Menschen, die große Pausen brauchen

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Menschen, die große Pausen brauchen
Menschen, die große Pausen brauchen
Eine Typologie der LehrerInnen in der KJL
Von Ralf Schweikart
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1000 und 1 Buch 3|03
ort“, und wenn sie engagiert sind, dann
Dagegen war Professor Artur Kupfer mit
gestalten sie auch die Schule als „Lediesem Tag sehr zufrieden (…) Nach
bensraum“ mit. Sie arbeiten dagegen
den leeren zwei Sommermonaten –
an, dass die Schüler mit der Gewissheit
leer, weil er als Mensch unter Menschen
zur Schule gehen, spätestens am Nachgewandelt war und nicht als Gott unter
mittag mit Unterrichtsende wieder ins
Schülern, weil er keinen von seiner Allwahre Leben hinaustreten zu können.
gewalt erbeben machen konnte, weil
(Architektonisch und zwischenmenschdas viele, das er sah, sich nicht in die
lich interessanter aber sind die InternaNorm seiner Herrschbedürfnisse zwinte. Die Außenwelt muss draußen bleigen ließ – nach dieser Verbannung
ben, stattdessen bilden sich dort ganz
stürzte er sich mit allen Sinnen in sein
eigene Verhaltenskodizes heraus, die
wiedergewonnenes Reich.
auch das Lehrerkollegium betreffen.
(Torberg: Der Schüler Gerber)
Das Verhältnis der Internatsbewohner
Man könne, sagte er, vier Säulen unteruntereinander ist viel enger, die Hoffscheiden, auf welche das gesamte
nung, nach dem letzten Gong aus der
Schulsystem sich stütze: Die Säulen
In
stitution fliehen zu können, ist auf die
nenne er Angst, Jammer, Schein und
Illustration von Wilhelm Busch aus:
Max
und
Moritz
(Hamburg:
Xenos
o.J.)
Ferien beschränkt.)
Lüge. Die Lüge, sagte er gleich zu
Beginn, das solle ich verinnerlichen, sei das Elixier der So wie in den Schulklassen ein Mikrokosmos an Persönlichkeiten abgebildet wird, so spiegelt sich eine verSchule. (Orths: Lehrerzimmer)
Sie bleibt keinem Kind erspart: die Schule. Sie ist das bil- gleichbare Bandbreite auch im Lehrerpersonal. Während
dungspolitisch legitimierte Trainingscamp, in dem aus in der Grundschule die eine, universell unterrichtende
Eltern terrorisierenden Kindern nützliche Mitglieder der Lehrerin der vorherrschende Tyus ist und allerhöchstens
Gesellschaft gemacht werden. Was nicht immer gelingt. durch den Direktor/Rektor ergänzt wird, beginnt danach
Sie ist ein seit Jahrhunderten laufender Laborversuch, um die Diversifikation. Jedes Fach erhält sein spezielles Geeine Parallelwelt zur Sozialisation in der Familie zu er- sicht, und nur selten verlässt in der Literatur die Figurenschaffen. Die Regelschule mal weniger, das Internat mal charakterisierung die naheliegende Vorstellungswelt. Von
mehr. Sie ist das kostenlose Clubschiff für Jugendliche, Technik und Logik bestimmte Fächer wie Physik oder Maauf dem Bildungsanimateure permanent zum Mitmachen thematik sind Männerdomäne, bevölkert von strengen,
auffordern. Auch wenn die Gäste viel lieber auf die großen zuweilen autoritären Charakteren. Dem gegenüber steht
Pausen warten. Schule – das ist auch ein zentrales Sujet der Kunst- und Sportunterricht, wo einerseits spleenige
der Kinder- und Jugendliteratur. Seit es die Schule gibt, und unkonventionelle, andererseits junge und attraktive
taucht sie als Handlungsort auf. Sie ist bevölkert von Mit- Lehrer ihren Platz finden. Eine Sonderrolle spielt der Refeschülern, von Rektoren und von Hausmeistern. Und vor rendar oder die seltener auftauchende Referendarin. Sie
allem von einer ganz besonderen Spezies: von Lehrern.
bilden durch ihr Alter und die dadurch noch nicht ganz
In deren Händen liegt die wichtigste Aufgabe. Sie abgerissene Verbindung zur Schule und zum verschulten
entscheiden darüber, wie gern oder ungern Kinder zur Studium die Brücke zu den Schülern. Sie sind zwar schon
Schule gehen. Wie schnell und mit welchem Interesse sie Respektperson, aber nur auf Probe. Da wird häufiger gedem Lehrstoff folgen. Offensichtlich auch, wie viel oder duzt, dringt das Privatleben stärker in den Schulalltag ein.
