Rineke Dijkstra (* 1959 in Sittard, NL)
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Rineke Dijkstra (* 1959 in Sittard, NL)
Rineke Dijkstra (* 1959 in Sittard, NL) Annemiek, 1997 1-Kanal-Video, Farbe, Ton Edition 1/10 (+ 2 a.p.) 4’ Courtesy Sammlung Goetz In Annemiek singt ein junges Mädchen Playback zu einem Lied der „Backstreet Boys“. Der Popsong handelt von der Sehnsucht nach Liebe; in der Mimik des Mädchens spiegelt sich der Versuch, diesen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. In den Refrain „I wanna be with you, it’s crazy but it’s true“ scheint Annemiek – bei aller Schüchternheit – ihr ganzes Repertoire an Sehnsüchten und Erwartungen hineinzulegen. Rineke Dijkstra gelingt es, über das dokumentarische Gegenüber der statischen Kamera die Verwundbarkeit des Mädchens einzufangen. Sie führt sie nicht vor; es ist anrührend, Annemieks Verlegenheit und Unsicherheit, aber auch ihren Mut mitzuerleben. Dijkstra geht in ihren Arbeiten häufig der Frage nach, wie sich Identität konstruiert, was uns also zu der Person macht, die wir sind. Meistens präsentieren sich Menschen vor einer Kamera so, wie sie glauben, dass es von ihnen erwartet wird. Auch Annemiek versucht sich an einer Selbstinszenierung; mitten im Prozess der Identitätsbildung fehlt ihr allerdings noch der schützende Panzer aus eingeübten Gesten und Handlungsmustern. Rineke Dijkstra (* 1959 in Sittard, NL) Annemiek, 1997 Single-channel video, color, sound Edition 1/10 (+ 2 a.p.) 4’ Courtesy Goetz Collection In Annemiek, a young girl sings playback to a song by the “Backstreet Boys”. The pop song is about the longing for love; the girl’s gestures reflect her attempt to lend expression to these feelings. Annemiek seems — despite her shyness — to put her entire repertoire of desire and expectation into the refrain, “I wanna be with you, it’s crazy but it’s true”. Through her use of the documentary frontal view of a stationary camera, Rineke Dijkstra succeeds in capturing the girl’s vulnerability. Yet, she does not exploit this; it is touching to feel Annemiek’s embarrassment and insecurity, as well as her courage. In her works, Dijkstra often explores the question of how identity is constructed, i.e. what makes us who we are. People usually present themselves before the camera as they think others expect them to be. Annemiek also makes an attempt at self-staging; in the middle of the process of creating an identity for herself, however, she finds herself still lacking the protective armor of practiced gestures and action patterns. Tracey Moffatt (* 1960 in Brisbane, AUS) Nice Coloured Girls, 1987 [Nette farbige Mädchen] 1-Kanal-Video, Farbe, Ton unlimitierte Auflage 17’ 05” Courtesy Sammlung Goetz In Nice Coloured Girls treffen drei australische Aborigine-Frauen auf einen betrunkenen Weißen, den „Captain“. Sie essen, trinken und amüsieren sich auf seine Kosten, um ihm am Ende das Portemonnaie zu stehlen und zu verschwinden. Sie sind die Akteurinnen, die den Mann zum Objekt herabwürdigen. Tracey Moffatts Video ist der Gegenentwurf zu einem Paradox, das die feministische Filmtheorie behandelt: Obwohl Frauen in Filmen omnipräsent sind, haben sie selten handlungsbestimmende Rollen. Moffatt kehrt die Geschlechterklischees um und führt damit die filmischen Mittel zur Darstellung von Machtverhältnissen vor. Im Verhältnis der schwarzen Frauen zu den weißen Männern thematisiert sie außerdem koloniale Stereotype. Dementsprechend gibt es zwei Erzählebenen: Eine männliche Stimme aus dem Off berichtet aus der exotisierenden Perspektive der Kolonialherren im 18. Jahrhundert; die Untertitel dagegen erläutern das aktuelle Geschehen aus Sicht der Frauen, die sich mit