Herstellung von hocheffizienten Nanostrukturen aus kristallinem

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Herstellung von hocheffizienten Nanostrukturen aus kristallinem
Wang, Zumin; Jeurgens, Lars P. H.; Mittemeijer, Eric J. | Herstellung von hocheffizienten Nanostrukturen ...
Jahrbuch 2010/2011
Herstellung von hocheffizienten Nanostrukturen aus
kristallinem Silizium bei niedrigen Temperaturen, katalysiert
durch Metalle: Die entscheidende Rolle der
Grenzflächenthermodynamik
Wang, Zumin; Jeurgens, Lars P. H.; Mittemeijer, Eric J.
Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme, Standort Stuttgart, Stuttgart
Korrespondierender Autor
Email: [email protected]
Zusammenfassung
Metalle
können
(amorphen)
in
helfen
Halbleiter
eine
geordnete
bei
niedrigen
(kristalline)
Temperaturen
Form
von
der
umzuwandeln.
ungeordneten
Auf
Basis
der
Grenzflächenthermodynamik wurde ein grundlegendes und quantitatives Modellverständnis der
zugrundeliegenden Mechanismen dieser sogenannten metallinduzierten Kristallisation (MIK)
entwickelt. Diese neuen Erkenntnisse können dazu beitragen, Solarzellen aus kristallinem Si
bei sehr niedrigen Temperaturen (< 200 ºC) auf billigen, leichten und flexiblen Materialien wie
Glas, Kunststoff oder gar Papier herzustellen.
Abstract
Metals may help to convert semiconductors from a disordered (amorphous) to an ordered
(crystalline) form at low temperatures. A general, quantitative model description has been
developed
on
understanding
the
of
basis
such
of
interface
so-called
thermodynamics,
metal-induced
which
crystallization
provides
(MIC)
of
fundamental
amorphous
semiconductors. This fundamental understanding can allow the low-temperature (< 200 ºC)
manufacturing of high-efficiency solar cells and crystalline-Si-based nanostructures on cheap
and flexible substrates such as glasses, plastics and possibly even papers.
Einführung
Laut dem Energiekonzept, das vor kurzem von der deutschen Regierung genehmigt wurde, soll
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der Anteil erneuerbare Energien an der Stromversorgung (z.B. aus Sonnenlicht und Wind) bis
zum Jahre 2020 auf 35% gesteigert werden und bis zum Jahre 2050 sogar auf 80% [1]. Diese
ehrgeizigen Ziele erfordern eine ständige Erhöhung des Energie-Wirkungsgrades und eine
weitere Senkung der Preise für Photovoltaik-Anlagen.
Kristallines Silizium als Dünnschicht ist eines der vielversprechendsten Materialien zur
Herstellung von billigen, hocheffizienten Dünnschichtsolarzellen und Photovoltaikanlagen.
Allerdings sind die Si-Atome nicht periodisch in einem Kristallgitter angeordnet, falls die SiDünnschicht während der Herstellung wie üblich bei Temperaturen unter 700 ºC abgeschieden
wird. Dieses amorphe Silizium (a-Si) hat einen deutlich geringeren Wirkungsgrad für die
Umwandlung von Sonnenlicht in Strom als kristallines Si (c-Si). Außerdem nimmt der
Wirkungsgrad von Solarzellen aus a-Si bei ständiger Lichteinstrahlung immer weiter ab, was
für Solarzellen aus c-Si nicht der Fall ist.
Die bei der Herstellung von Siliziumschichten erwünschte Umwandlung vom amorphen in den
kristallinen
Zustand
(d.h.
Verarbeitungstemperaturen
die
(≈700
Kristallisation
ºC),
was
zu
von
einer
a-Si)
erheblichen
erfordert
Steigerung
hohe
der
Produktionskosten führt. Zudem ist die Anwendung solch hoher Verarbeitungstemperaturen
unvereinbar mit dem Einsatz von hitzeempfindlichen Polymersubstraten, welche für die
Herstellung von kostengünstigen, leichten und flexiblen Photovoltaikanlagen benötigt werden.
Die
maximal
zulässigen
Verarbeitungstemperaturen
für
kommerziell
erhältliche
Polymersubstrate liegen im Bereich von 150 ºC bis 350 ºC (siehe Abb. 1 links).