wenig Spaß Kinder an der Buchlektüre haben. Sie verkör- Ihnen kommt die Aufgabe zu, sich vor allem schmachpern ihre jeweiligen Wissensgebiete, in gleicher Weise tender Schülerinnen und Schüler zu erwehren. Denn auch
sind sie aber auch Repräsentanten der Gesamtgesell- die Liebe bleibt in der kleinen schulischen Welt nicht
schaft und ihrer Normen und Werte, sind als Beamten außen vor. Bei Klassenfahrten durchaus einmal in der Vadem Staatswesen und seinen Grundlagen verpflichtet. riante „Liebelei unter LehrerkollegInnen“, von den SchüUnd sie sind eingebunden in einen pädagogischen Dis- lerInnen irritiert bis belustigt beäugt.
kurs, über den sie längst die Hoheit verloren haben. Er
So häufig Lehrer zwar in der Literatur für Kinder und
hat sich ausgeweitet und ist zur Alltagskommunikation Jugendliche auftauchen, so wenig Tiefenzeichnung besitgeworden, der Eltern und selbst Kinder mit einbezieht.
zen sie. Ihre erzählerische Funktion ergibt sich oftmals
In der Literatur für Kinder- und Jugendliche sind Lehrer aus ihrer groben Charakterisierung, sie sind selten als
mehr als nur das notwendige Inventar in schmucklosen handlungsbestimmendes Subjekt aktiv. Trotz dieser EinZweckbauten oder die Vertreter eines für die Erziehung schränkung finden sich eine Reihe interessanter Darstelnötigen Berufsstandes. „Wir machen doch nur unsere Ar- lungsformen in den unterschiedlichen Genres und für unbeit“, damit ist deren realer und fiktionaler Alltag nur un- terschiedliche Altersstufen. Der Weg durch die Klassenzureichend umschrieben. Sie füllen die Schule als „Lern- zimmer beginnt also ganz unten: In der ersten Klasse.
Fotos: privat
Sympathische und nette Menschen
als Lehrer haben mit lernwilligen
Kindern kaum Mühe.
sten der zahllosen Einschulungsgeschichten, von Liane
Schneiders „Conni kommt in die Schule“ bis zu Erhard
Dietls „Die Olchis fliegen zur Schule“.
Auch bei den Lindgren-Kindern in Bullerbü und
sonst wo ist alles harmonisch, denn die in „Ich will auch
in die Schule gehen“ von Katrin Engelking illustratorisch
der heutigen Mode angepasste Lehrerin mit runder
Harry-Potter-Brille und Perlenkette hat Verständnis dafür,
dass die kleine Lena mal sehen will, wie es bei ihrem älteren Bruder Peter in der Klasse zugeht. Der Ton ist ruhig,
aber bestimmt, die Kinder fühlen sich wohl. Selbst in
einem märchenhaften Kinderroman wie Roald Dahls
„Matilda“ mit seinen karikaturesk überzeichneten Figuren hat die liebenswerte Grundschullehrerin Fräulein
Honig die bedeutendste Rolle inne. Sie ist die einzige, die
Matildas besonderen Fähigkeiten erkennt und fördert.
Fräulein Florentine Honig war eine freundliche und ruhige Person, die niemals die Stimme erhob und die man selten lächeln
sah. Aber zweifelsohne besaß sie die seltene Gabe von jedem der
Kinder, die in ihre Obhut anvertraut waren, angebetet zu werden. Sie schien vollkommen die Verwirrung und die Angst zu verstehen, die Kinder so oft überfällt, wenn sie das erste Mal in
ihrem Leben in einen Klassenraum gepfercht werden und gehorchen müssen. (Dahl 63)
In Florentine Honig spiegeln sich häufig wiederkehrende
Elemente der Figurenzeichnung. Sie ist in ihrer Beschreibung und Bezeichnung als Fräulein ein asexuelles Wesen,
so wie ihre Zöglinge es noch sind. Sie bietet Halt und
Sicherheit in einer fremden und beängstigenden Umgebung. Eine Fähigkeit, die Lehrer nicht erlernen, sondern
mitbringen müssen. Sie steht auf der Seite der Kinder in
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Der gewinnende Typ: Die Grundschullehrerin
Nach dem Kindergarten geht es los mit dem Ernst des Lebens. Mit dem spielte schon Sabine Jörg in ihrem gleichnamigen Bilderbuch über das gern thematisierte Ereignis
Schulanfang. Die kleine Annette soll ihn nämlich kennen
lernen, wenn sie denn erst in die Schule geht, heißt es im
Unterton drohend von den Eltern. Und tatsächlich, sie
lernt ihn kennen. Es ist der nette Junge auf dem Platz neben ihr mit Namen Ernst. Alles halb so wild, was die Eltern
da erzählen, heißt die Moral, und schlimm ist Schule
schon gar nicht.
Das liegt aber nicht nur, wie in diesem Fall, an den
Mitschülern, sondern in der Regel an den netten Lehrern.
Die sind in der Überzahl weiblich und fungieren nicht selten als verständnisvolle Ersatzmutter. Die Absicht ist klar.
