Rundbrief von Walter Sass - Gustav-Adolf-Werk

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Rundbrief von Walter Sass - Gustav-Adolf-Werk
Rundbrief Nr. 1
Manaus, 15. Oktober 2013
Die Utopie ist dort am Horizont. Ich gehe zwei Schritte, und er entfernt sich zwei Schritte
weit. Ich gehe zehn Schritte und der Horizont entfernt sich zehn Schritte. Obwohl ich weiterhin gehe, niemals werde ich ihn erreichen. Wozu dient dann die Utopie? Sie dient dazu: weiterhin zu gehen. Eduardo Galeano
Liebe Freunde des Gustav-Adolf-Werks, liebe Freunde der Deni,
dieser erster Rundbrief nach meinem Ruhestand möchte ich den Freunden des GustavAdolf-Werks in Leipzig und allen Regionalgruppen, die für das Wasserdesinfektionsprojekt spenden, auch dem Sonnenwasserverein mit Sitz in Nieste widmen, aber ebenfalls den vielen Freunden der letzten Jahre, die die Arbeit mit den Deni unterstützt haben. Viele haben sich anderen Projekten zugewendet. Doch möchte ich mit diesem
Rundbrief allen mitteilen, wie es weitergeht mit den Deni und unserem Projekt der
Wasserdesinfektion mit Solarenergie. Ohne die Unterstützung vieler über so viele Jahre
wäre es nicht möglich gewesen, ganz im Sinne von Eduardo Galeano, weiterzugehen.
Ein Jahr war ich nicht mehr bei den Deni. Ich wohne nun in Manaus. Fünf Wasserdesinfektionsanlagen haben wir am Rio Xeruã in vier Deni-Dörfern und in einem KanamariDorf installiert. Der Sonnenwasserverein, Gustav-Adolf-Werk und das Institut für Amazonasforschung in Manaus (INPA) mit seinem Mitarbeiter Dr. Roland Vetter haben
dazu beigetragen, dass diese Anlagen aufgebaut werden konnten. Vieles hat sich verändert mit meinem Ruhestand. Ich bin nicht mehr eingebettet in die Arbeit des lutherischen Indianermissionsrates der evangelisch-lutherischen Kirche Brasiliens. Das Boot
des Projektes wurde den Deni übergeben, der Verkauf des Hauses in Carauari kam dem
Indianermissionsrat zugute.
Das Ziel der Arbeit unter den Deni war und ist, weitere Anlagen zu installieren und diese für die nächsten Jahre zu warten. Wir wollen nicht, dass die Anlagen dort einfach
ihrem Schicksal überlassen werden. So hat der Sonnenwasserverein aus Nieste mit den
Spenden eine erste Reise zur Unterhaltung der sechs Anlagen finanziert. Dies geschah
im April dieses Jahres mit der Fahrt meines ehemaligen Bootsfahrers und Freundes Almires. Er konnte alle Anlagen warten. Wenige kleine Reparaturen waren nötig, die Anlagen liefen alle gut. Der Sonnenwasserverein beschloss, Almires und unserem Verein
ein eigenes Boot zu kaufen, damit wir weniger Ausgaben haben. Ein günstiges Boot mit
einem 12 PS Dieselmotor konnten wir günstig kaufen. Das Boot bekam den Namen
„Água Solar“ – „Sonnenwasser“. Dank vieler Spenden, unter anderem zweier Jazzkon1
zerte der Freunde in Weil am Rhein, sowie der Spender des Gustav-Adolf-Werkss in
Leipzig, die bis 2015 jeweils eine Anlage finanzieren, konnten wir eine Reise im September und Oktober planen, um alle Anlagen zu warten und in zwei Kanamari-Dörfern
weitere Wasserdesinfektionsanlagen zu installieren. Darüber hinaus planten wir in der
Anlaufstelle der staatlichen Gesundheitsbehörde im Deni-Dorf Morada Nova eine Desinfektionsbox aufzustellen. In dem Dorf Morada Nova ging es nur darum, die Box aufzustellen, da eine Wasserpumpe, elektrisches Licht und ein Wassertank schon vorhanden ist. Diese Anlage dient sowohl den staatlichen Mitarbeitern, den indigenen Patienten und einem Teil der Deni, die dort in der Nähe wohnen.
