Gourmet-Biere mittels Holzfassreifung
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Gourmet-Biere mittels Holzfassreifung
BRAUWELT | Kongresse Gourmet-Biere mittels Holzfassreifung Bier-Quer-Denker | Der sechste Workshop der Bier-Quer-Denker mit dem Themenschwerpunkt „Fassgereifte Biere“ fand am 9. April 2013 in Nürnberg statt, veranstaltet von der BRAUWELT, dem Institut Romeis und dem Verband Private Brauereien. Dabei ging es zunächst um Themen wie Fassauswahl, mikrobiologische Besonderheiten sowie Vermarktung der Gourmetbiere. Im zweiten Teil stellten sieben Bier-Quer-Denker ihre fassgereiften Spezialitäten vor. Den zahlreichen Teilnehmer wurde ein überaus breites Spektrum geboten. Sie nutzten die Gelegenheit nicht nur, um ihre Geschmacksnerven zu schulen, sondern auch, um sich über die unterschiedlichsten Techniken und Technologie entsprechend auszutauschen. Wurden Holzfässer früher, wie Markus Eder, Wilhelm Eder GmbH, Bad Dürkheim, ausführte, in erster Linie zum Transport und für die Lagerung benutzt, kommen sie heute vorwiegend bei der Reifung von Weinen, Spirituosen, Bieren und Gewürzen zum Einsatz. Eichenholz eignet sich besonders, da es haltbar und hart ist, sehr dicht, formbeständig und resistent gegenüber Fäulnis, Pilz- und Insektenbe- Markus Eder: „Eichenfässer setzt man heute in der Reifung ein, da sie haltbar, resistent gegenüber Pilz- und Insektenbefall sind und sensorisch gewünschte Eigenschaften haben“ fall. Eingesetzt wird es auch wegen seiner sensorischen Eigenschaften (Geschmack, Aroma, Textur), zur Aromatisierung und Materation durch Chips, zur Mikrooxygenierung, zur Entfernung von Negativtönen und zur Farbgebung. Nicht zu vernachlässigen sind die Filtereigenschaften des Holzes, dessen Hauptbestandteile Kohlenwasserstoff, der chemische Substanzen absorbiert und als Filter Dr. Gero Beckmann: „Beim Einsatz gebrauchter Fässer muss man mit allen üblichen potenziellen und obligaten Bierschädlingen rechnen und entsprechende Umsicht walten lassen“ 500 Brauwelt | Nr. 17 (2013) für unerwünschte Geschmacksaromen fungiert, und Sauerstoff sind. Allerdings besteht die Gefahr, dass Fehlaromen aus der Umgebung in das Fassinnere gelangen. Die Sensorik wird beeinflusst von der Eichenart, der Porigkeit des Holzes, seiner Lagerung vor der Verarbeitung, der Hitzebehandlung, vom Verhältnis der inneren Oberfläche zum Inhalt. Der Einsatz von neuen oder gebrauchten Fässern spielt eine Rolle. Die amerikanische Weißeiche ist z. B. bekannt für süße und Röstaromen und zeichnet sich durch ihren hohen Gehalt an Lactonen und Tylosen aus. Deutsche und europäische Eichenhölzer bringen mehr einen süßen und würzigen Charakter, haben keine Lactone, aber einen hohen Tanninanteil. Cognac-, Bourbon, Sherry-Oloroso, Pedro Ximénez-, Amontilado-, Whisky SingleMalt-, Teqilla-, Brandy-, Sautern-/Süßweinsowie Rot- und Weißweinfässer kommen als gebrauchte Fässer zum Einsatz. Manchmal werden Holzalternativen wie Chips, Cubes, Tank-Staves und Sticks, Eichenpulver, Tannine und Extrakte verwendet. lFässer aus mikrobiologischer Sicht Dr. Gero Beckmann, Institut Romeis, beleuchtete die Fassreifung von Bier aus Martin John: „Oberstes Marketingziel bei Gourmetbieren muss sein, die Genießer zunächst zu Kunden, dann zum Fan und schließlich zum Botschafter zu machen“ Biersommelier Karl Schiffner kleidete die Aromen- und Geschmacksvielfalt in Worte Kongresse | BRAUWELT Die Vielfalt des Geschmacks und die V ielzahl der Möglichkeiten der Fasslagerung präsentierten die kreativen Brauer beim 6.Treffen der Bier-Quer-Denker mikrobiologischer Sicht und wies darauf hin, dass gerade beim Einsatz gebrauchter Fässer mit allen üblichen potenziellen und obligaten Bierschädlingen zu rechnen sei: Saccharomyces-Arten, Candida-Arten, Brettanomyces (Dekkera)-Arten, Acetobacter-Arten, Pediococcus damnosus und Lactobacillus-Arten. Zur Rekonstituierung gebrauchter Fässer zur Verbesserung des mikrobiologischen Zustandes kommen zwei Verfahren zum Einsatz: Aushobeln und Neu-Toastung oder Thonhauser TM-Recondverfahren (Lauge-, Hochdruck- und Heißluftbehandlung). Die Wahl des Verfahrens ist nicht zuletzt auch eine Kostenfrage. Neufässer sollte man sachgerecht und verschlossen lagern. Bei Whisky-Fässern ist zu beachten, dass der „natürliche“ antimikrobielle Schutz durch das Abdampfen des Alkohols verlorengeht. l Gourmetbiere und ihre Vermarktung Für Martin John, Gourmetbier-Galerie, Friedberg, lassen sich die Anbieter von Gourmet- bzw. Spezialbieren einteilen in reine Craft-Beer-Brauereien, mittelstän- dische Brauereien und Großbrauereien mit Craft-Beer-Ableger. Die reinen CraftBeer-Brauereien sind zwar sehr enthusiastisch, doch kapitalschwach und haben keine klassischen Vertriebskanäle. Die Mittelstandsbrauereien betrachten dieses Segment meist als Sortimentsergänzung und sind eher regional ausgerichtet. Die Großbrauereien verfügen über ein breites, überregionales Vertriebsnetz und sind kapitalstark. Vor einigen Jahren wurde dieses Marktsegment noch in Frage gestellt. Heute stellt sich eher die Frage, wie man es nutzt – als reines Marketinginstrument oder als zusätzliches, lukratives Geschäftsfeld für die Zukunft. Bei diesem Markt ist alles anders. Gerade die mittelständischen Brauereien benötigen ein völlig anderes Geschäftsmodell. Das fängt bei den Zielgruppen an, geht über die Trinkanlässe bis hin zur Präsentation. Die Konkurrenten um den „Shareof-Mouth“ sind Sherry, Cocktails, Sekt und Wein und nicht das Bier vom unmittelbaren Wettbewerber. Diese Punkte gilt es, bei den Vertriebswegen bis hin zum Online-Shop und Direktvertrieb zu berücksichtigen. Ganz entscheidend ist die Tatsache, dass Gourmetbiere die Öffentlichkeit brauchen: Produktaufklärung, leichter Zugang zu Probiermöglichkeiten, kompetente Beratung. Oberstes Marketingziel muss sein: vom Genießer zum Kunden, zum Fan, zum Botschafter. Die Brauereien sollten, so John, entsprechende Projekte langfristig angehen, dauerhaft die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellen, Allianzen und Netzwerke nutzen, einen Businessplan erstellen und sich langfristig die Empathie für das Produkt bewahren. lPyraser Herzblut Grundlage der Spezialität OWU, die Helmut Sauerhammer, Pyraser Brauerei, vorstellte, ist ein dunkler, untergäriger Doppelbock mit 8,3 Vol.-%. Er reifte seit Dezember 2011 in ausgesuchten Bourbonfässern der Woodford Reserve-Distillerie, Kentucky. Nach zehn Monaten Reifung in den Fässern im Sandsteinkeller wurde das Bier in Tanks gepumpt und mit frischem Doppelbock gespeist. Dadurch kam es zu einer zweiten Gärung (Schaum, Kohlensäurebindung). Das kastanienbraune Bier mit rötlichem Schimmer und festem Schaum ist im Geruch geprägt von einer Malz- und Bourbonnote, mit einem Hauch von Vanille und karamelBrauwelt | Nr. 17 (2013) 501 BRAUWELT | Kongresse lisiertem Zucker. Im Mund liegt es leicht viskos mit einer deutlichen Alkoholwärme. Nach der Beschreibung von Karl Schiffner, erster Weltmeister der Biersommeliers, zeichnet sich dieses Bier im Geschmack aus durch ein karamellartiges Aroma mit leichten Vanilletönen, die nicht übertrieben sind. Im Abgang kommt eine leichte Bittere durch mit ledrig-holzigen Aromen, die für eine gewisse Trockenheit sorgen. Ein rundum gelungenes Bier, das jedem Gourmet Freude macht. Markus Jentsch, Institut Romeis, zeigte anhand einer GC-MS-Analyse die Unterschiede zwischen dem Doppelbock vor und nach der Fassreife bezüglich aromaintensiver Inhaltsstoffe. Folgende Substanzen wurden nur in der Probe aus dem im Whiskyfass gereiften Bier