Schon der Schritt in den Kindergarten ist ein Schritt der
Ablösung von den Eltern, aber noch immer hinein in eine
spielerische Umgebung. Dem gegenüber verliert sich das
Spielerische in der Schule spürbar, das konzentrierte Lernen wird deshalb schon in der Vorschule unter Anleitung
geübt. Schließlich soll die Erfahrung Schule nicht von
Zwang und Schrecken überlagert sein. Die neue Bezugsperson, die Lehrerin, darf also de facto in den Geschichten keine Negativfigur sein. Sie hat die Aufgabe, das Einleben in eine ungewohnte Umgebung und damit den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt zu erleichtern.
In Bilderbüchern und Erstlesegeschichten steht
deshalb vor allem der Abbau von Ängsten im Vordergrund. Kein Wunder, dass die Lehrerinnen als sympathische, nette Menschen mit den lernwilligen Kindern kaum
Mühe haben. Nach diesem Muster funktionieren die mei-
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einer kinderfeindlichen Welt, als die die Schule in diesem
Fall beschrieben wird. Noch deutlicher wird diese Dichotomie durch ihre schulische Gegenspielerin, die Schulleiterin Fräulein Knüppelkuh.
Sie war ein Riesenweib, ein heiliger Schrecken, ein wildes tyrannisches Ungeheuer, das Kinder und Lehrer gleichermaßen in
Panik versetzte. (Dahl 64)
Sie steht für die Schule als militärisches Trainingslager, in
dem Disziplin und Unterwerfung gelehrt wird. Sie ist der
Panzer, der durch die Gänge marschiert, so dass die Kleinen
nach rechts und links zur Seite spritzten. Sie ist ein Relikt aus
der Vergangenheit der Schulgeschichten für Ältere, weniger der Grundschulgeschichten.
Ich wünschte zum Himmel, dass ich noch die Birkenrute und den
Gürtel benutzen könnte wie in der guten alten Zeit (Dahl 83),
gibt sie zu. Autoritäre Strenge, Allmacht und Bestrafung,
das waren Kennzeichen der wilhelminischen Schulen
oder später noch der Schulen im Dritten Reich. Das gilt
jedoch nicht für die im späten 19. Jahrhundert aufkommenden Geschichten für Erstklässler. In den Büchern aus
dem Umfeld der Hamburger und Bremer Reformpädagogen um die Jahrhundertwende stehen die Grundschullehrer zwar in größerer Distanz zur Welt ihrer Schüler und
sind unangreifbare Respektpersonen wie in Ilse Frapans
„Hamburger Bilder für Kinder“, sie sind aber nicht mit
den diktatorisch agierenden Lehrern vergleichbar, wie sie
später in den dramatischen Schul- und Internatsgeschichten von Musil, Hesse oder Torberg geschildert werden.
Herr Blaske wurde böse. Er machte sich gar nichts aus dem
Schnee. Ich wunderte mich über ihn; ich dachte, alle Menschen
freuen sich, wenn es schneit. Herr Blaske freute sich kein bisschen, er schrieb sehr schnell die große schwarze Tafel voll Zahlen.
„Wer nicht aufpasst, muss nachrechnen!“ schrie er. (Frapan 43)
Doch in Herrn Blaskes Brust schlägt ein gutes Herz, das
Nachrechnen wird ausgesetzt und die Kinder dürfen nach
draußen zur Schneeballschlacht. Ein im historischen Kontext eher der modernen Figur des Grundschullehrers zurechenbarer Charakter. Hinter der harten Schale verbirgt
sich ein den Kindern wohlwollend gegenüberstehender
Pädagoge, der Strenge und Güte gleichermaßen einzusetzen weiß und sich als guter Motivationstrainer beweist.
Mit einer gänzlich modernen Erscheinung hat der
ebenfalls sympathische, aber schon ältere Dorfschullehrer bei Heidis Ziegenpeter zu kämpfen: einem Vorläufer
des Burn-out-Syndroms. Seine pädagogischen Fähigkeiten haben an Peter versagt, die Geduld war umsonst, der
Erfolg nicht messbar. Doch Heidi gelingt ohne Lehramtsausbildung, was die Schule nicht erreicht hat: Peter das
Lesen beizubringen.
Peter, an dir ist ein Wunder geschehen! Solange ich mit unbeschreiblicher Geduld an dir gearbeitet habe, warst du nicht
imstande, auch nur das Buchstabieren richtig zu erfassen. Da ich
nun, obwohl ungern, die Arbeit an dir als nutzlos aufgegeben
habe, passiert es nun, dass du dich mal wieder sehen lässt und
hast nicht nur das Buchstabieren, sondern ein ordentliches, sogar
deutliches Lesen gelernt. (Spyri 241)
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Der gestresste Typ: Der Projektwochen-Lehrer
Eine Kollegin dieses Dorfschullehrers findet sich in Anne
Fines Kinderbuch „Der Schreibkünstler“. Miss Tate ist
ebenfalls schon etwas reifer und von der besonders fürsorglichen Sorte, getreu dem Motto: Der Langsamste
bestimmt das Tempo.
