Schmähschrift auf die Familie Napoleon Bonapartes aus dem

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Schmähschrift auf die Familie Napoleon Bonapartes aus dem
Schmähschrift auf die Familie Napoleon Bonapartes aus dem
oberschwäbischen Raum
Wie auch die Ausstellung "Adel im Wandel" zeigt, plante Napoleon für 1806 eine völlige
Umgestaltung Deutschlands. Auf die bevorstehende Mediatisierung reagierte man in
Oberschwaben in den betroffenen Adelskreisen und deren Beamtenschaft selbstverständlich
nicht mit Begeisterung. In diesem Zusammenhang ist die folgende Schmähschrift über die
Familie Bonaparte von 1806 zu sehen, die in dem als Hinterlegung im Staatsarchiv
Sigmaringen verwahrten Fürstlich Thun und Taxisschen Archiv Obermarchtal unter der
Signatur Dep. 30/15 T 3 Nr. 46 zu finden ist. (Birgit Meyenberg)
Genealogie
Der Französischen Kayserl[ichen] Majestäten
und Hoheiten.
Der sogenan[n]te König Theodor in Corsica, ein armer
Westphalischer Graf, und berichtigter Abentheürer, Namens Neuhof,
der zulezt im Schuldthurm gestorben ist, pflegte bekantlich seine
Gläübiger (Leüte aus der niedrigsten Klasse) mit Ehrentiteln
und Standes-Erhöhungen zu bezahlen, und hatte auf solche Weise
auch einen Fleischhacker zu Ajaccio, von dem er eine kleine Sum[m]e
Geld borgte, in den Adelsstand erhoben. Der Fleischhacker hiess
Bona. Der vom Theodor erhaltene Adelsbrief, so armselig er
auch war, verwirrte nichts destoweniger dem Fleischhacker den Kopf
so gewaltig, daß er nicht nur anfieng, sich wirklich für adelich
zu halten, sondern so gar den Namen einer ehmals in Italien
blühenden adelichen Familie an[n]ahm, indem er zu seinem Namen
Bona, das Wort parte fügte.
Die Bonaparte, eigentlich Buonaparte, waren eine Italienische
alt adeliche Familie. Vor einiger Zeit fand man in der Churfürstl[ichen]
Bibliothec zu München eine alte Urkunde vom Jahr 1284 nemlich einen Vertrag zwischen
Gibellinen und Guelffen, worin[n]en ein Bonaparte als Gibellin unterschrieben war. Diese
Urkunde ward nach Paris an den Französischen Kaiser geschikt, der sie dan[n] auch in allem
Ernst als ein stattliches Document seiner alt adelichen Familie an[n]ahm.
Carlo Bona1, ein Sohn des gedachten Fleischhackers gieng in
der Folge, um sein Glück zu machen, nach Italien, wo er sich unter dem
angenom[m]enen Namen Buonaparte ausgeben wollte. Er wurde aber
überall ausgelacht, musste mit Spott Italien wieder verlassen und
kehrte nach Corsica zurück, wo er bei einem unbedeutenden Gerichtshof
als Schreiber angestellt war, und in der Folge eine Lætitia Bancolini2
heyrathete. Bancolini war gemeiner Soldat eines Schweizer Regiments.
Nach seinem3 Tode heyrathtete seine Wittwe, die bereits Mutter besagter Lætitia
war, einen Lieutenant des nämlichen Regiments, Namens Fræsch aus Basel,
mit welchem sie einen Sohn, Namens Joseph erzeugte. Lætitia der Carlo
Bona Weib-(Tochter) war die Maitresse des Maltheser Ritters und
damals Französischen Gouverneurs in Corsica, Grafen Marboeuf, ihr
1
Carlo Maria Bonaparte (1746-1785).
Lätitia Bonaparte, geb. Romolino (1750-1836).
3
Statt gestrichen: dem.
2
Stiefbruder Joseph Fræsch hat durch Marboeufs Unterstützung studiret,
und in Frankreich eine kleine geistliche Præbende erhalten. Zu Anfang
des Jahrs 1803 musste Pabst Pius der 7te ihn zum Cardinal machen,
nachdem ihn sein Neffe Napoleon bereits Vorher zum Erzbischoff von
Lyon gemacht hatte.
Die Kinder besagter Lætitia, welche alle nach und nach unter
Dem Namen Buonaparte versipt und durch den Grafen Marboeuf
nach Möglichkeit untergebracht wurden, sind folgende:
1. Joseph Buonaparte4, dieser heyrathete die Tochter eines
Schriftbestellers und Wagenmeisters zu Marseille, Namens
Julie Clery. Nun ist er Kaiserliche Hoheit von Frankreich,
zugleich Grosswähler des Reichs, [et cetera]
2. Napoleon Buonaparte, trat aus der Militær Schule als Artillerie
Lieutenant, heyrathete die Maitresse5 des Directors Barras6,
welche vorher mit Beauharnois7 verheyrat war, der guillotenirt
worden ist; Barras machte ihn Zum Com[m]andierenden General [et cetera]
und schaffte auf diese Weise sich seineMaitresse vom Hals.
