Polnische Ostseekueste

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Polnische Ostseekueste
Polnische Ostseeküste
Stettin,
polnisch Szczecin
ist die Hauptstadt der polnischen Woiwodschaft
Westpommern und liegt rund 120 km nordöstlich
von Berlin an der Odermündung zum Stettiner Haff.
Stettin ist einer der größten Seehäfen des
Ostseeraums und siebtgrößte Stadt Polens. Die
Stadt beherbergt mehrere Hochschulen, eine
Universität und ist zusammen mit Kamień
Pomorski Sitz des katholischen Erzbistums StettinCammin.
Geographie
Odermündung
Der größte Teil der Stadt liegt am linken
Westoderufer, das vor allem im Norden der Stadt
von bewaldeten Hügeln geprägt ist (bis 130 m ü.
NN). Auch die Stadtteile Dąbie (Altdamm),
Podejuch (Podjuchy) und Colbatz (Kołbacz) östlich
der Oder sind von Waldgebieten umgeben, der
Buchheide (Puszcza Bukowa, bis 149 m ü. NN)
und der Gollnower Heide (Puszcza Goleniowska).
Zwischen diesen beiden Stauchmoränen verläuft
das bis fünf Kilometer breite Flusstal – begrenzt
von den Hauptarmen Westoder und Ostoder (Odra
Zachodnia und Odra Wschodnia). Die in zahlreiche
Flussarme geteilte Oder mit zahlreichen
Flussinseln reicht bis in das Stadtgebiet.
Unmittelbar südlich der Stadt beginnt der deutschpolnische Internationale Park Unteres Odertal, der
aus dem polnischen Landschaftsschutzpark
Unteres Odertal und dem deutschen Nationalpark
Unteres Odertal besteht und sich über
Schwedt/Oder bis nahe Hohensaaten erstreckt.
Nördlich der Kernstadt weitet sich die Oder zu einem großen Binnensee, dem
Dammschen See (Jezioro Dąbie), auf. In der Höhe von Police (Pölitz) findet der
Fluss wieder in ein (sehr breites) Bett zurück, bevor er sich wieder aufweitet (Roztoka
Odrzańska), die bei Trzebież (Ziegenort) ins Stettiner Haff mündet. Über den Kanał
Piastowski (Kaiserfahrt) und die Swine (Świna) wird bei Świnoujście (Swinemünde)
die offene Ostsee erreicht.
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Der Altstadt direkt gegenüber liegt die Insel Lastadie (Łasztownia), die über die
Hansabrücke erreicht wird. Der Stadtteil Lastadie grenzt unmittelbar an das Gebiet
des Seehafens.
Nördlich davon liegt, zwischen Westoder, Duńczyca
und Oder-Dunzig-Kanal (Kanał Grodzki), die kleine,
unbebaute Insel Schlächterwiese (Wyspa Grodzka).
Südlich von Lastadie liegt die Insel Silberwiese
(Kępa Parnicka), umgeben von Westoder, Grünem
Graben (Kanał Zielony) und Parnitz (Parnica). Die
Silberwiese ist vollständig bebaut. Die Insel war
früher durch die Bahnhofsbrücke mit dem direkt
gegenüber liegenden Hauptbahnhof verbunden, die
Brücke reicht heute nur noch bis zur kleinen
Ahrensinsel in der Westoder. Durch weitere Brücken
ist die Silberwiese mit Lastadie und mit der Neuen
Silberwiese verbunden.
Die südlich angrenzende Neue Silberwiese (Wyspa
Zielona) ist nur zu einem geringen Teil bebaut, die
Insel entstand durch den Bau des ParnitzDurchstichs.
Östlich des Parnitz-Durchstichs liegt die Insel
Vorbruch, die nur im Norden bebaut ist (Siedlung
Vorbruch) und ansonsten weitgehend aus
Kleingärten besteht. Östlich davon liegt der
Hafensee (Jezioro Portowe), der über den
Vorflutkanal (Kanał Rybny) mit der Parnitz
verbunden ist.
Nördlich von Lastadie liegt der Grabower Werder (Wyspa Ostrów), der ursprünglich
eine ungefähr dreieickige Form besaß und von Westoder, Dunzig und Möllnfahrt
begrenzt wurde. Da die Insel mitten im Gebiet des Seehafens liegt, wurden die
Flussarme beim Bau der Hafenbecken stark verändert. So wurde ein Teil der Dunzig
zugeschüttet, wodurch eine direkte Landverbindung mit Lastadie entstand. Die nach
Norden offene Breslauer Fahrt (Kanał Dębicki) wurde damit zu einer Sackgasse.
Durch den Oder-Dunzig-Kanal im Westen der Insel wurde die schon genannte
Schlächterwiese abgetrennt. Der Dunzig-Parnitz-Kanal schuf eine Verbindung
zwischen den beiden Flussarmen. Im Westen des Grabower Werders bedecken
Kleingärten und Wald.
Nördlich davon liegt der Bredower Werder (Wyspa Gryfia), der ganz vom Hafen
eingenommen wird. Ihn umgibt im Westen die Westoder, im Osten die Grabower
Fahrt (Kanał Grabowski) und die Oderfahrt (Przekop Mieleński).
Die nördlich anschließenden Inseln Schwarzer Ort (Czarnołęka) und Großer
Oderbruch (Wyspa Dębina) liegen bereits im Dammschen See.
Im Mündungsbereich der Ostoder in den Dammschen See liegen zwei weitere Inseln.
Die nördliche Insel Mönne war bis 1945 Naturschutzgebiet. Im süd-westlichen Eck
der Mönne befand sich eine der ältesten Vogel- und Naturschutzstationen
Deutschlands, die Naturwarte Mönne. Auf dem Fundament des 1945 zerstörten
Stationsgebäudes steht heute eine Gedenktafel, die auf polnisch und deutsch an den
Gründer der Naturwarte, Paul Robien, erinnert.
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Stadtgliederung
Der historische Stadtkern, die Altstadt, liegt am westlichen Ufer der Westoder. Um
sie herum legt sich die gründerzeitliche Neustadt. Das von diesen beiden
eingenommene dicht bebaute Innenstadtgebiet hat einen Durchmesser von etwa drei
Kilometern.
Die angrenzenden Stadtteile sind lockerer bebaut. Jenseits der Westoder liegen die
Stadtteile Lastadie und Silberwiese auf den gleichnamigen Flussinseln. Auf dem
linken Flussufer grenzt südlich an die Innenstadt Pommerensdorf (Pomorzany),
westlich die Stadtteile Schwarzow (Świerczewo), Torney (Turzyn), Braunsfelde
(Pogodno), und nördlich Grünhof (Bolinko) und Grabow (Grabowo). Die meisten
dieser zentrumsnahen Stadtteile sind ehemalige Dörfer, außerdem gibt es
Villenkolonien der Vorkriegszeit und Plattenbausiedlungen der 60er bis 80er Jahre.
Auch in den Außenbezirken liegen zahlreiche gewachsene, eingemeindete Dörfer.
Vor 1945 war Stettin mit 460 km² Fläche die flächenmäßig drittgrößte Stadt des
Deutschen Reiches, das Stadtgebiet umfasste zahlreiche noch recht ländlich
geprägte Ortschaften. Eine Sonderrolle innerhalb der Außenbezirke nimmt die
ehemalige Stadt Altdamm (Dąbie) auf dem östlichen Oderufer ein. Sie besitzt einen
eigenen mittelalterlichen Stadtkern und ist bis heute das Zentrum des Stettiner
Stadtgebiets rechts der Oder.
Altstadt
Der Bereich der Altstadt wurde nach schweren Kriegszerstörungen nur teilweise
wiederaufgebaut. Bis heute prägen zahlreiche Brachen das Stadtbild im ältesten Teil
Stettins. Zwischen erhaltenen oder nach alten Unterlagen rekonstruierten alten
Bauwerken stehen zahlreiche sehr einfache Wohnhäuser der 50er Jahre.
Den höchsten Punkt der Altstadt nimmt das Schloss der Herzöge von Pommern ein.
Zu seinen Füßen, südlich angrenzend, entstand die bürgerliche Stadt rund um das
heutige, gotische Alte Rathaus am Heumarkt. Das mehrfach erweiterte Gebiet der
mittelalterlichen Stadt lag ungefähr zwischen dem Oderufer und den heutigen
Straßen Dworcowa (Grüne Schanze), al. Niepodleglości (Paradeplatz), pl. Zołnierza
Polskiego (Königsplatz) und der neuen Schnellstraße Trasa Zamkowa
(Schloßtrasse). Ziemlich genau in der Mitte dieses alten Stadtgebiets steht die größte
Kirche der Stadt, die gotische Jakobikirche.
An die mittelalterliche Stadtmauer erinnert heute nur noch der Siebenmäntelturm an
der nordöstlichen Ecke des damaligen Stadtgebiets. Die beiden erhaltenen barocken
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Festungstore, das Berliner Tor im Westen und das Königstor im Norden, entstanden
erst im Zuge des Festungsausbaus nach dem Übergang an Preußen unter König
Friedrich Wilhelm I. zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Sie wurden vom preußischen
Festungsbaumeister Gerhard Cornelius von Wallrave entworfen und dienten neben
militärischen auch repräsentativen Zwecken, u. a. dokumentieren die Inschriften am
Königstor die Insbesitznahme der Stadt durch Preußen.
