Ausnahmen beim Tragen von Sicherheitsschuhen?

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Ausnahmen beim Tragen von Sicherheitsschuhen?
16 | tag für tag 06 / 11 | Gesundheit und Sicherheit
Schematischer Aufbau eine Sicherheitsschuhs
gepolsterte Staublasche
reißfeste Rundsenkel
Knöchelschutz
metallfreie Schnürteile
Reflexleder
abriebfestes
Fersenfutter
Zehenschutzkappe
stabilisierende
Hinterkappe
durchtrittsichere
Brandsohle
schockabsorbierende
Komfortschicht
rutschhemmende
Laufsohle
Grafik:
MAXGUARD
GmbH
Ausnahmen beim Tragen von Sicherheitsschuhen?
Bei unserer Berufsgenossenschaft wird häufig nachgefragt,
ob Ausnahmen beim Tragen von Sicherheitsschuhen möglich
sind. Beschäftigte legen ihrem Arbeitgeber oft ärztliche Atteste
vor, aus denen hervorgeht, dass der Betroffene keine Sicherheitsschuhe tragen könne. Bevor ein solches Attest eine
Kündigung nach sich zieht, sollte man mit Vorgesetzten und
Ärzten eine sinnvolle Vorgehensweise abstimmen.
Der Arbeitgeber hat die Pflicht, im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung Tätigkeiten oder Bereiche mit
Gefährdungen für die Füße festzulegen und geeignete
Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Kann die Gefährdung
durch technische oder organisatorische Maßnahmen
nicht beseitigt werden, muss der Arbeitgeber geeignete Sicherheitsschuhe zur Verfügung stellen. Sind
gesundheitliche Probleme auf das Tragen der Sicherheitsschuhe zurückzuführen, sind die Sicherheitsschuhe
ungeeignet und es muss nach Alternativen gesucht
werden. Unser BG-Infoblatt Nr. 350 fasst Wesentliches
zum Tragen von Sicherheitsschuhen zusammen.
Was also tun, wenn durch das Tragen der
Sicherheitsschuhe gesundheitliche Probleme
auftreten? Nicht jeder Schuh mit der richtigen Schuhgröße wird als angenehm am Fuß empfunden. Bei
Sicherheitsschuhen gilt dies in besonderem Maße.
Sie werden länger und häufiger als jeder Privatschuh
getragen – und mit ihnen muss gearbeitet, Leistung erbracht werden. Der billigste Schuh kann für den Arbeitgeber schnell sehr teuer werden, wenn sich ein Träger
täglich die letzten Arbeitsstunden mehr auf seine schmerzenden Füße als auf seine Tätigkeit konzentriert.
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Beschäftigte sollten daher die Möglichkeit haben, unter
mehreren Modellen auswählen zu können. Sowohl für
die Beschäftigten als auch für den Arbeitgeber existieren also gute Gründe, vernünftige Sicherheitsschuhe
zu beschaffen. Es empfiehlt sich grundsätzlich, Regeln
aufzustellen, wie im Betrieb bei Problemen mit Sicherheitsschuhen umgegangen werden soll, z. B. in Form
einer Betriebsvereinbarung zwischen Unternehmen
und Personalvertretung.
Spätestens wenn mit verschiedenen handelsüblichen
Schuhen die Beschwerden nicht beseitigt werden konnten,
sollte der Betriebsarzt hinzugezogen werden. In Kenntnis
des Tätigkeitsprofils des Betroffenen und unter Berücksichtigung von Beschwerden und Schuhmodellen kann
dieser über eine Untersuchung möglicherweise den
Grund der Beschwerden herausfinden. Mit diesem
Wissen kann bei Herstellern oder Lieferanten von Sicherheitsschuhen konkret nach einem Modell mit den
erforderlichen Eigenschaften nachgefragt werden.
Ist der Beschäftigte bereits wegen Beschwerden, die
er auf das Tragen der Sicherheitsschuhe zurückführt,
in ärztlicher Behandlung, sollte er die derzeit verwendeten Sicherheitsschuhe zum Arztbesuch mitnehmen.
