Dabei entnimmt man die auffällige Bestimmung, daß Reinharts Brüder Hans Oswald und Wildhans je fünf Gulden zum Leibgeding für Georg von Allmanshofen bezahlten - und nicht Reinhart. In seiner Quellenwiedergabe bezeichnete Johann Adam Kraus diesen Georg von Allmanshofen als Vetter - so wird der Ausdruck in der Quelle auch lauten - und nicht als Onkel der drei Brüder 17 . Diesen Erbverträgen zufolge zahlte Reinhart an seine Base Helena 12 fl. und seine Brüder je 3 fl. 20 kr. für deren Leibgeding. 2. Die Karriere Reinharts von Neuneck im Dienst bis zum Ausbruch des Bauernkrieges a) E r p r o b u n g s j a h r e landesherrlichen in Deutschland 1499-1503 In hochadeligen Kreisen trat Reinhart von Neuneck (bereits ?) mit etwa 20 Jahren auf, als er der Erhebung Württembergs zum Herzogtum unter Graf Eberhart dem Alteren während des Reichstags zu Worms 1495 beiwohnte. Mit dem Grafen von Württemberg waren vor Kaiser Maximilian 51 Edelleute erschienen, in deren Gefolge sich der junge Neunecker befand 18 . Anzunehmen ist, daß Hans von Neuneck seinen Sohn dorthin mitnahm, um diesen während der Festlichkeiten dem Kaiser vorzustellen. Gleichzeitig ließen sich mit dem frisch ernannten Herzog klärende Gespräche führen, um Reinhart in den Dienst für Württemberg aufzunehmen. 1499 trat Reinhart dann auch in herzogliche Dienste gegen Jahrgeld von 40 Gulden ein 19 . Die Empfehlungen des Vaters hatten den Herzog wohl überzeugt, vielleicht hatte sich der »Streich« von Villingen herumgesprochen und einen Grund für die Anstellung bei Württemberg geliefert. Bald ging Reinhart von Neuneck jedoch andere Wege. Einige Jahre danach schloß er sich dem Herzogtum Bayern an. Dies geht aus einem Bericht des Junkers hervor, in welchem ersieh zu den kriegerischen Ereignissen zwischen dem Grafen Hugo von Werdenberg und den Freiherren von Zimmern im Jahr 1503 äußerte. Diesem »Bekenntnis Reinharts von Neuneck« zufolge zählte er zu Jörgs, des Herzog in Nieder- und Oberbayern, »seyner gnaden hoeffgesindt« 20 . Durch die Perfidie des Grafen Hugo von Werdenberg, in dieser Weise drückt sich die Zimmersche Chronik aus, war die Herrschaft Meßkirch 1488 an den Werdenberger Grafen durch Kaiser Friedrich III. übergeben und Freiherr Johann Werner von Zimmern in die Reichsstadt gestoßen worden 21 . Da sämtliche Rechtsmittel und Bemühungen, die der Herr von Zimmern versuchte, fehlschlugen (auch vor dem Reichskammergericht), entschloß er sich zur Rückeroberung seiner Herrschaft Meßkirch. Die Vorbereitungen, die 1503 abgeschlossen waren, standen unter einem günstigen Stern, denn Pfalzgraf Philipp zu Rhein und Herzog Georg in Bayern unterstützten Johann Werner von Zimmern. Die Besprechungen wurden am Hof in Heidelberg geführt. Reinhart bekam die Rolle eines Verbindungsmannes nach Bayern, von wo er auch etliche Reiter und Fußvolk herbeischaffen sollte. Die Ausführung jenes Auftrags war nicht leicht, da sie in aller Stille und Heimlichkeit geschehen mußte. Dies gelang auch, und Reinhart von Neuneck überschritt im September die Donau und führte einen Wagen mit Büchsen, Blei und Pulver zur Burg Kallenberg im Donautal 2 2 . Viele Ritter und Junker aus dem Raum des Ostschwarzwaldes beteiligten sich am Zug nach Meßkirch: Jakob von Neuneck, Hans von Brandeck, Wilhelm von Weitingen, Wilhelm Brackenlerer und Wildhans von Neuneck. Reinhart hatte 36 Pferde (und Reiter) zugeführt, Wilhelm von Rechberg 43. Insgesamt war man auf zirka 130 Reiter gekommen 2 3 . Da sich während dieser Monate der König Maximilian, die Grafen von Zollern und Fürstenberg am Hofe zu Innsbruck 44 weilten 24 , gelang die Einnahme der Stadt Meßkirch ohne hinzutretende politische Verwicklungen 25 . Am 17. September 1503 huldigten die Bürger von Meßkirch ihren angestammten Herren 2 6 . Schließlich brachte der Reichstag von Augsburg 1504 die Beilegung des Streits, und ein Vertrag vom 9. März dieses Jahres, den König Maximilian verkündigte, bestätigte die alten zimmerischen Rechte, wobei dem Grafen von Werdenberg eine Ausgleichszahlung über 2000 Gulden geleistet werden mußte 2 7 . b) T r e u e u n d B e w ä h r u n g 1504-1521 Pfalzgräfin Elisabeth und Friedrich II., Pfalzgraf und Vormund von Ottheinrich und Philipp Reinhart schien bei der Pfalzgräfin Elisabeth Gefallen gefunden zu haben, denn diese, Mutter von Ottheinrich und Philipp, berief den Neunecker 1504 an den pfälzischen Hof. Sie war eine Tochter Herzog Georgs des Reichen von Niederbayern und hatte 1499 Ruprecht, den Bruder des pfälzischen Kurfürsten Ludwig V. (1478-1544) geheiratet. Elisabeths Gatte verstarb 1504. Ihr Schwager war Friedrich II. 28 , dem Reinhart in den späteren Jahren als Hofmeister diente 29 . Prunkvoll und berühmt war die Hochzeit Georgs des Reichen mit Hedwig von Polen 1475, die heute noch als die Landshuter Fürstenhochzeit festlich begangen wird. Außer seiner Tochter Elisabeth hatte er keine männlichen Erben, weswegen seine Linie ausstarb. Der Landshuter Erbfolgekrieg (1503-1505) brach aus, da Georg dieses Erbe seinem Schwiegersohn Rupprecht, entgegen den Hausverträgen der Wittelsbacher, verschrieb 30 . Georg der Reiche starb am 1. Dezember 1503 in seiner Stadt Landshut. Elisabeth und Reinhart waren im gleichen Alter, vielleicht miteinander bekannt. Jedenfalls wußte die Pfalzgräfin, wen sie am 24. August 1504 nach Heidelberg berief: »unsern lieben getrewen Reinharten von Neyneck In unsern dienst... unnd also das er uns unnd unsern Erben mit seiner Rüstung wider menghlich mit dinst gewarten solle«. Dafür sicherte sie ihm 200 fl. jährlich zu 31 . Die Berufung gründete sich möglicherweise auf die Leistungen Reinharts vor der Stadt Meßkirch. 1511 erschien Reinhart in pfälzischem Gefolge in Stuttgart, als Herzog Ulrich von Württemberg die wohl prächtigste Hochzeit des Jahrhunderts mit Sabina von Bayern hielt. Etliche Herren von Neuneck waren dort gleichfalls anzutreffen 32 . Alles in allem schritt Reinhart als Junker und Ritter über das von seinen Vorfahren Erreichte hinaus. Während Vater und Großvater kaum den schwäbischen Raum verließen, wandte sich Reinhart, im Dienste der Pfalz, der Reichspolitik zu. Er erwies sich als ein verläßlicher Diener des Hauses Wittelsbach, dem er bis zum Jahre 1544 verbunden blieb. Dabei wechselte er von der Kurpfalz hinüber in den Dienst bei der Oberpfalz unter Pfalzgraf Friedrich und diente diesem, als er Reichsverweser wurde. Zuletzt unterstand Reinhart den Grafen der Neupfalz. Über seine Missionen, Tätigkeiten und Geldverhältnisse führte Reinhart ein Buch, bzw. er erstellte Listen seiner Einnahmen und Ausgaben, die er in Glatt aufbewahrte. Daraus erfahren wir, daß er als Junker im Jahre 1508 die Bühne der europäischen Politik betrat, als er in die Niederlande zog: »Ist ein Register, was Herr Reinhart von Neuneck von wegen Herzog Friedrich alls Ir fürstliche gnaden mit der Königlichen Majestät ins Niederland gezogen, annos im Achten. Dabei seind auch etlich befelch und Missium selbige Rayß belangend« 33 . Damals unterstand Reinhart vielleicht noch direkt der Pfalzgräfin Elisabeth, doch am 14. Mai 1510 übernahm ihn Pfalzgraf Friedrich, welcher der Vormund Ottheinrichs und Philipps wurde, in seinen Dienst 34 . Mit ihm war Reinhart ein weiteres Mal in die Niederlande gezogen, Schloß und Stadt Lauingen, ständiger Amtssitz des Reinhart von Neuneck ah 1530. Foto Stadtarchiv worüber der Neunecker berichtete, und der Archivar des 16. Jahrhunderts zusammenfassend niederschrieb: »Item, ein hoch Säcklin, litera L und Sig. • bezeichnet, darinnen sind fünf Packet brief, das ain betrifft herr Reinhardten von Neuneck Zeitten und herr Hansen Baumgartern, das ander, Herzogen Fridrichs alls er Statthaliter zu Braband gewesen anno (15)14...« 35 . Zurück im pfälzisch-bayerischen Raum ums Jahr 1515 wurde der Junker von Pfalzgraf Ludwig, Herzog in Bayern(-Landshut), er gilt als Ludwig X. (1495-1545), angefordert. Reinhart wurde auf vier Jahre in Dienst genommen und ihm eine Besoldung von 100 Gulden versprochen. Die Urkunde darüber wurde am 5. Februar 1515 in Landshut ausgestellt 36 . 1519, nach Ablauf der vier Jahre, als Ottheinrich 17 und sein Bruder Philipp 16 Jahre alt waren, übernahm Reinhart von Neuneck das Amt eines Hofmeisters bei Pfalzgraf Friedrich 37 , und am 3. Oktober des gleichen Jahres wurde Reinhart erstmals als Pfleger in Lauingen a.D. erwähnt 38 . Die Rolle, die Reinhart in den folgenden Jahren bis etwa 1530 erhielt, war umfassender als die eines Erziehers oder »höheren Amtmanns« geworden. Als Hofmeister des Pfalzgrafen und Herrn der Oberpfalz, Friedrich II. (1482-1556) wurde Reinharts regionaler Verwaltungsbereich durch eine zeitweilige beratende Tätigkeit am kurfürstlichen Hof in Heidelberg erweitert. Auch trat der »Ritter aus Glatt« in den Kreis jener Fürsten und Räte, die zu Anfang des 16. Jahrhunderts die politischen Bahnen des Reiches vorzeichneten. Reinhart zählte zwar nie zu einer Regierung, jedoch zum Hofstaat. Als Hofmeister nahm er dadurch an zahlreichen Sitzungen der Regierungsbehörde und auch beim Kurfürsten teil. Dort wurden die Interessen des pfälzischen, bayerischen bzw. Lauingen. wittelsbachischen Hauses vorformuliert. Zeitweise assistierte Reinhart den Tagungen der Reichsstände mit dem Kaiser bzw. dessen Kommissaren. Demzufolge waren seine Aufenthalte in Lauingen auf der Burg kurz; in Glatt muß er sich wohl nur zum Urlaub aufgehalten haben. Über die Tätigkeiten und die Einflußnahmen Reinharts während der Reichstage zwischen 1519 und 1529 berichten die »Deutschen Reichstagsakten«, die seit Ende des vergangenen Jahrhunderts ediert wurden 3 9 . Der Reichstag von Augusburg, der vom 18. April 1518 bis zum 20. September 1518 dauerte, war der letzte Reichstag, zu dem Kaiser Maximilian aufgerufen hatte. In der Ausschreibung las man den Wunsch, wegen Aufruhrs in Deutschland und der Türkengefahr zu Beschlüssen zu gelangen. Sein Hauptanliegen jedoch lag darin, die Wahl seines Enkels Karl zum römischen König vorzubereiten, und dies hatte er wohlweislich in der Ausschreibung verschwiegen. Denn es war ganz und gar nicht sicher, daß dem habsburgischen Hause die Königs- bzw. Kaiserwürde erhalten bliebe. Die pfälzische Seite war seit dem Ende des bayerischen Erbfolgekrieges 1505, das auf dem Reichstag zu Köln herbeigeführt wurde, mit Habsburg sehr unzufrieden. Damals zog Kaiser Maximilian u. a. die Landvogtei Hagenau an sich, doch wurde ein Teil des Erbes abgetrennt und als Herzogtum Neuburg den Verlierern zuerkannt. Der Wahl eines Habsburgers zum Kaiser standen die Pfälzer sehr zurückhaltend gegenüber und fürchteten deren Übermacht. Deshalb hatte sich der regierende Kurfürst Ludwig an Frankreich angelehnt. Er war am französischen Hof erzogen worden 4 0 und neigte daher dazu, dem französischen König Franzi, seine Wahlstimme zu geben. 45 Reinhart von Neuneck befand sich in einer unglücklichen Lage. Seine Familie, vor allem sein Bruder Hans Oswald, vertrat die Sache der Reichsritterschaft, die auf das Wohlwollen und die Privilegien des Kaisers angewiesen waren. In seiner Argumentation konnte sich der Junker nicht ausschließlich auf die Seite Maximilians schlagen, um nicht seine Stellung am Pfälzer Hof aufs Spiel zu setzen. Reinhart von Neuneck versuchte nun die Vermittlung, und sie hatte zuerst bei Pfalzgraf Friedrich Erfolg. Dieser fand sich auf Zureden Mitte Juni 1518 am kaiserlichen Hof ein und versöhnte sich mit Maximilian. Der Pfalzgraf war nun entschlossen, mit seinem Haushofmeister auf den Kurfürsten einzuwirken, um in der Kaiserfrage einen Meinungswechsel herbeizuführen. Ludwig wurde bei der Jagd in Dilsberg angetroffen. Dort argumentierten Friedrich und Reinhart mit den Vorteilen, die Kaiser Maximilian gewähren könne; ebenso wiesen sie darauf hin, daß Franz I. doch ein unsicherer Freund sei. So kam es dann, daß Ludwig am 25. Juli 1518 in Augsburg eintraf. Gelohnt hatte sich dieser Weg für die pfälzische Partei in hohem Maß. Am 29. August 1518 fanden die Verhandlungen des Kaisers und der pfälzischen Brüder ein Ende. Die Pfalz erhielt eine großzügige Entschädigung für die Verluste aus dem Erbfolgekrieg, weiter erhielten die kurpfälzischen Fürsten aus dem Wahlfond des Jakob Fugger große Summen. Der britische Gesandte berichtete darüber an den Lordkanzler Wolsey in London 4 1 . Karl habe 1500000fl. bar ausgegeben. Der Kurfürst soll 139000 fl., Räte und Diener 8000 fl., Pfalzgraf Friedrich und sein Hofmeister Reinhart von Neuneck sollen zusammen die Summe von 3 7100 fl. erhalten haben 42 . Die Summe, die an Pfalzgraf Friedrich und Reinhart von Neuneck gegangen sein soll, muß jedoch überprüft werden. Diesbezüglich stellte von Pölnitz fest 43 : »Der Posten der pfalzgräflichen Abrechnung umfaßte 37108 Gulden in folgenden Teilbeträgen: Anzahlung der Hälfte der ihm zugesagten Konfiskation von 20000 Dukaten, also 13333 Gulden sowie 5000 Gulden Jahrespension. Das waren die eigentlichen Geschenke, zu denen sich der Unkostenersatz gestellte mit 6000 Gulden für 280 Pferde, die er ein Vierteljahr lang zur Verfügung hielt, 3000 Gulden für zwei spanische Reisen samt 2000 Gulden Reisevorbereitungen. Endlich erhielt Pfalzgraf Friedrich restliche 5666 Gulden an einem Betrag von 8500 Dukaten abgetragen, den ihm Karl schuldete.« Aufgrund dieser Zahlungen wurde ermöglicht, daß nun auch der Kurfürst von der Pfalz, zusammen mit sechs übrigen Kurfürsten, die ebenfalls Gelder und Rechte zugewiesen bekommen hatten, Karl einstimmig am 28. und 29. Juni 1519 zum Deutschen König wählten. Reinhart von Neuneck hatte die Reiterei des Pfalzgrafen mit 280 Pferden unter sich. Nun, da Friedrich eine solch große Summe aus dem fuggerschen Fond erhalten hatte, wäre es möglich gewesen, daß er sich seinem Diener gegenüber einmal großzügig verhielte. Dies scheint jedoch nicht der Fall gewesen zu sein - mehr als seine Besoldung hatte der Junker aus Glatt offenbar nicht erhalten. Wie lange und wie häufig sich Reinhart in der eigenen Herrschaft Glatt oder in Lauingen aufgehalten hat, ist bisher nicht deutlich geworden. Nach Angaben Ottmars ist er 1518 für einige Zeit in Glatt anzutreffen gewesen, wohin sich der junge Pfalzgraf Philipp wegen einer Epidemie zu Freiburg geflüchtet hatte 44 . Wo sich Reinhart zwischen dem April 1519 und dem Frühjahr 1521 befand, läßt sich vorläufig nicht genau sagen; ob auf seiner Stelle als Pfleger in Lauingen, am Hof Friedrichs oder in Glatt. Während des Reichstages zu Worms 1521 war Reinhart dort präsent, doch nur für die ersten drei Monate, weil er danach auf eine lange Reise gehen wollte. Im Frühjahr 46 reihte sich der Hofmeister in die Schar der Wallfahrer nach Jerusalem ein. War es eine zeitbedingte Mode, der er folgte? War Reinhart Wallfahrer aus Frömmigkeit? Als Hofbeamter konnte er nicht Urlaub nehmen wie er wollte. So hatte er dann die Genehmigung seines Vorgesetzten erhalten, die jungen Pfalzgrafen Ottheinrich und Philipp ins Heilige Land zu begleiten. Wie die Umstände während dieser Fahrt beweisen, war sie weniger Auftrag als Belohnung für Reinharts Dienste, die von Friedrich hoch eingeschätzt worden waren. Stufe um Stufe war der Niederadelige aus Glatt auf der politischen Karriereleiter emporgestiegen. Zu größerer Selbständigkeit konnte er es nie bringen, da jenes Streben nach größerer Unabhängigkeit an den realen Verhältnissen gescheitert wäre, wie das Schicksal des Franz von Sickingen oder des Götz von Berlichingen später bewiesen hat. Doch es mußte für Reinhart ein persönlicher Triumph gewesen sein, neben oder auch nur hinter den jugendlichen Pfalzgrafen die Grabeskirche in Jerusalem zu betreten. Ottheinrich hatte diese Fahrt schon als 13jähriger Knabe 1515 angetreten 45 ; von Lauingen war er am 15. April damals aufgebrochen. Jetzt, 1521, wurde sie ebenfalls dort am 21. April begonnen, und dort traf die Pilgergruppe am 1.Dezember 1521 wieder ein 46 . Mitden beiden jungen Herrn erhielt Reinhart Ende Juli 1521 in der Grabeskirche den Ritterschlag 47 . Anmerkungen 1 Jobann Ottmar, Die Grabmäler der Familie von Neuneck in der Pfarrkirche in Glatt, Glatter Schriften Nr. 1, Sulz 1979, S. 16. 2 Franz Xaver Hodler, Geschichte des Oberamts Haigerloch, Hechingen 1928, S. 180. 3 Stadtarchiv Villingen, Rodersches Repertorium (Q 12a) 759. 