Drägerheft 397: Motivation

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Drägerheft 397: Motivation
Unterwasser-Navigation:
Forscher vermuten, dass die
Fische sich zu einem Schwarm
organisieren, um so das Leben
jedes Einzelnen zu schützen. Durch
die pulsierende Kreisform sind
sie vorübergehend mehr als nur
eine Ansammlung von Einzelnen. Dabei orientieren sie sich
in ihrer Bewegung offenbar
dank Spiegelneuronen (entdeckt
vom Hirnforscher Giacomo
Rizzolatti 1992) am Verhalten
des jeweils anderen
Die
MOTIVATION
FOKUS
Stärke
der
Gemeinschaft
Arbeiten in TEAMS ist
allgegenwärtig. Jeder ist
irgendwo Teamplayer
dieser globalen Welt – beruflich wie privat. Das hat die
Zivilisationsdämmerung erst
möglich gemacht. So, wie
vieles erst in Zusammenarbeit
funktioniert und oft auch
einfach mehr Freude macht.
FOTO : DAVE FLEETHAM / DESIGN PICS / GET T Y IMAGES
Text: Isabell Spilker
D
Der Hinterhalt funktionierte, der Speer traf ins Schwarze. Das
Mammut war erledigt, trotz Eiseskälte und tiefer Nacht. Einer hatte
gelockt, ein anderer die Falle gestellt, der Nächste den Speer ins
Herz geschleudert. Das Ziel: Hunger stillen, Überleben sichern. So
sah erfolgreiche Teamarbeit aus, wenn sie von einer Horde Steinzeitmenschen erledigt wurde. Der Schlüsselfaktor der menschlichen
Evolutionsgeschichte. Das scheint eine anthropologische Konstante zu sein. Wer wurde nicht schon einmal in einem Vorstellungsgespräch gefragt, wie es um seine Teamfähigkeit bestellt sei? Mit
anderen an Zielen zu arbeiten ist eine Fähigkeit, die sich wohl
die meisten gern auf die Fahnen schreiben. Einer der Soft Skills
schlechthin. Und auch Unternehmen umgeben sich gern damit, aus
den Fähigkeiten von Teams zu schöpfen. Vorbei das Zeitalter heroischer Entscheidungen, die ein brillanter Kopf im Alleingang traf.
Die Wirklichkeit ist meist komplex, deshalb ist es wichtig geworden, auf die Wahrnehmung vieler kluger Köpfe zu setzen. Die notwendigen Perspektiven kann ein Einzelner meist gar nicht abbilden.
Möglichst klein und autark
Ein Team, dazu gehören immer zwei oder mehrere Personen. So gesehen sind Familien ebenso Teams wie Sportmannschaften. Und doch:
„Ein Arbeitsteam muss organisationsrelevante Themen bearbeiten
und nicht nur den Kaffeekranz gemeinsam bestreiten“, sagt Claudia
Buengeler, Professorin für Organisationales Verhalten und Personalmanagement an der Amsterdam Business School und Spezialistin
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MOTIVATION
im Bereich Diversity Management von Teams. Diversity Management
bedeutet, dass Unternehmen systematisch versuchen, soziale Vielfalt
konstruktiv zu nutzen. Dabei geht es nicht nur darum, Diskriminierungen abzustellen, sondern gezielt verschiedene Typen in die Belegschaft zu bekommen – und zu halten. „Was sie eint, sind ein oder
mehrere gemeinsame organisationsrelevante Ziele sowie ein Mindestmaß an sozialer Interaktion. Bei virtuellen Teams sind das eben
E-Mails, Videokonferenzen oder Chats.“ Evolutionär gesehen gibt es
Teamarbeit schon immer, vieles lässt sich nur gemeinsam bewerkstelligen. Abweichungen davon haben keine lange Halbwertszeit: wie
etwa der Fordismus Anfang des 20. Jahrhunderts, als man nach Ende
des Ersten Weltkriegs die Warenproduktion in kleinste Schritte gliederte, um die Produktivität zu erhöhen. In den 1970er-Jahren begannen viele Unternehmen, diese Arbeitsorganisation zu überdenken.
