Unterrichts - Kino macht Schule

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Unterrichts - Kino macht Schule
GRATULATION ZUM
OSCAR® 2008!
FILMHEFT • MATERIALIEN FÜR DEN UNTERRICHT
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10.04.2008 19:02:38 Uhr
INHALTSVERZEICHNIS
Vorwort der Frau Bundesministerin Dr. Claudia Schmied ...........................................................
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Vorwort des ORF Programmdirektors Wolfgang Lorenz .............................................................
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Fakten zum Film ..........................................................................................................................
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Der Film .......................................................................................................................................
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Darstellung des Undarstellbaren? ..............................................................................................
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DIE FÄLSCHER –
Inszenierung von Geschichte ......................................................................................................
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Das „Unternehmen Bernhard“ im Film und in der Realität .........................................................
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Biographien .................................................................................................................................
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Blüten, Blüten, Blüten –
Eine kleine Geschichte des Geldfälschens ..................................................................................
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Survivor gulit ...............................................................................................................................
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Historische Hintergründe:
Wirtschaft, Verbrechen und das Erbe des Nationalsozialismus ..................................................
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And the Oscar goes to:
Die Fälscher - Ergänzende Materialien zu den Schulunterlagen ................................................
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Die Fälscher - Der Weg zum Oscar ...............................................................................................
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Fünf Fragen an...
Stefan Ruzowitzky .......................................................................................................................
Karl Markovics .............................................................................................................................
Josef Aichholzer ...........................................................................................................................
Wolfgang Lorenz ..........................................................................................................................
Elisabeth Sereda .........................................................................................................................
Michael Stejskal ..........................................................................................................................
Roland Teichmann .......................................................................................................................
Peter Zawrel ................................................................................................................................
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Anhang 1 ......................................................................................................................................
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Anhang 1 ......................................................................................................................................
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Impressum ...................................................................................................................................
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10.04.2008 19:02:41 Uhr
VORWORT DER FRAU BUNDESMINISTERIN
DR. CLAUDIA SCHMIED
Es war ein Zeitalter der Extreme, das Europas Menschen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchleben mussten. Und innerhalb dieser Extreme bildeten die nationalsozialistischen Vernichtungslager eine
historisch singuläre Erscheinung des Bösen. In ihnen existierten keine moralischen Grenzen mehr und es
hoben sich angesichts des Überlebenswillens die Trennlinien zwischen Gut und Böse auf.
Dieser Film erzählt in eindringlichen Bildern von einer Sequenz inmitten dieser Welt, die erst durch die
vollkommene militärische Niederlage des Nationalsozialismus ihr Ende gefunden hat. Das Ende des 2.
Weltkriegs war damit eine Befreiung. Viel zu lange haben selbst nach dieser Befreiung die Opfer dieser
Zeit geschwiegen und die Täter konnten erfolgreich zum Vergessen auffordern. Zwar hat die Geschichtswissenschaft inzwischen viel zur Aufklärung über dieses dunkelste Kapitel unserer Geschichte beigetragen. In zahlreichen Initiativen wie den Diskussionen mit Zeitzeugen an den Schulen entstand auch für die
Nachgeborenen die Möglichkeit des Überwindens dieses schuldhaften Schweigens in unserer Kultur.
Nun, da uns für die aufklärenden Gespräche immer weniger unmittelbare Zeitzeugen zur Verfügung stehen, wird der Beitrag der Kunst als Botschafter gegen die Barbarei immer wichtiger. Bilder wirken eindringlicher; sie können subtiler und zugleich auch viel drastischer ausdrücken, was Zahlen, Statistiken
oder historische Modelle nur analytisch anzudeuten vermögen.
Dieser preisgekrönte Film stellt auf drastische Weise die Unmenschlichkeit eines Systems dar, das die
Entgrenzung von Menschen systematisch förderte und betrieb. Jenseits der historischen Singularität ist
die Erzählung damit vor allem eine Mahnung gegen Totalitarismus und Enthumanisierung. Bildung wie
wir sie in unserer demokratischen Gesellschaft verstehen, soll uns zur Abgrenzung von Unmenschlichkeit
hinführen und uns eine Kultur der Achtung vor der Würde aller lehren. Ich erachte diesen Film daher als
wichtigen Beitrag für unsere Bemühungen an den Schulen, die Schrecken der Geschichte aufzuarbeiten
und ihre Wiederholung zu verhindern. Das sind wir allen Opfern der Unmenschlichkeit schuldig.
Dr. Claudia Schmied
Bundesministerin für Unterricht,
Kunst und Kultur
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10.04.2008 19:02:44 Uhr
VORWORT DES ORF-PROGRAMMDIREKTORS
WOLFGANG LORENZ
Der ORF ist ein wesentlicher Finanzierungspartner des Films DIE FÄLSCHER. Wir sind stolz auf den Erfolg.
Stefan Ruzowitzky begann seine Karriere im ORF.
Sein Film DIE FÄLSCHER stellt einen Ausschnitt aus unserer Geschichte – abseits jedes KZ-Klischees – dar
und kreist zugleich um zentrale Fragen unseres Lebens in der Gegenwart: jene nach Humanität und Zivilcourage, nach Anpassung und Widerstand.
Wie steht es um die persönliche politische Verantwortung des Einzelnen – sich selbst und der Gesellschaft
gegenüber, wie weit können wir unser Leben mit unseren Idealen vereinbaren, welche Kompromisse gehen wir ein, um zu überleben? Der Film von Stefan Ruzowitzky stellt diese Fragen und beantwortet einige
davon.
Wir haben als Sender den Anspruch, ein Programm mit Haltung zu bieten. Nicht nur in Kultur und Information, sondern in allen Bereichen. Öffentlich-rechtliches Fernsehen – wie wir es verstehen – soll gesellschaftspolitisch relevant sein und kann mit Filmen wie DIE FÄLSCHER dazu beitragen, unseren Blick auf
die Welt zu erweitern.
Ich freue mich darauf, DIE FÄLSCHER im Jahr 2009 unserem Fernsehpublikum präsentieren zu können.
Wolfgang Lorenz
ORF-Programmdirektor Fernsehen
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10.04.2008 19:02:49 Uhr
FAKTEN ZUM FILM
Regie und Drehbuch:
Bildgestaltung:
Schnitt:
Musik:
Sound Design:
Ton:
Szenenbild:
Kostümbild:
Maske:
Casting:
Produktionsleitung:
Produktion
Stefan Ruzowitzky, nach Adolf Burgers Lebenserinnerungen
„Des Teufels Werkstatt“, Neuveröffentlichung, München, Februar 2007
Benedict Neuenfels
Britta Nahler
Marius Ruhland
Tatjana Jakob
Torsten Heinemann
Isidor Wimmer
Nicole Fischnaller
Waldemar Pokromski
Heta Mantscheff
Christian Springer, Monika Maruschko
Aichholzer Filmproduktion, Josef Aichholzer;
Magnolia Filmproduktion GmbH, Nina Bohlmann
und Babette Schröder
Österreich/Deutschland 2006
Kinostart: 23. März 2007
Länge: 98 Minuten
Co-Produktion
Studio Babelsberg Motion Pictures / Babelsberg Film ZDF
Caroline von Senden, Henning Molfenter,
Dr. Carl L. Woebcken
In Zusammenarbeit mit dem ORF Film/Fernsehabkommen
Gefördert durch
Österreichisches Filminstitut, Filmfonds Wien, Land Oberösterreich, Land Niederösterreich,
Medienboard Berlin Brandenburg, FFA, FilmFörderung Hamburg, FilmFinanzierungsFonds Hessen-Invest
Film
Besetzung:
Salomon Sorowitsch
Adolf Burger
Friedrich Herzog
Holst
Dr. Klinger
Atze
Kolja
Zilinsky
Dr. Hahn
Loszek
Aglaia
Die Rothaarige
Karl Markovics
August Diehl
Devid Striesow
Martin Brambach
August Zirner
Veit Stübner
Sebastian Urzendowsky
Andreas Schmidt
Tilo Prückner
Lenn Kudrjawizki
Marie Bäumer
Dolores Chaplin
Hans
Arndt Schwering-Sohnre
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10.04.2008 19:02:51 Uhr
DER FILM
Berlin, 1936: Salomon Sorowitsch (Karl Markovics) ist der König der Fälscher in der Berliner Unterwelt. Als
er schließlich doch in die Fänge der Polizei gerät, wird er von Kommissar Herzog (Devid Striesow) verhaftet, eingesperrt – und später in das KZ Mauthausen verschleppt.
Mit den dortigen Zuständen findet sich Sorowitsch ab, so gut es nur geht. Er fertigt Portraits der Lagerwärter und -kommandanten an und erlangt dadurch kleine Privilegien.
Als er 1944 jedoch nach Sachsenhausen verlegt wird, ahnt Sorowitsch, dass es damit nun vorbei ist. Bei
seiner Ankunft trifft er jedoch auf Kommissar Herzog, der nun Leiter einer Geheimaktion ist, deren Ziel die
Herstellung von Falschgeld im großen Stil ist: Millionen von Pfund- und Dollar-Blüten sollen die feindliche
Wirtschaft überschwemmen und lahm legen.
In zwei streng vom Rest des Lagers abgeschotteten Baracken wurde eine erstklassig ausgerüstete Geldfälscherwerkstatt samt Wohntrakt eingerichtet. Hier soll Profifälscher Sorowitsch die Herstellung der Blüten
vorantreiben – unterstützt von den Häftlingen Burger (August Diehl), Kolja (Sebastian Urzendowsky), Zilinsky (Andreas Schmidt), Dr. Klinger (August Zirner) und anderen Gefangenen.
In den beiden Baracken leben sie „erster Klasse“ – es ist sauber, die Betten sind weich, es gibt ausreichend Essen, richtige Toiletten, und hin und wieder soll sogar gefeiert werden. Eines ist jedoch von Beginn
an klar: Führt ihre Arbeit nicht zum Erfolg, droht den Fälschern der Tod. Und so müssen sie sich mit einem
schier unerträglichen Gewissenskonflikt auseinander setzen: Sollen sie mit dem Feind kooperieren und
dadurch eine Verlängerung des Krieges oder gar einen Sieg der Deutschen unterstützen? Oder sollen sie
sabotieren – was ihr sicherer Tod wäre, andere hingegen vielleicht davor bewahren würde?
Der Film präsentiert die Fakten des Zeitgeschehens in einem fiktionalen Rahmen, um damit die Aufmerksamkeit der Zuseher zu binden und gleichzeitig relevante Themen für die Gesellschaft und den Schulunterricht zu verarbeiten. Gerade dort, wo es um die Gewissensnöte und inneren Konflikte der Häftlinge
geht, können die Mittel des Spielfilms Umstände erklären, an denen ein Dokumentarfilm fast zwingend
scheitern muss.
Gleichzeitig achtet der Film jedoch auf Authentizität im Umgang mit der Geschichte. Intensive historische
Recherchen und Gespräche mit Zeitzeugen waren die Grundlage für das Entstehen dieses Filmes.
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10.04.2008 19:02:55 Uhr
DARSTELLUNG DES UNDARSTELLBAREN?
Als bewusst geplante, staatlich organisierte und mit industriellen Mitteln vollzogene Vernichtung einer
Gruppe von Menschen, die um ihrer selbst Willen, ohne das Kalkül eines konkreten wirtschaftlichen oder
politischen Nutzens vorangetrieben wurde, ist der Holocaust ein einzigartiges Phänomen in der Geschichte der Moderne. Die spezifische Eigenart des Phänomens ragt dabei in den Bereich seiner künstlerischen
Darstellung hinüber.
Gegenstand von Diskussionen sind dabei die historischen, sozialen und politischen Deutungen des Holocaust, die in Filmen erkannt werden, bzw. von ihnen abgeleitet werden, Diskussionen, die letztlich die
allgemeinen Streitpunkte um die geschichtliche Bedeutung des Holocaust, seine Hintergrunde und Umstände, die Motivation der Täter, die Schuld der deutschen (bzw. österreichischen) Gesellschaft usw.
verlängern. Im Zusammenhang mit bildlichen und schriftlichen Darstellungen des antisemitischen Massenmordes stellt sich daneben aber immer auch die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen solcher
Repräsentationen. Im Kern geht es dabei um die Frage, inwieweit die Besonderheit des Ereignisses auch
eine Besonderheit der Mittel der Darstellung notwendig macht, bzw. ob eine solche Darstellung überhaupt
möglich oder geboten ist. Als Repräsentationen von Geschichte steht damit immer auch zur Disposition,
in welchen Formen Filme die Wahrheit des Gezeigten verbürgen, wie Filme Bezüge zur Historizität des Geschehenen herstellen; Diskussionen, die auch nach den jeweiligen Möglichkeiten dokumentarischer und
fiktionalisierender Formen fragen. Derartige Diskussionen lassen sich anhand einzelner paradigmatischer
Filme nachvollziehen.
Eine der bedeutendsten dokumentarischen Annäherung an den Judenmord ist Claude Lanzmanns Film
„Shoah“, den der Autor 1985 nach zehnjähriger Arbeit fertig stellte. Das zehnstündige Epos handelt, in den
Worten des Autors, von der „Radikalität des Todes“. Lanzmann sieht im Holocaust ein Ereignis, dem kein
Sinn zugesprochen werden kann, das in letzter Konsequenz insofern auch nicht verstanden werden kann.
„Shoah“ arbeitet ausschließlich mit gegenwärtigen Bildern der Orte des Verbrechens und der Befragung
von Zeitzeugen: Opfern, Täter/inne/n und Zuschauer/inne/n. Auf Archivmaterial wird gänzlich verzichtet.
Jeder Versuch, den Holocaust zu bebildern, muss in einer Trivialisierung enden, meint Lanzmann. „Shoah“
beschränkt sich darauf, sich dem Phänomen über eine Spurensuche an Orten zu nähern, die Ereignisse
über Zeugenaussagen zu rekonstruierten. Durch die Verweigerung der Unmittelbarkeit von nachgestellten
Szenen oder Archivmaterial wird der Film damit auch zu einem Werk über die Erinnerung an den antisemitischen Massenmord.
INFO
Am Frankfurter Fritz-Bauer-Institut ist seit einigen Jahren ein großes internationales Forschungsprojekt zur
Kinematographie des Holocausts angesiedelt. Unter der Adresse http://www.fritz-bauer-institut.de/cinematographie.htm findet sich neben Hinweisen auf die Arbeit der Forschungsgruppe eine umfassende Datenbank
zu filmischen Dokumenten als auch Spielfilmen.
Viele Hinweise zu Filmen und Texten bietet auch eine Seite der Universität Kiel:
http://www.uni-kiel.de/medien/hiseminar/
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10.04.2008 19:02:58 Uhr
DARSTELLUNG DES UNDARSTELLBAREN?
Ganz im Gegensatz dazu versuchte die amerikanische Fernseh-Mini-Serie „Holocaust“ (1979) einige Jahre zuvor Geschichte und Bedeutung des Holocaust einem breiten Publikum als Familien-Saga näher zubringen. Die Serie erzählte anhand der Schicksale einer Familie deutscher Juden zentrale Ereignisse der
Geschichte der Vernichtung von der Machtübernahme über die Wannsee Konferenz, das Massaker von
Babi Yar bis zum Warschauer Ghettoaufstand als persönliche Geschichten. Unbestritten ist dabei die ungeheure (positive wie negative) Resonanz, auf die der Film sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in
Deutschland und Österreich stieß. Der Begriff „Holocaust“ wurde im deutschen Sprachraum erst durch
die Fernseh-Mini-Serie eingeführt. Diese ungeheure Wirkung war nicht zuletzt seiner dramatischen Form
geschuldet. Befürworter/innen argumentierten deshalb, dass die Auseinandersetzungen, Diskussionen
und das Interesse, das der Film auslöste, seine Form rechtfertigen würden. Kritiker/innen warnten hingegen vor einer Trivialisierung des Themas, und kritisierten, dass diese Form der eingängigen Erzählung der
Komplexität und dem Ernst des Themas nicht angemessen wäre.