Meine Mutter hat wirklich recht: Sie sagt immer, einige Lehrpersonen schweben in so realitätsfernen Gebilden, das eine möglichst rasche Pensionierung die beste Lösung für alle Beteiligten
sei. (Fine 34)
Ihre Art geht vor allem dem Klassenneuen Chester Howard
auf den Geist, zumal er sich unfreiwillig um die Projektarbeit von Sorgenkind und Legastheniker Joe kümmern
muss. Der ist ein besonders schwerer Fall von „Sauklaue“,
den Miss Tate nach dem Abspulen sämtlicher ihr zur Verfügung stehenden pädagogischen Konzepte längst aufgegeben hat. Ich-Erzähler Howard hingegen ist eine starke, durch seine sprühende Ironie sehr erwachsen wirkende Figur, gegen den die tantig daherkommende Lehrerin
Miss Tate nur wenige Chancen hat. Sein Witz und sein
Einfallsreichtum zeigen, wie sich im Rahmen einer außerschulischen Pädagogik selbst beim hoffnungslosen Fall
Lernerfolge einstellen, die auch Miss Tate überzeugen.
Auch wenn in den Schulen alten Schlages noch immer der Frontalunterricht fröhliche Urstände treibt, verändern sich mancherorts die Formen oder werden in so
genannten Reformschulen neuartige Methoden erprobt.
Frei gestalteter Unterricht, der mittels Projekt-Gruppenarbeiten mit abschließenden Präsentationen nicht nur
Wissensvermittlung betreibt, sondern auch Teamarbeit
fördern will, gehört heute zum Standard. Dennoch spielt
das Thema Projektwoche nur bei Anne Fine eine wirklich
bedeutsame Rolle – zum Beispiel in „Das Oma-Projekt“,
in dem aus der Sicht der SchülerInnen erzählt wird.
Ein auf anderer Ebene rauh-ironischer Ton herrscht
in „Das Baby-Projekt“ vor, diesmal jedoch zwischen Lehrer Cartright und dem Rest der Schule. Er muss sich mit
der 10c herumärgern, in der sämtliche Versager versammelt sind. Er hat die undankbare Aufgabe, ihnen statt
spannender naturwissenschaftlicher Experimente eine
Sozialstudie als Projektthema schmackhaft zu machen.
Die 19 Schüler sollen drei Wochen lang einen drei Kilo
schweren Mehlsack herumtragen und wie ein Baby behandeln. Ein vom Schulleiter vorgeschlagener Versuch,
dem Lehrer Cartright mit großer Skepsis gegenübersteht.
Niemand in der 10c könnte auch nur einen Stein betreuen, ohne
ihn kaputtzuschlagen. (Fine 22)
Lehrer Cartright, dank seiner ausladenden Hüften
Old Carthorse genannt, ist der Unterhalter dieser Truppe,
er bewältigt diese undankbare Aufgabe mit zuweilen zynischer Ironie. Ein Ton, mit dem die Schüler jedoch gut
umgehen können. Trotz des Frusts darüber, dass ausgerechnet er den „Psychopathenhaufen“ als Klassenlehrer
übernehmen musste und auch noch eines der merkwürdigen Projekte des Schulleiters durchziehen muss, bleibt
er aber den Schülern wohlgesonnen. Als das Experiment
aus dem Ruder läuft, schlägt er ein vorzeitiges Ende vor.
Mr. Cartright hatte nie behauptet, ein geduldiger Mensch zu sein.
Und in diesem Augenblick entschied er, dass es ihm reichte.
Schließlich lag noch fast ein ganzes Jahr vor ihm (…) Bislang
hatte Mr. Cartright noch nicht viel davon gemerkt, dass es ihm
irgendwie gedankt würde, die 10c zu unterrichten. (Fine 123)
Während Mr. Cartright mit den sozialen Realitäten vertraut ist und seine schroffe Art sein ganz persönlicher Umgang damit ist, ist Schulleiter Feltham ein Idealist ohne
Bodenhaftung. Zwei Auffassungen der Lehrertätigkeit,
die sich in einem Dialog über die ersten Ergebnisse des
Baby-Projekts zuspitzen und beide Positionen schon über
ihre Sprache deutlich machen.
„(…) Drückt sich die meiste Zeit in den Toiletten herum, die andere Hälfte schlappt er durch die Gegend und tut so, als hätte er
nicht alle Tassen im Schrank.“
Dr. Feltham konnte sich nicht enthalten, seinen Kollegen für dessen unprofessionelle Ausdrucksweise zu tadeln. „Du meinst wohl,
Eric, er hat noch nicht sein volles geistiges Potential entfaltet.“
„Sag’ ich doch“, beharrte Mr. Cartright. „Läuft herum und benimmt sich wie ein Schwachsinniger.“ (ebd. 69)
Diese persönliche Seite der Lehrer zeigt sich noch ausgeprägter in den Situationen, in denen das strenge Klammern an Lehrpläne und Unterrichtseinheiten nichts mehr
nützt, sondern Schulstoff nahtlos in Freizeit übergeht.