Erst in den 1990er-Jahren setzte sich mit kleinen und selbstständig
agierenden Einheiten der Teamgedanke wieder durch. In Uddevalla
übergab ein schwedischer Autohersteller sogar seine Montage an eigenständige Teams. Die Gemeinschaft wurde zur High-End-Arbeitsform – ebenso effizient wie sozial.
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“, das wusste
schon Aristoteles – und wird damit heute von Sozialwissenschaftlern und Psychologen, die sich mit Teams beschäftigen, gern zitiert.
Wer Arbeit auf mehrere Schultern
verteilt, erzielt bessere Ergebnisse. Wobei es nicht die Verteilung
der Arbeit an sich ist, die ein Team
ausmacht. Denn dafür müssen seine Mitglieder zusammenarbeiten,
gemeinsam tüfteln, voneinander
„Nach unserer
Überzeugung
gibt es kein
größeres und
wirksameres
Mittel zu wechselseitiger
Bildung als das
Zusammenarbeiten.“
Johann Wolfgang von Goethe,
1749–1832
Was zählt, ist die gemeinsame Verantwortung
Die gemeinsame Verantwortung und die Abhängigkeit von der Leistung der anderen kennzeichnen ein Team. In heutigen Fabriken arbeitet man oft in sogenannten Workshop Organisations, die ihre
Aufgaben weitgehend selbstständig planen und ausführen. Crews
etwa sind eine Spezialform von Teams, zu denen das Flugpersonal ebenso zählt wie ein Einsatztrupp der Feuerwehr. „Manche dieser Teams bestehen nur für einen kurzen Zeitraum. Es sollen keine
Sicherheitsrisiken entstehen durch eingespielte Abläufe oder Bevorzugung aufgrund von Sympathien“, erklärt Claudia Buengeler. Belegschaft und Zusammensetzung können sich ständig ändern, und
dennoch müssen es besonders hier sehr starke Teamplayer sein,
die sich aufeinander verlassen können. „Das ist bei einem OP-Team
nicht anders: Hier kennt man sich zwar eher, und doch muss jeder
austauschbar sein.“ Studien haben gezeigt, dass Teams für maximale Effizienz mehrmals und über längere Zeit zusammenarbeiten
müssen. OP-Zeiten verringern sich erst dann signifikant, wenn man
WIE KANN EIN GUTES TEAM ENTSTEHEN?
Was kann der Einzelne tun?
• Sich regelmäßig engagieren
• Keine unrealistischen
Erwartungen haben
• Sich mit den Zielen des
Teams identifizieren
• Versuchen, mit den Kollegen
im Team bestmöglich
zusammenzuarbeiten – auch
dann, wenn sie nicht die
persönlichen Favoriten sind
• Probleme offen ansprechen
• Lästereien vermeiden
Was kann die Führungskraft tun?
• Teammitgliedern das Gefühl
geben, dass jeder Beitrag
wichtig ist
• Eine Vision erzeugen
• Ziele klar formulieren und
evaluieren
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profitieren, aneinander wachsen und am Ende besser sein, als sie
es als Summe von Einzelkämpfern gewesen wären. Das erfüllt auf
der einen Seite die Ansprüche der Wirtschafts- und Arbeitswelt,
führt auf der anderen Seite aber auch zu größerer Zufriedenheit
bei den Arbeitnehmern, die selbstbestimmt arbeiten können. „Aufgaben und Arbeitsumfelder werden immer komplexer“, erklärt Eric
Kearney, Professor für Führung, Organisation und Personal an der
Universität Potsdam. „Früher gab es mehr Routineaufgaben. Heute wird von immer mehr Mitarbeitern erwartet, dass sie mitdenken,
kreativ sind, Prozesse hinterfragen und dadurch besser und leistungsfähiger werden.“
• Intrinsisch motivierende
Aufgaben vergeben: anregend,
vielfältig, ganzheitlich –
etwa durch Rotation innerhalb des Teams
• Kommunikation untereinander fördern
• Autonomie ermöglichen und
größtmögliche Entscheidungsfreiheit lassen
Was kann die Organisation tun?