Zwei weitere gotische Kirchen sind erhalten geblieben, die Johanneskirche,
ursprünglich die Kirche des Franziskanerklosters, am südlichen Rand der Altstadt
und die Kirche St. Peter und Paul im Norden. Dagegen sind die Marienkirche
zwischen Kleiner und Großer Domstraße und die Nikolaikirche neben dem Alten
Rathaus am Heumarkt bereits am Ende des 18. bzw. zu Beginn des 19.
Jahrhunderts aus dem Stadtbild verschwunden. Zwischen Jakobikirche und
Königstor liegen mehrere barocke Stadtpaläste, etwa der ehemalige pommersche
Landtag in der Luisenstraße (Staromłyńska) das Wolkenhauerhaus am Roßmarkt,
heute Musikhochschule, oder das ehemalige Generalkommando, heute
Nationalmuseum, am Königsplatz (pl. Żołnierza Polskiego).
Neustadt
Nach 1945 übernahm die gründerzeitliche Neustadt anstelle der fast völlig zerstörten
Altstadt die meisten Zentrumsfunktionen. Die Anlage der Neustadt ging auf die
Initiative des langjährigen Oberbürgermeisters Hermann Haken zurück.
Ein echter Stadtmittelpunkt ist heute nicht erkennbar, jedoch kann man den Bereich
um den Paradeplatz (al. Niepodległości/pl. Wyzwolenia) zwischen Brama Portowa
(Berliner Tor) und dem Hotelhochhaus Radisson SAS als wichtigsten Straßenzug der
heutigen Innenstadt ansehen. Direkt neben dem Hotelgebäude befindet sich die
Shopping-Mall Galaxy, das größte Einkaufszentrum der Stadt.
Am Paradeplatz stehen einige Prachtbauten der Gründerzeit, etwa das neobarocke
Gebäude der ehemaligen Generallandschaft, heute die Niederlassung einer Bank,
die neugotische Oberpostdirektion und mehrere Kaufhäuser.
Am Berliner Tor stößt rechtwinklig der Hohenzollernplatz (pl. Zwycięstwa) auf den
genannten Straßenzug. Den Platz schmücken repräsentative Grünanlagen, in denen
sich, am westlichen Ende die im Jugendstil errichtete Bugenhagenkirche erhebt. Aus
der gleichen Zeit stammt die benachbarte Garnisonkirche, heute Herz-Jesu.
In der südlichen Neustadt, zwischen Altstadt und Hauptbahnhof, entstanden vor dem
Ersten Weltkrieg weitere repräsentative Großbauten, die heute, nach der Zerstörung
ihrer städtebaulichen Umgebung, als Solitäre in einer Abfolge großer Grünanlagen
stehen.
Nördlich des Bahnhofs, unmittelbar am Oderufer (Bollwerk/Bulwar Piastowski) steht
die Hauptpost, ein mächtiger Bau der Neurenaissance. Das mächtige Neue Rathaus
am Rathausplatz (pl. Ratuszowy) wurde nach Berliner Vorbild Rotes Rathaus
genannt, es beherbergt heute Einrichtungen der Hafenverwaltung. Das nahe
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Stadthaus mit seinem hohen Jugendstilturm ist heute Sitz der pommerschen
Medizinhochschule.
Die äußere Neustadt erinnert in ihrem städtebaulichen Grundriss an Pariser
Vorbilder, in der Architektur der Einzelgebäude dagegen an Berlin. Große, gerade
Straßenachsen schneiden sich an repräsentativen Sternplätzen, deren bekanntester
der pl. Grunwaldzki (ehem. Kaiser-Wilhelm-Platz) im Norden der Neustadt ist. Die
Bebauung der einzelnen Parzellen erfolgte wie in Berlin mit Vorderhäusern,
Seitenflügeln und Quergebäuden, wodurch zahlreiche enge Hinterhöfe entstanden.
Die Bebauung der Neustadt ist überwiegend viergeschossig. Eine der größten
Straßenachsen ist die al. Jedności Narodowej (ehem. Kaiser-Wilhelm-Straße), an
deren Endpunkt das ehemalige Landeshaus steht, das heutige Rathaus der Stadt.
Hinter dem Rathaus liegt die Quinstorp-Aue, in der bereits zu dessen Lebzeiten ein
Denkmal Papst Johannes Paul II. errichtet wurde.
Nördlich der Altstadt, zwischen Oderufer und Grabower Anlagen, entstand von 1902
bis 1921 das bekannteste Bauensemble Stettins, die Hakenterasse. Drei
monumentale Großbauten stehen an dieser Uferstraße: die Seefahrthochschule, das
Stadtmuseum (heute Theater und Meeresmuseum) sowie das Gebäude der
Regierung von Pommern, das heute als Sitz der Wojewodschaft Westpommern
weiterhin seiner ursprünglichen Funktion dient. Die flussseitige Straßenseite
schmücken zwei Jugendstilpavillons und eine große Freitreppe zum tiefer liegenden
Fluss.
Äußere Stadtteile
Die äußeren Stadtteile Stettins sind von großen Grünanlagen durchzogen. Zu diesen
gehört der Hauptfriedhof, im Stadtteil Scheune (Gumieńce) an der Pasewalker
Chaussee (Ku Słońcu), mit 1,7 km² Fläche einer der größten Friedhöfe Europas. Er
wurde auf Initiative des schon erwähnten Oberbürgermeisters Haken angelegt, der
hier auch begraben liegt.
Der nördlich angrenzende Stadtteil Pogodno, die frühere Villenkolonie Braunsfelde,
ist Heimat des Fußballvereins Pogoń Szczecin, der die Stadt in der obersten
polnischen Fußballliga (Ekstraklasa) vertritt. Nördlich dieses Stadtteils liegt der
Eckerberger Wald (Park Leśny Arkónski), ein wichtiges Ausflugsziel. Der schöne
Glambecksee (Głębokie = tiefer See) ist auch dort (Park Leśny Głębokie).
Größere Plattenbausiedlungen liegen am westlichen Rand von Pogodno
(Zawadzkiego, Somosierry), im Süden von Pogodno (Kaliny, Przyjaźni), in
Niebuszewo (Zabelsdorf, Książąt Pomorskich) sowie im südlichen Stadtteil
Pomorzany (Wzgórze Hetmańskie).
Geschichte
Stettin entwickelte sich Ende des 12. Jahrhunderts aus einer wendischen und zwei
benachbarten deutschen Siedlungen, denen der pommersche Herzog Barnim I. 1243
das Stadtrecht verlieh. Danach wuchsen die Stadtteile schnell zusammen und Stettin
wurde zu einem bedeutenden Handelsplatz. 1278 erfolgte die Aufnahme in den
Hansebund. Herzog Otto I. machte Stettin 1309 zur Residenzstadt Pommerns.
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1451 und 1464 wütete die Pest in der Stadt. Nach Einführung der Reformation wurde
in Stettin die erste weltliche Hochschule Pommerns, das Pädagogium, gegründet.
1570 fand hier der so genannte Stettiner Friedenskongress statt, der den Nordischen
Siebenjährigen Krieg beendete. Herzog Johann Friedrich (reg. 1569–1600) baute
das Schloss zu einer Residenz im
Renaissancestil aus und verlieh
ihm im Wesentlichen das heutige
Erscheinungsbild. 1637 starb hier
Herzog Bogislaw XIV. als letzter
Greifenherzog. Von 1630/37 bis
1713/20 war Stettin in
schwedischer Hand. Als Sitz der
schwedischen
Provinzialverwaltung und wichtige
Festung, die den nördlichsten
Oderübergang sicherte, wurde sie
in den Kriegen der schwedischen
Großmachtzeit mehrmals belagert.
1659 widerstand sie den
Belagerern, aber 1677 während des Schwedisch-Brandenburgischen Krieges
eroberte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg die Stadt, musste sie aber
wieder abgeben. 1713 besetzte der preußische König Friedrich Wilhelm I. die Stadt
und erwarb sie endgültig durch den Stockholmer Frieden von 1720. Die Preußen
siedelten wichtige Verwaltungseinrichtungen an und bauten Stettin weiter zu einer
Festungsstadt aus. Während der napoleonischen Kriege wurde die Festung 1806
von den Franzosen kampflos eingenommen, die die Stadt bis 1813 besetzt hielten.
1815 wurde Stettin Hauptstadt der preußischen Provinz Pommern. Mit der Eröffnung
der Eisenbahnlinie Stettin–Berlin und der Erweiterung des Hafens entwickelte sich
die Stadt auch zu einem wichtigen Industriestandort. Nach der Entfestung ab 1870
vergrößerte sich die Stadt durch neue Wohngebiete und Eingemeindungen.
1939 wurde durch die Eingemeindung der Städte Altdamm und Pölitz sowie weiterer
36 Gemeinden Groß Stettin geschaffen. Die rund tausend Stettiner Juden waren die
ersten auf deutschem Gebiet, die von den Nationalsozialisten ins nun besetzte Polen
deportiert wurden: am 12. Februar 1940 erfolgte ihre Verhaftung im ganzen
pommerschen Regierungsbezirk Stettin. 1944 richteten Bombenangriffe des Bomber
Command der RAF große Schäden an, und am 26. April 1945 wurde Stettin von der
Roten Armee erobert.