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Der menschliche Typ: Der Klassenfahrt-Lehrer
Wenn Lehrer wieder zu Menschen werden, dann auf der
Klassenfahrt. Die Mischung aus Internatsstimmung für
Regelschüler und Urlaub mit Weisungsbefugten ist nicht
nur ein gern genutztes Sujet für Streichgeschichten, sondern auch eine Art Gruppentherapie. Der Fokus liegt auf
den zwischenmenschlichen Beziehungen, und vor denen
sind auch die Lehrer nicht gefeit. Eine der verstörendsten
Klassenfahrtgeschichten ist noch immer Dagmar Chidolues „Magic Müller“. Die Klasse wird auf ihrer Italienreise begleitet von „Dottore“ Dr. Wissmer und Bea, der Französischlehrerin. Eine Konstellation, die dank der großen
persönlichen Unterschiede nicht in einer Liebelei endet.
Während Dr. Wissmer als Organisator und Hauptverantwortlicher entsprechend autoritär auftritt, ohne ernst genommen zu werden, ist Beas Rolle eher die einer älteren
Schwester, zumindest für die Schülerinnen. Ihr Verhalten
pendelt zwischen Aufsichtsperson und Verbündeter hin
und her. Während die Schülerinnen in einer italienischen
Disco und später mit den Jungs einer anderen Schulklasse flirten, wird sie bei ihren Bemühungen um einen Angestellten der Bungalowanlage genauestens beobachtet.
Der Capitano war mit Bea beschäftigt. Wenn ich mich recht erinnere, hielten sie unter dem Tisch Händchen. (Chidolue 90)
Wenig später ist es Bea, die bei einem gemeinsamen Museumsbesuch mit einer Einladung zum Abendessen vom
Chef der Museumswärter dasteht – und zusagt.
Die Klassenfahrt relativiert den Abstand zwischen
der Autoritätsperson und ihren Schutzbefohlenen. Innerhalb eines Rahmens, dem festgelegten Reiseprogramm,
bewegen sich Schüler und Lehrer nahezu gleichberechtigt, Weisungen werden grundsätzlich ignoriert. In einer
außerschulischen Umgebung ist der Lehrer seines natürlichen Lebensraums beraubt – es gelten die Gesetze des
Stärkeren. Zumal sich den Schülern auch die menschlichen Schwächen ungeschminkt offenbaren.
Dottore sprach ein grundsätzliches Verbot aus, nicht, um die
Cloppenburger zu schützen, sondern weil er das Massaker im
Dunkeln nicht richtig beaufsichtigen konnte.
Dr. Wissmers Verbote aber reizten uns nur, dieselbigen zu übertreten, und es war ein leichtes, die phantasielosen Cloppenburger zu dem Unternehmen zu überreden.
Dottore stand dann später auf halbem Wege zum Meer mit Fernrohr bewaffnet an den Felsen gelehnt und hatte sicherlich auch
seine helle Freude an dem Treiben, zumal sich das vorgesehene
Nachtbaden als Nacktbaden entpuppte. (Chidolue 107)
Aber nicht nur auf der Klassenfahrt erhalten die Schüler
einen Blick hinter die Maske des Lehrers. Der gelingt
auch, wenn Schüler und Lehrer räumlich und zeitlich
enger aufeinander rücken.
Der 24-Stunden-Typ: Der Lehrer im Internat
Als Gesellschaft in der Gesellschaft präsentiert sich das
Internat. Der Verhaltenskodex der Schüler trifft hier nach
Schulschluss eben nicht auf die reale Welt, sondern bleibt
innerhalb der Mauern des Internats, in dem eigene Gesetze gelten. Die Verortung in einer abgeschieden gelegenen
Burg oder einem Schloss hat schon in der englischen Internatsliteratur Tradition. Wenngleich nicht alle Gebäude
es mit der verwinkelten Schönheit und den magischen
Geheimnissen von Hogwarts aufnehmen können. Eher
wie eine biedere Fertigburg wirkt da ein trivialliterarischer
Dauerseller, die „Burg Schreckenstein“ von Oliver
Hassencamp. Eine Gruppe archetypischer Schüler, der
Schlaue, der Sportliche und der Schlagfertige, bilden eine
sich selbst legitimierende Gruppe innerhalb der Schülerschaft. Ihnen gegenüber stehen die Lehrer, die nach dem
Umzug der Schule in die Burg und dem damit einhergehenden Schritt von der städtischen Regelschule in ein
Internat neue Herausforderungen bewältigen müssen.