• Ein produktives Klima schaffen
• Die Notwendigkeit der Aufgabe
oder Innovation verdeutlichen – das bringt oft bessere
Arbeitsergebnisse
• Innovative Teammitglieder
auswählen, die aufgeschlossen
gegenüber Neuem sind
• Heterogene Teammitglieder
auswählen: Sinnvolle Ideen
entstehen auch durch den
Austausch unterschiedlicher
Menschen und Meinungen
• Dem Team die Möglichkeit
geben, voneinander zu lernen
und sich weiterzuentwickeln
• Fehler zulassen, sinnvolle
Konsequenzen daraus ziehen
(keine Bestrafung)
• Bei Zielerreichung das ganze
Team belohnen
• Durch regelmäßige Befragungen die Zufriedenheit innerhalb
des Teams überprüfen
• Brücken zwischen den Teams
bauen: Mehrere Teams
arbeiten nicht gegeneinander,
sondern gemeinsam an
den übergeordneten Zielen
der Organisation
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FOTO : GRASS-LIFEISGOOD / GET T Y IMAGES
FOKUS
MOTIVATION
FOKUS
Zusammenarbeit par excellence:
Ameisenvölker mit ihren zehn bis
20 Millionen Mitgliedern leben arbeitsteilig. Sie haben Jagd und Ernte
ebenso entwickelt wie Hygiene und
Abfallmanagement. Das geht nur
in der Gemeinschaft dessen, was die
Biologen Bert Hölldobler und
Edward O. Wilson gar einen „Superorganismus“ nennen. Auch in kleineren Gruppen bewältigen sie gemeinsam
Aufgaben – und sieht das nicht
geradezu nach Outdoor-Coaching
fürs Management aus?
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FOKUS
MOTIVATION
sich kennt, eingespielt ist und weiß, welche Aufgaben jeder Einzelne hat: „Das lässt sich in der Realität allerdings nicht immer ganz
so leicht umsetzen“, ergänzt Buengeler.
FOTO : ASHLEY COOPER / CORBIS
Vielfalt – der Schlüssel zum Erfolg
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Spannend wird es, wenn das Team aus mehreren Mitgliedern
mit unterschiedlichen Hintergründen besteht – sei es kulturell,
ethnisch oder geschlechtlich, sei es vom Alter oder Bildungsstand.
„Teams mit unterschiedlicher Zusammensetzung bringen ein viel
größeres Potenzial mit, allein aufgrund ihrer unterschiedlichen Stärken. Das ist oft der Schlüssel zum Erfolg“, bekräftigt Claudia Buengeler. Das könne zwar zu einem enormen Konfliktpotenzial führen
oder zur Bildung von Untergruppen, die dann eine gute Führung
und Kommunikationsbereitschaft im Team kompensieren muss.
„In der Vielfalt liegt ein Schatz. Durch Wissensteilung und Diskussion muss das, was die Einzelnen mitbringen, für alle verfügbar
gemacht werden. Menschen, die sehr unterschiedlich sind, muss
man aber erst einmal dazu bringen, Meinungen und Ideen miteinander zu teilen. Das erfordert sehr viel Vertrauen.“ Raimund Erger arbeitet seit fast 20 Jahren als Coach und Trainer für Kommunikation und Personalentwicklung. Er weiß: „Teams funk tionieren
nicht von allein, sie müssen den Umgang miteinander regelmäßig
trainieren. Feuerwehren sehnen sich nicht nach einzelnen Helden, sondern nach zuverlässigen Kräften, die miteinander kooperieren.“ In einem guten Team seien alle engagiert, fügt er hinzu.