Nach Kriegsende war der genaue Verlauf der Demarkationslinie zwischen der
Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands und den unter polnische Verwaltung
gestellten deutschen Gebieten im Stettiner Raum noch unklar, so dass die
Sowjetunion zunächst davon absah, das westlich der Oder gelegene Stettin den
polnischen Behörden zu übergeben und in der Stadt eine neugebildete deutsche
Verwaltung einsetzte. Am 5. Juli 1945 wurde Stettin jedoch – unter Bruch
bestehender alliierter Vereinbarungen und des Potsdamer Abkommens, das einen
Grenzverlauf „unmittelbar westlich von Swinemünde und von dort die Oder entlang
bis zur Einmündung der westlichen Neiße“[2] vorsah – von der sowjetischen
Besatzungsmacht an Polen übergeben und von diesem in Szczecin umbenannt.
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Anschließend erfolgte die Ablösung der deutschen Stadtverwaltung und die
Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Stettin wurde als Hauptstadt der
gleichnamigen Woiwodschaft und unter Reaktivierung von Industrie,
Bildungseinrichtungen etc. wiederaufgebaut. Die neuen Einwohner Stettins
stammten dabei vor allem aus den polnischen Ostgebieten, die nach dem 2.
Weltkrieg an die Sowjetunion (heute zu Litauen, Belarus und Ukraine gehörig) fielen.
Der Hafen wurde erst 1955 von der Sowjetunion an die Stadt übergeben. 1970 wie
1980 kam es zu Arbeiterunruhen und neben Danzig wurde Stettin zur Keimzelle der
Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc. 1972 machte die katholische Kirche Stettin
zum Bistumssitz. Am 27. Mai 1990 wurde die erste demokratische Kommunalwahl
durchgeführt. 1999 wurde Stettin im Zuge einer Verwaltungsreform Hauptstadt der
neuen Woiwodschaft Westpommern.
Religion
Jakobikirche, Westfassade.Die Einwohner Stettins,
so wie ganz Pommerns, wurden mit der
Reformation fast ausschließlich evangelisch. 1905
waren 93,3 % der Stettiner evangelisch und 3,9 %
katholisch. Die Eintragungen über Taufen,
Eheschließungen und Todesfälle der
evangelischen Kirchenmitglieder in Stettin sind seit
1603 vorhanden und wurden nach 1920 von der
HLT-Kirche ("Mormonen") aufgezeichnet. Mit der
Vertreibung der deutschen Bevölkerung 1945 bis
1948 endete auch die evangelische Zeit in Stettin:
von ehemals 15 Stadtgemeinden besteht noch
eine, deren Zentrum die ehemalige
Gertrudenkirche (heute: Św. Trójce/Trinitatis) an
der Großen Lastadie (heute: ul. Energetyków) ist.
Sie gehört zur Diözese Breslau der Evangelischen
Kirche Augsburger (lutherischer) Konfession in
Polen, die etwa 0,3 % der Gesamtbevölkerung
umfasst.
Da die heutigen polnischen Bewohner mehrheitlich
dem katholischen Glauben angehören, wurde 1972
ein katholisches Bistum mit Sitz in Stettin
eingerichtet, das 1992 zum Erzbistum StettinCammin erhoben wurde. Die Jakobikirche im
Zentrum der Stadt wurde zur katholischen
Kathedrale.
Die Ukrainische Griechisch-Katholische Kirche in
der ul. MickiewiczaDie in großer Zahl in Stettin
lebenden Ukrainer gehören überwiegend der
Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche aber
auch der Polnisch-Orthodoxen Kirche an. Kirchen
dieser beiden christlichen Religionsgemeinschaften
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byzantinischen Ritus befinden sich auf dem früheren Gelände des Bethanienstifts an
der ul. Mickiewicza.
Stettin gilt auch als eines der Zentren des polnischen Buddhismus. Unter anderem
befindet sich hier der Sitz der 'Misja Buddyjska' (Buddhistischen Mission), einer
Dachorganisation buddhistischer Gruppen in Polen. Mit der Eröffnung einer
'Buddhistischen Bibliothek' im Rahmen der Pommerschen Bibliothek durch S.H. Dalai
Lama im Mai 2000 wurde die Bedeutung Stettins gewürdigt. 2005 fand auf Einladung
der polnischen Buddhisten der Jahreskongress der Europäischen Buddhistischen
Union und das Treffen der 'Buddhist Teachers in Europe' in Stettin statt.
Wichtige Bauwerke, Straßen und Plätze
Das Schloss der Herzöge von Pommern (Zamek Książąt Pomorskich)
wurde im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Erst in den 80er Jahren wurde es im
Stil der Renaissance rekonstruiert, als Orientierung dienten unter anderem Stiche
aus dem 17. Jahrhundert. Das Schloss liegt an der nordöstlichen Ecke der Altstadt,
besitzt einen großen, quadratischen und einen kleineren, länglichen Hof sowie zwei
Türme. Im großen Schlosshof finden im Sommer Freiluftkonzerte statt. Ein Flügel des
Schlosses dient als Stettiner Opernhaus.
Der benachbarte Siebenmäntelturm (Baszta Siedmiu Płaszczy) verdankt seinen
Namen der Legende nach einem Schneider, der dem Herzog von Pommern sieben
Mäntel nähen sollte, aber mit dem wertvollen Stoff zu fliehen versuchte und nach
seiner Festnahme in diesem Stadtmauerturm seine Strafe absitzen musste.
Der gotische Loitzenhof (Dom Loitzów , 16. Jahrhundert) unterhalb des
Schlosses war der Sitz der bedeutenden Kaufmannsfamilie Loitz, die durch den
Salzhandel zu großem Reichtum kam und als Bankiers in vielen Städten
Nordeuropas vertreten waren. Das Handelsimperium, dessen wichtigste Zentren
außer Stettin auch Danzig und Lüneburg waren, brach 1572 zusammen, als große
Kredite an den König Sigismund II. von Polen und Kurfürst Joachim II. von
Brandenburg nach deren Tod nicht zurückgezahlt wurden. Die Familie Loitz konnte
dadurch ihre eigenen Gläubiger nicht mehr bezahlen und musste aus Stettin fliehen.
Die spätgotische Peter-und-Paul-Kirche (Kościół Piotra i Pawła) steht an der
Stelle des ersten christlichen Gotteshauses der Stadt, in dem bereits der
Missionsbischof Otto von Bamberg 1124 die Messe feierte.
Die Jakobikirche (Katedra pw. Św. Jakuba) wurde von den Bürgern der stolzen
Hansestadt nach dem Vorbild der (allerdings unerreichten) Lübecker Marienkirche
errichtet. Die dreischiffige Hallenkirche war sehr reich ausgestattet, sie wurde jedoch
1677 durch Kriegsereignisse zerstört. 1894 stürzte der zuvor aufgestockte Westturm
ein, wurde jedoch wiederaufgebaut. Luftangriffe während des Zweiten Weltkriegs
hatten einen erneuten Einsturz des damals 119 Meter hohen Turms und große
Schäden am Kirchenschiff zur Folge. Die Kirche wurde erneut wiederaufgebaut, die
Nordwand erhielt dabei eine moderne Fassade im Stil der 1950er Jahre. Sie ist heute
die Kathedrale des katholischen Erzbistums Stettin-Cammin.
Heumarkt und Altes Rathaus
Das Alte Rathaus stammt aus dem 14. Jahrhundert und wurde ab 1677 im barocken
Stil wieder aufgebaut. Nach der Zerstörung während des Zweiten Weltkrieges
erfolgte die Rekonstruktion der ursprünglichen gotischen Gestaltung. Die
Nordfassade zum Neuen Markt (Rynek Nowy) erhielt einen vereinfacht
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rekonstruierten, durchbrochenen gotischen Ziergiebel, die Südfassade zum
Heumarkt zeigt Formen der Renaissance. Im Alten Rathaus befindet sich heute das
Museum für Stadtgeschichte. Im Ratskeller befindet sich ein Restaurant.
Der Heumarkt (Rynek Sienny) erhält zur Zeit seine historische Gestalt wieder. An
seiner Ostseite entstehen Neubauten, deren Platzfassade am historischen Vorbild
orientiert ist. Die westliche Platzseite ist noch nicht geschlossen.
Den Roßmarkt (Plac Orła Białego) nördlich der Jacobikirche ziert eine Grünanlage
mit einer Statue der Göttin Flora (18. Jh.) und dem barocken Roßmarktbrunnen.
Das große Gründerzeitbauwerk auf der Westseite des Platzes war die Preußische
Nationalversicherung. Im Vorgängerbau (1723-26) wurde 1759 Maria Feodowora
geboren. Im benachbarten, barocken Wolkenhauerhaus, erbaut vom
niederländischen Kaufmann Georg Christian Velthusen, produzierte die Firma C.
Wolkenhauer Klaviere. Heute beherbergt es eine Musikhochschule.
Im ehemaligen Pommerschen Landtag in der Luisenstraße (ul. Staromłyńska), einem
barocken Palast des Architekten G. C. Wallrave, befindet sich heute ein Museum zur
Geschichte Pommerns. Das preußische Generalkommando direkt gegenüber ist
Museum für polnische Kunst des frühen 20. Jahrhunderts.
Das barocke Königstor (Brama Królewska, 1725-27) an der nördlichen
Begrenzung der Altstadt und das Berliner Tor (Brama Portowa, 1725-29) am
Hohenzollernplatz sind prächtige Schmuckbauten. Die Wandreliefs erinnern an den
Kauf Pommerns durch Preußen.