(…) die Mehrheit aber war mit der Anlage eines Sportplatzes beschäftigt, unter Sportlehrer Rolles fachkundiger Anleitung. Überhaupt entwickelten die Lehrer Eigenschaften, die keiner in ihnen
vermutet hätte.
„Unser Lehrkörper ist begabter, als er im Unterricht erkennen
lässt!“, witzelte Klaus.
Von einer neuen Seite zeigte sich auch der Rex. (Hassencamp 16)
Das Prinzip dieser Internatsgeschichte, zu der auch das
am See gegenüber liegenden Mädcheninternat Schloss
Rosenfels gehört, findet sich – von der Figurenkonstellation bis hin zu der Parallelisierung verschiedener Erzählstränge, einer Abenteuer-, einer Slapstick- und einer Liebesgeschichte – auch nach Jahrzehnten nahezu unverändert in anderen Medien wieder, wie die TV-Kinderserie
„Schloss Einstein“ und ihre Tie-ins zeigt. Leicht modernisiert und koedukativ ausgerichtet gelten für die Einsteinianer die gleichen Rahmenbedingungen.
In Abwesenheit der Eltern übernehmen vor allem die väterlichen
Figuren Pasulke und Direktor Stollberg Ratgeberfunktion und
setzen dabei getreu dem Schülerselbstverwaltungsprinzip des Internats ganz auf partnerschaftliche Beziehungen zu den Kindern
und vertrauen auf deren Fähigkeit zur Selbstverantwortung. (…)
Trotz der Autonomie, Entscheidungsgewalt und Mitspracherechte der Kinder werden auch bei „Schloss Einstein“ die Grenzen des
Freiraums, innerhalb dessen sich die Kinder selbstbestimmt
bewegen, von Erwachsenen festgelegt.“ (Hitzel 121f.)
Den Schüler-Archetypen stehen hier wie dort LehrerArchetypen gegenüber. Als Handlungsträger müssen sie
ebenso Konfliktpotential bergen wie die Schüler.
Auch die Lehrkräfte und Betreuer auf Schloss Einstein stellen
Typen dar: Der wohlwollende und verständnisvolle Internatsdirektor Dr. Stollberg, der autoritäre, pedantische und langweilige Geschichtslehrer Dr. Wolfert sowie die strenge, aber gerechte
Mathematiklehrerin Frau Gallwitz. (…) Eine besondere Stellung
nimmt der humorvolle Hausmeister Pasulke ein, der „gute Geist“
von „Schloss Einstein“. (Hitzel 121f )
Selbst auf Hogwarts hat dieses Modell seine Entsprechung. Der Rektor des Internats für Zauberschüler, Albus
Dumbledore, ist ein väterlicher Freund und als mächtigster Zauberer der weißmagischen Welt eine eindeutig positive Figur. Quirrell ist der zerstreute Professor mit wenig
ausgeprägten didaktischen Fähigkeiten, Severus Snape
ein eher abweisender und unangenehmer Lehrer, der jedoch das Vertrauen von Dumbledore genießt.
Irgendwann, wenn die Schlüsselqulifikation
Lesen vermittelt ist, weicht die Spannung
einer lähmenden Langeweile …
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Nicht anders in Erich Kästners Kinderroman „Das fliegende Klassenzimmer“. Rundweg negativ gezeichnete
Lehrer gibt es nicht, selbst der strenge Professor Kreuzkamm – Sie hatten immer ein bisschen Angst vor ihm. Er konnte nämlich nicht lachen. (Kästner 104f ) – besitzt einen trockenen Humor und Selbstironie, die zumindest die Schüler
zum Lachen bringt. Dr. Bökh wiederum ist ein wahrer Kinderfreund, der dem armen Schüler Martin zu Weihnachten das Fahrtgeld schenkt und das Internatsregelwerk
gerne im Sinne der Schüler interpretiert.
Für sie alle gilt, dass sie als Lehrer im Internat kaum
Privatleben besitzen. Ihr besonderes Verhältnis zu ihren
Schülern kettet sie an ihre Lehrerrolle. Dr. Bökh hat mit
seinen Kindern so viel zu tun, dass für Familie keine Zeit
bleibt. Während er Martin also aus der befürchteten Einsamkeit, als einziger über Weihnachten im Internat bleiben zu müssen, erlöst, verbringt er die Tage mit schulischen Problemfällen und seinem wieder aufgetauchten
alten Freund Robert, den er zu allem Überfluss auch
gleich noch zum Schularzt gemacht hat.
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Der überforderte Typ: Der Gymnasiallehrer
Während in den Grundschul- und Internatsgeschichten
die jovial-freundlichen Lehrer den Ton angeben, wandelt
sich das Bild in den Romanen für Jugendliche deutlich. In
der Oberstufe oder den Mittelstufen der so genannten sozialen Brennpunkte herrscht Überforderung und pädagogischer Unverstand. Aus der Macht der Lehrer ist Ohnmacht geworden.