ihren Tricks über Rollenmuster und Unterwerfung erheben. Tracey Moffatt (* 1960 in Brisbane, AUS) Nice Coloured Girls, 1987 Single-channel video, color, sound unlimited edition 17’ 05” Courtesy Goetz Collection In Nice Coloured Girls, three Australian Aborigine women ‘snag’ a drunken white man, their “captain”. They eat, drink and amuse themselves at his expense only to steal his wallet in the end and disappear in a taxi. They are actors who degrade the man to an object. Tracey Moffatt’s video is a counterpoint to a paradox addressed in feminist film theory: Although women are ubiquitous in movies, they occupy determining roles far less often than do men. Moffatt reverses the gender clichés, thereby exhibiting the cinematic techniques employed to represent power relations. In her exploration of the relationship of the black women to the white man, Moffatt also explores colonial stereotypes. Accordingly, the work has two narratives: A male voice from the off reports from the exoticizing perspective of the 18th century colonial male, while the subtitles, in contrast, describe the events from the perspective of the women, who rise up against such gender stereotypes by manipulating these and feigning submission. Tracey Moffatt (* 1960 in Brisbane, AUS) Lip, 1999 1-Kanal-Video, Farbe, Ton unlimitierte Auflage 9’ 55” Courtesy Sammlung Goetz Die Videocollage Lip schuf Tracey Moffatt gemeinsam mit Gary Hillberg; sie reihten Szenen aus Hollywoodproduktionen aneinander, in denen die stereotype Darstellung von farbigen oder schwarzen Frauen als Dienstmädchen deutlich wird. Die Hausangestellte tritt entweder aufmerksam und unterwürfig, oder nachlässig und aufsässig auf – der Titel des Videos bezieht sich auf den Ausdruck „to give lip“, pampige Antworten geben. Durch die pointierte Montage wird die unangemessen eindimensionale Auffassung der Charaktere vorgeführt. Außerdem verkehren sich die Verhältnisse: Die Szenen waren ursprünglich als komische Einlagen gedacht, nun werden die Nebenfiguren zu Hauptakteuren. Wenngleich es in den späten 1990er Jahren immer mehr schwarze Autorinnen gibt, die sich mit allen Belangen schwarzer Kultur auseinander setzen, sind sie im Hollywood-Kino nach wie vor rar; und so bleiben schwarze Frauen oft auf komischen Rollen, „Mammies“ oder Prostituierte beschränkt. Tracey Moffatt (* 1960 in Brisbane, AUS) Lip, 1999 Single-channel video, color, sound unlimited edition 9’ 55” Courtesy Goetz Collection Tracey Moffatt created the video collage Lip together with Gary Hillberg; the artists strung together scenes from Hollywood productions in which the stereotypical portrayal of colored or black women as servants is clearly apparent. In the role of ‘the help’, these women appear as either attentive and submissive or as negligent and insubordinate — the video’s title refers to the expression “to give lip”, i.e. to be impertinent. The film’s pointed editing exposes the unreasonable one-dimensional view of the characters. Moreover, the relationships are reversed: such scenes were originally intended as comic reliefs, but here the minor characters play the lead roles. Although by the late 1990s there were more and more black women writers who explored all aspects of black culture, in Hollywood they were still rare and roles for black women were often limited to comic ones, such as “mammies” or prostitutes. Rosemarie Trockel (* 1952 in Schwerte) Fan 1-6, 2000 1-Kanal-Video, S/W, Ton Edition 2/10 11’ 48” Courtesy Sammlung Goetz Rosemarie Trockels Fan 1-6 widmet sich dem Verehrungskult um Brigitte Bardot. Die aneinandergereihten Szenen porträtieren die Schauspielerin und erotische Ikone sowohl direkt als auch indirekt und