Christen sind Menschen die Gott immer mehr vertrauen

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Christen sind Menschen die Gott immer mehr vertrauen
Christen sind Menschen, die Gott immer mehr vertrauen / Uli Limpf / Seite -1-
Predigt gehalten in Ort / Datum
Pforzheimer Stadtmission
24. Juni 2007
Christen sind Menschen, die Gott (immer mehr) vertrauen
Hebräer 10, 35
Gebet:
Herr, ich bete jetzt für diese Predigt. Ich bitte dich, dass du uns wach machst und
dass du uns nicht vorbeisehen lässt. Weck du in uns das Gefühl, dass es kein Zufall
ist, dass wir jetzt hier sind, dass du uns meinst. Und, Herr, komm zu deinem Ziel mit
uns. Rühr unser Herz an! Amen.
Liebe Stadtmissionsgemeinde,
als ich noch Jungscharleiter war, hatte ich einmal eine gute Idee für eine Jungscharstunde, die ich – und vermutlich auch meine Jungscharler aus der damaligen Zeit –
bislang nicht vergessen habe. Ich wollte den Jungscharlern erklären, was es heißt,
auf Gott zu vertrauen. Also besorgte ich in einem Sportgeschäft ein Bergsteigerseil,
band es mit einem sicheren Knoten in unserem Jungscharraum an die Decke und
ans andere Ende des Seiles ein schweres, altes Bügeleisen, das gut und gerne zwei
Kilo wog. Das Seil machte ich so lang, dass es 10 cm über dem Boden baumelte.
„Dieses Seil ist darauf getestet, dass es eine Last von zwei Tonnen halten kann“,
erklärte ich den Kids. „Wer von euch hat so viel Vertrauen in dieses Seil, dass er bereit ist, seine Armbanduhr auf den Boden zu legen? Ich lasse dann das Bügeleisen
von oben herunterfallen.“ Die Jungs waren begeistert. Klar, wegen einer Armbanduhr
kann man schon noch etwas riskieren und gleich legte einer seine Uhr unter das Bügeleisen. Ich stieg eine Leiter hoch und auf Kommando sauste das Bügeleisen
2,50 m in die Tiefe. Jubel – als es wirklich wenige Zentimeter über der Armbanduhr
stoppte und dann auspendelte. Das Seil hatte natürlich die Last gehalten. Mein Knoten zum Glück auch. Etwas ruhiger wurde es in der Gruppe dann, als ich sie dazu
aufforderte, anstelle der Uhr ihre Hand unter das Bügeleisen am Seil zu halten.
Und dann versuchte ich ihnen zu erklären, was es heißt, im Leben auf Gott zu vertrauen: „Du musst Gott nur vollkommen vertrauen, dann wird alles gut!“
Der Schreiber des Hebräerbriefes fordert seine Leser – das sind junge Christen in
Kleinasien, die unter Druck und Verfolgung gelitten hatten – dazu auf:
Hebr. 10, 35 Darum werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.
Gott zu vertrauen, auch wenn einem der Wind ins Gesicht bläst. Gott zu vertrauen,
wenn einem Haus und Eigentum geraubt wurde. Gott zu vertrauen, wenn Angehörige
ins Gefängnis gesteckt wurden. Öffentlich wurden sie verschmäht und verspottet.
Das war die Situation der Gemeinde, an die der uns unbekannte Autor des Hebräerbriefes seinen Brief geschrieben hatte. Nach all solchen Schwierigkeiten fragten sie
sich: „Wo ist jetzt der Herr Jesus?“ Sie standen verständlicherweise in der Gefahr,
dass ihnen der Geduldsfaden riss; sie standen in der Gefahr, ihre Zuversicht auf Gott
wegzuwerfen, ihr Vertrauen auf Gott zu verlieren.
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Wohl wir alle hier sind in der glücklichen Situation, dass wir bislang noch nicht solche
Bedrängnisse und Anfechtung unseres Glaubens an Jesus erlebt haben.