4 / . Kindler von Knobloch, Oberbadisches Geschlechterbuch 1, S. 490-492. 5 Job. Ottmar, Die Burg Neuneck und ihr Adel, Göppinger Akademische Beiträge 1974, Nr. 84, S.217. 6 Kindler von Knobloch, wie Anm. 4, S. 6. 7 Johann Ad. Kraus, Zur Geschichte von Glatt und der Herren von Neuneck, HJh 1962, S. 92. 8 Diese und die nachfolgenden Ausführungen stützen sich auf Fürstenb. Urkb. B. 7, S. 100. ' Othmar Rotenbacher, freier Landrichter in der Baar, bekundete die Auflösung der Gütergemeinschaft. Locher, Reg., S. 169, Anm. 8. 10 FUB, Bd. 7, S.100. 11 Die Familie von Gundelfingen brachte berühmte Rittergestalten hervor. Ihr Name fand sich an zahlreichen Plätzen, u. a. stand der Name des Geschlechts für Nieder- und Hohengundelfingen im Lautertal auf der Schwäbischen Alb. Seit dem Beginn des 12. Jhs. waren die Gundelfinger bekannt. Mitte des 15. Jhs. war Hayingen in der Hand der Brüder Wilhelm und Degenhart. Degenharts Sohn Wilhelm von Gundelfingen war 1488 Satzbürgerin Rottweil, 1494 Bürger in Villingen. Er heiratete eine Agathe Sütterlin. An wichtiger Stelle war Schweighart von Gundelfingen tätig: er nahm 1499 die Position eines Domherrn zu Konstanz wahr. Kindler von Knobloch, S. 490-92. 12 Kindler von Knobloch, wie Anm. 4, S. 491. 13 Job. Ad. Kraus, wie Anm. 7, S. 92. 14 Sebastian Locher, Die Herren von Neuneck, Urkundlicher Nachweis ihrer Glieder und Besitzungen, Schnellpressendruck Sigmaringen 1884, S. 184; künftig zit. unter »Regesten«. 15 Dieter Hellstem, Der Ritterkanton Neckar-Schwarzwald, Veröff. des Stadtarchivs Tübingen 5, 1971, S. 11. 16 FUB, Bd. 7, S. 100; FAS-Glatt, altes Repertorium, Rubr.5, 2, Eintrag N r . 308, pag. 92v; Locher, Regesten, S. 189. 17 Job. Ad. Kraus, wie Anm. 7, S. 90. 18 Locher, Regesten, S. 177. 19 Ders., ebd., S. 182. 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 FUB, Bd. VII, Urk. Nr. 212, S. 358-361. Die Chronik der Grafen von Zimmern, Hg. Hansmartin DeckerHauff, unter Mitarbeit von Rudolf Seigel, Band 1, Konstanz und Stuttgart, S. 243-327. Die Chronik der Grafen von Zimmern 1, S. 330; Locher, Regesten, S. 185 mit Anm. 8. Wie Anm. 5. Wie Anm. 5. Siehe Fehdeverbot v. 1495. Die Chronik der Grafen von Zimmern 1, S. 333. Ebd., S. 344-350. Meyers Enzyklop. Lexikon 25, Stammtafel der Wittelsbacher, S. 447. Johann Ottmar, Burg Neuneck, S.225. Meyers Enzyklop. Lexikon 10, S. 100. FAS-Glatt, 40, 22 -Joh. Ottmar, Burg Neuneck, S.224f.; Locher, Regesten, S. 186. Elisabeth starb noch 1504. Als Waisen ließ sie Ottheinrich (1502-1559) und Philipp (1503-1548) zurück. Locher, Regesten, S. 190. FAS-Glatt, 5, 2, Nr. 259, pag. 77r. Dieses Archivregister wurde nach Reinharts Tod erstellt und enthält eine Fülle von Material, das in den Originalen häufig nicht mehr zu finden ist. Locher bezeichnete dieses Buch als »Altes Repertorium«. 34 Locher, Regesten, S. 186, Anm. 4; Friedrich, der von 1482-1556 lebte, trug den Beinamen der Weise. Er war als ein galanter Mann bekannt und lebte in seiner Jugend an den Höfen in den Niederlanden, Frankreich und Spanien. 1508 diente er Maximilian gegen Venedig und danach König Karl in Brüssel. 35 FAS-Glatt, 5, 2; Eintrag N r . 243, pag. 73v. 36 Locher, Regesten, S. 193. 37 Joh. Ottmar, wie Anm. 5, S.225; FAS-Glatt, 143, 21. 38 Lauingen war Sitz der Regierung und Verwaltung im Gebiet von Pfalz-Neuburg/Bayern, bei Dillingen, nördlich des Donaurieds gelegen. 39 Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe in acht Bänden, bearbeitet von August Kluckhohn 1893, Adolf Wrede 1901, Johannes Kühn 1935, Göttingen ab 1962. 40 Deutsche Reichstagsakten, Bd. I., S.23. 41 Deutsche Reichstagsakten, Bd. I, Nr. 386. 42 Ebd., Anm. 3, Zeile 24-37. 43 G. v. Pölnitz, Jakob Fugger, Band 2, S.418, Kaiser, Kirche und Kapital, Tübingen 1949-1951. 44 Joh. Ottmar, wie Anm. 5, S. 225. 45 Dt. Rtg-A. II, Nr. 224, Anm. 2, Zeile 26. 46 wie Anm. 5. 47 Joh. Ottmar, wie Anm. 5, S. 225. (Fortsetzung folgt) J O H A N N A D A M KRAUS Freundsbürgle, Schnattere und Lägstein A. Durch einen mächtigen Graben vom Bereich des Seeheimer Berges der Ringinger Markung des Heufeldes oberhalb von Jungingen wird eine Ecke abgeschnitten, an deren äußersten bzw. tiefst liegender Stelle der Grenzstein des Jahres 1584 steht. Sie heißt im Volk, jedenfalls seit Jakob Barths Ringinger Schulchronik 1867 »Eineck«, wie heute auch auf der Landkarte steht. Die Stelle wird jedoch in einer Erneuerung des Fürstenbergischen Besitzes von 1545 Freundsbürgle, in einer anderen Fassung »Frundspürglin« genannt. Barth kam zu dem Namen Eineck durch das Ringinger kirchliche Jahrtagsbuch 1 , in dem von einer Veronika von Eineck die Rede ist, verwechselt jedoch in Wirklichkeit mit einer Frau »von Neuneck«, die dem bekannten Adelsgeschlecht der Glatter Gegend angehört: »vom Neuen Eck«. Diese Frau Veronika von Neuneck verkaufte 1513 ihre Rechte und Burgstelle am Seeheimer Berg mit Zustimmung ihres Vetters Peter Schwelher von Straßberg an die Gemeinde Ringingen 2a . Freunds- oder Frunspürglin war also der alte Name! N u n lesen wir in der Geschichte der Truchsessen von Ringingen 2 , die sich früher »von Urach« nannten schon von einem Heinrich Truchsess von Urach, genannt »Freunt«. Er wird als Dienstmann der Grafen von Helfenstein 1293 aufgeführt, die auch im Jahr 1292 einen Notar Ulrich von Ringingen beschäftigten. Dieser mag gelehrter Sproß einer bürgerlichen Familie unseres Ringingen in geistlichem Stande gewesen sein. Nach 1292, wo letztmals eine Urkunde des hochadeligen Eberhard von Ringingen-Entringen, dem kinderlosen, vorkommt, finden wir dann 1303 die Gestalt einer Magdalena, Truchsessin von Ringingen, geborene von Hornstein. Sie ist Gattin des Truchsessen Kun von Urach (1342 von Ringingen), der mit den Bisinger Herren zusammenhängt 3 . N u n scheint der genannte Truchsess Heinrich mit dem Beinamen »Freunt« den Namen »Freundsbürgle« auf einfache Weise erklären zu können, wenn er eben auf dem späteren »Eineck« seinen Sitz hatte und das Bürgle nach ihm benannt wurde! Die Befestigung oder Burg kann jedoch schon längst vor ihm bestanden haben. B. »Schnattere« heißt die Turmruine über Erpfingen (jetzt zu Sonnenbühl gehörend), die um 1912 an das Haus Württemberg geschenkt wurde. Sie steht in Richtung zum hohenzolle- rischen Holnstein (= Stein mit Höhle) bei Stetten. Eine andere Burg stand einst bei der heutigen Kirche. Der Name Schnatteren dürfte dem Volkswitz zu verdanken sein. Ein Hans von Salmendingen hat im Jahr 1358 beim Verkauf anderer Güter in Erpfingen sich die Burg Schnatren vorbehalten 4 . Man mag vermuten, daß auf dem noch erhaltenen stark abgerundeten Bergfried, einst die Bewohner in ihrem hohen Sitz zum Plappern, Schwätzen oder Schnattern sich so laut unterhielten, daß die Dorfbewohner es oft hörten. Beweise gibt es freilich nicht. Merkwürdigerweise nennt man in der Mundart (z.B. im nahen Ringingen) die hohlen Stengel unserer Zwiebeln »Zibla-Schnattera«. Sollte da ein Vergleich des stark gerundeten Turmes mit dem Zwiebelkraut gezogen worden sein? 5 C. Das heutige Gauselfinger »Schlössle« auf steilem Felsen überm westlichen Kohltäle ist teils irrig als Reckstein, dann wieder als Leckstein überliefert. Der kleine Uberhang in Richtung zum Dorf ist doch kaum ein Leck oder gar Loch! Vielmehr wußte Dr. Michel Buck, daß »Läg« eigentlich Abhang bedeutet, also man an einen Felsenstein am Abhang denken muß 6 . Hierher gehört vermutlich auch die Burgruine »Läglen« im Donautal. An eine »Lägel«, ein kleines Fäßchen von lat. lagella oder griech. lagynos ist kaum zu denken. Durch das erwähnte Kohltäle (in Richtung Burladingen) kommt man zu einer felsigen breiten Anhöhe mit deutlichen Burgresten, die der Volksmund spaßig »Hasenfratz« heißt. Es dürfte sich jedoch um die alte Burg Schirmberg der Herren Speth des 14.-15. Jahrhunderts handeln: Ein Schirm für das Schlößle Lägstein und das Dorf Gauselfingen. Anmerkungen: 1 Mitt. Hohenz. 1931, 67 wo der Grenzverlauf beschrieben ist. Hohenz. Jahresheft 1952, 76, 77. 2a Ebenda 1938, 139 3 Festschrift »1200 Jahre Bisingen« 1987, 24 f. 4 Mitt. Hohenz. 1898, 75 5 Anmerkung der Schriftleitung: Im »Schwäbischen Handwörterbuch »von H.Fischer u. H.Taigel S. 361 heißt es: Schnattere = Schnittzwiebel. Demnach wurde wohl der hohe Bergfried mit einem Zwiebelstengel verglichen. 6 H . H . 1969 Anhang S.4 und H . H . 1970, 73. 2 47 Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen M 3828 F Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt. Burg der Herren von Meidelstetten entdeckt In der Gütergeschichte des Klosters Weißenau (b. Ravensburg) kommen ein Ritter Rodger von Meidelstetten und sein Sohn Heinrich vor. Meidelstetten ist dem hohenzollerischen Dorf Steinhilben benachbart und gehört heute zur Gemeinde Hohenstein. Bisher gab es weder in der Literatur, noch durch Flurnamen einen Hinweis auf eine Burg auf Markung Meidelstetten. Ein Felsen (Reifenbrünnlesfels) nördlich des Ortes wurde in der mündlichen Uberlieferung als Platz einer abgegangenen Burg bezeichnet. Dies wurde jetzt von Herrn Christoph Bizer, dem derzeit wohl besten Kenner der Burgen auf der Alb, bestätigt. Er fand nicht nur den Verlauf der Burgmauern, sondern als Oberflächenfunde auch 321 Bruchstücke von Geschirr- und Ofenkeramik. Spätestens um die Mitte des 12. Jahrhunderts muß die Meidelstetter Burg entstanden sein. Möglicherweise ging sie schon im gleichen Jahrhundert wieder ab. Für die kurze Existenz dieser Burg spricht auch das Fehlen eines örtlichen Burgnamens und der völlige Mangel an Hinweisen in der schriftlichen Uberlieferung. (Blätter des Schwäbischen Albvereins Heft 4-1987) B. Buchbesprechungen Natur, Heimat, Wandern • Zollernalb Herausgegeben vom Schwäbischen Albverein. 219 Seiten mit zahlreichen Zeichnungen und mehrfarbiger Wanderkarte. DM 19.80 Konrad Theiss Verlag Stuttgart. Mit diesem Band liegt nach Jahrzehnten wieder ein komplettes Wanderführerwerk für das gesamte Gebiet der Schwäbischen Alb vor. Der Band umfaßt den Bereich des Zollernalbkreises mit einigen »Grenzbezirken«. Die Burg Hohenzollern schmückt den flexiblen Plastikeinband, der zusammen mit dem günstigen Format, die Mitnahme des Büchleins auf Wanderungen zum Vergnügen macht. Bemerkenswert sind die einleitenden Kapitel, welche einen Einblick in die Geologie, Flora, Fauna, Geschichte, Land- und Forstwirtschaft des Bereiches geben. In 60 Rund- und 7 Streckenwanderungen wird das Wandergebiet erschlossen. Neben der Beschreibung der Wanderwege findet man viele Hinweise auf kulturelle und historische Zeugnisse. Der Text ist durch zahlreiche hübsche Zeichnungen von Julius Untterweiler aufgelockert. Dem gelungenen Wanderführer ist eine weite Verbreitung zu wünschen. B. HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg Konrad Theiss Verlag Stuttgart. Vor kurzem erschien der sechste Band dieser neuen und man darf wohl sagen, schon sehr beliebten Reihe. Der Band ist 50 Seiten stärker geworden als sein Vorgänger und enthält 102 Berichte über Ausgrabungen in Baden-Württemberg. Auch 1986 waren es zum größten Teil Rettungsgrabungen, die durch Bauarbeiten notwendig geworden sind. Geplante Grabungen mußten oft zurückgestellt werden, um wichtige Kulturdenkmäler vor der endgültigen Zerstörung zu bewahren. Eine der wichtigsten Entdeckungen dürfte der alamannische Friedhof bei Lauchheim im Ostalbkreis sein. In dem, durch Baumaßnahmen bedrohten Gräberfeld, konnten besonders reiche und schöne Funde gemacht werden. Auch in den großen römischen Siedlungen des Landes (Rottweil, Rottenburg, Ladenburg) wurde 1986 gegraben. Im Federseegebiet gingen die Ausgrabungen in der bronzezeitlichen Moorsiedlung Forschner (Bad Buchau) weiter. In der neu entdeckten Moorsiedlung Täschenwiesen, Gemeinde Alleshausen, wurden erste Probegrabungen gemacht. Einzige Grabung im hohenzollerischen Bereich war die weitere Untersuchung des römischen Kastellvicus bei Burladingen. Es handelt sich um das Gebiet der beiden Parkplätze in unmittelbarer Nähe der Wasserscheide. Die aufgedeckten Siedlungsreste gehören zu vier Bauperioden, drei ältere in Holzbauweise und die jüngste in Stein. Die ältere Bebauung war ziemlich dicht, während die Steingebäude locker gestreut war. Es wurden drei größere Steingebäude angeschnitten, über deren Verwendung sich jedoch nichts sagen läßt. Durch die Siedlung ging eine römische Straße, deren Fortsetzung nördlich der B 32 auf eine Länge von 8 Metern aufgedeckt wurde. Der Straßenkörper war 3,50 m breit und aus Kalkbruchsteinen aufgeschüttet. Die Randbegrenzung bildeten grob zugehauene, senkrecht gesetzte Quader. Das umfangreiche Fundmaterial der Grabung ist natürlich noch nicht ausgewertet. Vorläufig läßt sich jedoch sagen, daß die Zivilsiedlung mit dem Kastell um 80 n. Chr. angelegt wurde. Um die Mitte des 2. Jahrhunderts wurde die Holzbebauung durch Steingebäude ersetzt, wobei ein deutlicher Rückgang der Siedlung festzustellen ist. Die Zerstörung erfolgte wohl in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts durch die Alamanneneinfälle. Die Grabungen ergaben dafür aber keine Anhaltspunkte. b. Die Autoren dieser Nummer: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge. Bezugspreis: 8.00 DM jährlich. Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 65351050). Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co., 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10. 48 Wolfgang Hermann Fischinger Straße 55, 7247 Sulz Ulrike Kern Brühlstraße 8, 7993 Kreßbronn Pfarrer Johann Adam Kraus Badstraße 8, 7800 Freiburg i. Br. Prof. Dr. Karl Mors Haldenweg 36, 7980 Ravensburg Dr. Herbert 1986 Rädle Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Telefon 07574/4211 Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet. Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten. Veit-Jung-Straße 13a, 8430 Neumarkt Karl Werner Steim Wegscheiderstraße 26, 7940 Riedlingen Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiter zu empfehlen. M 3828 F HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Werbeplakat der Hohenzollerischen Herausgegeben vom Hohenzollerischen Geschichtsverein 37. J a h r g a n g N r . 4 / D e z e m b e r 1987 Landesbahn aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg (Ausschnitt). WILFRIED S C H O N T A G Die Hohenzollerische Landesbahn und die Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft in den ehemaligen Hohenzollerischen Landen Das 19. Jh. ist das Jahrhundert des Eisenbahnbaues. So wie heute von Technologietransfer, High tech und Ausbau des Telekommunikationsnetzes gesprochen wird, redete man damals vom Eisenbahnbau als einer der wesentlichsten Strukturmaßnahmen für eine umfassende volkswirtschaftliche Entwicklung. Einige Beispiele sollen uns in unser Thema einführen. Als die beiden Hohenzollerischen Fürstentümer 1850 in preußische Verwaltung übernommen wurden, bereisten zahlreiche hohe Beamte und Fabrikanten das Land, um die wirtschaftliche Situation zu analysieren und Verbesserungsvorschläge zu erarbeiten. In seinem Gutachten stellte um 1852 der Fabrikant Reichenheim fest, daß es in Hohenzollern an Eisenbahnen fehle. Daher sei die Gründung von Fabriken nicht möglich. Wasserkraft, Holz, Grund und Boden und Arbeitskräfte seien billig zu haben, der Landtransport von Rohmaterialien sei jedoch zu teuer. Zur gleichen Zeit forderten die hohenzollerischen Bauhandwerker in einer Petition den Anschluß an das württembergische Eisenbahnnetz. Landwirtschaft, Handel, vor allem aber die Gewerbetreibenden könnten sonst nicht mit der ausländischen Konkurrenz mithalten. Ein anderes Beispiel: Nachdem 1879 im Fürstl. Hohenzollernschen Hüttenwerk Laucherthal die Verhüttung des Bohnerzes aufgegeben worden war, mußten das Roheisen importiert und die Fertigprodukte über weite Entfernungen transportiert werden. In den 90er Jahren des 19. Jh. war die Produktion so umfangreich geworden, daß die erforderlichen Fuhrwerke kaum noch aufzutreiben waren. Auch waren die Straßenverhältnisse diesem Schwerlastverkehr per Pferdewagen nicht mehr gewachsen. 