zeigen ihre Widersprüchlichkeit. Verschiedene Frauen schlüpfen in die Rolle der Bardot – dramatisch geschminkt, als Kindfrau, als Tierschützerin oder Verführerin; großen Raum nimmt der Song „Mr. Sun“ von 1968 ein, in dem sie „Herrn“ Sonne besingt und bittet, bei ihr zu bleiben, während die Kamera fast lasziv um einen Herd der Marke „Heiliger“ kreist. Die Bardot ist für Trockel der Inbegriff eines medial aufgebauten Weiblichkeitsmusters, das die gesamte Frauenwelt prägt(e). „Sie besitzt die Eigenschaft, als Modell für alles mögliche zu funktionieren“, sagt Trockel über die schier unbegrenzten Vorstellungen, die auf diese Figur projiziert werden. Für Trockel ist die Bardot in ihrer Widersprüchlichkeit Bertolt Brechts Mutter Courage ähnlich – beide haben die Frauenfigur, die sie verkörperten, und den Mythos, den sie damit bedienten, zugleich auch unterlaufen und zerstört. Rosemarie Trockel (* 1952 in Schwerte, D) Fan 1-6, 2000 Single-channel video, b/w, sound Edition 2/10 11’ 48” Courtesy Goetz Collection Rosemarie Trockel’s Fan 1-6 examines the veneration cult surrounding Brigitte Bardot. The series of scenes depict the actress and erotic icon both directly and indirectly and reveal her contradictions. Several women step into the role of Brigitte Bardot — dramatically made up or as a child-woman, as an animal rights activist or seductress; great attention is paid to the song “Mr. Sun” from 1968; Bardot sings to “Mr.” Sun and asks him to stay with her a while, while the camera almost lasciviously pans around a “Heiliger” [Saint] brand stove. For Trockel, Bardot is the epitome of a media-constructed female prototype that has influenced the entire female world. “She has this quality of being a model for everything”, says Trockel about Brigitte Bardot and the seemingly limitless ideas that are projected onto this figure. For Trockel, Bardot resembles — in her contradictions — Bertolt Brecht’s Mother Courage — both undermine and destroy the female figure that they represent and the myth that they serve. Rosemarie Trockel (* 1952 in Schwerte) Manus Spleen IV, 2002 1-Kanal-Video, Farbe, Ton Edition 2/10 7’ 55” Courtesy Sammlung Goetz Manus Spleen ist eine fünfteilige Kurzfilmreihe, in der Rosemarie Trockel von den kleinen „Macken“ ihrer Freundin erzählt. In den Filmen I-III ist Manu etwa dabei zu beobachten, wie sie in einem offenen Grab liegt oder auf einer Party einen Luftballon-Babybauch platzen lässt. Im hier gezeigten vierten Teil ist Manu in einer Theaterkulisse als Mutter Courage zu sehen. Sie verkörpert die Frau, die in Bertolt Brechts Stück ihre Kinder durch den Krieg verliert, den sie allerdings selbst fördert und der ihre Existenz sichert. Brechts Lehrstück über den Krieg behandelt Fragen zur Überlebensstrategie und der gesellschaftlichen Situation von Frauen. Auch Trockel zeigt die Widersprüchlichkeit dieser Rolle, und demontiert in ihrem Video feminine und feministische Formeln. Die zwei Brigitte Bardots erinnern an Trockels Fan 1-6, der ebenfalls hier gezeigt wird: So wie die Figur der Mutter Courage ist auch die der Bardot nicht unumstritten und changiert zwischen Gegensätzen. Rosemarie Trockel (* 1952 in Schwerte, D) Manu’s Spleen IV, 2002 Single-channel video, color, sound Edition 2/10 7’ 55” Courtesy Goetz Collection Manu’s Spleen is a five-part series of short films in which Rosemarie Trockel tells about her friend’s little “quirks”. In parts I-III, we observe Manu lying in an open grave or at a party popping her balloon-baby belly. In part IV, we see Manu on a theater set as Mother Courage. She represents the female character in Bertolt Brecht’s play who loses her children to the war, a war that she promotes and that