Alle haben Kenntnis von ihrer Aufgabe und setzen ihre individuellen Stärken für das gemeinsame Ziel ein. „Die Kommunikation
ist konstruktiv und lösungsorientiert, über Fehler wird offen gesprochen. Man ist loyal zueinander, lästert nicht und steht hinter
jedem.“ Doch: Nicht in jedem steckt ein Teamplayer. „Menschen,
die nicht anpassungsfähig sind, gehören nicht in ein Team“, sagt
Raimund Erger. „Manche haben nie gelernt, in Teams zu arbeiten,
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Tausende Stare bilden
diesen Schwarm. Warum die
Zugvögel dabei nicht zusammenstoßen, erklärt der
US-amerikanische Softwareingenieur Craig Reinolds
damit, dass jedes Individuum
drei Prinzipien befolgt: Abstand zum Nachbarn halten
(Separation), sich in die
gleiche Richtung wie der
Nebenmann bewegen
(Alignment) und zum Mittelpunkt jener im Blickfeld
fliegen (Kohäsion). Ein bewegendes Schauspiel
FOTO : PRIVAT
MOTIVATION
FOKUS
Mark van Vugt: Der 1967 in
Amsterdam geborene Evolutionspsychologe hat sich der Führung
verschrieben und hierzu bereits
mehrere Bücher veröffentlicht
Geborene Anführer
MARK VAN VUGT ist Professor für Evolutions- und Organisationspsychologie
und lehrt an der Freien Universität Amsterdam. Er prägte die Theorie
der evolutionären Führung, nach der ein Wunsch, zu führen und zu folgen,
angeboren ist und auf evolutionsbedingten Erfahrungen beruht.
Führung als biologisches Bedürfnis: Folgen wir tatsächlich immer noch
am liebsten dem klassischen Alphatier?
Nicht zwingend. Aber wir haben die Erfahrung gemacht, dass starke Führung in Krisensituationen besser funktioniert als Führung durch eine eher weiche, feminine Person. Eine
physisch kräftig auftretende Persönlichkeit ist evolutionsbedingt in Krisen eher beliebt.
Wie erklären Sie sich das?
In unserem Geist haben wir über Millionen Jahre hin Prototypen entwickelt, in
welchen Situationen wir wem folgen. Der Kontext entscheidet darüber, wem
wir folgen. Das sind ganz funktionale Entscheidungen, die unser Geist vornimmt,
als Teil unseres evolutionären Erbes.
Gibt es noch weitere Beispiele?
Wenn man als Individuum grundsätzlich eher unsicher ist, möchte man jemandem
folgen, der mehr weiß als man selbst. Das bedeutet meist, dass man eher älteren Personen
folgen möchte; denn sie müssen ja, so nimmt man an, altersbedingt mehr wissen.
Wer ist dieser Theorie nach die beste Führungskraft innerhalb eines Teams?
„Allein
machen
sie dich
ein,
schmeißen
sie dich
raus,
lachen sie
dich aus.“
Ton Steine Scherben, deutsche Band, gegründet 1970
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In Situationen, in denen der Schwerpunkt auf Diplomatie, Kooperation und der
Förderung der Teamarbeit liegt, verlegt sich der Prototyp eher auf einen mehr femininen Führungsstil, der Teammitglieder integrieren kann. Wenn ein Team oder eine
Organisation Innovationen braucht, ist oft ein jüngerer Mensch gefragt. Wenn dagegen
Traditionen gepflegt werden sollen, dann wird eher ein älterer Mensch erwartet.
Wir sprechen von Erwartungen der Mitarbeiter an ihre Führungskraft.
Nur sucht sich die in den seltensten Fällen das Team selbst aus, oder?