Die Hakenterrasse
(Wały Chrobrego) ist das bekannteste Bauensemble der Stadt. Die
baumbestandene, hoch über der Oder gelegene Uferstraße entstand zwischen 1900
und 1914 auf dem Gelände des aufgegebenen Forts Leopold nördlich der Altstadt.
Drei monumentale öffentliche Gebäude stehen hier. Die Seefahrthochschule, das
südliche Bauwerk, ist ein Bau der deutschen Neurenaissance. Ihr folgt das
ehemalige Museum der Stadt Stettin, ein heller Jugendstilbau mit einem
stadtbildprägenden, kupfergedeckten Mittelturm. Es ist heute Sitz des
Meeresmuseums, einer Abteilung des polnischen Nationalmuseums. Im Gebäude
befindet sich außerdem ein Theater. Das dritte Großbauwerk, die in nordischer
Renaissance errichtete Regierung von Pommern ist heute der Sitz der
Wojewodschaft Westpommern. Vor dem mittleren Bau öffnet sich die Allee zwischen
zwei Jugenstilpavillons zur Oder, eine breite Freitreppe führt hinunter zum Fluss.
Der Hochhauskomplex PAZIM wurde 1992 fertiggestellt, er beherbergt ein Hotel der
Radisson-Kette sowie Büronutzungen. Das Hochhaus hat 22 Etagen und ist 92 m
hoch. Es ist damit aber nur das zweithöchste Bauwerk der Stettiner Stadtgeschichte:
der im Zweiten Weltkrieg eingestürzte Westturm der Jacobikirche war 119 m hoch.
Neben dem PAZIM befindet sich das 2003 eröffnete Einkaufszentrum Galaxy Center
(al. Wyzwolenia), in dem sich unter anderem Filialen von H&M und der französischen
Hypermarktkette Géant befinden.
Die Kaiser-Wilhelm-Straße (al. Jedności Narodowej) ist die größte der
Straßenachsen der Neustadt. Auf ihr liegen zwei große Plätze, der Kaiser-WilhelmPlatz (pl. Grunwaldzki) und der Augustaplatz (pl. Lotników). Auf letzterem steht ein
Reiterstandbild (1913) von Bartolomeo Colleoni. Die Quistorpaue (Park Kasprowicza)
am nördlichen Ende der Straße wurde der Stadt von einem Bürger namens Quistorp
unter der Bedingung geschenkt, dass sie für immer von Bebauung freizuhalten sei.
Hier feierte Papst Johannes Paul II. 1987 mit rund einer Million Gläubigen die heilige
Messe.
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Die Generallandschaft am Paradeplatz
PostamtDer Paradeplatz (al. Niepodległości) ist heute der wichtigste Straßenzug der
Innenstadt. Auf der östlichen Straßenseite gibt es Geschäfte und Restaurants, auf
der westlichen Seite repräsentative Großbauten, darunter die neobarocke
Generallandschaft (Emil Drews, 1891-1895), heute Sitz eines Kreditinstituts (Bank
Pekao SA) und die benachbarte neugotische Oberpostdirektion (1903-1905).
Am südlich angrenzenden Hohenzollernplatz (pl. Zwycięstwa) stehen außer dem
Berliner Tor zwei große Kirchen, die Bugenhagenkirche (neugotische und
Jugenstilformen, 1906-1908) und die ehemalige Garnisonkirche (1913-1915,
Jugendstil).
Neues Rathaus (1879 vollendet), neugotisch, auf dem Rathausplatz der
Manzelbrunnen(Ludwig Manzel 1898). Anstatt der Sedina, einer allegorischen, die
Stadt Stettin verkörpernden Frauenfigur, schmückt ihn heute ein Anker. In der Nähe
steht das ehemalige Stadthaus, heute medizinische Akademie, ein monumentaler
Jugendstilbau mit hohem Turm.
Der unten beschriebene Hauptbahnhof macht einen wenig ansehnlichen Eindruck,
das Empfangsgebäude stammt aus den 50er Jahren und zeigt im Innern eine große
Landkarte Pommerns.
Wirtschaft und Verkehr
Seehafen Stettin-Swinemünde
Seehafen StettinDer Seehafen an der Odermündung in das Stettiner Haff ist für die
gesamte polnische Wirtschaft wichtig – der Hafen Stettin-Świnoujście ist nach Danzig
der zweitgrößte Seehafen des Landes. Die Lage an der Odermündung macht Stettin
zum natürlichen Seehafen für das gesamte Einzugsgebiet dieses Stroms. Dies
betrifft seit 1945 zuallererst die Produktion des Oberschlesischen Industriegebiets um
Kattowitz, des größten Ballungsraums des Landes. Ähnlich wie im Ruhrgebiet bildet
der örtliche Steinkohlebergbau die wirtschaftliche Grundlage dieser Region, die
dortige Stahlindustrie benötigt außerdem Eisenerz. Das für Oberschlesien bestimmte
Eisenerz wird deshalb über Stettin-Swinemünde importiert und dort auf Binnenschiffe
verladen, die zu exportierenden fertigen Stahlprodukte nehmen den umgekehrten
Weg, ebenfalls über Stettin.
Bis 1945 war Stettin außerdem der Ein- und Ausfuhrhafen für Berlin, die zeitweise
größte Industriestadt Europas war über den bereits 1605 (und nach Zerstörung 1743
wieder) eröffneten Finowkanal sowie ab 1917 über den moderneren Oder-HavelKanal mit der Oder verbunden. Die enge wirtschaftliche Symbiose zwischen beiden
Städten riss nach Krieg, Vertreibung und Grenzziehung weitgehend ab. Durch den
europäischen Einigungsprozess kann für die Schiffsverbindung zwischen Berlin und
Stettin jedoch perspektivisch wieder eine größere Bedeutung angenommen werden.
Der Seehafen Stettin-Swinemünde hatte 2004 einen Gesamtumschlag von 15,5
Millionen Tonnen und 27.700 Containern. Der Fährhafen (die meisten Verbindungen
beginnen in Swinemünde) zählte 740.000 Passagiere, die die Verbindungen nach
Skandinavien benutzten.
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Stettin ist außerdem ein bedeutender Schiffbaustandort, die Werft ist mit rund 10.000
Beschäftigten die größte in Europa.
Eisenbahnverkehr
Hauptbahnhof
Der Hauptbahnhof nach der Renovierung
Blick vom Gleisfeld des Hauptbahnhofes zur AltstadtStettin ist bereits seit 1843 an
das Eisenbahnnetz angebunden. In diesem Jahr erreichte die am 1. August 1842
zwischen Berlin und Eberswalde eröffnete Stettiner Bahn ihren Endpunkt in der
pommerschen Hauptstadt. Die Strecke begann im Stettiner Bahnhof an der Berliner
Invalidenstraße und führt über Bernau, Eberswalde und Angermünde nach Stettin.
Der Endbahnhof hieß demnach zunächst Berliner Bahnhof; aus ihm entwickelte sich
der heutige Hauptbahnhof (Szczecin Główny) am linken Oderufer südlich des alten
Stadtkerns. Stettin war Sitz einer Eisenbahndirektion, der späteren
Reichsbahndirektion. Neben der Strecke nach Berlin gibt es heute Eisenbahnlinien
von Stettin nach Vorpommern (Pasewalk), auf der durchgehende Regionalzüge nach
Lübeck verkehren, entlang der Oder nach Süden (Gryfino, Küstrin, Zielona Góra,
Breslau), nach Osten (Stargard Szczeciński–Posen–Warschau und Stargard–
Koszalin) sowie entlang der Ostseeküste über Kołobrzeg und Koszalin nach Danzig.
Regionalzüge verkehren über Goleniów nach Kamień Pomorski sowie zur Insel
Wollin bis nach Świnoujście. Auf dem linken Oderufer verkehren Vorortzüge quer
durch das Stettiner Stadtgebiet nach Police und Trzebiez.
Die Strecken nach Angermünde und Pasewalk werden von Zügen der Deutschen
Bahn bedient. Ab Berlin-Hauptbahnhof ist Stettin ca. alle zwei Stunden erreichbar.
Meistens besteht eine Anschlussverbindung über Angermünde, es gibt wenige
durchgehende Züge. Die Regionalzüge über Pasewalk stellen eine durchgehende
Verbindung - ebenfalls im Zwei-Stunden-Takt - über Schwerin nach Lübeck dar. Das
Wochenendticket und Ländertickets gelten bis Stettin.
Die Bahnstrecke führt unmittelbar nördlich des Hauptbahnhofs in einem weiten
Bogen über die Oder, die Insel Silberwiese (Kępa Parnicka) und die Parnitz. Jenseits
dieses Oderarms erreicht die Bahn das Hafengebiet, ein großer Güterbahnhof (Port
Centralny) schließt sich dort an.
Flughafen Stettin-Gollnow
Der Flughafen in Goleniów (35 km nordöstlich) hatte 2003 rund 90.000 Passagiere
und etwa 7.500 Flugbewegungen, bei stark steigender Tendenz. Die meisten
Linienflüge gehen mit LOT nach Warschau, die irische Billiglinie Ryanair fliegt
außerdem einmal täglich nach London.