identifiziert: 4-Hydroxy-2-butanon, 2,3-Butandiol, 1-(2-furanyl)-ethanon (2-Acetyl-Furan), Butytolacton, Decansäure (Caprinsäure). Weitere Substanzen veränderten bei der Reifung im Holzfass deutlich ihre Konzentrationen. lZwei Jahre im Rotweinfass In eine zauberhafte Welt entführte Giovanni Campari, Birrificio del Ducato, Roncole Verdi, Parma, Italien, die Bierkenner. In seiner 3000-hl-Brauerei ist er ständig am Experimentieren und auf der Suche nach Innovationen. Er setzt die unterschiedlichsten Fässer ein. Die neuen Fässer bringen mehr Vanille, Tannine, Röstaromen, die gebrauchten mehr Inhaltsstoffe aus den vorher darin gelagerten Getränken wie Wein, Whisky, Bourbon, Sherry, Cognac, Calvados oder Grappa. Das Black Jack Verdi Imperial Stout reift in gebrauchten Scotch-Whisky-Fässern. Die Fässer werden komplett gefüllt. Die Reifung erfolgt bei Zimmertemperatur für mindestens zehn Monate. Abgefüllt wird immer nur ein Fass auf nummerierte Flaschen. Während der ersten zehn bis zwölf Monate überwiegt der Whisky-Charakter, später kommt mehr die Vanille aus dem Holz zur Geltung. Bei L‘Ultima Luna kommen Fässer zum Einsatz, in denen vorher Amarone della Valpolicella reifte. Die Fässer werden zu zwei Dritteln gefüllt, das Bier reift 24 Monate lang. Vor der Abfüllung werden die Fässer mit gleicher Reifungszeit verschnitten. Das Bier hat 13 Vol.-%. Laut Schiffner eignet sich dieses außergewöhnliche Bier mit seinem fruchtigen Bukett, seiner Süße und Stärke zum Meditieren, passt jedoch auch zu einem kräfti- 502 Brauwelt | Nr. 17 (2013) gen Roquefort mit Trüffelhonig. In kleinen Schlucken genossen, bietet es eine echte Alternative zu Sherry. lBalance muss stimmen Für Agostino Arioli, Birrificio Italiano, Lurago Marinone, Lombardei, Italien, ist die Balance in einem Bier das Wichtigste. Er betrachtet sie wie eine weitere Zutat. Er präsentierte Sparrow Pit 2013 – „Captain Harlock“, und zwar einmal ohne und einmal mit Fassreifung. Bei Sparrow Pit – jeder Sud erhält einen eigenen Namen – handelt es sich um ein Bier aus 90 Prozent Maris-Otter-Malz, fünf Prozent Münchner Malz (25 EBC), 3,5 Prozent Melanoidin-Malz und 1,5 Prozent dunklem Malz. Die Hopfengabe besteht im Sudhaus aus drei Gaben Polaris Typ 100 (4/4/3 g Alphasäure/hl, Celeia Typ 90 sowie Simcoe Typ 90 zu je 8 g Alphasäure/ hl). Beim Hopfenstopfen kommen Cascade Typ 90 (10 g Alphasäure/hl) zu Gärungsbeginn sowie Celeia Typ 90 (2,5 g Alphasäure/hl) nach der Lagerung für zwölf Tage zum Einsatz. Das Flaschenbier zeigte laut Schiffner einen grandiosen, exotischen, blumigen Duft. Im Trunk war die Bittere sehr angenehm abgerundet mit der fruchtigen Süße (Ananas, Banane) und dem Malzkörper. Die fassgereifte Version (5 Monate im Pinot-Noir-Fass) präsentierte sich etwas dunkler in der Farbe (leuchtender Bernstein). Im Geruch dominierte der Malzcharakter. Im Geschmack zeigte es eine elegante Säure. Die Bittere war etwas überlagert von leichten Röstaromen. Der fruchtige Eindruck war nicht mehr so stark, die Malztönung überwog. lBarley-Wine aus dem Eichenfass Cornelius Faust, Brauhaus Faust, Miltenberg, stellte einen Barley-Wine aus dem Eichenfass vor, der zur Reihe der Jahrgangsbiere der Brauerei gehört. „Brauerreserve 1237“ wurde eingebraut zu Ehren der Stadt Miltenberg, die 1237 das erste Mal urkundlich erwähnt wurde. Der Stammwürzegehalt liegt bei 27 Prozent. Verwendet wurden Pilsner, Münchner, dunkles Weizen- und Melanoidinmalz. Die Hopfung bestand zu 30 Prozent aus Magnum und zu 70 Prozent aus Tettnanger (20 BE). Vergoren wurde mit einer Weinhefe aus Franken. Der Alkoholgehalt wird mit 10,4 Vol.