Mit auf der Reise waren der Assistent von Dr. Roland Vetter, Ray, sowie Jefinho aus
Manaus. Jefinho war verantwortlich für die Filmarbeiten, für einen Kurs zur Unterhaltung der Computer und für die Ausarbeitung von zweisprachigen, regenfesten Poster.
Diese Poster sollen in den sieben indigenen Schulen am Rio Xeruã dazu dienen, den
Deni und Kanamari Richtlinien zu geben, was sie selbst zur Wartung der Anlagen beachten sollen. So flogen wir drei am 24. August 2013 von Manaus nach Carauari. Vorher hatten wir Material des INPA, drei Aluminiumboxen mit der UV-Lampe sowie weiteres Material der Spender des Sonnenwasservereins und des Gustav-Adolf-Werks (wie
Pumpen, Batterien, Kabel unter anderem) in Manaus gekauft und in ein Passagierschiff
nach Manaus eingeladen. Das Passagierschiff verspätete sich eine Woche. So hatten wir
Zeit, das neue Boot zu streichen, Lampen für die Nachtfahrten anzubringen und dem
Boot einen Namen zu geben: Água Solar. Mein altes Team der vielen Jahre war sofort
bereit, wieder mitzufahren. Unsere Köchin Nádia, Raimundo, der zweite Bootsfahrer
und Motorsägenspezialist fuhr mit und natürlich Almires, mein Freund und alter Bootsfahrer des Bootes des Indianermissionsrates. Die staatliche Gesundheitsbehörde bat uns,
zwei Gesundheitshelfer mitzunehmen, da unter den Deni 34 Fälle von Malaria festgestellt wurden. Am Ende der Reise haben drei unseres Teams und ich ebenfalls die Malaria dort bekommen. Am 21. September kamen wir wieder in Manaus an.
Fahrt zum Rio Xeruã
September und Oktober sind im Amazonas Monate der Trockenheit. Der Wasserstand
der Flüsse ist sehr niedrig. Die zwei neuen Anlagen wurden in den entferntesten Kanamari-Dörfern, Santa Luzia und São João, am Rio Xeruã installiert. Am 2. September
fuhren wir dann mit zwei 12 PS Dieselmotoren mit dem neuen Boot in Richtung Xeruã.
Die Koordinaten von Carauari sind S 04 52 897 W 66 53 667 und die vom letzten Kanamari-Dorf am Rio Xeruã sind die folgenden: S 06 40 035 W 68 18 120. Das letzte
Dorf, São João erreichten wir am 10. September. Von dort aus ging es flussabwärts, um
eine weitere neue Anlage aufzubauen und alle Anlagen zu warten. Einige Male mussten
wir wegen der Trockenheit Halt machen, da wir nachts nicht auf dem rio Xeruã fahren
konnten.