1895 und 1897 reichten die Orte des Laucherttals Bittschriften zum Eisenbahnbau ein, das größte Interesse daran hatte jedoch das Hüttenwerk. Als erste Strecke der vom Hohenzollerischen Kommunallandtag beschlossenen Stichbahn wurde daher auch im Juni 1899 die Strecke Sigmaringendorf-Laucherthal-Bingen begonnen und am 28. März 1900 eröffnet. Die Hütte hatte damit einen Bahnanschluß an die Reichsbahnstrecken Ulm-Donaueschingen bzw. Sigmaringen-Tübingen-Stuttgart erhalten. Mit dem Zeitpunkt der Eröffnung der Strecke begann für das Hüttenwerk Laucherthal eine neue Epoche. Und zum letzten Beispiel, dem Salzwerk Stetten bei Haigerloch. Im Jahresbericht der Zentralstelle des Vereins zur Beförderung der Landwirtschaft und der Gewerbe von 1898 heißt es (S. 19): »Das einzige Bergwerk in Hohenzollern, Stetten bei Haigerloch, kämpft mit herabgehenden Preisen und sinkendem Absatz infolge seiner Lage abseits des Bahnverkehrs«. Seit der Aufnahme der Produktion litt der Geschäftsgang des Bergwerks und der, Saline unter der schlechten Verkehrsanbindung. Wegen dieser ungünstigen Lage wurde schon Mitte der 70er Jahre des 19. Jh. ernsthaft erwogen, das Werk wieder zu schließen. Die württembergische Obere Neckartalbahn brachte zwar eine gewisse Verbesserung, verschlechterte aber andererseits die Absatzchancen, da die konkurrierenden württembergischen Salinen Sulz und Rottenmünster bessere Anbindungen an die Eisenbahn erhielten. Das in Stetten gewonnene Salz oder die Hallerde, ein Dünger, wurden per Pferdefuhrwerk direkt zum Abnehmer oder zum württembergischen Bahnhof in Eyach transportiert, ab 1869 auch zum Bahnhof in Hechingen. Eine grundlegende Verbesserung trat erst 1901 mit der Inbetriebnahme der Landesbahnstrecke Stetten-Eyach und 1912 mit der Strecke Stetten-Hechingen ein. Wie stark der Eigentümer des Salzwerkes, der preußischen Bergfiscus, am Bahnbau interessiert war, zeigt, daß er sich 1899 mit 24000 Mark an den Grunderwerbskosten für den Eisenbahnbau beteiligte. Der Kundige hat sicherlich schon den Bogen in die Gegenwart geschlagen. Die damals größten Massengutlieferanten sind es auch heute noch: Im Wagenladungsverkehr wie Stückgutverkehr sind die Wacker-Chemie München, Salzwerk Stetten, und die Fürstlich Hohenzollernsche Hüttenverwaltung Laucherthal die beiden großen Kunden der Landesbahn, hinter denen alle anderen zurückstehen. Doch zurück zu den Anfängen des Eisenbahnbaus im 19. Jh., der die Verkehrsströme auch in unserem Land beträchtlich verändert hat. Von den hohenzollerischen Orten lag allein Hechingen an einer international bedeutenden Nord-SüdVerbindung von Stuttgart nach Schaffhausen bzw. Konstanz, der sogenannten Schweizerstraße. Um 1850 versuchte die württembergische Regierung, den Verkehr von Tübingen über Rottenburg, Horb, Sulz nach Rottweil und Tuttlingen zu leiten, also um Hohenzollern herum. Die Beibehaltung der 50 alten Straßenführung wurde aus preußischer Sicht als Lebensfrage angesehen. Diese Nord-Süd-Verbindung besaß also für die Entwicklung von Hechingen größte Bedeutung. Das übrige Hohenzollern lag um die Mitte des 19. Jh. verkehrsfern zwischen den überregionalen württembergischen und badischen Eisenbahnen, die im Osten von Ulm über Aulendorf nach Friedrichshafen und im Westen im Rheintal verliefen. Zwischen Aulendorf und Freiburg entwickelte sich über Sigmaringen, Donaueschingen ein starker Post- und Straßenverkehr, der später von einer Eisenbahnstrecke aufgenommen wurde. Die Gewerbetreibenden in Hohenzollern standen vor komplizierten Transportproblemen. Die Gammertinger Tuchfabrikanten ließen z.B. die Baumwolle über die Rheinhäfen bis nach Cannstatt verschiffen, von dort mußten die Ballen mit dem Pferdefuhrwerk über die Alb nach Gammertingen gebracht werden. Ein anderer Lieferweg erfolgte mit der Eisenbahn von Stuttgart über Ulm nach Aulendorf und von dort mit dem täglichen Postkurs nach Sigmaringen. Die Eisenbahnferne hatte negative Folgen für Landwirtschaft, Handel und Gewerbe. Es waren daher vor allem Inhaber der größeren Betriebe, die sich verstärkt nach 1870/ 80 für einen Anschluß an das überregionale Eisenbahnnetz einsetzten. Diese Kreise - beispielhaft seien aus dem Haigerlocher Raum der Fabrikant Meyer von der Spinnerei Karlstal bei Haigerloch, der Brauereibesitzer Zöhrlaut aus Haigerloch, der Badbesitzer Stumpf aus Imnau oder der Preußische Bergfiscus als Eigentümer des Salzwerks Stetten genannt - , waren die treibenden Kräfte bei den in allen Landesteilen entstehenden Eisenbahnkomitees, sie spendeten namhafte Geldbeträge für die politische Agitation und die Vorbereitungsarbeiten wie auch den Eisenbahnbau selbst. Nachdem ich mehrfach von dem badischen und württembergischen Eisenbahnbau gesprochen habe, gilt es jetzt, den Bau der Hohenzollerischen Landesbahn in diese Entwicklung einzuordnen. Im Königreich Württemberg wie im Großherzogtum Baden war der Eisenbahnbau wie das gesamte Verkehrswesen überhaupt eine Angelegenheit des Staates, eine politische und strukturpolitische Maßnahme, über die die Regierungen und die Parlamente entschieden. Nationalstaatlicher Egoismus drückte sich daher in der Linienführung der Eisenbahnen aus. Jedes Land berücksichtigte in erster Linie seine Interessen. Nachdem in einer ersten Bauphase von 1840-1854 in beiden Ländern Nord-Süd-Verbindungen hergestellt worden waren, - für unsere Fragestellung ist die Linie Stuttgart-UlmAulendorf-Friedrichshafen von Bedeutung - folgten in einer zweiten Bauperiode von 1855-1864 erste Verzweigungen, so die Neckanalbahn Reutlingen-Tübingen-Eyach. In der dritten Bauperiode von 1865 bis 1874 erfolgte der intensive Ausbau. Wichtig für unseren Raum waren die Linien UlmRiedlingen-Sigmaringen (1873 eröffnet) und TübingenHechingen (1869 eröffnet) die 1874 bis Balingen weitergeführt wurde. Für diese Bauten war am 3. März 1865 ein Staatsvertrag zwischen Preußen und Württemberg geschlossen worden, der es zuließ, daß die württembergische Eisenbahn auch über preußisches Gebiet geführt werden konnte. Als Gegenleistung für die Erlaubnis, die württembergische Neckartalbahn von H o r b nach Süden über hohenzollerisches Gebiet weiterbauen zu können, verpflichtete sich Württemberg, die Hohenzollernbahn von Tübingen über Hechingen nach Sigmaringen zu errichten. Da Württemberg für alle Baukosten aufkam, bestimmt es auch die Streckenführung. Wurde 1869 die Eröffnung der Strecke Hechingen-Tübingen als »Anschluß an die Welt« gefeiert, so kam die Ernüchterung wenige Jahre später, als die Streckenführung über Balingen, Ebingen nach Sigmaringen weite Gebiete Hohenzollerns ohne Bahnanschluß ließ. Der Strecke Tübingen-Balingen wurde bis zum Jahr 1899 ein Bestandsschutz eingeräumt, so daß Württemberg bis dahin den Bau jeder konkurrierender Bahnlinien unterbinden konnte. Im Staatsvertrag mit Baden vom 3. März 1865 wurde Sigmaringen mit dem badischen Eisenbahnnetz verbunden, diese Entwicklung muß hier außeracht bleiben. In den weiteren Bauperioden der württembergischen Eisenbahnen wurden für Hohenzollern wesentliche Linien gebaut (Balingen-Ebingen-Sigmaringen 1878, Sigmaringen-Inzigkofen-Tuttlingen 1890), eine Linie durch das Land fehlte jedoch. Auf diesem Hintergrund sind die Bestrebungen zu sehen, eine Hohenzollern erschließende Eisenbahn zu erhalten, da ja alle bisherigen Linien das Land umfuhren oder nur kreuzten. Das preußische Kleinbahngesetz von 1892 eröffnete hierfür den rechtlichen Rahmen, so daß auch in Hohenzollern, ähnlich wie in Baden und Württemberg bis zum 1. Weltkrieg zahlreiche Nebenbahnlinien gebaut werden konnten. Diese Bahnen erschlossen die letzten eisenbahnfernen Gebiete und sollten vor allem dem Lokalverkehr dienen. Die Entwicklung des Eisenbahnbaues verlief also in Hohenzollern vergleichbar der in anderen Regionen. Aus hohenzollerischer Sicht wäre zuerst eine Eisenbahnverbindung nach Reutlingen wünschenswert gewesen. Reutlingen war für die Webereien und die Textilindustrie ein wichtiger Umschlagplatz gewesen, daher wurde die Verbindung Sigmaringen-Gammertingen-Engstingen-Reutlingen seit den 60er Jahren angestrebt. Den württembergischen Interessen entsprach dies jedoch nicht. Nachdem der Eisenbahnbau durch den Staatsvertrag von 1865 in württembergische Hände gelegt worden war, konnten die hohenzollerischen Eisenbahnkomitees nichts durchsetzen. Der Hohenzollerische Landeskommunalverband gründete 1896 die Hohenzollerische Kleinbahn AG deren Kapital zu 50% beim Preußischen Staat, zu 25% beim Landeskommunalverband und zu 25% bei der Westdeutschen Eisenbahngesellschaft lag, die den Bau vornehmen und den Betrieb der Kleinbahn übernehmen sollte. Als Anreiz gewährte der Landeskommunalverband der Westdeutschen Eisenbahngesellschaft eine Zinsgarantie von 3,5%. Am 18. Juni 1907 nahm die Gesellschafterversammlung eine Namensänderung in »Hohenzollerische Landesbahn AG« vor. Die Bauarbeiten wurden rasch in Angriff genommen. Am 28. März 1900 konnte die Stichbahn Sigmaringendorf-Bingen eingeweiht werden, 1901 drei weitere Strecken, 1908 und 1910 folgten die wichtige Verbindung über Burladingen, Gammertingen-Hanfertal nach Sigmaringen, am 24. Dezember 1912 wurde das letzte Stück zwischen Stetten und Hechingen eingeweiht. Von der 107 km langen Strecke verliefen nur 15 km über württembergisches Territorium. Die Baukosten betrugen rund 8 563000 Mark. 1927 schied die Westdeutsche Eisenbahngesellschaft als Betreiber aus, der Landeskommunalverband übernahm den Betrieb in eigener Regie. Auch die Kreisreform überlebte die Hohenzollerische Landesbahn, so daß heute das Land Baden-Württemberg 71,8% des Kapitals, und der Landkreis Sigmaringen und der Zollernalbkreis je 14,06% innehaben. An dieser Stelle ist daran zu erinnern, daß viele Menschen am Zustandekommen der Hohenzollerischen Landesbahn beteiligt waren, daß aber ein Mann zu nennen ist, der als der Vater der Hohenzollerischen Landesbahn bezeichnet werden muß: Landesbaurat Max Leibbrand. Neben den finanziellen löste er vor allem die technischen Probleme, die der Eisenbahnbau durch die,Hochtäler der Alb mit sich brachte. Als Brückenbauspezialist meisterte er die Schwierigkeiten. Von 1899 bis 1923 war er ehrenamtlicher Vorstand der Hohenzollerischen Landesbahn, ein Zeichen für seine herausragenden Verdienste um die Landesbahn. Die Hohenzollerische Landesbahn sollte zwei wesentliche Funktionen erfüllen. Sie sollte Verkehrsmittel für den Binnenaustausch von Waren und für den Personenverkehr, vor allem den Berufsverkehr innerhalb des Landes sein. Diese Erwartungen erfüllten sich nicht ganz. Der rege Personenverkehr stellte sich schnell ein. Der Binnenverkehr für Güter entwickelte sich jedoch zu einem Wechselverkehr mit der Reichsbahn. Jetzt zeigte es sich, daß es weitsichtig gewesen war, eine vollspurige Nebenbahn zu bauen. Der Ubergang der Güterwagen auf die Reichsbahngleise war reibungslos möglich. Schon in den 30er Jahren des 20. Jh. wurde 99% des Güterverkehrs als Wechselverkehr mit der Reichsbahn über vier Anschlußbahnhöfe abgewickelt. Um eine Größenvorstellung der Verkehrsleistungen zu erhalten, nenne ich einige Zahlen. Zunächst der Personenverkehr: Im ersten vollen Betriebsjahr 1913 wurden 685 744 Personen befördert, 1932 rund 390000, 1938 rund 893000. 1971 waren es 1 174000 und 1986 750500, wobei zu berücksichtigen ist, daß im Omnibusverkehr 1700000 bzw. 2320000 Personen zusätzlich befördert worden sind. Einige Zahlen zum Güterverkehr: Wurden 1913 119327 t umgeschlagen, waren es 1932 104153t, 1938 183808 t, 1971 404153 und 1986 382016 t. Interessante Zahlen liegen für das Jahr 1938 vor. Damals nahmen die landwirtschaftlichen Güter beim Frachtaufkommen nur einen Anteil von 3,4% aus, der Rohstoff Holz 11%, das Salz 21,5%. Bei den Fertigfabrikaten war das Hüttenwerk Laucherthal mit 32,5% des Frachtaufkommens der größte Kunde. In den 30er Jahren setzte die Konkurrenz des Straßenverkehrs ein, so daß die Landesbahn seit 1934 das modernste Verkehrsfahrzeug auf der Schiene, den Dieseltriebwagen einsetzte. 1938 wurden 39% der Zugleistung durch Dieseltriebwagen geleistet. Seit den 30er Jahren setzte die Textilindustrie Lastkraftwagen für den Transport der hochtarifierenden Rohgüter und Fertigprodukte ein. Ebenso zeichnete sich die Arbeiterbeförderung durch Omnibusse ab. Der Landkreis Sigmaringen errichtete 1927 seine erste Omnibuslinie in die nicht durch Eisenbahnen erschlossenen südlichen Kreisteile. Die Konkurrenz von Straße und Schiene bereitete schon damals der Hohenz. Landesbahn einigen Kummer. Doch diese Entwicklung kann aus Zeitgründen nicht mehr behandelt werden. Grundsätzlich ist damit der Gesichtspunkt der Rentabilität angesprochen. Als politische Entscheidung war der Eisenbahnbau eine Maßnahme zur Verbesserung der Infrastruktur, es war aber auch ein unmittelbarer Wirtschaftsfaktor. Der Gesichtspunkt der Rentabilität für die hohenzollerischen Bahnen war von Anfang an zweifelhaft. Die Spannung von Infrastrukturmaßnahme und mangelnder Rentabilität war somit immer gegeben. Schon 1878 verweigerte die Württembergische Eisenbahndirektion Stuttgart den Einsatz eines weiteren Zuges zwischen Ebingen und Sigmaringen mit dem Hinweis auf »... die unverhältnismäßige Vermehrung der Betriebskosten einer voraussichtlich ohnehin unrentablen Bahn«. Auch bei der Hohenzollerischen Landesbahn war die Frage der Rentabilität, ja des Uberlebens, verbunden mit dem wirtschaftlichen Wohlergehen einiger weniger Großkunden, die schon genannt wurden. Der Eisenbahnbau gab zunächst zahlreichen Personen Arbeit und Verdienst. Der Bau der württembergischen Eisenbahnen durch Hohenzollern führte dazu, daß die Arbeitskräfte knapp wurden und die Löhne anzogen. Als 1899 mit dem Bau der Landesbahn begonnen wurde, waren es nicht nur die hohen Löhne, sondern der Arbeitermangel insgesamt, der Probleme bereitete. Die »Leutenoth« 51 bestand nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch für alle anderen Wirtschaftsbereiche in Hohenzollern. In der Landwirtschaft waren die Löhne für Knechte von 1877 bis 1899 um mehr als 100% gestiegen, bei den Mägden sogar um 300-400%. Die fürstliche Domäne Bauhof in Sigmaringen stellte in diesen Jahren russische und polnische Landarbeiter ein, beim Landesbahnbau, ja insgesamt beim Straßen- und Hochbau wurden großenteils Italiener beschäftigt. Diese Feststellungen werden manchen verwundern, ist doch geläufig, daß in diesen Jahrzehnten in Hohenzollern teilweise große Armut herrschte, die zur Auswanderung oder Abwanderung zwang. Hier ist also eine differenzierende Betrachtung erforderlich. Der Eisenbahnbau um und in Hohenzollern hat zu einer unterschiedlichen Entwicklung des Landes geführt, die auch innerhalb von wenigen Jahren zu meßbaren Bevölkerungsverschiebungen führte. 