Und doch glaube ich, dass es auch für uns Situationen und Erfahrungen geben kann,
in denen wir uns fragen: „Lohnt es sich, auf Gott zu vertrauen? Kann ich mich wirklich
auf ihn verlassen?“
Werfet euer Vertrauen nicht weg – denn es hat eine große Belohnung!
„Christen sind Menschen, die Gott immer mehr vertrauen“ – so habe ich diese Predigt heute überschrieben und in einigen Schritten will ich mit euch darüber nachdenken, wie es denn um unser Vertrauen auf Gott bestellt ist. Was heißt das überhaupt:
„Ich vertraue Gott?“
1. ... immer mehr ...
Christen sind Menschen, die Gott immer mehr vertrauen. Vielleicht habt ihr euch gefragt: „Warum sagt er nicht: Christen sind Menschen, die Gott vertrauen! – Schluss!
Warum flickt er das ‚immer mehr’ mit hinein?“
Doch das „immer mehr“ ist mir wirklich sehr wichtig.
Manchmal leide ich unter so steilen Sätzen wie: „Das sind Menschen, die Gott vertrauen!“ Ich leide daran, weil ich in meinem Leben Zeiten kenne, in denen ich ihm
nicht vertrauen konnte. Wir müssen einfach sehen, dass es ein Weg ist. Es im Leben
zu lernen, Gott zu vertrauen, ist ein Lebensthema. Vertrauen lernen – das ist Stoff für
ein ganzes Leben. Wir können nur immer wieder darauf gucken wie auf einen Mosaikstein.
Mir geht es darum, dass wir uns klar machen, dass dieses Thema „Vertrauen“ Teil
eines Weges, Teil eines Prozesses ist. Das Ziel ist uns klar, das steht in der Bibel,
die Verse kennen wir.
Jes. 26, 4
Darum verlasst euch auf den HERRN immerdar; denn Gott der HERR ist ein Fels ewiglich.
Ps. 118, 8
Es ist gut, auf den HERRN vertrauen / und nicht sich verlassen auf Menschen.
Aber die Wirklichkeit ist so, wie sie bei einem Abraham war. Er brach mit großem
Vertrauen auf Gott aus Ur in Chaldäa ins Land Kanaan auf. Er durchzog das verheißene Land und baute darin Altäre, weil er darauf vertraute, dass Gott es ihm und seinen Kindern schenken würde. Aber sein Vertauen kam auch an Grenzen, als er vor
Gott klagte, weil Sara und er keine Kinder bekommen konnten. „Was hilft es mir,
dass ich reich bin“, klagte er Gott. „Solange du mir keinen Sohn gibst, ist mein Leben
sinnlos.“ Sein Vertrauen kam an Grenzen, als eine Hungersnot im Land ausbrach
und er auf eigene Faust nach Ägypten zog und dort anfing zu lügen, um sein Leben
zu retten. Sein Vertrauen war zu Ende, als er Saras Rat befolgte, doch mit deren
Magd Hagar ein Kind zu zeugen. Der Weg Abrahams war ein Weg mit vielen Rückschlägen und mit Phasen, in denen er umgefallen ist. Wir kennen den Weg Abrahams mit seinen vielen Rückfällen, mit seinem Umfallen, mit falschen Sachen. Und
wir wissen ganz am Ende – der alte Abraham, der hat vertraut! Aber es war ein jahrelanger Weg. Und deswegen geht es darum, immer mehr zu vertrauen. Wir sind aufgebrochen mit Jesus und wir sind auf dem Weg. Und das mit dem Vertrauen auf
Gott, das haben wir nicht einfach unter den Füßen.
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Vieles von dem, was ich sage, kann man mit frommen Ohren hören und sagen: „Ja,
das ist richtig. Ja, so ist es.“ Aber ich warne auch, denn ich entdecke unter uns so
viel Immunität für die richtigen Worte. Wir sagen und singen manchmal steile Sätze.