In der Nähe des Deni-Dorfes Itaúba, fiel das Schiffskiel ab und wir konnten nicht mehr
flussaufwärts und auch nicht mehr flussabwärts fahren. Wir waren steuerlos. Glückli2
cherweise war das Deni-Dorf nicht so weit entfernt. Ich bat die Deni, Männer, Frauen,
Jugendliche und auch die Kinder am nächsten Tag an den Strand zu kommen und das
Schiff rückwärts auf den Strand zu hieven, um ein neues Schiffskiel, das Raimundo und
Almires nachts noch sägten, anzubringen. Es wurde ein Fest am Strand. Die Männer
und Frauen arbeiteten, einige besorgten Fische, die Kinder spielten und badeten. Nach
sieben Stunden war ein neues Kiel am Schiff angebracht. Fisch wurde am Strand gegrillt. Ohne die Deni hätten wir das Kiel nicht anbringen können. Die Kanamari freuten
sich natürlich, dass wir sie nicht vergessen hatten. Während der Aufbauarbeiten sorgten
sie sich um uns und besorgten Fisch, Wildfleisch und Früchte. Die zwei neuen Wasserdesinfektionsanlagen funktionieren, auch die im letzten Jahr in dem Kanamari-Dorf
Flexal installierte Anlage funktioniert immer noch. Kleine Verbesserungen und Auswechslungen der UV-Lampe nahmen wir vor. Die Kanamari hatten gerade die Hauptversammlung ihrer eigenen Organisation hinter sich, zu deren Gründung ich mit beitragen konnte. Ich freute mich, zu sehen, wie fantastisch sie diese Versammlung organisiert hatten. Für die Versammlung wurde ein spezielles Gemeinschaftshaus gebaut. Ein
selbstgemaltes Bild in dem Gemeinschaftshaus des Dorfes der Hauptversammlung zeigt
typische Bemalungen der Kanamari mit drei Stichworten: Terra Firme -Festes Land,
Água Pura – Reines Wasser und Floresta Sagrada -Heiliger Wald.
In den Deni-Dörfern gab es nur wenig an den funktionierenden Anlagen zu tun. Lediglich in dem Dorf Morada Nova musste eine neue schwimmende Unterlage für die Wasserpumpe und die zwei Solarmodule gebaut werden. Die auf dem Wasser schwimmenden tragenden Stämme waren zu dünn, dickere wurden installiert. In dem Dorf Morada
Nova installierten wir dann im der zentralen Gesundheitsstelle eine Box mit der UVLampe, die sowohl den Patienten, dem staatlichen Gesundheitsteam und den in der Nähe wohnenden Deni dienen soll. Wir hinterlassen acht funktionierende Anlagen. Die
Mitarbeiter der Gesundheitsbehörde bestätigen, wie wichtig diese Anlagen sind, die
Durchfallquote ist erheblich gesunken. Die Deni und Kanamari bekräftigen dies. Wir
werden auch in den weiteren Jahren diese Anlagen warten und noch fehlende aufbauen.
Wiedersehen mit den Deni
Ein ganzes Jahr war ich seit meinem Ruhestand nicht mehr bei den Deni und hatte auch
keinen Kontakt mehr zu ihnen. Seltsame Gefühle überkommen einem. Wie sind sie zurechtgekommen ohne unsere Gegenwart? Es hat sich viel getan in dieser Zeit. Um es
vorwegzunehmen, sie haben vieles in eigener Verantwortung weitergeführt. Es freut
mich und macht mich zugleich bescheiden, denn wir haben nur einen kleinen Beitrag in
all diesen Jahren geliefert. Die Deni sind die Hauptakteure gewesen und sind es weiterhin. Nach dreijährigen Kursen zur Zählung der Pirarucu-Fische haben sie die letzten
zwei Jahre die Zählung in allen Seen eigenhändig durchgeführt. Stolz zeigten sie mir die
Listen der Fische. Insgesamt sind es nun schon 1 500 erwachsene Fische. Im nächsten
Jahr soll die erste Befischung dieser Fische beginnen. Zwei Hauptversammlungen ihrer
eigenen Organisation haben sie mit einer kleinen Unterstützung des Bürgermeisters von
Itamarati selbst durchgeführt. Den Deni ist die Bedeutung ihrer Organisation bewusst.
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Alle zahlen einen Beitrag, um mit dieser Organisation Einiges selbst zu finanzieren.
Durch die plötzliche Trockenheit ist das schwimmende Wächterhaus an der Mündung
des Xeruã zur Hälfte versunken. nvon einem Spender aus Deutschland gestiftete Radioamateursender haben sie gerettet, die Antenne leider nicht.