VERMITTLUNG:
Unter http://www.zuschauerpost.de/zupo/docs70/1979hc.htm findet sich Material, das 1979 zur Ausstrahlung
der Serie „Holocaust” in der deutschen Fernsehzeitschrift „Hörzu“ veröffentlicht wurde.
Schüler/innen diskutieren diese Texte und Stellungnahmen unter den
folgenden Gesichtspunkten:
• Welche Argumente für oder gegen die Serie werden eingebracht?
• Welche Argumente richten sich gegen die konkrete Inszenierung der Serie, welche stellen die Möglichkeit
einer fiktionalen Bearbeitung für das Fernsehen generell in Frage?
• Welche Erwartungen werden an ein derartiges Unterfangen geknüpft?
• Welche besonderen Erwartungen und Regeln werden für filmische Bearbeitungen des Holocausts einge
bracht?
• Welche „Lehren“ bzw. „Botschaften“ werden den Filmen zugeschrieben?
• Wie werden die Eindrücke, die die Serie hinterlässt, mit persönlichem Hintergrund und eigener Geschichte
verknüpft?
Ähnliche Fragen lassen sich auch an Kritiken von DIE FÄLSCHER stellen.
Auszüge aus Kritiken finden sich auf der Website des Films http://www.diefaelscher.at
Weitere Links auch auf http://filmz.de/film_2007/die_faelscher/links.htm.
Im Anschluss daran kann darüber diskutiert werden, wie sich die Verhandlung filmischer Darstellungen des
Holocaust in den letzten 30 Jahren verändert hat.
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10.04.2008 19:03:08 Uhr
DARSTELLUNG DES UNDARSTELLBAREN?
Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ (1993) war ein weiterer kontrovers diskutierter Versuch, den
Holocaust als episches Melodram zu inszenieren. Spielberg bezog sich mit seinem Film auf die Geschichte
des deutschen Industriellen Oskar Schindler, der zahlreichen jüdischen KZ-Häftlingen das Leben rettete,
indem er sie, zunächst nicht ohne Eigennutz, als Arbeitskräfte seiner Fabriken der Vernichtung zu entziehen versuchte. Insbesondere in Österreich und Deutschland, als Nachfolgegesellschaften des Dritten
Reiches, entzündete sich eine Diskussion darüber, inwieweit der Film in diesen Gesellschaften durch die
Wahl eines Deutschen als Helden und das Happy End zu einer falschen Katharsis einladen würde. Dabei
wurde der Fokus auf eine Gruppe von Menschen gelegt, die im Grunde ein für die Judenvernichtung untypisches Schicksal haben: Sie überleben. Der Film, meinten manche Kritiker, würde zwar eine Ikonographie
der Betroffenheit bespielen, letztlich aber gerade dadurch den Weg zu einer Auseinandersetzung, wie er
in den Tätergesellschaften notwendig wäre, versperren.
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10.04.2008 19:03:10 Uhr
DIE FÄLSCHER
INSZENIERUNG VON GESCHICHTE
In der letzten Einstellung des Films legt sich eine Stimme aus dem Off über die Bilder
und lässt uns wissen:
„In der Fälscherwerkstatt Sachsenhausen wurden Pfundnoten im Gesamtwert von 132 Millionen hergestellt. Das entsprach dem vierfachen der Währungsreserven Großbritanniens. Durch die Verzögerungstaktik der Häftlinge konnte nur eine sehr geringe Menge von Dollars produziert werden. Das ‚Unternehmen
Bernhard‘ gilt als größte Geldfälschungsaktion aller Zeiten.“
Am Ende des Films wird der Raum der filmischen Handlung durchbrochen, die erzählte Geschichte mit
einem Anspruch an historische Wahrhaftigkeit verbunden: DIE FÄLSCHER ist ein Spielfilm, der einen historischen Stoff behandelt.
Dabei geht es jedoch nicht darum, ein Gesamtbild des Nationalsozialismus zu zeichnen. Angelehnt an
die Geschichte der Sachsenhausener Geldfälschungsaktion inszeniert Regisseur Stefan Ruzowitzky einen
Film, der aus dem historischen Material ein exemplarisches Drama um Handlungsspielräume und Konflikte unter den extremen Bedingungen nationalsozialistischer Gewalt formt. Das verweist zum einen auf
einen perfiden Aspekt nationalsozialistischer Verfolgungspolitik, seine Opfer selbst im Moment totaler
Verfügungsgewalt durch die Aussicht, durch eigenes Verhalten das Überleben sichern zu können, zur Kooperation zu bewegen. Anhand der Figuren von Salomon Sorowitsch und Adolf Burger lotet DIE FÄLSCHER
diesen Konflikt aus und versucht anschaulich zu machen, welche Spuren das System an einzelnen Menschen hinterlässt. Vor dem Hintergrund einer ausdifferenzierten (filmischen) Erinnerungslandschaft wird
das historische Phänomen zudem zur Metapher allgemeiner Dramen.
VERMITTLUNG:
Dokumentarfilm/ Spielfilm:
• Wie könnte eine dokumentarische Bearbeitung des gleichen Themas aussehen?
• Welche spezifischen filmischen Mittel würden dafür zur Verfügung stehen?
• Was wären mögliche Drehorte, Interviewpartner, welches Archivmaterial käme dafür in Frage?
• Wodurch würde sich das Bild, das ein Dokumentarfilm über die Geschichte zeichnet, von dem Spielfilm
unterscheiden?
• Auf welche Weise würde ein Dokumentarfilm die Zuschauer/innen involvieren?
• Welche Fragen würde er bei ihnen hervorrufen?
Autorschaft/ Erzählformen:
Stefan Ruzowitzkys Filmographie umfasst eine Reihe recht unterschiedlicher Filme, deren Drehbücher er auch
meist selbst verfasst hat:
Tempo (Ö 1996)
Die Siebtelbauern (Ö/D 1998)
Anatomie (D 2000)
All the Queen‘s Men (D/Ö/HUN/USA 2001; nur Regie)
Anatomie 2 (D 2003)
• Worin unterscheiden sich diese Filme von DIE FÄLSCHER?
• Welche Verbindungen lassen sich zwischen den Gegenständen der jeweiligen Filme, und der Form ihrer
Erzählung herstellen?
• Was könnten im Hinblick darauf Gründe für die filmische Form der Erzählung in DIE FÄLSCHER sein?
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10.04.2008 19:03:15 Uhr
DIE FÄLSCHER
INSZENIERUNG VON GESCHICHTE
Beispielanalyse I: Eröffnungssequenz
Der Film beginnt mit einer schwarzen Leinwand, nur auf der Tonspur ist das Rauschen einer Meeresbrandung zu hören. Eine Aufblendung gibt den Blick auf das Meer frei, Musik setzt ein, Titel und Credits werden
eingeblendet. Die Kamera schwenkt vom Horizont auf einen schwarz gekleideten Mann, der am Ufer sitzt.
Im Profil sehen wir sein Gesicht, er raucht eine Zigarette. Eine Zeitung, die neben ihm liegt und von Wellen
überspielt wird, trägt die Schlagzeile: „La guerre est finie!“ (Der Krieg ist zu Ende). Eine Reihe kurzer Einstellungen folgt dem Mann durch eine Stadt. Die Kamera zeigt ihn dabei meist in Totalen und Halbtotalen,
es ist viel von der Umgebung zu erkennen. Auf seinem Weg passiert der Mann eine Gruppe schlafender
Soldaten, eine in Lumpen gekleidete Familie, einen Straßenverkäufer, der Silberware anpreist. Schließlich
hält er vor einem Gebäude, das ein Schild über dem Eingang als „Casino Monte Carlo“ ausweist. Im Hotel
bezahlt der Mann, der als „Monsieur Sorowitsch“ angesprochen wird und einen Schweizer Pass vorweist,
die von ihm verlangte Anzahlung mit einem Bündel Dollarnoten, das er aus einem Koffer voller Geld zieht.
Die nachfolgenden Sequenzen zeigen Sorowitsch beim Deponieren des Geldes in einem Bankschließfach,
beim Friseur und bei der Maniküre. Schließlich sehen wir Sorowitsch in einem Casino, er gewinnt Geld
beim Pokerspiel. Von dort führt die Montage in Sorowitschs Hotelzimmer, wo er und eine Frau, die ihn
im Kasino beobachtet hat, einander küssen. Als sie die Tätowierung einer Nummer auf seinem Unterarm
sieht, erschrickt sie und fragt, ob er etwa aus dem KZ komme. Sorowitsch antwortet nicht und blickt ins
Leere. Als die Frau sich daran macht zu gehen, sieht sie, dass Sorowitsch ihr Geld gegeben hat, das sie zuerst zurückweist, dann aber annimmt. Die letzte Szene der Eröffnungssequenz zeigt Sorowitsch auf einer
sonnigen Terrasse alleine an einem Tisch. Während er, wieder rauchend, in die Ferne blickt, bringt ihm ein
Kellner eine Flasche Champagner.
Als Exposition bezeichnet man die Eröffnungssequenz eines Spielfilms, die für gewöhnlich versucht, in
kurzer Zeit Handlungsraum zentrale Figuren und Motive einzuführen.
Gleich zu Beginn wird die Hauptfigur ins Bild gesetzt. Wir wissen zunächst noch nichts über sie, auch
Ort und Zeitraum der Handlung sind unklar. Die Sequenz gibt dazu eine Reihe von Hinweisen: Spuren
des Krieges deuten die Nachkriegszeit an. Der Ort stellt sich als Monte Carlo heraus. Die Herkunft der
großen Summe Geldes, über die Sorowitsch verfügt, bleibt noch rätselhaft. Als schließlich die in den Arm
tätowierte Nummer sichtbar wird, verdüstert sich die Atmosphäre, verstärkt durch den plötzlich dramatischen Soundtrack. In derselben Szene im Hotelzimmer konterkariert der Austausch von Geld zwischen
Sorowitsch und der Frau die vorangegangene Intimität zwischen den beiden. Soziale Beziehungen werden
auch als Geldverhältnis dargestellt. All das verweist auf einen noch unbekannten Platz in der Geschichte
der Hauptfigur.
Stefan Ruzowitzky hat sich bei DIE FÄLSCHER entschieden, die historische Kernhandlung in einen Rahmen
einzufügen, der zu Beginn und Ende des Films steht, Motive anzeichnet, offene Fragen stellt, und sie am
Ende wieder zusammenführt. So wird ein Spannungsbogen etabliert, der die Zuseher/innen in den Verlauf der Geschichte involviert. Der Kernhandlung über die Ereignisse in Sachsenhausen wird eine Episode
vorangestellt, die chronologisch zu einem späteren Zeitpunkt spielt – der Film beginnt seine Geschichte
also von ihrem Ende her zu erzählen. Der Zwischenraum, den die Klammer umschließt, ist die Zeit des
Nationalsozialismus, die Verfolgung, die einen tiefen Einschnitt im Leben der Hauptfigur markiert. Was als
zu Verarbeitendes anfangs angedeutet wird, erschließt sich in der Entfaltung der weiteren Handlung. Im
Laufe der Betrachtung wird das anfangs Gezeigte so immer wieder neue Bedeutung erhalten, eine Bewegung der Interpretation wird in Gang gesetzt, bis am Ende die Fortführung der Monte-Carlo Sequenz die
Enden zusammenfügt.
Im Gegensatz zur späteren Handlung im Lager sehen wir etwa Sorowitsch in einer kurzen Zeit an einer
Vielzahl von Orten. Er kann sich frei bewegen. Die Kameraführung zeigt dabei Schwenks und Totalen, eine
Weite und Bewegungsfreiheit, wenn etwa die Größe und der Prunk des Kasinosaales zelebriert wird, die in
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10.04.2008 19:03:17 Uhr
DIE FÄLSCHER
INSZENIERUNG VON GESCHICHTE
scharfem Kontrast zu der Geschlossenheit und kargen Enge der Lagerarchitektur treten werden.
Am Ende der Eröffnungssequenz sitzt Sorowitsch einsam an einem Tisch, etwas scheint in ihm vorzugehen. Die Montage stellt über Ähnlichkeiten einen Anschluss an die nachfolgende Sequenz im Berlin der
Dreißiger Jahre her: Die Musik, die auf der Terrasse anklingt, reicht in die nächste Sequenz hinüber, wo sie
sich als musikalische Kulisse eines Etablissements entpuppt. Der Rücken des Kellners, der den Champagner serviert, verdeckt vollständig die Linse und funktioniert so als Schwarzblende. Als ein anderer Kellner
den Blick wieder frei gibt und eine Flasche Champagner serviert, befindet sich die Handlung in Berlin,
1936. Was folgt, wird lesbar als Erinnerung von Sorowitsch.
Beispielanalyse II: Darstellung von Gewalt
Die Sequenz beginnt mit einer Einstellung, in der Sorowitsch, aufgeschreckt durch Flugzeuglärm, zwischen
den Baracken zum Himmel blickt. Wir sehen Sorowitsch und Burger Tischtennis spielen, während die anderen ihnen zusehen. Als hinter der Bretterwand, die das Areal der Fälscher vom Rest des Lagers trennt,
ein Tumult vernehmbar wird, verharren die Spieler und Zuschauer. Man hört einen Häftling um sein Leben
flehen, er wird erschossen. Einige Projektile durchschlagen die Wand. Eine Stimme weist den Schützen zu
Recht, er hätte „seine Juden“ auf der anderen Seite treffen können. Die Kamera ruht währenddessen auf
den Gesichtern der Fälscher, registriert ihre Reaktionen. Burger nimmt schließlich das Spiel wieder auf,
doch Sorowitsch spielt den Ball nicht zurück. Burger spielt noch einen Ball und zählt den Spielstand weiter. Scheinbar zynisch fordert er Sorowitsch auf, doch weiterzuspielen. Die Morde seien hier doch ohnehin
Alltag. Sorowitsch fällt über ihn her und versucht ihn zu verprügeln. Die anderen trennen sie schließlich.
„Wenn Du nicht hier überlebst“, sagt Burger, auf sein Herz zeigend, „wozu willst Du dann überleben?“ Ein
Mann spricht vor den Einschusslöchern in der Wand kniend ein hebräisches Gebet.
Die räumliche Anordnung der Szenerie ist hier in mehrfacher Hinsicht auch als Parabel auf die Situation
der Fälschergruppe zu lesen.
Sorowitsch sucht den Himmel nach Flugzeugen ab, deren Motorenlärm er hört. Es könnten alliierte Bomber sein, was auf eine kurz bevorstehende Befreiung hindeuten würde. Der weite Himmel selbst ist nur
durch das Gitter zu sehen, das – wie als Zeichen der Gefangenschaft – den schmalen Gang zwischen den
Baracken überspannt. In einem Tischtennisspiel stehen sich Sorowitsch und Burger gegenüber, so wie sie
sich als Pole möglicher Verhaltensweisen unter den Bedingungen ihrer Gefangenschaft gegenüberstehen.
