Gute Jahrgänge

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Gute Jahrgänge
Public Relations
Dezember_2008
Gute Jahrgänge
Für einige Vertreter der heimischen Kommunikationsbranche hängen die Trauben niemals zu hoch:
Sie haben Wein zum Mittelpunkt ihres Lebensgefühls und beruflichen Wirkens auserkoren.
Gute Jahrgänge sozusagen. text hansjörg wachta
V
orbei die Zeiten, in denen sich hei­
Wein zu honorieren, so haben sich mittler­
ler Gottardi gesammelt, darüber hinaus an
mische Winzer in ihre Keller zu­
weile kommunikative Mindeststandards
Weinbüchern mitgewirkt und im Genuss
rückzogen, um heimlich und un­
etabliert. Diese reichen von Homepages
Magazin geschrieben. In Sachen Marke­
beobachtet ihre Weine zu „machen“. Ihr
und Newsletters über Briefe und Journa­
ting und Kommunikation sieht sie sich als
okkultes Treiben, das an die Alchimisten
listenbetreuungen bis hin zu Weinverkos­
Autodidaktin. Ihre Dienste nehmen unter
des 18. Jahrhunderts erinnerte, veranlasste
tungen und Events. „Die Winzer haben
anderem die Winzer Stadlmann, Wienin­
Zyniker zur Feststellung, dass man Wein
­bemerkt, dass sie es mit immer besser in­
ger und Graf Trautmannsdorff oder die
auch aus Trauben herstellen könne. Der
formierten Kunden zu tun haben und sich
Pactricius Winery im ungarischen Tokaj in
Weinskandal 1985 brachte indes weit
um diese auch kümmern müssen“, be­
Anspruch, zur kulinarischen Klientel ge­
Schlimmeres ans Tageslicht – die Verwen­
schreibt Clemens Hafner, die Wende.
hören die Vorarlberger Sennerei Schnifis
dung von Diaethylenglykol, eines süßen,
Hafner bewirtschaftet am südburgenländi­
und ein Olivenölproduzent aus Kalabrien.
öligen Alkohols, der auch in Frostschutz­
schen Eisenberg einen kleinen Weingarten
Geschmackssache bietet „Rundumbetreu­
mitteln enthalten ist. Witzbolde erfanden
(0,5 Hektar) und – gemeinsam mit Ehefrau
ung“, wozu auch die Unterstützung von
das burgenländische Winter-Sonderange­
Sylvia, einer ehemaligen Hoteldirektrice –
Vertriebsaktivitäten im In- und Ausland
bot für Autofahrer – den Doppler mit
einen Buschenschankbetrieb. Dort werden
gehört. Ein Schwerpunkt liegt im Textser­
Schneeketten.
pannonische Spezialitäten serviert, im
vice (Briefe, Newsletters, etc.).
Der Höhepunkt der größten Krise in der
nahe gelegenen Großpetersdorf hingegen
Geschichte des österreichischen Weins war
PR- und Werbetipps. Seit dem Jahr 2000
Organisierte Weinverkostung
erreicht, als Fernsehsender weltweit die
­betreibt Hafner eine Kommunikations­
Ein „Faible für Weine und Feinkost“ prägte
Entsorgung heimischer Rebensäfte im
agentur, die hauptsächlich mittel- und süd­
auch die Berufslaufbahn von Wolfgang P.
