Stellungnahme zum geplanten Designer Outlet-Center

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Stellungnahme zum geplanten Designer Outlet-Center
R h e in i s ch er Ve re in f ür D en k ma lpf leg e
u n d La n ds c h aft ss c hu tz
Regionalverband Wuppertal-Solingen-Remscheid
Stellungnahme zum
geplanten Designer Outlet-Center Blume
in Remscheid-Lüttringhausen
Januar 2011
Blick auf den geplanten Standort des Outlet-Centers in Remscheid Lüttringhausen (Blume)
Im Hintergrund auf dem Berg liegt in ca. 6 km Entfernung das Stadtzentrum Remscheids
Verfasser:
Haimo Bullmann
Raumplaner
unter Mitwirkung von
Peter Maar
Städtischer Oberverwaltungsrat a.D.
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Inhaltsübersicht
Seite
Einführung
3
I. Der Investor und das geplante Outlet-Center in Remscheid
4
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
Der Konzern McArthur Glen
Das Designer Outlet Center in Roermond
Herkunft der Designer-Kleidung, Unternehmensverantwortung
Ober- und Mittelzentren im Einzugsgebiet des geplanten Centers
Zentrale Orte und Ziele der Raumordnung
Der Standort Blume in der Regionalplanung
Konzept des Designer Outlet-Centers in Remscheid-Lüttringhausen
Die verödete Innenstadt von Remscheid
II. Großflächige Einzelhandels-Center in Deutschland
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Das Bundesbauministerium zu großflächigen Einzelhandelszentren
Entwicklung großflächiger Einzelhandels-Center in Deutschland
Kommunalpolitische Gründe für die Ablehnung großer Center
Gutachter
Politik und Stadtplanung
Arbeitsplätze
III. Planungsrechtliche Hindernisse
1. Vorhabenbezogener Bebauungsplan für das Outlet-Center Blume
2. Erwerb der Grundstücke und Enteignung
3. Allgemeine Ziele der Raumordnung
4. Ziele der Raumordnung für Outlet-Center
5. Bauleitplanung und Baunutzungsverordnung
6. Beteiligung benachbarter Gemeinden
7. Erschließung durch Straßen
8. Panikprävention (Panikvorbeugung)
9. Entwässerung
10. Denkmalschutz
11. Orts- und Landschaftsbild
12. Flächenverbrauch und Bodenschutz
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IV. Ein Outlet-Center in der Innenstadt
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V. Zusammenfassung
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Einführung
Nach einer Presseinformation der Stadt Remscheid vom 2. 11. 2010 möchten Investoren ein
„Designer Outlet-Center“ an der Autobahn-Anschlussstelle Remscheid-Lennep/ LüttringhausenSüd (BAB A 1) im Ortsteil Remscheid-Lüttringhausen bauen. Bei dem Investor handelt es sich um
die britische Firma McArthur Glen, die u.a. das Outlet-Center in Roermond/Niederlande betreibt.
Der geplante Standort, die alte Kulturlandschaft ‚Blume‘, wird landwirtschaftlich genutzt. In ihrer
unmittelbaren Nachbarschaft befindet sich der historische Ortskern von Lüttringhausen. Dessen
Ortsbild und Denkmaleigenschaften würden durch das Center erheblich beeinträchtigt werden.
Auch aus der Sicht der Stadtentwicklung ist die Ansiedlung eines Outlet-Centers ‚auf der grünen
Wiese‘, weitab von der Innenstadt und deren Zentrum abzulehnen. Remscheid hat in den letzten
30 Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um sein Stadtzentrum aufzuwerten. Auf
Grund der stark schrumpfenden Bevölkerung nimmt die Kaufkraft der Stadt ohnehin ab. Ein
Outlet-Center Blume in Lüttringhausen wäre etwa 6 Straßenkilometer von der Innenstadt Remscheids entfernt, würde Kaufkraft binden sowie die Qualität und Funktion der eigenen Innenstadt
einschränken.
Wesentlich schwerwiegender sind die Auswirkungen des geplanten Centers auf die Innenstädte in
der Region. Ein Outlet-Center in Remscheid-Lüttringhausen würde Kaufkraft in erheblichem Umfang aus der Region abziehen. Eine Verödung benachbarter Innenstädte wäre zu erwarten. Betroffen wären etwa 30 Städte mit der Bedeutung von Mittel- und Oberzentren.
Die Landesregierung NRW hat die Stadt Remscheid im November 2010 gebeten, zu dem Vorhaben
aus bauleitplanerischer und landesplanerischer Sicht Stellung zu nehmen und diese der Bezirksregierung Düsseldorf vorzulegen.
Stuttgart 21 hat gezeigt, dass sich die Bürger und Vereine in ein Verfahren für ein Vorhaben von
überregionaler Bedeutung frühzeitig einbringen müssen, um auf das Verfahren einwirken zu können. Wir befürchten, dass in Kürze Fakten geschaffen werden, die nicht mehr rückgängig gemacht
werden können.
Der Heimatbund Lüttringhausen und der Rheinische Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, Regionalverband Wuppertal-Solingen-Remscheid, haben deshalb zu einem sehr frühen
Zeitpunkt Argumente zusammengetragen. Wir wollen mit der vorliegenden Stellungnahme aufzeigen, dass das geplante Outlet-Center mit den Zielen der Raumordnung, den Interessen der Nachbarstädte, einer nachhaltigen Stadtentwicklung und dem Vertrauensschutz traditioneller Investoren und Geschäftsinhaber in den Innenstädten nicht vereinbar ist.
Heimatbund Lüttringhausen e.V.
Rheinischer Verein für
Denkmalpflege und Landschaftsschutz
Regionalverband Wuppertal-Solingen-Remscheid
Peter Maar
Vorsitzender
Haimo Bullmann
Vorsitzender
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Der Investor und das geplante Outlet-Center in Remscheid
1. Der Konzern McArthur Glen
Die McArthurGlen group mit Sitz in Großbritannien ist ein international tätiger Konzern. Er verkauft seit 1995 Designer-Waren im Einzelhandel. Im Jahre 2009 gehörten zu der Firma 19 Designer
Outlet Center, davon 7 in Großbritannien und 12 auf dem Festland. Weitere Center sind im Bau.
Die Einzelhandels-Geschäftsfläche des Konzerns betrug 2009 mehr als 500.000 m². Die 19 Center
wurden von mehr als 75 Millionen Menschen besucht, der Erlös (Umsatz) im Einzelhandelsverkauf
betrug 2009 fast 2 Milliarden Euro.
Auf dem europäischen Festland gehörten 2009 folgende Design-Outlet-Center zu dem Konzern:
Name
Ort
Geschäftsfläche
in m² (Total Retail
Floor Area)
Geschäfte
Datum der Eröffnung
(Stores)
Athens Designer Outlet
Athen
???
???
im Bau
Barberino Designer Outlet
Barberino del
Mugello,
in Nähe Florenz
Elstal,
in Nähe Berlin
25.000
100
März 2006
16.500
(1. Bauabschnitt)
80
Juni 2009
2. Bauabschnitt Sept. 2010
Castel Romano Designer
Outlet
Hamburg Designer Outlet
Castel Romano,
in Nähe Rom
Neumünster,
in Nähe Hamburg
25.000
110
15.000
95
Oktober 2003
2. Bauabschnitt Nov. 2006
im Bau,
1. Bauabschnitt 2011
La Reggia Designer Outlet
Marcianise,
in Nähe Neapel
Parndorf,
in Nähe Wien
Roermond,
Nähe Düsseldorf
Roubaix, Frankreich
Salzburg, Österreich
Serravalle Scrivia,
in Nähe Mailand
22.000
125
Februar 2010
37.300
150
August 1998
35.000
150
17.800
65
November 2001,
3. Erweiterung Oktober 2010
August 1999
28.000
100
Oktober 2009
37.300
180
September 2000,
4. Erweiterung Februar 2006
Troyes,
in Nähe Paris
Noventa di Piave,
in Nähe Venedig
29.500
100
Oktober 1995
11.000
60
September 2008
Berlin Designer Outlet
Parndorf Designer Outlet
Roermond Designer Outlet
Roubaix Designer Outlet
Salzburg Designer Outlet
Serravalle Designer Outlet
Troyes Designer Outlet
Veneto
Quelle Internet Wikipedia, Dezember 2010 (Die Liste ist vermutlich nicht komplett)
Soweit die Standorte der o. g. Center geprüft werden konnten, handelt es sich durchwegs um
neue, nicht stadtkernintegrierte Standorte auf der Grünen Wiese, vorzugsweise in der Nähe von
Großstädten. Die Kaufkraft stammt größtenteils aus den Städten der Region.
Faktisch wird die Kaufkraft den vorhandenen Innenstädten entzogen. Hierbei ist zu beachten, dass
die Umsätze in einem Outlet-Center deutlich höher sind als in einem Innenstadtgeschäft; Verkaufsfläche ist daher nicht gleich Verkaufsfläche. Die negativen Auswirkungen eines Centers auf
die Innenstädte seiner Region – Verödung, Billigläden, leere Geschäftslokale und sinkende Mieten
– werden dadurch verstärkt.