Sie heisst Josephine, gebohrne La Pagerie, u[nd] hatte Von Beauharnois
einen Sohn u [nd] eine Tochter, wovon jener Eugen Beauharnois8
Einer der Grossbeamten des Reichs, Vice König Von Italien u[nd] nunmehriger
Schwieger Sohn des Königs von Bayern ist. Die Tochter aber
Namens Hortense Cæcilia9, die von ihrem Stiefvater Napoleon
Geschwängert wurde u[nd] dessen jüngern Bruder Louis –
3. Louis Buonaparte10 heyrathete – vide Louis Buonaparte. –
Barras, der den Napoleon aus Nichts hervorgezogen, u[nd] seine Maitresse
bei ihm an Man[n] gebracht hatte, wurde entfernt; diese ist aber nun der
Franzosen Kaiserin Josephine Majestät, und Napoleon ihr Man[n]
ist Kaiser von Frankreich und König von Italien.
4. Lucian Buonaparte11, dieser ist noch Bürger u[nd] Senator, übrigens
weder Kaiserliche Hoheit noch Prinz Von Frankreich geworden.
Er war zuerst Geistlicher, und dan beim Armee Fahrwesen in der
Provence mit 1000 Livres Gehalt angestellt. Sein erstes Weib war
Die Dienst Magd12 des Wein-Wirths Marimin bei Toulon, und starb an
den Folgen der üblen Behandlung ihres Man[n]es; hierauf nahm er eine
Madame Famberton13, welche sich Von ihrem Man[n] (Comis) eines Pariser
Panquiers) hatte scheiden lassen, zur Maitresse, und lebte so mit
ihr bis sie schwanger wurde, wo er sie als dan[n] geheyratet haben soll.
4
Joseph Bonaparte (1768-1844).
Joséphine de Beauharnais, geb. Marie Josephe Rose de Tascher de la Pagerie (1763-1814).
6
Paul de Barras (1755-1828).
7
.Alexandre de Beauharnais (1760-1794).
8
Eugène de Beauharnais (1781-1824).
9
Hortense de Beuaharnais (1783-1837).
10
Louis Bonaparte (1778-1846).
11
Lucien Bonaparte (1775-1840).
12
Christine Boyer.
13
Alexandrine Jouberthon.
5
5. Hieronimus Buonaparte14, dieser ist ebenfalls noch Bürger u[nd] SchiffsLieutenant. Er hatte zu Baltimor in America ein sehr hübsches, tugendhaftes u[nd] sehr reiches Kaufman[n] Mädchen15 geheyratet; aber eben wegen
diesen drei Umständen findet die sämtliche Buonapartische Familie
dieses Weib nicht zu ihrer Verwandschaft geeignet. – Die da der
Schiffs-Lieutenant Buonaparte nach Frankreich zurückkehren musste,
so wurde in allen Französischen Seehäfen ordre gegeben, bei seiner
Ankunft sein Weib Von ihm wegzunehmen, u[nd] solche mit ihren Kindern
nach Amerika zurück zusenden. – Er kam wirklich zu Lissabon an,
und gieng über Cadix nach Paris. Sein hochschwangeres Weib aber
durfte nicht ans Land. Das Schiff Enine, worauf sie sich mit
ihrem Bruder befand, und das ihrem Vater eigenthümlich gehörte ,
durfte nirgends, selbst nich in Holland einlaufen, sondern musste
nach Engelland steuren, wo Madame Hieronimus Buonaparte
am 18ten März 1805 Nachmittags nach 3 uhr ans Land stieg.
Der 3te Louis Buonaparte ist Kaiserliche Hoheit, Prinz von
Frankreich und Con[n]etable des Reichs. Er heurathete Hortense
Cæcilie Beauharnois Stieftochter seines Bruders Napoleon, welcher
aber dieser Stieftochter ihr Kind Napoleon Carl16, erzeugt hatte,
und solchergestalt, daß er Kindesvater, der Grossvater, der Oheim
und der Pathe ist, welches vierfache Band auch wohl die ursache ist,
warum der Kaiser Napoleon diesen Sohn, Enkel, Neffen u[nd] Pathen
zu seinem einstweiligen Nachfolger in der Französischen KaiserWürde bestim[m]t haben solle.
