Bankgeheimnis wird aufgeweicht

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Bankgeheimnis wird aufgeweicht
AZ 4501 Solothurn | Nr. 260 | 106. Jahrgang SAMSTAG, 22. SEPTEMBER 2012 | FR. 2.70 [email protected] 058 200 47 74 | [email protected] 058 200 55 02 | [email protected] 058 200 48 00
Sport Ancillo Canepa
vor dem Zürcher Derby
Wasseramt Gilbert Ambühl Kultur Erster Auftritt
in der Deutschschweiz
tritt zurück
Der FCZ-Präsident spricht über Gegner
GC und das neue Stadion. Seite 15
Der Zuchwiler Gemeindepräsident wird sich
nächstes Jahr nicht zur Wahl stellen. Seite 32
Nic Maeder begeisterte als GotthardSänger in Schupfart. Seite 39
Kommentar
von Theodor Eckert
Mehr als einfach
eine Messe
■ Guten Tag, Frau Bundesrätin Leuthard. Schön, auch Sie
hier in Solothurn zu sehen.
Und, haben Sie beim Beck bereits einen der legendären
Berliner ergattert? «Es isch so
wit, s isch ändlech wieder
HESO-Zyt».
Die HESO, ein wohltuender
Fixpunkt in vertrauter Umgebung. Ein beruhigender Kontrapunkt zur hypernervösen,
globalisierten Welt, die sich
täglich neu erfindet und alle
erbarmungslos vom Karren
schüttelt, die nur mal kurz
durchatmen müssen. Gestern
hat die Herbstmesse Solothurn
zum 35. Mal ihre Türen und
Zeltverschlüsse geöffnet – sie
lädt einmal mehr ein zum Verweilen, eben zum Luftholen.
Nicht in einem anonym-virtuellen Raum. HESO bedeutet Körperkontakt, Geräusche, Gerüche, Gespräche und unzählige
optische Eindrücke. Wer im
Kanton etwas zu sagen hat,
oder etwas sagen will, muss
sich in diesen Tagen ganz einfach auf der Rythalle-Meile sehen lassen.
HANSPETER BÄRTSCHI
Der energiegeladene Auftakt zur Herbstmesse begeisterte auch Energieministerin Leuthard
Ein hoher und passender Gast eröffnete gestern Freitag die Solothurner Herbstmesse:
Bundesrätin Doris Leuthard erwies insbesondere auch der HESO-Sonderschau «Solothurn
erneuert sich» die Ehre. Passend deshalb, weil
Christoph Mörgeli
muss gehen
Seinen Arbeitsplatz im Medizinhistorischen
Museum der Universität Zürich
muss Christoph
Mörgeli räumen.
Die Universität
hat gestern die Christoph
Kündigung und Mörgeli
KEY
sofortige Freistellung des SVP-Nationalrats angekündigt. Mörgeli kann den Entscheid innert 30 Tagen anfechten. Nach «medial ausgetragenen Konflikten und
schweren Vorwürfen» von Mörgeli
sei das Vertrauensverhältnis unwiederbringlich zerstört, sagte Andreas
Fischer, Rektor der Uni Zürich, vor
Seiten 3, 4
den Medien. (SDA)
Gesagt
«Er wollte die Welt
verbessern. Das ist
ihm ein bisschen
gelungen.»
ROBERTO ZANETTI, Ständerat, zum Tod
von Ex-Bundesrat Otto Stich.
Seite 27
die Energieministerin in der Ausstellung der
Unternehmerinitiative Neue Energie Solothurn
auf ihr Metier stiess. Begleitet von Medienvertretern und Behördenmitgliedern (hier mit
Ständerat Pirmin Bischof und Nationalrat Kurt
Fluri), liess sie sich begeistern von den Bemühungen des Kantons Solothurn, sich zu erneuern. Im Fokus der Sonderschau stehen Effizienz sowie Energiequellen, die auf Nachhaltigkeit aufbauen. (AK) Kommentar rechts, Seite 25
Bankgeheimnis
wird aufgeweicht
Revision Geteiltes Echo auf Pläne des Bundesrats
Gegenüber dem Ausland ist das
Bankgeheimnis Vergangenheit. Nun
will der Bundesrat auch im Inland einen Schritt in diese Richtung tun.