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In der obigen Tabelle haben 7 der 12 Center eine Geschäftsfläche von 25.000 bis 37.000m². In
mehreren Fällen wurde oder wird die Geschäftsfläche durch weitere Bauabschnitte erweitert. Sofern die räumlichen Voraussetzungen gegeben sind, dürfte der Betreiber für neue Center eine
Größe von 25.000 bis 30.000 m² Geschäftsfläche anstreben. Eine Verkaufsfläche von 30.000 m²
wird auch für das geplante Outlet-Center Blume angenommen.
Alarmierend ist der Erlös im Einzelhandelsverkauf in Höhe von 2 Milliarden Euro. Bezogen auf die
19 Designer Outlet Center wurde im Schnitt pro Center ein Erlös von etwa 100 Millionen Euro
erzielt.
Wird unterstellt, dass auch in dem geplanten Outlet-Center Blume ein Verkaufserlös in dieser Größenordnung erzielt werden soll, und wird weiter unterstellt, dass die einzelhandelsrelevante Kaufkraft in der Region nicht zunimmt und das Geld nur einmal ausgegeben werden kann, wird deutlich, wie viel Kaufkraft aus den vorhandenen Geschäften und damit von den Innenstädten der Region durch das geplante Outlet-Center Blume abgesaugt werden soll. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass von diesem Kaufkraftabfluss Warensortimente betroffen sind, die für die Attraktivität der
Innenstädte wesentlich sind.
2. Das Designer Outlet Center in Roermond
Das Outlet Center in Roermond ist kein Gebäude im Sinne eines mehrgeschossigen Kaufhauses,
sondern eine „Center-Dorf“ mit Straßen und mehr als 100 eingeschossigen Häusern, die von 170
Geschäften („Shops“) und Gaststätten genutzt werden. Nach Angaben des Betreibers wird das
Center jährlich von 3,5 Millionen Besuchern aufgesucht, das Einzugsgebiet reicht bis Düsseldorf.
Seine Geschäftsfläche (Total Retail Floor Area) umfaßt 35.000 m².
In Roermond werden ausschließlich innenstadtrelevante Waren angeboten:
Modewaren (Fashion) – 30 Läden,
Wäsche (Lingerie) – 37 Läden,
Sport und Außenbekleidung (Sport & Outdoor) – 15 Läden,
Haushaltswaren und Geschenke (Home & Gifts) – 8 Läden,
Schuhe und modisches Zubehör (Shoes & Accessories) – 50 Läden,
Kinderbedarf (Children) – 21 Läden.
Ergänzt wird dieses Warenangebot durch 9 Gaststätten.
In der Eigenwerbung wird dieses Angebot wie folgt beschrieben:
„Alles was das Leben schöner macht. Im Designer Outlet Roermond finden Sie eine große Bandbreite an Markenprodukten für sich und Ihr Zuhause. Von Designermode bis zu Schuhen, Accessoires und Schmuck. Von Sportartikeln, Wohndekoration bis Haushaltswaren und jede Menge Geschenkideen – immer zu besten Preisen.“
„Designermarken 30-70% günstiger. Sie haben das ganze Jahr die Gelegenheit, Ihre Lieblingsmarken 30-70% günstiger zu bekommen.“
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Quelle: Internet, Homepage des Designer Outlet Center Roermond, Auswertung: Haimo Bullmann, Dezember 2010
Das Outlet Center in Roermond ist eine „Center-Dorf“ mit Straßen und mehr als 100 eingeschossigen Häusern, die von 170 Geschäften („Shops“) und Gaststätten genutzt werden
3. Herkunft der Designer-Kleidung, Unternehmensverantwortung
In der aktuellen Homepage des Designer Outlet-Centers Roermond wird die Herkunft der Kleidung
wie folgt beschrieben:
„Das Designer Outlet Roermond verkauft hochwertige Markenware aus Vorjahres- und
Musterkollektionen sowie aus Überproduktionen erstklassiger Hersteller und internationaler Designer-Labels.“
Diese Auskunft ist unglaubwürdig und in Frage zu stellen. Mit unverkauften Resten von Vorjahresbeständen und der Überproduktion erstklassiger Hersteller dürfte es nicht möglich sein, 19 OutletCenter mit einem Umsatz von 2 Milliarden Euro zu beliefern.
Zu vermuten ist, dass die McArthurGlen group in großen Umfang Kleidung für ihre Outlet-Center
produzieren lässt. Im Zusammenhang mit dieser Vermutung ist zu fragen, in welchen Ländern und
unter welchen Bedingungen die Ware hergestellt wird, die dann in Europa verkauft wird. Die
Homepage des Outlet-Centers Roermond enthält zu der sozialen und ökologischen Unternehmensverantwortung keine Angaben.
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4. Ober- und Mittelzentren im Einzugsgebiet des geplanten Outlet-Centers
Das Einzugsgebiet eines Design Outlet-Centers wird in der Literatur mit einem Radius von etwa 50
km oder einer Fahrzeit mit dem PKW von einer Stunde angegeben. Das entspricht in etwa der Entfernung von Roermond nach Düsseldorf.
In der nachstehenden Karte ist die Lage des geplanten Design Outlet-Centers Blume in RemscheidLüttringhausen mit einem roten Punkt markiert. In Hinblick auf das bergige Gelände, der schlechteren Erreichbarkeit über Straßen und der vorhandenen Center im Ruhrgebiet wurde das Einzugsgebiet verkleinert. Der Kreis beschreibt einen Radius von 30 km. Er reicht somit im Westen bis zum
Rhein, jedoch ohne Düsseldorf, und im Norden bis zur Ruhr.
Das Einzugsgebiet des Outlet-Centers Blume in Remscheid innerhalb eines Kreises mit einem Radius von 30 km.
Betroffen sind die kreisfreien Städte Wuppertal, Solingen, Remscheid, Hagen und Leverkusen sowie die
Kreise Ennepe-Ruhr-Kreis, Oberbergischer Kreis, Rheinisch-Bergischer-Kreis, Märkischer Kreis und Kreis Mettmann.
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Nach dem Landesentwicklungsplan liegen innerhalb dieses Einzugsgebietes die Oberzentren
Wuppertal und Hagen sowie folgende Mittelzentren mit ihrer Einwohnerzahl in Tausend:
Regierungsbezirk Düsseldorf
Regierungsbezirk Arnsberg
Solingen – 161
Haan – 29
Hattingen – 56
Remscheid – 111
Langenfeld – 59
Sprockhövel – 25
Velbert – 84
Regierungsbezirk Köln
Schwelm – 29
Heiligenhaus – 29
Radevormwald – 23
Gevelsberg – 31
Mettmann – 39
Leverkusen – 160
Witten – 98
Ratingen – 91
Leichlingen – 27
Wetter – 28
Monheim - 43
Wermelskirchen – 36
Herdecke – 25
Erkrath – 46
Bergisch-Gladbach - 105
Ennepetal – 31
Hilden – 55
Wipperfürth – 23
Lüdenscheid - 76
Wülfrath – 21
Gummersbach - 51
In den beiden Oberzentren und 28 Mittelzentren werden großteils die gleichen Waren angeboten,
wie im geplanten Outlet-Center Blume zu erwarten sind. Geschädigt dürften deshalb vor allem die
Mittelzentren werden. Insgesamt wohnen im 30-km Einzugsbereich, in Teilgebieten der drei Regierungsbezirke Düsseldorf, Arnsberg und Köln, rund 2.300.000 Einwohner.
5. Zentrale Orte und Ziele der Raumordnung
Innenstädte sind traditionell Orte des Einzelhandels. Eine Vielzahl von Geschäften trägt zur Lebendigkeit der Innenstädte bei. Der Einzelhandel ist somit für die Funktion einer lebendigen Innenstadt unverzichtbar. Ein zu großes Flächenangebot im städtischen Umland gefährdet den innerstädtischen Einzelhandel und damit die ökonomischen Grundlagen der Zentren.
Dies gilt im besonderen Maße für die Innenstädte in Ober- und Mittelzentren, die mit Dienstleistungen und Waren auch ihr Umland versorgen. Das Land NRW hat vor 50 Jahren ein hierarchisches
System der ‚Zentralen Orte‘ im Landesentwicklungsplan festgelegt. Dieser Plan ist ein wesentliches
Ziel der Raumordnung und daher auch bei gemeindlichen Entwicklungen zu beachten. Das Land,
die Städte, vor allem aber viele Geschäftsleute und Bürger haben im Vertrauen auf dieses Ziel große Beträge in den Innenstädten investiert und vor allem die Innenstädte als identitätsstiftende
Orte aufgewertet und entwickelt.
Outlet-Center beeinträchtigen und gefährden das System der zentralen Orte
Wenn durch ein einziges Outlet-Center die Funktionen von 30 zentralen Orten in der Region gefährdet sind, weil dieses Center die Kaufkraft absaugt und damit eine Verödung der Innenstädte zu
befürchten ist, so kann das Vorhaben mit den Zielen der Raumordnung, einer nachhaltigen Stadtentwicklung und dem Vertrauensschutz für Investoren in den Innenstädten nicht vereinbar sein.
