Hochfest Printversio.. - wt Werkstattstechnik online

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Neue Anwendung: Hochfeste Stähle im Fahrwerk
Hochfeste Stähle und moderne Mehrphasenstähle mit Zugfestigkeiten bis zu 1400 MPa gehören zu den
erfolgreichsten Leichtbau-Werkstoffen im Automobilbau. Automobilproduzenten nutzen die hohe Festigkeit und gleichzeitig gute Umformbarkeit der Werkstoffe für gewichtsoptimierte, dünnwandigere Konstruktionen. Bei der Sicherheit müssen sie keine Abstriche machen und was die Kosten angeht, erweist sich
Stahl im Wettbewerb der Werkstoffe seit jeher als die wirtschaftlichste Lösung.
Bislang werden hochfeste und moderne Mehrphasenstähle
hauptsächlich in der Karosserie eingesetzt. Im Fahrwerk
wendet man traditionell mikrolegierte Feinkornstähle mit
Streckgrenzen von 355 bis 420 MPa an. Die ThyssenKrupp
Umformtechnik GmbH ist dabei, das zu ändern. Das Unternehmen aus dem Bereich Metal Forming von ThyssenKrupp
Steel fertigt Pressteile und Zusammenbauten in den Bereichen Karosserie und Fahrwerk für die internationale Automobilindustrie. Der Hauptsitz ist Bielefeld. Dort arbeitet
man sehr erfolgreich daran, die Gewichts- und Kostenvorteile moderner Stahlwerkstoffe auch im Fahrwerk nutzbar zu
machen.
Dipl.-Ing. Ulf Sudowe
Leiter F&E Fahrwerk,
ThyssenKrupp Umformtechnik GmbH
Einsparungen bei Gewicht, Teilezahl
und Fügeoperationen
Beispiel Vorderachsquerlenker: ThyssenKrupp Umformtechnik fertigt jährlich 1,2 Millionen Stück dieser Komponente
einer McPherson-Vorderachse aus CP-W 800. CP-W 800 ist
ein Complexphasenstahl-Warmband mit einer Zugfestigkeit
von 800 MPa und einer Streckgrenze von 680 MPa von
ThyssenKrupp Steel. Zuvor wurden solche Querlenker als
zweischalige geschweißte Bauteile ausgeführt oder geschmiedet. Aufgrund der hohen Festigkeit des Complexphasenstahls konnte ThyssenKrupp Umformtechnik ein einschaliges Bauteil konstruieren, das nicht nur Gewicht einspart,
sondern auch mit weniger Einzelteilen und Fügeoperationen auskommt. Die Kosteneinsparung durch das neue Bauteil beträgt rund 20 %.
Einen ähnlichen Querlenker hat ThyssenKrupp Umformtechnik für die Vorderachse eines Fahrzeugs aus dem Segment
der Hochdachkombis entwickelt, bei dem zuvor zwei unterschiedliche Lenker für die Führung der vorderen Räder sorgten. Für Achslasten bis 1100 kg kam ein geschweißter,
zweischaliger Lenker zum Einsatz. Für höhere Lasten bis
1200 kg, beispielsweise wegen einer schwereren Motorvariante, griff man auf ein gegossenes Aluminiumteil zurück.
Die neue Lösung aus Complexphasenstahl ist mit 2,8 kg
nicht nur gut ein Kilogramm leichter als die 3,87 kg schwere Aluminium-Gusslösung, sie unterbietet auch die 3,18 kg,
die für die geschweißte Stahllösung zu Buche schlagen.
Die Kosten für das neue Bauteil sind 20 % geringer, unter
anderem, weil der Lenker Achslasten bis 1200 kg tragen
kann, so dass eine zweite Komponente für höhere Lasten
nicht mehr nötig ist. Weitere Beispiele: für den Dreiecksquerlenker eines SUV (Sports Utility Vehicle) hat ThyssenKrupp Umformtechnik ein Konzept entwickelt, das etwa
4 % schwerer ist als die Aluminiumversion des Bauteils
aber 45 % billiger.
Einschalige Vorderachs-Querlenker aus hochfestem Stahl:
ThyssenKrupp Umformtechnik nutzt das Potential moderner
Mehrphasenstähle für Gewichts- und Kostenreduzierungen im
Fahrwerk.
Ganzheitlicher Entwicklungsansatz: Wer hochfeste Stähle im Fahrwerk
einsetzt, muss neue Wege beispielsweise beim Korrosionsschutz oder
bei der Fügetechnik gehen. Bilder: ThyssenKrupp Umformtechnik
Dass ThyssenKrupp Umformtechnik das Potential hochfester
Mehrphasenstähle für Fahrwerkkomponenten so erfolgreich
nutzt, liegt am ganzheitlichen Entwicklungsansatz des
Unternehmens. Die Bielefelder Ingenieure betrachten dabei
nicht nur Werkstoffeigenschaften, sondern auch umformund fügetechnische Themen sowie KorrosionsschutzAspekte. So ist bei Achskomponenten unter anderem die
Steifigkeit von zentraler Bedeutung. Steifigkeit ist eine
Eigenschaft des Querschnitts, das heißt, es kommt nicht
nur auf die Eigenschaften des Werkstoffs an, sondern auch
auf die Geometrie und die Wanddicke des Bauteils. Gewichtseinsparungen bringt die hohe Festigkeit eines Mehrphasenstahls aber nur, wenn man die Wanddicke entsprechend verringert. Um den damit verbundenen Steifigkeitsverlust zu kompensieren, muss die Form des Bauteils verändert werden.
