Kontaktanzeigen - Montagsgeschichten

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Kontaktanzeigen - Montagsgeschichten
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Montagsgeschichten
Kontaktanzeigen
Klirr! Mit einen lauten Scheppern landete der Löffel auf der polierten Tischplatte. Einige Gäste
drehten ihre Köpfe und sahen neugierig rüber, doch das bemerkte die geschockte Lena nicht.
„Wie bitte?!“
Fassungslos starrte Lena in die strahlenden Gesichter ihrer beiden besten Freundinnen.
„Ihr habt was?!“
„Wir haben für Dich eine Kontaktanzeige schalten lassen, jetzt tu doch nicht so“, antwortete
Anna unbekümmert und zog eine Zeitung aus ihrer riesigen Handtasche.
„Ja, das haben wir nur für Dich getan, weil wir uns einig sind, dass Du so nicht weiter machen kannst“, meinte auch Ilona und streichelte Lena über den Arm.
„Ach, ihr beide seid euch einig, ja? Und dann entscheidet ihr einfach so mal schnell mich auf
den Verkupplungsmarkt zu schmeissen ohne mir was zu sagen? Was bitte seid ihr denn für
Freundinnen?“
„Die besten! Und wenn du erst mal glücklich verliebt bist, wirst du uns noch danken“, lächelte
Anna, zwinkerte Lena zu und blätterte sich weiter wild durch die Zeitung.
„Sei ehrlich Lena, du bist nicht glücklich. Anna hat seit Ewigkeiten ihren Thomas und ich bin
seit 5 Jahren mit Andreas zusammen. Du bist 39, seit Jahren allein und du fühlst dich einsam,
das kannst du nicht leugnen. Es ist an der Zeit, dass auch du den richtigen Typen kriegst. Wir
wollen dich endlich mal wieder glücklich sehen.“ Ilonas zierliche Hand streichelte noch immer
beruhigend über Lenas Arm.
„Ach Mädels, es ist ja echt lieb von euch, dass ihr mich zum Glück zwingen wollt, aber doch
nicht so. In diesen Kontaktseiten tummeln sich doch nur Volldeppen und Psychos. Kein normaler Mensch tut so was, wenigstens nicht jemand der noch ein winziges bisschen Ehre hat. Was
habt ihr denn über mich geschrieben?“
„Ach was, du hast doch keine Ahnung“, meinte Anna, winkte ab und schob Lena die Zeitung
hin, „Sieh dir das an. Das ist doch klasse!“
„Ich glaub das einfach nicht. Ich sitz hier und suche in der Zeitung nach meiner Kontaktanzeige!“
Lena schüttelte noch immer ungläubig den Kopf, als Ilona plötzlich aufschrie:
„Hier! Hier! Flamme! Das bist du!“ Nervös trommelte Ilona mit dem Zeigefinger auf die Zeitungsseite. Auf Lenas seltsamen Blick hin, antwortete sie stolz: „Wir haben dich Flamme genannt, das klingt so heiss!“ Lena senkte den Kopf über die Zeitung und las:
FLAMME(39): Hallo. Bist du lieb, treu,
humorvoll und verschmust? Suche
dich für Bez.
„Ach du meine Güte!“
„Toll nicht!“ Ilona konnte sich vor Freude kaum auf dem Stuhl halten.
„Nein! Das klingt doch als wäre ich total verzweifelt! Lieb, treu, verschmust?!“
„Klar, solche Dinge muss man gleich zu Anfang klarstellen, du willst ja wohl keinen untreuen
Gewalttäter auf der Matte stehen haben“, sagte Anna bestimmt. „Ausserdem klingt das überhaupt nicht verzweifelt. Sieh dir die hier an, die prahlt damit vollbusig zu sein – die ist verzweifelt!“
Lena nahm einen grossen Schluck Kaffee und auf einmal kam ihr die ganze Geschichte gar
nicht mehr so schrecklich vor. Ändern liess sich an der Tatsache, dass sie diese Flamme in der
Zeitung war, sowieso nichts mehr. Also was soll’s, dann lass ich mich halt auf dieses Abenteuer
ein, dachte sie sich.