Wie der Betriebsarzt könnte der behandelnde Arzt feststellen, ob die Beschwerden tatsächlich auf die Sicherheitsschuhe zurückzuführen sind. Ein Attest zur Vorlage beim Arbeitgeber ist dann sinnvoll. Es sollte jedoch
konkrete Hinweise beinhalten, weshalb dieser Sicherheitsschuh ungeeignet für diesen Beschäftigten ist
und möglichst auch eine Empfehlung beinhalten, mit
welcher Art von Sicherheitsschuh Abhilfe geschaffen
werden könnte. Viele Hersteller bieten für solche Fälle
auch Sondermodelle ihrer Sicherheitsschuhe an.
brauchsdauer von Sicherheitsschuhen liegt üblicherweise zwischen neun Monaten und zwei Jahren, die
Wiederbeschaffung wird aufwändiger. Wurden alle
Möglichkeiten für die Ausstattung mit handelsüblichen
Sicherheitsschuhen ausgeschöpft, muss zunächst auf
orthopädische Zurichtungen oder letztlich auf individuelle Maßanfertigungen zurückgegriffen werden. Die
anfallenden Mehrkosten müssen nicht allein vom Arbeitgeber getragen werden. Die Vorgehensweise für die
Beschaffung von orthopädischem Fußschutz ist in der
BG-Regel »Benutzung von Fuß- und Knieschutz« (BGR
191) beschrieben. Diese BG-Regel kann im Internet
unter http://publikationen.dguv.de heruntergeladen
werden.
In der Datenbank »Orthopädischer Fußschutz« der
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV)
finden Sie Informationen darüber, welche Anbieter
welche orthopädischen Zurichtungen anbieten können.
Fazit Besteht in einem Arbeitsbereich Sicherheitsschuhtragepflicht, ist ein Attest ohne nähere Angaben
eine Bescheinigung darüber, dass der Betroffene grundsätzlich nicht mehr an seinem Arbeitsplatz beschäftigt
werden kann. Es gibt keine Ausnahmen von der Verpflichtung, Sicherheitsschuhe zu tragen! Könnte ein Mitarbeiter tatsächlich keine Sicherheitsschuhe tragen, dürfte er
nicht in Arbeitsbereichen beschäftigt werden, in denen
Gefährdungen für die Füße bestehen. Kann der Betrieb
dann keinen anderen Arbeitsplatz bieten, könnte eine
betriebsbedingte Kündigung die Folge sein. [ Ri ]
Wie sollte mit einer zeitlich begrenzten Fußerkrankung umgegangen werden? Bei akuten
Erkrankungen oder Verletzungen kann das Tragen
von geschlossenen Schuhen den Heilungsprozess
beeinträchtigen oder verhindern. Besteht im Betrieb
keine Alternative zur gefährdenden Tätigkeit, könnte
vom Arzt für den Zeitraum bis zur Genesung eine
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt werden.
Alternativ dazu wäre es auch denkbar, betroffene Beschäftigte von fußgefährdenden Aufgaben auszunehmen. Bei der Beurteilung der Gefährdungen könnten
für einen Übergangszeitraum vom Betrieb Tätigkeiten
festgelegt werden, die vom Beschäftigten auch ohne
Sicherheitsschuhe durchgeführt werden dürfen. Der
Heilungsprozess darf aber nicht beeinträchtigt werden.
Wann müssen Sicherheitsschuhe orthopädisch
geändert werden? Sicherheitsschuhe mit orthopädischen Änderungen (Zurichtungen) sind deutlich
teurer als handelsübliche Sicherheitsschuhe. Die Ge-
Weitere Informationen, Berufsgenossenschaftliche
Schriften und Rechtsgrundlagen
Datenbank »Orthopädischer Fußschutz« der
Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV):
www.dguv.de, Webcode: d33147
BG-Infoblatt Nr. 303 »Hersteller und Lieferanten
von Sicherheitsschuhen
BG-Infoblatt Nr. 350 »Tragen von Sicherheitsschuhen«
BG- Regel 191 »Benutzung von Fuß- und Knieschutz« (BGR 191)
Unfallverhütungsvorschrift »Grundsätze der Prävention«
(BG-Vorschrift A1), §§ 15 Abs. 1, 29 und 30
Arbeitsschutzgesetz §§ 3 und 5
PSA -Benutzungsverordnung § 2
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Gesetze und Verordnungen sind im Internet abrufbar,
z. B. unter www.juris.de