1906 wurde z.B. der weitere Ausbau der Landesbahn mit dem Argument befürwortet, daß die letzte Volkszählung bewiesen habe, daß die an die Bahn angeschlossenen Gebietsteile an Einwohnerzahlen zunehmen, die nicht angeschlossenen Orte und Landesteile dagegen Bewohner verlieren. Der Hintergrund für diese Aussagen ist in der Entwicklung von Hechingen und Umgebung zu suchen. Nachdem sich in Hechingen die Textilindustrie festgesetzt hatte, zogen die Fabriken viele Arbeiter aus den umliegenden Ortschaften an. Diese fehlten dort in den landwirtschaftlichen Betrieben. Die Löhne für Knechte und Mägde zogen im Raum um Hechingen daher wesentlich stärker als im Gammertinger oder gar Sigmaringer Raum an. Weiterhin ist das Phänomen zu beobachten, daß die Menschen zu den Arbeitsplätzen hin abwanderten, die den höchsten Lohn erbrachten. Neben den Fabriken in Hohenzollern und im benachbarten Württemberg ist hier die Saisonarbeit in der Schweiz und im Elsaß zu nennen, die für viele jungen Männer und Frauen hohen Verdienst brachte. Für die Schwerarbeit oder Dreckarbeit (immer im damaligen Sinne) wurden schließlich Gastarbeiter geholt. Gewisse heutige Erscheinungen hat es also auch schon früher gegeben. In den Kriegsjahren 1914 bis 1918 verstärkte sich diese Bewegung. Viele Frauen und Jugendliche nahmen Arbeit in den benachbarten württembergischen Fabriken auf, vor allem in den großen Munitionsfabriken, die wesentlich höhere Löhne als in Hohenzollern zahlten. Erst die Erschließung der Region durch Haupt- und Nebenbahnen ermöglichte diese Arbeiterbewegungen, d. h. die tägliche Rückkehr vom Arbeitsplatz nach Hause. Eine neue, bisher unbekannte Beweglichkeit eröffnete sich für die Arbeiter. Insgesamt lassen sich die wirtschaftlichen Impulse durch den Bahnbau jedoch nur schwer messen. Eisenbahn bedeutete Infrastruktur, die genutzt werden konnte. Für eine gewerbliche Entwicklung waren jedoch noch weitere Faktoren wie Kapital, technisches Wissen und Märkte erforderlich und beides war zunächst nicht vorhanden. Waren in der 1. Hälfte des 19.Jh. das Kapital und die Maschinen vor allem für die Textilproduktion von Unternehmern aus der Schweiz und aus Baden gekommen, die in Hohenzollern billige Arbeitskräfte und Produktionsmöglichkeiten fanden, so wurde die Entwicklung in Hechingen ab 1846 von wenigen aus Württemberg kommenden jüdischen Familien getragen, die Kapital mitbrachten und stark mit der württembergischen Industrie verflochten waren. Auf Kapital und Ausbildung als Strukturmerkmale machte z. B. 1899 die Zentralstelle für Landwirtschaft und Gewerbe aufmerksam. Die Bahnlinie Hechingen-Burladingen werde für die Heimwerkstätten und den Vertrieb der Waren Erleichterungen mit sich bringen. Die Zentralstelle prognostizierte jedoch, daß trotz der Entstehung von wenigen 52 größeren Betrieben, die auch für den Export arbeiteten (Feinmechanik und Waagenbau in Jungingen), im allgemeinen die Zersplitterung der Unternehmungen und das Fehlen an Kapital und an gediegener fachmännischer und kaufmännischer Ausbildung und Leitung einem dauerhaften Aufschwung auch nach Eröffnung der Bahnstrecke entgegenstünde (Jahresbericht 1899 S.20). Die Entwicklung im benachbarten Burladingen belegte dagegen, wie durch das Zusammenfallen von unternehmerisch aktiven Personen, Kapital, Arbeitskräften und günstigen Verkehrsanbindungen ein ungewöhnlicher Aufschwung aus eigener Kraft erfolgte. Verfolgen wir die Zahlen der Arbeitsplätze über Jahre hinweg, sehen wir, wie mühselig diese Entwicklung in Hohenzollern war. Von den 75 gewerblichen Betrieben mit 10 oder mehr Arbeitern, die 1913 4752 Arbeiter beschäftigten, entfielen allein 63% (=47) mit 75% (= 3545) Arbeitern auf das damalige Oberamt Hechingen. Die Trikotagefabriken und die ihnen zuarbeitenden Betriebe beschäftigten die meisten Arbeiter (35%) gefolgt von der Schuhindustrie (30%), dem Hüttenwerk Laucherthal (7%) und der Zellstoffproduktion (6% der Arbeiter), um nur die wichtigsten Sparten zu nennen. Die Kriegswirtschaft des 1. Weltkriegs führte zum Zusammenbruch vieler Betriebe, so daß nach dem Krieg eine neue Entwicklung einsetzte. 1933 bestanden 3414 gewerbliche Niederlassungen (Industrie und Handel) mit 12550 beschäftigten Personen. Die größten Betriebe waren das Salzwerk Stetten, die Hütte Laucherthal, dann folgten die Textilfabriken, die insgesamt noch 32% aller Arbeiter beschäftigten. Daneben waren jedoch zahlreiche Betriebe für Metallwaren, Maschinen und Apparatebau, elektrotechnische Industrie, Optik und Feinmechanik getreten. Der Mittelpunkt der gewerblichen Wirtschaft war Hechingen und Umgebung, von dort zog eine Achse durch das Killertal nach Gammertingen. Der Sigmaringer Raum blieb bis auf wenige Orte von dieser Entwicklung ausgespart. Einige Zahlen verdeutlichen dies. 1933 gab es in Haigerloch rund 130 gewerbliche Arbeitsplätze, in Fischingen 80, in Bisingen 580, in Hechingen rund 1400, in Jungingen 119, in Burladingen 1000, in Neufra 150, in Gammertingen 53, in Sigmaringendorf 460, in Sigmaringen 12, in Laiz 86 und in Ostrach 46. Diese räumliche Verteilung zeigt, daß der Eisenbahnbau nur ein Faktor unter anderen war, um Arbeitsplätze zu schaffen. Die Eisenbahnerschließung im Ober- wie Unterland war gleich intensiv, die gewerbliche Entwicklung verlief jedoch stark abweichend. Die gewerbliche Entwicklung war jedoch nicht so groß, um eine steigende Bevölkerungszahl ernähren zu können. Die Entwicklung der Bevölkerung in Hohenzollern im Vergleich mit der von Baden und Württemberg zeigt dies. Bis um etwa 1860 vollzog sich in Hohenzollern eine ähnliche Bevölkerungsbewegung wie in Baden und Württemberg. Bis in die 40er Jahre stieg die Bevölkerung kontinuierlich an. Die Mißernten der Jahre 1846/47 und 1851/52 wie auch die revolutionären Unruhen 1848/49 führten zu einer hohen Abwanderungs- bzw. Auswanderungsrate. 1855 erreichte die Bevölkerungskurve einen Tiefstand. Während Baden und Württemberg den Bevölkerungsrückgang schon 1860 bzw. 1862 aufgeholt hatten, dauerte es in Hohenzollern bis 1871, um den Bevölkerungsstand von 1850 wieder zu erreichen. Trotz hoher Geburtenüberschüsse von jährlich 4% bis 6% stagnierte in Hohenzollern die Bevölkerungszahl von 1871 bis 1900 (um 66000 Einwohner) und stieg dann langsam an, um 1933 rund 73000 Bewohner (+ 11%) zu erreichen. In Baden und Württemberg war in der gleichen Zeit die Bevölkerung um 78% bzw. 50% gestiegen. Ich habe nun einiges über die Verschränkung von Eisenbahnbau und gewerblicher Entwicklung bis in die 30er Jahre unseres Jahrhunderts schlaglichtartig vorgestellt. Mit dem Beginn der Konkurrenz der Straßenfahrzeuge wird die Entwicklung sehr komplex und kann hier nicht mehr dargestellt werden. Der Eisenbahnbau bedeutete auch in Hohenzollern den Zugang zur Welt, vor allem für die Gewerbe- und Handeltreibenden. Die Eisenbahn verbesserte aber auch die Bewegungsmöglichkeiten innerhalb des Landes. Letzteres war für die Arbeiterbauern wichtig, die als Pendler morgens und abends gute Verkehrsverbindungen brauchten. Eine gewerbliche Entwicklung wäre in Hohenzollern also ohne den Bahnbau, ohne die Hohenzollerische Landesbahn, nicht möglich gewesen. In allen wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, sei es die Standort- oder die komplexere Raumwirtschaftstheorie, stellen die Transportkosten einen wesentlichen Faktor der Kalkulation dar. Über diesem engeren Aspekt darf nicht übersehen werden, daß der Eisenbahnbau einen differenzierenden Einfluß auf die regionale Entwicklung hatte. In den bevorzugten Gebieten, Hechingen und Umgebung, führte das neue Transportmittel zu Wachstumstendenzen. Und in den benachteiligten Gebieten förderte die Eisenbahn Entleerungstendenzen, hier setzte ein Bevölkerungsschwund ein. Die Geschichte zeigt uns, daß der Eisenbahnbau auf einer zeitgebundenen politischen Entscheidung beruhte, die seit einigen Jahren mehr und mehr revidiert wird. Bei aller Nostalgie und Freude bei der Ansicht einer Dampflokomotive sollten wir jedoch nicht vergessen, daß diese den Menschen vor noch nicht allzulanger Zeit die Grundlage bot, einen bescheidenen Wohlstand zu erwerben. KARL MORS Die gotische Klosterkirche (Fortsetzung von Nr. III Stetten Führung mit Betrachtungen zur Gotik und zur Klostergeschichte 3/1987) Das Rosenkranzthema wird im Zelebrantensitz rechts wieder aufgenommen, der im Zopfstil dem Übergangsstil zwischen Rokoko und Klassizismus Ende des 18. Jahrhunderts geschaffen wurde, ganz in Weiß und Gold. Unter dem Baldachin entdecken wir die Weltkugel, umrahmt vom Rosenkranz, oben wieder der hl. Dominikus. An der Nordwand des Schiffes fällt eine bemerkenswerte Holzschnitzarbeit ins Auge: Maria mit Krone und Zepter, das Jesuskind auf dem Arm, das Ganze in einer Strahlenmandorla. Die Madonna ist von einem Kranz aus Rosen umrahmt und steht auf einer Mondsichel. In die Roseneinrahmung sind fünf Sinnbilder des Leidens Christi eingefügt, stellvertretend für die Vaterunser im Rosenkranz. Hier also wiederum ein Hinweis auf die Rosenkranzbeziehung des hl. Dominikus. Der Stand auf der Mondsichel wird als Erhabenheit über allen Launen und dem wechselhaften gedeutet, denn auf das lateinische Wort luna (Mond) geht das Wort Laune zurück. Eine andere Deutung bezieht sich auf die Geheime Offenbarung, die von einer Frau spricht, die den Mond zu ihren Füßen hat und eine Krone trägt. Verherrlicht wird die Madonne von vier schwebenden Engeln. Dieses Werk stammt vom Hechinger Holzschnitzer Zachäus Taubenschmid (1610), der auch die Madonna am Haus Wallishauser in der Goldschmiedstraße in Hechingen, einem ehemaligen Wohnsitz der Chorherren der Stiftskirche, geschaffen hat. Die spätgotische Madonna, ehemals über der Kirchenpforte, jetzt restauriert vom Konstanzer Früh, mit dem Gesicht einer eher reifen Maria, ist in das 15. Jahrhundert einzuordnen. Sie gefällt durch einen weichen Mantelwurf mit drei Schüsselfalten - die mittlere etwas eingeschnörkelt - und die weiten von der rechten Hüfte bis zum Boden schwingenden Falten, die dort nicht zerknittern. Die Häufung von Madonnenstatuen um Hechingen und die augenfällige Ähnlichkeit der Pieta im Spittel mit der in Zimmern lassen eine Schnitzerwerkstatt in Hechingen vermuten, die auf die Ulmer Schule um Hartmann zurückgehen könnte. Unter der Empore entdeckt man noch ein Kümmernisbild, auch Heilige Hilfe genannt. Sie ist eine volkstümliche Heilige, die der Legende nach als portugiesische Königstochter Wilgefortis zur Heirat gezwungen worden sein soll, aber wegen eines Gelübdes zur Bewahrung ihrer Jungfräulichkeit Gott um Zeichen der Männlichkeit gebeten haben soll. Der erzürnte Vater habe sie daraufhin kreuzigen lassen. Darge- stellt wird sie am Kreuz hängend mit Krone, meist mit einem goldenen Schuh und einem langen, hier blaugrünen goldbestickten Mantel. Das Bildnis ist von einem baldachinartigen Tuch hinterfangen. Die bekannteste Darstellung ist in Lucca zu sehen. Auf der Gegenseite sehen wir das Bild der Katharina von Ricci, die als Priorin von Dominikanerinnen in strenger Askese lebte und durch Gebet Christus von seinen Marterwerkzeugen zu befreien versuchte, wobei sie eine Stigmatisation erlebte. Das Thema im Altarblatt, der Rosenkranz im Zelebrantensitz, der Kranz aus Rosen um die Strahlenmadonna und dieses Stigmatisationsbild verweisen darauf, daß sich die Dominikanerinnen inbrünstig dem Gebet hingegeben haben. Hierher paßt auch die ausdrucksvolle Pieta um 1500, die vielleicht bald wieder in die Kirche zurückkehren darf. Früher befanden sich an den Wänden mehrere Gemälde im Charakter der Zeitblomschule, die heute in der Sigmaringer Kunstsammlung zu bewundern sind, z.B. ein Gemälde über die Enthauptung des Täufers, wie Herodias das abgeschlagene Haupt dem Herodes auf einem Teller vorweist. Das große Gemälde in der Empore stellt den hl. Dominikus mit 18 seiner Mönche an einer Hufeisentafel dar, wobei die Runde von zwei Engeln bewirtet wird (um 1700), gemäß der Schrift: ».. .und unser himmlischer Vater ernährt sie alle.« Auf beiden Seiten sieht man, wie Mönche Bettler speisen. Der breite Rahmen ist mit einer Blumenranke bemalt. Die Kanzel stammt, wie aus der Kartusche abzulesen ist, aus dem Jahre 1738, eine Barockschöpfung. Die beigegebene Schrift: »Beati, qui audiunt verbum Dei et custodiunt id« (Selig, die das Wort Gottes hören und es beachten) weist das Gotteshaus als Predigerkirche aus. Über dem Nonnenchor haben wir eine flache Putzdecke, welche nur sparsame Profilierung zeigt und vom übrigen Schiff durch einen Rundbogen abgetrennt ist. Früher reichte die untere Empore mit einem Seitenteil weiter vor, so daß der Pfarrer von der Kanzeltreppe aus die Kommunion den Nonnen durch.ein Gitter reichen konnte. Die Emporenbrüstung selbst besteht aus einem durchbrochenen geschnitzten Holzgitter. Auf der Empore ist das bescheidene Gestühl der Nonnen mit Klappsitzen noch vorhanden. Die Orgel auf der zweiten Empore wurde in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts 53 von einem Tübinger Orgelbauer geschaffen. Aus dieser Zeit stammen auch die kunstvollen reich geschnitzten Wangen des Gemeindegestühls. Zusammenfassung Uber die Kirche Sie wirkt durch ihre unverfälschte bis auf die heutige Zeit überkommene Architektur, ihre stilreine bauliche Einheitlichkeit und ihre verhaltene durch den Bettelorden bedingte Innenausstattung, die die Kirche als Stätte des Gebets kennzeichnet. Angesichts dessen ist man von der schlichten ursprünglichen Form doch gefangen. Besonders kunstvoll ist das Sakramentshäuschen. Die Johanneskapelle Der älteste Teil der Kirche befindet sich im verschlossenen Chorraum der Johanneskapelle, dem östlichen Vorraum der Sakristei, wohl um 1230 erbaut. Dort findet man ein Kreuzgratgewölbe romanischer Art, außerdem eine Schnitzstuckausschmückung wie in St. Luzen mit Beschlagornamenten (um 1600). Offenbar hat der Graf damals einige seiner verdingten Handwerker hierher abgestellt. Der sehr wertvolle, in Weiß und Gold gefaßte Renaissancealtar der Johanneskapelle mit mehreren holzgeschnitzten Figuren aus dem Beginn des 17. Jahrhunderts ist beim Brand 1898 leider untergegangen. Er ähnelte dem Altar in der Hechinger Hofkapelle, von welchem noch einige Teile in der Junginger Kirche zu sehen sind. Die ehemaligen Bilder in der Johanneskapelle stammen von früheren Seitenaltären und stellten Tobias mit dem Erzengel Raphael und den hl. Nepomuk dar. Der Vater Tobias hatte sich nach Entführung der Juden in die assyrische Gefangenschaft karitativ betätigt und war nach einem Unglücksfall erblindet. Daraufhin schickte er seinen Sohn Tobias unter dem Schutz des Reisepatrons Raphael nach Rages, wodurch der Vater das Augenlicht wiedererhielt. In drei Darstellungen haben also die Dominikanerinnen eine Verbindung zum wertvollen Gut des Augenlichts festgehalten: in der Statue der hl. Ottilie, der Schutzheiligen für die Blinden, über dem westlichen Kircheneingang, dann im menschlich gehaltenen Auge Gottes unter dem Kümmernisbild und schließlich im Gemälde des Tobias eines früheren Seitenaltars. In der Johanneskapelle befanden sich einst noch zwei Skelette, die sogenannten heiligen Leiber eines Ehepaares Baum, die später ebenfalls in die Junginger Kirche kamen. Dieses kinderlose Ehepaar soll recht gottesfürchtig gewesen und nach seinem Tod von den Stettenern als Selige angesehen worden sein. Die Sakristei birgt noch einige großartige Meßgewänder, 200 Jahr alt, die die Dominikanerinnen fertigten, zwei davon sind im Stettener Heimatmuseum. Im Stuttgarter Schloßmuseum befindet sich außerdem eine stehende Madonna von Stetten aus dem 15. Jahrhundert und im Hohenzollerischen Landesmuseum in Hechingen die Kopie einer sehr alten Mariendarstellung mit Kind aus dem 14. Jahrhundert. Der Münchener Restaurator Franz Lorch hat dieser ihre ehemalige Fassung in leuchtenden Farben zurückgegeben. Sie gefällt durch einen besonderen Liebreiz. Außen an der Johanneskapelle stößt man im Süden auf ein altes Wappen derer von O w . Die Herren von O w besaßen in vielen Gemeinden der nördlichen Zollergrafschaft Rechte und Besitz. Der Klosterbau Diese Form des ehemaligen Klosterbaues haben die Zisterzienser entwickelt, und zwar in einem strengen, immer 54 wiederkehrenden Grundriß: An die Kirche im Norden schließt sich ein dreiflügeliger Bau an. Dieser wird im Innern von einem Kreuzgang mit Arkaden umrandet und enthält im Innenhof einen Brunnen. Der schlichte quadratische Bau, 60 m im Geviert, hatte hier zwei Stockwerke. An die Johanneskapelle schloß sich der Kapitelsaal an, wie in den meisten Klöstern, wo die täglichen Vermeidungen an die Nonnen und auch die Kapitel in zweierlei Weisen verlesen wurden. Von diesem Kapitelsaal erkennt man noch Fenster mit rundbogigem Abschluß über zwei Spitzbögen. Auch vom Kreuzgang ist noch ein Rest in Form eines Rundbogens über dem Ziehbrunnen erhalten. Im Ostflügel befand sich ein sehr schöner gotischer Speisesaal mit leicht gewölbter Balkendecke, holzgeschnitzten Säulen und gotischen Butzenscheiben. Zur Klostergeschichte Im 14. Jahrhundert war das Kloster zu großem Wohlstand gekommen, denn die adeligen Damen bekamen meist reichliche Mitgift. Verständlich, denn die Grafen und Edelleute wollten ihre zahlreichen Töchter unterbringen. Um 1500 gab es um Hechingen nicht weniger als 10 Frauenklöster, die aber meist den Töchtern aus bürgerlichem Haus offenstanden, während das zollerische Hauskloster eher den Adeligen vorbehalten blieb. Namen wie »von Stuffenberg«, »von Ow«, kommen häufig vor. Auch war die Schwester von Kaiser Rudolf, dem Sohn von Kaiser Maximilian II., hier Ordensfrau. In das Kloster Reichenau durften damals meist nur Angehörige des hohen Adels eintreten. In einem noch vorhandenen Urkundenbuch aus dem 14.Jahrhundert sind über 100 Verkäufe, Schenkungen und Vererbungen von Gütern, Häusern, Lehenserträgen und Gülten an das Kloster in einem Bereich zwischen Donau und Neckar aufgezeichnet. Und in der Hechinger Chronik sind alle paar Jahre Stiftungen von Grundbesitz an das Kloster mit der Gegenleistung der Abhaltung von Jahrtagen erwähnt. Das erste Hechinger Siegel mit dem weiß-schwarz gevierteten Schild ist einer Urkunde über Zinsentausch Hechinger Bürger mit der Klosterfrau Agnes von Zolr zu Stetten angehängt. 