Fall3-Folien - Universität Augsburg

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AG Grundkurs Öffentliches Recht II Teil 1 Allgemeines Verwaltungsrecht Fall 3 ‐ Folien Jennifer Ricketts, Wiss. Mit. (LS Wollenschläger) Universität Augsburg Sommersemester 2012 Obersatz: Die Klage des H hat Erfolg, wenn sie vor dem zuständigen Gericht erhoben, zulässig und begründet ist. 1. Teil: Wiederholung – Zulässigkeit einer Anfechtungsklage A. Verwaltungsrechtsweg und zuständiges Gericht I.
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ‐ Keine aufdrängende Sonderzuweisung ‐ Eröffnung gem. § 40 I 1 VwGO: o Öffentlich‐rechtliche Streitigkeit: modifizierte Subjektstheorie o Nichtverfassungsrechtlicher Art: keine doppelte Verfassungsunmittelbarkeit o Keine abdrängende Sonderzuweisung II.
Zuständiges Gericht ‐ Sachlich: § 45 VwGO ‐ Örtlich: § 52 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 1 II Nr. 6 AGVwGO B. Zulässigkeit der Klage I.
Statthafte Klageart ‐ Rechtsschutzbegehren (§§ 88, 86 III VwGO) ‐ § 42 I Alt. 1 VwGO: Vorliegen eines VA? o Hoheitliche Maßnahme o Behörde o Auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts o Regelung o Einzelfall o Unmittelbare Außenwirkung ‐ Noch rechtlich existent? (Abgrenzung zur Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 I 4 VwGO) o Bekanntgabe gem. Art. 41 BayVwVfG AG Grundkurs Öffentliches Recht II Teil 1 Allgemeines Verwaltungsrecht Fall 3 ‐ Folien Jennifer Ricketts, Wiss. Mit. (LS Wollenschläger) Universität Augsburg Sommersemester 2012 o Keine Erledigung gem. Art. 43 II BayVwVfG:  Rücknahme gem. Art. 48 BayVwVfG  Widerruf gem. Art. 49 BayVwVfG  Anderweitige Aufhebung: Wiederaufgreifen des Verfahrens gem. Art. 51 BayVwVfG, Abhilfe bzw. Aufhebung iRd. Widerspruchsverfahrens gem. §§ 72, 73 VwGO, Aufhebung durch Gerichtsurteil gem. §§ 113 I 1 oder V VwGO  Erledigung durch Zeitablauf  Erledigung auf andere Weise  Erledigung = Wegfall der Regelungswirkung des VA, d.h. dieser ist nicht mehr vollziehbar und auch eine Rücknahme ist mangels Gegenstands aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen sinnlos  z.B. Tod des Adressaten bei höchstpersönlichen Verwaltungsakten; Freilassung einer Person in Gewahrsam vor Klageerhebung; Durchführung einer Durchsuchung vor Klageerhebung;  Nicht: Dauerverwaltungsakte (z.B. Genehmigungen) II.
III.
Klagebefugnis gem. § 42 II VwGO ‐ Möglichkeitstheorie ‐ Adressatentheorie Kein Vorverfahren gem. §§ 68 ff. VwGO ‐ Grundsatz: § 68 I 1 VwGO AG Grundkurs Öffentliches Recht II Teil 1 Allgemeines Verwaltungsrecht Fall 3 ‐ Folien IV.
V.
Jennifer Ricketts, Wiss. Mit. (LS Wollenschläger) Universität Augsburg Sommersemester 2012 ‐ Ausnahme: § 68 I 2 Alt. 1 VwGO ‐ In Bayern: Art. 15 AGVwGO  Widerspruchsverfahren nur in Ausnahmefällen (siehe Abs. 1) statthaft Ordnungsgemäße Klageerhebung gem. §§ 81, 82 VwGO Klagefrist gem. § 74 I VwGO 1. „Berechnung“ ‐ § 74 I 2 VwGO  Bekanntgabe ‐ Bekanntgabe gem. Art. 41 II 1 BayVwVfG: am dritten Tage nach Aufgabe zur Post  15.11.2011 ‐ Beginn der Frist gem. §§ 57 II VwGO, 222 I ZPO, 187 I BGB: Tag nach der Bekanntgabe  16.11.2011 ‐ Ende der Frist gem. §§ 74 I, 57 II VwGO, 222 I ZPO, 188 II Alt. 1 BGB: Tag, der dem Bekanntgabetag entspricht, nach Ablauf eines Monats  15.12.2011, 24 Uhr 2. „Rettungsmöglichkeiten“ ‐ Jahresfrist nach § 58 II 1 VwGO mangels ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung ‐ Sonntag oder Feiertag gem. § 222 II ZPO (i.V.m. Art. 1 FTG) ‐ Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 60 VwGO VI.
VII.