„Ihr seid ja vielleicht verrückte Hühner! Aber ich liebe euch trotzdem!“, liebevoll lächelte sie
ihre Freundinnen an und meinte im selben Atemzug, „Zeig mal her, was für verdrehte Gestalten
gibt es hier ausser mir noch?“ Die drei Freundinnen streckten lachend die Köpfe zusammen,
brüteten über den Kontaktanzeigen, tranken ihre Kaffees und amüsierten sich prächtig.
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„Hahaha, die hier nennt sich ‚Knuddel‘ – da schnallt ja sofort jeder dass sie fett ist!“, gackerte
Anna.
„Ja, und diese hier!“, lachte Lena und zeigte auf eine Anzeige, „Ich kann’s nicht fassen, die
nennt sich doch tatsächlich ‚Sofa‘ und hat weibliche Rundungen!! Die Dorfmatratze im XXLFormat sozusagen!“ Die Mädels prusteten in ihre Tassen und konnten sich gar nicht mehr einkriegen. „Oh nein, jetzt muss ich jedesmal an die denken, wenn ich ein Sofa sehe!“
Wenig später wurde die Tür des Cafés aufgestossen und eine kleine rundliche, südländische
Frau trat herein. Sie trug ein rotes Kleid, war mit viel Goldschmuck behängt und hatte den Kopf
seltsam zur rechten Schulter hin geneigt. Sie sprach lauthals auf italienisch vor sich hin und
fuchtelte dazu wild mit den Händen. Alle Gäste drehten sich und sahen sie fragend an, doch sie
schien das gar nicht zu bemerken. Unbeirrt rief sie weiter in ihre Schulter und die Schulter antwortete ihr sogar. Eine etwas unterdrückte Stimme sprach genauso schnell und beinah genauso
laut wie sie. Erst bei längerem Hinsehen wurde einem klar, dass sie ihr Handy zwischen Wange
und Schulter eingeklemmt hatte, um beide Hände zum Sprechen frei zu haben. Sie setzte sich
an einen Tisch in der hinteren Ecke des Lokals, und noch bevor der Kellner zu ihr hin gehen
konnte, um ihre Bestellung aufzunehmen, rief sie, ohne das Telefongespräch zu unterbrechen,
schon quer durch das ganze Lokal:
„Un cappucino per favore!“
Der Kellner schaute erst ziemlich verdutzt drein, brachte ihr aber dann ihren Cappucino und
kehrte schnell wieder zu einem Gast an der Bar zurück, mit dem er vor dem seltsamen Auftritt
der Italienerin tief in ein Gespräch verwickelt war. Die beiden unterhielten sich angeregt weiter.
„Nein, echt? Hast du das Ding hier? Zeig mal her!“, machte der Kellner grinsend.
„Ja, wenn ich’s dir doch sage. Hier, schau’s dir an!“ Der Gast zog einen kleinen Papierfetzen
aus seiner Hosentasche und hielt ihn dem Kellner hin, dieser nahm den Fetzen, las den Text
darauf und lachte. „Muss ja echt `ne feuchtfröhliche Nacht gewesen sein.“
„Feuchtfröhlich? Das ist nur der Vorname! Wir waren alle so sturzbetrunken, dass keiner
mehr stehen konnte! Weißt du, einmal im Monat gehen wir von der Arbeit alle zusammen Einen
heben, da geht dann immer irgendwie die Post ab, doch diesmal haben die echt den Vogel
abgeschossen. Wir hängen also alle zusammen da am Tisch, zischen das fünfte Bierchen und
da erzählt Thomas, dass seine Frau heimlich eine Kontaktanzeige für eine Freundin hat schalten lassen. Wir lachen darüber, und auf einmal sagt einer, dass das doch auch was für mich
wäre. Alle lachen und ich hau dann natürlich noch einen drauf und sag: „Da würden sich so
viele Frauen melden, dass mein Handy explodieren würde!“ Alle lachen und dann haben wir‘s
getan! Haben die Meldung tatsächlich abgeschickt! Frag mich nicht, wie wir die richtigen Tasten