-% angegeben. Die Reifung erfolgte über acht Monate im Eichenholzfass. Gekennzeichnet ist dieses Bier durch einen rotbraune Farbe sowie einen cremefarbenen Schaum, fruchtige Aromen von Himbeere, Melone, Pflaume, feiner Vanille sowie nach Rumtopf und Bourbon Whisky. lFür die kalte Jahreszeit Bei der Brauerei Friedrich Haaß KG, Schwalm Bräu, Schwalmstadt, überlegte man laut Stefan Haaß, welches Bier zur kalten Jahreszeit passt, und einigte sich auf einen hellen Bock mit 16,8 Prozent Stammwürze, endvergoren und rund 20 Bittereinheiten. Dieser wurde acht Wochen im Eichenfass gereift und eine Woche aufkarbonisiert. Bei einigen Suden kamen Holzspäne zum Einsatz. Der Verkaufspreis lag bei 12,90 EUR/0,7-l-Bügelverschlussflasche, und der Verkaufserfolg war enorm. Das Bier zeigte laut Schiffner im Geruch eine leichte Honignote, die vom Hopfen stammen könnte. Dazu war eine leichte Holz- und Röstnote zu bemerken. Im Mund kamen die Frucht- und Bitterkomponenten zur Geltung, wobei die Holztönung etwas über der Bittere lag. Das Bier war im Mundraum sehr angenehm, im Abtrunk etwas süß. Insgesamt, so Schiffner, ein sehr interessantes Bier, das mehr Aufmerksamkeit verdient. lAußergewöhnliche Biervielfalt Markus Lohner, Camba Bavaria, Truchtlaching, hatte von den fast 50 Spezialitäten seiner Brauerei zwei holzfassgereifte Biere mitgebracht. Der Oak Aged Heller Bock – Muscatel ist zunächst ein unfiltriertes, helles, untergäriges Starkbier mit 7,1 Vol.-% aus offener Hauptgärung und liegenden Lagertanks. Es ist eingebraut mit 100 Prozent hellem Gerstenbraumalz, gehopft mit Select, Perle und Tettnanger. Das Moscatel-Weißweinfass aus amerikanischer Eiche vermittelte ein süßliches Aroma. Die Reifung erfolgte sechs Monate lang. Das Bier zeichnete sich aus durch eine intensive, schöne helle Bernsteinfarbe, im Duft leichte Hefe und leichte Herbe. Im Geschmack hatte es eine fruchtige Reifenote. Im Trunk war es ausgesprochen trocken, die Bittere versteckt in der Mitte des Trunks. Fruchtigkeit und eleganter Bierkörper, so Schiffner, überzeugten. Oak Aged Doppelbock-Bourbon hat als Grundlage einen dunklen, untergärigen Doppelbock mit 8,2 Vol.-%. Die Hauptgärung erfolgte im Gärtank, die Reifung in liegenden Lagertanks. Helle und dunkle Gerstenmalze kamen zum Einsatz ebenso wie die Hopfensorten Perle und Tradition. Kongresse | BRAUWELT Zur Reifung wurde ein Woodford Reserve Bourbon-Fass aus der ältesten Destillerie in Kentucky eingesetzt. Die Reifung dauerte sieben Monate. Je nach Intensität des Bieres wurde mit dem Grundbier verschnitten. Das Bier, mahagonifarben mit kompaktem, stabilem Schaum, duftete nach einem Cocktail aus Vanille, Schokolade, Kokos und Eichenholz. Es schmeckte angenehm vollmundig. Das Bourbon-Aroma war deutlich zu spüren. Insgesamt ergab sich ein kräftiger, weich abgerundeter Eindruck von Karamell, Vanille und von fruchtigen Noten. Für Schiffner ein sehr schlankes Bier, fruch- tig, mit feiner Säure, nach Vanille und Whisky schmeckend, mit angenehmer Bittere, sehr rund, fast perfekt, mit geschmeidigem Abgang. lWhisky-Bier mit T orfaroma Georg Rittmayer, Brauerei Rittmayer, Hallerndorf, stellte Smokey George vor, der mit über Torffeuer getrocknetem Malz aus den schottischen Highlands eingebraut wird. Dieses bringt das unverwechselbare intensive Aroma nach Torf und Rauch, das sofort Erinnerungen an schottische Islay-Whiskys aufkommen lässt. Am Gaumen ergibt sich ein harmonisch-ausgewogenes Geschmacksbild mit feiner Süße von dunklem Malz, verbunden mit eleganten Rauch- und Torfnoten (12 % Stammwürze, 5 Vol.-%, 18 BE, 35 EBC). Friends Beer hat einen Stammwürzegehalt von 21 Prozent und 9,5 Vol.-%, vergoren mit Weinhefe. Diese Spezialität reift sechs Monate im Laphroaig-Fass, wo es sein Aroma erhält. Es ist gekennzeichnet durch ausgeprägte Rauch- und Torfnoten sowie eine angenehme Säure. Das Malzaroma schlägt die Brücke zur rauchigen uh Struktur. Brauwelt | Nr. 17 (2013) 503