6. Elisa Buonaparte17 Kaiserl[iche] Hoheit, Prinzessin von Frankreich
und regierende Fürstin von Lucca und Pionbino. Diese machte ihr
glük zuerst durch ihre Bekantschaften mit den Keller-Purschen
in den Wirthshäusern und bei Restaurateurs dan[n] bei den Marqueurs
in Caffe Häusern und heürathete endlich zu Marseille den Sohn
eines Limonade-Machers-Purschen Namens Bacciochi18, brachte es
endlich selbst bis zum Billiard-Marquer, in welcher Eigenschaft er
besonders zu Spaa [et cetera] nachher so berüchtigt wurde, daß er für gut
hielt, sich Von da zuentfernen, und nach der Schweiz zu gehen, wo
er anfieng einen kleinen Wollenhandel zu treiben. Da er nun Buonapartes Schwager und dieser inzwischen Kayser der Franzosen wurde,
so ist eben dieser Bacciochi General, Fürst zu Luka, und
Pianbino u[nd] als solcher Französischer Reichs-Vasal.
7. Pauline Buonaparte19, diese heurathete zu Pontoise den Schweinu[nd] Wollenhändler, Namens Lecterc20, dessen Mutter Mehl verkaufte.
Ein Bruder derselben wurde wegen eines bedeutenden Diebstahls
Zum Galgen verdam[m]t u[nd] gehenkt. Buonaparte machte nichts destoweniger seinen Schwager Lectere Zum Divisions General und
14
Jérôme Bonaparte (1784-1860).
Elisabeth Patterson.
16
Napoléon Charles (1802-1807).
17
Élisa Bonaparte (1777-1820).
18
Félix Baciocchi.
19
Pauline Bonaparte (1780-1825).
20
Schreib- bzw. Abschreibfehler für Leclerc: Charles Leclerc d´Ostin.
15
Capitaine Von St. Domingo, wo er 1803 starb. – Pauline
heurathete in 2ter Ehe den römischen Prinzen Borghese21.
8. Caroline Buonaparte, diese heurathate22 den Sohn des Hausknechts in der Weinschenke bei Cahore, Namens Murat23, Murat
wollte in den Zeiten der Revolution, um sich empor24 zu
schwingen, seinen Namen mit dem des berüchtigten MenschenWürgers und Ungeheuers Marat verwechseln, welches aber
nicht angieng; in der Folge wurde er, als Schwager Vom Buonaparte, General en Chef der Italienischen Armée; dermalen
ist er Prinz, Gouverneur von Paris, Französischer
Reichs-Marchall, u[nd] Herzog Von beyden Herzogthümern
Berg und Cleve
Nachtrag
Der gegenwärtige König von Holland Ludwig Napoleon
Gross Con[n]etable Von Frankreich ist den 4ten Septemb[er] 1778
gebohren. In seiner fruhesten Jugend nahm er Dienste bey
der Französischen Artillerie. Nachdem er den ersten Unterricht
erhalten hatte, kam er in die Artillerie Schule Zu Chalons für
Marne25 Sein älterer Bruder, der gegenwärtige Französische
Kaiser, hat seine Studien mit einer besondern Vorliebe geleitet,
und sich stets gegen ihn mehr als Vater, den[n] als Bruder gezeigt,
wogegen sich Ludwig auch stets als ein dankbarer Sohn betragen hat. Kaum ward Napoleon zum Obergeneral der
Italienischen Armee ernant, so nahm er seinen Bruder Ludwig
zu sich. Dieser hat als Adjutant alle Feldzüge Buonapartes
mitgemacht – Er wusste sich während dieses Zeitraumes die Achtung
und Freundschaft aller derer zu erwerben, die mit ihm dienten;
auch zeigte er sich stets gegen den Feind als Man[n] von Kopf u[nd] Herz.
Ludwig begleitete seinen Bruder auch bei der berühmten Expedition
Nach Egypten. Da aber das Clima jenes Landes seiner schon geschwächten Gesundheit nicht zuträglich war, so schickte ihn sein
Bruder im November 1799 nach Frankreich zurück. Von widrigen
Winden gezwungen, musste er in Tarente einlaufen. Als Buonaparte
am 18ten Brumir26 an die Spize der Regierung gekomen war, ward
sein Bruder zum Kom[m]andanten des 5ten Dragoner Regiments ernan[n]t.
Er bekam eine politische Mission nach Berlin und ward auf eine
Vorzügliche Art daselbst aufgenohmen. Hernach ward er Zum Brigade
General ernan[n]t, und am 3ten Januar Vermählte er sich mit Demoiselle
Beauharnois27, Tochter der Kaiserin. Der Prinz Ludwig ward
In der Folge der Zeit Mitglied des Stats Raths, sodan[n] Prinz u[nd]
Gross Con[n]etable von Frankreich, u[nd] endlich König von Holland.
21
Camillo Borghese.
Verschrieben für: heurathete.
23
Joachim Murat.
24
Davor gestrichene Verschreibung: empf.
25
Chalons sur Marne.
26
Verschrieben wohl für: Brumaire.
27
Hortense de Beuaharnais (1783-1837).
22