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6 BystronicWorld 2/2015 BORDER ENGINEERING UK Stirling Beer biegt im Namen des Gesetzes Border Engineering im südenglischen Luton produziert Blechteile für Polizeiwagen. Dank einer Xpert 40 und einer Xpert 100 biegen die Maschinenbediener die Teile schnell und präzise. Dank BySoft 7 muss der Programmierer keine Kartonmodelle mehr verwenden. Text: Dan Whitaker Fotos: Andrea Artz E s ist eine ruhige Nacht im Stadtzentrum von Luton, als plötzlich eine Sirene aufheult. Blaulicht spiegelt sich in den Pfützen am Strassenrand. Ein weiss-gelb-blau gespritzter Polizeiwagen beschleunigt und manövriert das von ihm verfolgte Fahrzeug aus. Kurz darauf ist der Straftäter gefasst. Vieles muss zusammenpassen, damit eine solche Aktion erfolgreich ist: Einzelne Zeugen des Ge schehens reden von der Professionalität des Fahrers. Andere wiederum von seinem Wagen, natürlich ein Vauxhall, denn hier in Luton nördlich von London steht die riesige Fabrik, die alle britischen Vauxhall-Wagen produziert. Fast unbemerkt hingegen bleiben zwei weitere Firmen: Erstens die Spezialisten vom Millbrook Proving Ground in der Nähe, die den Vauxhall für Polizeiz wecke umgebaut haben. Und zweitens die Firma Border Engineering Ltd, die Millbrook die dazu notwendigen Metallteile liefert. Betriebsleiter Stirling Beer, ein Mann aus der Gegend, Mitte 30 und voller Energie, sitzt in seinem neuen Büro auf dem Industriegelände von Border Engineering in Moreton Park. Er bemüht BystronicWorld 2/2015 «Unsere beiden Abkantpressen haben das Geschäft revolutioniert. Wir können uns darauf verlassen, dass jedes Teil richtig herauskommt.» Stirling Beer, Betriebsleiter, Border Engineering sich zwar, ruhig ein paar Fragen zu beantworten. Aber es ist offensichtlich, dass er möglichst bald zurück in die Werkhalle will, wohin er eine halbe Stunde später auch entschwindet. Stolz führt er dort die soeben gelieferte Abkantpresse Xpert 40 von Bystronic vor. «Schauen Sie sich das an», sagt Stirling Beer begeistert und greift nach einem Stapel von mindestens 50 identischen 15 Zenti meter langen Edelstahlteilen. In einer guten Minute biegt er das 1 Millimeter dicke Werkstück von der zweidimensionalen in eine dreidimensionale Form. «Ein Dämpfungsblech», Links: Stirling Beer, Betriebsleiter bei Border Engineering, produziert mit Abkantpressen und Laserschneidern von Bystronic Metallteile für Polizeiwagen. 7 BORDER ENGINEERING UK Ein typischer Job-Shop: In der Werkhalle von Border Engineering entstehen Dämpfungsbleche für Polizeiwagen, Halterungen für Überwachungskameras und Metallteile fürs Badezimmer für die ausgefallensten Kunden. BORDER ENGINEERING UK Border Engineering verwendet zwei Abkantpressen von Bystronic: Maschinenbediener Steve Poulter biegt Teile auf der Xpert 100 (oben) und lernt mit Betriebsleiter Stirling Beer die Touchscreen-Steuerung der eben gelieferten Xpert 40 kennen (unten). BORDER ENGINEERING UK Der Chef zeigt, wie es geht: Betriebsleiter Stirling Beer demonstriert an einem Biegeteil die Präzision und die Geschwindigkeit der Xpert 40. 