Mit dem provokativ weitergeführten Tischtennisspiel karikiert Burger die Haltung seines Gegenübers, das
jetzt vor Schreck erstarrt ist: Weiterzumachen, auch im Angesicht des Grauens, das sie umgibt. Wo Burger
die Pläne der Nazis aktiv sabotieren möchte, versucht Sorowitsch sich der Situation zu fügen, um sich und
den anderen unmittelbar um ihn das Überleben zu sichern. Auch das in einem gewissen Sinn ein Spiel,
aber mit ungleich höherem Einsatz.
In vielen Szenen des Films erfahren die Fälscher physische Gewalt nur mittelbar, sie umgibt sie als permanente Drohung, die sie zur Erledigung der von SS-Mann Herzog aufgezwungenen Aufgaben antreiben soll.
Wenn der Film in diesen Szenen Gewalt zeigt, geschieht dies nicht aus der Perspektive derer, die Gewalt
erleiden oder sie ausüben, sondern gewissermaßen aus einer entfernten Zuschauerperspektive, durch
eine Türe oder über eine Mauer hinweg.
Auch in dieser Szene verhält es sich ähnlich. Die Männer sind Ohrenzeugen der Gewalt, von deren Unmittelbarkeit sie eine Wand trennt, Ausdruck ihrer Sonderstellung im Lager, jener Wand, die am Ende des
Films, im Moment der Befreiung, Häftlinge durchbrechen werden und die Realität der anderen Seite zum
Vorschein bringen. Dass der Wachmann befürchtet, es könnte durch die Schüsse einer der Häftlinge in
der Fälscherbaracke getroffen sein, unterstreicht ihre relative Privilegierung noch. Gegen die Erschießung
eines Häftlings selbst hat er offensichtlich nichts einzuwenden.
Den Zuschauer/innen wird auf diese Weise ein direktes Bild der Gewalt verweigert. Aus der Perspektive
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10.04.2008 19:03:18 Uhr
DIE FÄLSCHER
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von entfernten Zeugen offenbart sich das Grauen nicht als unmittelbarer visueller Schock, erst in ihrer
Vorstellung entsteht ein Bild der Gewalt als Situation von Herrschaft, in der über das Leben von Menschen
gleichgültig entschieden wird.
Im Gerangel zwischen Burger und Sorowitsch betrifft die sie umgebende Gewalttätigkeit aber auch die
Männer selbst, die sich in einer vergleichsweise geschützten Position befinden. Der Kampf um das Überleben ist auch ein Kampf dafür, die Gewalt der Täter von sich fern zu halten. Die im Kontrast zum Vorhergehenden hektischen Schwenks und Schnitte dieser Einstellungen unterstreichen den plötzlichen, offenen
Ausbruch von etwas latent Vorhandenem.
Das Totengebet wiederum, das am Ende gesprochen wird, zeigt eine Geste der individuellen Trauer, die
gegen die Allgegenwart des Mordes die Anteilnahme um ein konkretes Opfer setzt.
MÖGLICHE FRAGEN ZUM FILM
Links zur Filmanalyse:
http://www.mediamanual.at/mediamanual/leitfaden/filmgestaltung/filmanalyse
http://www.bildungsservice.at/faecher/be/sachgebiete/visuelle_medien/film/start%20film%20tv.htm
http://lexikon.bender-verlag.de/suche.php
Geschichte
• Welche Möglichkeiten des Verhaltens haben die Häftlinge in der Fälscherwerkstatt?
• Mit welchen Konsequenzen müssen sie rechnen?
• Welche Positionen unter ihnen sind erkennbar?
• Welche sozialen/ kulturellen Unterschiede sind zwischen Ihnen feststellbar?
• Wie ist ihr Verhältnis zu den übrigen Gefangenen des Lagers?
• Welcher Konflikt prägt das Verhältnis zwischen Burger und Sorowitsch?
• Inwieweit haben ihre persönlichen Geschichten damit zu tun?
• Wodurch ist das Verhalten von SS-Offizier Herzog motiviert?
• Was könnte seine Geschichte sein?
• Was unterscheidet Herzog von Holst?
• Warum lässt Herzog die Häftlinge eine Faschingsrevue aufführen?
• Wie reagieren die einzelnen Figuren auf die Befreiung/ das Kriegsende?
• Warum verschont Sorowitsch Krügers Leben?
• Wie könnte das Leben der dargestellten Personen nach dem Kriegsende weitergehen?
Filmsprache/ Inszenierung
• Wie werden die einzelnen Charaktere eingeführt? Was erfahren wir über sie?
• Welche Figuren laden zur Identifikation ein? Welche nicht? Was gibt dafür den Ausschlag?
• Wie wird die Geschichte der NS-Zeit in die Geschichte der porträtierten Charaktere integriert?
• Wie wird im Film Gewalt dargestellt?
• Welche Formen von Gewalt werden sichtbar?
• Welchen Wahrheitswert schreibt der Film dem Gezeigten zu?
• Auf welche Weisen bezieht er sich auf Geschichte?
• Welche Kamerasprache zeichnet einzelne Episoden aus?
• Wie beeinflusst das die Erzählung?
• Auf welche Weise wird Musik im Film eingesetzt? Welche unterschiedlichen Arten dafür gibt es? Welche
Effekte werden damit erreicht?
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10.04.2008 19:03:24 Uhr
DAS „UNTERNEHMEN BERNHARD“
IM FILM UND IN DER REALITÄT
Eine Baracke mit Pingpong-Tisch, bunten Abenden und ständiger Operetten-Berieselung – Details, die zu
grotesk sind, als dass sie sich ein Drehbuchautor hätte ausdenken können: Momentaufnahmen aus der
historischen Fälscherwerkstatt im Konzentrationslager Sachsenhausen.
Die Geschichte dieser Fälscherwerkstatt und des ihr zu Grunde liegenden „Unternehmen Bernhard“ ist
die historische Grundlage für DIE FÄLSCHER. Das Unternehmen, ein von den Nationalsozialisten unter der
Leitung des ehemaligen Falschgeldfahnders und nunmehrigen Sturmbannführers Bernhard Krüger erdachter Geheimplan, wurde 1942 ins Leben gerufen. Sein Ziel war u.a. die Fälschung von britischen Pfund
und US-Dollars, zunächst, um damit die feindliche Wirtschaft durch Inflation und einen Vertrauensverlust
in die jeweilige Währung zu schwächen, später auch, um kriegswichtige Investitionen z.B. in die Rüstung
und den dringend nötigen Ankauf von Rohstoffen zu tätigen.
BUCH: Adolf Burger: Des Teufels Werkstatt. München 2007.
Das Personal für die Fälscherwerkstatt fanden die Nazis in ihren Konzentrationslagern. Von überall her
wurden Spezialisten mit Fälscher-Knowhow – inhaftierte Bankangestellte, Drucker, Grafiker oder Typografen und professionelle Fälscher – nach Sachsenhausen gebracht, um dort den Plan in die Tat umzusetzen. Von der Außenwelt abgeschirmt, wurden die überwiegend jüdischen Häftlinge in Block 18 und 19
des Lagers Sachsenhausen dazu gezwungen, für das streng geheime Unternehmen der Nazis zu fälschen.
Die jüdischen Häftlinge waren für die Nazis eine zusätzliche Garantie für die Geheimhaltung des Projektes
– sie konnten jederzeit von den SS-Schergen umgebracht werden.
VERMITTLUNG:
Unter den Häftlingen der Fälscherbaracke gab es massive Spannungen, die ihren Grund in unterschiedlichen
sozialen Hintergründen und politischen Überzeugungen hatten.
Vor dem Besuch des Filmes werden einzelne Schüler/innen aufgefordert besonders auf einzelne Häftlinge zu
achten, um in einer Diskussion nach dem Film festzustellen wer diese Personen sind, wie ihr Leben vor dem
Nationalsozialismus aussah und was sie wohl nach der Befreiung aus dem KZ machten.
Ziel: Während heute „die Juden“ als eine Gruppe Verfolgter gesehen werden, so handelte es sich in Wirklichkeit um heterogene Individuen – die Erkenntnis, dass es um unterschiedliche einzelne Schicksale und Biographien geht, gibt den Schüler/inne/n die Möglichkeit sich mit den Opfern des Holocaust zu identifizieren.
Im „Goldenen Käfig“, wie die Insassen ihre Abteilung nannten, wurde vor allem Falschgeld gedruckt, zudem auch Ausweise und Drucksorten für den Geheimdienst, sowie Briefmarken mit propagandistischen
Aufdrucken. Insgesamt wurden zwischen 1942 und 1945 in Sachsenhausen 134 Millionen Pfund hergestellt
– das Dreifache der Währungsreserven Großbritanniens. Fast 150 Häftlinge arbeiteten daran, Banknoten
zu 5, 10, 20 und 50 Pfund herzustellen. Die Fälschungen des „Unternehmen Bernhard“ waren so perfekt,
dass sie kaum vom Original unterschieden werden konnten.
INFO
Gedenkstätte Sachsenhausen mit online-Ausstellung:
http://www.stiftung-bg.de/gums/de/index.htm
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10.04.2008 19:03:29 Uhr
DAS „UNTERNEHMEN BERNHARD“
IM FILM UND IN DER REALITÄT
Als den Häftlingen trotz eigener Verzögerungstaktik schließlich das englische Pfund perfekt gelang, erhielten sie sofort den Auftrag, den US-Dollar zu fälschen. Um die „Dollar-Gruppe“ zu unterstützen, brachte
Krüger 1944 einen neuen Häftling in die Fälscherwerkstatt, Salomon Smolianoff, genannt „Solly“, ein russisch-jüdischer Kunstmaler und der berüchtigtste Kunst- und Geldfälscher seiner Zeit. Er ist das Vorbild der
Hauptfigur der FÄLSCHER, Salomon Sorowitsch. Wie Sorowitsch landete Smolianoff auch in der Realität
vor dem Krieg im Gefängnis, weil er wegen einer schönen Frau eine Nacht zu lange in Berlin geblieben war.
Und genau wie es im Film der spätere Lagerkommandant Friedrich Herzog war, der Sorowitsch verhaftete,
war es in der Realität Krüger, der den „echten Sorowitsch“ Smolianoff ins Gefängnis brachte. 1939 wurde
er in das KZ Mauthausen überstellt, dort gelang es ihm, sich den SS-Wachen als Portraitmaler anzudienen
– und so kam er im Jahr 1944 „mit einem kleinen Bäuchlein“ (Zitat Adolf Burger) in der Fälscherwerkstatt
Sachsenhausen an.
Doch das Jahr ging auch mit Smolianoff zu Ende, ohne dass ein brauchbarer Dollar gedruckt wurde. Die
Gruppe schaffte es, das schwierige Druckverfahren über mehrere Monate zu verzögern. Smolianoff beteiligte sich nicht an den Sabotage-Aktionen anderer Gruppenmitglieder, der Meisterfälscher arbeitete hart
und zeigte, was er konnte. Doch seine Kameraden wollten die Produktion so lange wie möglich hinausschieben und verdarben absichtlich die zum Druck benötigte Gelatine.
Als die nun unter Druck stehenden Lagerkommandanten der Gruppe mit Erschießungen drohten, stoppten
die Häftlinge die Sabotagen und lieferten die ersten perfekten Dollarblüten. Ihr Ziel hatten sie jedoch erreicht, die Verzögerungstaktik war erfolgreich: Die Alliierten waren im Anmarsch, und der gefälschte Dollar
konnte nicht mehr in Massenproduktion gehen.
BUCH
Zum Widerstand in den Konzentrationslagern:
Hermann Langbein: ...nicht wie die Schafe zur Schlachtbank. Widerstand in den Nationalsozialistischen Konzentrationslagern 1938-1945. Frankfurt 1980.
Das Ende des „Unternehmen Bernhard“
Die filmische Erzählung endet im KZ Sachsenhausen. Die historischen Vorbilder wurden Anfang 1945, als
die Ostfront zusammenbrach und die Russen in einem Generalangriff die Oder überquerten und Richtung
Berlin marschierten, nach Süden transferiert. Die gesamte Fälscherwerkstatt wurde in Richtung „Alpenfestung“, zunächst nach Mauthausen und dann in das KZ Nebenlager Ebensee, gebracht, wo sie von der
US-Armee befreit wurden. Die herannahenden Alliierten bedrohten die Versuche der Nazis, das Falschgeld
in Sicherheit zu bringen. So versenkten SS-Angehörige im Mai 1945 zahlreiche Kisten mit gefälschten britischen Pfundnoten im Toplitzsee.
Die Spuren des Oberfälschers Smolianoff verloren sich nach seiner Befreiung. Gerüchteweise tauchte er
kurz nach Kriegsende in Monte Carlo auf, wo er viel Geld im Casino verspielte.
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10.04.2008 19:03:35 Uhr
BIOGRAPHIEN
Salomon Smolianoff („Salomon Sorowitsch“)
Der Wiener Schauspieler Karl Markovics spielt Salomon Sorowitsch. Bekannt wurde er durch die Fernsehserien „Kommissar Rex“ und „Stockinger“, durch den Film „Komm, süßer Tod“ und zahlreiche BühnenAuftritte.
Markovics über Sorowitsch/Smolianoff:
„Die Rolle des Salomon Sorowitsch ist sehr vielschichtig. Eben nicht nur Gauner und Schlawiner. Er hatte
auch eine idealistische Seite in sich, diese aber für einen Lebenspragmatismus verdrängt. Man kommt im
Leben leichter durch, wenn man sich keine großen Gedanken macht über Recht, Unrecht, Moral, Charakter.
Der Reiz für mich war, eine Figur zu spielen, durch die und ausschließlich durch deren Augen der Zuschauer eine Geschichte sieht. Egal, ob er die Figur mag oder nicht. Der Charakter ist ja über lange Strecken sehr
ambivalent, aber der Zuschauer muss die Geschichte mit der Figur Sorowitsch erleben. Bald geht es um
die Frage, was ist ein Mensch und die Erkenntnis, dass es in jedem von uns verschiedene Seiten gibt und
man sich irgendwann entscheiden muss.“ (Quelle: www.zdf.de)
Salomon Smolianoff wurde 1887 in Odessa geboren, wo er Malerei studierte. Aufgrund der stalinistischen
Judenverfolgungen floh er aus Russland nach Westeuropa.
INFO
Die europäischen Juden waren nicht erst seit dem Nationalsozialismus massiver Verfolgung ausgesetzt. Die
Geschichte der Judenverfolgung hat rassistische und religiöse Wurzeln in der europäischen Geschichte.
Bundeszentrale für politische Bildung, Dossier Antisemitismus: http://www.bpb.de/themen/GX51KQ,0,0,Anti
semitismus.html
Hier begann er seine Karriere als Fälscher. Bereits in der Zwischenkriegszeit stellte Smolianoff Banknoten unterschiedlichster Währungen sowie Ausweise und Reisedokumente her und wurde dafür von den
Behörden gesucht. Seine Banknoten waren damals so gut, dass kaum jemand sie entlarven konnte. Dies
führte zu Smolianoffs Ruf als bestem Fälscher seiner Zeit.
1936 wurde Smolianoff erneut wegen Geldfälschung verhaftet und zu fünf Jahren Haft verurteilt, wurde
jedoch bald nach seiner Verurteilung in das Konzentrationslager Mauthausen verschleppt, wo er bis 1942
verblieb. Danach leitete er die Dollarproduktion der Fälschwerkstatt in Sachsenhausen. Im Februar 1945
wurde er im KZ Ebensee von amerikanischen Soldaten befreit.
Nach der Befreiung lässt sich Smolianoffs Biographie nur mehr schwer verfolgen. Ende der 40er Jahre
wurde er an der Grenze von Italien zur Schweiz festgehalten, da er wieder der Fälschung internationaler
Banknoten beschuldigt wurde.