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6. Der Standort Blume in der Regionalplanung
Der Standort Blume des geplanten Designer Outlet-Centers gehört zum Stadtgebiet von Remscheid. Er ist etwa 6 bis 7 Straßenkilometer von dem Geschäftszentrum der Innenstadt Remscheid
entfernt. Wie auch der Regionalplan zeigt, besteht zwischen dem Siedlungsbereich von Remscheid
und dem geplanten Center kein baulicher Zusammenhang. Der Standort wird heute landwirtschaftlich genutzt und ist nicht stadtkernintegriert. Bei dem Vorhaben handelt sich vielmehr um
den klassischen Fall einer Ansiedlung „auf der grünen Wiese“.
Nach dem Regionalplan ist der Standort Blume als gewerblicher Bereich dargestellt. Die Stadt
Remscheid hat vor rund 10 Jahren begonnen, hier ein Gewerbegebiet zu planen. Der rechtsverbindliche Bebauungsplan Nr. 595 ist seit wenigen Jahren rechtswirksam, seine Realisierung scheitert – offensichtlich nachhaltig – an drei Sachverhalten:
Der Stadt gehört kein Grundeigentum, die Eigentümer der landwirtschaftlich genutzten
Grundstücke waren bislang nicht bereit zu verkaufen.
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Die Erschließung, namentlich die Entwässerung, ist außerordentlich teuer. Die Stadt Remscheid ist überschuldet und kann die Erschließung nicht finanzieren.
Kostendeckende Preise lassen sich auf dem Grundstückmarkt nicht erzielen. Um eine gewerbliche Nutzung zu ermöglichen, müsste die Stadt Remscheid die Erschließung mit hohem Aufwand subventionieren.
Dem Vernehmen nach hat die Stadt dem Investor angeboten, auf dem Standort Blume das OutletCenter anzusiedeln. Dies ist in Hinblick auf die Unmöglichkeit, die festgesetzte gewerbliche Nutzung zu realisieren, plausibel. Sollte das Gebiet nicht baulich genutzt werden, würde der Bebauungsplan mittelfristig obsolet werden, die Kulturlandschaft Blume bliebe erhalten.
7. Konzept des Designer Outlet-Centers in Remscheid-Lüttringhausen
Die Planungen des Investors für das Outlet-Center Blume in Remscheid-Lüttringhausen sind (noch)
nicht bekannt. Um seine Auswirkungen beurteilen zu können, wurde das nachstehende Konzept
erarbeitet. Es zeigt modellhaft, wie das Outlet-Center auf dem Standort Blume gestaltet werden
könnte.
Dem Konzept liegen folgende Annahmen zu Grunde:
Das Center-Dorf hat eine Verkaufsfläche von 30.000 m². Hierfür wird eine möglichst immissionsfreie Baufläche, mit Abstand zur Autobahn, von etwa 50.000 m² (5 ha) in zentraler Lage
des Standortes Blume vorgeschlagen.
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Der attraktive Blick auf das historische Städtchen Lüttringhausen wird bei dieser Standortwahl
berücksichtigt. Die Zerstörung der landschaftsbezogenen Blickachse von dem ClarenbachDenkmal auf das Geburtshaus Clarenbachs ist nicht zu vermeiden.
Im Schnitt werden etwa 10.000 Besucher pro Tag erwartet. Diese kommen größtenteils mit
eigenem PKW. Bei einer durchschnittlichen Auslastung von zwei Personen pro PKW und bei einem Schichtbetrieb auf einem Teil der Abstellplätze werden für das Outlet-Center Blume etwa
4.000 PKW-Abstellplätze benötigt.
Bei einem Flächenbedarf von 30 m² pro PKW Abstellplatz einschließlich Fahrgassenanteil und
Grünstreifen ergibt sich für die Abstellflächen ein Bedarf von 12 ha. Diese Fläche kann durch
Parkpaletten reduziert werden. Unter Berücksichtigung des Ziels der kurzen Wege werden die
Parkflächen im Westen, Norden und Osten des Centers geplant.
Die verkehrliche Erschließung kann nur über die Lüttringhauser Straße – die B 51 – erfolgen.
Für die An- und Abfahrt sind getrennte Erschließungsstraßen vorgesehen, die nördlich und
südlich des Clarenbach-Denkmals an die B 51 angebunden werden. Andere Möglichkeiten einer Zu- und Abfahrt sind wegen vorhandener Nutzungen (Baugebiete, Friedhof, Wald, Autobahn), des steilen Geländes und des Gewässer- und Landschaftsschutzes auszuschließen.
Bei einer versiegelten oder teilversiegelten Fläche von etwa 20 ha und der Annahme, dass bei
Starkregen etwa 30% der Niederschläge versickern, werden für die schadlose Ableitung des
Niederschlagswassers ein oder mehrere Rückhaltebecken mit einem Volumen von etwa 15.000
m³ benötigt. Diese könnten in dem Tiefpunkt des Geländes, in dem Tälchen südlich des Buscher Hofes, vorgesehen werden.
8. Die verödete Innenstadt von Remscheid
Viele alte Einkaufsstraßen in größeren Städten veröden wegen der Ansiedlung großer Einkaufszentren in der Innenstadt. Hierzu gehört auch Remscheid.
Die traditionelle Einkaufsstraße von Remscheid ist die Alleestraße. Die etwa 700 m lange, breite
und gerade Straße verbindet den Markt mit dem historischen Rathaus „auf dem Berg“. Wegen
hoher Kaufkraftabflüsse in benachbarte Großstädte wurde Anfang der 80er Jahre das „AlleeCenter“ von der Firma ECE geplant, gebaut und 1986 eröffnet. Mittlerweile wurde das Center
zweimal erweitert. Die Geschäftsfläche soll heute etwa 30.000 m² groß sein.
Das attraktive Allee-Center mit seiner hellen und freundlichen Mall wirbt mit einem umfassenden
Sortiment, günstigen Preisen und einem großen Parkplatzangebot in der Tiefgarage.
Leidtragender ist der Remscheider Einzelhandel in der Innenstadt, insbesondere in der Alleestraße. Seine Funktionsschwäche ist an folgenden Erscheinungen ablesbar:
Niedergang des Handels, Billigläden
Rückzug der Qualitätsgeschäfte,
Leerstände bei Läden,
sinkende Mieten,
Zurückhaltung bei Investitionen und
unattraktive städtebauliche Situation.
Das geplante Designer Outlet-Center Blume würde den Niedergang der Alleestraße beschleunigen
und ihre Funktion als Einkaufsstraße eines Mittelzentrums vollends zerstören.
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Foto: Haimo Bullmann, 17. Januar 2011
Ein Beispiel für eine verödete Geschäftsstraße in einer Innenstadt: die Alleestraße in Remscheid
Auf der wichtigsten Geschäftsstraße von Remscheid befindet sich auf der linken Seite ein Geschäft mit dem Schriftzug
„Sonderverkauf“ und ein große „1 € Laden“ (blaues Schild). Auf der rechten steht das Kaufhaus leer, die „Allee Arkaden“ dahinter werden von Billig-Läden genutzt. Für die wenigen Besucher ist die breite Straße in der Fußgänger-zone
überdimensioniert.
Die Verödung der Alleestraße ist bereits heute unübersehbar. Ursache hierfür ist der Bau des großen und attraktiven Allee-Centers am oberen Ende der Alleestraße.
Die Ansiedlung des Designer Outlet-Centers in Lüttringhausen würde eine noch stärkere Verödung
der Alleestraße bewirken. Darüber hinaus wäre auch das Allee-Center betroffen. Ein Großteil des
hochwertigen Sortiments, das heute im Allee-Center angeboten wird, soll auch in dem geplanten
Outlet-Center – preiswerter – angeboten werden.
Leerer Marktplatz
am unteren Ende
der Alleestraße
Foto: Haimo Bullmann,
17. 1. 2011
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II. Großflächige Einzelhandels-Center in Deutschland
Anmerkung:
Die Ausführungen zu diesem Kapitel stammen zu einem erheblichen Teil aus dem Buch „Angriff auf die City“, herausgegeben von Walter BRUNE, Rolf JUNKER, Holger PUMP-UHLMANN, Düsseldorf 2006.
1. Das Bundesbauministeriums zu großflächigen Einzelhandelszentren
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung fordert in dem Entwurf
„Weißbuch Innenstadt – starke Zentren für unsere Städte und Gemeinden“ (2010) eine konsequente Stärkung und Entwicklung der Innenstädte als Orte der Heimat und Identität.
Als wichtigste potenzielle Maßnahme schlägt das Ministerium eine Neuausrichtung der kommunalen Flächenpolitik vor. Zur Förderung der Innenstadtentwicklung und Reduzierung des Flächenverbrauchs sollte sich die Stadtentwicklung auf den Siedlungsbestand konzentrieren.