1439 wird berichtet, daß ein Hechinger Bürger an seine Zahlungsrückstände gemahnt werden mußte. Um 1400 erfährt das Kloster eine Verbindung mit Heiligkreuz, und zwar durch den »Höllischen Schuß«, der zur Gründung der dortigen Kapelle geführt hat. Da habe nach der Sage ein Diener des Grafen mit Namen Wilhelm vom Teufel die Eingebung bekommen, er werde ein nie fehlender Schütze sein, wenn er in der Karwoche die Passion auf einem Fuß stehend anhöre und anschließend drei Schuß auf ein Kruzifix abgebe. Er tat dies, wurde aber am steckengebliebenen Pfeil erkannt, so daß ihn der Graf enthaupten ließ. Das Kreuz wurde nach ergangenem »erschröcklichem Actu« in einer Prozession des Konvents nach Stetten gebracht und in die Obhut der Priorin Adelhaid übergeben, einer Schenkin von Stauffenberg. Der Sohn des Grafen, Friedrich der Öttinger, hat dann an der Stelle, wo das »Merakul« der Blutung aus dem Corpus Christi sich zugetragen, 1402 die »Cappel zum Heiligen Creitz« als Sühne errichten lassen. In einer anderen Darstellung soll der Schütze nach seiner Tat nicht mehr vom Platz gekommen sein. Auch in der Kirche von Kloster Wald ist ein solcher »Höllischer Schuß« dargestellt. Die drei Pfeile sind übrigens später in sternförmiger Anordnung in das Stettener Wappen eingegangen. In der politischen Geschichte spielte das Kloster meist nur eine passive Rolle, denn bei Belagerungen der Burg Hohenzollern wurde hier meist das Hauptquartier eingerichtet. So auch 1422, als 18 Reichsstädte unter Führung von Henriette von Württemberg dem Grafen Friedrich dem Öttinger den Kampf ansagten und die Burg belagerten. Unter dieser Bela- gerung, die zum Untergang der Zollerburg führte, litt das Kloster sehr. Mit 3500 Mann lagerten die feindlichen Heere um den Zoller. Der Hechinger Studienrat Karl Widmaier hat in seinem Drama »Der Ottinger« das Zusammentreffen mit dem Zollergrafen in ein Gemach des Klosters verlegt. Henriette demütigte hier den Grafen, der angeblich ihre Liebe verschmäht hatte. Theodor Zingeler ließ den damaligen Beichtvater von Stetten, Johannes Hospach, ausführlich über die Übergabe und den Untergang der Burg berichten (vgl. Th. Zingeler: Hohenzollern, S. 184ff.). Damals ist das Kloster in elenden Zustand versetzt worden, so daß der Provinzial der Dominikaner in Straßburg, Gisbert von Trajecto, dem das Kloster unterstellt war, sich zur Versprechung veranlaßt fühlte, daß für alle Wohltäter, die etwas zum Wohle des Konvents beitragen, 300 hl. Messen gelesen werden sollten. Daß das Kloster bald wieder aufblühen konnte, geht aus einer Übereinkunft mit der Gemeinde Stetten hervor, nach welcher 1458 dem Kloster ein Wehrbau gestattet wurde, um das Wasser auf die klostereigene Mühle zu leiten. 1482 erneuerte Papst Sixtus IV. die Schutzbulle von 1261. Das Kloster sollte nicht mehr dem Straßburger Provinzial, sondern dem Bistum Konstanz unterstellt werden. In dieser Urkunde ist übrigens der Name Gnadental für das Kloster zum erstenmal gesichert enthalten. Offenbar setzte zu dieser Zeit dann ein Niedergang im Klosterleben ein, denn der damalige Zollergraf Eitelfriedrich II. stellte einen merklichen Abfall in der geistigen Grundhaltung fest. Wegen des unordentlichen Lebens bewirkte er wieder eine Unterstellung des Klosters unter die Observanz der Dominikaner. Auch verzichtete er darauf, daß das Kloster für ihn einen Reisewagen zu unterhalten habe. Bei der Aufstellung neuer Regeln wurde verfügt, daß bei den Schwestern Privateigentum nicht mehr geduldet wurde, das von der abendlichen Komplet bis zur morgendlichen Prim Stillschweigen zu bewahren sei, daß die Post überwacht werde, daß die Nonnen wieder Klosterkleidung zu tragen hätten usw. Im 30jährigen Krieg war die Burg dann wieder Anziehungspunkt für Freund und Feind, dies besonders in den Jahren 1633/34. Wiederum überzog große N o t den Klosterbereich: Alle Kostbarkeiten wurden in Eile hinauf auf die Zollerburg gebracht, bevor der württembergische Herzog Eberhard III. mit den Schweden zur Belagerung anrückte, diese unter dem bekannten Feldmarschall Horn. Auch für den Bereich Hechingen kamen schwere Zeiten: Die Soldaten raubten rücksichtslos die Nahrungsvorräte der Bevölkerung, und als Ersatz für rückständigen Sold nahmen sie Kupfer- und Silbergeschirr und auch liturgische Geräte aus dem Kloster mit. Der Beichtvater von Stetten wurde niedergehauen. Es wird berichtet, daß sich die Bevölkerung von Kräutern und Eicheln ernähren und daß Frauen und Kinder den Pflug ziehen mußten. Die Einnahme der Burg durch die Schweden wurde durch eine List verhindert. Man erzählt sich, daß die Burgbesatzung ihr letztes Korn an eine Kuh verfütterte, diese schlachtete und den Kuhmagen dann über die Mauer warf, um zu zeigen, wie gut man noch bevorratet sei. Daraufhin seien dann die Schweden abgezogen. Allerdings setzten die Württemberger die Belagerung fort. Erst als die Hechinger dem württembergischen Herzog gehuldigt hatten, übergab der zollerische Kommandant, Leutnant Weinmann, die Burg. Die Burgbesatzung nahm hierbei in Sack und Pack Klosterutensilien mit, um sich damit irgendwo einen Unterhalt zu erkaufen. Der Sieg der Kaiserlichen 1634 bei Nördlingen brachte dann eine Wende. Bayerische Truppen unter Kurfürst Maximilian rückten an, um die Württemberger von der Burg zu vertreiben. In dieser Zeit überfiel der Hohentwieler Konrad Wiederhold die Belagerer und haute bei Stetten 50 Mann nieder. Die Einnahme der Burg geschah durch eine List: Im Hechinger Schloß hatte ein bayerischer Oberst ein leeres Papier mit der Unterschrift des württembergischen Herzogs Eberhard vorgefunden. Er kritzelte darauf die Aufforderung zur Übergabe der Burg an die Bayern und erschlich so den Abzug der Württemberger. N u n wurde es auch im Kloster wieder etwas ruhiger. Das Jahr 1802 brachte aber eine große Wende: die Aufhebung des Klosters im Vorgriff auf die Säkularisation. Napoleon hatte in der Absicht, das Römische Reich Deutscher Nation zu zerschlagen, die Gründung des Rheinbundes deutscher Fürsten eingeleitet, der unter seiner Führung eine Konföderation bilden sollte. Im Reichsdeputationshauptschluß zu Regensburg regelte dann eine Kommission die Neuverteilung aller Gebiete mit Aufhebung der meisten Klöster und geistlichen Herrschaftsgebiete, die dann den Fürsten des Rheinbundes zugeteilt wurden. Auch die Reichsstädte verloren ihre bis dahin geltende Selbständigkeit. So fiel das Kloster Stetten zusammen mit St. Luzen und Kloster Rangendingen an den Hechinger Fürst. Der Orden wurde aufgehoben, ebenfalls das Kollegiatstift in Hechingen. Man muß bedenken, daß die Klöster damals noch über größere Besitzungen verfügten. So war der Konvent in Stetten größter Grundbesitzer der Gemeinde und zählte etwa 60 Personen. Damals wurden die in der Erbgrablege Stetten bestatteten früheren hohenzollerischen Mitglieder in die Fürstengruft nach Hechingen übergeführt (1804). Das Kloster durfte keine Novizinnen mehr aufnehmen. Die noch lebenden Nonnen erhielten das Absterberecht, sofern sie nicht das Kloster verließen. Die Gebäulichkeiten übernahm nach Aufstellung einer deutschen Bundesarmee 1814 das Leichte Hohenzollerische Hausbataillon, das bis 1849 bestand. Von diesem Bataillon wurden zwei Kompanien im Kloster Gorheim bei Sigmaringen, eine Kompanie hier in Stetten und ein Scharfschützenzug im Fürstentum Liechtenstein untergebracht. Mit der Schlagkraft und Disziplin dieser Truppe muß es aber nicht weither gewesen sein. Schon die Rekrutierung war höchst eigenartig, denn der normale Bürger konnte sich durch Bezahlung eines Rekruten freikaufen. So blieben für das Militär vielfach Arme, dann Säufer und auch Verurteilte übrig, und dies für eine sechsjährige Dienstzeit. Es kam vor, daß manche Rekruten lebenslängliche Berufsdiener wurden. Als der Hechinger Fürst einmal unangemeldet hierher kam, lagerten die Soldaten am Klosterhof; der zugehörige Feldwebel befand sich drinnen im Adler. Da die Soldaten sich nicht bequemten, stramme Haltung anzunehmen, gärte es in seiner Hochwohlgeboren nicht unerheblich. Aber er beherrschte sich und übertünchte seinen Unmut mit dem Ansinnen, daß er dem Faulsten der Soldaten einen Kreuzer geben wolle. Die Landser murmelten: »Dr Friedr sei scho dr feilscht.« Der Frieder lehnte ab mit der Bemerkung: »I will da Kreizr gar it, hegschtens, wenn en dr Fiescht en mein Hosasack neischoppet.« Der Fürst, des Schwäbischen mächtig, erkannte dies als Ausbund der Faulheit und warf dem Frieder den Kreuzer zu. Dieser tat aber schlitzohrig gleichgültig, rückte dennoch mit seinem Fiedla hehlinge über den Kreuzer und raisonnierte gleichgültig: »Weelaweag!« Die mangelnde Schlagkraft dieser Truppe mußte der Fürst am eigenen Leib verspüren, denn bei der 48er Revolution wurde das Bataillon nicht zu seinem Schutz eingesetzt, so daß sich der Fürst von Hechinger Bürgern und dem Pfarrer Blumenstetter, der sein Kontrahent war, schützen lassen mußte. Nach Auflösung des Bataillons 1849 standen die Klostergebäude leer. Da versuchte der Hechinger Stadtpfarrer Schön 1869, die Räume wieder mit Leben zu füllen. Es gelang ihm, Franziskaner hierher zu bringen. Ihr Wirken stand aber unter dem Unglückstern des Kulturkampfes. Es gab auch Mißtöne mit der Gemeinde, so daß nach sechs Jahren die Patres wieder abzogen. 55 Später wurden die Gebäulichkeiten durch ein Wirtschaftsunternehmen genutzt. Der Schuhmachermeister Sebastian Wolf aus Boll richtete hier in unternehmerischer Initiative eine Schuhfabrik ein. Begünstigt wurde die Gründung durch die starke jüdische Gemeinde von Hechingen, welcher viele Leder- und Viehhändler angehörten. Im Zusammenwirken mit dem Fabrikanten Schiele brachte es das Unternehmen zu großer Blüte. 1898 brannte aber diese Fabrik ab und damit beinahe alle Wohnbauten des ehemaligen Klosters. Auch die alte Johanneskapelle litt großen Schaden. Viel Inventar und der wertvolle Renaissancealtar gingen in Schutt und Asche unter. Lediglich das Kirchenschiff konnte durch das tatkräftige Eingreifen des Hechinger Feuerwehrhauptmanns Theo Wild gerettet werden, der auf dem Dachboden der Kirche die notwendigen Schutzmaßnahmen traf. Offenbar sind aber auch dort viele Altertümer zugrunde gegangen. Vom alten Kloster, das zur Ordenszeit über 100 Räume umfaßte, sind heute nur noch das Beichtigerhaus und das Gästehaus, »der Adler«, erhalten. Früher hieß man ihn den Klosterhof. Dieser war einst den Hechingern eine begehrte Wirtschaft. Insbesondere kamen am Schabbes die Hechinger Juden hierher, um »Aibbere und Blotter« zu genießen. Auch rühmte die zechfrohe Gesellschaft Biedermannia dieses Wirtshaus. Der Wirt Buckenmaier, ein Wessenbergianer, also ein Vorkämpfer für einen nationalen Katholizismus, war bekannt durch seine Gedichte (f 1895). Heute ist das Kloster mit der Kirche Eigentum des Sigmaringer Fürsten, denn nach der Niederlegung seiner Regierung hatte der Hechinger Fürst alle seine nicht beweglichen Besitzungen an den Sigmaringer Fürsten gegen eine jährliche Rente von 40000 Gulden abgetreten, reichlich genug, um in Löwenberg in Schlesien ein üppiges Leben führen zu können. Zur Pastoration der Gemeinde Stetten wäre zu berichten, daß früher der klösterliche Beichtvater auch die Gemeinde betreute. Nach der Säkularisation wurde Stetten Filialkirche von Hechingen. Aber mit dem Weggang der Franziskaner war die Gemeinde wieder ohne Pfarrer, und die Stettener mußten zu Fuß ihren Kirchenweg nach Hechingen machen. Eine Sammlung durch die hiesige Bevölkerung erbrachte dann so viel Geld, daß der Hechinger Stadtpfarrer wieder einen Kaplan bestellen konnte, und hierbei ist es geblieben. Das Verhältnis des Klosters zur Gemeinde war im allgemeinen gut, aber nicht ohne Reibefläche, denn das Kloster hatte Grundstücke und Gerechtsame. So kam es besonders in Notzeiten gelegentlich zu Streitereien, auch mit dem Fürst. Als im 16. Jahrhundert einmal zwei Bürger eine neue Hofstatt errichten wollten, entschied der Obervogt, mithin der Graf, daß die beiden Anwohner »hinfüro dem Kloster jährlich auf Martini 9 Pfennig Hofstattzins zu entrichten hätten und daß das Haus nur einstöckig gebaut werden dürfte, damit die Anwohner nicht über die Klostermauer sehen und damit die Klausur verletzen könnten«. Im 30jährigen Krieg war es zu einem Gansstreit mit den Stettenern gekommen, weil die Gänse der Gemeinde auf den Klosterwiesen Schaden verursacht hatten. Der Obervogt mußte festlegen, welchen Weg die Gänse zu nehmen hätten, daß die Klosterfrauen ihr Grundstück mit einem tiefen Graben zu umgeben hätten, um das Eindringen auch des Weideviehs zu verhindern und daß der Pfaffenwasen mit einem lebenden Hag zu umzäunen wäre. Und 1686 drohte der Konstanzer Bischof dem Hechinger Fürsten samt seinem Hof mit der Exkommunikation, wenn dieser die dem Stettener Kloster weggenommenen tausend Zehntgarben nicht mehr zurückerstatten sollte. Aber solche Querelen gab es ja weltweit. Zum Schluß noch eine Brauchtumsverbindung mit dem Kirchenpatron : Die Gemeinde pflegt in Anhänglichkeit an Johannes Baptista zur Sommersonnenwende das sogenannte Singefur. Vielleicht ist dieser Brauch auch heidnischen Ursprungs. Die Stettener lieben ihr Gotteshaus; verständlich, denn dies beruht auf einer 700 Jahre alten Verbindung in N o t und Freud. Abschließen möchte ich mit einigen Versen des Heimatdichters Buckenmaier über Maria Zell, das von drüben heruntergrüßt: »Dort steht am Waldesrande ein Kirchlein still und klein im grünenden Gewände, auf kluftigem Gestein. Wie eine Blüt' im Laube blickts freundlich niederwärts, und drinnen lenkt der Glaube das Auge himmelwärts...« HERBERT RÄDLE Markus Deas aus Veringen, Stadtarzt in Neumarkt und Verfasser einer Pestschrift Veringen hat in der 1. Hälfte des 16. Jh. mehrere weit über die Grenzen der engeren Heimat hinaus berühmt gewordene Männer hervorgebracht. Da ist zunächst natürlich zu nennen der Humanist und Reformator Simon Grynaeus, Erneuerer der Universität Tübingen und Briefpartner so bedeutender Reformatoren wie Melanchthon, Oekolampad, Zwingli, Bucer und Calvin 1 . Grynaeus, der damals in Basel Griechisch und Theologie lehrte, ist es gewesen, der dem Herzog Ulrich von Württemberg in den Jahren nach 1534 Pfarrer und Reformatoren für die Reformierung seines wiedererworbenen Landes vermittelte, unter ihnen den ersten evangelischen Pfarrer von Gammertingen und Reformator von Mariaberg, Markus Heiland 2 . Allgemeiner bekannt dürfte in Hohenzollern der »Meister von Meßkirch« sein, dessen Gemälde in zahlreichen Museen in Europa und Ubersee hängen und dessen Gleichsetzung mit Peter Strüb d. J. aus Veringenstadt seit den Forschungen von Chr. Salm sich immer mehr durchsetzt 3 . 56 Nicht so bekannt wie die vorigen und doch auch bemerkenswert ist hingegen ein weiterer Sohn der Gemeinde Veringen, der Medizinschriftsteller und Arzt Markus Veringer, der seit 1531 Stadtarzt in Neumarkt i. d.OPf. war. Markus Deas Veringer hat, wie die Auszüge Max Schaitels aus der Heidelberger Universitätsmatrikel zeigen, Mitte der 1520-er Jahre zusammen mit Thomas Grynaeus, einem Neffen des oben genannten Simon Grynaeus, in Heidelberg studiert (Zollernheimat 8, 1939, S.6). Dort legte er wenig später sein medizinisches Doktorexamen ab. Die Berufung nach Neumarkt erfolgte 1531. Dieser Vorgang ist teilweise urkundlich dokumentiert. Bevor Veringer nämlich seine Anstellung erhielt und den Amtseid leistete, kam es wegen des Gehalts zu einem kurzen Hin und Her und einem diesbezüglichen Schriftwechsel, der mir deswegen bemerkenswert erscheint, weil er ein Licht wirft auf die Persönlichkeit Veringers. Dieser war offenbar ein Mann, der sich seines Wertes bewußt war und seine Interessen zu vertreten verstand. Der Rat von Neu- markt wollte ihm zunächst nur 32 Gulden im Jahr zahlen, dazu 10 Maß Holz, Wohnung und vier Gulden Umzugskosten. Veringer, der damit nicht zufrieden war, scheint sich an die Regierung gewandt zu haben. Denn diese empfahl in einem Schreiben vom 22.11. 