Das sieht man heute durchaus noch immer: Eine Führungskraft wächst nicht aus
der Gruppe heraus, sondern wird von oben draufgesetzt. Dadurch entsteht oft
eine Diskrepanz zwischen dem, was man sich wünscht, und dem, was man bekommt –
auf beiden Seiten. Der neue Weg ist, dass Gruppen sich ihre Anführer selbst
aussuchen – für die Bereiche, in denen sie kompetent sind. Kaum jemand besitzt
Kompetenzen in allen Bereichen. Ein guter Kriegsführer ist nicht unbedingt ein
guter Friedensführer. Gute Führung lastet auf mehreren Schultern.
Wenn der Wunsch nach Führung etwas Biologisches ist, ist es das Streben
nach Macht ebenso?
Ja, das Streben nach Macht liegt in der Natur des Menschen. Wir stammen von
den Affen ab. Primaten leben in streng hierarchischen Strukturen. Hier ist es beliebt,
das dominante Individuum zu werden, denn dann bekommt man eine Menge
Privilegien. Es liegt in der Natur der Sache, Positionen von hoher Macht für unseren
eigenen Vorteil zu nutzen: Geld, Status, Attraktivität. Das zählt vor allem für
männliche Führungskräfte. Für sie führt Macht direkt zu verschiedenen Vorteilen.
Für Frauen zählt das nicht so sehr. Macht ist zwar auch bei Frauen sehr begehrt,
aber sie nutzen sie nicht so sehr für ihre eigenen Vorteile.
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FOKUS
MOTIVATION
„Wenn über
das Grundsätzliche
keine Einigkeit besteht,
ist es sinnlos,
miteinander
Pläne zu
schmieden.“
andere tun sich schwer. Jemand, der
sich nicht in die Lage seiner Mitmenschen versetzen kann, hat Probleme,
ein guter Teamplayer zu sein.“ Ein gutes Teammitglied sei bereit, sich für
Konfuzius, 551–479 v. Chr.
andere mitverantwortlich zu fühlen. In
vielen Teams müsse sich dieses Gefühl allerdings erst noch entwickeln – und das setze natürlich die
Bereitschaft voraus, aufeinander zuzugehen. „Eine Gruppe, in der
nicht am Teamgeist gearbeitet wird, kann auf Dauer nicht funktionieren. Ohne ein gewisses Maß an gemeinsamer Anstrengung
und Kompromissbereitschaft geht es nun mal nicht. Aber wenn
das passiert, kann es im Team zu Höchstleitungen kommen“, ist
Raimund Erger überzeugt.
Führung muss sich an Bedürfnissen orientieren
le Unterschiede. In asiatischen Ländern sind starke Hierarchien
eher normal, während es in Skandinavien in erster Linie gute
Argumente braucht, um ein Team zu führen.
Fehlermanagement: gescheit scheitern!
Von Hierarchie und Kommunikationskultur innerhalb des Teams
hängt ein letzter entscheidender Erfolgsfaktor ab: Wie geht das
Team mit Fehlern um? Sieht es sie als Chance, etwas zu verbessern, oder wird nur jemand gesucht, der den Kopf hinhält? Viele
Katastrophen, Flugzeugabstürze, misslungene Operationen oder gescheiterte Rettungseinsätze sind auf ein zu eingespieltes Team zurückzuführen, das sich seiner womöglich zu sicher war und unvorsichtig wurde – oder ein stark hierarchisch geprägtes Team, in dem
Kritik unerwünscht war. Das sogenannte Crew Ressource Management (entwickelt für Besatzungen von Flugzeugen zum schnelleren Erkennen möglicher Fehlerquellen, und um Scheu gegenüber
Ranghöheren abzubauen) findet mittlerweile auch Einzug in Operationssälen. „Der adäquate Umgang mit Fehlern, also eine gute
Fehlerkultur, ist bereits ein wichtiger Erfolgsfaktor – einer von vielen“, sagt Claudia Buengeler.