secures her existence. Brecht’s didactic play about war addresses issues of survival strategies and the social status of women. Trockel also illustrates the contradictory nature of this role and dismantles feminine and feminist formulas in her video. The two Brigitte Bardots are reminiscent of Trockel’s Fan 1-6, which is also presented here: like the figure of Mother Courage, Bardot’s is not undisputed and vacillates between extremes. T.J. Wilcox (* 1965 in Seattle, USA) Das Begräbnis der Marlene Dietrich, 1999 1-Kanal-16-mm-Filminstallation, Farbe, Ton Edition 1/5 12’ Courtesy Sammlung Goetz T.J. Wilcox montiert in seinem Film Stadtaufnahmen aus Paris mit kurzen Sequenzen aus Filmen und Dokumentationen, die eine Erzählerin mit einem Monolog begleitet. Es ist die Illustration von Marlene Dietrichs Fantasien über ihre eigene Begräbnisfeier, wie sie die Diva auf Cocktailparties gern zum besten gab. Realität und Fiktion verschmelzen in den Bildern. Wilcox macht deutlich, dass Film-Ikonen nicht nur als begehrte Objekte des Publikums auftreten, sondern selbst begehrende Subjekte sind. Durch das Nachfilmen von Marlene Dietrichs eigener, unrealisierter Wunschvorstellung entlarvt er die allürenhafte Selbstüberhebung und Mystifikation des Stars. Der Film erinnert gleichzeitig daran, dass Figuren wie Dietrich hauptsächlich medial aufgebaut werden. Die Institution Kino ist mit einem Personenkult verbunden – auf Kosten einer differenzierten Darstellung der jeweiligen Person. Die deutsche und die englische Fassung des Films werden abwechselnd abgespielt. T.J. Wilcox (* 1965 in Seattle, USA) The Funeral of Marlene Dietrich, 1999 Single-channel-16-mm-filminstallation, color, sound Edition 1/5 12’ Courtesy Goetz Collection In his film, T.J. Wilcox mixes scenes of Paris with short sequences from films and documentaries and supplements these with a monologue read by a female narrator. The scenario is an illustration of Marlene Dietrich’s fantasies about her own funeral, about which the diva liked to speak at cocktail parties. Reality and fiction fuse in the images. Wilcox makes clear that movie icons do not just appear as desirable objects, but also are subjects that desire. By re-filming Marlene Dietrich’s own, unrealized wishful thinking, he reveals the star’s alluring self-exaltation and mystification. At the same time, the film also reminds viewers that figures like Dietrich are primarily products of the media. The institution of cinema is associated with a personality cult — at the expense of a differentiated representation of the person. The German and the English version of the film will be screened successively. Cheryl Donegan (* 1962 in New Haven, USA) Untitled (Head), 1993 [ohne Titel, Kopf] 1-Kanal-Video, Farbe, Ton Edition 30 2’ 50” Courtesy Sammlung Goetz In ihrem Video fängt Cheryl Donegan mit dem Mund immer wieder einen Milchstrahl auf, der aus einer Plastikflasche strömt. Er erinnert unter anderem an den Milchstrahl aus einer weiblichen Brust und legt damit sexuelle, psychologische und religiöse Bezüge nahe. Anfangs noch relativ verhalten, wird das Auffangen und wieder Ausspucken der Milch in den Kanister immer wilder und lasziver. Donegan hatte das MilchSpucken schon zuvor als künstlerische „Technik“ für großformatige Wandbilder benutzt. An der Wand schafft sie mit der Milch eine Art Action Painting; Donegan eignet sich die Sprache dieses Macho-Spektakels aus den 1950er Jahren an. Zugleich spielt sie mit dem Thema der weiblichen Unterwerfung und macht daraus einen forschen und ironischen Kommentar. Donegan ist sowohl selbstbestimmtes Subjekt, das vor der Kamera agiert, ohne diese zu beachten, als auch Objekt des Voyeurismus des