1531, ihm außer der Wohnung und 10 Maß Holz acht Gulden Umzugskosten und ein Benefizium, das 40 Gulden einbrachte, zuzustellen. Darauf ging die Stadt ein. Ja, im dritten Dienstjahr Veringers entschloß man sich sogar, sein Gehalt auf 50 Gulden aufzustokken und ihm dazu eine Dienstwohnung im Sankt-GeorgsMesnerhaus einzurichten 4 . Offenbar hatte er die an ihn gestellten Erwartungen der Stadtväter erfüllt. Markus Veringer war in Neumarkt der erste Stadtarzt (Physicus) überhaupt, dessen Name überliefert ist. Als solcher war er verantwortlich für die Gesundheitspflege in der Stadt. Er hatte amtsärztliche Gutachten zu erstellen und Abwehrmaßregeln, besonders bei ansteckenden Krankheiten, anzuordnen. Es oblag ihm auch die gerichtliche Medizin. Gemeinsam mit einem Ratsmitglied hatte er ferner die Apotheke zu prüfen und die Wundärzte, Bader und Hebammen zu beaufsichtigen. Neben diesen seinen Amtspflichten fand Veringer in den ersten Jahren seiner Amtszeit noch Muße zu fachschriftstellerischer Tätigkeit. Er schrieb nämlich ein Pestbuch (Pestregiment), welches 1533 bei H.Steiner in Augsburg gedruckt wurde. Das Buch handelt, wie andere Pestschriften der Zeit, in einem ersten Teil von den Mitteln zur Vorbeugung, im zweiten etwas umfangreicheren Teil über die Möglichkeiten der Heilung. Daß Veringer ein im Sinne der Zeit fortschrittlicher Arzt war, zeigt u. a. sein methodisches Fragen nach den Ursachen. »Es ist«, so schreibt er im Vorwort, »nicht möglich, einer Krankheit fürzukommen oder zu begegnen, denn so der Krankheit entliche (= eigentliche) Ursach erforschet und erfragt ist worden«. Im übrigen ist das auf deutsch geschriebene Buch gemeinverständlich geschrieben und wendet sich an »den gemain ainfältig Mann«. Veringer bekam, eher als ihm lieb sein konnte, von Amts wegen zu tun mit der unheimlichen Krankheit. Noch im Jahr 1533 wurde die Pest, die zuvor schon im benachbarten Nürnberg gewütet hatte, auch in Neumarkt eingeschleppt. Vom 15. Juni bis zum 4. Oktober starben hier an die 800 Personen, darunter 34 werdende Mütter. Das war ungefähr die Hälfte der Bevölkerung 5 . Uber Veringers Lebensweg, der ihn aus seiner Heimat Veringen über den Studienort Heidelberg nach Neumarkt führte, ist sonst nur wenig bekannt. Doch da er, wie oben erwähnt, zusammen mit Thomas Grynaeus in Heidelberg auftaucht, ist mehr als wahrscheinlich, daß auch ihn der Humanist Simon Grynaeus, seit 1524 Griechischprofessorin Heidelberg, dorthin gezogen hat. Seine Elementarausbildung dürfte Veringer in der für das Jahr 1478 urkundlich bezeugten städtischen Schule seiner Vaterstadt 6 erhalten haben. Möglicherweise hat er - gleich Thomas Grynaeus - in Heidelberg bei Simon Grynaeus gewohnt, der dort ein Haus besaß 7 . Beide studierten zunächst wohl Griechisch bei Simon Grynaeus: Thomas Grynaeus war später Griechischlehrer in Bern und Basel 8 . Und was Veringer betrifft, so könnte er durchaus von Simon Grynaeus zur Medizin angeregt worden sein. Denn dieser hatte nach eigenem Zeugnis selbst eine große innere Neigung zu dieser Wissenschaft. Er hatte bereits während seiner Studienzeit in Wien um das Jahr 1512 bei dem späteren Stadtarzt von Sankt Gallen, Joachim Vadian, medizinische Vorlesungen gehört 9 , kaufte sich in Heidelberg den gesamten griechischen G a l e n - w o h l in der Ausgabe des Aldus von 1525 - studierte ihn eifrig und hätte noch 1529 mit 35 Jahren am liebsten seine Griechisch-Professur aufgegeben, um sich »ernsthaft der Medizin zu widmen« 10 . Anmerkungen 1 Die Sammlung und Publikation dieser Briefe wäre lohnend (falls der Druck von irgendeiner Seite finanziert würde). 2 Vgl. H H 36. Jg. (1986) S.46ff. 3 So ist dessen Kreuztragung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg neuerdings mit der Aufschrift versehen: Meister von Meßkirch, wohl identisch mit Peter Strüb d. J. aus Veringenstadt. * K. Ried, Geschichte der Stadt Neumarkt in der Oberpfalz, herausgegeben von der Stadt Neumarkt, 1960, S.400 5 K. Ried, wie Anm. 4, S. 633. 6 Die Schule wird erwähnt bei E. Zillenbiller (Hrsg.), Burg und Stadt Veringen, Sigmaringen 1985, S. 80. 7 Vgl. / . V. Pollet: Martin Bucer - Etudes sur la correspondance, Bd. II, Paris 1962, S. 372,3. 8 C. Roth, Stammtafeln einiger ausgestorbener Basler Gelehrtenfamilien, in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 16, 1917, S. 398. ' E. Arbenz (Hrsg.), Vadianische Briefsammlung, Sankt Gallen 1908, Nr. 710, Zeile l f . 10 »serio medicinam sequi« (Brief an Oekolampad; Staehelin N r . 649, S. 303). Der Grieche Galen (ca. 130-200 n. Chr.) galt im 16. Jh. als unerschütterliche Autorität, als höchste und letzte medizinische Instanz (/. Carter, Bücher, die die Welt verändern, Darmstadt 1969, S. 96f.). In seinem umfangreichen Werk hatte er die Errungenschaften der hippokratischen und alexandrinischen Heilwissenschaft für den praktischen Arzt schon in der Antike bequem zugänglich gemacht. Seine Schriften sind in vielen griechischen Handschriften, außerdem in arabischen und lateinischen Ubersetzungen und Bearbeitungen erhalten. Die erste griechische Galen-Ausgabe legte Aldus 1525 vor, ihm folgte Camerarius 1538. Auf Galen als seinen Lehrmeister beruft sich Veringer im ersten Kapitel seiner Pestschrift mit aller Deutlichkeit. Er beginnt mit den Worten: »Galienus schreibt im Buch von den Fiebern...« 11 Für einen ersten Hinweis auf Markus Veringer danke ich herzlich Herrn Josef Schülzle aus Burladingen. J O H A N N A D A M KRAUS Die Ringinger Rausse Der Straßenname Rausse (man spricht den Namen Rausse wie schwäbisch rot = raot, nicht wie Bauer oder wie hinaus!) im Norden und in niedriger Lage Ringingens reicht vom Kreben nach Osten bis über die Pfarramtliche Schächerwies hinaus, die einige Zeit nach 1530 eine kleine (1934 abgegangene) Kapelle »Christus am Kreuz mit den beiden Schächern« erhalten hatte. Die gotische Figur des gekreuzigten Herrn ziert heute als kostbarstes Kunstwerk den Hochaltar. (Wo sie herstammt, ist nicht bekannt, vielleicht aus einem im 16. Jahrhundert protestantisch gewordenen Ort. Oder vielleicht aus einem Kloster?). Heute ist sie von ebenfalls gotischen Kopien »Maria« und »Johannes« begleitet. Der Name Rausse muß Jahrhunderte zurückreichen. Das Kohlgärte hat den Namen von Hans Kohl 1545. Im Ortsplan von 1728 (F.F. Archiv Donaueschingen) sieht man vom Kreben nach Norden zum Dorfrand eine ganze Reihe von Wasserlöchern, von denen eines den Flurnamen Harlache (Har = Flachs!) hinterließ, ein anderes im vorigen Jahrhundert ummauert und mit steinernem Boden mit Holzstiege versehen war und als »Raissle« weiterlebte, bis nach 1911 nach Einführung der Wasserleitung Isidor Dorn darauf ein Haus baute. In wasserklemmen Jahren grub man einmal sogar den Steinboden auf, um aus der Erde das dringend benötigte Naß 57 zusammenrinnen zu lassen. Bald darauf wurde das Raissle durch Abwässer des Dorfes mit Schlamm und Unrat gefüllt, aus dem Kröten und Frösche ihr Gequake erschallen ließen. Man war froh, als das »Dreckloch« durch Überbauen verschwand. Die genannten Wasserlachen stammten einst aus der Zeit, als man überall Hanf und Flachs anbaute. Beide Gespinstpflanzen waren die einzige Möglichkeit, um daraus Fasern und Seile für Stoffe zu gewinnen und (rauhe) Tuche zu erhalten. Die feineren nannte man »reiste«, die gröberen »oowirke« (aus Abwerg). Nach dem Ersten Weltkrieg lebte für einige Zeit das Anpflanzen von Hanf und Flachs wieder auf mit ihrer Bearbeitung durch »Liechen« (Ausrupfen), Trocknen, Brechen, Schwingen, Spinnen zu Fäden und Weben. Doch der frühere Brauch, die harten Hanfstengel durch Einlegen in Wasserlachen für einen Gärungsprozeß zu schnellerem Ablösen der harten Angeln (Aegna) von den Fasern zu bringen, kam nicht mehr in Mode. Vergessen war die Brechgrube in Saia, in der man vordem den nassen Hanf an Feuern auf dazu gebauten Herden getrocknet hatte. Die Rausse hat den Namen von dem Mürbemachen der Hanfstengel durch einen Fäulnisprozeß im Wasser, was man rötzen, rotzen, rösten, rossen, raußen nannte. Solche Rotzen oder Rooßen, Raußen gab es seinerzeit überall. Eine fand ich auch in Gauselfingen überliefert. Vermutlich erhielt davon die frühere Ringinger Bierwirtschaft »Zur Rose« den Namen, anderwärts etwa das »Rössle«, das ich auf dem Weg nach Rottweil antraf. In Inneringen ist dem sehr verdienten Forscher Johann Maier im »Heimatbuch« ein Fehler unterlaufen, da er meinte, an einigen Brunnen am Ort habe es »Rauffen« gegeben, dabei sind zweifellos »Raußen« gemeint! Während der Flachs auf der Alb etwa ein Meter hoch wird, erreichten die männlichen Hanfpflanzen (die »Fei[m]len«) etwas mehr, die weiblichen (»Sao[m]bora«) dagegen über Manneshöhe. J O H A N N A D A M KRAUS Volkstümliches aus Burladingen Die Hechinger Tagespresse (»Schwarzwälder« und »Hohenzollerische«) brachte im Oktober 1987 Berichte über die alten Bräuche in Burladingen, die in einem Heft der dortigen rührigen Jugendgruppe zusammengetragen sind, das den Titel trägt »Was für eine Jugend«. Ergänzungen hierzu wird jeder Heimatfreund begrüßen, da alte Volksüberlieferungen in unserer modernen Zeit überall im Schwinden zu sein scheinen. Im zweiten Teil des leider unpaginierten Heftchens ist wichtig zu beobachten, daß der Anbau von Weizen bei uns auf der Alb erst einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg erfolgte. Vorher kannte man als wichtigste Brotfrucht nur das »Korn«, das sonst Spelz, Dinkel oder Veesen heißt. Beim Buttermachen (»Ausrühren«) mittels Blotz-, Rühr- oder Butterfaß kam es vor allem auf die richtige Temperatur des Blotters bzw. der Milch an, wie schon bei Herstellung von Sauer- oder »Gstandener« Milch. Deren Rahm schöpfte man teils ab, teils pflegte man ihn mit der Milch zum Vespern mit Brot zu essen. Beim »Ausrühren« rief man in Ringingen nicht die Hl. Regina an, wie in Burladingen, sondern die Hl. Magdalena wegen ihres Salbengefäßes. Man rezitierte beim Rühren im Takt: »Sankt Madlee, Sankt Madlee, s'ischt it aus und goht it aus, i hao koe Meggele Schmalz im Haus, Sankt Madlee...« Gewundert hat mich im Jugendheft die moderne Bezeichnung »Jungs« statt des schwäbischen »Buben« oder (größeren) Burschen (»Buuscht«) bzw. »Ledigen«. Sagt man in Burladingen tatsächlich »Mr hoant miaßa« und nicht »mr haoat miasa«? Nicht nur Herr Pfarrer R. Biener, sondern auch der »Vikare« J. A. Kraus stieß bei den Nazis an. Erstmals in der »Linde« bei einer Versammlung wegen seines Zwischenrufes, der nachher in der Parteizeitung die Frage erzeugte: »Nicht wahr Herr Vikar?«. Und noch mehr, als um 1935 derselbe Geistliche, der sonst meistens in Gauselfingen amtete, beim Vorlesen eines Hirtenbriefes auf der Burladinger Kanzel keck anfügte: »Bemerkungen hierzu erübrigen sich, schon um den heimlich aufgestellten Aufpassern keine Freude zu machen!« Das ärgerte natürlich die versteckten Parteileute. Die Folge war eine sofortige Zitation zur Kriminalpolizei (Herrn Wahl) nach Sigmaringen und dort eine scharfe Rüge und Verwarnung bzw. Strafandrohung im Wiederholungs58 falle! Schon das Wissen um Aufpasser brachte die Parteileute in Wut. Bei den althergebrachten Jugendspielen in Burladingen muß vor allem auf den Brauch des »Fasnetswagens« hingewiesen werden, der vergessen zu sein scheint. So erschien 1931/32 vor dem alten Pfarrhaus der mit einer Stroh- oder SchaubStaffage hergerichtete breite Pferdewagen als »Bühne«. Die Burschen spielten hier und auch noch in anderen Gassen ihre humorvollen Spaße für jung und alt, deren Inhalte natürlich längst die Fehla hinabschwammen. Die Bezeichnung »Fasnetswagen« war für mich besonders wichtig, da man im nahen Ringingen damals und lange schon zuvor zwar auch von Fasnetswagen sprach, aber damit eine feste, mittels Stangen, Brettern, Tannenästen und Tüchern aufgebaute Theaterbühne im Kreben vor der Hirschwirtschaft meinte. Das im besagten Heft (S. 24) aus Unwissenheit ins Lächerliche gezogene »Besprechen von Warzen«, deren Entstehung und Verschwinden manche Vermutung ernster Gelehrter anregte, mag ein Kopfschütteln erzeugen, besonders was die dabei vorgenommenen Sprüche und Mittelchen angeht. Aber tatsächlich erlebte ich selbst öfter Fälle von auffallender Heilung. Der gelbe Saft einer Heilpflanze (Schellkraut?) und nach Aussage eines bejahrten Arztes sogar das Bestreichen mit einer lebenden Schnecke oder der plötzliche diesbezügliche Anruf einer warzenbehafteten Dame in der Straßenbahn durch einen Bekannten, habe zum Verschwinden der verhaßten Warze geführt! Wahrscheinlich spielt der Glaube mit und wirkte da mehr als Sprüchlein und Heilsalbe. »Fir d'Waaza toa« ist seit Urzeiten für viele ein helfendes Mittel gewesen, ob es andere glauben wollten, oder nicht. Schließlich brauchte man ja keine Roßkur zu machen, wie ich in der Studienzeit, als mich auf dem Handrücken der linken Hand eine erbsengroße »Stechwarze« plagte, die ich mittels Brennglas und Sonne und zuletzt durch Rasiermesser und Leitungswasser wegoperierte. Warzenblut erzeuge neue Warzen, sagen die Leute. Statt von Tuberkulose des besagten Jugendheftes, sprach man früher nur von »Auszehrung«. O b man in Burladingen immer mit der Taufe neugeborener Kinder 6-10 Tage wartete, scheint nicht sicher zu sein, angesichts der Sterblichkeit von Säuglingen in früherer Zeit. Vor 80 Jahren tauften viel Geistliche (»Hairle«) möglichst schnell, oft noch am gleichen Tage. Interessant war die Sitte, nach der Trauung den Neuvermählten ein Seil »fürzuspannen«, meist gegen die kleine Gabe eines Nickels (Zehners), der den Weg wieder frei machte. In Ringingen erinnere ich mich noch an das »Fürspannen« beim Einzug eines fremden Brautwagens ins Dorf zum künftigen Heim. Irrig nannte um 1925 ein Steinhilber Lehrer diese Sitte: »Den Vorspann leisten«. Als der noch ledige Mesner Josef Sauter in Burladingen bei einer Theateraufführung seine »Flamme« mit »Horlde Jung- frau« anredete (man sagte damals in Burladingen noch »Warld«, »Harlde«, »Torlfinga« = Tailfingen) erkundigte sich Herr Pfarrer Biener nach einigen Monaten, wie es denn mit der künftigen Ehe stehe. Da antwortete der herzensgute Josef echt burladingerisch: »S'isch no z'barld, weil ärlaweil no karlt, zum a da Mischtena rum stao!« Unverständlich ist mir die Bemerkung (S. 32) von Burladinger »Jungs« bzw. Ledigen beim Auseinandergehen: die Mädchen müßten gehen, um einen »Hust« aufzusetzen. Ist etwa ein »Huet« gemeint? Im übrigen lesen sich die Seiten des Jungensheftes, des »Gruuschts« sehr spannend! Hoffentlich finden sie bald noch einige Fortsetzungen. J O H A N N ADAM KRAUS Vom Ringinger »Schächerchristus« Am östlichen Ende der Raussenstraße auf der linken Seite findet man hinter dem zweitletzten Haus das sogenannte »Kohl-Gärtle«, das seit langem dreigeteilt und mit Obstbäumen bestanden seinen Namen seit etwa 1580 von einem anwohnenden »Kohl Hans« erhalten hat. Er war ein Vertreter der einst überall anzutreffenden Kohlenbrenner, die bei uns bis in 17. Jahrhundert noch den Familiennamen Kohler (nicht Köhler!) trugen. Man kennt ums Dorf herum noch etwa ein halbes Dutzend »Kohlplatten« bis hin zum Stettener »Sankt Johannes«. Noch gut erinnere ich mich an die vom Schmied Josef Dorn um 1914 neu angelegte Kohlhütte mit Platz zwischen der doppelten Käppelestaig, die nach dem ehemaligen Heiligtum des hl. Bernhard benannt ist, das 1834 abging und heute durch einen Bildstock die Erinnerung weiterträgt. Östlich ans Kohlgärtle stößt die schon i.J. 1530 erwähnte »Pfarrers Wies« mit der uralten Dorflucke zum Kessel hin, und weiterhin der alte Weg zur Bitze und nach Melchingen. Östlich an der genannten »Lücke« stand bis 1834 das Schächerkäppele, das ein Kruzifix mit den beiden Schächern enthielt, die nach damaligem Abbruch zum Glück auf die Pfarrbühne wanderten. Schächer kommt vom altdeutschen »scahhari« und bedeutet Räuber. Ein Glück, sage ich, für uns, bzw. die wertvolle und somit gerettete Figur des Gekreuzigten! Die »Schächerwies« behielt bis heute ihren Namen. Pfarrer Karl Glaser nahm ums Jahr 1930 Beziehungen auf mit dem bekannten Sigmaringer Bildschnitzer Alfred Tönnes. Er stammte m. W. aus dem Rheinland und sein Sohn war mein Klassenkamerad am Gymnasium, der später am Petersfelsen bei Beuren bei Klettereien tödlich abstürzte. Als der Meister die erhaltenen Figuren ansah, erwiesen sich die Schächer als primitive Bretter-Arbeit eines einheimischen Dorfschreiners, der »Christus« jedoch als Kunstwerk ersten Ranges aus der Zeit vor dem Jahr 1500. Doch zeigte er eine Merkwürdigkeit: Die Beine waren oberhalb der Fußknöchel um gut fünf Zentimenter gekürzt! Der Fachmann Tönnes erkannte die Pfuscherei sofort und konnte leicht das Fehlende ergänzen. Offenbar hatte man s. Z. die zu große Statue des Heilandes in die viel zu niedrige Nische mit Gewalt hineingezwängt, die wohl fehlerhaft berechnet war. Oder sollte sie vorher ein anderes Heiligenbild enthalten haben? Denn erst im Jahre 1615 ist ein hiesiger Bürger »Hans Kohler bei den Schechern« in einem Schriftstück aufzuweisen. (HJHeft 1962, 186). Woher das Kruzifix zwischen 1530 und 1615 kam, ist leider nicht festzustellen. Schwerlich aus dem Dorf Ringingen! Vielleicht stammte es aus einem evangelisch gewordenen Ort »Schächerkreuz« vom Hochaltar der Pfarrkirche Ringingen (gotisch vor 1500). Die beiden Assistenzfiguren Maria und Johannes stammen von Karl Volk, Jungnau. der württembergischen Nachbarschaft, oder etwa einem Kloster? Sicher schuf eine erstklassige Meisterhand diese Statue des Gekreuzigten! Das zeigte sich klar nach der Wiederherrichtung durch Herrn Tönnes. Zunächst fand das herrliche Stück seinen Platz an der nördlichen Innenwand der Frauenseite der Kirche. Bei Kriegsende und dem Einmarsch der Franzosen am 23. April 1945 wurde es durch eine in die Mauer schlagende Granate leicht beschädigt (HJHeft 1961, 180). Unter Pfarrer Peter Heinzelmann erhielt dann das »Schächerkreuz«, wie man es nennt, seinen gebührenden Ehrenplatz auf dem Hochaltar. Dazu kamen dann die beiden Begleitfiguren Maria und Johannes, die Meister Karl Volk aus Jungnau nach gotischen Vorbildern des fürstlichen Museums in Sigmaringen formte. 