Gamswild - Der Anblick
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Gamswild - Der Anblick
IM REVIER Altersklassen überdenken? Von Luca Corlatti & Michel Dostert Gamsböcke und Gamsgeißen besitzen von Natur aus die gleichen körperlichen Eigenschaften. Das müsste sich auch in ähnlichen Überlebenschancen für erwachsene Böcke und Geißen niederschlagen. Die Jagd nimmt darauf aber kaum Bezug. Denn während es ein wahres Erlebnis ist, eine alte Geltgeiß zu erlegen, wird bei den männlichen Stücken nicht so viel Zurückhaltung erbracht. 18 K aum ein Begriff erlebte in den vergangenen Jahren solcheine inflationäre Verwendung wie die „Nachhaltigkeit“. Dabei kommen die Grundsätze nachhaltigen Handelns aus dem grünen Bereich, und gerade in der Jagd steht unsere Art der Wildbewirtschaftung in krassem Gegensatz zu einem Raubbau an der Natur. Trotzdem genügt „wollen“ allein nicht, man muss auch „wissen“: Welche Auswirkungen haben unsere jagdlichen Eingriffe langfristig auf gesunde und lebensfähige Populationen jagdbarer Arten? Um die Überlebensfähigkeit von Wildtierpopulationen zu gewährleisten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Zum Beispiel: In einem geeigneten Lebensraum muss nicht nur ein Minimum an Individuen vorkommen – auch eine artgerechte Populationsstruktur bezüglich Geschlechterverhält- nis und Altersklassen muss gegeben sein. Und schließlich braucht es für ein nachhaltiges Management einwandfreies Wissen über die jeweilige Überlebensstrategie der Art in ihrer Umwelt. Und gerade da tun sich große Lücken auf. Denn obwohl es sich beim Gamswild um das häufigste bergbewohnende Huftier in Europa und dem Nahen Osten handelt, ist das Wissen um die Biologie der Art noch längst nicht lückenlos vorhanden. Die Kosten der Lust Wildarten werden wie die meisten Säugetiere meist grundsätzlich in drei Altersklassen eingeteilt: Es gibt die Jungen, die Erwachsenen und die „Senioren“. Jede dieser Altersklassen hat in der Regel eine eigene bestimmte Überlebensrate. Am gefährlichsten ist es für die Jungen, in den ersten Lebensjahren selektiert auch die Natur stark aus – und jagd- Der Anblick 2/2013 liche Eingriffe versuchen oft, diesen Einfluss nachzumachen. Und am Ende des Lebens steigt ebenso die natürliche Sterblichkeit von Wildtieren. Irgendwann sind die Zähne abgeschliffen, die Gelenke abgenutzt und die Muskeln schlaff. Doch erwachsene Tieren haben meist eine gute Chance, von Jahr zu Jahr zu überleben. Auch bei der Gams ist die natürliche Mortalität erwachsener Geißen und Böcke gering. Doch es gibt zwischen verschiedenen Wildarten in dieser Frage kleine, aber entscheidende Unterschiede. Sie sind durch die Strategie bestimmt, mit der eine Tierart durchs Leben und die Evolution geht. Gerade bei den Schalenwildarten sieht man unterschiedliches Sozialverhalten, das für die Biologie und Überlebenswahrscheinlichkeit von Bock und Geiß, Hirsch und Tier folgenschwere Konsequenzen hat. Auf der einen Seite stehen zum Beispiel Rot- und Steinwild, bei denen große, schwere „Männchen“ versuchen, einen „Harem“ von weiblichen Tieren während der Brunft exklusiv zu „nutzen“. Nicht nur den möglichen Rivalen, sondern auch den „Weibchen“ signalisieren der kapitale Hirsch und Steinbock, über welch gute Gene er verfügt und welche Kampfkraft er in den Ring werfen kann. In sogenannten „polygynen“ oder „Haremshalter-Arten“ sind die weiblichen Tiere deutlich kleiner und schwächer als die