Nicht nur in den neuen, auch in den alten Liedern, wenn wir z. B. singen: „... das
Höchste meines Lebens ist dich kennen/dich lieben/dir dienen, Herr.“ Oder, um auch
ein altes Lied zu zitieren: „Nimm mein Leben, Jesus, dir/übergeb ich’s für und
für/nimm Besitz von meiner Zeit (meinem Geld),/alles sei nur dir geweiht.“ Wir nicken
das alles ab. Wir sagen: „Ja, so ist das!“
Aber es gibt eine andere Wirklichkeit. Es ist die Wirklichkeit unseres Lebens. Und die
ist oft ganz anders als die Worte, die wir sagen können, die wir auch glauben, die uns
wichtig sind.
2. Gott will mich, nicht ...
Gottes Ziel mit uns ist, dass wir uns seiner Liebe anvertrauen und das hat etwas mit
unserem Herzen zu tun. Brenan Manning, ein amerikanischer Christ und Autor,
schreibt in seinem Buch „Verwegenes Vertrauen“: „Ein menschliches Herz, das darauf vertraut, geliebt zu sein, gefällt Gott mehr und bereitet Gott größeres Vergnügen
als die sixtinische Kapelle oder was immer Menschen sich ausgedacht haben, um ihn
zu ehren.“
Warum ist das so? Weil Vertrauen der höchste Ausdruck von Liebe ist.
Das ist also unser Ziel, immer mehr Gott zu vertrauen als dem guten Vater. Uns klar
zu werden, es geht darum, ein kindliches Vertrauen zu entwickeln. Wir haben das
nicht mehr als Erwachsene.
Gott zu sehen als den guten Vater, der unser Leben durchwebt mit seiner Freundlichkeit. Er ein liebevoller Vater und wir seine Kinder.
Gott zu kennen und von ihm gekannt zu werden, das ist Glück!
Vielleicht sagt der eine oder andere jetzt: „Das ist doch trockene Theorie. Wir müssten in den Alltag schauen. Glaube besteht doch aus Arbeit, aus Tun, aus Ethik, aus
Verhalten. Gemeinde ist Arbeit für Jesus und das wollen wir doch auch und Glaube
heißt doch nachfolgen und Nachfolge heißt tun. Und Tun ist uns wichtig, denn Tun
können wir gebrauchen in der Gemeinde, denn wir wollen doch etwas verwirklichen,
wir wollen etwas umsetzen.“
Gerade in diesem Anspruch lauert eine große Gefahr. Nämlich die Gefahr der Funktionalität. Wir machen etwas mit dem Glauben. Wir verkünden Jesus, wir arbeiten für
Jesus – aber leben wir aus Jesus?
Das Tun ist nicht verkehrt, es gehört ja tatsächlich auch zu unserem Glauben, zu unserem Christsein dazu. Aber es ist nicht das Eigentliche. Es ist etwas, das aus dem
Sein in Jesus, aus dem Leben mit Jesus, aus dem Vertrauen auf Jesus heraus
wächst. „Bleibet in mir und ich in euch, denn ohne mich könnt ihr nichts tun“, sagt
Jesus.
Für Christen gibt es einiges, was unter keinen Umständen verändert werden darf.
Dazu gehört die persönliche Beziehung zu Jesus in Gebet, Gemeinschaft, Dienst.
Dazu gehört das Wort Gottes.
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Aber es wäre viel leichter, wenn wir auf Leistung setzen würden. Auf Programme,
Messbares, Zählbares – wir wollen wachsen. Wir produzieren eine neue Veranstaltung, eine neue Gemeindezeitschrift, einen neue Gruppe ...
Nein, zuallererst geht es um eine Herzensbeziehung – Beziehung zwischen mir und
Gott. Das ist anstrengend, denn das ist nicht greifbar, das ist nicht sichtbar.
Magnus Malm schreibt in „Gott braucht keine Helden“: „Jesus fragt nicht nach meinen Leistungen, sondern nach mir selber. Gott will nicht meine Arbeit, er will mich.