Betrachters. Ob die Szene als erotisch oder pornographisch interpretiert wird, liegt im Auge – oder, wie der Titel besagt, Kopf – des Betrachters. Cheryl Donegan (* 1962 in New Haven, USA) Untitled (Head), 1993 Single-channel video, color, sound Edition 30 2’ 50” Courtesy Goetz Collection In her video, Cheryl Donegan repeatedly catches in her mouth a milk stream flowing out of a plastic bottle. This stream recalls, among other things, the flow of milk from a woman’s breast, thereby alluding to sexual, psychological and religious references. Initially relatively restrained, this act — catching and then spitting the milk back into the container — becomes wilder and more lascivious. In the past, Donegan used this milk-spitting “technique” for large-scale murals, using milk to create works like action paintings on walls; Donegan appropriates the language of this macho spectacle from the 1950s. At the same time, she plays with the theme of female subjugation and turns it into an object of breezy and ironic commentary. Donegan is both the self-determined subject acting for the camera, which she ignores, as well the object of the viewer’s voyeurism. Whether the scene is interpreted as erotic or pornographic lies in the eye or — as the title suggests — head of the beholder. Mona Hatoum (* 1952 in Beirut, RL) So Much I Want to Say, 1983 [So viel, was ich sagen will] 1-Kanal-Video, S/W, Ton unlimitierte Auflage 4’ 47” Courtesy Sammlung Goetz Die Arbeit von Mona Hatoum basiert auf einer Performance, die im Rahmen von Wiencouver IV mittels einer Liveschaltung von Vancouver nach Wien übertragen wurde. Alle acht Sekunden – bedingt durch die damalige Satelliten-Technik – baut sich das Close-Up vom Gesicht einer Frau zu einem neuen Bild auf. Ihr Mund wird von Männerhänden bedeckt, während die Stimme von Hatoum die Worte So Much I Want to Say wiederholt. Zusätzlich zur Geste des „zum Schweigen bringen“ lassen auch die bruchhafte Bildübertragung und die Tonspur Gedanken an Zensur aufkommen. Bereits zu Beginn der 1970er Jahre begannen eine Reihe feministischer Künstlerinnen wie Ulrike Rosenbach oder VALIE EXPORT mit dem Medium Video zu arbeiten. Video galt als neues und unbelastetes Medium und im Gegensatz zum Film als ideales Medium der Emanzipation. Künstlerinnen konnten sich damit ein eigenes Bild und eine eigene Stimme verschaffen, und so für die Gleichstellung von Frauen in einer männlich dominierten Gesellschaft eintreten. Mona Hatoum (* 1952 in Beirut, RL) So Much I Want to Say, 1983 Single-channel video, b/w, sound Unlimited edition 4’ 47” Courtesy Goetz Collection The work of Mona Hatoum is based on a performance, which, as part of Wiencouver IV, was transmitted via a live feed from Vancouver to Vienna. Every eight seconds — due to the satellite technology at the time — the close-up of a woman’s face developed into a new image. The woman’s mouth is being covered by men’s hands, while Hatoum repeats the words “So Much I Want to Say” from the off. In addition to the “silencing” gesture, the fracture-like image transmission and the soundtrack conjure up thoughts of censorship. In the early 1970s, a number of feminist artists, such as Ulrike Rosenbach or VALIE EXPORT, began to work with the medium of video. Video was regarded as a new and unencumbered art form and, unlike film, as an ideal medium for emancipation. Women, thus, could use it to create their own images and voices, and fight for equality in a male dominated society. Lucy McKenzie & Paulina Olowska (* 1977 in Glasgow, SCO; * 1976 in Danzig, PL) Oblique Composition III, 2003 [Schräge Komposition III] 1-Kanal-Video, Farbe, Ton Edition 9/10 9’ 20” Courtesy Sammlung Goetz Die