59 Unter dem gleichen Pfarrer kam die Statue des Guten Hirten vom Hochaltar an den bisherigen Platz des genannten Kreuzes; die flankierenden Martinus und Gallus an den Choreingang. Die bisherigen Heiligenhäuslein aller drei Altäre, die 1894 unter Pfarrer Engelbert Schon der von Hechingen stammende Bildhauer Schäfer für alle neun neuen Statuen des Tiroler Meisters Josef Riffesser aus Groden geschaffen hatte, kamen auf die Kirchenbühne. Bei der Kirchenrenovation unter Pfarrer Udo Zinke, Salmendingen, rückte man den Hochaltar mit starker Kürzung der Stufen tiefer in den Chorraum, um mehr Platz für den reichlich massigen Zelebrationstisch zu gewinnen, der wieder das 1894 entfernte Leinwandbild des Kirchenpatrons St. Martin verwendete, während die schöne barocke Kommunionbank verschwand. Das Bild der hl. Gallus mit Othmar sieht man an der Decke des alten Kirchenteils zur Erinnerung an deren ins 13.Jh. zurückgegangenen Kirche im erhöhten westlichen Ortsteil, die 1834 abgebrochen wurde. Sie sind Hinweis auf ehemalige Besitzungen des Klosters St. Gallen (Schweiz) in unserer Gemeinde (HJH 1957, 36-57). Das »Schächerkruzifix« mit den beiden jetzigen Begleitfiguren Maria und Johannes auf dem Hochaltar bilden einen herrlichen Abschluß des Ostteils unserer Pfarrkirche. Der Ursprung des kostbaren Kunstwerks wird leider für immer im dunkeln bleiben! WOLFGANG HERMANN Reinhart von Neuneck Ein adeliges »Dienerleben« der deutschen Renaissance - c) A u f d e m R e i c h s t a g zu W o r m s 1521 u n d in k a i serlicher Mission Im Januar und März 1521 hatte Reinhart von Neuneck noch an den politischen Arbeiten, zusammen mit seinem Dienstherrn, teilgenommen. Martin Luthers Auftreten vor dem Reichstag am 17./18. April und die Verkündigung des Edikts am 8. Mai hatte er nicht mehr erlebt. Doch noch Wochen vor seiner Abreise nahm er den Dank Kaiser Karls für seine geleistete Unterstützung im J ahre 1519 entgegen: Am 6. März stellte der Kaiser »seinem Rath Reinhart, der über das Meer reisen will«, einen Geleitbrief aus 48 . Für künftige Zeiten wichtiger war es für den Herrn der Herrschaft Glatt, daß ihm und seinen Brüdern vom Kaiser erlaubt wurde, den Blutbann auszuüben und einen Jahrmarkt abzuhalten. Daß die Brüder miteinbezogen wurden, ließe sich damit begründen, daß diese während eines Jahres der Herrschaft Glatt näher waren als Reinhart: Wildhans als baden-durlachischer Vogt in Durlach, Hans Oswald als Verwalter der Herrschaft Glatt 49 . Die Pfalzgrafen Ottheinrich und Philipp machten sich nach ihrer Rückkehr von der Pilgerfahrt daran, den Ritter fester an sich zu binden. Reinhart wurde am 22. November 1522 endgültig Pfleger und Hauptmann in Lauingen 50 . Zusätzlich bestätigten die jungen Pfalzgrafen »iren Rhennharten« als Diener ihres Hauses gegen ein Gehalt von 200 Gulden jährlich 51 . Reinhart versank deswegen keineswegs im Provinzialismus, den politischen Ratgebertätigkeiten im Umfeld der späteren Reichstage blieb er verpflichtet. So wurde er 1523 nach Kroatien gesandt, um in Sachen der Kriegsführung gegen die Türken zu sondieren 52 . 3. Reinhart von Neuneck und die bäuerliche Bewegung 1525 von Als etwa 50jähriger erlebte Reinhart von Neuneck die prinzipiell wohl wichtigste Auseinandersetzung in seinem Leben, als die Bauern die für so selbstverständlich gehaltene »göttliche Herrschafts- und Weltordnung« umgestalten wollten und dabei zeitweilig Schlösser und Klöster, selbst Städte in Besitz nahmen und kontrollierten. Der Bauernaufstand der Jahre 1524 und 1525 breitete sich im gesamten Südwesten Deutschlands aus. Zwischen Schwarzwald und Thüringer Wald kam es zu zahlreichen Einzelerhebungen, die sich im wesentlichen so abspielten: Anfänglich trugen die Bauern ihre Beschwerden zum wiederholten Male vor - und das meist vergeblich - , darauf folgten Drohungen 60 (Fortsetzung) und Einungen der Bauern. Vereinzelt wurden Abkommen mit den Herrn erzielt - häufig dann beiderseits aber die Bewaffnung vorangetrieben, von den Bauern feste Plätze eingenommen und vor allem Klöster geplündert. Schließlich erfolgten die Niederlagen der nur regional auftretenden Bauernhaufen. Gleichzeitig sprachen die zurückgekehrten Herren oder ihre beauftragten Heerführer drastische Strafen aus. Der bekannteste und erfolgreichste Gegner der Bauern in Süddeutschland war Georg, der Truchseß von Waldburg: bekannt als der Bauernjörg. In den Monaten April bis Juni 1525 verfolgte er in seiner Aufgabe als Feldherr des Schwäbischen Bundes 53 nahezu sämtliche Bauernhaufen vom Bodensee bis zum Main. Von Würzburg über Bamberg ging seine Verfolgungsjagd bis ins Allgäu, wo er am 25. Juli 1525 der bäuerlichen Bewegung in Sulzburg ein Ende setzte. Unterstützung fand der Truchseß auch in den Territorien zwischen Main und Donau. Das sind die fränkischen, öttingischen und pfalz-neuburgischen Gebiete sowie diese des Hochstifts und Bistums Eichstätt. Nicht immer in Übereinstimmung mit dem Truchseß von Waldburg agierten der Pfalzgraf Friedrich, die Herzöge Wilhelm und Ludwig von Bayern, der Markgraf Casimir von Brandenburg-Ansbach 34 und die Grafen Martin und Ludwig von Oettingen. Reinhart von Neuneck fertigte über seine Feldzüge und über die Geschehnisse zu Glatt einen Bericht an, der undatiert vorliegt 55 . Er selbst war nicht in der Lage, die eigene Herrschaft zu schützen, da er an seine Herren gebunden war und keinen Urlaub erhielt. Die Herrschaft und das Schloß vertraute er seinem Bruder Hans Oswald an. Dieser versah damals das Amt des Obervogts in Sulz. Mitte April 1525 wurde dieser jedoch auf das Schloß nach Tübingen beordert. Zuvor hatte er das Weiherschloß mit einer Besatzung aus dem Dorf versehen und für alle Fälle militärisch ausgerüstet. Hans Oswald verließ sich auf den Eid dieser Leute, das Schloß in jedem Fall zu halten. Seine Hoffnungen erfüllten sich aber nicht, denn die Besatzung übergab am 28. April 1525 den Adelssitz an den Bauernführer Thoman Maier, um sich dann der Bewegung anzuschließen. Nicht nur diese Männer aus Glatt, sondern auch andere aus Dettingen und einer aus Dürrenmettstetten reihten sich in den »Haufen vor dem Schwarzwald« ein 56 . Der dritte der Brüder, Wildhans von Neuneck zu Glatt, vermochte den Fall des Schlosses auch nicht zu verhindern. Er war Vogt zu Baden-Durlach und geriet dort in die Gefangenschaft der Bauern. Die Stimmung, die aus Reinharts Bericht hervortritt, verrät Bitterkeit und Zorn über die Demütigung. Hinter den Worten des Ritters lassen sich außerdem Vorwürfe gegen Hans Oswald vermuten, welche sicher erst lange nach den Ereignissen zurückgenommen wurden. Bayern ließ sich vertreten, nur für Oettingen erschien Graf Ludwig selbst mit seinem Kanzler und Hofmeister 66 . Als Sammelplatz ihrer Kriegsvölker erwählten sie Neresheim, wo sich diese unter dem Oberbefehl Reinharts von Neuneck am 15. Mai sammelten 67 . a.b) Der Haufen von Nördlingen und Öttingen a) D i e m i l i t ä r i s c h e L a g e u n d die B a u e r n h a u f e n in den s c h w ä b i s c h e n , f r ä n k i s c h e n und b a y e r i s c h e n Grenzgebieten a.a) Der Haufe von Ellwangen und Dinkelsbühl Bis Anfang des 13. Jahrhunderts war Ellwangen ein freiherrliches Kloster gewesen und hatte in der Nachfolgezeit auch Angehörige des niederen Adels, aber keine Bürgerlichen aufgenommen. Seit 1215 erschienen die Abte als Reichsfürsten und nahmen eine so starke Position ein, daß sie die Stadt unbedingt beherrschten. Schutz gewährte zwischen 1370 und 1589 Württemberg. Der Niedergang des Klosters war um 1450 vollzogen, und zehn Jahre danach wurde die religiöse Stätte mit Genehmigung des Papstes in ein exemptes Chorherrenstift mit einem Fürstprobst umgewandelt. Das Stiftskapitel bestand aus zwölf ritterbürtigen Chorherren und zehn Chorvikaren 57 . Als jedoch 1519 Ulrich von Württemberg durch den Schwäbischen Bund des Landes verwiesen und vertrieben worden war, nachdem Österreich die Regierung übernommen hatte, mußte Probst Albrecht II. (von Thumb) seinen Platz räumen. Pfalzgraf Heinrich nahm als der kaiserliche Kandidat dessen Stelle bis zu seinem Tod 1552 ein 58 . Heinrich war gleichzeitig Bischof von Utrecht und ließ sich demzufolge durch einen Statthalter vertreten 59 . Während der Religionswirren hatte sich das Stift der evangelischen Richtung mehrheitlich geöffnet. Zwei Chorherren waren auf die Seite des Landvolks getreten, welches sich gegen die katholische Geistlichkeit verschworen hatte. Am 24. April 1525 versammelten sich, wie Jörg Haberkorn an Casimir von Brandenburg übermittelte, die Bauern um Ellwangen und Dinkelsbühl im Vierngrund an Jagst und Wörnitz 60 . Ellwangens Schloß war nur mit acht Mann bewacht, so daß es den Bauern am 26. April als leichte Beute zufiel 61 . Bürgerschaft und Statthalter wurden auf die »Zwölf Artikel« verpflichtet. Außerdem erpreßte der Haufe Proviant im Werte von 1200 Gulden von der Stadt. Daneben wurde zerstört und geplündert: Die Benediktinerprobstei Mönchsroth litt darunter - der Probst Rödinger entfloh, die Schlösser Wittelshofen und Dürrwangen an der Sulz wurden eingenommen. Danach bewegte sich der Zug zur Reichsstadt Dinkelsbühl, und diese mußte sich am 6. Mai den Bauern verschreiben. Der Rat nahm wie Ellwangen die »Zwölf Artikel« an, lieferte auf den Druck hin drei Geschütze, eineinhalb Zentner Pulver, 120 Kugeln und 100 Spieße aus 62 . Am 9. Mai lag der vereinigte Haufen bei Thannhausen und begann einen Schriftwechsel mit Markgraf Casimir um die »12 Artikel«, worauf ihnen der Landesherr ausweichend antwortete 63 . Das nächste Ziel der Bauern war dann das Schloß Baldern, das sie am 10. Mai berannten, aber nicht in die Hand bekamen 64 . Am 12. Mai stand der Haufe vor Lauchheim und hatte die Stadt Aalen im Blickfeld, was die Fürsten dieses Raumes in helle Aufregung versetzte. Wegen dem auf 2500 Mann geschätzten Haufen versammelten sich die Gesandten der bayerischen Herzöge, des Markgrafen, der Pfalzgrafen und der Grafen von Oeningen am 12. Mai in der Stadt Donauwörth 6 5 . Die Pfalzgrafen ließen ihren Reiterhauptmann Reinhart von Neuneck nebst Wolf Dietrich von Knöringen an den Beratungen teilnehmen. Ende März 1525 sammelten sich die Bauern, die um das Ries herum beheimatet waren. Ihre Abteilungen lagen auf dem Ipf bei Bopfingen, dem Hesselberg im markgräflich-brandenburgischen Amt Wassertrüdingen und in Deiningen bei der Reichsstadt Nördlingen. In diesem zuletzt genannten Dorf vereinigten sie sich am 29. März 1525. Ihr Ziel war es, die Reichsstadt Nördlingen in die Hand zu bekommen. Ihr Haufe war damals an die 3000 Mann stark, und die Männer kamen aus zirka 100 Ortschaften 6 8 . Am 4. April schrieben die Grafen von Oettingen an die Herzöge von Bayern, daß bei Deiningen 8000 Mann lägen. In der Antwort machten jene den Grafen jedoch keine Hoffnung auf Hilfe 69 . Uber die Bauern und den Fortgang der Ereignisse urteilte schon Zimmermann Ende des 18.Jahrhunderts: So gut sie nach Landsknechtsart organisiert waren, so schlecht war ihre Ausrüstung. Trotz allem gelang es ihnen, am 4. April Nördlingen zu besetzen. Mit Hilfe der städtischen Unterschichten gelang es den Bauern, den bisherigen zweiten Bürgermeister der Stadt, Anton Forner, an die Spitze der Stadt zu stellen 70 . Forner ging gleich daran, den großen und kleinen Rat im Sinne der Unterschichten zu verändern und die Bauern mit Geld, Korn und Holz zu versorgen. Doch bereits am 12. April besaßen die Bürger der städtischen Mittel- und Oberschicht wieder die Macht im Rat. Trotz der Versuche Forners, den Krieg voranzutreiben, hatte die städtische Ratsmehrheit auf einen Vergleich der Bauern mit den Grafen von Öttingen hingearbeitet. Den Bauern wurde gesagt, daß sie bis zum 12. April darüber befinden sollten, ob sie einem Schiedsverfahren über ihre Beschwerden zustimmen würden. Zwischenzeitlich sollten sie aber sämtliche Abgaben und Dienste wie bisher leisten. Die Gesandten der Städte Augsburg, Dinkelsbühl, Wörth und Nördlingen vertraten diesen Plan und schlugen eine Beratung für den 21. April vor. Die Bauern selbst aber waren an die Grafen von Öttingen herangetreten: Diese möchten die Bauern von der Leibeigenschaft und weiteren Belastungen befreien, und dafür wollten die Bauern die Kirchengüter einnehmen und sie den Grafen überlassen. Darauf ließen sich die Herren nicht ein - sie suchten überhaupt einem Ausgleich aus dem Weg zu gehen 72 . Sie hatten sogar dem Markgrafen Casimir vorgeschlagen, die Kräfte aller süddeutschen Fürsten gegen die Bauern zusammenzufassen 73 . Am 12. April verließen die Bauern ihr Lager bei Deiningen. Die Ursache ist darin zu sehen, daß die Stadt Nördlingen eine weitere Unterstützung den Bauern versagte, und die Grafen von Öttingen mit Gewalt drohten. Da war es gerade passend, daß Markgraf Casimir von Brandenburg ihnen einige Reiter geschickt hatte. Die Bauern vom Ries verhielten sich zurückhaltend, was die gemeinsame Sache betraf. Die Niederlage ihrer Standesgenossen bei Leipheim am 4. April demoralisierte sie. »Hunger und Armut hat uns heimgetrieben« 75 . Die Bauern waren auseinandergegangen, hatten jedoch einander versprochen, bei neuen Ubergriffen der Herrschaft wieder zusammenzutreten 76 . Etwa einen Monat später bahnte sich die Verwirklichung dieses Versprechens an. Am 3. Mai war Öttingen eingenommen, und Graf Ludwig hatte seine Familie nach Donauwörth in Sicherheit gebracht, war aber selbst nach Ansbach geritten 77 . Zwei Tage später vereinigte sich der Dinkelsbühler Haufe mit den Markgräflichen, und danach stieß man zu den Riesbauern 78 . Der 6. Mai war »der große Tag« der vereinigten 61 Bauernhaufen, als man das Kloster Ahausen (auch Auhausen) wehrlos fand und plünderte 79 . Der Stolz über den Sieg währte aber nicht länger als einen Tag. ebenso sei es mit den 300 böhmischen Söldnern und einigem Feldgeschütz des Herzogs Wilhelm von Bayern, welche jener aber im Augenblick noch selbst brauchte 79 . a.c) Die Erhebungen im Sulzgau um Eichstätt Friedrich und Wilhelm von Bayern handelten schnell mit ihren 700 Reitern und 300 böhmischen Bogenschützen. Auch viele Leute des eichstättischen Lehensadels zogen mit den Herzögen. Ihre Hilfe war dringlich für den Bischof von Eichstätt, dessen Willibaldsburg belagert wurde. Am 28. April wurde ein Waffenstillstand mit den Bauern geschlossen. Der Pfalzgraf Friedrich besetzte vertragsgemäß Schloß Hirschberg, und der Mässinger Berg verblieb den Bauern. Tags darauf brach der Pfalzgraf den Waffenstillstand und eroberte die von den Bauern besetzte Burg 80 . Jäger sieht die Gründe im schnellen Erfolg des Pfalzgrafen Friedrich darin, daß die Bauern untereinander uneins geworden waren, daß einzelne Anführer durch bayerische Hauptleute zum Verrat an ihren Brüdern bewogen wurden, und daß ein weiterer Teil aufgrund des Vertrages mit dem Pfalzgrafen vom Mässinger Berg abgezogen war 81 . Ohne Verbindung mit den Riesbauern zu haben, entwickelte sich das Aufstandsgeschehen im Gebiet des Stifts Eichstätt. Die dortigen Bauern empörten sich darüber, daß der Bischof von Eichstätt ein gemeines Fischwasser an sich gezogen hatte und von einer neuen Brücke über die Altmühl Zoll erhob. 