Doch was mich freute, alle, Rentner, Lehrer, Gesundheitshelfer und Feldfrüchteanbauer,
gaben einen Teil ihres Gehaltes oder Gewinnes auf das Konto der Deni- Organisation
ab, um das schwimmende Haus wieder herzustellen. Auch haben die Deni nicht aufgehört, die Mündung zu bewachen. Am Uferrand haben sie eine kleine Palmenhütte gebaut und die vier Deni-Dörfer wechseln sich wie eh und je dort ab. Einigen nicht indianischen Fischern, die in das Deni-Gebiet eindrangen, wurden die Netze, Kanus und Fische abgenommen. Im nächsten Jahr wollen wir mit ihren Spenden dort eine weitere
Wasserdesinfektionsanlage aufbauen, damit sie auch dort gutes Wasser haben. Eine
weitere gute Nachricht: Das Erziehungsministerium hat die Kurse für die Kulina, Kanamari und Deni zum indigenen Abitur wieder aufgenommen. Ein dreimonatiger Kurs
in Eirunepé ist nun der vorletzte Kurs. Die Deni-Lehrer waren stolz, dass sie bei den
Prüfungen am besten abgeschnitten hatten. Vor Jahren wurden sie von den anderen Indianern als sehr rückständig angesehen. Die Lehrerkurse, die wir in den vielen Jahren
mit Hilfe der Freunde und Arabras durchführten, haben zu dem erfreulichen Ergebnis
sehr geholfen. Die Deni-Lehrer bestätigten es mir und dankten noch einmal für die
durchgeführten Kurse. Das Erziehungssekretariat des Bundesstaates Amazonas haben in
drei Deni-Dörfern Internetanlagen aufgebaut, damit die Lehrer und Schüler abends Unterricht online aus Manaus bekommen. Zwei Deni sind in Manaus, um sich mit dieser
Neuheit in Kursen im Erziehungssekretariat bekannt zu machen.
Eine weitere Neuheit ist, dass Saravi, der Dorfälteste aus Morada Nova, zwar bei den
Wahlen als Landkreisabgeordneter des Landkreises Itamarati mit fünf Stimmen unterlegen war, aber nun als Sekretär für alle Indianervölker von Itamarati berufen wurde. Das
Schiff, das wir vom Indianermissionsrat zur Verfügung gestellt haben, läuft immer noch
und tut nun gute Dienste für seine neue Aufgabe. Es ist sogar besser, dass Saravi nun
Sekretär wurde, denn so hat er mehr Freiheiten und kann die verschiedenen Indianerdörfer mehrmals besuchen und dort sehen, wie die Lebensqualität dort verbessert werden
kann.
Zweisprachigkeit
Viele Neuigkeiten kommen auf die Deni und Kanamari zu. Doch müssen diese nicht
zum Nachteil sein. Es kommt darauf an, wie sie sie nutzen. Die Kanamari und die Deni
sind stolz auf ihre Kultur und Sprache und immer wieder sagten sie, dass sie ihre Kultur
auch mit diesen technologischen Neuheiten nie aufgeben wollen. Auf Bitte von einigen
Freunden nehme ich noch einmal einen Teil eines früheren Rundbriefes auf, der von der
Zweisprachigkeit handelt, nicht nur die sprachliche Zweisprachigkeit, sondern auch die
Zweisprachigkeit mit unserer hochtechnologischen Welt.