kapitalen männlichen Tiere, während die männlichen Tiere meist starken, weithin sichtbaren Kopfschmuck entwickeln. Doch bleibt dieses Werben in eigener Sache nicht ohne Folgen für Hirsch oder Steinbock. Denn die großen Luxuskörper sind teurer im Unterhalt und Kämpfe kräftezehrend und riskant. Deshalb zeichnen sich gerade diese Arten mit großen körperlichen Geschlechtsunterschieden auch durch unterschiedliche Lebenserwartung von männlichen und weiblichen Tieren aus. Und Gams? Das altbekannte Gamswild enthüllt immer wieder neue Geheimnisse. Was wissen wir eigentlich genau über das Treiben in der Brunft? Wie viele Böcke mischen mit bei der Produktion der nächsten Generation? Und wie alt können Geiß und Bock tatsächlich werden? All diese Fragen werden heute intensiv untersucht, und die Antworten können ein Bild vermitteln, wie ein Gamsbestand unter natürlichen Gegebenheiten aufgebaut wäre. Und das müsste dann die Zielvorstellung für die jagdliche Behandlung der Gams sein. Obwohl seit den 1950er Jahren die Gamsbestände lange zugenommen haben, wurden manche Entnahmestrategien nicht an die natürliche Populationsstruktur angepasst, so dass es zu Unausgeglichenheiten im Geschlechterverhältnis (Geißen überhang) und in der Altersstruktur (hohe Anteile in der Jugendklasse) kommt. Während es für den besonnenen Bergjäger noch ein wahres Erlebnis ist, eine alte Geltgeiß zu erlegen, wird bei den männlichen Stücken nicht so viel (altersbeschränkende) Zurückhaltung erbracht. Unisex Gams Obwohl in den meisten Gams- und Jagdbüchern die Wildart als stark polygyn beschrieben wird, lassen sich Bock und Geiß gar nicht so leicht unterscheiden. Die Böcke sind zwar zu Beginn der Brunft 30 bis 40 % schwerer als die Geißen, für den Rest des Jahres gibt es aber nur geringe Unterschiede, und beide Geschlechter besitzen die gleichen körperlichen Eigenschaften. Das müsste sich auch in ähnlichen Überlebenschancen für erwachsene Böcke und Geißen niederschlagen. Bisher gibt es nur zwei wissenschaftliche Studien zum geschlechterspezifischen Überleben des Gamswildes (SCHRÖDER 1971 und BOCCI et al. 2010). Dabei bezieht sich die erste Untersuchung auf Streckenergebnisse, während die zweite auf angetroffenen Totfunden im Gelände basiert. Bocci und seine Kollegen stellten für eine Population im Naturpark Maritime Alpen (Italien) keine hohen Differenzen zwischen den Sterblichkeitsraten der Geschlechter fest. Schröder (1971) hingegen entdeckte sehr wohl eine erhöhte Mortalität bei den Foto: Naturfoto Hofmann Gamswild: Foto: Naturfoto Hofmann XXXXXXXXXXXXX Das Gamswild ist eine ungewöhnlich langlebige Art. Die Sterblichkeit steigt erst im höheren Alter wieder an, das heißt Gams können älter werden, als bisher angenommen. 19 IM REVIER XXXXXXXXXXXXX Nachhaltig jagen Auch eine weitere Tatsache muss bedacht werden: Gamsböcke lassen erst sehr spät in ihrer Vitalität nach und werden zu „Senioren“. Jedoch können Gamsböcke auch über ein Alter von 10 Jahren hinaus noch sehr aktiv und erfolgreich am Brunftgeschehen teilnehmen. Wenn man das erkennt, ist es fragwürdig, wenn verschiedene Landesjagdgesetze die Klasse I bereits bei 7 oder 8 Jahren ansetzen. Fehlen die alten, aber vitalen Böcke während der Brunft, kann das sogar dazu führen, dass nicht alle Geißen beschlagen werden – der Gamsbock ist nun mal kein Rothirsch Der Anblick 2/2013 (polygyn). Ein weiteres Problem, welches auftreten kann, ist, dass diese unbeschlagenen