400 Bauern fanden sich am 4. April an der Altmühl ein, um dort soviel als möglich zu fischen. Danach zogen sie wieder nach Hause 77 . Nach den Ereignissen von Weinsberg in Württemberg wurden auch in Bayern die Aufstände allgemeiner. Zwischen dem 23. und 25. April gesellten sich ansbachische Bauern zu den eichstättischen, und so kamen an die 5000 Leute zusammen. Das gelang um so leichter, da am 22. April die Burg Obermässing eingenommen war. Auch die Bürger von Greding schlossen sich an. Weil wohl Untertanen des Herzogs von Bayern mit dabei waren, bat Herzog und Pfalzgraf Friedrich um 100 Pferde bei Casimirvon Brandenburg. Dieser antwortete am 24. April, daß er sogleich kommen würde 78 . Die Bauern erwählten zu ihren Zielen die Klöster Plankstetten, Rebdorf und Moosbronn. Ihr Hauptquartier bezogen sie auf Schloß Landeck auf dem Obermässinger Berg. Ihre Gegner, der Markgraf und Pfalzgraf Friedrich, suchten mit den Bauern zu unterhandeln und trieben gleichzeitig militärische Vorbereitungen. Zwischen dem 25. und 30. April liefen die Maßnahmen an. Reinhart von Neuneck und Caspar von Seckendorf sollten nach Freystatt stoßen, wenn mit den Bauern keine Einigung erreicht werden sollte. Mit Schreiben vom 30. April und 1. Mai teilte Wolf von Wiesentau seinem Herrn, dem Markgrafen, mit, daß der Pfalzgraf Friedrich seinen Hauptmann Reinhart von Neuneck samt seinen Reitern dem Markgrafen zur Verfügung stellten wollte; Von den angetroffenen Aufständischen ließ der Pfalzgraf 14 enthaupten, wobei acht von ihnen aus der Stadt Greding stammten. Das Vorgehen dieses »Kriegsfürsten« am 29. April fand sogar in Nürnberg keine gute Aufnahme, wo man Friedrich als einen Vertragsbrecher bezeichnete 83 . Als am 2. Mai schließlich der Pfalzgraf mit einer kleinen Truppe den Haufen zersprengt hatte, war das Aufstandsgeschehen zu Ende. Das »nackend elend Volk«, ein »unnütz heillos Gesindel« mit »unverständigen Hauptleuten« war zerstoben 84 . Enttäuscht war nur der Markgraf. Ihm war es zu verdanken, daß die bayerischen Herzöge und der Bischof von Eichstätt von den aufrührerischen Bauern befreit wurden. Casimir hatte gehofft, entsprechend der Zusage von Ende April, daß ihm die Böhmen und Reinhart von Neuneck zugeschickt würden. Jetzt gab es aber nur Vertröstungen von bayerisch/pfälzischer Seite 85 . Anmerkungen 48 Locher, Regesten, S. 197; Locher bezog diesen Geleitbrief auf Jerusalem und Santiago de Compostella. Letztere Wallfahrt ist quellenmäßig noch nicht belegt, Doch zeigt das Sakramentshaus in der Glatter Kirche (Abbildung auch in der H H 1969, S. 26 und 27), gestiftet von Reinhart, die Muschel, das Zeichen der Jakobspilger. Berühmte Zeitgenossen als Wallfahrer nach Santiago waren Heinrich der Fromme von Sachsen, ein Freiherr von Gundelfingen und Jörg Truchseß von Waldburg. Zit. nach Hermann Hüffer, in: Vera Hell, Die große Wallfahrt des Mittelalters, Tübingen 1965. 49 50 51 52 53 62 StAS, H o 163, Urk. Nr. 51. Wohl aus dem gleichen Grund war schon 1515 die Herrschaftsausübung im Niedergericht geteilt. Zum Teilungsvertrag siehe bei Job. Ad. Kraus, Zur Geschichte von Glatt und der Herren von Neuneck, HJh 1962, S.89f. FAS-Glatt, 64, 3. Hinweis bei Locher, Regesten, S. 198. Locher, Regesten, S. 199. Dt. Rtg.A., Bd. III., Nr. 51, S.293. Auf dem Reichstag zu Nürnberg vom 26.3.-30.4.1522 waren aus der schwäbischen Ritterschaft neben Jörg Truchseß von Waldburg, Graf Ludwig von Leostein und Diethrich Speth auch Reinhart von Neuneck in den Kriegsrat für den Kampf gegen die Türken befohlen worden. Dt. Rtg.A., Bd. III, S. 175. Der Schwäbische Bund, 1488 (er bestand bis 1534) als Vereinigung zur Aufrechterhaltung des Landfriedens gegründet, war während des Bauernaufstandes die einzige Macht, diese Bewegung aufzuhalten. Das Reichsregiment, das während der Abwesenheit Karls V. regieren sollte, war handlungsunfähig. In Folge davon lenkte der Schwäbische Bund, ohne eine reichsgesetzliche Grundlage zu besitzen, die deutschen Verhältnisse ganz nach seiner Willkür. Seine Leitung lag in den Händen des bayerischen Kanzlers Leonhard von Eck. An der Spitze stand ein Bundesrat, der sich je aus acht Räten und einem Hauptmann der drei Collegien oder Bänke der Fürsten, Prälaten und Ritter und der Städte zusammensetzte. Seine Wehrkraft sollte aus 12000 Mann zu Fuß und 1200 Reitern bestehen. Zur Schlichtung innerer Streitigkeiten war ein 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 Bundesgericht eingesetzt. Zu seinen Mitgliedern gehörten zuletzt u.a. die Kurfürsten von Mainz und der Pfalz, der Markgraf von Brandenburg-Ansbach, die Herzöge von Bayern und Pfalz-Neuburg, die Bischöfe von Bamberg, Würzburg, Eichstätt und Augsburg, die Grafen von Oettingen. Von den Städten beispielsweise Nürnberg. Der frühere Name von Ansbach ist Onoltsbach. 1331 Verkauf an die Burggrafen von Nürnberg, 1385 Sitz der fränk. Hohenzollern. 1411/15 übertrug Friedrich VI., der die Burggrafschaft besaß und Brandenburg erwarb, den Namen Brandenburg auf die fränk. Territorien. Bericht des Reinhart v. Neuneck unter StAS H o 163, Akten 68. Dazu siehe Job. Ottmar, Der Bauernaufstand von 1525 zwischen Nordschwarzwald und oberem Neckar, Glatter Schriften Nr. 2, Sulz 1982. Handbuch d. hist. Stätten Deutschlands, Ausg. Bad.-Württ., S. 174. Alois Seiler, Der württ. Schutz und Schirm über Kloster und Stift Ellwangen (1370-1590), in ZWLG 1969, S.358. Günther Franz, Der deutsche Bauernkrieg, Ausg. von 1933, S. 348. Wilhelm Zimmermann, Der große deutsche Bauernkrieg, Volksausg. Berlin 1976, S. 610. Günther Franz, wie Anm. 59, Zimmermann, wie oben, S.612. Wilh. Zimmermann, wie Anm. 60, S.612. Ludwig Müller, Beiträge zur Geschichte des Bauernkriegs im Riess und seinen Umlanden, in: Zeitschrift des Histor. Vereins für Schwaben und Neuburg, 15.Jg., Augsburg 1889, S. 148. Ders., ebd., S. 149. Ders., ebd., S. 149. Ders., ebd., S. 150 mit Anm. 4. Ders., ebd., S. 150 mit Anm. 4. Wilh. Zimmermann, wie Anm. 60, S. 338. Ludw. Müller, wie Anm. 63, S. 71, Anm. 2. 70 72 75 75 76 77 78 79 80 Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S.339. Ders., ebd., S. 340. Ludw. Müller, wie Anm. 63, S. 86. Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 341. Günther Franz, wie Anm. 59, S. 346. Ludwig Müller, wie Anm. 63, S. 132. Ders., ebd., S. 128. Ders., ebd., S. 129. Bei Carl Jäger, ausführl. zit. wird auf Seite 111 ff. die Beute der Bauern bzw. der Schaden des Klosters Ahausen ausführlich beschrieben. Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 612. 81 83 84 85 86 87 88 89 Carl Jäger, wie Anm. 79, S.44, 45. Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 612; Jäger, a.a.O., S.45. Günther Franz, wie Anm. 59, S. 351. Carl Jäger, wie Anm. 79, S.45. Wilhelm Zimmermann, wie Anm.60, S. 343. Carl Jäger, Markgraf Casimir und der Bauernkrieg in den südlichen Grenzämtern des Fürstentums unterhalb des Gebirgs, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg, 9. Heft, Nürnberg 1892, S.22, 23. , Ders., ebd. Wilh. Zimmermann, wie Anm.60, S. 343. (Fortsetzung folgt) Erhaltung und Erforschung von Kleindenkmalen Die Gesellschaft zur Erhaltung und Erforschung der Kleindenkmale in Baden-Württemberg e.V. schreibt uns: Es ist heute mancherorts geradezu zur Unsitte geworden, Grenzsteine aus einstigen Grenzlinien herauszunehmen und sie in Vorgärten u. ä. zu verbringen, ohne dabei zu bedenken, daß damit der Grenzstein seiner eigentlichen Funktion, nämlich den Grenzverlauf auszuweisen, beraubt wird. Bereits im Jahre 1977 wollten öffentliche Stellen historisch wertvolle Steine inventarisieren, jedoch war diesem Unternehmen ein nur geringer Erfolg beschieden. Unsere Mitglieder haben zwar mittlerweile tausende solcher Rechtsdenkmale aufgenommen, doch immer noch zu wenig in Anbetracht dessen, was es doch zu sichern gilt. Mit dieser Aktion wollen wir heimatverbundene Mitbürger ansprechen, die sich vor O r t gut auskennen, bereit sind, sich ein wenig in die Geschichte ihrer engeren Heimat einzulesen und die nötige Liebe und Geduld aufbringen, alte Grenzzeichen aufzusuchen und zu verzeichnen. Als Unterlagen stellen wir den Interessenten eine kleine Anleitung neben einer Vorlage des Inventarisierungsbogens - beides haben wir zusammen mit den uns angeschlossenen Heimat- und Geschichtsvereinen entworfen und in der Praxis erprobt - kostenlos zur Verfügung, von dem nach Belieben Kopien für diesen Zweck hergestellt werden können (weitere Bögen können im Bedarfsfalle gegen Unkostenerstattung angefordert werden). Verpflichtungen uns gegenüber entstehen dem Inventarisierenden in keiner Weise: Die Unterlagen verbleiben bei ihm, er allein bestimmt, wem er Einsicht gewährt und wem nicht. Natürlich würden wir uns für Forschungszwecke darüber freuen, könnten uns die gewonnenen Unterlagen zur Fertigung von Kopien überlassen werden. In erster Linie geht es uns aber darum, daß die Grenzzeichen möglichst vollständig erfaßt und damit auch gesichert werden. Die Anschrift für ev. Interessenten lautet: GEEK Postfach 1160, 7526 UbstadtWeiher 1. Der Hohenzollerische Gesch-chtsverein bei der Besichtigung von Kleindenkmalen (Empfingen). Foto: H. Burkarth Buchbesprechung »Die Sprache des Ghettos ist - schwabisch* Wäre 1781 dem Haigerlocher Barnas, dem Vorsteher einer damals 20 Familien zählenden jüdischen Gemeinde, die noch druckfrische Schrift des preußischen Archiv-Superintendenten D o h m »Über die bürgerliche Verbesserung der Juden« in die Hände gefallen, er hätte vermutlich nur ratlos den Kopf geschüttelt. Dohm bescheinigt der jahrhundertelang praktizierten Judenpolitik und ihren Methoden - rechtliche Sonderstellung und soziale Ausgrenzung der Juden - den Bankrott, macht als erster darauf aufmerksam, daß im Ghetto der für staatliche Zwecke nutz- und brauchbare Untertan nicht 63 Verlag: Hohenzollerischer Geschichtsverein Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen M 3828 F Postvertriebsstück. Gebühr bezahlt. erzogen werden könnte. In Preußen begann man über die Emanzipation der Juden zumindest nachzudenken. In Hohenzollern-Sigmaringen dagegen vertraute man - unangefochten vom aufklärerischen Räsonnement - weiterhin auf die konsequente Fortführung des überkommenen herrschaftlichen Umgangs mit den Juden und beeilte sich, dem auch sichtbar Ausdruck zu verleihen. Vielleicht Dohms Schrift in der Hand, saß der Haigerlocher Barnas zusammen mit der jüdischen Gemeinde im neu errichteten Ghetto, das die Regierung - gewissermaßen als historischen Nachtrag - den Haigerlocher Juden noch 1780 verordnet hatte: ein entgegenkommendes Nachgeben des Fürsten auch der Stadt Haigerloch gegenüber, die ihrem Unmut über die lästige wirtschaftliche Konkurrenz der Juden kurz zuvor lautstark vor dem Oberamt verlauten ließ. Deutlich getrennt von der christlichen Bevölkerung lebten die Haigerlocher Juden seither im »Haag«, bis sie 1941/42 deportiert und ermordet, endgültig aus dem Haigerlocher Stadtbild verschwanden. Die erhaltenen Negative des Haigerlocher Photographen Paul Weber von Karl Werner Steim zusammengestellt, mit einer kurzen Geschichte der Juden in Haigerloch versehen und durch zeitgenössische Berichte über das Leben im »Haag« ergänzt, erlauben zumindest ausschnitthafte Einblicke in das Leben in diesem dörflichen Ghetto, das nicht nur jüdischen Zeitgenossen auf der Durchreise als bemerkenswerte Besonderheit erschien. Paul Weber photographierte nicht den Alltag. Er liefert Ansichten vom »Haag«, zumeist aber die von seiner jüdischen Kundschaft bestellte und bezahlte Dokumentation eines festlichen Anlasses, bei der die Abgelichteten mit der notwendigen Steifheit für die langen Belichtungszeiten posieren. Photos, die man zu kennen glaubt und die doch anders sind. Wenn sich z.B. der jüdische Liederkranz unter der Vereinsfahne mit dem Zoller - durch und durch Honoratioren, die sich der deutschen Volksliedpflege verschrieben haben - dem Photographen präsentiert, wird augenfällig, welch ideologischer Verrenkungen es bedurfte, um hier »rassische« Andersartigkeit zu attestieren. Vielleicht auch ein Indiz: wenn man aus dem »Haag« kam, mußte man »deutscher«, »hohenzollerischer« sein als die christliche Umwelt, um gesellschaftliche Anerkennung zu finden; und der »Lie- HOHENZOLLERISCHE HEIMAT Die Autoren dieser derkranz« hat sie sich ersungen, wie die Lobeshymnen der zeitgenössischen Lokalpresse belegen. Assimilation ist aber nur eine Seite jüdischer Existenz in Deutschland und in Haigerloch seit dem 18.Jahrhundert. Das ehemalige Dorfghetto war auch nach der endgültigen Judenemanzipation im 19. Jahrhundert - wie die Zeitgenossen vielleicht ein wenig romantisch verklärt bemerkten - ein Reservat für das Althergebrachte, ein Schutzraum für jüdische Traditionen, die hier eingeübt und lebendig weitervermittelt wurden. Daß das Chomezfeuer einmal in Haigerloch ebenso zu Hause war wie die Fronleichnamsprozession ist heute weitgehend vergessen. Den Reisenden in den zwanziger Jahren war die Synagoge im »Haag« ebenso bemerkenswert, wie der Römerturm. Gerne hätte man etwa mehr erfahren vom Leben der Levis, Behrs und Ullmanns in Haigerloch, deren Portraits leider kaum biographisch kommentiert sind. Eine Wiederbegegnung mit einem Stück deutsch-jüdischer Geschichte in Hohenzollern ermöglichen die Bilder von Paul Weber und der Text von Karl Werner Steim allemal. Karl Werner Steim, Juden in Haigerloch, Photos von Paul Weber. Das Buch ist nur über die Fa. Foto-Weber, Unterstadt, 7452 Haigerloch zum Preis von 19,95 DM zu beziehen. Klaus Peter Burkarth »O Hechingen, du traute...« Der Hechinger Heimatfilm, der 1986 anläßlich der 1200Jahr-Feier uraufgeführt wurde, ist als 90 Min. VHS-Video erhältlich. Der Film zeigt Bilder aus der Geschichte von Hechingen, einen ausführlichen Stadtrundgang, Sportmöglichkeiten und Festveranstaltungen, sowie Wanderungen in der Umgebung der Stadt. Wer einen VHS Video-Recorder besitzt, kann die Kassette erwerben, um Freunden und Verwandten seine Heimatstadt zu zeigen, oder als »Auslands-Hechinger« ein Stück alte Heimat in Bild und Ton mit in die neue Heimat zu nehmen. Preis der Video-Kassette DM 86.-. Bestelladresse: Ingrid und Heinz Willisch, Silcherweg 12, 7450 Hechingen, Telefon 07471/3246. Nummer: hrsggbn. vom Hohenz. Geschichtsverein. Die Zeitschrift »Hohenzollerische Heimat« ist eine heimatkundliche Zeitschrift. Sie will besonders die Bevölkerung in Hohenzollern und der angrenzenden Landesteile mit der Geschichte ihrer Heimat vertraut machen. Sie bringt neben fachhistorischen auch populär gehaltene Beiträge. Klaus Peter Burkarth Eberhardstraße 15, 7400 Tübingen Wolfgang Hermann Fischinger Straße 55, 7247 Sulz Pfarrer Jobann Adam Kraus Badstraße 8, 7800 Freiburg i. Br. Schriftleitung: Dr. med. Herbert Burkarth, 7487 Gammertingen Telefon 07574/4211 Die mit Namen versehenen Artikel geben die persönliche Meinung der Verfasser wieder; diese zeichnen für den Inhalt der Beiträge verantwortlich. Mitteilungen der Schriftleitung sind als solche gekennzeichnet. Bezugspreis: 8.00 DM jährlich. Prof. Dr. Karl Mors Haldenweg 36, 7980 Ravensburg Konto der »Hohenzollerischen Heimat«: 803843 Hohenz. Landesbank Sigmaringen (BLZ 65351050). Dr. Herbert Rädle Veit-Jung-Straße 13a, 8430 Neumarkt Manuskripte und Besprechungsexemplare werden an die Adresse des Schriftleiters erbeten. Druck: M. Liehners Hofbuchdruckerei GmbH & Co., 7480 Sigmaringen, Karlstraße 10. Dr. Wilfried Schöntag, Staatsarchivdirektor Karlstraße 3, 7480 Sigmaringen Wir bitten unsere Leser, die »Hohenzollerische Heimat« weiter zu empfehlen. 64