Die Situation Smolianoffs in Europa wurde schließlich unhaltbar, und er emigrierte mit seiner Familie nach
Südamerika, wo er ein stilles Leben führte und angeblich ein Spielzeuggeschäft führte.
BUCH
Südamerika war ein Emigrationsziel sowohl für jüdische Verfolgte und Überlebende des Nationalsozialismus
als auch für ehemalige Täter, die einer Bestrafung in der Nachkriegszeit entgehen wollten.
Rena Giefer u. Thomas Giefer, Die Rattenlinie. Fluchtwege der Nazis. Eine Dokumentation, 2. Auflage, Frankfurt am Main 1992. Irmtrud Wojak: Eichmanns Memoiren. Ein kritischer Essay. (Frankfurt: 2004)
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10.04.2008 19:03:39 Uhr
BIOGRAPHIEN
Adolf Burger („Burger”)
Der Berliner Schauspieler August Diehl spielt Adolf Burger. Diehl ist bekannt aus dem Film „23 – Nichts ist
so wie es scheint“ sowie aus „Was nützt die Liebe in Gedanken“ und „Lichter“.
Diehl über Burger:
„Irgendwann habe ich gemerkt, dass es eine andere Rolle als die des echten Burger ist. Der hat ja nie
sabotiert oder andere in Gefahr gebracht. Auch bin ich im Film zu Gewalt bereit, der echte Burger war das
nicht. Ich fand es interessant, eine Figur zu spielen, die eigentlich für die richtige Sache kämpft. Es stellt
sich aber heraus, dass er genau derjenige ist, der die ganze Gruppe in Gefahr bringt mit seiner guten Haltung. Und das ist auch das Thema des Films. Was ist eine gute Haltung und was heißt es zu überleben?
Wie verhalte ich mich in einer Extremsituation? Und was ist Moral? Burger scheint der gute Mensch zu sein,
der die richtige Sache vertritt – aber er ist auch ein Egoist, der sich und alle mit seiner Haltung in Gefahr
bringt. Das Verfechten eines Prinzips ist auch ein Überlebensrezept. Der Zuschauer soll sich fragen, ist es
richtig, was Burger getan hat oder nicht. Und ich mag es, dass der Film darauf keine Antwort gibt. Er zeigt
nur auf, dass es anscheinend in uns allen diese beiden Haltungen gibt, die miteinander kämpfen – Überleben versus Moral.“
(Quelle: www.zdf.de)
INFO
Zu Widerstand und Untergrund in Österreich: http://www.doew.at
VERMITTLUNG
Für Exkursionen zum Thema Widerstand bietet das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien eine Dauerausstellung zum Nationalsozialismus und zum Widerstand.
In Oberösterreich ist das Widerstandsmuseum Ebensee zu empfehlen.
(http://bob.swe.uni-linz.ac.at/Ebensee/)
VERMITTLUNG
Ein spezieller Stadtführer für Wien bietet eine Grundlage für Exkursionen:
Wolfgang Lauber: Wien. Ein Stadtführer durch den Widerstand. Wien 1987.
Adolf Burger, geboren 1917 in der heutigen Slowakei, war von Beruf Buchdrucker und Setzer. Als ab 1938
die nationalistischen, von Nazi-Deutschland abhängigen Kreise die Macht in der Slowakei übernahmen,
schloss Burger sich dem kommunistischen Untergrund an. Dort lernte er auch seine spätere Frau Gisela
kennen.
1942 wird Burger verhaftet und gemeinsam mit seiner Frau ins KZ Auschwitz verschleppt. Seine Frau wird
bereits kurz nach der Ankunft ermordet. Burger selbst wird im Februar 1944 ins KZ Sachsenhausen überstellt, wo er in der Fälscherwerkstätte untergebracht wird.
Nach der Befreiung im KZ Ebensee am 5. Mai 1945 durch amerikanische Soldaten zog Adolf Burger nach
Prag, wo er bis heute lebt.
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10.04.2008 19:03:43 Uhr
BIOGRAPHIEN
BUCH
Viele Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager hatten nach ihrer Befreiung keinen Ort
mehr, an den sie zurückkehren konnten: Ihre Familien und Freunde waren vertrieben oder ermordet worden
und die politische Situation des beginnenden Kalten Krieges verursachte zahlreiche Beschränkungen. Als so
genannte DPs (displaced persons) blieben sie vielfach noch Jahre lang in Durchgangs- oder Flüchtlingslagern
in Österreich.
Thomas Albrich: Exodus durch Österreich. Die jüdischen Flüchtlinge 1945-1948. Innsbruck 1987.
INFO
VERTREIBUNG UND EMIGRATION
Auf der Homepage des Jüdischen Museums Berlins findet sich eine Online-Ausstellung, die Auseinandersetzung mit Aspekten von Emigration, Flucht und Vertreibung anhand von reproduzierten Dokumenten möglich
macht.
http://www.juedisches-museum-berlin.de/exil/
Umfassende Informationen zu Umständen, Geschichte und Folgen der erzwungenen Emigration zwischen
1933 und 1945 bietet:
Claus-Dieter Krohn, Patrik von ZurMühlen, Gerhard Paul (Hrsg.): Handbuch der deutschsprachigen Emigration 1933-1945, Darmstadt 1998
Seit den achtziger Jahren besucht Burger deutsche Schulen um seine Geschichte zu erzählen und die
Schüler über den Nationalsozialismus aufzuklären. Bis heute ist auf Adolf Burgers rechtem Unterarm die
Nummer 64401 zu erkennen, die ihm 1942 in Auschwitz eintätowiert wurde.
VERMITTLUNG
Es gibt unterschiedliche Organisationen und Programme die sich um die Begegnung von Schüler/
inne/n und Zeitzeug/inn/en bemühen. Unter anderem: http://www.lettertothestars.at
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10.04.2008 19:03:52 Uhr
BLÜTEN, BLÜTEN, BLÜTEN
Eine kleine Geschichte des Geldfälschens
„Wer Banknoten nachmacht oder verfälscht oder nachgemachte oder verfälschte sich verschafft und in
Verkehr bringt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.“
§ 146 StGB
Das „Unternehmen Bernhard“ ist das wohl eindrücklichste Beispiel für organisierte, in diesem speziellen
Fall gar von staatlicher Seite beauftragte, Geldfälschung. Es gilt als die größte Fälschungsaktion aller
Zeiten, und ihr unfreiwilliger „Oberfälscher“ Salomon Smolianoff – das reale Vorbild des Salomon Sorowitsch aus DIE FÄLSCHER – war ein echter Meister seines Fachs.
Die Geschichte des Geldfälschens reicht dabei Jahrhunderte zurück, ist beinahe genauso alt wie die Erfindung des Geldes selbst. So ist bekannt, dass schon der Tyrann Polykrates im 6. Jahrhundert vor Christus
auf Samos von seinen Sklaven Münzen aus Blei herstellen ließ. Diese waren nur hauchdünn mit Gold überzogen, seine Feinde sollten so um eine vermeintlich reiche Kriegsbeute gebracht werden. Das Strafmaß
für Geldfälschung war in früheren Zeiten drastisch: Es reichte vom Abhacken einer Hand über das Sieden
in Öl, zu Zeiten des Heiligen Römischen Reichs wurden Geldfälscher sogar auf dem Scheiterhaufen verbrannt, im 18. Jahrhundert erhängt.
In den meisten Fällen diente das Geldfälschen in früheren Zeiten dem Zweck der individuellen Bereicherung. Als einer der berühmtesten Einzelfälscher ging z.B. der in den 1950iger Jahren festgenommene Deutsche Karl Peglow in die Geschichte ein, er wurde als wahrer Meisterfälscher von den Medien gefeiert und
sogar mit Salomon Smolianoff verglichen. Peglow fälschte und verbreitete 10- und 20-DM-Scheine so unmerklich, dass die Polizei ihm erst Jahre später auf die Schliche kam.
In anderen Fällen hingegen – wie auch in dem des „Unternehmen Bernhard“ – war das Geldfälschen politisch motiviert. So wurde in Kriegszeiten das Fälschen einer fremden Währung zur Schwächung des
gegnerischen Geldsystems eingesetzt: Die Überschwemmung der feindlichen Wirtschaft mit Blüten sollte
zu inflationsähnlichen Zuständen und in Folge dessen zu einer Abnahme der Kaufkraft führen – letztendlich mit dem Ziel, die Bevölkerung zu demoralisieren. Ganz nebenbei beschafft man sich durch Fälschung
feindlicher Währungen Devisen und füllt die Kriegskasse im Handumdrehen.
1776 z.B. fälschten die USA während des Unabhängigkeitskrieges britisches Geld, die Stabilität der Währung sollte beschädigt und dadurch militärische Aktionen der Engländer erschwert werden.
England wiederum fälschte um 1789 französische Assignaten, um die Französische Revolution zu schwächen. Napoleon gab seinerseits Fälschungen für russisches und österreichisches Geld in Auftrag, der
Geheimdienst der Deutschen Reichswehr ließ in den 1920er Jahren französische Francs und sowjetische
Banknoten drucken.
Auch in jüngerer Zeit ist das System der „monetären Kriegsführung“ nach wie vor aktuell. So tauchten seit
den 1970er-Jahren in verschiedenen Teilen der Welt so genannte „Superdollars“ auf, gefälschte amerikanische 100-Dollar-Noten, die teilweise auf echtem Papier von 1-Dollar-Noten gedruckt waren. Im Iran z.B.
sollen in den 1970ern „Superdollars“ mit englischen Druckmaschinen hergestellt und über ein weit verzweigtes Netz in den westlichen Wirtschaftskreislauf eingeschleust worden sein. 1991 wiederum brachte
der Irak durch den Kauf von Waffen einen Teil der während der Besetzung Kuwaits erbeuteten US-Dollars
in Umlauf, 40 % von ihnen sollen „Superdollars“ gewesen sein.
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10.04.2008 19:03:54 Uhr
BLÜTEN, BLÜTEN, BLÜTEN
Eine kleine Geschichte des Geldfälschens
Der amerikanische Terrorismus-Experte Neil Livingston berichtet von V-Männern und Undercover-Agenten,
die Beweise dafür vorlegten, dass „Superdollars“ über extremistische Organisationen verteilt worden
seien. Damit scheint sich auch der „moderne Krieg“ Terrorismus den Mitteln der Geldfälschung zu bedienen. Und moderne Fälscher scheinen immer seltener Einzeltäter zu sein, sondern zunehmend Mitglieder
der organisierten Kriminalität. Immer enger ist das Geldfälschen mit Delikten wie Geldwäsche, Drogenhandel, Menschenhandel und Schleusungskriminalität verbunden.
BUCH
Zum Thema „Fälschung“ gibt es eine Fülle an Literatur.
Karlheinz Walz: „Falschgeld. Spannendes und Kriminalistisches, Ernstes und Amüsantes aus der Welt der
Geldfälscher.“ Frankfurt: 1999.
Georg Kretschmann: Faszination Fälschung. Berlin: 2001.
INFO
Fälschungen werden auch immer wieder aus künstlerischer Motivation hergestellt – um zu verstören und
zum nachdenken anzuregen, zum Beispiel im Werk des amerikanischen Künstlers J.S. Boggs:
http://www.artfacts.net/index.php/pageType/artistInfo/artist/35581
http://artscenecal.com/ArticlesFile/Archive/Articles1999/Articles0999/JBoggsA.html
Was die übrigen Blüten aus der Fälscherwerkstatt im KZ Sachsenhausen betrifft, so wurden sie, gemeinsam mit diversem Kriegsgerät, von den fliehenden SS-Mannschaften 1945 im österreichischen Toplitzsee
versenkt. Aufgrund des niedrigen Sauerstoffanteils in den tiefen Regionen des Sees blieb das Papiergeld
erhalten. Seither ranken sich Gerüchte um einen Schatz im See. In den 80er Jahren wurden von Tauchern
des Bundesheeres Kisten mit Druckstöcken und Papiergeld geborgen. Den Mythos über die verborgenen
Schätze des Dritten Reiches konnte aber auch die Bergung nicht beenden.
VERMITTLUNG
Viele historische Details des Nationalsozialismus sind heute Teil populärer Mythen. Schüler fragen in ihren
Familien und ihrem Umfeld nach dem Wissensstand um den „Schatz im Toplitzsee“ – anhand der Ergebnisse
kann in Diskussionen ein Bild vom Bewusstseinsstand über Österreichs NS-Vergangenheit geführt werden.
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10.04.2008 19:04:02 Uhr
SURVIVOR GUILT
Survivor guilt (auch als KZ-Syndrom bezeichnet) ist die Bezeichnung für eine tragische Verarbeitung des
Erlebten durch Überlebende großer Katastrophen. Konkret geht es darum, dass sich Überlebende für ihr
Überleben schuldig fühlen, da sie Zeugen vom Tod vieler Leidensgenossen wurden und sich selbst immer
wieder die Frage stellen: „Warum mussten sie sterben und nicht ich?“
Survivor guilt ist ein psychisches Syndrom, das Menschen in ihrem Alltag lähmen kann und in den meisten
Fällen dazu führt, dass die Vergangenheit wenig thematisiert wird.
BUCH
Dieses Syndrom wurde literarisch verarbeitet:
Primo Levi: Die Untergegangenen und die Geretteten. München 1990.
Roman Frister: Die Mütze oder der Preis des Lebens. Berlin 1997.
In DIE FÄLSCHER stellen sich die Häftlinge die Frage, ob sie durch die Verrichtung der Zwangsarbeit nicht
das Dritte Reich stärken und den Nazi-Schergen damit mehr Zeit geben, andere Verfolgte zu vernichten.
Stephan Ruzowitzky zeigt den Holocaust Überlebenden Sorowitsch am Meeresufer – er kann sich nicht
über sein eigenes Überleben freuen, zu groß ist der Schmerz darüber, dass so viele vernichtet wurden, und
zu belastend die Frage nach der eigenen Schuld.
Es geht hier nicht um eine reale Schuld, sondern um eine psychische Reaktion, die durch das nationalsozialistische Verfolgungssystem befördert wurde: Die Verfolgten wurden in den Konzentrationslagern
immer wieder gegeneinander ausgespielt – aus sadistischen Gründen wohl ebenso wie aus Machtkalkül.
Die Nationalsozialisten versuchten keine Gruppensolidarität unter den Häftlingen aufkommen zu lassen,
um sie leichter zu kontrollieren.
Wenn KZ-Insassen sich jeden Tag um einige Stücke Brot raufen mussten, so hatten jene, die überlebten,
am Schluss das Gefühl, für den Tod der anderen Verantwortung zu tragen.
Survivor guilt betrifft nicht nur die Opfer der Konzentrationslager. Wie in den letzten Jahren festgestellt,
internalisierten auch die Soldaten des Zweiten Weltkrieges (und anderer Kriege mit hohen Todesziffern)
Schuldgefühle, die sich auf der Tatsache des eigenen Überlebens begründen.
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10.04.2008 19:04:09 Uhr
HISTORISCHE HINTERGRÜNDE
Wirtschaft, Verbrechen und das Erbe des Nationalsozialismus
Ökonomische Zusammenhänge waren und sind Gegenstand kontroverser Debatten in der Beurteilung
des Nationalsozialismus. Versinnbildlicht in plakativen Schlagwörtern von Autobahnbau, Beseitigung der
Arbeitslosigkeit usw. geben die zugrunde liegenden Fragen bis heute Material für Vorstellung positiver
Aspekte des Dritten Reichs und seines Erbes ab.