Geißen die Brunft unnötig verlängern und bei eventuell konditionsmäßig schwächeren, jüngeren Böcken zusätzlichen Stress und Mortalität auslösen. Schlussendlich werden sich bei einer ungenügenden Anzahl von fortpflanzungsfähigen Böcken die hierarchisch stärksten, älteren Weibchen zur Paarung durchsetzen. Da diese oft bereits ihre beste Zeit hinter sich haben, besteht die Möglichkeit, dass die daraus resultierenden Kitze auch einer erhöhten Sterblichkeit unterliegen könnten. Wirklich nachhaltige Jagd sollte die natürliche Sterblichkeit einer Wildart nachahmen und dadurch einen artgemäßen Populationsaufbau ermöglichen. So kann das Wild sein natürliches Verhaltensrepertoire ohne zusätzlichen innerartlichen Stress „ausleben“. Daher empfehlen wir, die Alterklassen für die männliche Klasse I zu überprüfen und entsprechend der Biologie des Gamswildes eine Anpassung nach oben vorzunehmen. Ebenso muss genau darauf geachtet werden, den Abschuss gleichmäßig auf Böcke und Geißen zu verteilen. Die Arbeit von Luca Corlatti, die diesem Artikel zugrunde liegt, wurde mit dem GRANSER-UnitedGlobal-Academy-Forschungspreis 2012 für eine nachhaltige Jagd ausgezeichnet. Die Universität für Bodenkultur schreibt jährlich diesen Preis, der von Prof. Günther Granser gestiftet wird, aus und will damit Managementstrategien im Sinne einer nachhaltigen Jagd fördern. Dr. Christine Miller leistete für diesen Artikel die wissenschaftliche Redaktion. WWW.WAFFEN-BURGSTALLER.AT Zwischen 1996 und 2008 wurden 116 Gämsen (40 Böcke und 76 Geißen) vom Parkpersonal gefangen und individuell mit Halsbändern und/oder Ohrmarken versehen. Zum Fangzeitpunkt waren die Böcke zwischen 0 und 12 Jahre, die Geißen zwischen 0 und 17 Jahre alt. Über 13 Jahre hinweg wurde von den Parkrangern jede Sichtung genauestens dokumentiert (Identität, Datum, Uhrzeit, Koordinaten), so dass sich am Ende 7.000 wiederholte Beobachtungen ergaben. Diese Daten wurden schließlich verwendet, um ein Fang-MarkierWiederfangmodell zu entwickeln, worauf die folgende Analyse basierte. Zwei wichtige Ergebnisse wurden dabei sichtbar: 1. Es gibt nur geringe Unterschiede zwischen der Mortalität von Geißen und Böcken. Damit werden die Ergebnisse von BOCCI et al. (2010) bestätigt. 2. Das Gamswild ist eine ungewöhnlich langlebige Art. Damit ist gemeint, dass die Sterblichkeit erst im höheren Alter wieder ansteigt, das heißt Gams können älter werden, als bisher angenommen. Was bedeutet das für die jagdliche Praxis? Von stark polygynen Arten (Rotwild) wird angenommen, dass sie im Vergleich zu schwach polygynen Arten (Rehwild) einen erhöhten Abschuss der männlichen Stücke gut vertragen. Doch anscheinend sind Gams gar nicht so polygyn, wie bisher angenommen – jedenfalls zeigen das unsere Untersuchungen. Eher scheint Gamswild eine weniger riskante Überlebensstrategie zu verfolgen und nur schwache Polygynie ausgeprägt. Natürlich beschlägt ein Platzbock immer noch mehrere Geißen. Aber das Verhältnis Väter zu Müttern in einer Population ist bei Weitem nicht so dramatisch verzerrt wie zum Beispiel beim Rotwild. Für die Gamsjagd schlussfolgert sich daraus: Wenn das Ziel gesunde Populationen und eine Maximierung der Jagdstrecken sind, muss das Geschlechterverhältnis auch in der Gamswildpopulation ausgeglichen bleiben. WWW.SAUER.DE 20 Schweizer Modell-Gams kurz, um selbst schwer mit Kronen und Enden beladen im Stechschritt an unserem Trophäen-Träger