Das ist ein Riesenunterschied. Er will mich, er will das Herz, nicht die Tätigkeit, nicht
die Funktion. Gott ist weder Trainer noch Arbeitgeber, sondern ich bin und bleibe
Kind.“
3. Warum fällt uns Vertrauen so schwer?
Vor einigen Wochen hatte ich ein Gespräch mit einem Kollegen – nicht von hier, er
lebt und arbeitet woanders. Er hatte vor seiner Bibelschulausbildung einen guten Beruf, hat gutes Geld verdient. Sein Leben war ihm bislang gelungen. Er war auch ein
Mann, der von Herzen Gott diente. Ehrenamtlich brachte er sich in die Gemeinde ein
und er tat es gerne, es war nicht verzwungen. Es war bei ihm eine tiefe Überzeugung. Dann verspürte er den Ruf Gottes, ihm hauptamtlich zu dienen. Er folgte diesem Ruf, kündigte im Beruf, absolvierte eine Bibelschulausbildung und wurde im Anschluss daran Prediger in einem kleinen Städtchen. Zwischenzeitlich hatte er geheiratet und wurde Vater von zwei Kindern. Doch einige Jahre später wurde seine Frau
krank. Sie bekam Krebs, es war ein aggressiver Krebs und nach zwei Jahren war sie
gestorben. Die Kinder waren noch klein, gerade einmal vier und sechs Jahre alt und
der Kollege musste seinen Dienst reduzieren, konnte nur noch zu 50 % arbeiten. In
dieser Zeit hatte ich einmal mit ihm gesprochen. „Weißt du“, sagte er mir, „ich fühle
mich von Gott verschaukelt und im Stich gelassen. Alles in meinem Leben habe ich
für ihn investiert und was kommt dabei heraus? Was habe ich davon? Tief in meinem
Herzen bin ich von Gott so sehr enttäuscht. Mir helfen keine frommen Lieder mehr
wie ‚Ja – ich vertraue Jesus ...’“
Ich glaube, dass unter dem, was wir als Glauben benennen, heimlich ein Kampf tobt
mit unserem Misstrauen. Unsere wahre Herausforderung besteht nicht darin, Gott
immer mehr und immer besser zu vertrauen. Unsere wahre Herausforderung liegt in
unserem Kampf mit dem Misstrauen in unserem Herzen.
Ich kenne es auch in meinem Leben sehr gut – das heimliche Misstrauen gegenüber
Gott. Die Frage: „Hat Gott wirklich Gutes mit meinem Leben vor? Ist es wirklich wahr,
wenn er sagt: Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und damit sie es in seiner ganzen Fülle haben?“
Vielleicht wird Gott dich ja auch einen tiefen Weg durchs dunkle Tal führen.
Es gibt noch andere Regungen unseres Herzens, die unserem Glauben und Vertrauen entgegenstehen. Es gibt so eine Art Bitterkeit auf Gott, so eine Art Enttäuschtsein.
„Warum tappe ich immer in die gleiche Falle hinein“, sagte mir in dieser Woche eine
Person.
Vor einigen Jahren hörte ich einmal bei einer Konferenz auf St. Chrischona ein Referat von Ulrich Eggers, dem Chefredakteur der christlichen Zeitschrift „Aufatmen“.
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Er erzählte uns von seinem Weg mit Gott und berichtete:
„Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, was in meinem Leben
schließlich dazu führte, dass ich Pastor in einer FeG-Gemeinde geworden bin. Ich
war mit Leidenschaft in meinem Beruf, war immer ein Kämpfer für ein modernes, argumentatives Christsein. Ich war ein sehr effektiver Mitarbeiter im Reich Christi. Ich
konnte in den Gemeinden viele Dinge bewegen. Ich war als Redner und Referent
begehrt. Aber ich hatte Angst vor Gott und hatte keine Herzensbeziehung zu ihm. Ich
konnte die Rechtfertigungslehre Martin Luthers vorwärts und rückwärts zitieren. Alle
relevanten Bibelstellen dazu wusste ich auswendig. Aber in meinem Herzen war
Angst und ich hatte Jesus nicht erfahren.“
Und Ulrich Eggers sagte dann in diesem Referat: „Je länger ich als Christ unterwegs
bin, desto mehr entdecke ich, dass dies unser zentrales Problem, das Problem vieler
ist. Dieser Kampf mit dem Misstrauen: Sollte Gott wirklich gesagt haben? Liebt er
mich wirklich? Kennt er mich wirklich persönlich? Meint er mich?“
Vielleicht ist das auch dein Problem. Da ist eine Riesenenttäuschung in deinem Leben. Da ist ein Riesenzweifel, da ist Tod, da ist Zerbrechen. Was ist mit Gott? Wo ist
Gott?