Der Nationalsozialismus war in der Weltwirtschaftskrise mit dem Versprechen angetreten, über die Umformung der Gesellschaft zu einer Volksgemeinschaft sich der als negativ empfundenen Seiten des modernen
Kapitalismus zu entledigen, ohne dabei die grundsätzlichen ökonomischen Verhältnisse zu verändern. Die
Orientierung auf eine rassisch bestimmte Gemeinschaft sollte soziale Konflikte zum Verschwinden bringen.
Grundlegender Zug nationalsozialistischer Wirtschaftspolitik wurde damit, dass vermeintliche Fortschritte
auf Kosten von Ausgeschlossenen und Benachteiligten erzielt wurden. Hier ist die „Arisierung“ jüdischen
Eigentums ebenso zu nennen wie die Zwangsarbeit.
INFO
Zu Zwangsarbeit und Entschädigung: http://www.versoehnungsfonds.at
BUCH:
Zu Arisierung: Tina Walzer, Stephan Templ: Unser Wien. „Arisierung“ auf österreichisch. Berlin 2001.
VERMITTLUNG
Schüler befragen ihr Umfeld nach ihrem Bild (auch den scheinbar positiven Seiten) des Nationalsozialismus.
Die Ergebnisse werden im Unterricht einer kritischen Hinterfragung unterzogen. Infos zur Beantwortung der
dabei auftauchenden Themen und scheinbaren Errungenschaften:
Wolfgang Benz: Legenden Lügen Vorurteile. Ein Wörterbuch zur Zeitgeschichte. München 1999.
Ab 1939, also ab Kriegsbeginn, setzte zudem die wirtschaftliche Ausbeutung der in ganz Europa besetzten
Gebiete ein. Die Kriegsplanung sah vor, dass der materielle Bedarf des Deutschen Reiches, das von Importen unabhängig sein sollte, über die Ausplünderung eroberter Gebiete gesichert werden wollte. Der Hungertod von Millionen „Minderwertiger“ wurde dabei mit eingeplant. Trotzdem blieb das Deutsche Reich
fortwährend auf Importe und somit Devisen angewiesen.
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10.04.2008 19:04:12 Uhr
HISTORISCHE HINTERGRÜNDE
Wirtschaft, Verbrechen und das Erbe des Nationalsozialismus
Das System der NS-Zwangsarbeit stand in einem Spannungsfeld zwischen politischen und wirtschaftlichen
Motiven der Nationalsozialisten. Zwangsarbeit fungierte als wirtschaftliches Mittel der Bereicherung,
als Herrschaftsinstrument, sowie als Methode der Vernichtung. Betroffene waren die jüdische Bevölkerung, Angehörige besetzter Nationen (hier vor allem aus Osteuropa) sowie jene die als „Arbeitsunwillige“ stigmatisiert und in so genannten „Arbeitserziehungsanstalten“ verschleppt wurden. Aufgrund des
kriegsbedingten Arbeitskräftemangels begann die SS, KZ-Häftlinge an private und öffentliche Firmen zu
„vermieten“. Im Zuge dessen wurden eigene Konzentrationslager (Nebenlager) in der Nähe von Produktionsstätten gegründet. So wurden etwa zahlreiche Außenlager des KZ Mauthausen aufgebaut, die dem
Arbeitseinsatz meist in rüstungsorientierten Unternehmen dienten.
VERMITTLUNG
Nebenlager der Konzentrationslager Mauthausen und Dachau finden sich im Gesamten Gebiet des heutigen
Österreich. Exkursionen, Besichtigungen und Schulprojekte über den Wissensstand zu diesen Orten und ihrer
Geschichte können den Schülern die regionale Nähe der Geschichte verdeutlichen.
Die Lebensbedingungen für Zwangsarbeiter/innen waren generell schlecht, eine hohe Todesrate unter
den Arbeitern wurde bewusst in Kauf genommen. An manchen Orten, wie zum Beispiel im Fall des Mauthausener Steinbruches, wurde die Zwangsarbeit auch direkt als Tötungsinstrument eingesetzt.
INFO
Zur Geschichte der Vernichtung durch Arbeit im Steinbruch Mauthausen siehe: http://www.mauthausen-memorial.at
Kontinuitäten:
Die zentrale Schwierigkeit der österreichischen Gesellschaft mit dem Nationalsozialismus bestand lange
darin, dass diese Geschichte mit 1945 nicht einfach vorbei war.
Die Gründer der zweiten österreichischen Republik wollten sich darauf konzentrieren, möglichst schnell
einen Staat aufzubauen, der nach demokratischen Spielregeln funktionieren und nicht zwischen den politischen Blöcken des Kalten Krieges aufgerieben werden sollte. Um dieses Ziel zu erreichen, beschloss
man, die unmittelbare Vergangenheit als abgeschlossen zu betrachten und zu verschweigen.
BUCH
Aus jüdischer Perspektive wird diese Kontinuität von Ruth Beckermann dargestellt. Ruth Beckermann: Unzugehörig. Wien: 1989.
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10.04.2008 19:04:16 Uhr
HISTORISCHE HINTERGRÜNDE
Wirtschaft, Verbrechen und das Erbe des Nationalsozialismus
Die Täter des Nationalsozialismus wurden nur selten für ihre Taten zur Verantwortung gezogen, die Opfer
wurden nicht mehr in die österreichische Gesellschaft integriert. Jene, denen die Flucht aus Österreich
gelungen war, wurden nicht eingeladen zurückzukommen, und die Güter die ihnen geraubt worden waren,
wurden nicht oder nur in sehr kleinem Ausmaß wieder zurückgegeben.
BUCH
Zur schleppenden Restitution und „Wiedergutmachung“ in Österreich:
Robert Knight: Ich bin dafür die Sache in die Länge zu ziehen. Wien 2000.
Brigitte Bailer-Galanda: Wiedergutmachung – kein Thema. Österreich und die Opfer des Nationalsozialismus.
Wien 1993.
Die USA, die bis 1955 als Besatzungsmacht in Österreich verblieben, forderten die Regierung immer wieder dazu auf, die ehemaligen Nationalsozialisten zur Verantwortung zu ziehen. Die Regierung reagierte
darauf mit halbherzigen oder zeitlich stark befristeten Gesetzen – das politische Kalkül war, dass die Nationalsozialisten von gestern bald auch die Wähler von morgen sein würden.
Diese Ausgangssituation führte dazu, dass die Vergangenheit nicht aufgearbeitet, sondern weitgehend
verschwiegen wurde. Das hatte zur Folge, dass die NS-Täter nie dazu angehalten wurden, über ihre Taten
nachzudenken und diese zu bereuen: Es entstand eine Situation verschwiegener Schuld, die schwer auf
dem Land lastete. Erst durch die Auseinandersetzung rund um die Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten begann ein Aufarbeitungsprozess auf breiterer Ebene.
Weitere Meilensteine im Rahmen dieser Beschäftigung waren die Wehrmachtsausstellung, die Einsetzung
einer Historikerkommission des österreichischen Parlaments zur Erforschung der NS-Geschichte, sowie
die Einrichtung des Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus, der von allen Parteien des Parlaments mitgetragen wurde.
INFO
Wehrmachtsausstellung: http://www.verbrechen-der-wehrmacht.de
Österreichische Historikerkommission: http://www.historikerkommission.gv.at
Nationalfonds: http://www.nationalfonds.gv.at
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10.04.2008 19:04:23 Uhr
AND THE OCSCAR GOES TO:
Die Fälscher – Ergänzende Materialien zu den Schulunterlagen
VORWORT ZU DEN ERGÄNZENDEN MATERIALEN
In den letzten Tagen und Wochen war viel über den Oscar® für DIE FÄLSCHER zu lesen und zu hören.
Es gab zahlreiche Berichte, Analysen und Interviews in den unterschiedlichsten Medien. Um sich nicht
zu wiederholen, hat der Filmladen Filmverleih zwecks Ergänzung der Schulunterlagen nun sieben
Jugendliche gebeten, ihre ganz persönlichen Fragen an sieben direkt oder indirekt am Film beteiligte
Personen zu stellen.
Stellvertretend für viele andere österreichische Jugendliche haben sich Clemens (13), Elvan (16),
Felix (15), Florian (16), Julian (14), Luci (14) und Matthias (16) je fünf Fragen pro Interviewpartner/in
überlegt, die ihnen besonders interessant erschienen sind.
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10.04.2008 19:04:27 Uhr
DIE FÄLSCHER – Der Weg zum Oscar
10. Februar 2007
Weltpremiere von DIE FÄLSCHER bei der Berlinale 2007
8. März 2007
Alters- und Positivkennzeichnung des Films ab 12 Jahren
Von der Jugendmedienkommission erhielt der Film die Alterskennzeichnung frei ab 12 Jahren sowie die
Positivkennzeichnung sehr empfehlenswert als Film über die Geldfälscherwerkstätte im KZ Sachsenhausen ab 12 Jahren (siehe Anhang 1). Auch vom Wiener Filmbeirat erhält der Film die Alterskennzeichnung frei
ab 12 Jahren. Der Film wurde auch von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) in Deutschland ab 12 Jahren freigegeben (30. Oktober 2006).
19. März 2007
Österreich-Premiere des Films im Cinema Paradiso in St. Pölten
19. März 2007
Prädikat besonders wertvoll von der Gemeinsamen Filmbewertungskommission der Länder (GFBK)
20. März 2007
Erlass des BMUKK: Empfehlung zum Besuch einer Kinovorführung von DIE FÄLSCHER im Rahmen
des Schulunterrichts. Im Rahmen der Umsetzung der Unterrichtsprinzipien Medienerziehung sowie Politische Bildung empfiehlt das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur den Besuch dieses Films
(siehe Anhang 2).
22. März 2007
Start des Films in den österreichischen und deutschen Kinos
27. August 2007
Nominierung als österreichischer Kandidat für den Auslands-Oscar®
“Im Rahmen einer vom Fachverband der Audiovisions- und Filmindustrie einberufenen Sitzung wird
Stefan Ruzowitzkys DIE FÄLSCHER von einer aus Vertretern der Berufsverbände bestehenden Jury einstimmig für die Entsendung als österreichischer Kandidat für Nominierungen der Auslands-Oscars® ausgewählt. Begründet wurde die Entscheidung mit der hohen formalen und inhaltlichen Qualität des Films. Es
gelingt Ruzowitzky, die historischen und menschlichen Aspekte der Geschichte zu verbinden und den Stoff
in allen Departments effektvoll und stimmig fürs Kino aufzubereiten.”
Quelle: www.fafo.at
31. August 2007
Premiere in den USA beim Telluride Film Festival, Colorado
8. September 2007
Premiere in Kanada beim Toronto International Film Festival, Ontario
15. Jänner 2008
Neun Filme in der Vorauswahl zum Auslands-Oscar® der Academy of Motion Picture Arts and Sciences
Aus 63 verschiedenen Ländern waren Filme für den Auslands-Oscar® eingereicht worden.
Die neun Filme, die in die Vorauswahl kamen, waren:
Brasilien: THE YEAR MY PARENTS WENT ON VACATION (Cao Hamburger)
Israel: BEAUFORT (Joseph Cedar)
Italien: THE UNKNOWN WOMAN (Giuseppe Tornatore)
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10.04.2008 19:04:28 Uhr
DIE FÄLSCHER – Der Weg zum Oscar
Kanada: DAYS OF DARKNESS (Denys Arcand)
Kasachstan: MONGOL (Sergei Bodrov)
Österreich: THE COUNTERFEITERS (Stefan Ruzowitzky) - Anmerkung: Englischer Titel des Films
Polen: KATYN (Andrzej Wajda)
Russland: 12 (Nikita Mikhalkov)
Serbien: THE TRAP (Srdan Golubovic)
Ein Komitee von mehreren hundert in Los Angeles beheimateten Akademie-Mitgliedern traf aus den 63
eingereichten Filmen die Vorauswahl dieser neun Filme. 10 Akademie-Mitglieder der Vorauswahl-Phase bestimmten gemeinsam mit speziell eingeladenen 10er-Gruppen aus New York und Los Angeles von 18. bis
20. Jänner aus den neun Filmen der Vorauswahl die fünf Filme für die Endauswahl. Im Gegensatz zu den
Oscars® für Regie, Kamera usw., bei denen jeweils nur Branchen-Vertreter/innen wählen dürfen, stimmen
beim Auslands-Oscar® - wie im übrigen auch beim Oscar® für den besten Animationsfilm - Vertreter/innen
der verschiedensten Branchen (Regie, Kamera usw.) über die Nominierungen ab.
Quelle: www.oscars.org
22. Jänner 2008
Bekanntgabe der Oscar®-Nominierungen
Im Samuel Goldwyn Theater der Akademie gaben der Präsident der Academy of Motion Picture Arts
and Sciences, Sid Ganis, und Oscar®-Preisträgerin Kathy Bates die Oscar®-Nominierungen bekannt.
Diese fünf nicht-englischsprachigen Filme wurden in der Kategorie “Best Foreign Language Film” (“AuslandsOscar®”) für den Oscar® nominiert:
Israel: BEAUFORT (Produktion: Metro Communications / Movie Plus)
Kasachstan: MONGOL (Produktion: Eurasia Film)
Österreich: THE COUNTERFEITERS (Produktion: Aichholzer Filmproduktion / Magnolia Filmproduktion)
Polen: KATYN (Produktion: Akson Studio)
Russland: 12 (Produktion: Three T Production)
Alle 5.829 Akademie-Mitglieder sind bei der Wahl der Oscars® stimmberechtigt. Beim Auslands-Oscar® sowie in vier weiteren Kategorien (Animations-Kurzfilm, Live Action Kurzfilm, Dokumentarfilm, Kurzdokumentarfilm) dürfen die Akademie-Mitglieder allerdings nur dann wählen, wenn sie nachweisen können, dass sie
alle in diesen jeweiligen Kategorien nominierten Filme auch tatsächlich gesehen haben.
Quelle: www.oscars.org
22. Februar 2008
Start des Films in den USA
24. Februar 2008
Auslands-Oscar® für DIE FÄLSCHER
Am 24. Februar war es dann im Kodak Theatre soweit: “And the Oscar® goes to THE COUNTERFEITERS!”
Schauspielerin Penélope Cruz überreichte Stefan Ruzowitzky den Auslands-Oscar®. Die Oscar®-Verleihung
wurde weltweit in mehr als 200 Länder live übertragen.
Stefan Ruzowitzky bedankte sich für den Oscar® mit folgender Rede:
“Thank you very much. There have been some great Austrian filmmakers working here, thinking of Billy Wilder, Fred Zinnemann, Otto Preminger, most of them had to leave my country because of the Nazis, so it sort
of makes sense that the first Austrian movie to win an Oscar® is about the Nazis’ crimes. Making this movie,
I had a most brilliant cast, a wonderful crew, the best of all families to support me at home, so actually, it was
easy for me. Thank you very much.”
Quelle: www.oscars.org
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10.04.2008 19:04:30 Uhr
DIE FÄLSCHER – Der Weg zum Oscar
“22 Jahre nach der bisher letzten Nominierung eines österreichischen Films (“38 - Auch das war Wien”
von Wolfgang Glück), ist es nunmehr erstmals einem österreichischen Film gelungen, den Oscar® für den
besten nicht-englischsprachigen Film zu erlangen.