Als potentielle Maßnahmen zum großflächigen Einzelhandel werden genannt:
„Die Kommunen sollen Ausweisungen für den großflächigen Einzelhandel beschränken und auf
der ‚grünen Wiese‘ grundsätzlich ausschließen. Sie müssen bei dieser Aufgabe durch eine
konsequente Landes- und Regionalplanung unterstützt werden. Die in mehreren Ländern
getroffenen Regelungen sind richtungsweisend: Städte, die zu Lasten ihrer Zentren und ihrer
Nachbargemeinden Flächen auf der ‚Grünen Wiese‘ ausweisen, sollten von der
innenstadtbezogenen Städtebauförderung ausgeschlossen werden.
Die vielerorts vorhandenen regionalen Einzelhandelskonzepte sollten qualifiziert, regional
abgestimmt und konsequent umgesetzt werden“.
Der Entwurf des Weißbuches macht deutlich, dass das Bundesbauministerium die Problematik
großflächiger Einzelhandelszentren und ihre Auswirkungen auf die Innenstädte in der Region erkannt hat.
2. Entwicklung großflächiger Einzelhandels-Center in Deutschland
Seit 1990 bis zum Ende des Jahres 2003 entstanden 259 Einkaufszentren in Deutschland mit einer
Verkaufsfläche von über 9 Millionen m². Allein 2006 waren in Deutschland 90 große EinzelhandelsCenter in Planung und zum größten Teil ausführungsreif entwickelt.
Die Folgen dieser Entwicklung können im Ruhrgebiet besichtigt werden. Seit zwei Jahrzehnten
wird dort ein gnadenloser Konkurrenzkampf um immer neue Verkaufsflächen bei gleichzeitig sinkenden Einwohnerzahlen und sinkender Kaufkraft ausgetragen. Die Auswirkungen reichen von
spürbar bis katastrophal. Das CENTRO in Oberhausen mit 130.000 m² Verkaufsfläche und die Erweiterung des Rhein-Ruhr-Zentrums haben für eine weitgehende Verödung der Innenstädte von
Oberhausen, Bottrop und Mülheim gesorgt. Betroffen ist aber auch die ehemals glanzvolle Einkaufsstadt Essen.
Ein weiteres Beispiel ist die Stadt Siegen, deren Einwohnerzahl mit Remscheid vergleichbar ist.
Nach Ansiedlung eines Centers in Nähe der Unterstadt brach der alteingesessene Einzelhandel in
der Oberstadt weg. Dementsprechend sind die gewerblichen Mieten dramatisch gesunken.
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3. Kommunalpolitische Gründe für die Ablehnung großflächiger Center
Der Bau großflächiger Einzelhandelseinrichtungen verbindet eine Vielzahl von Einzelinteressen:
Entwickler, Geldgeber, Grundstückseigentümer und Betreiber wollen an dem Investment Geld
verdienen. Politische Parteien und die Verwaltung sehen Profilierungschancen. Schließlich hat
auch der Kunde vielfältige Erwartungen an den Einkauf. Die in den vergangenen Jahren gemachten
Erfahrungen zeigen, dass viele der oben genannten Einzelinteressen tatsächlich erfüllt werden,
dass aber gleichzeitig die wirtschaftliche Kraft der Innenstadt und damit die Qualität städtischen
Lebens auf der Strecke bleiben.
Ein ganz wesentliches Ziel nachhaltiger Stadtentwicklungspolitik unserer Innenstädte muss es jedoch sein, eine zusammenhängende und sich ergänzende Stadtstruktur zu schaffen. Die Lebendigkeit einer Großstadt geht aber nicht von reinen Wohngebieten, Gewerbearealen oder Verwaltungsstandorten aus, sondern in erster Linie vom Einzelhandel. In nahezu keiner deutschen Stadt
steigt die Kaufkraft bzw. die Einwohnerzahl so sehr, dass ein neues Center notwendig ist. Die Ansiedlung eines großflächigen Centers bewirkt einen umsatzbezogenen Verdrängungswettbewerb,
der die Städte in ihren Herzen trifft.
Großflächige Einzelhandels-Center ziehen mit ihrer starken Werbekraft, einem hochqualifizierten
Management und einem ausgefeilten Sortiment die Kunden aus dem Bereich des innerstädtischen
Einzelhandels ab – und zwar zum dauerhaften Schaden der Innenstädte in der Region. Dies gilt im
besonderen Maß für Designer Outlet-Center, die mit hohen Preisrabatten werben. In einem nicht
integrierten Zentrum, wie es in Remscheid-Lüttringhausen angedacht ist, werden die Kunden mit
dem Auto direkt auf die Parkplätze fahren. Im Center finden sie alles Erdenkliche vor – einschließlich Gastronomie – und verlassen es anschließend wieder im Auto, ohne die Einkaufsstraßen der
Innenstadt überhaupt gesehen zu haben.
Intakte und lebendige Innenstädte mit ihrer Vielfalt und Individualität sind ein Teil unserer europäischen Kultur und für viele Menschen ein Stück Heimat. Wir fordern, diese Werte zu pflegen und
nicht durch die Ansiedlung neuer Center zu zerstören.
4. Gutachter
Der Investor wählt Gutachter aus, beauftragt und bezahlt sie. Nach der üblichen Praxis werden in
dem Gutachten die Folgeprobleme des geplanten Centers für die Innenstädte und den vorhandenen Einzelhandel geschönt und bagatellisiert. Dass die Einrichtung immer neuer Shopping-Center
sinnvoll und nötig ist, konnte jedoch bisher kein Gutachter beweisen.
Nahezu jedes Gutachten weist nach, dass das geplante Center für die Stadt vorteilhaft ist, dass die
negativen Auswirkungen des Vorhabens auf die eigene Stadt und auf Nachbarstädte unbeachtlich
sein werden und dass für die eigene Stadt die Vorteile überwiegen. Wichtig ist nur, dass auf der
Grundlage dieser Gutachten das Center genehmigt und gebaut werden kann. Die danach sichtbar
werdenden, nicht wieder gut zu machenden Zerstörungsprozesse in den betroffenen Innenstädten
interessieren weder den Gutachter noch den Investor.
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Von Seiten der Bürger und der betroffenen Institutionen werden in zunehmendem Maße Gutachten, die der Investor für viel Geld in Auftrag gegeben hat, in Frage gestellt. Auseinandersetzungen
um Gutachter gibt es unter anderem in Braunschweig, Celle, Cottbus, Düsseldorf, Hameln, Moers,
Passau, Schweinfurt und Soest.
Es müsste eine Selbstverständlichkeit sein, dass der Gutachter nicht von dem Investor bestimmt
und bezahlt wird.
5. Politik und Stadtplanung
Mit großem Geschick werden Politiker, die auf diesem Gebiet Laien sind, mit vielen Versprechungen und ohne Hinweis auf die schlimmsten Konsequenzen zum Mitmachen überredet.
Hört man die Reden und liest die Texte der Shopping-Center-Konzernherren, wenn gerade wieder
eine Stadt für ein neues Center-Projekt ausgewählt werden soll, so fällt auf, wie mit bewusst falschen Interpretationen die Zukunft der jeweiligen Stadt schöngeredet wird.
Prägend für das Verhältnis zwischen Entwickler und Stadtverwaltung ist in der Regel der erhebliche Unterschied des Kenntnisstandes in Sachen Center-Ansiedlung. Für den Bürgermeister und
seine Mitarbeiter ist es meist das erste und einzige Mal, wenn es um die Ansiedlung eines Shopping-Centers geht; für den Entwickler dagegen ist es Tagesgeschäft.
Im Stadium der Planung liegen über das Vorhaben in den meisten Fällen nur unzureichende Informationen vor und bezüglich der vielen Fragen gibt es keine Diskussionsbereitschaft. Wichtige Verträge sind geheim und werden nicht veröffentlicht. Gerade Shopping Center erfordern eine breite
ehrliche Diskussion unter Offenlegung aller Fakten. Bürger, betroffene Institutionen und betroffene Nachbarstädte müssen mit dem Projekt einverstanden sein, nicht nur die Politiker.
Durch die ständig neu geplanten Center steigt in Deutschland die Verkaufsfläche pro Kopf auf absurde Werte. Dies gilt auch für die bergischen Großstädte. Wuppertal beabsichtigt seit vielen Jahren, großflächige Einkaufszentren auf nicht innenstadtrelevanten Standorten anzusiedeln. Beispiele hierfür sind in Wuppertal das früher geplante Center auf dem Eskesberg und – aktuell – der angestrebte „IKEA-Homepark“ auf dem Gelände der heutigen Fertighausausstellung an der Stadtgrenze zu Sprockhövel (Ennepe-Ruhr-Kreis). Der Name „Homepark“ ist eine neue Wortschöpfung,
die offensichtlich den vielfach diskriminierten Begriff „Center“ ersetzen soll. Dass diese Stadtpolitik zu einem reinen Verdrängungswettbewerb beim Einzelhandel führt, liegt auf der Hand. Umso
erstaunlicher ist, dass diese einfachen Zusammenhänge von den Entscheidern in Städten und
Kommunen häufig nicht zur Kenntnis genommen werden.