Das Finanzdepartement soll eine Vorlage für eine umfassende Revision
des Steuerstrafrechts vorlegen. Gestern hat er die Eckpunkte festgelegt.
Demnach soll es künftig keine Unterscheidung mehr zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug geben.
Konkret bedeutet dies: Die Kantone
sollen neu Zugang zu Bankdaten bei
mutmasslicher Steuerhinterziehung
erhalten. Das kommt einer Aufweichung des Bankgeheimnisses gleich.
Während der SP dieser Schritt zu
wenig weit geht, bestehen FDP und
CVP darauf, dass die Unterscheidung
zwischen Steuerhinterziehung und
-betrug beibehalten wird. Ständerat
Pirmin Bischof (SO/CVP) kritisiert zudem den Zeitpunkt der Ankündigung:
Damit spiele der Bundesrat den Gegnern des Steuerabkommens mit
Deutschland in die Hände. (DK) Seite 5
REGION
Asyl: Gerlafingen
verhandelt nicht
Das geplante Asylzentrum in Gerlafingen bewegt die Gemüter. Nun trat der
zuständige
Regierungsrat
Peter
Gomm zu einer Aussprache mit dem
Gemeinderat an. Beäugt von zahlreichen Zaungästen, stellte er Zugeständnisse in Aussicht, falls die Unterkunft
im «Gerlafingerhof» realisiert würde.
So könnte der Kanton der finanziell
angeschlagenen Gemeinde etwa beim
längst fälligen Schulhausbau unter
die Arme greifen. Dafür müsse sich
Gerlafingen aber bewegen und von
seiner ablehnenden Haltung abrücken. Sei dies nicht der Fall, werde
man gar nicht erst über Modalitäten
diskutieren. Der Gemeinderat hält indes an seinem Standpunkt fest. Von
einem Asylzentrum will er nichts
Seite 33
wissen. (CRS)
HEUTE IN DER ZEITUNG
Alles muss raus – jetzt ist die
«Krone» völlig leergeräumt
Am Grenchner Himmel
gibts etwas zu sehen
Seit kurzem ist das Hotel Krone in Solothurn völlig leergeräumt. Einzig die Geranien hängen noch an der Fassade.
Das kostbare Interieur, darunter Schränke, Kronleuchter und Gemälde, wird
nach China verfrachtet. Dort will ein Geschäftsmann einen Nachbau des Traditionshauses einrichten. (CRS) Seite 29
Die Modellfluggruppe Grenchen lädt
morgen Sonntag auf dem Regionalflughafen zum Flugtag ein. Neben modernen
Flugzeugen werden auch historische
Maschinen zu sehen sein – etwa eine
Curtiss Condor der Swissair aus dem
Jahr 1934. Die Veranstalter versprechen
Seite 31
«Abwechslung pur». (CRS)
Die HESO, kein klassisches
Kulturgut, dennoch verkörpert
sie mittlerweile ein unverzichtbares Stück Kultur. Eine alles
umfassende Kultur, der es gelingt, nebst Sonderschauen
selbst Kühlschränke, Matratzen
und Weinflaschen einzubeziehen. Diesem Mix kann sich
kaum jemand entziehen – nicht
einmal die Jungen, die für sich
in aller Regel ein autonomes
Freizeit- und Ausgehverhalten
reklamieren.
Börse
Stellen
Regionalsport
Kino
Todesanzeigen
TV/Radio
Agenda
Wetter
In memoriam
Leserbriefe
Tagesfrage
Seite 12
Seiten 20–23
Seite 21
Seite 38
Seite 42
Seiten 44/45
Seite 46
Seite 47
Seite 47
Seite 48
Seite 48
Doch vergessen wir bei all den
Rundum-Aktivitäten nicht: Das
eigentliche Rückgrat der Ausstellung sind die vielen innovativen Klein- und Mittelbetriebe unserer Region. Deren Leistungsschau widerspiegelt einen beachtlichen Teil des erfreulich rund laufenden Solothurner Wirtschaftsmotors.