Die auf den Erinnerungen eines Holocaust-Überlebenden basierende deutsch-österreichische Koproduktion DIE FÄLSCHER unter der Regie von Stefan Ruzowitzky und der Produktionsfirma Aichholzer Filmproduktion hat sich am 24.2.2008 in Los Angeles gegen Konkurrenz aus Polen, Kasachstan, Israel und Russland
durchgesetzt. Wir freuen uns über den verdienten Erfolg und hoffen, dass diese nunmehr auch öffentlichkeitswirksame Anerkennung der Filmarbeit dieses Landes nicht nur ein Ansporn für die im Filmbereich
Kreativen dieses Landes sein wird, sondern auch ein Signal an die Öffentlichkeit und an die Politik, die
Filmproduktion gleichwertig mit anderen anerkannten Formen von Kunst und Kultur wahrzunehmen, zu
unterstützen und zu fördern.
Wir haben es ja immer schon gewusst: Österreich ist ein Filmland!”
Quelle: www.fafo.at
Stand: März 2008
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10.04.2008 19:04:35 Uhr
FÜNF FRAGEN AN STEFAN RUZOWITZKY
Stefan Ruzowitzky
geboren am 25. Dezember 1961 in Wien,
Filmregisseur und Drehbuchautor.
Zu seinen Filmen zählen u. a. “Die Siebtelbauern” (1998)
und “Anatomie” (2000).
Er lebt mit seiner Frau Birgit und seinen beiden Töchtern
Emma (10) und Anna (8) in Klosterneuburg bei Wien.
Sie haben mit DIE FÄLSCHER gerade den Auslands-Oscar® gewonnen. Was war Ihr schönstes Erlebnis
bei der Oscar®-Verleihung?
Der Moment, als der Sieger bekannt gegeben wurde - da wusste ich, dass ist jetzt einer der wichtigsten
Augenblicke meines Lebens.
Was haben Ihre Töchter zum Oscar® gesagt?
Emma war eine der ersten, die mir ein SMS geschickt hat: “Echt cool!”
Was wäre Ihrer Meinung nach das stärkste Argument dafür, uns Ihren Film gemeinsam mit unserer Klasse in der Schule anzusehen - der Oscar®?
Dass es eine interessante Geschichte ist, ein spannender Film (wenn es nicht so wäre, hätten wir auch
keinen Oscar® gewonnen).
Als nächstes wird Ihr Kinderfilm “Hexe Lilli” ins Kino kommen. Was hat Sie daran gereizt, einen Kinderfilm zu machen und wo sehen Sie bei Ihrer Tätigkeit als Regisseur die größten Unterschiede zu DIE
FÄLSCHER?
Gereizt hat mich, dass “Hexe Lilli” so ganz anders ist als DIE FÄLSCHER - da gibt es eine
Zeichentrickfigur, die Hauptdarsteller/innen sind Kinder, alles ist bunt und lustig: das bedeutet für jeden
Bereich meiner Arbeit völlig andere Voraussetzungen.
Wir drehen mit unserer Jugendgruppe gerade einen Film. Hätten Sie für uns “Jung-RegisseurInnen”
einen besonders guten Rat?
Nie vergessen: Es geht “nur” darum eine Geschichte zu erzählen, die Eure Zuseher/innen verstehen, die
sie interessiert, die sie berührt (es geht nicht darum, zu zeigen, wie toll man irgendwelche Einstellungen
aus Hollywoodfilmen nachmachen kann).
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10.04.2008 19:04:40 Uhr
FÜNF FRAGEN AN KARL MARKOVICS
Karl Markovics
geboren am 29. August 1963 in Wien, Theaterund Filmschauspieler.
Zu seinen Filmen zählen u. a. “Drei Herren” (1998) und
“Komm, süßer Tod” (2000).
Er lebt mit seiner Frau Stephanie und den Kindern
Louis (17) und Leonie (15) bei Wien.
Sie spielen sowohl am Theater als auch im Film. Was macht Ihnen mehr Spaß und warum?
Wenn ich auf der Bühne stehe, spiele ich am liebsten Theater. Wenn ich vor der Kamera stehe, drehe
ich am liebsten Filme. Spaß macht mir beides nicht. Mir macht “atmen” auch keinen Spaß, aber es
bleibt mir nichts anderes übrig.
Was macht Ihrer Meinung nach einen guten Schauspieler (eine gute Schauspielerin) aus und wie wichtig sind die Darsteller/innen für einen Film?
Ein guter Schauspieler ist wie ein guter Geldfälscher. Hat man alles richtig gemacht, merkt es keiner.
Was hat Ihnen beim Dreh von DIE FÄLSCHER am meisten Vergnügen gemacht?
Tut mir Leid, dass ich schon wieder auf einem Wort herumreite, aber das mit dem “Vergnügen” ist wie
mit dem “Spaß” - beides sind Begriffe, die ich eher auf einen schönen Ausflug oder auf eine Rodelpartie
anwenden würde. “Schauspielen” hat immer etwas mit dem ganzen Menschenleben zu tun, und das ist
ja auch meistens kein Vergnügen, selten Spaß, fast immer Routine, manchmal Leidenschaft, Zorn,
Ausgelassenheit, Verzweiflung, Hoffnung, Neid, etc.
Wenn du mich nach dem wichtigsten Moment beim Drehen von DIE FÄLSCHER fragtest, auch darauf
wüsste ich keine Antwort. Als ich das Drehbuch mit der Post bekam und zu lesen begann, wusste ich
schon nach der dritten Seite: “Das ist eine Geschichte und eine Rolle, die bekommst du in deinem
Leben nicht mehr so oft.” Dieses Gefühl hat mich nicht mehr verlassen. Insofern ist es schwer für mich,
einen Moment oder ein Ereignis herauszustreichen. Aber ein Ereignis möchte ich doch herausheben. Es
war der Tag, an dem die beiden letzten überlebenden Exhäftlinge Adolph Burger (im Film der Häftling,
der die Sabotage inszeniert) und Isaak Plappler (im Film der junge Opernsänger) nach
Potsdam/Babelsberg (Filmstadt bei Berlin) kamen, um bei den Dreharbeiten zuzusehen. Als ich die beiden
älteren Herren in den nachgebauten Filmkulissen eines Konzentrationslagers stehen sah, war mir,
klarer als mir lieb war, bewusst: “Das ist nicht nur irgendeine Geschichte.”
Bekommen Sie seit der Oscar®-Verleihung mehr Film-Angebote?
Ja, ich bekomme mehr Angebote. Das heißt aber noch nicht viel. Die letzten fünf Monate habe ich keinen
einzigen Tag gedreht oder Theater gespielt, weil alles was ich angeboten bekam (mehr oder weniger)
ein Schmarren war. Die wirklich guten Geschichten mit den richtig interessanten Rollen sind selten
und steigen nicht proportional mit der Gesamtmenge der Angebote.
Könnten Sie von Ihren bzw. kann man in Österreich als Filmschauspieler/in von seinen Gagen leben?
Mittlerweile könnte ich ausschließlich von meiner Filmarbeit leben. Oft sind es die hohen Filmgagen, die
es mir ermöglichen, ein, zwei oder fünf Monate nichts zu tun und auf die nächste richtige Rolle zu warten.
Trotzdem, allein zum Geld verdienen ist mir dieser Beruf zu schade. Entweder die Rolle stimmt oder
gar nichts. Da kann mich eine Monstergage auch nicht herumkriegen.
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10.04.2008 19:04:45 Uhr
FÜNF FRAGEN AN JOSEF AICHHOLZER
Josef Aichholzer
geboren 1950 in Villach, Filmproduzent, Regisseur
und Drehbuchautor.
Zu seinen Filmen zählen u. a. “Taxi für eine Leiche” (2002)
und “Feuerherz” (2008).
Wie viel hat es gekostet, diesen Film zu machen, und wie haben Sie das Geld dafür
zusammen bekommen?
Gut 4 Millionen Euro, die zur Hälfte aus österreichischen und zur Hälfte aus deutschen Beiträgen
gedeckt wurden, wobei pro Land jeweils fünf Institutionen als Mitfinanzierer gewonnen werden konnten.
Das restliche Geld wurde durch Beiträge aus der EU und Eigenmittel der Produzenten beigestellt.
Wie vermarkten Sie einen Film wie DIE FÄLSCHER? Was tun Sie, um viele Menschen dazu zu bewegen,
sich diesen Film im Kino anzusehen?
Indem er zunächst auf einer Bühne, die weltweit Beachtung findet, gesehen wird. Dieser Film wurde
zum Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin nominiert, die dem Film eine optimale Bühne
bieten. Begleitet wurde dies dadurch, dass der Film einen am Weltmarkt gut verankerten Weltvertrieb
hat, dessen Aufgabe es ist, den Film an einzelne Länder zu verkaufen. Tatsächlich war der Film sechs
Wochen nach den Festspielen in Berlin in über 60 Länder auf der ganzen Welt verkauft. Es ist Ihnen offensichtlich ein Anliegen, dass sich möglichst viele ÖsterreicherInnen den Film im Kino ansehen.
Warum wäre Ihnen das so wichtig?
Weil dies der geeignetste Ort ist, die Geschichte des Films mit allen seinen Emotionen mitzuerleben - all
die Arbeit, die in die Filmherstellung hineinfließt, hat ja den ersten Zweck, der darin liegt, dass der Film
gerade im Kinoerlebnis voll zur Entfaltung kommt. Das bedeutet zweierlei. Einmal das Filmerlebnis.
Während man am kleinen Bildschirm Gesichter kaum mehr sieht, den Ton oft nur mehr verschwommen
hört, ist im Kino das Filmerlebnis in der geplanten Form möglich: man sieht das ganze Gesicht der
Darsteller, sieht ihnen in die Augen und spürt, was in ihnen vorgeht. Dazu kommt, dass man im Kino
neben Freunden sitzt und schon beim Verlassen des Kinos beginnt, sich über den Film zu unterhalten.
Dazu ist Film gemacht, dazu ist Kino gut.
Wie ist der Film bisher in Österreich, aber auch international angenommen worden? In wie viele Länder
ist der Film bisher verkauft worden? Würden Sie Ihn auch als großen Kassenerfolg bezeichnen?
Der Film ist, wie gesagt, in über 60 Länder weltweit verkauft. In den USA ist er zeitgleich mit der
Oscar®-Auszeichnung angelaufen und läuft dort zurzeit sehr erfolgreich. Auch in England ist er sehr
erfolgreich gelaufen. In Österreich hatte er zunächst ein zufrieden stellendes Ergebnis, ist seit der
Oscar®-Nominierung wieder in den Kinos und erlebt eben einen fulminanten Besucherzuspruch. All dies
kann als äußerst gutes Ergebnis bezeichnet werden.
Für Sie dürfte der Oscar® der größte Erfolg Ihrer Produzentenkarriere sein. Was hat sich dadurch für Sie
und Ihre Firma verändert?
Dass wir den Weg, den wir immer gegangen sind, ebenso weitergehen.
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10.04.2008 19:04:49 Uhr
FÜNF FRAGEN AN WOLFGANG LORENZ
Wolfgang Lorenz
geboren am 20. März 1944 in Graz.
ORF-Mensch seit 1969 in verschiedensten
leitenden Funktionen. Derzeit Programmdirektor Fernsehen.
Lebt in Wien.
Im Vorwort zu den Schulunterlagen zu DIE FÄLSCHER schreibt der Programmdirektor des ORF, Wolfgang Lorenz, dass der ORF den Anspruch hat, ein Programm mit Haltung zu bieten. Er meint weiters,
dass dieser Film einen Ausschnitt der österreichischen Geschichte darstellt und um zentrale Fragen
des Lebens wie z. B. Zivilcourage kreist. In welcher Hinsicht erweitert dieser Film Ihrer Meinung nach
ganz besonders unseren Blick auf die Welt und was wäre andererseits für Sie als Vertreter der größten
österreichischen Rundfunkanstalt wieder das „typisch Österreichische“ an diesem Film?
Die Frage, wie man sich als Einzelner/Einzelne gegenüber Repressionen politischer Systeme oder gegenüber Menschenrechtsverletzungen verhält, wenn man selbst in (Lebens-)Gefahr ist, wird uns vermutlich immer beschäftigen. Niemand von uns wird wissen, wie mutig er/sie in solch einer Situation selbst wäre. Das
Österreichische wird – abgesehen vom historischen Bezug – schon alleine durch den grandiosen Hauptdarsteller Karl Markovics verkörpert.
Der ORF hat DIE FÄLSCHER finanziell unterstützt. Welche Personen im ORF haben entschieden, gerade
diesen Film mitzufinanzieren und was waren die ausschlaggebenden Argumente für diese Entscheidung? Um welche Fördersumme handelte es sich?
Die Finanzierung von Kinofilmen durch den ORF erfolgt auf Basis einer Vereinbarung mit dem Österreichischen Filminstitut, die Entscheidung über Projekte wird durch eine Gemeinsame Kommission getroffen,
der ORF wird darin durch drei Leute vertreten, unter anderem durch mich.
Im Zeitpunkt der Entscheidung lagen (wie auch in allen anderen Fällen) das Drehbuch und ein Regiekonzept
vor. Da wir mit Stefan Ruzowitzky schon längere Zeit zusammengearbeitet hatten und wir ihm zutrauten,
dieses Thema in zeitgemäßer Form einem breiten Publikum nahezubringen, waren wir schnell überzeugt,
diesen Film auf jeden Fall unterstützen zu müssen.
Der Anteil des ORF betrug € 641.700,– und war damit der höchste Beitrag innerhalb der Finanzierung aus
Österreich.
Wann wird der Film im ORF zu sehen sein und was werden Sie unternehmen, damit sich möglichst viele
Menschen die Erstausstrahlung dieses Films ansehen?
Die Ausstrahlung des Films wird 2009 mit Sicherheit im Hauptabendprogramm stattfinden. Wir haben
hier vor einem Einsatz im Fernsehen die Kinoschutzfrist von 24 Monaten abzuwarten. Eine entsprechende
Bewerbung in unseren Medien von Fernseh-Trailern bis zum Internet soll möglichst viele Zuseher/innen
davon überzeugen, dass sie sich diesen Film nicht entgehen lassen dürfen, auch nicht, wenn sie ihn vielleicht schon einmal im Kino gesehen haben.
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10.04.2008 19:04:54 Uhr
FÜNF FRAGEN AN WOLFGANG LORENZ
In der Schule haben wir bereits etwas über die NS-Zeit und den 2. Weltkrieg gehört. Viele Zuseher/innen
werden sich aber vielleicht gar nicht mehr an ihren Geschichtsunterricht erinnern können und auch sonst
evtl. zu wenig über die historischen Zusammenhänge wissen. Plant der ORF rund um die Ausstrahlung von
DIE FÄLSCHER, auch Dokumentationen, Interviews und Hintergrundberichte (z. B. über die Shoah, über
den Toplitzsee bis hin zur Verleihung des Auslands-Oscars) zu zeigen?
Ich freue mich, dass meine Entscheidung, im ORF erstmals die Oscar-Preisverleihung live (von 1 Uhr bis
3 Uhr Früh) zu übertragen, richtig war. Die österreichischen Kommentatoren Alexander Horwath vom
Österreichischen Filmmuseum und Eugen Freund, früher USA-Korrespondent des ORF, haben das – für
diese späte Uhrzeit zahlreiche – Publikum durch die Nacht begleitet.
Dokumentationen und sonstige Sendungen zur Zeitgeschichte sind regelmäßig und zu besonderen Anlässen im ORF zu sehen. Verstärkt gerade heuer in Bezug auf 1938. Rund um die Oscar-Verleihung gab
es viele Gespräche und z. B. auch eine von Elisabeth Scharang geleitete Diskussion im „CLUB 2“ mit
dem Hauptdarsteller Karl Markovics. Was für die Ausstrahlung im Jahr 2009 genau passieren wird, haben wir jetzt noch nicht geplant. Da wird uns aber sicher einiges einfallen.