Ob sich die Horde Steinzeitmenschen nach einer misslungenen
Jagd damit auseinandergesetzt hat, wer den Speer künftig aus welchem Winkel werfen sollte? Vermutlich, denn die Jagd wurde immer effizienter. Und doch brauchte dieses Team ein zweites, eine Art
„Backoffice“: Das kümmerte sich nämlich um Aufbewahrung, Zubereitung und Haltbarkeit der erfolgreichen Jagd. Manchmal reicht ein
Team allein eben nicht aus.
Mangelnde Kompromissbereitschaft schränkt Teams ebenso ein
wie fehlende Orientierung durch Führungskräfte. Sind diese in
ihrem Verhalten kaum bis gar nicht transparent, führt das schnell
zu Verunsicherungen. Eine moderne Art, Teams zu führen, ist die
transaktionale Führung, die auf den Austausch zwischen Führung
und Mitarbeitern setzt („Transaktion“). Doch wie hoch ist der Bedarf an Führung heute noch? Viele Teams arbeiten selbstorganisiert und teilen Führungsaufgaben untereinander auf. „Die Theorie
besagt, dass Führung immer dann effektiv ist, wenn sie die Bedürfnisse des Teams stillt“, sagt Claudia Buengeler. Grundsätzlich
unterscheidet man zwischen einer Führung, die auf der Position
fußt, und jener, die auf der Person und ihren Eigenschaften basiert. Erstere beruft sich auf ihre Stellung LITERATUR UND LINKS
in der Hierarchie: „Der Chef sagt mir, wo es langgeht.“
Rolf van Dick, Michael A. West: Teamwork,
Eine auf personaler Macht basierende Führung hinge- Teamdiagnose, Teamentwicklung, Hogrefe
gen zieht ihre Kompetenz aus Fachwissen und guten
Argumenten. „Im besten Fall laufen beide Formen in- Mark van Vugt: Naturally Selected – The Evolutionary
einander“, hat Führungsforscher Eric Kearney beob- Science of Leadership, Harper Business
achtet. „Aber der Trend geht zu personaler Macht, weil Raimund Erger: Sozialmanagement: Teamarbeit und
auch immer flachere Hierarchien angestrebt werden. Teamentwicklung in sozialen Berufen, Cornelsen
Das bedeutet, dass qualifizierte Personen gar nicht
Pamela Mitchell u. a.: Core Principles &
mehr die hierarchische Position brauchen, um MitarValues of Effective Team-Based Health
beiter zu erreichen.“ Im Bedürfnis nach Führung inCare: www.nationalahec.org/pdfs/VSRTnerhalb von Teams gebe es überdies starke kulturelTeam-Based-Care-Principles-values.pdf
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MOTIVATION
FOKUS
WIE GUT IST IHR TEAM?
Bitte kreuzen Sie an, wie sehr die nachfolgenden Aussagen auf das Team zutreffen, in dem Sie arbeiten. Sie können den Fragebogen
auch kopieren und an alle Teammitglieder ausgeben, um anschließend die Testergebnisse zu besprechen und auszuwerten.
1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft wenig zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft eher zu, 5 = trifft voll zu
1.
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2.
4
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9.
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3
4
Partizipative Sicherheit
Aussage 4 — —
Aussage 6 — —
Aussage 7 — —
Aussage 8 — —
Aussage 16 — —
Summe
——
Durchschnitt (Gesamtwert/5) — —
3
4
5
13. Es herrscht bei uns eine Atmosphäre,
in der konstruktive Kritik geübt wird.
2
3
4
5
14. Wir unterstützen einander
bei Ideen für neue und bessere
Arbeitsprozesse.
1
2
3
4
5
15. Wir unterstützen uns gegenseitig bei
1
2
3
4
5
16. Jeder im Team trägt zur
Entscheidungsfindung bei.
5
11. Wir können offen über Fehler sprechen.
1
2
der Erledigung unserer Aufgaben.
5
des Teams verpflichtet.
1
Zielen überein.
1
Wir sind jederzeit aufgeschlossen
gegenüber neuen Ideen.