10 BystronicWorld 2/2015 BORDER ENGINEERING UK ruft er, um den Lärm in der Werkhalle zu übertönen. Er erklärt, das Teil halte den Motor kühl, wenn der Polizist seinen Wagen abrupt bremsen müsse. Border schickt die Teile zu Millbrook, wo sie in die Vauxhall-Polizeiwagen eingebaut und auf dem 285 Hektar grossen Gelände getestet werden. Ein anderer Kunde von Border – die Firma AutoUmbau – tut das Gleiche für Polizeiwagen von Hyundai, BMW und Volvo. Fast immer, wenn ein Polizeiwagen in der Region einen Fahrer zum Anhalten zwinge, sei Border Engineering indirekt beteiligt. Stirling Beer schmunzelt. Einmal 40 – einmal 100 Mit komplexen Biegeteilen hat sich Border einen Namen gemacht. Gebogen werden Kupfer, Messing, Stahl und Aluminium, und zwar bis 0,8 Millimeter dünn. Stirling Beers Worte dazu sind genau das, was ein begeisterter Bystronic Maschinenbauer Mit Hilfe von BySoft 7 und intensivem YouTube-Selbststudium hat sich Marek Bonna vom Schweisser zum Programmierer weitergebildet. Britische Polizeifahrzeuge Grossbritannien zählt 52 Polizeitruppen. Zwar versucht die Regierung geschlossene Autobahnsysteme eine Herausforderung dar. Sie zwingen immer wieder, diese zusammenzulegen, um Geld zu sparen und die die Polizeikräfte zur Zusammenarbeit. Auch wenn sie mit der italieni- Effizienz zu erhöhen. Doch wird dies regelmässig vereitelt. Insgesamt schen Staatspolizei mit ihren Ferraris und Lamborghinis nicht mithalten kauft die Polizei jedes Jahr etwa 5000 Wagen: vom 1,3-Liter-Vauxhall- können, geben britische Polizisten doch hin und wieder einen schnittigen Corsa bis zu gepanzerten Fahrzeugen der Marke Jankel – neben diversen Sportwagen in Auftrag. So erhielt die Polizei von Avon und Somerset in Booten, Hubschraubern, Motor- und Fahrrädern. diesem Jahr den ihrer Meinung nach schnellsten Polizeiwagen der Welt: Das Einzige, was die Regierung zur Effizienzsteigerung durchsetzen den Ariel Atom mit 355 PS – er beschleunigt in weniger als 2,5 Sekunden konnte, war eine Beschränkung der Zahl der Autohersteller, welche die von 0 auf 100 km/h. Polizei beliefern. Standardstreifenwagen kommen nun von Vauxhall, Viele Polizeibeamte entwickeln eine Beziehung zu ihrem Dienstwagen. Ford, Hyundai und Peugeot. Auf Autobahnen ist der BMW 530 das am Police Car UK heisst der Liebhaberverein, dem vor allem berufstätige und häufigsten eingesetzte Polizeifahrzeug, ergänzt durch Audi und Volvo. pensionierte Polizisten angehören. Ausserdem macht ein spezialisiertes Alle Polizeifahrzeuge werden aus handelsüblichen Versionen umgebaut – Unternehmen gute Geschäfte mit dem Verkauf wieder instandgesetzter meist nicht durch die Fabrik selber, sondern durch Spezialunternehmen. ehemaliger Polizeiwagen. Beispielsweise haben die Fahrzeuge in Grossbritannien ein «Run-Lock- System»: Der Motor läuft weiter, auch bei herausgezogenem Zündschlüssel. Das liefert genügend Strom für Zubehör am Ort des Geschehens. Wer einen Polizeiwagen stehlen möchte, sollte jedoch wissen: Sobald man die Handbremse löst, ohne den Zündschlüssel einzustecken, schaltet sich der Motor aus. Zu den Änderungsmöglichkeiten zählen zudem: Anpassungen für ein kraftvolleres Bremsen, Blaulicht und zusätzliche rote Rücklichter, Sirene, Halterungen für Funkgeräte und automatische Autokennzeichen erkennung, Ausstattung für das Festhalten eines Beifahrers, Möglich keit der Entfernung der Hecktür und Fenstersteuerung sowie zusätzPolizeiwagens ein Erste-Hilfe-Set, eine