Oderbrücken
Hansabrücke, um 1900In Stettin befinden sich die letzten festen Querungen der
Oder vor ihrer Mündung. Im Stadtgebiet und der näheren Umgebung kreuzen vier
Straßen und zwei Eisenbahnstrecken den in viele Flussarme geteilten Strom:
11
Südlich der Stadt, bereits im Bereich des Landschaftsschutzparks Unteres Odertal
gelegen, verläuft die Autobahn A6 (Europastraße 28), die von Berlin nach Danzig
führt.
Am südlichen Stadtrand verläuft die Schnellstraße nach Posen (Autostrada
Poznańska), die auch vom Stadtbus benutzt wird. Direkt parallel zur Straße verläuft
eine Eisenbahnstrecke, die von Güterzügen zur Umfahrung des Hauptbahnhofs
genutzt wird. Straße und Eisenbahn kreuzen West- und Ostoder jeweils auf
gemeinsamen Brücken.
Die im Krieg zerstörte Bahnhofbrücke wurde nicht wiederaufgebaut, ihre Reste
verbinden heute nur noch die Ahrensinsel mit der Silberwiese.
Die Eisenbahn quert unmittelbar nördlich des Hauptbahnhofs die Westoder, die
anschließende Insel Silberwiese und die Parnitz.
Die traditionelle Stadtbrücke in der Altstadt war die Hansabrücke, an ihrer Stelle steht
heute die Lange Brücke (Most Dlugi).
Zwischen Schloss und Hakenterrasse kreuzt die am Königstor beginnende,
autobahnähnliche Schlossstraße (Trasa Zamkowa) die Oder. Sie ist die letzte
Oderbrücke vor der Mündung.
Kołobrzeg
(deutsch Kolberg) ist eine Hafenstadt in der
Woiwodschaft Westpommern im Norden Polens an
der Ostsee. Kołobrzeg ist Sol- und Kurbad, die
Einwohner leben vorwiegend vom Fremdenverkehr
und der Fischereiwirtschaft.
Geographische Lage
Die Stadt liegt im Norden der Woiwodschaft
Westpommern direkt an der Ostseeküste und an
der Mündung des Flusses Persante. Das
Stadtgebiet erstreckt sich auf ca. 1.800 Hektar. Die
Woiwodschaftshauptstadt Stettin (polnisch
Szczecin) liegt etwa 150 Kilometer südwestlich von
Kołobrzeg entfernt, zur nächsten größeren
Nachbarstadt, Koszalin (Köslin), sind es 41
Kilometer.
Geschichte
Archäologischen Untersuchungen zufolge bestand
bereits zwischen dem siebten und dem achten
Jahrhundert eine Siedlung, die der Ausbeutung der
Salzquellen an der Mündung der Persante diente.
Kolberg wurde zuerst in der Chronik Thietmar von Merseburgs unter dem Namen
salsa Cholbergiensis erwähnt, und zwar als Sitz des Bischofs Reinbern im Jahre
1000. Mit dessen Vertreibung ging einige Jahre später das Bistum wieder unter.
12
1255 wurde Kolberg durch Herzog Wartislaw III. von Pommern und Bischof Hermann
von Cammin das Stadtrecht nach Lübischem Recht verliehen. Die Stadt war
zwischenzeitlich Hauptstadt des Landes Kassuben, wurde aber 1277 an das
pommersche Bistum Cammin abgetreten. Die Bürger lebten vorwiegend vom
Seehandel, dem Salzabbau und der Fischerei. 1300 wurde mit dem Bau der
Hauptkirche, dem heutigen Kolberger Dom, begonnen. 1361 wurde Kolberg
deutsche Hansestadt und verblieb bis zum Jahre 1610 in der Hanse. In dieser
Blütezeit der Stadt waren die Salzproduktion, der Salzhandel und der Fischfang die
Haupteinnahmequellen Kolbergs und brachten viel Wohlstand. Seit Anfang des 14.
Jahrhunderts besaß Kolberg ein eigenes Münzrecht mit Ausnahme der Prägung von
Goldmünzen. Das Münzrecht wurde 1548 durch Kaiser Karl V. bestätigt. 1530 wurde
in Kolberg die Reformation eingeführt.
Im 17. Jahrhundert entvölkerte sich Kolberg durch
den Dreißigjährigen Krieg und seine Auswirkungen.
Kolberg kam mit dem Stift Cammin 1648 an
Brandenburg. In der Folgezeit wurde die Festung
Kolberg mehrfach belagert, unter anderem im
Siebenjährigen Krieg (erfolglos), 1758 durch die
Russen und 1760 durch die Schweden und
kapitulierte schließlich am 16. Dezember 1761
infolge einer Hungersnot nach viermonatiger
Belagerung durch russische Einheiten unter Pjotr
Alexandrowitsch Rumjanzew-Sadunaiski. Zuletzt
wurde sie 1807 durch die Truppen Napoleons
erfolglos belagert. Berühmt durch die bis zum
Tilsiter Frieden erfolgreich abgewehrte Belagerung
wurden der greise Kommandant Loucadou sowie
von Gneisenau, von Schill und Nettelbeck. Dieser
Erfolg wurde im nationalsozialistischen
Propagandafilm Kolberg glorifiziert.
Nach der Neuorganisation der Kreisgliederung im
preußischen Staat nach dem Wiener Kongress
gehörte die Stadt Colberg (damalige Schreibweise) 1816 zum Kreis Fürstenthum im
Regierungsbezirk Cöslin (seit den 1920er Jahren: Köslin) in der preußischen Provinz
Pommern. Mit Auflösung des Kreises Fürstenthum zum 1. September 1872 wurde
Colberg Sitz des Landrates für den neuen Kreis Colberg-Cörlin.
Die Festung Kolberg war immer wieder Haftort für bekannte Persönlichkeiten wie
Friedrich Ludwig Jahn (Turnvater Jahn), Arnold Ruge.
Das 19. Jahrhundert war gekennzeichnet durch einen langen wirtschaftlichen
Aufschwung und die Entwicklung Kolbergs zu einem preußischen See-, Moor- und
Solebad. 1872 wurde die Festung auf kaiserliche Anordnung aufgehoben. In der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war die Stadt mit etwa 33.000 Einwohnern
einerseits prosperierender Badeort, andererseits Sitz von preußischen
Heeresleitungsabteilungen mit zahlreichen Kasernen.
13
1891 wurde durch amtliche Festlegung die Schreibweise der Stadt mit K = Kolberg
angeordnet. Am 1. Mai 1920 verließ die Stadtgemeinde Kolberg den Kreis KolbergKörlin und bildete seitdem einen eigenen Stadtkreis. Bei der letzten deutschen
Volkszählung 1939 hatte Kolberg 36.760 Einwohner, von denen sich 94 % zum
evangelischen Glauben bekannten.
Ende Januar 1945 wurde in Berlin und La Rochelle Veit Harlans Kolberg, der bis
dato teuerste und aufwendigste deutsche Monumentalfilm, uraufgeführt. In diesem in
Agfacolor gedrehten nationalsozialistischen Propaganda- und Durchhaltefilm, in dem
die Geschichte der Stadt während der Napoleonischen Kriege im Sinne der
Nationalsozialisten propagandistisch missbraucht wurde, wirkten unter anderem
Kristina Söderbaum und Heinrich George mit. Bei den Kämpfen um die Stadt am
Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Kolberg zu 90 Prozent zerstört. Nach der
Vertreibung lebten im Mai 1945 nur noch etwa 2.200 Deutsche in Kolberg. Die neu
hinzuziehenden polnischen Bürger der in Kołobrzeg umbenannten Stadt mussten die
vollständig zerstörte Infrastruktur neu aufbauen.
1950 hatte die Stadt etwa 7.000 Einwohner, 1960 waren es bereits 17.000. Ab 1975
erfolgte eine Wende in der Baupolitik Kołobrzegs. Statt größerer Plattenbauten
entstehen seitdem wieder vorwiegend kleinere Häuser auf dem alten, historischen
Straßenraster.
In den letzten Jahren sind in der Innenstadt von Kołobrzeg viele Gebäude in einem
altstadtgemäßen Stil errichtet worden und der Fremdenverkehr hat deutlich
zugenommen.
Sehenswürdigkeiten
Budzistowo (Altstadt)
ist eine zwei bis drei Kilometer südlich der heutigen
Stadt gelegene ehemalige Burganlage an der
Persante. Sehenswert sind eine kleine
Backsteinkirche vom Anfang des 13. Jahrhunderts
sowie ein kleines Schlösschen.
Der bis 1945 evangelische Kolberger Dom wurde
zuerst 1316 erwähnt. Auffällig ist der Turm der
Backsteinkirche, ein aus ursprünglich zwei Türmen
zusammengemauertes Turmmassiv. Das im
Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Bauwerk wurde
nach dem Wiederaufbau in eine katholische Kirche
(Marienkirche) umgewandelt und von Papst
Johannes Paul II. 1986 in den Rang einer
Marienbasilika erhoben.
Das Rathaus
wurde 1829 bis 1832 nach den Entwürfen des
preußischen Baumeisters Karl Friedrich Schinkel
erbaut. Es ersetzte ein gotisches Rathaus, das bei der Belagerung Kolbergs durch
die Franzosen 1807 zerstört worden war. Ein vor dem Rathaus ursprünglich
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befindliches Denkmal des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm III. wurde 1945
zerstört.
Der Leuchtturm
wurde nach dem Zweiten Weltkrieg als eines der ersten Gebäude neu erbaut und ist
heute ein Wahrzeichen der Stadt. Es befindet sich auf den Resten eines alten Forts
zur Verteidigung des Kolberger Hafens.