Vielleicht kannst du deinen Kindern im Kindergottesdienst von A bis Z die Bibel und
den Heilsplan Gottes erklären. Du kannst ihnen erzählen, dass er ein guter Vater ist.
Aber es überzeugt dich nicht.
Oder da ist vielleicht eine ständige Überlastung, da ist Enttäuschung, das Scheitern
an sich selbst ...
Wir kennen alle die frommen Sätze, aber sind sie wahr in unserem Leben? Unser
Herz lässt sich nicht durch einen Kopf voll Überzeugungen regieren. Unser Herz will
Wahrheit! Wenn ich Sachen sage, die ich nicht fühle, dann ist da ein Riss und der
muss irgendwann gefüllt werden.
4. Wie werden wir zu Menschen, die Gott immer mehr vertrauen?
Für mich fängt das damit an, dass wir anfangen, ehrlich zu werden vor Gott. Für mich
fängt es damit an, dass wir der Wahrheit ins Auge sehen, dass wir sie aussprechen.
Jesus sagt: Die Wahrheit wird euch frei machen. Wo Unwahrheit ist in einem Leben,
in einer Gemeinde, einem Werk, kann keine Frucht wachsen.
Noch einmal will ich Ulrich Eggers zitieren, dessen Referat mich damals sehr angesprochen hat. Er hat berichtet, wie ihn nach 15 Jahren seines Dienstes für Jesus diese Angst vor Gott so sehr umtrieb, dass er für sich sagte: „Lieber Gott, das muss anders werden, sonst kann ich nicht mehr weiter.“ Und er erzählte: „Mein Weg, Gott
immer mehr zu vertrauen, begann damit, dass ich ihm sagte: ‚Ich liebe dich nicht!
Wenn ich singe, „ich liebe dich, Herr“, dann lüge ich. Ich hab das auch nicht mehr
gesungen.’ Ich sagte ihm: ‚So sieht es in meinem Herzen aus – hilf mir, dich lieben
zu lernen. Hier ist meine Not, ich sag dir das, bitte hilf mir.’“ Und dann hat er Stück für
Stück entdecken dürfen, dass Gott nicht nur der Dienstherr seines Lebens, sondern
in allererster Linie ein wirklich liebender Vater ist.
Mir selbst hat Gott da einmal etwas an meiner eigenen Vaterschaft deutlich gemacht.
Wenn es Abende gibt, an denen ich zu Hause bin, lese ich meinen Kindern immer
wieder etwas aus einem Buch vor. Das haben wir so gemacht, als sie klein waren
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und das machen wir auch heute noch dann und wann so. Und meist genießen es die
Kinder am meisten, wenn sie sich dazu in unsere Ehebetten legen dürfen. An einem
Abend tobten sie schon in den Schlafanzügen in den Betten herum. Schon die Zeit
davor hatte es beim Abendessen zwischen uns und ihnen geknallt, so waren wir bereits an dem Punkt, wo nicht mehr die beste Atmosphäre in der Familie herrschte.
Und jetzt also tobten sie weiter, fanden nicht den Schalter zum Abschalten.
Ich sagte: „He, jetzt hört ihr auf zu toben!“, doch sie reagierten überhaupt nicht. Ich
sagte es ein zweites Mal, aber es war so, als wenn sie es nicht gehört hätten. Ich
brüllte lauter – doch da war keine Reaktion. Eltern kennen vielleicht diese Situation.