erwischt haben, so voll wie wir alle waren! Und nun steh ich als Anzeige in der Zeitung!“
Der Kellner klopfte dem Gast auf die Schulter und grinste:
„Hammer, echt! Geile Sache. Und? Wie viele haben sich schon gemeldet?“
„Bisher noch keine.“
„Ach, keine Panik Dev, die kommen schon noch.“
„So Mädels, ich geh dann mal, der Zahnarzt ruft“, sagte Lena, stand auf und zog ihre Jacke
an. Die Mädels verabschiedeten sich und Lena verliess das Café. Die Zahnarztpraxis befand
sich gleich um die Ecke und während Lena im Aufzug in die vierte Etage fuhr, drehte sie ihr
Handy nervös in den Fingern, gerade so, als ob sie eine SMS von einem interessierten verschmusten Mann gar nicht abwarten konnte. Ach was! Lena, reiss dich zusammen, mahnte sie
sich selber. Nur Trottel und Psychos würden sich auf solch dämlich Inserate melden, das war
doch klar. Lena wollte fest daran glauben und war deshalb umso fassungsloser, als sie, im
Zahnarztstuhl liegend, den Mund sperrangelweit offen, mitanhören musste, wie ihr Zahnarzt
seiner Assistentin davon erzählte, dass er es nun nach fast zwei Jahren leid sei, einsam zu
sein, und da er wegen seines Jobs und den beiden Kindern überhaupt keine Zeit habe raus zu
gehen, sei es natürlich sehr schwierig Frauen kennenzulernen, daher suche er nun via Kontaktanzeige eine nette Frau. Lena verschluckte beinah den Sauger! Oh mein Gott! Kontaktanzeigen
wo man hinhört! Drehen denn jetzt plötzlich alle durch? Sogar mein Zahnarzt. Ein gutaussehen-
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der, okay, zugegeben sehr langweiliger, aber auch reicher Mann – der hatte so was bestimmt
nicht nötig. Ob er wohl in derselben Zeitung stand wie sie? Und was er wohl so über sich geschrieben hatte? Reicher Zahnarzt sucht edle Lady, die in seine Villa passt? Oder Langweiler
sucht neue Mutter für seine Kinder? Und welchen Nickname er sich wohl zugelegt hatte? Sein
richtiger Name war Müller, Dr. Patrick Müller. „The doctor!“ Das wär doch mal ein Nickname!
Lena schmunzelte, und je mehr sie darüber nachdachte desto weniger konnte sie es abwarten,
nach seiner Anzeige zu suchen. Wie lange dauert dieses Theater hier wohl noch?, fragte sie
sich und rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Komm schon Langweiler, gib Gas, ich
muss sofort zum nächsten Zeitungshändler und sehen was du geschrieben hast.
„So, Frau Herzog, dann haben Sie’s geschafft, wir haben-“
„Alles klar, Auf Wiedersehen.“ Noch bevor der Zahnarzt seinen Spiegel aus Lenas Mund
ziehen konnte, war sie schon aufgesprungen und verschwunden; zurück blieb ein völlig verdutzter Zahnarzt, der ziemlich blöde aus der Wäsche guckte.
Wenige Sekunden später hechtete Lena unten aus der Tür und spurtete blindlings um die
nächste Hausecke. Sie konnte natürlich nicht ahnen, dass genau in diesem Augenblick eine mit
Einkaufstüten beladene Mutter mit Kinderwagen und zwei riesigen Hunden um die Ecke kam.
PENG! Lena rammte mit voller Wucht den Kinderwagen, flog im hohen Bogen darüber und
landete auf einem der Hunde, der sofort fürchterlich zu jaulen begann. Das Kind im Wagen
schrie lauthals und das Schwesterchen daneben fing auch gleich zu weinen an. Die Mutter hatte vor Schreck gleich alle Einkaufstüten fallen lassen und während sich dessen Inhalt über den
ganzen Bürgersteig verstreute, fing der zweite Hund nun auch noch laut zu bellen an.