Die 220 Meter lange Kolberger Seebrücke
ist die zweitlängste Betonseebrücke in Polen.
Das 1713 erbaute Gneisenauhaus war 1807 Sitz des Festungskommandanten
August Graf Neidhardt von Gneisenau.
Das Museum der polnischen Waffen,
in welchem unter anderen eine deutsche Enigma ausgestellt ist.
Das kleine Stadtmuseum mit Ausstellung zur Stadtgeschichte Kolbergs.
Von einer kleinen Quelle kann stark salziges Heilwasser selber abgefüllt werden.
Söhne und Töchter der Stadt
Johannes Colberg,
(* 31. März 1623; † 19. September 1687 in Greifswald) war ein deutscher
lutherischer Theologe
Martin von Rango
(* 18. Oktober 1634; † 1688 in Kolberg), Ratsherr, Advokat und Chronist der Stadt
und Pommerns.
Konrad Tiburtius Rango,
(* 9. August 1639; † 3. Dezember 1700 in Greifswald), Theologe und
Pflanzenkundler.
Karl Wilhelm Ramler,
(* 15. Februar 1725 in Kolberg; † 11. April 1796). Lyrischer Dichter, Übersetzer,
Direktor des Nationaltheaters Berlin. Sein Lebenswerk wurde 1800–1801 von
Leopold Friedrich Günther von Goeckingk in Berlin als Poëtische Werke in zwei
Teilen herausgeben.
Joachim Nettelbeck,
(* 20. September 1738; † 19. Juni 1824 ebenda). Seefahrer und Bürgerrepräsentant
während der Belagerung 1807.
Hermann Freihold Plüddemann,
(* 17. Juli 1809; † 24. Juni 1868 in Dresden). Historienmaler und Illustrator.
Martin Plüddemann, (* 29. September 1854; † 8. Oktober 1897 in Berlin), von
Richard Wagner als wichtigster deutscher Balladenkomponist bezeichnet) und
Musikpädagoge. 1878 Kapellmeister St. Gallen, 1880 Gesanglehrer und Musikkritiker
in München, 1885 Landsberg/Warthe, 1860 Berlin, 1887 Leiter der Singakademie
Ratibor, 1890 Dirigent und Musiklehrer in Graz (heute Plüddemanngasse,
Plüddemann-Gymnasium), seit 1894 in Berlin. 48 Balladen und Gesänge, ab 1890
von W. Schmid, Nürnberg, herausgegeben. Literatur: u. a. Ludwig Schemann (1930):
Martin Plüddemann und die deutsche Ballade.
Magnus Hirschfeld,
(* 14. Mai 1868; † 14. Mai 1935 Nizza). Arzt und Sexualforscher.
Hans Benzmann
(* 27. September 1869; † 9. Januar 1926 in Berlin), deutscher Lyriker.
15
Alfred Uckeley
(* 1874; † 26. Dezember 1955 in Marburg) Evangelischer Theologe,
Nationalsozialist, "Deutscher Christ".
Paul Oestreich
(* 30. März 1878; † 28. Februar 1959 in Berlin) deutscher Reformpädagoge
Karl Hans Janke
(* 21. August 1909; † 15. Februar 1988 in Wermsdorf, Sachsen) war ein deutscher
Ingenieur, Künstler und Erfinder
Egon Krenz,
(* 19. März 1937), ehemaliger Politiker, 1989 kurzzeitig Generalsekretär des ZK der
SED und Vorsitzender des Staatsrates der DDR.
Wichart von Roëll
(* 1937), deutscher Schauspieler (Klimbim, Kanal fatal)
Persönlichkeiten, die vor Ort gewirkt haben
Hans Heinrich von Held
wurde 1801 nach Kolberg verbannt. Er schrieb später eine Geschichte Kolbergs und
ist der Autor der einflussreichen Schrift Über das Meerbad bei Colberg und die beste
und wohlfeilste Art sich desselben mit Nutzen zu bedienen.
Paul Hinz,
(* 1899 in Bad Polzin). 1930 bis 1945 Domprediger in Kolberg, nach 1945
Superintendent in Halberstadt. Angehöriger des Widerstandes in Dritten Reich.
Rettete 1945 wertvolle Domschätze (u. a. die berühmte Schlieffenkrone und das
Taufbecken), die heute wieder im Kolberger Dom zu sehen sind. Würdigung des
deutschen evangelischen Geistlichen im heute polnischen katholischen Dom durch
zwei Schautafeln. Literatur: Paul Hinz (1936): Der Kolberger Dom und seine
Bildwerke, Paulus Hinz: Bettler und Lobsänger – Plastiken seines Sohnes, des 17jährig verstorbenen Erdmann-Michael Hinz.
Hermann Hirschfeld
(* 1825; † 17. Juni 1885 Kolberg), Vater des in Kolberg geborenen Magnus
Hirschfeld, war Medizinalrat und Badearzt. Er ließ sich Mitte des 19. Jahrhunderts in
Kolberg nieder und trug entscheidend zum Aufstieg der Stadt zu einem Badeort bei.
Außerdem machte er sich um die Einrichtung einer Kanalisation in Kolberg verdient.
1886 wurde ihm ein Denkmal enthüllt.
Friedrich Ludwig Jahn, preußischer Begründer der Gymnastik, auch Turnvater Jahn
genannt, lebte fünf Jahre als Verbannter in Kolberg.
August von Quistorp, Offizier, erhielt den Pour-le-Mérite-Orden für die Verteidigung
Kolbergs gegen die napoleonischen Truppen.
Wolin
(deutsch Wollin)
ist eine zu Polen gehörende Insel in der Ostsee vor dem Stettiner Haff ca. 60 km
nördlich von Stettin. Westlich wird sie von der Swine (polnisch Świna), östlich von der
Dziwna (deutsch Dievenow) begrenzt. Sie hat eine Fläche von 265 km² und ist bis zu
115 m hoch. Auf Wolin befindet sich auch das bekannte Ostseebad Międzyzdroje
(deutsch Misdroy).
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Verkehr
Es besteht eine Fährverbindung von Świnoujście (deutsch Swinemünde) nach Ystad
(Schweden) und nach Kopenhagen. Das Swinemünder Fährterminal liegt auf der
Insel Wolin. Straßenbrücken über die Dziwna bei der Stadt Wolin und bei Dziwnów
(deutsch Berg Dievenow) sowie eine Eisenbahnbrücke bei Wolin führen auf das
polnische Festland (Verbindung nach Stettin). Die wichtigste Straßenverbindung ist
die Landesstraße 3 (droga krajowa 3), welche zugleich ein Teilstück der
Europastraße 65 ist. Inseln Usedom und Wolin sind durch Fähren verbunden, die bei
Świnoujście und Karsibór die Swine überqueren. Bereits im Jahre 1936 war der Bau
eines Tunnels geplant, der Swinemünde mit der Insel Wollin verbinden sollte. Das
Projekt wurde wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges nicht verwirklicht, ist
aber nunmehr erneut im Gespräch.
Tourismus
Der Türkisfarbene See bei WapnicaWegen seiner schönen Ostseestrände
(insbesondere in Międzyzdroje, Wisełka und Międzywodzie) ist Wollin im Sommer ein
beliebtes Ferienziel. Eine weitere Touristenattraktion ist der 1960 gegründete
Wolliner Nationalpark. Dieser umfasst derzeit eine Fläche von knapp 11.000 ha und
verfügt über einen kleinen Wildpark nahe Międzyzdroje. Dort gibt es u.a. einige
Exemplare der beinahe ausgestorbenen Wisente zu sehen. Interessant sind auch die
Stadt Wolin (Stadt des pommerschen Reformators Bugenhagen) sowie die Orte
Wapnica (Kalkofen) mit seinem Türkisfarbenen See (die ehemalige Kreidegrube der
Großeltern des berühmten Arztes Carl Ludwig Schleich) und Lubin (Lebbin) mit
seinem slawischen Burgwall.
Geschichte
967 wurde die Wolin durch Mieszko I. an das polnische Reich angegliedert. Um die
Wende des 10. Jahrhunderts konnte sie ihre Unabhängigkeit wiedererlangen. In den
folgenden Jahrhunderten wurde die Insel häufig von den Dänen überfallen. 1121
erobert Boleslaw III. die Insel. Die Pommern und die Polen hatten sich mit
wechselndem Erfolg des Öfteren bekriegt. Nach der Christianisierung der
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Bevölkerung durch Otto von Bamberg siedelten sich immer mehr Deutsche an. Die
Wenden wurden schließlich assimiliert und die slawische Sprache verschwand
allmählich zugunsten der deutschen Sprache. Nach dem Dreißigjährigen Krieg im
Jahre 1648 wurde die Insel schwedisch, bis sie 1720 von Preußen und nach der
Reichsgründung im Jahre 1871 Teil des Deutschen Reiches war. In der Endphase
des Zweiten Weltkrieges wurde Wollin von der Roten Armee eingenommen und im
Anschluss die ansässige deutsche Bevölkerung – sofern Sie nicht bereits gefüchtet
war – vertrieben. Gemäß dem Potsdamer Abkommen fiel Wollin als Teil der
deutschen Ostgebiete an Polen.