Abb. 1: Links: Die maximal zulässige Verarbeitungstemperaturen (Tmax) von einigen technologisch wichtigen
Substratmaterialien: Quarzglas, normales Glas, Polyimide (PI), Polyarylat (PAR), Polyethersulfon (PES) und
Polycarbonat (PC). Rechts: Die metallinduzierte Kristallisationstemperatur von a-Si (Tcryst) für verschiedene
Metallkontaktierungen.
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In den letzten Jahren sind insbesondere zwei Herstellungsverfahren für die Kristallisation von
a-Si bei solch niedrigen Temperaturen (< 400 ºC) betrachtet worden. Erstens kann die
Kristallisation von amorphen Si-Dünnschichten bei relativ niedrigen Temperaturen durch
Bestrahlung mit einem Kurzpulslaser herbeigeführt werden, was in der Regel über ein lokales
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Aufschmelzen
und
eine
anschließende
Oberflächenschmelze
abläuft.
Als
Kristallisationsprozesse
gelten
allgemein
sequentielle
große
die
laterale
Nachteile
hohen
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Erstarrung
dieser
der
Si-
laserinduzierten
Herstellungskosten,
die
hohe
Prozesskomplexität und die schlechte Uniformität des gelaserten Materials. Zweitens kann die
Kristallisation von a-Si bei relativ niedrigen Temperaturen durch das Kontaktieren mit einem
Metall wie Al, Ni, Cu oder Au herbeigeführt werden. Dieser Prozess wird gemeinhin als
metallinduzierte Kristallisation (MIK) bezeichnet.
Wie in Abbildung 1 dargestellt, liegen die metallinduzierten Kristallisationstemperaturen von aSi, je nach Art des katalysierenden Metalls, im Bereich von 150 ºC bis 500 ºC [2]. Eine
Kristallisationstemperatur von nur 150 ºC (wie für Kontakte zwischen a-Si und Al-Metall
beobachtet; vgl. Abb. 1) ermöglicht die Verwendung der meisten Polymersubstrate. Im
Vergleich zu laserinduzierten Kristallisationsprozessen stellt die MIK einen viel einfacheren und
wirtschaftlicheren Ansatz zur Herstellung von c-Si bei niedrigen Temperaturen dar, der sich
außerdem leichter im industriellen Maßstab in die aktuellen Halbleiter-Herstellungsverfahren
integrieren lässt.
Vor diesem Hintergrund ist ein umfassendes Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen
der metallinduzierten Kristallisation von entscheidender Bedeutung für die gezielte Anpassung
der
Kristallisationstemperatur
von
a-Si-Schichten
in
der
Herstellung
von
Dünnschichtphotovoltaikanlagen. Dieser Beitrag bietet nicht nur grundlegende Einblicke in den
Prozess
der
metallinduzierten
Kristallisation,
sondern
zeigt
auch,
wie
Ober-
und
Grenzflächenenergien die Diffusion, die Benetzung und die Phasenumwandlungen in nanoskaligen Systemen beeinflussen können.
Im Folgenden geben wir einen Überblick über unsere bisherige Entwicklung eines einheitlichen
und
grundlegenden
Modells
zum
Verständnis
des
MIK-Prozesses
in
verschiedenen
Metall/Halbleiter-Systemen. Die Anwendung des entwickelten Modells auf die Al-induzierte
Kristallisation von a-Si zeigt, dass die Kristallisationstemperatur von a-Si über einen weiten
Temperaturbereich von 700 ºC bis 150 ºC eingestellt werden kann. Diese neuen Erkenntnisse
können dazu beitragen, Solarzellen und andere elektronische Bauteile (wie aufrollbare
Bildschirme) auf billigen Substraten, wie Glas, oder leichten und flexiblen Materialien, wie
Kunststoff oder gar Papier, herzustellen. Solch umfassendes Wissen des MIK-Prozesses könnte
sogar zu einer neuen Familie von Methoden zur Herstellung von hocheffizienten kristallinen
Silizium-Dünnschichten und Nanostrukturen auf flexiblen Polymersubstraten führen.