Irgendwann rappelte sich Lena wieder hoch, rieb ihre schmerzenden Schienbeine und meinte
verdattert: „Meine Güte! Es tut mir wirklich…. ich hab Sie nicht… sind Sie und Ihre Kinder
okay?“
Die Mutter sah Lena geschockt an, die Hunde hatten sich mittlerweile beruhigt, dann nahm sie
ihre Kinder in die Arme und meinte kurz darauf: „Bei uns alles okay. Haben Sie sich verletzt?“
„Alles okay“, antwortete Lena kleinlaut und rieb sich noch immer ihre schmerzenden Stellen,
„Es tut mir so Leid! Ich bin furchtbar in Eile und muss sofort weiter. Ist wirklich alles okay?“ Als
die Mutter nickte, humpelte Lena, so schnell sie konnte, weiter.
Die Mutter beruhigte ihre Kinder, streichelte die Hunde und kniete sich auf den Boden, um die
Einkäufe wieder einzusammeln. Auf einmal glänzten neben ihr auf Hochglanz polierte DesignerSchuhe. Ein Gentleman kniete sich neben sie und meinte mit englischem Akzent: „Lassen Sie
mich Ihnen helfen, Madam.“ Die Mutter war wie vom Blitz getroffen. Sie starrte den schönen
Mann an, brachte kein Wort heraus und packte mehr neben als in die Tüte. Der Engländer lächelte sie charmant an und nachdem er alles wieder sicher verstaut hatte, half er ihr aufzustehen. Die Mutter schluckte den grossen Klumpen in ihrem Hals endlich herunter und piepste
ein leises „Danke schön.“ Doch noch bevor sie ihren ganzen Mut zusammen nehmen und mehr
sagen konnte, kam eine elegante Dame daher gestöckelt und rief schon von Weitem: „Peter!“
Der Engländer drehte sich um, schloss die Dame strahlend in die Arme und ging mit ihr davon.
„Tja, das wär auch zu schön gewesen“, seufzte die Mutter leise, sammelte all ihren Kram
zusammen und machte sich wieder auf den Nachhauseweg. Zurück in ihre viel zu kleine Dreizimmerwohnung, zurück in ihr einsames und trostloses Leben. „Doch bald wird auch Mamis
Prinz kommen“, sagte sich zu ihren Kindern und tröstete sich damit selbst. „Mami hat eine Kontaktanzeige aufschalten lassen und so kann Mamis Prinz sie endlich finden. Wisst ihr meine
Engelchen, Mami hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Irgendwo da draussen ist er, ganz
bestimmt. Mami gibt nie auf.“ Mit einem letzten Blick zurück, sah die Mutter gerade noch wie der
galante Engländer und seine Begleitung in einem Restaurant verschwanden.
„Wir haben einen Tisch auf den Namen Hatchet reserviert“, sagte die Dame zum Kellner,
liess sich von Peter aus dem Mantel helfen und lächelte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen
an.
„Also Bruderherz, erzähl schon, was ist das für eine grosse Neuigkeit, von der du so geheimnisvoll gesprochen hast? Hast du die grosse Liebe endlich gefunden?“
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„Noch nicht, aber bald!“, lächelte Peter und zwinkerte seiner Schwester zu. Die beiden folgten dem Kellner zum Tisch und während des Abendessens eröffnete Peter seiner Schwester,
dass er eine Kontaktanzeige hatte aufschalten lassen.
„Das find’ ich grossartig!“, freute sich seine Schwester, „Es ist wirklich an der Zeit, dass ein
so wundervoller Mann wie Du eine Frau an seiner Seite hat, die Du so richtig verwöhnen
kannst.“
Während des ganzen Abends unterhielten sich die beiden über die Anzeige, Frauen und die
Liebe. Es wurde ein langer und schöner Abend und nachdem sie das Restaurant verlassen
hatten, drückte Mary ihrem Bruder einen Kuss auf die Wange, sah ihm lange in die Augen und
sagte: „Viel Glück.“
Ihre Wege trennten sich und Peter schlenderte am Flussquai entlang nach Hause. Es war eine
sternenklare und für Oktober ungewöhnlich warme Nacht, und er hatte keine Eile.