Laserpistole, ein Alkoholtester, Nagelstreifen, Rammbock, Taser und ein Besen (um den Tatort nach Sicherstellung von Beweismaterial sauber zurückzulassen). Die leistungsstärksten Fahrzeuge – jene der Verkehrspolizei – waren früher im Rückstand gegenüber jenen der nordeuropäischen Nachbarn, die ihre Autobahnsysteme früher ausgebaut hatten. Als Grossbritannien 1959 aufholte, besuchte ein Team von leitenden Polizeibeamten Deutschland und die Niederlande. Für ein Polizeisystem, das so frag mentiert ist wie das britische, stellen schnelle, praktisch in sich BystronicWorld 2/2015 Foto: Mauritius Images/Alamy liche Reserveräder. Weiter gehören zur Standardausstattung eines Alle britischen Polizeiwagen werden in dafür spezialisierten Unternehmen aus handelsüblichen Modellen für den Einsatz bei der Polizei umgebaut. 11 BORDER ENGINEERING UK Stirling Beer bespricht mit seinem Mitarbeiter Dawson Richards ein Metallteil: Der Betriebsleiter steht am liebsten in der Werkhalle am Ort des Geschehens. «Die Arbeit liegt nicht am Strassenrand herum. Wir müssen uns um die Aufträge bemühen. Präzision gilt heute als selbstverständlich – die Geschwindigkeit entscheidet.» Stirling Beer gern hören möchte: «Unsere beiden Abkantpressen haben das Geschäft revolutioniert. Sie sind schnell und genau. Wir können uns darauf verlassen, dass jedes Teil richtig herauskommt.» Und er fügt an: «Sie brauchen etwa ein Drittel so viel Strom wie die Maschinen der Konkurrenz. Dadurch konnten wir uns einen teuren Ausbau unserer Strom versorgung sparen.» 12 Neben der Xpert 40 – der ersten in Grossbritannien – betreibt Border eine Xpert 100 und ist dadurch flexibel. «Für grössere Arbeiten bevorzuge ich die Xpert 100 mit ihren zusätzlichen Hinteranschlägen und der breiteren Ablage», erläutert Stirling, «dafür ist die Xpert 40 mit ihren Hinteranschlägen und ihrem Verfahrweg schneller – und sie arbeitet genauer.» Zwei Abkantpressen zu haben sei ein grosser Vorteil: «Die Arbeit liegt ja nicht am Strassen rand herum. Wir müssen uns um die Aufträge bemühen. Präzision gilt heute als selbstverständlich – die Geschwindigkeit entscheidet.» Der Output ist beeindruckend. In einer Ecke wächst ein Stapel von Teilen für Käfige für den Transport von Hunden hinten im Polizeiwagen. Stirling Beer zeigt die Anschlüsse für die Klimaanlage – ein Polizeihund darf keinen Hitzekollaps erleiden. An einer anderen Wand lehnen Halterungen für Über wachungskameras – ein grosser Markt in Gross britannien und ein weiteres wichtiges Kunden BystronicWorld 2/2015 BORDER ENGINEERING UK segment von Border. Alles wird mit einer 2-Kilowatt BySprint Fiber geschnitten, die das Unternehmen gleichzeitig mit der Xpert 100 angeschafft hat. Vom Karton zu digital Komplexe Biegeoperationen machen Stirling keine Sorgen, im Gegenteil: Er freut sich über die Her ausforderung. Früher hat Steve Poulter, der er fahrenste Maschinenbediener bei Border, jeweils mit Kartonmodellen gearbeitet. Damit hat er verschiedene Biegefolgen getestet, bevor er das Me tall eingesetzt hat. Neuerdings erhält sein euklidischer Sinn für Geometrie allerdings Konkurrenz durch die Software BySoft 7. Sie läuft mit Solid Works, der marktführenden CAD-Software. Darüber freut sich Marek Bonna. «Fast alle unsere Kunden