Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet

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Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet
Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Noch will das Alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll’n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
Laß warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt,die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang:
wunderbar
ar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am
Von guten Mächten wunderb
Abend und am Morgen und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
(Dietrich Bonhoeffer)
Liebe Brüder und Schwestern,
mit umseitigem Lied und Gedicht von Dietrich Bonhoeffer wünsche ich Ihnen den Segen
und das Geleit unseres Gottes in dieser Jahreszeit. Der am 4. Februar 1906 in Breslau geborene
evangelische Theologe ist eine der faszinierendsten kirchlichen Gestalten des 20. Jahrhunderts.
Seine Bücher können auch heutigen Christen hilfreiche Impulse geben. Zusammen mit dem
lutherischen Theologen Hermann Sasse verfaßte Bonhoeffer 1933 das „Betheler Bekenntnis“.
Dieses stellt eine vortreffliche Auseinandersetzung mit der Unterwanderung von Theologie und
Kirche durch die damals vorherrschende Ideologie dar. Gerade in seinen Aussagen über die
Heilige Schrift ist dieses Bekenntnis auch in unserer Zeit von großer Aktualität.
Bonhoeffer war einer der führenden Köpfe der „Bekennenden Kirche“. In dieser selbst
heftig umstritten war seine Beteiligung an der Verschwörung führender deutscher Militärs gegen
Adolf Hitler. Diese Beteiligung führte zu seiner Verhaftung durch die Nationalsozialisten. Am 9.
April 1945 wurde Bonhoeffer zusammen mit Wilhelm Canaris und Hans Oster von einem SSStandgericht zum Tode verurteilt. Kurz vor seiner Hinrichtung verfaßte der Theologe im
Gefängnis das Gedicht „Von guten Mächten“.
Bonhoeffer wußte davon, daß ein Christ sich in Extremsituationen in dieser Welt vor Gott
schuldig machen kann, egal, wie man sich entscheidet. Getrost leben und sterben konnte er
dennoch, weil er sich in der vergebenden Gnade seines Erlösers Jesus Christus geborgen wußte.
Gerade an der Haltung von Christen in Zeiten der Diktaturen zeigt es sich, daß
verschiedene Christenmenschen unterschiedlich stark mit Einsicht und Bekennermut von Gott
beschenkt sind. Wer selber um die eigene Irrtumsfähigkeit weiß, der wird nicht auf die „Alten“
zeigen, ohne sich zu fragen, wo wir Heutigen in der Gefahr stehen, uns anzupassen an Unrecht,
Lüge und Verdrehung der göttlichen Wahrheit. Bonhoeffers Haltung speiste sich auch aus seiner
Bindung an die Heilige Schrift. Eine Verweigerung der Taufe für Juden beispielsweise war für ihn
ein klarer Bruch des Ersten Gebots.
Bonhoeffer nahm für seine konsequente Haltung den Verzicht auf Ehe, Familie und
Karriere in Kauf. „Nehmen sie den Leib, Gut, Ehr, Kind und Weib, laß fahren dahin, sie habens
kein Gewinn, das Reich muß uns doch bleiben.“ Wie diese Zeilen Martin Luthers (ELKG 201,4) –
in dieser Reihenfolge! – Wirklichkeit werden können, läßt sich am Lebensweg Bonhoeffers
ablesen. Luther und Bonhoeffer erinnern uns so durch ihre Lieder daran, daß Bekennermut und
ein getrostes Leben und Sterben gut zusammenpassen, wo wir uns von guten Mächten, von
Christus und seinen Engeln, geborgen wissen.
Diese Gewißheit wünscht Ihnen allen von Herzen, Ihr Pfarrer Armin Wenz

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