Die nun gerade für Kinderbuchautoren so wichtige
Schlüsselqualifikation des Lesens ist vermittelt, das zu
Beginn Spannende am Schulsystem weicht einer lähmenden Langeweile, die immer mehr Raum lässt für die
Konflikte untereinander.
In den Erzählungen und Romanen, die sich an ein jugendliches
Leserpublikum wenden, kommen positive pädagogische Modelle und heitere Seiten des Schullebens nur noch in Ausnahmesituationen vor. Ganz signifikant überwiegen hier die problemorientierten Bücher. Offensichtlich gelingt es der Institution
Schule in der Wahrnehmung der Autorinnen und Autoren bis heute nicht, ihre gesellschaftlichen Funktionen so zu verwirklichen,
dass die pädagogischen Prozesse optimal ablaufen und dass das
Zusammenleben der verschiedenen Gruppen von Zwang, Macht
und Abhängigkeit frei ist.“ (Payrhuber 714)
Gerade Zwang, Macht und Abhängigkeit sind die Auslöser
für Mobbing und Gewalt. Nicht dass diese Themen in den
zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschienenen Romanen
nicht auch thematisiert worden wären, aber es hat doch
eine entscheidende Verschiebung stattgefunden.
Neu ist, dass das Phänomen Gewalt sich überwiegend auf die
Ebene der Schüler verlagert hat, weil deren Gewaltbereitschaft
wie tatsächliches Gewaltverhalten in gravierendem Ausmaß zugenommen haben. (Payrhuber 717)
Waren die damaligen Lehrer also eher Täter, weil sie mit
Repression und Willkür strenge Erziehungsprinzipien
durchzusetzen hatten oder sich in ihrer gottgefälligen
Rolle ausleben wollten wie bei Torberg, sind sie mittlerweile zum ohnmächtigen Beobachter geworden. Sie erscheinen oft als überforderte und von Reibereien ermüdete Menschen, die den ihnen gegenübersitzenden Schülern nicht mehr gewachsen sind. Ihre Möglichkeiten, sich
gegen Provokationen durchzusetzen, sind eingeschränkt.
Was sie tun, erweist sich oftmals als kontraproduktiv.
In Romanen über Gewalttaten wie Kirsten Boies „Erwachsene reden. Marco hat was getan“ oder Morton Rhues
„Ich knall euch ab!“, die beide mit dem Mittel fiktiver
Interviewaufzeichungen arbeiten, gehen die Autoren
sogar noch weiter. Nicht nur Ohnmacht, sondern krasse
Fehleinschätzungen ihrer Schüler und ängstliches ZurSeite-Blicken sorgen mit dafür, dass aus scheinbar unauffälligen Jugendlichen brutale Mörder werden.
So weit muss es nicht gehen. In Martina Dierks
Roman „Angelbride“ ist es die Kunstlehrerin Marga Kaulbach, die durch ihr Verhalten einen in der Klasse schwelenden Konflikt nur weiter verschärft, weil sie Ursache
und Wirkung nicht erkennt.
Marga Kaulbach streifte Vanessa mit einem kalten flüchtigen
Blick, sie presste das Klassenbuch unter die Achsel und ging schweigend zur Tafel. Ihr ausgebeulter Lederrucksack baumelte an ihrer
Hüfte, sie schleuderte ihn auf den Tisch. Heute trug sie einen knöchellangen Seidenrock in Dunkelgrün zu flachen robusten Wanderstiefeln und Ohrringe mit klappernden braunen Holzperlen.
„Öko-Schlampe“, zischte Vanessa leise, bevor sie sich setzte.
(Dierks 33)
Ähnlich handelt die Lehrerin Frau Römer in Kirsten Boies
Roman „Nicht Chicago. Nicht hier.“ Trotz Niklas Signalen
beharrt sie auf ihrem einmal eingeschlagenen pädagogischen Weg, den in ihren Augen benachteiligten Schüler
Karl unbedingt zu integrieren, und zwar als Niklas’ Banknachbar und in gemeinsamen Gruppenarbeiten.
„Ich habe ja von Anfang an diese übermäßige irrationale Abneigung bei Niklas gespürt. Von Anfang an hat er Karl keine Chance gegeben.“ (Boie 114)
Diese Abneigung galt es auszumerzen, damit auch ein
sozialer Lernerfolg eintritt.
Die Figur des überforderten Lehrers ist schon zum
Standard geworden. Beinahe hat ein Rollentausch stattgefunden. Nicht mehr die Schüler leiden unter den Lehrern, sondern die Lehrer unter den Schülern – statt des
Selbstmordes des Schülers Gerber wäre heute der Selbstmord eines Lehrers beinahe plausibler. Die Gründe dafür
liegen auf der Hand: Die Funktion von Schule als „Lernort“ ist in den Hintergrund getreten, sie ist viel mehr zur
Bühne für soziale Konfliktmodelle geworden.