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II. Abschwächung der kovalenten Bindung des Siliziums an der Grenzfläche
zum Metall: die „freien“ Si-Grenzflächenatome
Die Natur ist stets bestrebt, a-Si-Bulkvolumen auszukristallisieren, weil dies zu einer Senkung
der Gesamtenergie des Systems führt. Allerdings müssen zuerst kinetische Barrieren
(Aktivierungsenergien) überwunden werden, um einzelne a-Si-Atome in winzige Keime aus c-Si
umzuordnen, welche die Kristallisation einleiten. Die Keimbildung von c-Si in einem
(Bulk-)Volumen aus a-Si wird durch die starken kovalenten Bindungen zwischen den Si-Atomen
behindert. Folglich kann die Aktivierungsenergie für die Keimbildung von c-Si nur bei
Temperaturen von etwa 700 ºC aufgebracht (d.h. thermisch aktiviert) werden. An der
Grenzfläche zu einem Metall werden die starken kovalenten Bindungen in a-Si jedoch
geschwächt [3]. Diese sogenannten „freien“ Si-Grenzflächenatome können sich schon bei viel
niedrigeren Temperaturen in winzige Keime aus c-Si umformen und so die Kristallisation
einleiten. Die elektronischen Wechselwirkungen, die diese Abschwächung der kovalenten SiBindungen an der Grenzfläche zum Metall bewirken, haben nur eine sehr geringe Reichweite.
Die Dicke der Grenzschicht aus „freien“ Si-Atomen beträgt schätzungsweise nur etwa 4,4 Å (~
2 Monolagen Si). Diese „freien“ Si-Grenzflächenatome könnten nun folgendermaßen den
Kristallisationsprozess bei niedrigen Temperaturen katalysieren:
(i) die Keimbildung von c-Si und folglich der Kristallisationsprozess, werden direkt an der
Grenzfläche zum Metall eingeleitet.
(ii) die „freien“ Si-Grenzflächenatome diffundieren in die Grenzflächen zwischen benachbarten
Kristallkörnern der kontaktierenden Metallschicht hinein (Benetzung) und bilden dort winzige
Keime aus c-Si, welche die Kristallisation einleiten.
Die von der Kristallisation herbeigeführten Änderungen der Bulk- und Grenflächenenergien in
dem System, das aus dem a-Si-Halbleiter und der kontaktierenden Al-Metallschicht besteht,
bestimmen letztendlich, ob Ablauf (i) und/oder (ii) thermodynamisch möglich und bevorzugt ist
(siehe Abschnitt III).
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III. Thermodynamik der metallinduzierten Kristallisation
III.1 Benetzung der Metallkorngrenzen durch „freie“ Si-Grenzflächenatome
Abb. 2: In-situ Beobachtungen eines Querschliffs einer Al/a-Si-Doppelschicht mittels energiegefilterter
Transmissions-Elektronenmikroskopie zeigen, während des in-situ Heizens bei 120 ºC, die Anfangsphase des
Benetzens von Al-Korngrenzen durch „freie“ Si-Atome.
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Die Metallschicht, die abgeschieden wird, um die Kristallisation von a-Si bei niedrigen
Temperaturen einzuleiten, ist in der Regel polykristallin und enthält daher viele Korngrenzen
(KG; die Grenzflächen zwischen benachbarten Kristallkörnern). Diese KG können von „freien“
Si-Grenzflächenatomen aus der kontaktierenden a-Si-Schicht benetzt werden (siehe Abb. 2
und Schritt 1 in Abb. 3), falls die Gesamtenergie des Systems durch die Neubildung von jeweils
zwei
a-Si/Metall-Grenzflächen
thermodynamischen
(Großwinkel-)
pro
ursprüngliche
Modellberechnungen
Metall-KG
durch
haben
„freie“
Metall-KG
gezeigt,
gesenkt
dass
die
Si-Grenzflächenatome
wird.
Unsere
Benetzung
für
von
mehrere
Metall/Halbleitersysteme (z.B. Al/a-Ge, Au/a-Si and Ag/a-Si) tatsächlich energetisch begünstigt
ist [4]. Erst vor kurzem sind für das beispielhafte System Al/a-Si diese theoretischen
Vorhersagen
durch
in-situ
Beobachtungen
mittels
energiegefilterter
Transmissionselektronenmikroskopie erstmals direkt experimentell bestätigt worden [5]: siehe
Abbildung 2.