Videoarbeit Oblique Composition III dokumentiert die Live-Performance Hold the Color von Lucy McKenzie und Paulina Olowska in der Cabinet Gallery in London. Die beiden Künstlerinnen präsentieren sich in einer Bürosituation als berufstätige Frauen, Olowska als Architektin und McKenzie als Künstlerin. Links an der Wand hängt eine Malerei, die die amerikanische Schauspielerin Susan Strasberg zeigt; auf der anderen Seite zeichnet McKenzie ein Porträt von Olowska. Das Büro wird zum Atelier, die Künstlerinnen zu Schaupielerinnen, die vermeintliche Wirklichkeit zu einer Inszenierung. Und so wird auch der künstlerische Schaffensprozess zum klischeehaften Abziehbild. Das Video veranschaulicht gesellschaftliche Rollenbilder und die Selbstinszenierung von Frauen; Olowska beschreibt das Video auch als Hommage an die Freundschaft zwischen Frauen. Lucy McKenzie & Paulina Olowska (* 1977 in Glasgow, SCO; * 1976 in Gdansk, PL) Oblique Composition III, 2003 Single-channel video, color, sound Edition 9/10 9’ 20” Courtesy Goetz Collection The video work Oblique Composition III documents the live performance Hold the Color by Lucy McKenzie and Paulina Olowska staged in the Cabinet Gallery in London. The two artists present themselves as professional women in an office situation; Olowska is an architect and McKenzie an artist. On the wall to the left is a painting that depicts the American actress Susan Strasberg. On the other side of the room McKenzie draws a portrait of Olowska. The office becomes a studio, the artists actresses, and the supposed reality a staging. Thus, the artist’s creative process becomes a cliché decal image. The video demonstrates social roles and the self-promotion of women. Olowska describes the video as a tribute to the friendship between women. Ryan Trecartin (* 1981 in Webster, USA) What’s the Love Making Babies For, 2003 [Wofür macht die Liebe Kinder] 1-Kanal-Video, Farbe, Ton Edition 3/8 (+ 3 a.p.) 21’ 50” Courtesy Sammlung Goetz Ryan Trecartin hat mit seinem Video ein kosmologisches Geschlechter-Drama geschaffen. Es beginnt mit einem Dialog zwischen Girl God und Boy God. Boy God möchte für die Menschen in seinem Herrschaftsgebiet, der Erde, einen Werbefilm drehen, um seinen „Penis-Einfluss“ auszuüben. Das wird ihm verwehrt, da Girl God gerade an 98 neuen Geschlechtern arbeitet, die bis 2084 dazu führen sollen, dass der gesamte Planet „faggy gay“ („tuntig homo“) sein wird. Baby God hingegen ist schon einen Schritt weiter und hat seinen Werbefilm bereits gedreht. Alle Personen im Video treten mit einer gewissen „Allgeschlechtlichkeit“ auf, und sie schaffen sich ihre Identitäten aus einem reichen Fundus an Merkmalen. Trecartin spielt mit dem Begriff des Transgender, mit Zuschreibungen und „Abweichungen“ von den sozial definierten Geschlechterrollen. Ryan Trecartin (* 1981 in Webster, USA) What’s the Love Making Babies For, 2003 Single-channel video, color, sound Edition 3/8 (+ 3 a.p.) 21’ 50” Courtesy Goetz Collection With his video, Ryan Trecartin has created a cosmological sex drama. It begins with a dialogue between Girl God and Boy God. Boy God wants to shoot a promotional film for the people in his territory, the earth, in order to increase his “penis-influence”. Girl God denies him this because she is working on 98 new sexes that, by 2084, will lead to the entire planet’s being “faggy gay”. Baby God, however, is one step ahead and has already filmed his commercial. Everyone in the video possesses a certain “pansexuality”, and they create their identities from a rich pool of features. Trecartin plays with the concept of transgender and with attributions of and “deviations” from socially defined gender roles. Andrea