Sondes Bauer: Hang zur - ANKA

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Sondes Bauer: Hang zur - ANKA
WER WIR SIND
Sondes Bauer: Hang zur
Kann eine Forschungsanlage geführt werden wie ein Haushalt? Ja – wenn sich
ausgeprägter Ordnungssinn und außergewöhnliches wissenschaftliches Talent in
einer Person vereinen, dann kann es auch in einer hochkomplexen Anlage wie dem
„NANO“-Strahlrohr bei ANKA zugehen wie in einer straff geführten Großfamilie.
„Ich liebe es einfach“, sagt Dr. Sondes Bauer, „wenn hier Wissenschaftler zu Besuch
sind, und die sagen, dass sie selten in einer so gepflegten und strukturierten Anlage
waren.“ Wer dann noch den perfekt gebrühten Espresso der gebürtigen Tunesierin
probieren durfte, weiß: Diese Frau strebt nach Perfektion – egal was sie macht.
24 · K IT-D ialog · 02/2012
WER WIR SIND
Meisterorganisatorin
Und sie macht viel. Zunächst einmal ist Sondes
Bauer Physikerin, Herz und Hirn des „NANO“Strahlrohrs an der Synchrotronstrahlungsquelle
ANKA. „Ich sorge für den geordneten Ablauf, koordiniere das Team, schnüre die Arbeitspakete für die
einzelnen Mitarbeiter, das sind zwei Techniker, ein
Azubi und ein weiterer Wissenschaftler“, erzählt die
Scattering-Gruppenleiterin, deren berufliches Leben
sich bis auf Dienstreisen komplett in der ANKA-Halle
am Campus Nord abspielt. „Im Büro sitze ich nie“.
Darüber hinaus entwickelt die Wissenschaftlerin
ständig Verbesserungen an der Großforschungsanlage. „Wir werden alle vier Jahre evaluiert, da
müssen wir mit Innovationen aufwarten, die uns
unverzichtbar im Kreise der verschiedenen Anlagen
in Deutschland machen. Deshalb versuchen wir,
innerhalb der Forschung Trends zu setzen.“ Dass
heute in ANKA durch doppelte Strahlrohre zwei Nutzer gleichzeitig arbeiten können, geht auf eine Idee
von Sondes Bauer zurück. Auch die Verwendung
von separaten Spiegeln und anderen Elementen, die
jeweils genau eine Funktion erfüllen und dafür jedoch optimal sind, erlauben eine genaue Bündelung
des Strahls, so wie es für das jeweilige Experiment
bestens geeignet ist. Auch diese Idee erwies sich als
vorausschauend und wird inzwischen gerne genutzt
und sehr geschätzt.
Insgesamt gelang es der umtriebigen Projektleiterin
in den letzten fünf Jahren rund zehn Millionen Euro
an Drittmitteln und Investitionen für ANKA auf
verschiedenen Wegen einzuwerben. Das Interesse
der Industrie an Erkenntnissen, die so präzise nur
ANKA liefern kann, wächst. So wird momentan auf
einer Probe die kristalline Struktur für Galliumnitrid
untersucht, das für die Herstellung von LED-Lampen
unverzichtbar ist. „Je perfekter das Galliumnitrid,
desto dünner die Beschichtung und desto geringer
der Preis“, erklärt Sondes Bauer. Der Stoff wird in
der Optoelektronik insbesondere für farbige Leuchtdioden eingesetzt. „Er könnte also später auch mal
in großem Stil zum Beispiel für Ampeln nützlich
sein.“
Dass die Forschung in der Anlage längst nicht so
reibungslos und effektiv ablaufen würde, wenn nicht
alles penibel dokumentiert und gekennzeichnet
wäre, steht für die Wissenschaftlerin außer Frage.
„Hier wird niemand ein Kabel finden, das nicht
beschriftet ist. Kein überflüssiges Teil liegt herum, alles hat seinen Platz.“ ANKA konnte nichts Besseres
passieren als Sondes Bauer, doch sie weiß um den
Preis: „Ich bin immer Ansprechpartnerin und erste
Adresse, wenn etwas nicht läuft. Das ist eine Riesenverantwortung und lässt sich auch am Wochenende
nicht ganz abstreifen.“ Deshalb wünscht sie sich
nichts so sehr wie personelle Unterstützung. „Ich
hatte einen wunderbaren Kollegen, der gegangen
ist, weil er die Arbeit hier einfach nicht mit seinem
Familienleben vereinbaren konnte. Das war sehr
traurig für mich.“
Dennoch genießt Sondes Bauer ihre Freizeit. „Ich
schöpfe Kraft und Energie in meinem Haus in Walzbachtal“, erzählt sie. „Ich habe als Stipendiatin aus
Tunesien in kleinsten Zimmerchen in Paris gelebt,
als ich dort studiert und promoviert habe.“ Danach
ging es für die quirlige Wissenschaftlerin von 2003
bis 2005 für zwei Jahre nach Dresden, bevor sie gemeinsam mit ihrem Mann nach Karlsruhe kam. „Da
wollte ich nur noch eins – Platz haben, durchatmen
können.“ Doch Sondes Bauer wäre nicht sie selbst,
wenn nicht auch in ihrem Haus nichts dem Zufall
MIT FINGERSPITZENGEFÜHL: Sondes Bauer positioniert
eine Probe am Strahlrohr
überlassen wäre. Da passen die Vorhänge zur Dunstabzugshaube in der Küche – alles in Aubergine, kein
Paar Schuhe stört den Besucher im Eingangsbereich,
die Dekoration ist perfekt auf das Interieur abgestimmt. Woher die Wissenschaftlerin den Hang zur
Meisterorganisatorin hat, weiß sie auch: „Ein Blick
in den Schrank meiner Mutter in Tunesien, und ich
wusste, was perfekte Organisation ist!“
Text: Domenica Riecker-Schwörer
Fotos: Sandra Göttisheim
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