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Samstag, 22. September 2012 | az | www.solothurnerzeitung.ch
SOLOTHURN
STADT, KANTON UND REGION
Nachgefragt
«Die Energiestadt
Solothurn macht
ihre Arbeit gut»
Frau Bundesrätin Leuthard, wer
als Ehrengast oft Messen eröffnet, hat den Quervergleich: Wo
sticht die HESO heraus?
Doris Leuthard: Eine Sonderschau wie in Solothurn gibt es
nicht an jeder Messe. Und wenn,
dann ist sie oft gewerblich orientiert. Hier gibt
es verschiedene
Aspekte: einerseits den gewerblichen, andererseits den
informativen.
Das ist das Spezielle. Ein weiterer positiver Doris Leuthard
Punkt in Solothurn ist, dass sich die HESO mitten in der Stadt befindet. Das ist
clever gelöst, denn so gehen viele
Besucher zu Fuss hin, was auch einen nachhaltigen Charakter hat.
Der Erfolg zeichnet sich durch den
Zuschauerrekord aus, der hier jedes Jahr verzeichnet wird.
Die Macher der Herbstmesse (v.l.): Hansjörg Boll (Organisationskomitee), Urs Unterlerchner (Geschäftsleitung), Marlies Saudan (OK), Thomas
Zindel (GL), Roger Saudan (GL), Georg Kaufmann (GL), Peter Fedeli (OK), Patrick Schärer (OK), Michèle Müller (OK) und Bruno Walter (OK).
Hoher Gast, direkt aus Bundesbern angereist: Doris Leuthard.
Am Stand der Solothurner Zeitung liessen sich die allerersten Herbstmesse-Besucher für die beliebten HESO-Grüsse ablichten.
Überall an der HESO gibts was zu
entdecken. FOTOS: HANSPETER BÄRTSCHI
Die Schere schnappte gleich zweimal zu
HESO-Eröffnung Zum Auftakt wurden zwei Bänder durchschnitten – das zweite von Doris Leuthard
VON ANDREAS KAUFMANN
Da zweimal feiern schöner ist als einmal, wurde die gestrige HESO-Eröffnung auch in doppelter Ausführung
zelebriert. Fürs breite Publikum
durchtrennte Geschäftsleitungs-Präsident Roger Saudan das Band zur
35. Herbstmesse «solothurnusgemäss»
um 14 Uhr und öffnete unter Klängen
der Jugendmusik Solothurn Tür und
Tor zum Angebot von rund 250 Ausstellern. Tatsächlich aber hatte der
magistrale Gast, Doris Leuthard, vorgängig noch eine Bundesratssitzung,
sodass sie zu einem späteren Zeitpunkt vor geladenen Gästen die HESO
ein zweites Mal eröffnete – weitaus
ausführlicher. Die aus Windsor angereiste «Band of The Blues and Royals»
umrahmte den Anlass und überbrückte die Wartezeit: Die Ministerin des
Verkehrs wurde von ebenselbigem
aufgehalten, sodass sich die virtuosen
Engländer ein «da capo» gönnten.
Einführend machte Saudan den
Widerspruch der diesjährigen HESO
zum Thema: «Trotz des ‹Es isch immer
eso gsy› erneuert sich Solothurn.» –
«Solothurn erneuert sich», so lautet
nämlich das Thema der Sonderschau.
Da erstaunt es wenig, dass mit Energieministerin Leuthard auch die passende Fachperson in Energiepolitikfragen eingeladen worden war.
Industriekanton besetzt Nischen
«Ich freue mich, dass der Kanton
Solothurn seine Erneuerung feiert»,
lobte Leuthard die Sonderschau, die
zukunftsträchtige Energieformen in
den Fokus nimmt. Die Bundesrätin
würdigte die Entwicklung des Industriekantons, insbesondere die Tatsache, dass man punkto Innovation Nischen wie Logistik, Medizinaltechnik
oder Präzisionsindustrie besetzen
konnte. Weiter verwies sie aber auch
auf die besonderen Herausforderungen des Kantons, die im Energiebedarf lägen: Im solothurnischen Mix
sind nämlich Strom und Erdgas überdurchschnittlich vertreten.