Warum das so ist, lässt sich nur mit dem allseits leeren Stadtsäckel erklären. Kein Oberbürgermeister will es sich mit dem Blick auf seinen Haushalt leisten, die von den Entwicklern so überzeugend
herbeigeredeten Mehrumsätze bei der Gewerbesteuer, den warmen Regen neuer Arbeitsplätze
und nicht zuletzt die hinzugewonnene Stärke gegenüber den Nachbarstädten unbeachtet zu lassen.
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Eine der größten Herausforderungen
für die Stadtentwicklung ist die
wachsende Anzahl innerstädtischer
Einkaufszentren. Die Zahl dieser Zentren in deutschen Städten stieg zwischen 1990 und 2010 auf mehr als
das Vierfache.
In größeren Mittelstädten haben
sich die Umsätze innerstädtischer
Warenhäuser mit der Eröffnung
innerstädtischer Shopping-Center im
Durchschnitt halbiert.
Quelle: Entwurf Weißbuch Innenstadt, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 2010
6. Arbeitsplätze
Natürlich werden mit einem neuen Center zunächst Arbeitsplätze geschaffen. Von den Investoren
wird jedoch bewusst verschwiegen, dass unter dem Strich ein ganz erheblicher Arbeitsplatzverlust
eintritt, weil vorhandene Geschäfte aufgeben oder Angestellte entlassen müssen. Im Endeffekt
entstehen erhebliche Arbeitsplatzverluste zum Nachteil der Innenstädte in der Region.
Davon wäre auch die Innenstadt von Remscheid betroffen. Der Marketingrat der Innenstadt befürchtet, dass bei Ansiedlung des Outlet-Centers in Lüttringhausen mehr Arbeitsplätze in der Innenstadt wegbrechen werden, als neue Arbeitsplätze geschaffen werden können.
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III. Planungsrechtliche Hindernisse
Unverzichtbare Grundlage für die Ansiedlung eines Outlet-Centers im Gebiet Blume ist ein rechtskräftiger Bebauungsplan, der die beabsichtigte Nutzung regelt und ein „SONSTIGES SONDERGEBIET“ festsetzt. Auf der Grundlage des vorhandenen Bebauungsplans Nr. 595, der eine gewerbliche Nutzung festsetzt und Einzelhandel ausschließt, ist die Ansiedlung eines Einkaufszentrums
nicht zulässig. Dies bedeutet, es muss ein komplett neuer Bebauungsplan aufgestellt werden.
Im Folgenden werden planungsrechtliche Hindernisse genannt, die bei der Aufstellung des neuen
Bebauungsplans überwunden werden müssen.
1. Vorhabenbezogener Bebauungsplan für das Outlet-Center Blume
Im Fall des Outlet-Centers Blume kommt aus haushaltsrechtlichen Gründen nur die Aufstellung
eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes in Frage. Bei diesem Plan erarbeitet der Investor
(Vorhabensträger) in Abstimmung mit der Gemeinde den Entwurf des Bebauungsplans. Die erforderlichen Gutachten und Nachweise werden von dem Investor erbracht. Über die Einleitung des
Bauleitplanverfahrens hat die Gemeinde auf Antrag des Investors nach pflichtgemäßem Ermessen
zu entscheiden.
Offensichtlich reicht in Remscheid die Absichtserklärung eines international tätigen Konzerns aus,
um die Mehrheit des Rates von dem Vorhaben zu überzeugen. Ob unter diesen Voraussetzungen
das Vorhaben und die Gutachten des Investors kritisch geprüft werden, ist in Frage zu stellen.
In einem eigenen Durchführungsvertrag mit der Stadt – der üblicherweise nicht veröffentlicht wird
– verpflichtet sich der Investor, die Erschließungskosten zu tragen und das Vorhaben innerhalb
einer festgelegten Frist auszuführen. Er muss vor Abschluss des Durchführungsvertrages nachweisen, dass er sich das Eigentum oder die Eigentumsrechte an den benötigten Grundstücken gesichert hat. Bei fehlenden Eigentumsrechten kann das Bauleitplanverfahren nicht eingeleitet werden.
2. Erwerb der Grundstücke und Enteignung
Nach Artikel 14 Grundgesetz ist eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Dies
gilt z. B. für öffentliche Verkehrsflächen. Flächen für private Vorhaben können nicht enteignet
werden. Der Investor muss die benötigten Flächen freihändig erwerben.
3. Allgemeine Ziele der Raumordnung
Der Flächennutzungsplan und Bebauungspläne sind an die Ziele der Raumordnung anzupassen.
Diese Ziele ergeben sich aus dem Landesentwicklungsprogramm (Gesetz zur Landesentwicklung),
dem Landesentwicklungsplan NRW und den Regionalplänen. Für die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsbetriebe hat darüber hinaus auch der „Einzelhandelserlaß NRW“ in der Fassung vom 22.
09. 2008 besondere Bedeutung. Seine Rechtsgrundlagen ergeben sich aus den Zielen der Raumordnung, dem Baugesetzbuch und der Baunutzungsverordnung.
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Nach dem genehmigten Regionalplan (GEP `99) ist im Gebiet Blume nur eine gewerbliche Nutzung
zulässig. Sollte in diesem Gebiet ein Bebauungsplan für ein Einkaufszentrum aufgestellt werden,
müsste zuvor der Regionalplan geändert werden.
Diese Änderung würde dem Landesentwicklungsprogramm, dem Landesentwicklungsplan und den
Grundsätzen der Raumplanung nach dem Raumordnungsgesetz aus mehreren Gründen widersprechen:
Zu den wesentlichen Auswirkungen des geplanten Centers gehört die Umverteilung der Kaufkraft. Das Geld kann nur einmal ausgegeben werden. Das Outlet-Center Blume würde Kaufkraft aus der Region absaugen. Scheinbarer Gewinner wäre Remscheid, Verlierer die Innenstädte in der Region, sie drohen zu veröden. Zu den Verlierern würde aber auch die Innenstadt
von Remscheid gehören.
Zu den Zielen der Raumordnung gehört ein abgestuftes System von zentralen Orten, wie sie
im Landesentwicklungsplan dargestellt sind. Großflächige Einzelhandelszentren dürfen weder
die Funktionsfähigkeit der eigenen zentralen Versorgungsbereiche, noch die der benachbarten
Gemeinden in Frage stellen. Das Outlet Center Blume würde viele zentrale Orte, insbesondere
Mittelzentren, die wohnungsnahe Versorgung der Bevölkerung und die bisherigen privaten
und öffentlichen Investitionen in den Innenstädten und Stadtkernen beeinträchtigen.
Gemäß dem Landesentwicklungsprogramm müsste Remscheid nachweisen, dass die zentralen
Versorgungsbereiche benachbarter Gemeinden in ihrer Funktion nicht beeinträchtigt werden.
Dies ist nicht möglich.
Großflächige Einzelhandelsbetriebe mit zentrenrelevanten Sortimenten dürfen nur in Hauptzentren (Innenstädte bzw. Ortsmitten der Gemeinden) und Nebenzentren (Stadtteilzentren)
liegen, die gekennzeichnet sind durch:
 ein vielfältiges und dichtes Angebot an öffentlichen und privaten Versorgungs- und
Dienstleistungseinrichtungen der Verwaltung, der Bildung, der Kultur, der Gesundheit,
der Freizeit und des Einzelhandels,
 eine städtebaulich integrierte Lage innerhalb eines im Regionalplan dargestellten Allgemeinen Siedlungsbereichs und
 eine gute verkehrliche Einbindung in das öffentliche Personennahverkehrsnetz.
Der Standort Blume verfügt über keine dieser Voraussetzungen.
Bei zentrenrelevanten Sortimenten sind negative Auswirkungen auf die Entwicklung der Innenstädte zu erwarten, wenn sie an nicht integrierten Standorten angesiedelt werden.
Diese Auswirkungen sind bei der Ansiedlung eines großflächigen Outlet-Centers Blume im vollen Umfang zu erwarten.
Ein weiteres Problem würde sich aus der Präzedenzfallwirkung des geplanten Outlet-Centers in
Remscheid ergeben. Wenn das Outlet-Center Blume genehmigt werden sollte, könnten weitere
Center auf der grünen Wiese nicht verhindert werden.
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4. Ziele der Raumordnung bei Outlet-Center
Nach dem Einzelhandelserlass NRW gehören die Outlet-Center zu den Hersteller-Direktverkaufszentren. Hierbei handelt es sich um großflächige und zentrenrelevante Einzelhandelsvorhaben, in
denen die Hersteller ihre Produkte direkt an den Endverbraucher absetzen und zwar unabhängig
vom Produktionsort.
Durch diese Konzeption und das größere Einzugsgebiet unterscheiden sich Hersteller-Direktverkaufszentren von herkömmlichen Einkaufszentren. Für ihre Ansiedlung gelten strengere Maßstäbe.
Hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 08.03.2006 ausgeführt, dass die
Standortplanung für Einzelhandelsgroßbetriebe nicht auf die Instrumente der gemeindlichen Bauleitplanung beschränkt ist; sie kann bereits auf der Ebene der Landesplanung einsetzen. Da die
städtebaulichen Auswirkungen von Hersteller-Direktverkaufszentren insbesondere wegen der
Größe dieser Betriebe, der Zentrenrelevanz ihres Kernsortiments und der Reichweite ihres Einzugsbereichs über die Auswirkungen der herkömmlichen Formen des großflächigen Einzelhandels
hinausgehen, kann es gerechtfertigt sein, sie einer im Vergleich zum sonstigen großflächigen Einzelhandel strengeren Sonderregelung zu unterwerfen. Eine solche Zielfestlegung schließt die Ansiedlung von Hersteller-Direktverkaufszentren zwar für das gesamte Gebiet bestimmter Gemeinden aus; da die Zielfestlegung lediglich eine eng umgrenzte Nutzungsart ausschließt, verbleibt der
Gemeinde jedoch substanzieller Raum für eine anderweitige Bauleitplanung (BVerwG, 4 B 75.05).
5. Bauleitplanung und Baunutzungsverordnung
Der bestehende Bebauungsplan für das Gewerbegebiet Blume stützte sich auf zwei Begründungen:
Nach dem umfangreichen Gutachten der Firma Planquadrat aus dem Jahre 2002 ist das Gewerbegebiet Blume für die Stadt Remscheid von existentieller Bedeutung.
Im Regionalplan ist das Gebiet der Blume als gewerblicher Bereich dargestellt. Der (noch) bestehende Bebauungsplan entspricht somit den Zielen der Raumordnung.
Im neuen Bebauungsplan für das Outlet-Center würde diese Begründung entfallen. Das geplante
Einzelhandelszentrum auf der Grünen Wiese ist aus der Sicht des Rates der Stadt Remscheid möglicherweise wünschenswert, hat aber keine existentielle Bedeutung für die Stadt, widerspricht
den Zielen der Raumordnung und wird und von mehreren Nachbarkreisen und -städten strikt abgelehnt. Die Erforderlichkeit der Planung gemäß § 1 BauGB Abs. 3 kann nicht nachgewiesen werden. Remscheid verfügt über ausreichende Einzelhandelsflächen.
Nach dem Baugesetzbuch sind die Belange „Erhaltung und Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche“ zu berücksichtigen. Der Nachweis der Erforderlichkeit der Planung muss daher auch die
möglichen Auswirkungen der Bauleitplanung auf vorhandene Haupt-, Neben- und Nahversorgungszentren sowohl der planenden als auch der Nachbargemeinden erkennen lassen.
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Grundvoraussetzung für die städtebauliche Rechtfertigung einer Bauleitplanung zur Steuerung des
Einzelhandels ist ein schlüssiges Plankonzept. In den meisten Fällen wird dies ein gemeindliches
Einzelhandelskonzept sein.
Die Baunutzungsverordnung enthält in § 11 eine Sonderregelung für die bauplanungsrechtliche
Zulässigkeit von Einkaufszentren, zu denen auch das geplante Outlet-Center gehört. Nachdem das
geplante Center nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Ziele der
Raumordnung oder auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung haben kann, ist es nur in einem festgesetzten Sondergebiet zulässig.
Die Baunutzungsverordnung nennt in § 11 beispielhaft folgende Auswirkungen:
schädliche Umwelteinwirkungen, wie Verkehrsimmissionen,
Auswirkungen auf die infrastrukturelle Ausstattung,
Auswirkungen des Verkehrs,
Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung,
Auswirkungen auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche in der Gemeinde
oder in anderen Gemeinden,
Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild,
Auswirkungen auf den Naturhaushalt.
Nach dem Einzelhandelserlass NRW bedarf es nicht des konkreten Nachweises, dass Auswirkungen
tatsächlich eintreten, es genügt vielmehr bereits die Möglichkeit des Eintretens solcher Auswirkungen.
Die genannten und weiteren Auswirkungen des Vorhabens sind wichtige Belange, die bei der Aufstellung des Bebauungsplans in die Abwägung einzustellen sind. Eine Abwägung, die sich über diese Belange zu Gunsten eines privaten Investors hinwegsetzt, wäre grob fehlerhaft.
6. Beteiligung der benachbarten Gemeinden
Ist zu befürchten, dass die Auswirkungen eines geplanten großflächigen Einzelhandelsbetriebes
die Gemeindegrenzen überschreiten und eine Nachbargemeinde zum Einzugsgebiet des geplanten
Einkaufszentrums gehört, hat die betroffene Gemeinde ein Abwehrrecht.
Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.01.1995 (BVerwG 4 NB 42.94) ist es erforderlich, bei Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandelsbetrieben die betroffenen Gemeinden bei den notwendigen Planverfahren zu beteiligen. Betroffen sind Gemeinden, wenn die
Auswirkungen des Vorhabens die Gemeindegrenzen überschreiten und die Gemeinden zum Einzugsgebiet der geplanten Zentren gehören. Für diese Abstimmungspflicht kommt es nicht auf ein
unmittelbares Angrenzen der Gemeinden an.
Nach einem weiteren Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 15.12.1989 (BVerwG 4 C 36.86)
bedarf es einer gemeindenachbarlichen Abstimmung bereits dann, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde in
Betracht kommen. Voraussetzung hierfür ist es nicht, dass eine hinreichend bestimmte Planung
der Nachbargemeinde vorliegt und diese nachhaltig gestört wird.
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Im Einzelhandelserlass NRW wird zu dem Abwehrrecht der Gemeinden ausgeführt:
„Mit dem Europarechtsanpassungsgesetz Bau 2004 wurde das gemeindenachbarliche Abstimmungsgebot in § 2 Abs. 2 BauGB um ein Abwehrrecht aus der Raumordnung ergänzt:
Bei der gemeindenachbarlichen Abstimmung können sich Gemeinden auch auf die ihnen
durch Ziele der Raumordnung zugewiesenen Funktionen sowie auf Auswirkungen auf ihre
zentralen Versorgungsbereiche berufen. Das Abstimmungsgebot ist Teil der Bauleitplanung,
es kann sich deshalb nur auf städtebauliche Belange beziehen. Mit dem neuen Satz 2 erhält
die Gemeinde ein Abwehrrecht, wenn ihr durch Ziele der Raumordnung bestimmte Funktionen zugewiesen wurden und eine Nachbargemeinde diese unterlaufen will. Das Abwehrrecht ergänzt die Anpassungspflicht aus § 1 Abs. 4 BauGB. Eine Gemeinde ist berechtigt, die
ihr zugewiesenen Funktionen gegen störende raumordnungswidrige Planungen einer anderen Gemeinde zu verteidigen.
Die Gemeinde muss für ihr Betroffensein nicht mehr im Einzelnen belegen, welche konkreten Nachteile für sie z. B. durch Kaufkraftabzug oder Abwerbung von Gewerbebetrieben
entstehen. Der Verstoß als solcher reicht aus, die Rechtslage entspricht der bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften“.
Es ist nicht bestreitbar, dass zum Einzugsgebiet des geplanten Outlet-Center Blume in Remscheid
auch die Nachbargemeinden in der Region gehören. Aus der Erkenntnis heraus, dass durch das
Vorhaben die eigenen Zentren geschwächt werden und eine Verödung der Innenstädte zu befürchten ist, haben bereits mehrere Gebietskörperschaften und öffentlich Organisationen gegen
die Ansiedlung des Design Outlet-Centers in Remscheid protestiert.
Die meisten Betroffenen wollen allerdings erst die Einleitung der formalen Verfahren – Änderung
des Regionalplans und des Flächennutzungsplans – abwarten.
Die Stadt Wuppertal vertritt in dem bisherigen Verfahren eine widersprüchliche Position. Oberbürgermeister Peter Jung hat im April 2007 ein Outlet-Center in Remscheid-Lüttringhausen mit
folgender Begründung strikt abgelehnt:
Das geplante Center ist nicht genehmigungsfähig.
Ein Outlet-Center kann nur dann genehmigt werden, wenn es in einem Oberzentrum entstehe und in einer integrierten Innenstadt-Lage gebaut werde.
Wuppertal werde sich gegen ein Outlet-Center in Remscheid-Lüttringhausen wehren.
Wenn es ein Outlet-Center geben sollte, dann nur am Döppersberg in Wuppertal.
Seit November 2010 hat der Oberbürgermeister seine Meinung geändert. Er hat sich mehrfach in
der Öffentlichkeit für eine „wohlwollende Prüfung“ der Outlet-Center Planungen in RemscheidLüttringhausen durch die Stadt Wuppertal ausgesprochen. Offensichtlich erwartet er auch bei der
regionalen Abstimmung des geplanten IKEA-Homeparks, der in Wuppertal Oberbarmen angesiedelt werden soll und im großen Umfang zentrenrelevante Sortimente anbieten würde, eine Gegenleistung, nämlich eine wohlwollende Prüfung seitens der Stadt Remscheid.