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Auf dem Seminar des evangelischen Indianermissionsrates in São Leopoldo sprach der Historiker José Freire Bessa, ein Kenner der Geschichte der Indigenen in Brasilien und ein Kämpfer
für deren Rechte. Er gibt Kurse besonders für Guarani-Lehrer. Er stellte ein zweisprachiges
Buch der Guarani vor, voll von Schönheit und Weisheit so wie dieses kleine Guarani-Gedicht:
„Ein gelber Schmetterling am blauen Himmel, unbegrenzte Schönheit, sie tut keinem weh, diese
unbegrenzte Schönheit. „Doch mich beeindruckte besonders eine Geschichte über die Zweisprachigkeit. Die Deni und Kanamari sind sich bewusst, dass sie zweisprachig sein müssen, um
in dieser Welt zurechtzukommen. Zweisprachig nicht nur hinsichtlich der Sprache, aber auch
zweisprachig hinsichtlich des Wissens der wissenschaftlichen Welt und ihres traditionellen Wissens. Die Zweisprachigkeit ist wichtig zum Kommunizieren mit anderen Indianervölkern (es gibt
noch mehr als 180 verschiedene Indianersprachen in Brasilien), aber auch wichtig zum Widerstand in einer Gesellschaft, die die Indianer immer noch mit vielen Vorurteilen belegt und sie
zum Teil als Hindernis des Fortschrittes ansehen. Bessa erzählte seine eigene Geschichte vom
Kater und der Maus: Der Kater Dudo, dick und schnauzbärtig, sah wie ein Bundestagsabgeordneter aus. Er sonnte sich im Park, als er eine kleine Maus vorbeilaufen sah. Er wollte sie
greifen, doch sie war schlank und schnell. Sie sprang in ein kleines Baumloch. Der Kater kam,
dickbäuchig wie er war, nicht in das Loch hinein. In seiner Katzensprache miaute er: „Du wirst
schon irgendwann herauskommen müssen. Dann werde ich dich fangen. „Die Maus verstand
die Katzensprache nicht, doch zitterte sie vor Angst und dachte bei sich, ich werde erst dann
herauskommen, wenn der Kater weggelaufen ist. Nach einer Zeit hörte die Maus keine Geräusche mehr. Dann hörte die Maus das Gebell eines Hundes und dachte bei sich, jetzt kann ich
ruhig herauskommen, denn Hund und Katze verstehen sich nicht. Hunde essen keine Mäuse und
die Katzen haben Angst vor den Hunden. Als die Maus aus dem Loch herauskam, fing der Kater
die Maus und verspeiste sie und kommentierte laut: „Es ist beeindruckend! Wer heutzutage
nicht zweisprachig ist, stirbt vor Hunger. Nur gut, dass ich auch die Hundesprache spreche.
Bessa erzählte, dass die Guarani - Lehrer diese Geschichte als Marionettenspiel aufführen
wollten. Doch die Geschichte endete anders als die von Bessa. Der Kater verfolgt die Maus,
doch er kommt nicht in das Loch hinein. Der Kater verstellt sich als Hund. Doch die Maus war
ebenfalls zweisprachig und verstand die Hundesprache. Die Maus bemerkte den Akzent des
Katers und dachte bei sich, dass der Kater einen zu starken Akzent hat, um ein Hund zu sein.
Die Hundesprache ist nicht seine Muttersprache, dachte die Maus. Das Wau-Wau hatte ein
starkes R am Ende eines jeden Wau Wau, ein Akzent, der an einen deutschen Tourist in Brasilien, der Portugiesisch spricht, erinnert. Die Maus bemerkte, dass der Kater sich verstellt hatte
und kam aus seinem Loch nicht heraus. Die Maus dachte bei sich:“ Es ist beeindruckend! Wer
heutzutage nicht zwei-sprachig ist, wird vom Feind aufgefressen.“ Als Bessa die Guarani fragte, warum sie das Ende der Geschichte änderten, sagten sie: „Ach, die kleine Maus ist die
Schwächere und in einer Geschichte der Guarani können wir nicht zulassen, dass die Schwächeren leiden."