Primärliteratur
Boie, Kirsten: Erwachsene reden. Marco hat was getan. Oetinger 1994
Boie, Kirsten: Nicht Chicago. Nicht hier. Oetinger 1999
Chidolue, Dagmar: Magic Müller. Dressler 1992
Dahl, Roald: Matilda. Wunderlich 1989
Dierks, Martina: Angelbride. Altberliner Verlag 2003
Dietl, Erhard: Die Olchis fliegen zur Schule. Oetinger 1997
Fine, Anne: Das Baby-Projekt. Diogenes 1995
Fine, Anne: Das Oma-Projekt. Diogenes 1990
Fine, Anne : Der Schreibkünstler. Diogenes 2001
Frapan, Ilse: Hamburger Bilder für Kinder. Verlag von Otto Meissner 1899
Hassencamp, Oliver: Die Jungen von Burg Schreckenstein. C. Bertelsmann
2001/Original 1959
Lindgren, Astrid: Ich will auch in die Schule gehen. Oetinger 2001/Text 1964
Orths, Markus: Lehrerzimmer. Schöffling & Co. 2003
Rhue, Morton: Ich knall euch ab! Ravensburger 2002
Rowling, Joanne K.: Harry Potter und der Stein der Weisen. Carlsen 1998
Schneider, Liane/Eva Wenzel-Bürger (Illu.) Conni kommt in die Schule.
Carlsen 2002
Spyri, Johanna: Heidi. Droemersche Verlagsanstalt 1950 (zit. nach Gesamtausgabe)/Original: Heidi kann brauchen, was es gelernt hat. Gotha 1881
Torberg, Friedrich: Der Schüler Gerber hat absolviert. Paul Zsolnay Verlag
1930 / Überarbeitung unter dem Titel: Der Schüler Gerber 1954
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Sekundärliteratur
Payrhuber, Franz-Josef: Schule als Thema der Kinder- und Jugendliteratur.
In: Lange, Günter (Hrsg.): Taschenbuch der Kinder- und Jugendliteratur.
Band 2. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2000, S. 706 –
726
Hitzel, Stefan: „Schloss Einstein“ – eine Fernsehserie für Kinder und deren
Verbuchung. In: Ewers, Hans-Heino (Hrsg.): Lesen zwischen Neuen Medien
und Pop-Kultur. Weinheim, München: Juventa 2002, S. 115 – 138
Ralf Schweikart lebt als freier Journalist in Hamburg. In „1000 und 1 Buch“
erschien zuletzt von ihm: Verliebte Jungs. Jugendliteratur über Homosexualität, in: 1000 und 1 Buch 1|03.
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Zum Abschluss die Lehrerkonferenz
Haben sich also die Lehrertypen in der historischen Betrachtung grundlegend verändert? Nein. Abgesehen von
der letzten Typologisierung, die eine neuartige Gruppe
darstellt, haben sich die Lehrertypen nur der allgemeinen
Liberalisierung angepasst. In den Grundzügen sind sie
unverändert. Demzufolge ist die pauschale Aussage
In der Literatur, die sich unmittelbar an Kinder- und Jugendliche
wendet, ist die Schule nach wie vor ein Thema, und zwar nicht
nur als Geschehenshintergrund oder Nebenhandlung, sondern als
eigentlicher Handlungsort. (…) Es führt dabei allerdings keine
direkte Linie von den Schulgeschichten der Vergangenheit zu
denen der Gegenwart. (Payrhuber 708)
auch nicht zutreffend. Denn noch immer ist die Schule in
der Literatur ein gesellschaftlicher Mikrokosmos, in dem
verschiedene Weltanschauungen aufeinander prallen
und in dem Erwachsene vorleben, was Heranwachsende
erreichen sollen. Die Atmosphäre ist aber eine andere,
so wie die gesamtgesellschaftliche Atmosphäre eine
andere ist.
Den Kinder- und Jugendbüchern gemein ist, dass Schule
ein Ort des Gemeinschaftserlebens ist. Diese positive
Erfahrung verändert sich im Roman für Jugendliche.
Durch die stärker ausgeprägten Bindungen innerhalb der
Peer-Group, aus der sich nicht selten Fronten gegen andere Gruppen und gegen Lehrer entwickeln, strebt mehr
und mehr das Konflikthaftige an die Oberfläche der Geschichten. Mobbing, Gewalt, Abgrenzung sind häufig
wiederkehrende Themen, die alles andere als einen harmonischen Ort des gemeinsamen Lernens implizieren.
Davon ist die Darstellung der Lehrer stark betroffen. Aber
wo die Pädagogik keine erfolgreichen Konzepte aus dem
Ärmel schütteln kann, bleibt auch der Literatur nicht viel
mehr, als einen traurigen Ist-Zustand zu beschreiben.
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Am Ende aber verlassen die SchülerInnen die Schule – die LehrerInnen
jedoch müssen bleiben. Lebenslänglich.
Foto: Maturajahrgang 1985 am Gymnasium Freistadt, Oberösterreich