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7. Erschließung durch Straßen
Auswirkungen auf die unter Ziffer 5 genannte infrastrukturelle Ausstattung liegen insbesondere
vor, wenn die ordnungsgemäße verkehrliche Anbindung des Vorhabens nicht gewährleistet ist
bzw. das vorhandene Verkehrsnetz nach seiner Konzeption und Leistungsfähigkeit nicht auf das
Vorhaben ausgerichtet ist. Dazu gehören leistungsfähige Einrichtungen des ÖPNVs.
Auswirkungen auf den Verkehr sind anzunehmen, wenn vorhandene Verkehrseinrichtungen durch
den vom Vorhaben ausgehenden zusätzlichen Verkehr überlastet bzw. ihrer bestimmungsgemäßen Nutzung entzogen werden oder wenn Verkehrsbehinderungen auftreten. Dies ist der Fall,
wenn Wohnstraßen wesentlich zusätzlich belastet und dadurch zu Durchgangsstraßen werden,
Straßenquerschnitte nicht mehr ausreichen, Linksabbieger den Geradeausverkehr behindern oder
sich an Verkehrsknoten Staus entwickeln können.
Foto: Haimo Bullmann 16.01.2011
Die Bundesstraße 51 mit der Abfahrt zur Autobahn in Richtung Köln. Im Hintergrund (rote Ampel) die Abfahrt in
Richtung Dortmund. Im Berufsverkehr ist dieses Teilstück bereits heute voll ausgelastet.
Im konkreten Fall sind die genannten infrastrukturellen und verkehrlichen Auswirkungen im vollen
Umfang zu erwarten:
Das geplante Outlet-Center Blume würde den Verkehr in der Region deutlich erhöhen. Bei der
Annahme von 3 Millionen Kunden pro Jahr, einer durchschnittlichen Zahl von 2 Personen pro
PKW und einer durchschnittlichen Fahrtenstrecke von 50 km für die Hin- und Rückfahrt, ergibt
sich eine Fahrtenstrecke für ein Center von 75 Millionen Kilometer pro Jahr oder 250.000 Kilometer pro Werktag. Ohne Outlet-Center würden die Kunden in die Innenstädte zum Einkaufen fahren oder gehen, die Wege sind hierfür wesentlich kürzer.
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Ein Konzept für das geplante Outlet-Center liegt noch nicht vor. Angenommen wird, dass im
Durchschnitt täglich 5.000 PKWs an- und abfahren (vgl. das Konzept auf Seite 10). Hinzu
kommt der LKW-Verkehr für Lieferfahrzeuge. Dieser Verkehr kann nur über die Lüttringhauser
Straße – die B 51 – an das öffentliche Straßennetz angebunden werden.
Das Baugrundstück kann nur durch die B 51 erschlossen werden. Auf der kurzen, nur 900 m
langen Strecke der B 51, zwischen Richthofenstraße und Ringstraße in Lennep, einer
zweistreifigen Straße mit Linksabbiegestreifen, befinden sich bereits heute vier ampelgeregelte Kreuzungen. Dazu gehören zwei Autobahnanschlüsse. Für das geplante Center müssten
vermutlich zwei weitere ampelgeregelte Einmündungen mit Linksabbiegestreifen an der B 51
gebaut werden. Diese Linksabbiegestreifen könnten nur sehr kurz bemessen werden, Verkehrsstaus auf der B 51 sind absehbar.
Ein erheblicher Teil der Besucher kann die Autobahn A1 wegen ihrer Linienführung nicht nutzen. Dies bedeutet, dass die Bundesstraße 51 zusätzliche Verkehre aufnehmen müsste. Die B
51 ist jedoch im Gebiet der Stadt Remscheid auf weiten Strecken eine stark belastete,
zweistreifige Stadtstraße. Diese müsste den zusätzlichen Verkehr – mehrere 1.000 PKWs pro
Tag – bewältigen.
Der geplante Standort ist nur unzureichend an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden. Die vorhandenen Buslinien in der Lüttringhauser Straße (B 51) dienen der örtlichen
Erschließung der Stadtbezirke von Lennep und Lüttringhausen. Eine leistungsfähige Linie zwischen dem Busbahnhof in der Innenstadt von Remscheid und dem Standort fehlt.
Aus der bestandsgebundenen Situation ergibt sich, dass das vorhandene Verkehrsnetz, einschließlich des Autobahnanschlusses, nach seiner Konzeption und Leistungsfähigkeit nicht auf das Vorhaben ausgerichtet ist. Die ordnungsgemäße verkehrliche Anbindung ist nicht gewährleistet. Darüber
hinaus fehlen leistungsfähige Einrichtungen des öffentlichen Personennahverkehrs. Nach dem
Einzelhandelserlass NRW ist jedoch die gesicherte Erschließung eine unabdingbare Zulässigkeitsvoraussetzung für die Vorhaben.
Die Aussage des Einzelhandelserlasses stützt sich auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes
vom 20.04.2000 (BVerwG, 4 B 25.00). Nach diesem Urteil gehören zur gesicherten Erschließung
großflächigen Einzelhandelsbetrieben insbesondere
der verkehrsgerechte Anschluss an eine leistungsfähige Verkehrsstraße mit einwandfreien
Grundstücksein- und -ausfahrten sowie
ggf. zusätzliche Fahrstreifen innerhalb der öffentlichen Verkehrsfläche.
Geht das Vorhaben mit einer so starken Belastung der das Baugrundstück erschließenden Straße
einher, dass sich die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs nur durch zusätzliche Erschließungsmaßnahmen wie eine Straßenverbreiterung oder die Schaffung von Einfädelungsspuren gewährleisten lässt, so ist die Erschließung nicht gesichert.
Die Erschließung ist mit den zuständigen Straßenbaubehörden abzustimmen (§ 56 Straßen- und
Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen).
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Foto: Haimo Bullmann, 16.01.2011
Die beengte räumliche Situation der B 51 am Clarenbach-Denkmal.
Eine Zu- und Abfahrt zum Gebiet Blume ist nur hier, auf der etwa 100 m langen anbaufreien Strecke zwischen den
Häusern Lüttringhauser Straße 128 und der Straße Felder Höhe (vor dem Mehrfamilienhaus rechts) möglich. Die anbaufreie Strecke wird durch den Park des Clarenbach-Denkmals zusätzlich eingeengt. Die Entfernung vom Vorgarten
links bis zur Autobahnabfahrt in Richtung Köln beträgt weniger als 50 Meter.
Weitere Probleme können sich aus den begrenzten Parkmöglichkeiten ergeben. Wo parken Besucher, wenn die Parkplätze auf dem Gelände des Centers belegt sind?
8. Panikprävention (Panikvorbeugung)
Was passiert bei einem Katastrophenereignis (Feuer, Explosion) im Outlet Center? Was geschieht,
wenn die Besucher zu ihren Autos flüchten und mehrere tausend PKWs gleichzeitig wegfahren
wollen?
9. Entwässerung
Unter den Annahmen, dass etwa 20 ha im Gebiet des Centers versiegelt oder teilversiegelt sind
(Parkplätze) und dass bei einem Starkregen 70% des Niederschlagswassers abfließen, müssen etwa 15.000 m³ Wasser gespeichert werden. Dafür sind Rückhaltebecken vorzusehen. Es wird noch
von den zuständigen Behörden und dem Wupperverband zu klären sein, ob dieses Wasser in den
Lüttringhauser Bach eingeleitet werden darf oder ob es geklärt werden muss. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz darf der Zustand eines Gewässers nicht verschlechtert werden.
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10. Denkmalschutz
Der Heimatbund Lüttringhausen hat in den letzten Jahren das Clarenbachdenkmal mit Spenden
der Bevölkerung und der Nordrhein-Westfalen-Stiftung instandgesetzt. Unverzichtbarer Bestandteil dieses Denkmals aus der Zeit der Romantik ist der Blick über die bäuerliche Kulturlandschaft
zum Geburtshaus Clarenbachs beim Buscherhof.
Das Geburtshaus Clarenbachs im Buscher-Hof
Foto: Haimo Bullmann, 16. Januar 2011
Adolf Clarenbach wurde um 1495 auf dem „Buscherhof“, geboren. Eine Gedenktafel an seinem
Geburtshaus erinnert an den „Bergischen Reformator“. Er verbreitete seit 1523 die Lehre Luthers
und wurde deshalb am 28. September 1529 in Köln verbrannt.
1829, 300 Jahre nach seinem Tod, wurde in seinem Geburtsort Lüttringhausen, an der heutigen
Bundesstraße 51, das-Clarenbach-Denkmal errichtet.
Der Heimatbund und der Rheinische Verein wollen verhindern, dass dieses Denkmal, das Teil der
Kulturlandschaft ist, wegen privater Geschäftsinteressen zerstört oder beeinträchtigt wird.
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Foto: Haimo Bullmann, 16. Januar 2011
Blick auf die Landschaft Blume vom Clarenbach-Denkmal nach Westen zum Buscher Hof (mit rotem Dach).