Bowers (* 1965 in Wilmington, USA) Letters to an Army of Three, 2005 [Briefe an die „Armee der Drei”] 1-Kanal-Video, Farbe, Ton Edition 1/5 55’ 36” Courtesy Sammlung Goetz Andrea Bowers greift mit ihrer Videoarbeit ein gesellschaftspolitisches Thema der 1960er-Jahre auf, das Engagement für legale Abtreibung. In Letters to an Army of Three tragen Schauspielerinnen und Schauspieler frontal vor der Kamera sitzend insgesamt 31 Briefe vor. Es handelt sich um historische Briefe von Frauen und Männern, die sich in einer Notlage befanden und die „Army of Three“ um Hilfe beim Abbruch einer Schwangerschaft baten. Die Gruppe bestand aus drei Aktivistinnen, die sich von 1964 bis 1973 in der San Francisco Bay für legale Abtreibung einsetzten und Hilfesuchende mit einer Liste von Ärzten außerhalb der USA unterstützten. Der Bildaufbau mit einfarbigem Hintergrund und Blumenarrangement erinnert an die Porträtmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts; jedes Blumenbukett ist so individuell und unverwechselbar wie es auch die Einzelschicksale sind. Die Aneinanderreihung der Briefe unterstreicht die Tatsache, dass ungewollte Schwangerschaften keine seltenen Ausnahmefälle waren. Andrea Bowers (* 1965 in Wilmington, USA) Letters to an Army of Three, 2005 Single-channel video, color, sound Video: Edition 1/5 55’ 36” Courtesy Goetz Collection In her video, Andrea Bowers addresses a socio-political issue of the 1960s: the commitment to legal abortion. In Letters to an Army of Three actresses and actors sit facing the camera, each reading a letter aloud. These are 31 historic letters from men and women, each of whom was in dire straits and asked the “Army of Three” to help terminate an unwanted pregnancy. The group, consisting of three activists who were active in the San Francisco Bay area from 1964 to 1973, advocated legal abortion and supported those seeking help by providing them with a list of physicians outside the United States. The composition of a monochrome background and a floral arrangement is reminiscent of 18th and 19th century portraiture; the background colors vary and each bouquet is as unique and distinctive as the fate of the individuals. The sequence of letters underscores the fact that unwanted pregnancies were not rare exceptions. Ulrike Ottinger (* 1942 in Konstanz) Johanna d’Arc of Mongolia, 1989 1-Kanal-Video, Farbe, Ton; 35-mm-Film übertragen auf BluRay Nr. 70, unlimitierte Auflage, fortlaufend nummeriert 158’ Courtesy Sammlung Goetz In Ulrike Ottingers Film treffen vier Frauen in der Transsibirischen Eisenbahn aufeinander: eine Broadwaysängerin, eine Oberstudienrätin, eine Ethnografin und eine Rucksackreisende. Die Frauen werden von der mongolischen Prinzessin Ulun Iga und ihrem weiblichen Gefolge entführt, und gemeinsam ziehen sie durch die Innere Mongolei. Jede der Frauen reagiert unterschiedlich auf das Unbekannte: auf die Jagd gehen, in Jurten leben, Wettkämpfen und Ritualen beiwohnen. Am Ende treffen sie sich, mit Ausnahme der Oberstudienrätin, die sich auf Pilgerfahrt begibt, in der Eisenbahn wieder. Der Film schildert, was geschieht, wenn extrem unterschiedliche Kulturen aufeinander treffen, und zeigt die wechselseitigen Einflüsse. In der Wildheit der Steppe und in der Gemeinschaft der Entführerinnen loten die vier Frauen ihr Selbstverständnis neu aus, unter anderem in Hinblick auf ihre Karriere, ihre Sexualität und ihre Spiritualität. Ulrike Ottinger (* 1942 in Konstanz, D) Johanna d’Arc of Mongolia, 1989 Single-channel video, color, sound; 35-mm-film transferred on BluRay No. 70, unlimited edition, serially numbered 158’ Courtesy Goetz Collection In Ulrike Ottinger’s film, four women meet aboard the