Nach einigen Minuten, Peter kam gerade zur Mitte der Schattenbrücke, sah er eine Frau über
das Brückengeländer klettern. Er blieb stehen und sagte so ruhig wie möglich:
„Bitte tun Sie das nicht!“
„Sie verstehen das nicht. Gehen Sie weiter!“, antwortete die Frau ohne sich umzudrehen.
„Nein, ich bleibe bei Ihnen. Wie verzweifelt Sie auch sind, es gibt bestimmt eine Lösung.“
„Ah, da!“, rief die Frau plötzlich laut und beugte sich ruckartig nach vorne. Peter, der glaubte
sie würde springen wollen, machte einen Satz nach vorn und packte die Frau. Er hielt sie fest in
seinen Armen und flüsterte ihr ins Ohr: „Ich hab Sie gerettet! Alles wird wieder gut!“
Beinah zu Tode erschrocken starrte die Frau Peter an. „Gerettet? Nein Sie haben mich nicht
gerettet, Sie haben mich zu Tode erschreckt!“, rief sie und zitterte am ganzen Körper, „Ich hab
nur meinen Ohrring verloren.“ Jetzt bemerkte Peter, dass sie einen sehr edlen, goldenen Ohrring trug und denjenigen der ihr am anderen Ohr fehlte, hielt sie nun in der Hand.
Die beiden sahen sich an und brachen plötzlich in Gelächter aus.
„Ich dachte Sie würden springen. Ich wollte Sie nicht erschrecken, es tut mir Leid“, sagte
Peter, liess die Frau los und stellte sich mit einem eleganten Kopfnicken vor, „Mein Name ist
Peter Hatchet, darf ich Sie zur Entschuldigung auf einen Tee einladen?“
„Einen Tee?“
„Ich bin Engländer“ grinste Peter verschmitzt und fügte hinzu, „Bei uns ist Tee immer die
beste Medizin.“ Die Frau lachte.
„Ich bin Lena Herzog, freut mich sehr Sie kennen zu lernen, mein edler Retter!“
Peter half Lena wieder übers Geländer zu steigen und bot ihr galant seinen Arm an. Lena sah
ihn einen Augenblick lang an, und genoss das wunderbare Gefühl, das gerade in ihr aufzusteigen begann. So fühlte sich eine wahre Prinzessin, dachte sie und hängte sich sehr gerne bei
Peter ein. Und so machten sich die beiden auf den Weg. Ganz in der Nähe fanden Sie ein nettes kleines Restaurant und setzten sich auf einen Tee zusammen.
Lena traute ihren Augen nicht, als sie etwas weiter hinten die Südländerin in ihrem roten Kleid
erblickte. Diesmal hing diese nicht am Telefon, sondern hatte einen jungen Mann vor sich sitzen, der so bleich und kränklich aussah, dass Lena ihn sofort als Informatiker einstufte. Peter
und Lena setzten sich und konnten nicht umhin das Gespräch, oder besser gesagt: den Monolog nebenan zu lauschen.
„Weisse du“, sprach die Italienerin auf den kleinen Informatiker ein, „ig habe diese kontagtezeige gemagt in zeitung. ig brauge keine mann fur leben, aber ig brauge mann fur begleitung fur
hogzeit von meine swester. An die 11.11. hasse du zeit?“
„Kontaktanzeige!“, flüsterte Lena ungläubig. „Die Dinger verfolgen mich heute.“ Sie drehte
sich um, lehnte sich weiter zur Seite und griff sich die Zeitung aus dem Zeitungsständer an der
Wand. Schnell blätterte sie vor zur Seite mit den Kontaktanzeigen und meinte etwas beschämt
zu Peter: „Weisst Du, meine Kontaktanzeige steht in dieser Zeitung auch drin.“ Peter lächelte
interessiert, beugte sich über die Anzeigenseite und sagte sofort: „Das hier bist Du.“
„Woher weisst du das?“
„Weil du heiss und unberechenbar wie eine Flamme bist und weil ich mich sehr angesprochen fühle“, sagte Peter, zog Lena sanft zu sich und küsste sie.