­Kanal zeigten, das deutsche Bundesgesund­
burgenländische Winzer (Juliane Wieder,
Obermaier. Gemeinsam mit seinem Bru­
heitsministerium eine Liste mit 803 konta­
Wellanschitz, Kopfensteiner und so weiter)
der, einem Richter aus Wels, gründete er
minierten österreichischen Weinen veröf­
betreut. Der Absolvent der Werbeakade­
1981 das Weinmagazin Vinaria, schrieb im
fentlichte und die heimischen Behörden
mie beobachtet eine positive Entwicklung:
Weinkurier und drei Jahre für das Gour­
mehrere Panscher festnahmen sowie rund
„Früher haben die Winzer nur punktuell
metmagazin Falstaff. Als Mitarbeiter der
200 Anzeigen erstatteten. Das kommuni­
gehandelt und sich die Dienstleistungen
Weinmesse Vinova konnte er sich auf seine
kative Unvermögen der Weinwirtschaft
bei denjenigen geholt, die ihnen am meis­
heutige Spezialisierung vorbereiten – die
sorgte für die geographische und zeitliche
ten versprochen haben. Jetzt gibt es schon
Organisation „messeartiger Veranstaltun­
Ausdehnung des „Weinskandals“. Eine
viele fortschrittliche Betriebe, die ein Kon­
gen mit 300 bis 1.500 Besuchern“. Ober­
Trendwende wurde mit der Gründung
zept besitzen und systematisch vorgehen.“
maiers Agentur Agrarpromotion führt den
der Österreichischen Weinmarketingge­
Untertitel „Public Relations und Promo­
sellschaft (1987) eingeleitet. In mühevoller
Spaß an der Arbeit
tions“. Die doppelte Erwähnung der Ver­
Kleinarbeit gelang es, den guten Ruf des ös­
Ähnliche Beobachtungen hat auch die
kaufsförderung hat triftige Gründe: „Pro­
terreichischen Weines wiederherzustellen,
„staatlich geprüfte Weinmanagerin“ Dag­
motions sind immer wichtiger geworden
Exportmärkte zu erschließen und eine Viel­
mar Gross gemacht. Sie gründete Ende
und erreichen einen Umsatzanteil von
zahl von Marketingmaßnahmen umzuset­
2005 die Agentur Geschmackssache (Mar­
mehr als 50 Prozent“, berichtet Obermaier.
zen (etwa die DAC-Weine). Heute wird die
keting für Genussprodukte) und brauchte
Warum seine meist eintägigen Veranstal­
bereinigende Wirkung des Weinskandals
bislang keinen einzigen Kunden aktiv zu
tungen oft Dutzende Winzer einer Region
gepriesen und sogar von einem österreichi­
akquirieren: „Ich will Spaß an der Arbeit
versammeln können, ist ebenfalls einleuch­
schen „Weinwunder“ gesprochen. Zu den
haben und schätze das amikale Verhältnis
tend: „Früher musste der Weinbauer oft al­
qualitätsfördernden Maßnahmen zählten
mit den Kunden“, versichert die Weinlieb­
les liegen und stehen lassen und einen Gast
auch die besseren Kommunikationsleistun­
haberin. Sie hat das College „Weinmana­
zwei Stunden lang verkosten lassen, um ein
gen der Branche.
gement“ in Krems besucht, wo „Selbstbe­
paar Flaschen Wein zu verkaufen“, erzählt
wusstsein und Stärke vermittelt werden,
Obermaier, „das war anstrengend, zeitrau­
Winzer mit Konzepten
um mit Kompetenz zu beraten und erfolg­
bend und unwirtschaftlich.“
Hatten sich heimische Winzer vor zwei
reich Wein zu vermarkten“ (so die Selbst­
Der Agenturchef, der zwei Teilzeitkräfte
Jahrzehnten eher darauf beschränkt, Ge­
darstellung des Kurses an der Wein- und
beschäftigt, verfügt allein im Großraum
brauchsgrafiker oder Künstler mit der
Obstbauschule).
Wien über eine Datenbank mit nahezu
Kreation neuer Etiketten zu beauftragen
Önologische Erfahrungen hat Gross in der
12.000 Adressen von Weinliebhabern und
und deren Tätigkeit mit ein paar Kartons
Weinbar Tinto Rosso und beim Weinhänd­
beruf­lichen Interessenten wie zum Beispiel
68_BESTSELLER
Clemens Hafner,
Hafners: „Die
­Winzer haben be­
merkt, dass sie es
mit immer besser
informierten Kun­
den zu tun haben.“
Dagmar Gross, Ge­
schmackssache:
„Ich will Spaß an
der Arbeit haben
und schätze das
amikale Verhältnis
mit den Kunden.“
Wolfgang Ober­
maier, Agrarpro­
motion: „Promo­
tions erreichen
einen Umsatz­
anteil von mehr
als 50 Prozent.“
Dorli Muhr, Wine
& Partners: „Wir
­arbeiten nicht nur
für Endverbrau­
cher, sondern
auch stark im
B-to-B-Bereich.“
Monika Brand­
stetter und
Andrea Schneider,
Prima PR: „Wein
ist eine ideale
Plattform für
­Kunden.“
Gastronomen. Was früher ein Vergnügen
Partners genießt längst internationale
für ältere Herrschaften darstellte, ist heute
­Reputation. Bei einem Ranking von Wine
auch bei der Jugend gefragt, mitunter gar
Business International wurde das zehn­
ein gesellschaftliches „Must“.