verwenden SolidWorks», sagt Marek. Schickt ihm ein Kunde morgens um 9 Uhr Konstruktionsangaben per E-Mail, hat er um 9.30 Uhr mit BySoft 7 einen Schneid- und Biegeplan dafür erstellt. Und bis 12 Uhr hat Maschinen bediener Steve Poulter die Teile bereit zur Aus lieferung. Die intuitive Steuerung der Software spare Zeit und verringere die Fehlerquote, betont Marek. Mit Hilfe von BySoft 7 und «Hunderten Stunden Selbststudium mit YouTube» ist der junge Pole Marek Bonna vom Schweisser zum Pro grammierer aufgestiegen. Wie ihm seine Arbeit gefalle? «Ich bin seit 13 Jahren bei Border und will hier nicht weg.» Eine Familienangelegenheit Die Firma Border wurde 1987 vom Vater des heutigen Geschäftsführers Andy Gerrard gegründet. Andy Gerrards Schwester leitet heute die Finanz abteilung, Stirlings Frau macht die Buchhaltung. Stirling Beer hat hier 1991 als Lehrling begonnen. Bei Border mit seinen 19 Mitarbeitenden scheint sich das Geschäftliche mit dem Privaten zu verbinden. Die Mitarbeitenden fühlen sich aber nicht nur während der Arbeit als Teil einer Familie, sondern auch ausserhalb – beispielsweise wenn sie gemeinsam zum 3 Kilometer entfernten Sport platz fahren, um den Fussballklub von Luton anzufeuern. Und wer die «Hatters», wie das Team nach den früher in der Region tätigen Hutmachern benannt ist, unterstützt, beweist Ausdauer, ist doch die Mannschaft viermal hintereinander abgestiegen, bevor sie sich kürzlich zaghaft zu erholen begann. Stirling Beer sieht den Spirit von Border auch bei anderen Unternehmen vor Ort. Er nennt Kunden in der Nähe, die auf ihrem Gebiet Überdurch schnittliches leisten: Millbrook, das Polizeiwagen umbaut; Bell Classics, das bei Border ab und zu ein Ersatzteil für einen altehrwürdigen Aston Martin bestellt; Silent Sentinel, das hochstehende Video überwachungsanlagen konstruiert. Als ich Vaux hall nenne, das seine Muttergesellschaft General Motors die letzten Jahre viel Geld gekostet hat, zuckt Stirling ein wenig zusammen. BystronicWorld 2/2015 Für den Kunden «Mad Alan» hat Border Stahlteile geschnitten – für das Badezimmer in der umfunktionierten Kirche, in der er wohnt. Alan gibt eine Empfehlung für Border ab: «Superfreundlich, superhilfsbereit.» Dann schaut Steve Poulter in Stirlings Büro vorbei und sagt, ein Kunde namens «Mad Alan» sei gerade aufgetaucht. Er werde ihn mir vorstellen. Zuerst halte ich Mad Alan für einen Übernamen, den Border einem exzentrischen Kunden gegeben hat. Alan ist in der Tat sehr unkonventionell mit seinen grossen Tattoos, gestochen im eigenen Salon. Seinen Namen hat er aber ganz offiziell geändert: Stolz zeigt er seinen Führerschein, der auf Mad Alan ausgestellt ist. Alan ist ein überaus zufriedener Kunde. Border hat für ihn Stahlteile geschnitten – für das Badezimmer in der umfunktionierten Kirche, in der er wohnt. Und dies so schnell, präzise und bereitwillig, dass Alan eine Empfehlung abgibt: «Superfreundlich, superhilfsbereit.» Der Polizeiwagenausstatter Millbrook steht am einen Ende der Kundenskala von Border Engineering – Mad Alan am anderen. Stirling Beer steht hinter beiden mit derselben herzlichen Ernsthaftigkeit. ■ Dan Whitaker ist freischaffender Wirtschaftsjournalist. Er schreibt branchenübergreifend für die Financial Times und The Economist. 13