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Nur wenige Strassen weiter gurgelte und blubberte ein Auto, ruckelte und kam langsam zum
Stehen. Der Lenker schlug wütend gegen das Lenkrad, suchte überall nach seinem Handy,
konnte es aber nirgends finden und stieg dann aus dem Wagen. Während er seine Hosentaschen nochmals nach dem Handy abtastete, sah er sich um und überlegte was er nun am besten tun sollte. Das Handy blieb verschwunden und damit blieb ihm wohl oder übel nichts anderes übrig, als irgendwo zu klingeln und zu fragen ob er kurz telefonieren dürfte. Einfacher gedacht als getan, bemerkte er schnell, denn auch beim dritten Haus blieb das Licht aus und niemand öffnete die Tür. Etwas weiter hinten entdeckte er einen grossen Wohnblock, da würde
doch sicherlich jemand zu finden sein, der ihm helfen würde. Er drückte seine gesamte Handfläche auf all die vielen Klingeln und – Bingo! Das Schloss wurde per Fernsteuerung geöffnet, er
trat ein und fand sich in einem grossen Treppenhaus wieder. Er stieg die Treppe hoch in den
ersten Stock und blieb vor einer der vielen Wohnungstüren stehen. Noch bevor er klingeln
konnte ging die Tür auf und ein riesiger Hund und kleines Mädchen im Schlafanzug kamen
hervor. Beide sprangen den Mann freudig an und während der Hund ihm die Hand leckte, sagte
das Mädchen: „Er mag dich und ich mag dich auch.“
Der Mann stand etwas verdattert da, wusste nicht recht was er tun oder sagen sollte und dann
erschien auch noch eine Frau, wohl die Mutter des Kindes in der Tür. Der Mann versuchte das
Mädchen zu seiner Mutter zurück zu schieben, murmelte ein „Entschuldigen Sie“, hob den Kopf
und sah der Frau in die Augen. Beide waren wie vom Blitz getroffen. Sie sahen sich nur tief in
die Augen und auf einmal fühlten beide Schmetterlinge im Bauch. Ein kurzer Augenblick, der
den beiden wie eine Ewigkeit vorkam, verstrich und eine wundervolle Stille machte sich in ihren
Köpfen breit.
Erst als die Kleine an Mamas Rockzipfel zog und sagte: „Er soll mir auch eine Geschichte vorlesen, Mama?“, kamen die beiden langsam wieder in die Wirklichkeit zurück. Die Mutter strich
ihrem Kind zärtlich über den Kopf, ohne jedoch den Blick von den wunderschönen Augen des
Mannes ab zu wenden. Der Mann räusperte sich.
„Es tut mir sehr Leid, bitte entschuldigen Sie. Ich… ich… mein Auto hat eine Panne und…
ich hab geklingelt weil… weil ich fragen wollte, ob ich kurz telefonieren kann. Ich… ich wollte
nicht… Ihre Tochter hat mich gleich umarmt…“
„Sie haben wunderschöne Augen“, sagte die Mutter und starrte ihn noch immer völlig verzaubert an. Der Mann lächelte geehrt und antwortete: „Sie auch.“ Er streckte ihr seine Hand
entgegen, „Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Patrick Müller. Mein Auto hat eine Panne
und ich hab mein Handy verloren, dürfte ich wohl kurz ihr Telefon benutzen?“
„Ach du meine Güte, das ist ja wie im Film!“ grinste die Frau glücklich, räusperte sich und
fuhr fort: „Natürlich, bitte kommen Sie herein. Ich bin Nadja und die Kleine, die schon längst im
Bett sein sollte, ist Annina.“ Die beiden lachten und betraten die kleine und völlig überladene
Wohnung.
Dr. Müller benutzte das Telefon zwar, um seine Babysitterin zu benachrichtigen, hatte es aber
dann überhaupt nicht eilig nach Hause zu gehen. Er verbrachte einen sehr schönen Abend mit
Nadja. Sie tranken ein Glas Wein und redeten noch bis tief in die Nacht. Es war Liebe auf den
ersten Blick und es war das Schicksal, das die beiden zusammengeführt hatte, ganz ohne Zutun ihrer beiden Kontaktanzeigen.
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