Planungen für das Jahr 2014
In Carauari besuchte mich der Lehrer Ahe Joab Kanamari aus dem Kanamari-Dorf
Taquara, 20 Minuten mit dem Motorrad von der Stadt Carauari entfernt. Er nahm an
den staatlichen indigenen Lehrerkurse teilnahm. Nun wurde er aber mit drei weiteren
Lehrern von der Kreissekretärin für Erziehung entlassen, da er nicht für den jetzigen
Bürgermeister gestimmt hat. Zudem wurde er nicht mehr zu dem letzten Kurs des Bundesstaates Amazonas nach Eurunepé geschickt. Er ist nun zeitweilig Gesundheitshelfer.
Er bat darum, auch in seinem Dorf eine Wasserdesinfektionsanlage aufzubauen. Das
Wasser, so er, sei sehr, sehr schlecht, da das kleine Dorf von Großgrundbesitzern mit
Rinderzucht umzingelt ist. Sie haben einen Tank und Strom aus der Stadt. Wir brauchen
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dort im nächsten Jahr nur die Wasserbox mit der UV-Lampe installieren. Dann möchten
wir im schwimmenden Wächterhaus an der Mündung des Xeruã-Flusses eine vollständige Anlage mit Solarpumpe und der Box einrichten. Dieses schwimmende Haus zur
Kontrolle der Eindringlinge in das Indianergebiet ist sehr wichtig und sollte den Deni,
wenn sie jeweils zwei Wochen mit ihrer Familie verbringen ein wenig Komfort bieten.
Dann wollen wir in dem Dorf Morada Nova eine weitere Anlage aufbauen. Das Dorf ist
gewachsen. Die eine Anlage, die wir in der Nähe des Hauses von Saravi aufbauten, ist
für viele schon zu weit. Das Dorf Morada Nova ist das größte Dorf am Xeruã. Die Deni
gaben mir eine Liste des Bevölkerungsstandes ihrer Dörfer: In Morada Nova wohnen
305 Deni (Stand März 2013). In den weiteren Dörfern sieht es folgendermaßen aus:
Terra Nova – 63 Deni, Boiador -221, Itaúba-128. Die drei Kanamaridörfer haben die
folgende Bevölkerung: Santa Luiza- 143, Flexal- 213 und São João 68 Personen. Mit
unseren Anlagen werden also 1091 Indianer mit Trinkwasser versorgt. In den 14 Jahren,
in denen ich mit den Deni arbeitete, hat sich die Bevölkerung verdoppelt.
Wir wollen mit Hilfe des Sonnenwasservereins in Nieste, des Gustav-Adolf-Werks und
des Instituts für Amazonasforschung in Manaus unter der Verantwortung von Dr. Roland Vetter und seinem Assistenten Ray, diese Anlagen für viele Jahre weiterhin betreuen. Mit den Deni und Kanamari haben wir zweisprachige, regenfeste Poster erarbeitet, die in den Schulen genutzt werden sollen, um Schritte aufzuzeigen, die die Indianer
selbst machen können, um die Anlagen zu unterhalten. Wir haben das Boot in Carauari
und unseren Freund Almires, der immer bereit ist, zu den Indianern zu fahren, falls ein
Problem auftaucht. Er ist der Verbindungsmann zu den Indianern und zu uns in Manaus.
Dr. Roland Vetter und Ray forschen immer wieder, wie manches an den Anlagen verbessert werden kann. Auf keinen Fall wollen wir die Anlagen ihrem Schicksal überlassen. Dafür gibt es leider genug Beispiele aus anderen Projekten. Wir vom Sonnenwasserverein beschränken uns daher auf die Indianerdörfer am Xeruã.