Arbeiten Sie eventuell mit anderen Rundfunkanstalten zusammen, denen Sie die Ausstrahlung dieses
Films ebenfalls empfehlen werden?
Der Film hat durch diesen Preis – zu Recht – eine große Aufmerksamkeit bekommen, die über die üblicherweise zu kleinen europäischen Marketingbudgets niemals zu erzielen gewesen wäre. Ich gehe daher
davon aus, dass andere Sender sich schon längst beim Produzenten, bei dem auch die weiteren Verkaufsrechte liegen, gemeldet haben. Fix sind jedenfalls ZDF und ARTE.
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10.04.2008 19:04:56 Uhr
FÜNF FRAGEN AN ELISABETH SEREDA
Elisabeth Sereda
geboren in Wien, war Radio-Journalistin,
bevor sie als Korrespondentin nach Hollywood ging.
Als Mitglied der Hollywood Foreign Press ist sie als
einzige Österreicherin beim Golden Globe
stimmberechtigt.
Sie lebt in Wien und Venice, Kalifornien.
Wie wird der Auslands-Oscar® gewählt? Welche und wie viele Personen insgesamt
nehmen an dieser Wahl teil?
Der Auslands-Oscar® wird von einem Gremium innerhalb der Filmakademie
gewählt, das aus ca. 400 Mitgliedern besteht. Sie sind verpflichtet, sich alle
ausländischen Filme, die dafür eingereicht wurden, anzusehen. Auch wenn
ihnen ein Film gar nicht gefällt, müssen sie mindestens 45 Minuten im Kino
bleiben. Die Wahl ist eine Geheimwahl.
Wenn Sie den Auslands-Oscar® wählen hätten können, hätten Sie dann auch für
DIE FÄLSCHER gestimmt?
Natürlich! Ich habe beim Golden Globe für DIE FÄLSCHER gestimmt, aber leider haben wir andere
Statuten als die Oscars®: jeder Film in nicht-englischer Sprache ist wahlberechtigt, auch solche, die mit
amerikanischem Geld finanziert sind. Daher wurde die Auswahl heuer schwieriger, weil auch Ang Lee
mit “Gefahr und Begierde”, Marc Forsters “Der Drachenläufer” und Julian Schnabels “Schmetterling
und Taucherglocke” dabei waren.
Haben Sie damit gerechnet, dass ein österreichischer Film den Auslands-Oscar® gewinnt? Wie war die
Stimmung vor der Verleihung der Oscars®? Konnte man schon mit dem Gewinn des Oscars® rechnen?
Als DIE FÄLSCHER in die engere Auswahl von den zehn besten und danach zu den fünf nominierten
Filmen kam, hatte ich ein sehr gutes Gefühl. In der Oscar®-Nacht war ich mir dann ganz sicher. Das
Thema des Films hatte in Hollywood schon immer Erfolg und liegt den Amerikanern. Außerdem ist es
ein hervorragend gemachter Film.
Was waren die ersten Reaktionen Ihrer Kollegen/innen aus Hollywood auf
den österreichischen Oscar®?
Sie haben sich alle sehr gefreut. Als Ausländer/in in Hollywood weiß man besonders gut, wie schwer es
ist, dort erfolgreich zu sein, und so haben sie sehr gut verstanden, wie großartig das vor allem für ein so
kleines Land wie Österreich ist.
Was weiß man in Hollywood über Österreich und haben die Menschen dort eine gute Meinung
vom österreichischen Film?
In Hollywood verbindet man Österreich erstens mit Arnold Schwarzenegger (natürlich! Er ist ja
Gouverneur) und zweitens mit Wolfgang Puck, dem berühmten Koch und Restaurant-Besitzer, der dort
lebt. Und einige erinnern sich auch manchmal, dass die großen Regisseure Billy Wilder, Otto Preminger
und Fred Zinnemann aus Österreich kamen. Der österreichische Film ist weitgehend unbekannt. Was
weniger an der Ignoranz der Amerikaner liegt, als daran, dass unsere Regierung nichts beiträgt zu seiner
Unterstützung. Was wiederum meiner Meinung nach ein Skandal ist. Und sich hoffentlich nach
Stefan Ruzowitzkys Erfolg endlich ändern wird!
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10.04.2008 19:05:01 Uhr
FÜNF FRAGEN AN MICHAEL STEJSKAL
Michael Stejskal
geboren 1959, Geschäftsführer des Filmladen Filmverleihs
sowie der Programmkinos VOTIV KINO
und DE FRANCE in Wien.
Er lebt mit seiner Frau Susanne und den Kindern
Nora (13) und Sophie (10) in Wien.
Wie kam es dazu, dass Sie DIE FÄLSCHER in Ihr Verleih-Programm genommen haben?
Josef Aichholzer, der Produzent des Films, ist ein Mitbegründer unseres Verleihs und ein langjähriger
persönlicher Freund. Ich war also schon zu einem sehr frühen Stadium über das Projekt informiert und
in die Endphasen der Fertigstellung auch eingebunden (Rohschnittsichtungen, Testscreening,
Trailerproduktion etc.). Abgesehen davon versuchen wir Kontinuitäten zu pflegen und Regisseure langfristig auf ihrem Weg zu begleiten. Wir hatten konsequenterweise daher all jene Filme von Stefan Ruzowitzky
im Verleih, die in Österreich koproduziert wurden, beginnend mit seinem ersten Kinospielfilm “Tempo”
über “Die Siebtelbauern” bis zu seiner englischsprachigen Produktion “All the Queen’s Men”.
Was aber (natürlich) am meisten zählt: DIE FÄLSCHER war von Beginn an ein interessantes und viel
versprechendes Projekt, bei dem es mir ein Anliegen war, dabei zu sein.
Im Frühjahr 2007, als der Film in Österreich gestartet wurde, haben ihn etwa 35.000 Menschen gesehen. Das ist “für einen anspruchsvollen österreichischen Film sehr gut, auch wenn wir uns damals
mehr Zuschauer gewünscht hätten”, haben Sie auf oe24.at (26.2.2008) gesagt. Nachdem der Film für
den Auslands-Oscar® nominiert worden ist, haben Sie ihn heuer erneut im Kino gestartet. Auf welche
Besucherzahlen hoffen Sie nun?
Mit knapp 35.000 Zuschauern waren DIE FÄLSCHER der am zweitbesten besuchte österreichische Film
des Kalenderjahres 2007. Der Einsatzschwerpunkt lag damals auf den anspruchsvollen Kinos. Dort hat
der Film auch seine wesentlichen Zuschauerzahlen gemacht. Die Multiplexe, die den Film damals auch
gespielt haben, sind im Vergleich zu den anspruchsvollen Häusern deutlich zurückgeblieben.
Der Oscar® ist das wirkungsvollste Werbemittel, das es gibt, um einem anspruchsvollen Film mehr
Breite zu verschaffen. Wir hatten in den letzten Jahren einige anspruchsvolle (amerikanische oder britische) Filme im Verleih, die mit dem Oscar® für die beste Regie oder für den besten Darsteller bzw. die
beste Darstellerin ausgezeichnet wurden. z. B. “Dead Man Walking”, “Leaving Las Vegas”, “Million
Dollar Baby” und “The Queen”. Diese Filme, die wir alle unmittelbar nach der Oscar®-Verleihung ins
Kino gebracht haben, erreichten allesamt zwischen 100.000 und 140.000 Zuschauer. Ohne Oscar® hätten
diese Filme vermutlich 20.000 bis 40.000 Zuschauer/innen erreicht.
Auch bei DIE FÄLSCHER bin ich nun guten Mutes, dass der Film deutlich über 100.000
Zuschauer/innen kommen wird.
Mit wie vielen Kopien läuft ein österreichischer Film im Vergleich zu großen Hollywood-Produktionen
in den österreichischen Kinos? Wie viele Kopien gibt es von DIE FÄLSCHER? Haben sie neue Kopien
machen lassen, als der Film für den Auslands-Oscar® nominiert worden ist?
Die Kopienzahl richtet sich nicht danach, ob ein Film aus Österreich oder aus Hollywood kommt, sondern
an der Zuschauererwartung des Verleihs, am Budget, mit dem der Film gestartet wird und am
Publikumssegment, in dem der Film positioniert wird. Und sie richtet sich auch danach, ob ein Film
durch spektakuläre Schauwerte, Top-Stars und eine große internationale Kampagne so positioniert wer-
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10.04.2008 19:05:06 Uhr
FÜNF FRAGEN AN MICHAEL STEJSKAL
den kann, dass er in kürzestmöglicher Zeit ein Maximum an Zuschauern erreichen kann (dann ist einemöglichst große Kopienzahl sinnvoll).
Eine völlig andere Strategie besteht darin, dem Film in einer möglichst langen Spielzeit die Chance zu
geben, sich durch gute Mundpropaganda zu entwickeln. Spektakuläre Beispiele sind Filme wie
“Bowling for Columbine”, “Wie im Himmel” oder “Wer früher stirbt ist länger tot”, die mit relativ wenigen
Kopien über eine Spielzeit von vielen Monaten hinweg zwischen 130.000 und 300.000 Zuschauer
erreicht haben. Sehr vereinfacht kann man folgende Kopienzahlen als Faustregel heranziehen:
Blockbusterfilme (Zuschauerwartung: über 300.000 Besucher) werden mit 80-110 Kopien in Österreich
gestartet. Ein reiner Mainstream-Start in den Multiplexen (Zuschauererwartung: 80.000 bis 250.000) erfolgt mit ca. 40-70 Kopien. Ein breit gestarteter Film, der sowohl in anspruchsvollen Häusern als auch in
Multiplexen gute Zahlen machen kann, aber eine selektive Form des Einsatzes braucht (z. B. “No Country
For Old Men” oder “Babel”) kommt mit 14-30 Kopien in die Kinos.
Ein Start, der sich weitgehend auf das anspruchsvolle Segment konzentriert, erfolgt mit 5-12 Kopien,
und kleine Arthausfilme werden mit 1-4 Kopien gestartet.
Es gab und gibt österreichische Filme, die in der Dimension von Blockbuster-Filmen gestartet wurden
und werden, aber natürlich ist das eine seltene Ausnahme. Ein Großteil der Blockbuster stammt aus
Hollywood und ein Großteil der europäischen Filme wird sehr viel kleiner gestartet.
Was DIE FÄLSCHER betrifft: Der Film wurde im März 2007 mit 16 Kopien gestartet. Zur Oscar®Nominierung wurden diese 16 Kopien in den Kinos wieder eingesetzt, am Wochenende nach der
Oscar®-Verleihung wurde die Kopienzahl auf 30 Kopien erhöht, und am 2. Wochenende nach dem
Oscar®-Event lief der Film in 45 Kinos. Was wieder einmal die werbliche Durchschlagskraft des Oscars®
beweist (siehe oben).
Die DVD zum Film ist ja bereits erschienen. Wenn man sie kaufen möchte, hört man im Moment aber
leider immer “ausverkauft”. Ab wann wird die DVD wieder erhältlich sein, und wie viele Stück wurden
bisher verkauft?
Die DVD war nicht länger als 3 Tage vergriffen, weil wir mit der Nachproduktion gewartet haben, ob er
den Oscar® gewinnt oder nicht. Schon am Donnerstag nach der Oscar®-Verleihung waren wir mit einem
Oscar®-gekrönten DVD-Cover wieder im Handel. Je nach Bestell-Mut der einzelnen Händler kann es in
einigen Filialen aber immer wieder zu Engpässen kommen.
Derzeit sind mehr als 10.000 Stück ausgeliefert (Stand: 11 Tage nach der Oscar®-Nacht). Insgesamt
hoffe ich auf mindestens 15.000 verkaufte Exemplare.
Was bedeutet der Oscar®-Erfolg für Sie als Verleiher und für die Zukunft Ihrer Firma?
Dem Regisseur, den Darsteller/innen, dem Produzenten und dem gesamten Filmteam gebührt der
Oscar®-Lorbeer - nicht dem Verleih. Was nichts daran ändert, dass ich mich über diesen Erfolg riesig
freue. Und ich auch stolz bin auf diesen Film. Abgesehen von den (angenehmen) finanziellen Aspekten
ist jeder Oscar®-gekrönte Film auch ein Prestige-Gewinn für den Filmladen. Umso mehr, wenn das
Jahrhundert-Ereignis eines österreichischen Oscar®-Gewinners eintritt.
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10.04.2008 19:05:08 Uhr
FÜNF FRAGEN AN ROLAND TEICHMANN
Roland Teichmann
*19. April 1970 in Salzburg, Jurist und Direktor
des Österreichischen Filminstitutes (ÖFI).
Er lebt mit seiner Frau Claudia und den Kindern
Moritz (4) und ?? (“seit 3 Monaten im Bauch meiner Frau”)
in Wien.
Im Standard-Interview (25. Februar 2008, 19:05) haben Sie es als “sensationell” bezeichnet,
dass DIE FÄLSCHER den Oscar® gewonnen hat. Sie äußerten sich auch begeistert, dass der Film in den
USA ein Publikumsmagnet ist, was ungewöhnlich ist, da es sich dort ja immerhin um einen ausländischen Film handelt (noch dazu aus einem so kleinen Land wie Österreich). Warum sind Ihrer Meinung
nach die Menschen in Österreich nicht Schlange gestanden, um diesen Film zu sehen?
Vielleicht gibt es in Österreich einen gewissen Sättigungsgrad am Thema Nationalsozialismus. Das halte
ich für bequem und gefährlich! Die Generation der Opfer aber auch der Täter stirbt langsam aus. Was
bleibt von dem Grauen, außer Büchern und Bildern, die emotionalisieren und mythologisieren? Umso
wichtiger ist es, dass die Nazi-Gräuel mit all ihren Facetten so gezeigt und in der kollektiven Erinnerung
wach gehalten werden, dass die Menschenverachtung des Systems bei möglichst vielen und vor allem
jungen Menschen ankommt, ohne spekulativ oder rein “unterhaltend” zu sein.
Und ich glaube auch, dass das Thema in Österreich bis dato eher eines für den Fernseh-(Dokumentations)Bereich war. Das war bei uns lange Zeit das bevorzugte Medium, Vergangenheitsbewältigung aus der
Sicht der Täter und deren Nachgeborenen zu versuchen:
Dokumentationen im Fernsehen. Aber rational lassen sich diese Verbrechen nicht erklären. Der emotionale Zugang über den Film wurde viel öfter von den Opfern und ihren Nachgeborenen gewählt. So
gesehen müssen wir also noch immer kollektiv lernen, diesen Teil unserer Geschichte auf einer menschlichen Ebene zuzulassen.
Rechnen Sie damit, dass der Erfolg von DIE FÄLSCHER dafür sorgen wird, dass die Österreicher/innen
wieder vermehrt ins Kino gehen werden und sich dort auch heimische Produktionen ansehen werden?
Ich hoffe, dass der Film eine Art Lokomotive für den österreichischen Film ist. Wir haben ein reiches und
vielfältiges Filmschaffen, das vom Publikum (vor allem vom jungen) noch viel zu wenig entdeckt wird.
Vielleicht ist es mit DIE FÄLSCHER gelungen, erstmals wirklich breites Interesse am österreichischen
Film zu wecken. Das würde mich sehr freuen.
Das ÖFI hat diesen Film gefördert. Was war an diesem Film so besonders, dass Sie ihn gerne gefördert
haben und wie viel Geld hat der Film vom ÖFI erhalten?