Trans-Siberian Railway: a Broadway singer, a high school teacher, an ethnographer and a backpacker. The Mongolian princess, Ulun Iga, and her female entourage kidnap the women, and together they embark on a journey through Inner Mongolia. Each woman reacts differently to the unknown circumstances: to hunting, living in yurts, and attending competitions and rituals. In the end, with the exception of the high school teacher, who embarks on a pilgrimage, they all meet back on the train. The film shows what happens when very different cultures clash and how these influence each other. Amidst the savagery of the steppe and the community of kidnappers, the four women explore their self-images, in terms of their careers, their sexuality and spirituality. Chantal Akerman (*1950 in Brüssel, B) Selfportrait/Autobiography: a work in progress, 1998 [Selbstporträt/Autobiografie: in Arbeit] mit Auszügen aus ihren Filmen: Hôtel Monterey (1972), Jeanne Dielman, 23 quai du commerce, 1080 Bruxelles (1975), Toute une nuit [Eine ganze Nacht](1982), D’Est [Aus dem Osten](1993) 6-Kanal-Videoinstallation auf 6 Monitoren, 1 Audio-CD, Farbe, Ton Edition 1/3 Videos 29’ 57” und 59’ 57” / Audio 90’ Courtesy Sammlung Goetz Chantal Akerman setzt sich in ihrer Installation mit weiblichem Selbstverständnis, jüdischer Identität, familiären Beziehungen, Erinnerung und Geschichte auseinander und befragt deren filmische Repräsentation. Die Arbeit besteht aus früheren Filmen Akermans: Drei Monitore zeigen Teile aus D’Est, der Dokumentation einer herbstlichen Reise von Ostdeutschland über Polen bis nach Moskau. In der Mitte sind Auszüge aus Jeanne Dielman… zu sehen – einem Klassiker des feministischen Films: Die Witwe Dielman ist bei der täglichen Routine ihres Haushalts und dem wortlosen Erhalt der Ordnung zu beobachten. Für die Weiterführung ihrer Rolle braucht die Frau die Präsenz ihres Mannes nicht. Je nach Standpunkt des Betrachters ergeben sich unterschiedliche Kombinationen der sechs Filmbilder und damit unterschiedliche Erzählungen. In der Tonspur spricht Akerman über das Leben ihrer Mutter; ihre Eltern sind Holocaust-Überlebende aus Polen, die sich nach dem Krieg in Brüssel eine neue Existenz aufbauen. Der Text erklärt die Bilder nicht, reichert sie aber um weitere Assoziationen an. Chantal Akerman (*1950 in Brussels, B) Selfportrait/Autobiography: a work in progress, 1998 with excerpts from her films: Hôtel Monterey (1972), Jeanne Dielman, 23 quai du commerce, 1080 Bruxelles (1975), Toute une nuit [One whole night] (1982), D’Est [From the East] (1993) Six-channel video installation on six monitors, 1 Audio-CD, color, sound Edition 1/3 Videos 29’ 57” and 59’ 57” / Audio 90’ Courtesy Goetz Collection In her installation, Chantal Akerman explores female self-images, Jewish identity, family relationships, memory and history, and questions their cinematic representation. The work consists of earlier films by Akerman: Three monitors show parts of D’Est, the documentation of an autumn journey from East Germany to Moscow via Poland. The middle monitors contain excerpts from Jeanne Dielman... — a classic of feminist film: The widow Dielman can be seen performing her daily household routines and silently maintaining order. The woman does not require her husband’s presence to continue in her role. Depending on the viewer’s vantage point, different combinations of the six films can be seen, and therefore different stories. In the soundtrack, Akerman speaks about her mother’s life; her parents are Holocaust survivors from Poland, who built up a new existence in Brussels after the war. The text does not explain the images, but enriches these with additional associations.