III.2 Die Keimbildung des Kristallisationsprozesses
Die Grenzflächenenergie zwischen einem kristallinen und einem amorphen Festkörper ist in der
Regel niedriger als die Grenzflächenenergie zwischen den betreffenden kristallinen Festkörpern
[6]. Demzufolge kann eine amorphe Siliziumschicht an einer Grenzfläche und/oder Oberfläche
thermodynamisch stabil sein, solange die höhere Energie des Bulkvolumens der amorphen SiPhase (im Vergleich zu der kristallinen Si-Phase) von der niedrigeren Summe der beteiligten
Grenzflächen-
und/oder
Oberflächenenergien
überkompensiert
wird.
Wie
durch
die
Grenzflächenthermodynamik vorhergesagt [4], führt die Keimbildung von c-Si, sowohl an a© 2011 Max-Planck-Gesellschaft
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Si/Metall-Grenzflächen als auch an von Si-Atomen benetzten Metall-KG, tatsächlich zu
erheblichen
Energieeinbußen
durch
die
kristallisationsbedingten
Änderungen
der
Grenzflächenstruktur. Nur oberhalb einer bestimmten kritischen Schichtdicke wiegt die durch
die Kristallisation bewirkte Senkung der Energie des Si-Bulkvolumes den durch die Bildung
kristalliner/kristalliner Grenzflächen verursachten Energieanstieg auf. Die Kristallisation von cSi wird oberhalb dieser kritischen a-Si-Schichtdicke eingeleitet, sobald die Temperatur hoch
genug ist, um eine thermisch aktivierte Keimbildung von c-Si aus „freien“ Si-Atomen zu
ermöglichen.
Abb. 3: Ordnung im Spalt: Eine Aluminiumdeckschicht senkt die Kristallisationstemperatur von amorphem
Silizium (a-Si). Zuerst benetzt das a-Si die Korngrenzen in der Aluminium-Deckschicht. Oberhalb einer
kritischen Dicke des benetzenden a-Si-Films wird an solchen Al-Korngrenzen die Kristallisation eingeleitet.
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Die kritische Schichtdicke für die Keimbildung von c-Si an einer Al/a-Si-Grenzfläche bei
unterschiedlichen
Temperaturen
kann
durch
Abgleichung
der
freigesetzten
Kristallisationsenergie mit der Zunahme der Grenzflächenenergie berechnet werden. Die
Schicht aus „freien“ Si-Atomen an der Al/a-Si-Grenzfläche ist nur etwa 2 Monolagen (ML) dick
(siehe oben). Daher muss die kritische Schichtdicke kleiner oder gleich 2 ML sein, damit die
Kristallisation an der Al/a-Si Grenzfläche bei einer Temperatur weit unterhalb der BulkKristallisationstemperatur von a-Si (von etwa 700 ºC; siehe Abschnitt II) aktiviert werden
kann. Die theoretischen Werte für die kritische Schichtdicke, die durch thermodynamische
Berechnungen auf der Grundlage des „macroscopic-atom-approach“ ermittelt wurden [6],
nehmen mit zunehmender Temperatur ab, sind aber immer noch höher als 2 ML bei T = 400
ºC [4]. Daher kann die Kristallisation bei niedrigen Temperaturen nicht an der a-Si/AlGrenzfläche eingeleitet werden.
Eine andere Möglichkeit besteht in der Einleitung der Kristallisation von a-Si bei niedrigen
Temperaturen an von „freien“ Si-Atomen benetzten Al-KG (vgl. obige Diskussion und Schritt 2
in Abb. 3). Die entsprechenden Werte der kritischen Schichtdicke für die Keimbildung von c-Si
an benetzten Al-KG können sinngemäß (siehe oben) als Funktion der Temperatur berechnet
werden. Dazu wird die freigesetzte Kristallisationsenergie mit der durch die Kristallisation
herbeigeführten Zunahme der Grenzflächenenergie (d.h. die zwei ursprünglichen a-Si/c-AlGrenzflächen
werden
durch
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zwei
c-Si/c-Al-Grenzflächen
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ersetzt)
bei
verschiedenen
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Temperaturen ausbalanciert. An einer Al-KG ist der benetzende a-Si-Film zwischen zwei
kristallinen Al-Körnern verankert. Folglich ist die entsprechende maximale Dicke der Schicht
von „freien“ Si-Atomen an der Al-KG etwa doppelt so groß wie an der Al/a-Si-Grenzfläche (d.h.