Wir waren von Anfang an sowohl von der Geschichte, als auch von den Machern des Films überzeugt
und haben daran geglaubt, dass es gelingen kann, über ein bislang relativ unbekanntes Kapitel des
Dritten Reichs (“Unternehmen Bernhard”) eine menschlich berührende Geschichte zu erzählen, die ein
breites Publikum finden kann. Und ich gebe zu: beim Lesen des Drehbuchs hab ich natürlich auch
schon ein bissl an den Oscar® gedacht …
Film ist ein sehr teures Medium. Um einen Film auf internationalem Niveau mit einem gewissen Look
und Schauwert herzustellen, braucht es viele Millionen Euro. Am Film selbst hat sich das Filminstitut mit
gut über einer halben Million Euro beteiligt. An der Entwicklung und Verwertung (Festival- und Kinostart)
noch mal mit insgesamt weit über 100.000 Euro.
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10.04.2008 19:05:11 Uhr
FÜNF FRAGEN AN ROLAND TEICHMANN
Warum benötigen österreichische Filme Fördermittel, damit sie überhaupt gemacht werden können?
Das ist in ganz Europa so: Ohne Filmförderung gibt es keine nationalen Filme. Die Dominanz der USFilmindustrie ist zu groß und unser Markt ist viel zu klein, um Finanzierungen aus sich selbst heraus
möglich zu machen. Film kostet viel Geld, das man in einem kleinen Markt nicht gewinnbringend
zurückverdienen kann. US-Filme verdienen ihr Geld auf einem Weltmarkt. Deshalb ist Filmförderung,
auch wenn sie in gewisser Weise kommerziell ausgerichtet ist, immer auch Kultur- und Identitätsförderung.
Das ÖFI hat außerdem darüber entschieden, welcher Film für den Auslands-Oscar® nominiert wird.
Warum haben Sie sich für DIE FÄLSCHER entschieden? Welche Filme standen sonst noch zur Auswahl
und warum wurden diese nicht ausgewählt?
Das ÖFI war nicht in die Entscheidung eingebunden. Wir haben mit der Wahl der Nominierung zum
Auslands-Oscar® nichts zu tun. Das Auswahlverfahren läuft über den Fachverband der Audiovisionsund
Filmindustrie, der gesetzlichen Interessenvertretung der Filmindustrie in der Wirtschaftskammer
Österreich. Produzenten können Filme, die gewisse Kriterien erfüllen (wichtig dabei sind vor allem
Drehsprache und Kinostart) binnen einer bestimmten Frist beim Fachverband einreichen; entschieden
wird dann von einer mehrköpfigen Jury, bestehend aus Branchenvertretern sämtlicher künstlerisch/technischer Bereiche wie z.B. Drehbuchautoren, Cutter, Ausstatter und natürlich auch Regisseure und Produzenten. Die Branche wählt also selbst den Film aus, der aus Österreich für den Auslands-Oscar® nominiert
wird.
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10.04.2008 19:05:13 Uhr
FÜNF FRAGEN AN PETER ZAWREL
Peter Zawrel
geboren 1956 in Wien, Philologe und Kunsthistoriker,
Geschäftsführer des Filmfonds Wien
(FFW).
Er lebt mit seiner Lebensgefährtin Anna Maria und
den Kindern Clara Livia (15) und Stella Marie (13)
in Wien.
Bei der Übertragung der Oscar®-Verleihung aus dem Wiener Gartenbaukino haben sie den
Oscar® für DIE FÄLSCHER als “großen Triumph, den größten, den man sich vorstellen kann” bezeichnet
und waren nicht wirklich überrascht, dass der Film tatsächlich gewonnen hat. Warum eigentlich nicht?
Erstens weil ich wusste, dass der Film in den vorangegangenen Votings der Academy ganz klar an der
Spitze lag, zweitens weil Sony Pictures in die Promotion des Filmes in den USA viel mehr Geld investiert
hatte als in andere Filme und drittens: Wenn man ganz fest an das Christkind glaubt, ist es ja auch
keine wirkliche Überraschung, wenn es kommt.
Was hat Sie dazu bewogen, diesen Film mit Mitteln aus dem FFW zu fördern und um welche Summe
handelte es sich dabei?
Der Film wurde vom Filmfonds Wien mit 500.000 Euro gefördert. Die Entscheidungen über die
Förderungen treffe aber nicht ich, sondern eine unabhängige Jury aus internationalen Experten/innen.
Eines der Jurymitglieder ist übrigens der erfolgreichste Hollywoodproduzent aller Zeiten, der Wiener Eric
Pleskow - er hat in seinem Haus in Connecticut 13 Oscars® stehen. Der wichtigste Grund für die
Zusage der Jury war nicht nur ein hervorragendes Drehbuch, sondern auch der klare Wille von
Regisseur und Produzent, einen bewegenden Film für ein breites Publikum zu machen - großes Kino
eben.
Der FFW schüttet jährlich etwa 8 Millionen Euro aus. Nach welchen Kriterien suchen Sie die Projekte
aus, die Sie fördern?
Es gibt kulturelle (“weiche”) Kriterien und ökonomische (“harte”) Kriterien. Bei der Herstellung jedes
geförderten Filmes muss in Wien mindestens soviel Geld in der Filmbranche ausgegeben werden, wie
der Film an Förderung erhält; je mehr desto besser. Man nennt das auch “Territorialeffekt”. Und der Film
muss auch im kulturellen Interesse der Stadt Wien sein. Am besten ist es, wenn auch in Wien gedreht
wird, aber das ist nicht immer der Fall. DIE FÄLSCHER wurde nicht in Wien gedreht, aber nicht nur der
Regisseur und der Hauptdarsteller, sondern viele Filmschaffende aus Wien haben einen Beitrag zu diesem
Film geleistet. Dass man in der ganzen Welt sieht, was Kulturschaffende in Wien zu leisten imstande
sind, ist auch im kulturellen Interesse der Stadt Wien.
Sie haben in einem Interview mit den Salzburger Nachrichten (27. Februar 2008, 10:36) angemerkt,
dass der Film in Österreich im Bewusstsein der Menschen zu wenig präsent ist und es wichtig wäre,
das Thema Film in den Pflichtschullehrplänen fix zu verankern. Würden Sie es gut finden, wenn jede
österreichische Schülerin/jeder österreichische Schüler DIE FÄLSCHER sehen würde und welche anderen österreichischen Filme sollten sich Schüler/innen wie wir Ihrer Meinung nach ebenfalls unbedingt
ansehen?
Natürlich würde ich das gut finden, aber sehen alleine ist zu wenig. Man muss auch lernen, Filme zu
sehen, so wie man lernen muss, ein Gedicht zu lesen, sonst versteht man es nicht wirklich. Die
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10.04.2008 19:05:16 Uhr
FÜNF FRAGEN AN PETER ZAWREL
Sprachen der Musik, der Literatur, der Bildenden Kunst und der Architektur und so weiter werden in den
Schulen unterrichtet, die des Filmes aber nicht, es sei denn es gibt einzelne engagierte Lehrer/innen,
die aus Begeisterung auch das tun, was nicht im Lehrplan steht aber sinnvoll ist und Spaß macht. Wahrscheinlich würde es vielen Schüler/innen sogar mehr Spaß machen zu lernen, was der Unterschied
zwischen Nouvelle Vague und Neoverismo ist, als sich mit der Unterscheidung von Barock und Rokoko
zu beschäftigen. In so gut wie allen europäischen Ländern geschieht das auch, vor allem in Frankreich,
aber nicht in Österreich. Welche österreichischen Filme ich empfehlen würde? Das hängt natürlich auch
von der Altergruppe ab. Von den Filmen, die es derzeit im Kino gibt, würde ich für die “14+” Gruppe den
“Falco”-Film empfehlen, wenn man ihn auch einer kritischen Reflexion unterzieht - wie kann man überhaupt ein Künstlerleben im Film erzählen, welche Beispiele gibt es? Der Film war zeitgleich mit “Control”
über das kurze Leben von Ian Curtis (1956-1980) von der britischen Post Punk Band “Joy Division” im Kino
- ganz große Empfehlung, sich die DVD zu besorgen! Der Dokumentarfilm “Hafners Paradies” über einen
alten Nazi, der ungestraft in Spanien lebt, ist überhaupt nicht langweilig, sondern richtig spannend. Und
von den Filmen, die demnächst ins Kino kommen, unbedingt “Contact High” von Michael Glawogger, ein
sehr bunter Film über narrische Schwammerln und durchgeknallte Typen. Und die Klassiker von Willi Forst
bis Wolfgang Murnberger und den “Sisi”-Filmen bis Michael Haneke sollte man sowieso kennen.
Sie fordern auch, dass die Medien in Österreich mehr über das Thema Film und die österreichischen
Filmemacher/innen berichten. Wo sehen Sie hier Nachholbedarf und worüber sollte Ihrer Meinung nach
denn berichtet werden?
Mit Berichten meine ich, dass es nicht genügt, wenn Kritiker “Sternderl” verteilen, weil Geschmäcker
halt auch verschieden sind, sondern dass so wie in anderen Ländern mehr über Hintergründe berichtet
wird, über Dreharbeiten, Menschen, die in der Filmproduktion tätig sind, Pläne von Regisseuren und
was in Europa sonst noch passiert, nicht nur immer über Hollywood. Es gibt zum Beispiel so viele interessante Berufe in der Filmbranche, aber fast alle, die sich an der Filmakademie bewerben, wollen Regisseur/
in werden. Wer weiß schon, was eine Filmgeschäftsführer/in oder ein Location Scout tun? Die Sprache der
Filmbranche ist übrigens Englisch - Preisfrage: Was macht eigentlich ein “script girl” und was macht der
“best boy”?
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10.04.2008 19:05:18 Uhr
ANHANG 1
Die Jugendmedienkommission des Bundesministeriums
für Unterricht, Kunst und Kultur
Inhalt
Neben der militärischen und der psychologischen Kriegsführung gab es im Zweiten Weltkrieg auch eine
wirtschaftliche. So ließ die Führung Nazideutschlands die Banknoten der wichtigsten Kriegsgegner herstellen. Mit den Blüten wollte man die feindlichen Wirtschaften überschwemmen und vor allem in
Großbritannien eine hohe Inflation schaffen. Produktionsort war das nördlich von Berlin gelegene KZ
Sachsenhausen. Unter dem Decknamen “Unternehmen Bernhard” wurde in zwei strikt vom restlichen
Lager und der Außenwelt abgeschotteten Blocks eine perfekt ausgestattete Fälscherwerkstatt eingerichtet. Aus anderen Lagern brachte man jüdische Häftlinge nach Sachsenhausen, die den Plan umsetzen
sollten: hoch spezialisierte Drucker, ehemalige Bankbeamte und professionelle Geldfälscher. Die
Mitarbeit sicherte ihnen zumindest kurzfristig das Leben, Sabotage bedeutete den sicheren Tod.
Alterskennzeichnung
Ein Film, der den Anspruch hat, der Wirklichkeit eines deutschen Konzentrationslagers nahezukommen,
kommt ohne Gewalt nicht aus. Gewalt, Brutalität und Mord waren Herrschaftselemente im Dritten
Reich, besonders im KZ-System. Die ständige Bedrohung der Häftlinge, das Leben verlieren zu können,
ist für das Publikum belastend. Gleichzeitig muss auf den Kontext hingewiesen werden, in dem die
Szenen handeln. Gerade junge Menschen sollen im Sinne einer demokratischen Erziehung und politischen
Bildung mit der unschönen geschichtlichen Wahrheit konfrontiert werden können. Das Gezeigte
muss allerdings verkraftbar sein. Die Kommission diskutierte intensiv zwischen einer Freigabe ab 14
und einer ab 12 Jahren und empfiehlt letztlich die Freigabe ab 12 Jahren.
Positivkennzeichnung
Der Film ist sehr gut und beeindruckend gemacht. Regie, schauspielerische Leistungen und wirklichkeitsnahe Bilder sind hervorzuheben. Neben dem wertvollen Inhalt des Filmes ist auch die dargestellte
Solidarität der Häftlinge unter schwierigsten Bedingungen zu erwähnen. Sehr empfehlenswert ab 12
Jahren als Film über die Geldfälscherwerkstätte im KZ Sachsenhausen.
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10.04.2008 19:05:19 Uhr
ANHANG 2
Erlass des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur
über DIE FÄLSCHER
Sachgebiet
Empfehlung zum Besuch einer Kinovorführung von DIE FÄLSCHER im Rahmen des Schulunterrichts
Geltung 2007
Am 23.März 2007 startet in Österreichs Kinos der Film DIE FÄLSCHER
(Österreich/Deutschland 2007, 98 Minuten, Farbe).
Die Handlung des Spielfilms
Neben der militärischen und der psychologischen Kriegsführung gab es im Zweiten Weltkrieg auch eine
wirtschaftliche. So ließ die Führung Nazideutschlands die Banknoten der wichtigsten Kriegsgegner herstellen. Mit den “Blüten” wollte man die feindlichen Wirtschaften überschwemmen und vor allem in
Großbritannien eine hohe Inflation schaffen. Produktionsort war das nördlich von Berlin gelegene KZ
Sachsenhausen. Unter dem Decknamen “Unternehmen Bernhard” wurde in zwei strikt vom restlichen
Lager und der Außenwelt abgeschotteten Blocks eine perfekt ausgestattete Fälscherwerkstatt eingerichtet. Aus anderen Lagern brachte man weitere - auch jüdische - Häftlinge nach Sachsenhausen, die
den Plan umsetzen sollten: hoch spezialisierte Drucker, ehemalige Bankbeamte und professionelle
Geldfälscher. Die Mitarbeit sicherte ihnen zumindest kurzfristig das Leben, Sabotage bedeutete gleich
den sicheren Tod.
Zum Film selbst informiert die Homepage www.diefaelscher.at und unter www.kinomachtschule.at ist
umfangreiches Zusatzmaterial (Fakten zum Film, Der Film, Darstellung des Undarstellbaren?,
Inszenierung von Geschichte, Das “Unternehmen Bernhard” im Film und in der Realität, Biografien,
„Blüten“ - eine kleine Geschichte des Geldfälschens, Survivor Guilt, Historische Hintergründe:
Wirtschaft, Verbrechen und das Erbe des National-sozialismus) abrufbar.
Die Jugendmedienkommission des BMUKK hat den Film als sehr gut und beeindruckend qualifiziert,
wobei Regie, schauspielerische Leistungen und wirklichkeitsnahe Bilder hervorzuheben sind. Besonders
zu erwähnen sei die differenzierte Auseinandersetzung um die Solidarität der Häftlinge unter schwierigsten Bedingungen. Der Film wird als sehr empfehlenswert für Jugendliche ab 12 Jahren eingestuft. Siehe
dazu http://www.bmukk.gv.at/schulen/service/jmk/jmk-db.xml.
Im Rahmen der Umsetzung der Unterrichtsprinzipien Medienerziehung sowie Politische Bildung empfiehlt
das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur den Besuch dieses Filmes.
Wien, 20. März 2007
Für die Bundesministerin:
Mag. Susanne Krucsay
Elektronisch gefertigt
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10.04.2008 19:05:21 Uhr
IMPRESSUM
Herausgeber, Medieninhaber:
Filmladen Filmverleih
Mariahilfer Straße 58/7, 1070 Wien
Tel: 01/523 43 62-0
office@filmladen.at
www.filmladen.at
Text:
Niko Wahl, Sebastian Markt
Grafik und Layout: ORF DESIGN
Internet:
www.kinomachtschule.at
www.diefaelscher.at
www.filmladen.at
www.aifilm.at
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10.04.2008 19:05:23 Uhr
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