1
12. Wir stimmen mit unseren
1
10. Alle fühlen sich den Zielen
5
Vision
Aussage 1 — —
Aussage 10 — —
Aussage 12 — —
Summe
——
Durchschnitt (Gesamtwert/3) — —
3
In unserem Team herrscht ein Gefühl
von Sicherheit und Vertrauen.
1
5
2
Wir halten uns über arbeitsrelevante
Dinge gegenseitig auf dem Laufenden.
1
Die Teammitglieder bieten
einander immer schnell Hilfe an.
1
Wir haben alle Einfluss auf endgültige
Entscheidungen im Team.
1
Wir treffen uns häufig, um effektiv
zu kommunizieren.
1
5.
3
Wir diskutieren angeregt
darüber, wie wir am besten
miteinander arbeiten.
1
4.
2
Wir wissen, dass wir uns
aufeinander verlassen können.
1
3.
6.
In diesem Team ist allen klar,
was wir erreichen wollen.
1
2
3
4
5
5
Aufgabenorientierung
Aussage 3 — —
Aussage 11 — —
Aussage 13 — —
Aussage 15 — —
Summe
——
Durchschnitt (Gesamtwert/4) — —
Unterstützung für Innovation
Aussage 2 — —
Aussage 5 — —
Aussage 9 — —
Aussage 14 — —
Summe
——
Durchschnitt (Gesamtwert/4) — —
Ergebnisse zusammenführen (bei mehreren Teilnehmern den Mittelwert nehmen) und pro Kategorie den jeweiligen Durchschnitt errechnen.
QUELLE: BORRILL & WEST, OHNE JAHR, A; VGL BRODBECK, ANDERSON & WEST, 2000
SO GUT IST IHR TEAM! EINE INTERPRETATIONSHILFE:
Vision
Niedriger Durchschnittswert (unter 2,1):
Dem Team fehlt vermutlich eine
gemeinsame und greifbare Vision.
Hoher Durchschnittswert (über 3,4):
Das Team hat eine klare gemeinsame
und greifbare Vision.
Partizipative Sicherheit
Niedriger Durchschnittswert (unter 3,0):
Das Team trifft sich nur unregelmäßig,
oder aber einzelne Mitglieder sind
nur wenig an Entscheidungen beteiligt.
Es fehlt an Vertrauen. Einzelne Teammitglieder fühlen sich nicht sicher genug,
Vorschläge zu unterbreiten.
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Hoher Durchschnittswert (über 4,4): Das Team
trifft sich regelmäßig, und alle Mitglieder sind
an Entscheidungen beteiligt. Die Mehrheit fühlt
sich sicher genug, Vorschläge zu unterbreiten.
Man vertraut einander; jeder nimmt seine Rolle
mit Blick auf die gemeinsamen Ziele an.
Aufgabenorientierung
Niedriger Durchschnittswert (unter 1,9):
Das Team stimmt nicht vollständig darin überein, das Beste zu geben. Die Teammitglieder
können ihre Arbeit möglicherweise nicht konstruk tiv einschätzen. Hilfe darin, neue Ideen zu
entwickeln, ist wahrscheinlich nicht verfügbar.
Hoher Durchschnittswert (über 3,8): Das Team
stimmt darin überein, das Beste zu geben.
Die Teammitglieder können ihre Arbeit
konstruktiv einschätzen und bekommen Hilfe
darin, neue Ideen zu entwickeln.
Unterstützung für Innovation
Niedriger Durchschnittswert (unter 3,2):
Es wird nur wenig Unterstützung für Innovation
geben. Stabilität steht über Veränderung.
Hoher Durchschnittswert (über 4,4):
Innovation wird gefördert und unterstützt und
steht über Stabilität. Dafür stehen dem Team die
notwendigen Ressourcen zur Verfügung.
Info: Niedrige Durchschnittswerte
deuten darauf hin, dass Maßnahmen zur
Teamentwicklung sinnvoll sein könnten.
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