Irgendwann geht einem das Messer in der Tasche auf. Der Geduldsfaden war bei mir
schon eindeutig gerissen und ich reagierte mit einer typisch elterlichen Erpressung:
„Also, wenn ihr jetzt nicht aufhört, gibt es keine Gute-Nacht-Geschichte“ und weil sie
immer noch nicht aufhörten, sagte ich ihnen: „Jetzt ist Schluss – aus und vorbei – für
heute ist die Gute-Nacht-Geschichte gestorben.“ Dann war es auf einmal ruhig. Sie
ahnten, dass die Stunde geschlagen hatte. Dann begann das Betteln: „Ach, Papa,
wir sind jetzt ganz brav.“ – „Nein!“
Doch das Betteln ging weiter: „Wir haben das gar nicht richtig gehört und wir machen
das auch nicht mehr“ – „Nein!“
Doch irgendwie merkten die beiden doch, dass mein Herz schmolz, dass ich weich
wurde und irgendwann sagte einer von den beiden: „Hey, sei mal ganz leise, der tut
das doch noch.“ Und so kam es dann auch ...
Das hatte mich berührt. Meine Kinder kannten mein Herz. Sie wussten, es ist mein
Anliegen, sie zu lieben. Und sie kannten mein Herz.
Ich hatte dann über diese Geschichte am Abend noch nachgedacht und mir überlegt:
Wenn Gott doch ein viel besserer Vater ist, als ich es bin – und das ist er zweifelsohne – dann muss doch sein Herz mir gegenüber noch viel liebevoller, viel wärmer
sein, als ich es als Vater gegenüber meinen Kindern sein kann. Das hat mir geholfen,
dass mein Vertrauen zu Gott gewachsen ist. Das hilft mir zu glauben und zu vertrauen, dass ich wirklich so sehr von ihm geliebt bin, dass er, wäre ich der einzigste Sünder auf der Welt, auch nur für mich, für mich allein, gestorben wäre.
Es gibt für mich ein Wort aus dem Lukasevangelium, über das ich schon oft nachgedacht habe und dessen Tiefe ich immer noch versuche auszuloten.
Lk. 11, 13
Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der
Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!
Andere Übersetzungen sagen: Um wie viel mehr wird der Vater im Himmel Gutes
geben denen, die ihn bitten.
Wenn wir den liebenden Vater immer mehr vertrauen, glaube ich, wird uns das in
eine immer größere Freiheit führen. Es lohnt sich, die Beziehung zu wagen. Es gibt
eine Mechanik der Freiheit. Manche leben mit Gott wie in einer müde gewordenen,
alten Vernunftehe: „Wohin soll ich denn gehen, Gott, ich hab ja nichts anderes, also
bleib ich bei dir, aber Liebe, Liebe ist das nicht mehr.“
Das hat mich auf einen Weg gebracht, auf dem ich immer noch unterwegs bin. Ein
Weg, auf dem ich es lernen möchte, meinem Gott immer besser zu vertrauen.
Gott verurteilt mich nicht. Ich brauche mich nicht zu verurteilen. Er ist ein Vater, dem
ich vertrauen kann.
Christen sind Menschen, die Gott immer mehr vertrauen / Uli Limpf / Seite -7-
Ich kann und will nicht sagen, dass mein Leben und mein Christsein ein Leben ist,
das permanent und kühnlich seinem Gott vertraut. Nein, auch heute kenne ich Phasen, wo mich Fragen plagen, wo ich neu darum ringen muss, meinem Gott zu vertrauen. Deshalb sage ich nicht: „Christen sind Menschen, die Gott vertrauen“, sondern „Christen sind Menschen, die Gott immer mehr vertrauen.“ Es ist ein Weg –
aber auf diesem Weg will ich unterwegs sein.
Vielleicht noch einige konkrete Fragen zum Schluss:
• In welchem Gebiet meines Lebens fällt es mir schwer, Gott zu vertrauen?
• Welche Hindernisse spüre ich auf meinem Weg zum Vertrauen (Misstrauen,
Angst, Bitterkeit ...)?
• Was könnte mir helfen, Gott als guten Vater zu sehen?
Amen

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