Kamień Pomorski
(deutsch Cammin, auch Kammin) ist eine polnische
Kreisstadt in der nordwestlichen Woiwodschaft
Westpommern.
Geographische Lage
Die Stadt liegt im Nordwesten der Woiwodschaft
Westpommern am Zalew Kamienski (Kamminer
Bodden), einer Ausbuchtung der zur Ostsee
gehörenden Dziwna (Dievenow). Bis zur Ostsee und
dem Badeort Dziwno (Klein Berg) sind es zehn
Kilometer, nach Stettin etwa 70 Kilometer.
Geschichte
1107 wird ein wendischer Burgwall erwähnt. Als
Anfang des 12. Jahrhunderts Polenherzog Boleslaw
III. Schiefmund Pommern erobert, um es zu
christianisieren, holt er zu diesem Zweck Bischof
Otto von Bamberg in das Land. In diesem
Zusammenhang wird 1124 Cammin erwähnt, als
sich Otto dort im Juni aufhält, um die Slawen zu
taufen. 1128 unternimmt Otto mit Unterstützung des
späteren römisch-deutschen Kaisers Lothar III. eine
weitere Missionsreise nach Pommern, in deren
Rahmen er sich erneut in Cammin aufhält. Der
zwischen 1121 und 1135 regierende
Pommernherzog Wartislaw I. hat seine Residenz in
Cammin. Im Zusammenhang mit der Gründung des
Klosters Stolpe wird 1153 als dessen Ordinator der
Bischof Adelbertus von Cammin genannt. Jedoch
wird das Bistum Cammin erst nach der
Unterwerfung Hinterpommerns durch Heinrich den
Löwen im Jahr 1175 mit Bischof Konrad I. von
Salzwedel offiziell gegründet. Zu dieser Zeit lässt
Herzog Kasimir I. den Dom St. Johannis errichten.
18
Brandenburgische Truppen zerstören 1273 die
Ortschaft, die ein Jahr später unter Beteiligung
niederdeutscher Einwanderer westlich der Burg
wieder aufgebaut wird und welcher 1274 der
pommersche Herzog Barnim I. das lübische
Stadtrecht verleiht. Die niederdeutschen
Zuwanderer besiedeln die Ratswiek, die frühere
wendische Siedlung, neu. Die Herzöge Otto I.,
Barnim III. und Wartislaw IV., Herrscher über
Pommern-Wolgast, verkaufen am 16. August 1321
die Stadt für 8.000 Mark an den Camminer Bischof
Konrad IV. Im Kampf gegen die im Land
marodierenden Raubritter und Plünderer wird
Cammin 1417 Mitglied des Wehrbündnisses
ostpommerscher Städte gegen "Schinder, Räuber
und Bodenstülper". 1418 wird Pommernherzog
Bogislaw VIII. in Cammin beigesetzt. Nachdem
1535 in Pommern die Reformation eingeführt wird,
wird 1545 der Stettiner Kanzler Bartholomäus
Suawe erster evangelischer Bischof.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg kommt Cammin
zu Schweden. 1679 erwirbt es Brandenburg im
Frieden von Saint-Germain. 1650 verzichtet der
letzte Titularbischof von Cammin, Herzog Ernst
Bogislaw von Croy, gegen eine Abfindung
zugunsten des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von
Brandenburg auf seine Rechte im Bistum. Als Anfang des 18. Jahrhundert Cammin
vom so genannten Sundzoll befreit wird, lassen sich viele Kaufleute aus Lübeck,
Rostock und Stralsund in der Stadt nieder. Nach dem Wiener Kongress gehört
Cammin zur preußischen Provinz Pommern und wird 1818 Kreisstadt des
Landkreises Cammin. 1876 bis 1913 ist Cammin bei den Wahlen zum preußischen
Landtag und zum Reichstag Hochburg der Deutschkonservativen Partei, die jeweils
mehr als 50 % der Stimmen erhält. 1881 wird Cammin Solbad. 1892 erhält Cammin
eine Eisenbahnverbindung nach Stettin. Bei der Volkszählung 1905 geben in der
Stadt 98,6 % der Bewohner die evangelische und 1,0 % die römisch-katholische
Konfession an. Zur letzten deutschen Volkszählung 1939 hatte die Stadt 6.070
Einwohner. Während des Zweiten Weltkrieges nimmt Cammin Evakuierte aus Lünen
auf. Im März 1945 wird die Stadt von der Roten Armee erobert. Während der
Kampfhandlungen wird die Stadt zu 60 % mitsamt dem Stadtzentrum zerstört.
Danach fällt die Stadt unter polnische Verwaltung. Fast alle bisherigen Bewohner
müssen, soweit nicht im Krieg geflohen, die Stadt verlassen. Die Stadt wird neu
besiedelt, zum einen Teil von vertriebenen Polen, insbesondere aus dem heutigen
Litauen, zum anderen Teil von Umsiedlern aus Zentralpolen. Nach 1945 erhält die
Stadt ein Marineausbildungszentrum. In den 1960er Jahren wird ein Teil der
zerstörten Gebäude wiederaufgebaut und die Stadt um neue Wohnsiedlungen
vergrößert.
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Sehenswürdigkeiten
Woliner Tor und Piast Turm, Reste der mittelalterlichen Stadtmauer in Kamień
Pomorski.
Johannes-Kathedrale.Kathedrale St. Johannes (bis 1535 und seit 1945 katholisch,
1535 bis 1945 evangelisch; frühere Bezeichnung Dom St. Mariae et Johannes
baptista, Baubeginn 1175, Orgel 1669 von Michael Birgel)
Marktplatz mit Rathaus (Mitte 14. Jh.) und früherem Fachwerkhaus Hoefs (17. Jh.)
Wolliner Tor
Bischofsschloss (16. Jh.)
Ehem. St. Niklauskirche (16. Jh., heute Heimatmuseum)
Bedeutende Persönlichkeiten
Karl Bernhard Bamler
(1865-1926), deutscher Meteorologe, Lehrer und Pionier des Freiballonfahrens
Erland Erdmann
(*1944), deutscher Mediziner
Uwe Johnson
(1934-1984), deutscher Schriftsteller
Ewald Georg von Kleist
(1700-1748), Physiker
Johannes Meinhold
(1861-1937), deutscher Theologe
Günter Spielmeyer
(*1925), deutscher Jurist
Klausjürgen Wussow
(1929-2007), deutscher Schauspieler
Trzebiatów
(deutsch Treptow an der Rega) ist eine polnische Stadt in der Woiwodschaft
Westpommern, im Kreis Gryfice.
Geographische Lage
Die Stadt liegt am nordöstlichen Rande der
Woiwodschaft Westpommern und wird von drei Seiten
vom Fluss Rega eingeschlossen, der nach elf
Kilometern in die Ostsee mündet. Der Ort bedeckt eine
Fläche von etwa neun km² und liegt 8,5 Meter über
dem Meeresspiegel. Die nächstgelegenen größeren
Städte sind Stettin (108 km) und Koszalin (92 km). Die
Fähre nach Świnoujście mit Verbindungen nach Ystad,
Malmö und Kopenhagen ist 80 km entfernt. In der
Stadt kreuzen sich die Wojewodschaftsstraßen (droga
wojewodzka) Nr. 102 und 109 und die Bahnstrecke
20
Geschichte
Die Stadt Treptow an der Rega hatte für das religiöse Leben in Pommern eine
besondere Bedeutung. Zum einen war sie Wirkungsstätte von Johannes
Bugenhagen, der im 16. Jahrhundert maßgeblich mit der von ihm verfassten
„Bugenhagenschen Kirchenordnung“ an der Einführung des lutherischen Glaubens in
Pommern beteiligt war. Zum anderen war die Stadt der Ort, an dem durch den
Landtag zu Treptow 1534 auf Veranlassung der pommerschen Herzöge Barnim XI.
und Philipp I. die Einführung der lutherischen Lehre (Reformation) beschlossen
wurde.
Am Ende des 12. Jahrhunderts
befand sich auf einer Regainsel
unterhalb eines Burgwalls eine
von Wenden bewohnte Ortschaft
namens Bollenburg. Westlich
dieses Platzes ließen sich in der
ersten Hälfte des 13.
Jahrhunderts deutsche
Einwanderer nieder, die der
pommersche Herzog Barnim I.
zur Besiedlung seines Landes
angeworben hatte. Erst relativ
spät erhielt die Siedlung unter
dem Namen Treptow von Barnim
I. unter Mitwirkung seines Sohnes
Bogislaw IV. 1277 das lübische Stadtrecht. Zu diesem Zeitpunkt lag mit Prenzlau die
erste Stadtgründung Barnims bereits 42 Jahre zurück. 1180 entstand nördlich der
Stadt das Prämonstratenserkloster Belbuck, das ebenfalls zur Besiedlung des
Gebietes beitrug. Das Kloster verfiel jedoch bereits im 16. Jahrhundert. Zur Stärkung
seiner Handelskraft wurde Treptow 1287 das Recht der freien Schifffahrt auf der
Rega verliehen und Zollfreiheit in den pommerschen Landen gewährt. Dadurch war
es der Stadt möglich, der Hanse beizutreten und an der Ostseeküste von Lübeck bis
Riga Handelsbeziehungen anzuknüpfen. Als sich jedoch der Verfall des
Hansebundes abzuzeichnen begann, erklärte Treptow 1450 offiziell wieder seinen
Austritt. Anstelle des wendischen Burgwalles wurde für Nonnen des
Prämonstratenserordens das Kloster Marienbusch erbaut, das 1750 in einen
klassizistischen Schlossbau umgewandelt wurde. Um 1300 wurde die
Stadtbefestigung errichtet, von der heute noch Reste der Mauer und des so
genannten Grützturms erhalten sind. 1303 begann man mit dem Bau der
dreischiffigen Marienkirche, der erst 1370 abgeschlossen war. Nahe der
Flussmündung gelegen, konnte Treptow fast uneingeschränkt den Schiffsverkehr auf
der Rega kontrollieren. Das hatte unter anderem heftige Streitigkeiten mit dem
südlich gelegenen Greifenberg zur Folge, die 1449 ihren Höhepunkt hatten, als
Treptow versuchte, den Fluss zu sperren. Zur Förderung der eigenen Schifffahrt
errichtete Treptow an der Flussmündung den Hafen Regamünde, der aber durch
eine Sturmflut 1456 zerstört wurde. Ende des 15. Jahrhunderts wurde die Ratsschule
gegründet, deren Rektor Bugenhagen von 1504 bis 1521 war.