2×2 = 4 ML). Die kritische Schichtdicke für die Kristallisation von a-Si an benetzten Al-KG
muss also kleiner oder gleich 4 ML sein, damit die Kristallisation bei einer Temperatur weit
unterhalb der Bulk-Kristallisationstemperatur für a-Si anfangen kann. Der berechnete Wert der
kritischen Schichtdicke für die Kristallisation von a-Si an benetzten Al-KG nimmt auch mit
steigender Temperatur ab und ist für T < 140 ºC kleiner als 4 ML [4].
Daher ist die minimal erforderliche Verarbeitungstemperatur zur Einleitung der Kristallisation
von a-Si (katalysiert durch „freie“ Si-Atome) viel niedriger an benetzten Al-KG (T ≈ 140 ºC) als
an den ursprünglichen a-Si/Al-Grenzflächen (T > 400°C). Eigene Experimente haben eindeutig
bestätigt [5], dass die Kristallisation von a-Si bei solch niedrigen Temperaturen ausschließlich
an den Al-KG in der kontaktierenden Al-Schicht eingeleitet wird (und
nicht an der
ursprünglichen Al/a-Si-Grenzfläche). Abbildung 3 stellt die Abläufe des MIK-Prozesses von a-Si
über die Benetzung der KG in einer kontaktierenden Al-Schicht schematisch dar.
Ähnliche thermodynamische Modellberechnungen (wie für a-Si/Al-Doppelschichten; siehe
oben) sind auch für andere Systeme von amorphen Halbleitern und kontaktierenden
Metallschichten gemacht worden. Zum Beispiel sollte, laut unseren Modellvorhersagen, für
Al/a-Ge-Doppelschichten bei T ≥ 50°C die Kristallisation von a-Ge sowohl an den Al/a-Ge
Grenzflächen als auch an den Al-KG ablaufen. Auch diese Modellvorhersage ist in sehr guter
Übereinstimmung mit entsprechenden experimentellen Beobachtungen [4]. Für Ag/a-SiDoppelschichten sollte, laut unseren Modellberechnungen, die Kristallisation von a-Si bei T ≥
400°C ausschließlich an den Ag-KG ablaufen, wie auch in Experimenten beobachtet wurde [7].
III.3 Kontinuierliche Kristallisation und Schichtaustausch
Für die Al/a-Si-Schichtsysteme kann die Kristallisation von a-Si bei niedrigen Temperaturen (T
< 300°C) nur an von „freien“ Si-Atomen benetzten Al-KG herbeigeführt werden (siehe
Abschnitt 3.2). Mit der Keimbildung von c-Si an benetzten Al-KG werden zwei ursprüngliche cAl/a-Si-Grenzflächen durch zwei c-Al/c-Si-Grenzflächen ersetzt. Für das Fortschreiten der
Kristallisation von a-Si müssen weitere „freie“ Si-Grenzflächenatome von der a-Si-Schicht (an
der Al/a-Si-Grenzfläche) an die neu gebildete c-Al/c-Si Grenzfläche in der Al-Schicht
diffundieren, um so das Weiterwachsen von bereits vorhandenen c-Si-Keimen zu ermöglichen.
Unsere
thermodynamischen
Berechnungen
haben
gezeigt,
dass
diese
kontinuierliche
Benetzung von c-Al/c-Si-Grenzflächen durch „freie“ Si-Atome, und anschließendes laterales
Wachstum von c-Si, tatsächlich thermodynamisch begünstigt ist; dahingegen ist die Bildung
von neuen c-Si Keimen an bereits mit c-Si bedeckten Al-KG thermodynamisch nicht möglich
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[4].
Die kontinuierliche Eindiffusion und Kristallisation (Kornwachstum) von Si innerhalb der Al-KG
führt letztendlich zu einem Schichtaustausch der Al- und Si-Schichten, da die Al-Atome unter
Einfluss der immer weiter zunehmenden Druckspannungen in der Al-Schicht (verursacht durch
das Kornwachstum von c-Si an den Al-KG) zu den verbliebenen Freiräumen in der a-Si-Schicht
diffundieren. Der letztendliche Austausch der beteiligten Al- and Si-Schichten nach weit
fortgeschrittener MIK in Al/a-Si-Schichtsystemen ist auch experimentell bestätigt worden [8].