vorbeizuschreiten. Ein vordergründiges Duell ist längst nicht mehr nötig, man kennt sich ja. Es genügt ritualisiertes Verhalten. Und schließlich stehen dann alle drei bei der Ehrenwache für die Bezirksbesten vor der Ehrentafel: Der Nachbarjäger, dessen Gehilfe und unser Trophäen-Träger. Und jeder tut so, als würde er die anderen nicht sehen, hebt höchstens dann und wann die Lefzen, um an der eigenen Dominanz keinen Zweifel zu lassen. sm 02 // Unverwüstlicher, schwarzer Synthetik-Lochschaft mit Soft Touch Böcken. Diese Studie wurde allerdings wahrscheinlich durch die starke Bejagung vor allem der erwachsenen Böcke in dem Gamsbestand beeinflusst. Dadurch verschiebt sich zwangsläufig die Populationsstruktur. Die italienische Studie beruhte dagegen auf Fallwild (im Gelände). Doch basiert diese Methode auf einigen einschränkenden Annahmen und ist bei kleinen Stichproben und großen Unterschieden der altersund geschlechtsspezifischen Mortalität nicht sehr zuverlässig. Die besten Ergebnisse über die Sterberaten im Gamsbestand liefern immer noch Untersuchungen an einer lebendigen Population (anstatt mit Streckenergebnissen oder Totfunden), zum Beispiel mittels der Fang-Wiederfangmethode. Man beobachtet, wie viele der markierten Tiere in welchem Alter sterben und wie viele überleben. Durch die Markierung lassen sich dann zuverlässige Rückschlüsse auf die gesamte Population ziehen. Deswegen wurde kürzlich eine weitere Studie im Schweizerischen Nationalpark durchgeführt. Hier lebt eine unbejagte Population, die auch keinem wesentlichen Einfluss durch Prädation von Wolf oder Bär unterliegt. Damit bietet sich eine gute Gelegenheit, die natürliche Mortalität einer wilden Population zu studieren, vorausgesetzt, dass genügend Tiere markiert werden. weihe, in der Linken umklammern die feisten Finger einige Rehkronen. Die Rechte ist frei, um „Weidmannsheil“ zu grüßen und dann und wann geschüttelt zu werden. Nun betritt der Trophäen-Träger die heiligen Hallen, in denen die diesjährige Hegeschau stattfinden soll. Voller Erwartung schweift sein Blick über die immer noch halbleeren Wände, über die noch nicht fertiggeschmückte Bezirksbesten-Tafel, neben der er die kommenden Stunden Ehrenwache halten wird. Wieder ist es gelungen, satte Ernte einzufahren, die nun die letzten Meter schwer auf DIE MAXIMALE LEISTUNG IM GRIFF. S 202 SYNCHRO XT. Foto: Naturfoto Hofmann Das weibliche Gamswild zeigt in der Untersuchung eine ganz leicht höhere Überlebensrate als das männliche Gamswild. Der Unterschied ist aber so klein, dass er statistisch gesehen nicht gilt. 03 // Stahlsystem mit griffigem, runden Kammerstengel Trophäen-Träger 01 // Individuell und stufenlos einstellbarer Schaftrücken seinen Schultern lastet, bevor sie die Sachverständigen von der Bewertungskommission begutachten werden. Doch ausgerechnet jetzt stolzieren Jäger und Hilfsjäger der Nachbarjagd beim Eingang herein. Die Häupter siegessicher erhoben, verhoffen sie Information und Händlernachweis Burgstaller GmbH // Phone 04762-82228 . Fax 04762-822532 // [email protected] 04 // Alle Stahlteile Ilaflon beschichtet Abgabe von Waffen nur an Inhaber einer Erwerbserlaubnis. S chwer lastet das eisgraue Haupt auf dem massigen Träger. Stolz und gemächlich schreitet er voran und lässt seinen sozialen Status für sich selber sprechen. Er ist der Platzhirsch, hier zumindest. Und auf jeder seiner Schultern lasten jeweils schwer zwei ausladende Hirschge-