Albaner (Name und Ethnogenese) Als `Arvaniten` (`Αρβανι̃ται

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Albaner (Name und Ethnogenese) Als `Arvaniten` (`Αρβανι̃ται
Albaner (Name und Ethnogenese)
Als 'Arvaniten' (‘Αρβανι̃ται) werden die Albaner vom byzantinischen Geschichtsschreiber
Michael Attaleiates das erste Mal erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit einem Aufstand,
den der dux von Dyrrhachion, Nikephoros Basilakios, 1078 gegen Kaiser Nikephoros III.
unternahm: Er verwandte für sein Unternehmen griechische, bulgarische und arvanitische
Truppen. In Verbindung mit Militäraktionen sollten diese Arvaniten von nun an in der
byzantinischen Chronistik häufiger auftauchen. In den lateinischen Quellen, wo sie ab dem
13. Jahrhundert erwähnt werden, werden die Albaner 'Albanenses' oder 'Arbanenses' genannt.
Die von den Osmanen verwandte Namensform 'Arnavut', 'arnavutlar' geht auf das griechische
‘Αρβανι̃ται zurück. Die heutige albanische Selbstbezeichnung shqiptar ist jüngeren Datums
(wohl erst nach dem 17. Jahrhundert), denn weder die nach Griechenland (14. Jahrhundert) noch
die nach Italien (ab 15. Jahrhundert) ausgewanderten Albaner kennen sie.
Die von Attaleiates erwähnten Albaner bewohnten die Landschaft →Arbanon← oder Albanon,
deren Name möglicherweise mit dem von Ptolemaios (2. Jahrhundert) genannten illyrischen
Stamm der ‘Αλβανοί und dessen Hauptort ‘Αλβανόπολις in Zusammenhang steht. Ob die
Vorfahren der heutigen Albaner von jenen ‘Αλβανοί abstammen und somit Illyrer waren, oder ob
sie später in dieses Gebiet eingewandert sind, ist in der Forschung umstritten. Die erstmals von J.
THUNMANN und dann J. G. VON HAHN und G. STADTMÜLLER vertretene Meinung, daß die Albaner in
ihren heutigen Wohnsitzen seit antiker Zeit autochthon sind, wird von der gesamten albanischen
Forschung unterstützt. Letztere geht von einer illyrisch-albanischen Kontinuität aus, die sich auf
das gesamte Siedlungsgebiet der Albaner erstreckte. Einwände dagegen wurden von N. JOKL, G.
WEIGAND und neuerdings von G. SCHRAMM vorgebracht. Ausgehend von Gemeinsamkeiten in der
Entwicklung des Albanischen und des Rumänischen, vom weitgehenden Fehlen einer maritimen
Terminologie und der geringen Anzahl der altgriechischen Lehnwörter im Albanischen treten sie
dafür ein, die balkanische "Urheimat" der Albaner nordöstlich ihres heutigen Siedlungsgebietes
zu suchen. N. JOKL verlegte sie in den Bereich des antiken Dardanien, G. WEIGAND in das
thrakische Gebiet im Dreieck Niš - Sofia - Skopje, G. SCHRAMM nach Dacia mediterranea. Für N.
JOKL steht fest, daß das Albanische sowohl mit dem Illyrischen als mit dem Thrakischen nahe
verwandt ist; für G. WEIGAND sind die Thraker die Vorfahren der Albaner Die von G. SCHRAMM
vorgebrachte Hypothese besagt, daß die Albaner die Nachfahren der (thrakischen) Bessen sind,
die im 9. Jahrhundert nach Arbanon auswanderten. G. STADTMÜLLER will sich hinsichtlich der
sprachlich-ethnischen Zuordnung der "Uralbaner" nicht festlegen. Nach ihm sind diese aus
einem altbalkanischen (illyrischen oder thrakischen) Volksrelikt in spätantiker Zeit entstanden. In
einem Rückzugsgebiet (er sieht den Mati-Gau in Nordalbanien dafür an) hätten sie inmitten der
allgemeinen Romanisierung Sprache und Volkstum bewahren können. Die Ethnogenese der
Albaner gehört also noch zu den ungelösten Fragen der Forschung.
Peter Bartl
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2
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E
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E
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ANFÄNGE DES ALBAN. CHRISTENTUMS. DIE FRÜHE BEKEHRUNG DER BESSEN UND IHRE LANGEN FOLGEN,
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URL: http://www.uni-leipzig.de/gwzo/wissensdatenbank/artikel.php?ArtikelID=63.0000