Das Institut für Amazonasforschung in Manaus hat das Patent der Wasserdesinfektionsanlagen, von Dr. Roland Vetter entwickelt, an eine Solarfirma in Manaus verkauft und
diese Firma wird eine Fabrik bauen, die diese Wasserdesinfektionsanlagen dann an die
verschiedensten Orte in Brasilien vermarktet. Dr. Vetter und sein Assistent sollen ihm
bei der Arbeit für zwei Jahre eine gewisse Zeit zur Verfügung stehen. Die brasilianischen Militärs im Amazonas testen schon die Anlage. Dr. Vetter, Ray und ich waren auf
einem deutsch-brasilianischen Symposium für nachhaltige Projekte, das in Santarém,
Bundesstaat Pará, stattfand. Der Bürgermeister dieser Stadt sprach am ersten Tag in
seiner Begrüßungsrede, dass für ihn die Priorität seiner Arbeit sein wird, Trinkwasser
für die Flussrandbewohner des Rio Amazonas innerhalb seines Landkreises bereit zu
stellen. Das haben wir bisher von keinem Bürgermeister in Amazonien gehört. Als wir
die Sonnenwasserdesinfektionsanlage dort vorstellten, war er so begeistert, dass er einen Vertrag mit dem Institut in Manaus schließen möchte, um dort zwei Pilotanlagen
aufzubauen, die von seinem Landkreis und von dem Partnerkreis in der Nähe von Bonn
sowie der Universität in Stuttgart finanziert werden soll.
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Ende März, Anfang April, wenn der Wasserstand der Flüsse noch hoch ist, wollen wir
die zwei Anlagen am Rio Xeruã und die eine Anlage im Kanamari-Dorf in der Nähe
von Carauari installieren. Wir hoffen, dass die Freunde des Sonnenwasser Xeruã e.V.
uns treu bleiben, damit wir weitergehen können. Die Indianer in Brasilien müssen derzeit eine Politik erleben, die auf ökonomische Entwicklung geht. Der Druck auf die Indianergebiete von Seiten der Großgrundbesitzer mit ihren Viehweiden und Sojapflanzungen, des sogenannten „Agribusiness“ und der Bergbaugesellschaften ist groß. Wenige denken daran, dass 30 % des Amazonaswaldes von Indianern gehütet werden.
Auch die Deni mit ihrem 1.530.000 ha großen Gebiet bewahren ihren Wald, ihren
Fisch-und Wildreichtum für die Zukunft ihrer Kinder und Enkel, aber auch für uns. Ich
möchte sie grüßen mit einem Wort von Knut Wellmann: „ Wenn wir freier werden vom
Besitzenmüssen, ...dann sind wir ganz andere Menschen. Ich bin einmal auf ein Wort
gestoßen, - das hat mich sehr berührt. Es war das Wort eines Indianers. Er erzählte und
sagte: Ein glänzender Stein am Wegrand. So klein-und doch so schön. Ich hob ihn auf.
Er war so schön! Ich legte ihn wieder zurück. Und ging weiter...Wir westlichen Leute,
Europäer und Christen, denken, dass wir so weit vorgedrungen sind. Weit vor uns läuft
ein Indianer, der kann es: ein glänzender Stein. So war auch Jesus. Und wir müssen
alle die selig preisen, die ihm schon ein bisschen ähnlich geworden sind.“
Einen kleinen Traum, langjährig gehegt, hoffe ich eines Tages zu verwirklichen. Ein
Künstler aus Manaus, der die zweisprachigen Bücher, die von indigenen Lehrern mit
wundervollen Bilder gestaltet wurden bewunderte diese, möchte den talentiertesten
Zeichnern der Deni und Kanamari gerne einen Malkurs entweder in Manaus oder in der
Stadt Itamarati, also in der Nähe des Rio Xeruã, anbieten. Vielleicht finden sich einige
Freunde, die diesen Kurs mit unterstützen können.
Ich danke allen Freunden des Sonnenwasservereins in Nieste, den Freunden des GustavAdolf-Werks und den Freunden der Deni und Kanamari. Ohne die Zusammenarbeit
von dem Sonnewasserverein in Nieste bei Kassel, dem Gustav-Adolf-Werk in
Leipzig und dem INPA, die uns die Aluminiumkisten mit der UV-Lampe kostenlos
zur Verfügung stellen, hätten wir diese Reise nicht durchführen können.
Bleiben Sie/ bleibt uns verbunden!
Ihr/Eurer Walter Sass
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