21
Während des Dreißigjährigen Krieges litt Treptow unter den Plünderungen des
kaiserlichen Heeres. Nach dem Ende des Krieges kam die Stadt 1648 unter die
Herrschaft Brandenburgs, wurde verwaltungsmäßig dem Greifenberger Kreis
zugeordnet und wurde Garnisonsstadt. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts begann sich
die Stadt durch neue Wohnsiedlungen auszudehnen, und mit dem 1882 erfolgten
Anschluss an die Bahnlinie Greifenberg–Kolberg begann auch die Industrie in
Treptow zu expandieren. So wurde eine Silberwarenfabrik gegründet, und Zuckerund Baustoffwerke siedelten sich an. Zu dieser Zeit hatte Treptow etwa 7.000
Einwohner.
Jeweils vor den beiden Weltkriegen entstanden umfangreiche Kasernenbauten,
daneben gab es in den 1920er Jahren abermals eine Stadterweiterung durch
Stadtrandsiedlungen. Als 1939 zum letzten Mal eine deutsche Volkszählung die
Einwohnerzahl für Treptow ermittelte, lebten dort 10.908 Menschen. Im Kampf um
Treptow zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden weite Teile der Stadt zerstört.
Nach Übernahme durch die polnische Verwaltung erfolgte die Umbenennung in
Trzebiatów.
Sehenswürdigkeiten
Der Palast in TrzebiatówSehenswert sind der bis heute erhaltene Stadtkern mit
seinem mittelalterlichen Charakter, der große Marktplatz mit dem 1701 erbauten
Rathaus im Barockstil und mit den umliegenden Bürgerhäusern sowie der Dom mit
seinem 90 Meter hohen Turm.
Bedeutende Persönlichkeiten
Johannes Bugenhagen,
Reformator Pommerns, von 1505–1521 Rektor der Stadtschule von Treptow/Rega
Johannes Aepinus,
Schüler der Stadtschule von Treptow/Rega, Theologe und kirchenpolitischer
Reformator
Friedrich Wilhelm Karl Herzog von Württemberg (König Friedrich I.),
* 6. November 1754 in Treptow/Rega
Ferdinand Friedrich August Herzog von Württemberg,
* 22. Oktober 1763 in Treptow/Rega
Johann Gustav Droysen,
* 6. Juni 1808 in Treptow/Rega, deutscher Historiker und Begründer der preußischkleindeutschen Geschichtsschreibung
Ferdinand von Arnim,
geb. 1814 in Treptow/Rega, Architekt
Peter Friedrich Arndt,
* 23. August 1817 in Treptow/Rega, deutscher Mathematiker
August Zillmer,
* 23. Januar 1831 in Treptow/Rega, Versicherungsexperte
Günther von Krosigk,
* 13. September 1860 in Treptow/Rega, Admiral
D. Paul Kalmus,
* 18. Juni 1864 in Treptow/Rega, Generalsuperintendent von Pommern
(Ostsprengel)
August Horneffer,
22
Gryfice
(deutsch Greifenberg in Pommern) ist
eine Stadt in der Woiwodschaft
Westpommern im Nordwesten Polens.
Die Stadt liegt im Osten der
Woiwodschaft Westpommern am Fluss
Rega. Die Ostseeküste ist 28 Kilometer
entfernt. Im Powiat Gryficki befinden sich
einige populäre Badeorte, darunter
Pobierowo (Poberow), Rewal (Rewahl),
Niechorze (Seebad Horst) und Mrzeżyno
(Deep). Die nächste größere Stadt ist
Kołobrzeg (Kolberg), 48 Kilometer in
nordöstlicher Richtung. Zur
Woiwodschafts-Hauptstadt Stettin sind es auf der Straße etwa 90 Kilometer
Geschichte
In der Mitte des 13. Jahrhunderts herrschten in Pommern die Greifenherzöge Barnim
I. und Wartislaw III. Sie riefen zu Stärkung ihres Herrschaftsgebiets Deutsche ins
Land, Barnim siedelte vornehmlich Deutsche in den östlichen Gebieten an, während
Wartislaw in dem von ihm beherrschten westlichen Bereich holländische und
dänische Siedler anwarb. Beide Herzöge wetteiferten ab 1234 mit der Gründung von
Städten. Zu Wartislaws Stadtgründungen gehören unter anderem Greifswald,
Demmin und Kolberg. Erst zwei Jahre vor seinem Tod stellte er 1262 eine
Stadtgründungsurkunde nach lübischem Recht für eine am Mittellauf des Flusses
Rega gelegene Siedlung aus, der er 100 Hufen Land überließ. Der künftige
Statthalter Jakob von Trebetow bekam davon 20 Hufen und den Auftrag, die
Stadtgründung voranzutreiben. Dies alles geschah, ohne dass für die zukünftige
Stadt ein Name festgelegt wurde. Erst nach dem Tode von Wartislaw verlieh dessen
Erbe Barnim I. der Stadt den Namen „Griphenberch“.
Nach der Verleihung des Rechts der freien Schifffahrt auf der Rega gelangte die
Stadt schnell zu Wohlstand. Der Handel blühte weiter auf, nachdem 1365 der Beitritt
zur Hanse erfolgte. Greifenberg umgab sich mit einer Stadtmauer, durchbrochen von
drei Toren, von denen das Hohe und das Steintor noch heute erhalten sind. Ende
des 13. Jahrhunderts wurde mit dem Bau der dreischiffigen Backsteinkirche St.
Marien begonnen. In einer Urkunde aus dem Jahr 1386 wird eine Lateinschule in
Greifenberg erwähnt, die allgemein als die älteste in Pommern bezeichnet wird. Im
15. Jahrhundert gab es mehrfach Streitigkeiten mit dem nördlich gelegenen Treptow,
das versuchte, von den auf der Rega fahrenden Greifenberger Schiffen Zoll
einzufordern. Der Konflikt eskalierte, als Treptow 1449 versuchte, den Fluss für alle
aus Süden kommenden Schiffe zu sperren.
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1658 brach ein verheerender Stadtbrand aus, dem
auch die Marienkirche zum Opfer fiel. Ihr
Wiederaufbau dauerte zehn Jahre. Zu dieser Zeit
befand sich Greifenberg als Ergebnis des
Westfälischen Friedens bereits unter der
Herrschaft Brandenburgs und war
verwaltungsmäßig in den Greifenberger Kreis
eingegliedert worden. Während des 18.
Jahrhunderts dehnte sich die Stadt durch die
Errichtung der Camminer und Triglaffer Vorstadt
aus, und es kam zu Umschichtungen der
Erwerbsquellen. War bisher der Seehandel
dominant gewesen, wurde er allmählich durch die
Leinenweberei verdrängt, mit der die Stadt sich
später einen guten Namen machte.
Mit der preußischen Verwaltungsreform von 1818 wurde Greifenberg Kreisstadt des
Landkreises Greifenberg. Im Rahmen einer Stadterweiterung entstand die
Greifenberger Neustadt. Zu dieser Zeit lebten etwa 5.000 Menschen in der Stadt.
1882 erfolgte der Anschluss an die Bahnlinie Altdamm – Kolberg, und am 1. Juli
1896 wurde die Greifenberger Kleinbahn, eine Schmalspurbahn, eröffnet. Dadurch
mit bedingt siedelten sich neue Industriebetriebe wie Zucker-, Ofen- und
Tonwarenfabriken an. 1939 wurde durch die letzte deutsche Volkszählung eine
Einwohnerzahl von 10.805 ermittelt.
Als am Ende des Zweiten Weltkrieges die sowjetischen Truppen die Stadt eroberten,
fiel die Innenstadt einem Großbrand zum Opfer, und am Ende der Kampfhandlungen
war Greifenberg zu etwa 40 Prozent zerstört. Die noch in der Stadt verbliebenen
deutschen Bürger wurden 1946 ausgewiesen und die Stadt kam unter polnische
Verwaltung. Der polnische Staat gab der Stadt den Namen Gryfice und besiedelte sie
mit polnischen Bürgern.
Museen und Sehenswürdigkeiten
Das Schmalspurbahnmuseum Gryfice zeigt Ausstellungsstücke zur Geschichte der
Kleinbahnen in Pommern. Es befindet sich beim Bahnhof.
Gute Reise wünscht Ihnen Werner Engel
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