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis ‐ Einfachere, ebenso effektive Möglichkeit der Rechtsdurchsetzung? ‐ Rechtsmissbrauch?/Verwirkung? Beteiligungs‐ und Prozessfähigkeit gem. §§ 61 ff. VwGO 1. Beteiligungsfähigkeit ‐ § 63 VwGO ‐ § 61 VwGO 2. Prozessfähigkeit § 62 VwGO 3. Postulationsfähigkeit § 67 VwGO AG Grundkurs Öffentliches Recht II Teil 1 Allgemeines Verwaltungsrecht Fall 3 ‐ Folien Jennifer Ricketts, Wiss. Mit. (LS Wollenschläger) Universität Augsburg Sommersemester 2012 VIII. Zwischenergebnis Die Anfechtungsklage des H wurde vor dem zuständigen Gericht erhoben und ist auch zulässig. 2. Teil: Begründetheit einer Anfechtungsklage C. Begründetheit der Klage (Obersatz für Anfechtungsklage  Passivlegitimation + § 113 I S. 1 VwGO) Die Anfechtungsklage des H ist begründet, soweit sie sich gegen den richtigen Beklagten wendet (§ 78 VwGO), der angefochtene VA rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen (subjektiv‐öffentlichen) Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO). I.
Passivlegitimation gem. § 78 VwGO  Frage nach dem richtigen Beklagten  § 78 VwGO als Ausprägung des Rechtsträgerprinzips  Hier: Gemeinde als Gebietskörperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 11 II 1 BV, Art. 1 S. 1 BayGO)  Merkregeln: ‐ Handelt eine Gemeinde/Große Kreisstadt/Kreisfreie Stadt ist stets diese auch selbst passivlegitimiert. ‐ Handelt das Landratsamt ist stets zu unterscheiden, ob es staatliche Aufgaben oder Aufgaben des Landkreises wahrnimmt. Im ersten Fall ist der Freistaat Bayern richtiger Beklagter im letzten Fall der Landkreis hingegen selbst. II.
Rechtswidrigkeit des angefochtenen VA Obersatz: Die Gewerbeuntersagung (VA) ist rechtswidrig, wenn sie ohne Rechtsgrundlage erlassen wurde oder wenn sie formelle oder materielle Voraussetzungen nicht erfüllt. AG Grundkurs Öffentliches Recht II Teil 1 Allgemeines Verwaltungsrecht Fall 3 ‐ Folien III.
Jennifer Ricketts, Wiss. Mit. (LS Wollenschläger) Universität Augsburg Sommersemester 2012 1. Rechtsgrundlage ‐ Grund: Vorbehalt des Gesetzes gem. Art. 20 III GG ‐ Hier: § 35 I 1 GewO 2. Formelle Rechtswidrigkeit a) Zuständigkeit ‐ Hier: laut Sachverhalt + b) Verfahren ‐ Stets zu beachten: Anhörung gem. Art. 28 BayVwVfG c) Form ‐ Art. 37 BayVwVfG: grundsätzliche Formfreiheit ‐ Art. 39 BayVwVfG: Erfordernis einer Begründung 3. Materielle Rechtswidrigkeit a) Voraussetzungen der Rechtsgrundlage Hier: § 35 I 1 GewO aa) Ausüben eines Gewerbes bb) Tatsachen, welche die Unzuverlässigkeit begründen  Unbestimmter Rechtsbegriff, dennoch gerichtlich überprüfbar (Art. 19 IV GG)  Definition: unzuverlässig ist, wer nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird b) Verstoß gegen höherrangiges Recht Verletzung eines subjektiv‐öffentlichen Rechts Hier: Gewerbefreiheit gem. § 1 I GewO bzw. Berufsfreiheit gem. Art. 12 I GG AG Grundkurs Öffentliches Recht II Teil 1 Allgemeines Verwaltungsrecht Fall 3 ‐ Folien Jennifer Ricketts, Wiss. Mit. (LS Wollenschläger) Universität Augsburg Sommersemester 2012 D. Ergebnis Die Klage des H wird Erfolg haben, da sie vor dem zuständigen Gericht erhoben wurde, sowie zulässig und begründet ist. 3. Teil: Wiederholung – Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage Lösungsschritte: A. Vorliegen eines VA B. Merkmale eines VA  hier: Problem Einzelfall C. Sonderfall des VA: Die Allgemeinverfügung gem. Art. 35 S. 2 BayVwVfG (generell‐konkrete Regelung) 1. Die adressatenbezogene Allgemeinverfügung gem. Art. 35 S. 2 Alt. 1 BayVwVfG  Personenkreis kann nach allgemeinen Merkmalen (sozusagen gattungsmäßig) bestimmt werden 2. Die dingliche Allgemeinverfügung gem. Art. 35 S. 2 Alt. 2 und 3 BayVwVfG  Richtet sich nicht unmittelbar an Personen, sondern regelt öffentlich‐
rechtliche Eigenschaften einer Sache. Der Rechtszustand dieser Sache begründet jedoch mittelbar Rechte und Pflichten für die Personen, die diese Sache benutzen und dadurch von der dinglichen Allgemeinverfügung betroffen sind. D. Ergebnis: Ausschlaggebend für die Verwaltungsaktqualität ist das Merkmal der Konkretheit des geregelten Falls.  Verkehrszeichen = benutzungsregelnde Allgemeinverfügung gem. Art. 35 S. 2 Alt. 3 BayVwVfG