köpfige Damenteam um Dorli Muhr und
fotos Shutterstock, Hafners, Geschmackssache, Agrarpromotion, Wine & Partners, Prima PR
Ute Watzlawick als zweitbeste in Deutsch­
Agentur mit Weinlager
land tätige PR-Firma ausgewiesen. Große
Wer die Website der PR-Agentur Prima an­
Namen wie Mondavi, Beringer, Rose­
steuert, sieht auch ohne vorherigen Alko­
mount, Penfolds, California Wine Institute,
holkonsum „doppelt“. Schon auf der Home­
Douro Boys, Wine Australia oder Vina Er­
page wirft Agenturchefin Andrea Schneider
rázuriz auf der Kundenliste belegen die In­
die Frage auf, ob Rotwein oder Weißwein
ternationalität, zu der auch Dorli Muhrs
gesünder ist. Und nach wenigen Clicks lan­
Verehelichung mit dem renommierten
det man in der Prima-Vinothek, wo unter
Portweinproduzenten Dirk van der Nie­
4.500 Weinen ausgewählt und bestellt wer­
poort beitrug. Lebt die ausgebildete Dol­
den kann. In den geschmackvoll eingerich­
metscherin für Französisch und Spanisch
teten Agenturräumlichkeiten in der Wiener
auch von ihrem portugiesischen Mann ge­
Innenstadt (Herrengasse 17) findet sich ein
trennt, so sind ihr doch Tochter Anna und
reichlich bestücktes Weinlager, das jeder­
weltweite Netzwerke geblieben.
zeit Verkostungen, lockere Meetings oder
Dorli Muhrs Beziehung zum Wein begann
gesellige Kundenkontakte gestattet. „Beim
mit Studentenjobs bei der Weinmarketing­
Wein kommen die Leute zusammen“, lautet
gesellschaft in den achtziger Jahren und
das Motto Schneiders.
privaten Reisen in Weinbaugebiete wie
Die leidenschaftliche Köchin und beken­
Bordelais und Rioja, ihre Agentur grün­
nende Kulinarikerin – auch der Autor dieses
dete sie 1991. „Ich habe das zunächst weni­
Beitrages durfte schon die mediterranen
ger als Unternehmen denn als Spaß gese­
Schmankerln der liebenswürdigen Kollegin
hen“, gewährt sie Einblicke in ihre
genießen – leitete drei Jahre ein Convivium
Philosophie. Wine & Partners bietet neben
der Slow-Food-Bewegung und wirkte Ende
der klassischen Medienarbeit auch die
der siebziger Jahre mit ihrer Kollegin Dr.
Produktion von Informationsunterlagen
Monika Baar an der Wiederbelebung des ös­
wie Broschüren, Fibeln, Folder, Kataloge
terreichischen Weins mit – als Kontakterin
oder Kundenzeitschriften an, veranstaltet
der Publico für die Weinmarketinggesell­
Events, Fachtagungen und Degustationen.
schaft. 1992 machten sich die beiden Damen
„Wir arbeiten nicht nur für Endverbrau­
mit der Agentur Prima selbstständig. „Wein
cher, sondern auch stark im Business-to-
ist eine ideale Plattform für Kunden“,
Business-Bereich“, präzisiert Muhr. In der
schwärmt Andrea Schneider. In einem Haus
Betreuung wird jedem Kunden ein Damen-
in Amstetten, das sie von ihrer Großmutter
Duo zugeordnet, in mehr als der Hälfte
geerbt hatte, wurde die Vinothek „Prima
­aller Fälle schaltet sich die Agenturchefin
Weine“ untergebracht, wo die PR-Dame zu­
selbst ein. Und wenn ihr einmal langweilig
mindest einen Tag pro Woche ihren beraten­
wird, halst sich die agile Weinexpertin ein
den Dienst versieht. „Das Erste, was ich in
innovatives Projekt auf: Am Spitzerberg
meinem privaten Haus eingerichtet habe,
erwarb sie gemeinsam mit Dirk van der
war der Weinkeller“, verrät sie.
Niepoort fünf Hektar Rebfläche. Muhr
preist die dortigen Kalkböden als die beste
Die Kulinarik-Expertinnen
Blaufränkisch-Lage Österreichs und will
Eine Geschichte über Wein und Kommuni­
mit Winzerkollegen eine Appellation auf­
kation wäre wohl unvollständig ohne die
ziehen: In unmittelbarer Nähe der Bun­
größte Spezialagentur des Landes, die sich
dessportschule der Segelflieger hat ein
der Vermarktung des Rebensaftes und an­
önologischer Höhenflug begonnen. An der
derer Genüsse verschrieben hat: Wine &
PR wird es bestimmt nicht fehlen.
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