Ganzheitlicher Ansatz hebt das Potential
höherfester Stähle
Dabei entstehen komplexe Geometrien, die gepaart mit der
hohen Festigkeit moderner Mehrphasenstähle hohe Ansprüche an den Umformprozess stellen. Hinzu kommt, dass auch
die verringerten Wanddicken der aus Warmband gefertigten
Fahrwerkkomponenten noch deutlich höher sind als bei
Karosserieteilen aus kaltgewalztem Feinblech. ThyssenKrupp Umformtechnik fertigt hochfeste Fahrwerkkomponenten mit einer 1600-Tonnen-Presse in bis zu acht Umformschritten. Das Unternehmen verfügt über mehr als
zehn Jahre Erfahrung mit der Verarbeitung hochfester
Mehrphasenstähle einschließlich der dafür notwendigen
Auslegung und Beschichtung der Umformwerkzeuge. Hinzu
kommt, dass der Complexphasenstahl CP-W 800 nicht nur
eine hohe Streckgrenze, sondern mit einer Mindestdehnung
von 12 % auch gute Tiefzieheigenschaften mitbringt.
Wer hochfeste Stähle im Fahrwerk einsetzen will, muss auch
die Fügetechnik überdenken. Bevorzugtes Verfahren im
Fahrwerk ist bislang das MAG-(Metall-Aktiv-Gas)Schweißen.
Allerdings heizt das Material dabei so stark auf, dass sich
das metallische Gefüge in der Umgebung der Schweißnaht
verändert und die Streckgrenze auf 350 MPa absinkt. Dass
der Schweißstrahl die dünneren Wände der hochfesten
Komponenten durchbrennen würde, ist ein weiterer Nachteil. ThyssenKrupp Umformtechnik hat sich mit Alternativen
beschäftigt und wendet beispielsweise bei einem Vorderachsträger aus hochfestem Dualphasenstahl das Bördelverfahren an. Als besonders zukunftsträchtige Technologie gilt
das Laserhybridschweißen, bei dem hochfeste Fahrwerkkomponenten per Laserstrahl und Schweiß-Zusatzwerkstoff
verbunden werden. Hier ist die Wärmeeinflusszone so klein,
dass kaum Festigkeitsverluste in der Umgebung der
Schweißnaht entstehen. Hinzu kommt: Die Schweißgeschwindigkeit ist etwa dreimal so hoch wie beim MAGSchweißen, und die Verbindung hat eine mindestens doppelt so hohe Lebensdauer. ThyssenKrupp Umformtechnik ist
derzeit der einzige Automobil-Zulieferer am Markt, der
Laserhybridschweißen für die Großserienfertigung von
Fahrwerkteilen anbietet.
Verringerte Wanddicken im Fahrwerk stellen selbstverständlich auch höhere Anforderungen an den Korrosionsschutz.
Als Beschichtungsoption für die unter anderem durch
Steinschlag belasteten Teile kommt zum Beispiel die Stückverzinkung in Frage. Im Vergleich zur herkömmlichen Dickschicht-KTL (Kathodische Tauchlackierung) bietet sie gleichen Korrosionsschutz bei verbesserter Betriebsfestigkeit,
aber auch höheren Kosten. Deutlich geringer ist der Preisunterschied zu Dickschicht-KTL bei der von ThyssenKrupp
Steel neu entwickelten Zink-Magnesium-Oberfläche ZMg
EcoProtect und einer Zink-Lamelle genannte Beschichtung.
Beide Oberflächen bieten gegenüber Dickschicht-KTL verbesserten Korrosionsschutz bei gleicher Betriebsfestigkeit.
Ein von ThyssenKrupp Umformtechnik entwickelter Querlenker mit ZMg-EcoProtect-Beschichtung wird demnächst in
Serie gehen.
ThyssenKrupp Steel Fachpresseforum Werkstoffe,
20. November 2008, Andernach.
Zusammenfassung des Referats von
Dipl.-Ing. Ulf Sudowe
Manager Engineering Chassis
ThyssenKrupp Umformtechnik GmbH
Kontakt: Bernd Overmaat
ThyssenKrupp Steel AG
Kaiser-Wilhelm-Straße 100, 47166 Duisburg
Tel. +49 (0) 203 52-45185
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Zeitschrift Konstruktion
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