Der Standort des geplanten Outlet-Centers wäre vermutlich die Talmulde vor dem Buscher Hof und der Hang hinter
dem Denkmal. Die Sichtachse zwischen Denkmal und Geburtshaus wäre dann unterbrochen. Die Innenstadt von Remscheid befindet sich auf dem Hügel im Hintergrund des Denkmals, sie hat keinen räumlichen Bezug zur Kulturlandschaft Blume.
11.Orts- und Landschaftsbild
Nach der Erläuterungskarte zum Gebietsentwicklungsplan `99 ist Lüttringhausen als „Historischer
Ortskern” dargestellt.
Der historische Ort, der in seinem Kern durch bergische Fachwerkhäuser geprägt wird, weist eine
Besonderheit auf: er grenzt im Süden direkt an die Kulturlandschaft Blume. Ort und Landschaft
bilden hier eine Einheit. Das Outlet-Center würde daher nicht nur die Kulturlandschaft Blume
vernichten, seine Auswirkungen würden auch das Ortsbild von Lüttringhausen und damit ein Stück
Heimat erheblich in Mitleidenschaft ziehen.
Das Gebiet der Blume umfasst eine begrenzte Fläche von etwa 50 ha, die von Wiesen und Weiden
geprägt wird. Die bäuerliche Kulturlandschaft wird im Norden durch den historischen Ortskern und
im Süden durch die Autobahn 1 und im Nordosten durch das Clarenbachdenkmal begrenzt. Das
Outlet-Center mit seinen großen Parkplätzen würde
sich nicht in den gegebenen städtebaulichen und landschaftlichen Rahmen einfügen,
das Landschaftsbild zerstören,
wegen des exponierten Standorts von vielen Orten im Stadtgebiet eingesehen werden und
als Fremdkörper empfunden werden.
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Foto: Haimo Bullmann 16.01.2011
Blick von der Kulturlandschaft Blume auf den historischen Ortskern von Lüttringhausen.
Im Zentrum des Ortes dominiert die barocke evangelische Kirche mit ihrem breiten Turm. Ort und Landschaft bilden
hier eine Einheit.
12.Flächenverbrauch und Bodenschutz
In den neueren planungsrechtlichen Vorschriften des Baugesetzbuches wird der Bodenschutz hervorgehoben. Der Flächenverbrauch soll verringert und die natürlichen Lebensgrundlagen sollen
geschützt und entwickelt werden. Die Gemeinden sollen die Möglichkeit der Innenentwicklung
nutzen. Dies gilt vor allem für Baulücken und brachliegende Flächen. Landwirtschaftlich genutzte
Flächen sollen nur im notwendigen Umfang baulich genutzt werden.
Die Stadt, aber auch Investoren, müssen sich auf die Möglichkeiten der Stadtentwicklung im bestehenden Siedlungsraum besinnen, bevor Grund und Boden und damit Natur und Landschaft
verbraucht werden. Der Flächenverbrauch und die Zerstörung hochwertiger, landwirtschaftlich
genutzter Böden sind mit dem Bodenschutz nicht vereinbar.
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IV. Ein Outlet-Center in der Innenstadt
Ein Outlet-Center Blume in Lüttringhausen ist aus der Sicht der Stadtentwicklung vor allem deshalb zu verwerfen, weil es in Remscheid ein neues, umsatzstarkes Geschäftszentrum auf der grünen Wiese schaffen würde, zu dessen Einzugsgebiet auch die Nachbarstädte in der Region gehören. Die Folge dieses Vorhabens wären die Verödung der Innenstädte – auch in Remscheid.
Um Hindernisse dieser Art zu beseitigen, schlagen wir vor, ein kleineres Outlet-Center auf einem
stadtkernintegrierten Standort anzusiedeln. Die Stadt Remscheid möge prüfen ob für die
Ansiedlung eines Outlet-Centers
ein vorhandenes, leerstehendes oder extensiv genutztes Kaufhaus in der Alleestraße (z. B.
Allee-Arkaden mit benachbartem Kaufhaus) oder
das Kaufhaus in Lennep (Karstadt)
geeignet ist. Ein Outlet Center in diesem Rahmen würde die Innenstädte von Remscheid oder
Lennep aufwerten und das Problem der leerstehenden Kaufhäuser vermindern. Diesem Konzept
können vermutlich auch die Bezirksregierung und die Nachbarstädte zustimmen. Die
Regionalplanung und die Bauleitplanung müssen nicht geändert werden.
Das leerstehende Karstadt-Kaufhaus in Lennep ist ein stadtbildprägendes Baudenkmal.
Das von dem Architekturbüro Klose und Schäfer geplante „Kaufhaus Dörrenberg“ wurde 1913 fertiggestellt. 1926
übernahm es die Karstadt AG und erweiterte es 1978 durch den „Schwarzen Anbau“ (im Bild rechts). Die aktuelle
Verkaufsfläche umfasst etwa 4.500 m². Zuletzt wurde das Kaufhaus unter dem Namen Hertie geführt.
Der „Karstadt“ in Lennep ist innerhalb der bergischen Großstädte das letzte Kaufhaus aus der Zeit vor dem 1.
Weltkrieg, dessen historische Straßenfassaden aus Werkstein erhalten geblieben sind. Wegen seiner baukulturellen
Bedeutung sollte es auch in Zukunft als Kaufhaus genutzt werden. Ein großes Outlet-Center vor den Toren von Lennep
würde dies mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindern.
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V. Zusammenfassung
Nach einer Presseinformation der Stadt Remscheid vom 2. 11. 2010 beabsichtigt ein Konzern ein
„Designer Outlet-Center“ im Gebiet der Kulturlandschaft Blume in Remscheid-Lüttringhausen zu
bauen. Der Investor, die McArthur Glen group, hat noch kein planerisches Konzept veröffentlicht.
In Anlehnung an zahlreiche andere europäische Outlet-Center dieses Investors wird angenommen,
dass das Center in der Blume einen dorfähnlichen Charakter mit zahlreichen eingeschossigen
Gebäuden und einer Verkaufsfläche von etwa 30.000 m² haben wird. Der angestrebte jährliche
Umsatz dürfte bei 100 Millionen Euro liegen.
Der Heimatbund Lüttringhausen und der Rheinische Verein für Denkmalpflege und
Landschaftsschutz, Regionalverband Wuppertal-Solingen-Remscheid, lehnen das Outlet-Center
wegen seiner Auswirkungen ab. Hierzu gehören die Verödung zahlreicher Innenstädte in der
Region, die Zerstörung der Kulturlandschaft Blume und der Denkmalschutz. Nach ihrer Auffassung
ist die Bauleitplanung für das Vorhaben aus folgenden Gründen nicht genehmigungsfähig:
1. Das geplante Designer Outlet-Center Blume würde die Innenstadt Remscheids und ihre
Wirtschaft schädigen und die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen.
2. Der Investor muss alle benötigten Grundstücke vor Einleitung der Planverfahren erwerben.
3. Das Vorhaben widerspricht den Zielen der Raumordnung.
4. Remscheid muss in den Planverfahren nachweisen, dass die Versorgungsbereiche der
zentralen Orte in der Region nicht beeinträchtigt werden. Dies ist nicht möglich.
5. Remscheid hat keinen rechtlichen Anspruch auf die planungsrechtliche Genehmigung eines
Outlet-Centers. Die Planung ist für die städtebauliche Entwicklung nicht erforderlich.
6. Die benachbarten Gemeinden sind im Verfahren zur Änderung des Regionalplans und der
Bauleitplanung zu beteiligen. Sie haben ein Abwehrrecht.
7. Die Erschließung durch Straßen ist nicht gesichert.
8. Die Qualität der Gewässer (Bäche) darf durch das Vorhaben nicht beeinträchtigt werden.
9. Das Vorhaben würde den Denkmalschutz in erheblichem Maß beeinträchtigen.
10. Das Center würde sich nicht in den städtebaulichen und landschaftlichen Rahmen einfügen,
den Bodenschutz missachten und unnötig große Flächen verbrauchen.
Der Heimatbund Lüttringhausen und der Rheinische Verein appellieren an die Stadt Remscheid,
die erforderlichen Planverfahren zur Änderung des Regionalplans und des Flächennutzungsplans
sowie zur Aufstellung eines Bebauungsplans für den Standort Blume nicht einzuleiten. Diese
Verfahren sind sinnlos, weil aussichtslos, kosten viel Geld und personelle Kapazität, verunsichern
die Bürger und würden den Ruf Remscheids bei den Nachbargemeinden schädigen.
Eine genehmigungsfähige Alternative wäre die Ansiedlung eines Outlet-Centers in einem
leerstehenden Kaufhaus in der Innenstadt von Remscheid oder von Lennep.
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Blick auf das historische Zentrum von Remscheid-Lüttringhausen. Der unter Denkmalschutz stehende Ortskern und die angrenzende Kulturlandschaft Blume / Felder Höhe / Buscher Hof bilden
eine Einheit. Diese städtebauliche Situation des Übergangs des historischen Ortskerns in die angrenzende freie Landschaft würde mit der Errichtung eines Outlet-Centers massiv beeinträchtigt.