Der MIK-Prozess im Metall/Halbleiter-System Al/a-Ge führt nicht zu solch einem Austausch der
beteiligten Al- und Ge-Schichten, da hier, wie oben erwähnt, die Kristallisation bei niedrigen
Temperaturen sowohl an benetzten Al-KG als auch an der ursprünglichen Al/a-Ge-Grenzfläche
abläuft (dies ist auch in guter Übereinstimmung mit experimentellen Beobachtungen).
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IV. Anwendung I:
Die von ultradünnen Al-Schichten induzierte Kristallisation: Beherrschung
der Kristallisationstemperatur von amorphem Silizium
Abb. 4: (a) Schematische Darstellung der Kristallisation von a-Si an Al-Korngrenzen in einer kontaktierten,
ultradünnen Al-Deckschicht (mit Dicke hAl). (b) Die Kristallisationstemperatur von amorphem Silizium in
Abhängigkeit der Dicke einer ultradünnen Aluminium-Deckschicht: Theoretische Vorhersage (durchgezogene
Linie für 4,0 ML) und experimentelle Verifikation (rote Datenpunkte mit gestrichelter Linie).
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Unsere theoretischen Vorhersagen und experimentellen Bestätigungen haben gezeigt, dass die
unterschiedlichen MIK-Temperaturen und MIK-Abläufe für unterschiedliche Metall/HalbleiterSysteme mithilfe der Thermodynamik von Grenzflächen vollständig erklärt werden können.
Dies bedeutet, dass es grundsätzlich möglich ist, die MIK-Temperaturen und MIK-Abläufe durch
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gezielte
Änderungen
der
beteiligten
Grenzflächenenergiebeiträge
zu
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steuern.
Diese
grundlegende Idee haben wir für die MIK von a-Si-Dünnschichten mittels einer kontrollierten
Schichtdickevariation der kontaktierenden ultradünnen Al-Deckschicht realisiert [9]. Liegt
nämlich
die
Dicke
(hAl)
der
Al-Deckschicht
(mit
einer
ausgeprägten
säulenförmigen
Kornstruktur) in der gleichen Größenordnung wie die Dicke des benetzenden a-Si-Films an der
Al-KG, dann sollte für die Berechnung der kritischen Schichtdicke (als Funktion von T) nicht nur
das Ersetzen von zwei a-Si/c-Al-Grenzflächen durch zwei c-Si/c-Al-Grenzflächen (siehe
Abschnitt III.2), sondern auch die herbeigeführte Bildung einer kristallinen c-Si-Oberfläche
sowie einer a-Si/c-Si-Grenzfläche berücksichtigt werden (vgl. Abb. 4a). Die so berechnete
kritische Schichtdicke ist als Funktion sowohl der Temperatur als auch der Al-Schichtdicke in
einem
Konturplot
dargestellt
(siehe
Abb.
4b).
Wie
aus
der
bisherigen
Diskussion
hervorgegangen ist (siehe Abschnitt III.2), kann die Kristallisation von a-Si bei niedrigen
Temperaturen nur an benetzten Al-KG eingeleitet werden, wenn die berechnete kritische Dicke
kleiner oder gleich 4 ML ist. Folglich repräsentiert die 4-ML-Linie in Abbildung 4b die niedrigste
mögliche
Temperatur
für
die
Kristallisation
von
a-Si.
Die
dazugehörige
Kristallisationstemperatur liegt im Bereich von 150 – 200 ºC für hAl > 20 nm und nimmt, für hAl
< 20 nm, mit abnehmender Al-Schichtdicke stark zu.
Auch diese theoretischen Vorhersagen wurden von uns experimentell mittels spektroskopischer
Ellipsometrie
unter
Ultrahochvakuum-Bedingungen
bestätigt,
indem
die
Kristallisationstemperatur von a-Si für unterschiedliche Al-Schichtdicken in Echtzeit bestimmt
wurde [9]. Tatsächlich reagiert die Kristallisationstemperatur von a-Si höchstempfindlich auf
die Dicke der Al-Deckschicht im Schickdickenbereich von 1 nm bis 20 nm (siehe Abb. 4b): Die
experimentell ermittelte Kristallisationstemperatur nimmt mit zunehmender Al-Schichtdicke
von etwa 700 ºC bei hAl < 1 nm bis 180 ºC bei hAl = 20 nm ab.