Topaktuell ist das Thema erneuerbarer Energie schon nur deshalb,
weil der Bundesrat in nächster Zeit
die Energiestrategie 2050 vorstellen
wird. Dabei wies Leuthard auch auf
die unsichere Entwicklung der Technologien hin: «Wir können heute
auch keine Strategie zementieren,
wenn sich in den nächsten 30 bis 40
Jahren noch viele Veränderungen ergeben können.» Dafür zeigte sie auf,
«Ich freue mich, dass der
Kanton Solothurn seine
Erneuerung feiert.»
Doris Leuthard, Bundesrätin
welche Möglichkeiten in Sachen
nachhaltiger Energieversorgung im
Kanton Solothurn aktuell brachlägen: Das ökologische Potenzial sei
nur zu einem Viertel ausgeschöpft.
Sensibilisierung der Bürger
Im Zusammenhang mit den «alten
Energiequellen» Kohle, Gas oder
Kernkraft legte die Magistratin den
Finger auf Probleme wie Abhängigkeit vom Ausland, die steigenden
Rohstoffkosten und die Klimaproblematik. Nicht vergessen gehen dürfe
die Stromverteilung, die immerhin
bis zu 50 Prozent von Endkundenpreis ausmache. «An der HESO», beschloss Doris Leuthard ihre Gastrede,
«bestehen gute Möglichkeiten, den
Bürger darüber zu informieren, welche Unternehmen im Kanton im Bereich erneuerbarer Energien tätig
sind und welches die politischen
Energieziele sein werden.»
Vor dem obligaten Messerundgang
mit den Stadthostessen ergriff auch
Stadtpräsident und HESO-Ehrenpräsident Kurt Fluri das Wort. Er nutzte
die Gelegenheit, unter dem Thema
der Erneuerung auch die Gemeindefusion Solothurns mit Nachbarorten
anzusprechen und äusserte kritische
Worte zu den «Bedenkenträgern und
Erbslizählern» gegen eine Fusion.
Bilder und Videos zur HESO-Eröffnung
unter www.solothurnerzeitung.ch
Nächste Woche bringt der Bundesrat die Energiestrategie 2050
auf die politische Agenda. Hat
die Sonderschau die Energieministerin inspiriert?
Ich sehe immer gerne, was in der
Basis im Gewerbe läuft. Und ich
bin daher auch immer optimistisch, was die Zukunft anbelangt.
Ein Beispiel ist die Software, die
hier gezeigt wird. Sie bildet Häuser ab, die man besser isolieren
könnte. Das zeigt: Die Wirtschaft
ist oft sehr schnell darin, sich an
neue Trends anzupassen. Wir in
der Politik sind meistens ein bisschen langsamer und müssen Rahmenbedingungen schaffen.
Wie gefällt Ihnen die Energiestadt Solothurn?
Eine Stadt, die die EnergiestadtAuszeichnung bekommt, hat viele
Verpflichtungen: Sie muss vorgegebene Ziele erfüllen. Das macht
Solothurn gut, gerade mit Biogasanlagen und mit der Verwertung
von Siedlungsabfällen. Das ist ein
typisches Element, bei dem es eine
Win-win-Situation gibt: Dass wir
unseren Abfall nicht einfach wegwerfen, sondern ihn zurückführen
in den Zyklus. Dadurch wird Energie gewonnen, die wieder zum
Bürger zurückkehrt. Städte müssen vernetzt denken und können
mit Nachhaltigkeit neue Investitionen tätigen und zugunsten der
Steuerzahler ihre Kosten senken.
Das macht Solothurn sehr gut.
Ihr persönlicher Beitrag für eine nachhaltige Energiezukunft?
Zurzeit bauen wir auf unserem
Haus eine grosse Solaranlage. Wir
haben schon eine Wärmepumpe.
Wo ich mich verbessern könnte, ist
beim Transport. Denn ich bin viel
unterwegs. Ich produziere entsprechend CO2. Aber solange ich meine Arbeit habe und mich in der
ganzen Schweiz und auch im Ausland zeige, werde ich auf diesem
Gebiet noch ein schlechtes Beispiel darstellen. Das ist bei mir sicher das Verbesserungspotenzial.
Elektrovelo fahren Sie noch
nicht?
Ich habe ein normales Velo und
brauche damit nicht einmal Strom.
Ich bin somit sogar noch nachhaltiger als mit Elektrovelo.
Interview: Michael Hugentobler