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V. Anwendung II:
Nutzung des Al-Korngrenzengefüges als Schablone für das Wachstum von cSi-Nanostrukturen bei niedrigen Temperaturen
Abb. 5: Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme (aufgenommen unter einer Winkel von 60º zur
Probenoberfläche) der „Oberfläche“ einer teils auskristallisierten Al/a-Si-Doppelschicht (eine 50 nm dicke AlDeckschicht und eine 30 nm dicke a-Si-Schicht, abgeschieden auf einem oxidierten Si-Wafer, anschließend 15
min geglüht bei 170 ºC). Das restliche Aluminium wurde durch chemisches Ätzen entfernt, wonach eine
Nanostruktur von ultradünnen Wänden aus reinem c-Si übrig blieb (die dunkle Phase ist nicht auskristallisiertes
a-Si).
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Wie oben gezeigt wurde, findet die Kristallisation von a-Si in a-Si/Al-Doppelschichten bei
niedrigen Temperaturen gezielt an Al-KG statt (siehe Abschnitte II, III, IV). Demzufolge sollte
die resultierende Morphologie der auskristallisierten c-Si-Phase dem ursprünglichen Gefüge der
Korngrenzen in der Al-Schicht ähneln. Unsere bisherigen MIK-Versuche an c-Al/a-SiDoppelschichten haben gezeigt, dass die Morphologie der herauskristallisierten c-Si-Phase das
Gefüge der säulenförmigen Al-KG in der katalytischen Al-Schicht tatsächlich genauestens
widerspiegelt [5]. Nach dem Entfernen des Al durch chemisches Ätzen der auskristallisierten c© 2011 Max-Planck-Gesellschaft
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Al/a-Si-Doppelschicht bleibt eine Struktur von ultradünnen Mauern aus c-Si übrig (siehe Abb.
5). Dies bedeutet, dass die erzeugte Nanostruktur aus c-Si mechanisch stabil ist. Chemische
Analysen mittels Auger-Elektronenspektroskopie haben bestätigt, dass die Nanostruktur aus
reinem Silizium besteht, frei von jeglichen Al-Resten.
Wir
schließen
daher,
dass
das
Gefüge
von
Al-KG
in
kontaktierten,
nanokristallinen
Metallschichten, bei niedrigen Temperaturen (bis zu 150 ºC), als Schablone für die kontrollierte
Herstellung von gut definierten c-Si-Nanostrukturen mit sehr hohen Oberflächen-VolumenVerhältnissen verwendet werden kann. Die Industrie hat bereits reichlich Erfahrung mit dem
Wachsen,
Strukturieren
und
Ätzen
von
metallischen
Dünnschichten
mit
einstellbarer
Korngrenzenstruktur und Korngröße. Diese Fachkenntnisse können gut genützt werden, um die
Morphologie der obengenannten c-Si-Nanostrukturen genauestens einzustellen.
Die niedrige Verarbeitungstemperatur für das MIK-Verfahren erlaubt die Herstellung von c-SiNanostrukturen
und
Dünnschichtsolarzellen
auf
kostengünstigen,
flexiblen,
aber
hitzeempfindlichen Kunststoffsubstraten. Komplexe zusätzliche Herstellungsschritte, die bisher
angewendet wurden, um vorab auskristallisierte c-Si-Dünnschichten auf hitzeempfindliche
Substrate zu übertragen, sind somit nicht mehr erforderlich.
Literaturhinweise
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Germany's Energy Research Plan.
Science 330, 295 (2010).
[2] Z. M. Wang, L. P. H. Jeurgens, J. Y. Wang, E. J. Mittemeijer:
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Advanced Engineering Materials 11, 131-135 (2009).
[3] A. Hiraki:
Low temperature reactions at Si/metal interfaces; What is going on at the interfaces?
Surface Science Reports 3, 357-412 (1984).
[4] Z. M. Wang, J. Y. Wang, L. P. H. Jeurgens, E. J. Mittemeijer:
Thermodynamics and mechanism of metal-induced crystallization in immiscible alloy
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Physical Review B 77, 045424 (2008).
[5] Z. M. Wang, L. Gu, F. Phillipp, J. Y. Wang, L. P. H. Jeurgens, E. J. Mittemeijer:
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[6] L. P. H. Jeurgens, Z. M. Wang, E. J. Mittemeijer:
Thermodynamics of reactions and phase transformations at interfaces and surfaces.
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© 2011 Max-Planck-Gesellschaft
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