Thesenpapier Naive Diversification Strategies in Defined

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Thesenpapier Naive Diversification Strategies in Defined
Thesenpapier
Naive Diversification Strategies in Defined Contribution Savings Plans
Shlomo Benartzi und Richard H. Thaler
1.
Grundlagen
1.1.
Einleitung
Entscheide, wie Vorsorgegelder investiert werden sollen, haben erheblichen Einfluss auf die finanzielle Situation
und den Lebensstandard nach der Pensionierung.
Die in dieser Studie behandelten Defined Contribution Savings Plans sind vor allem in den USA bekannte
Vorsorgesparpläne, bei denen nicht mehr der Arbeitgeber über die Anlagestrategie befindet, sondern jeder
Vorsorgenehmer die eigenen Entscheide trifft. Dies führt zu einer Verlagerung des Anlagerisikos von
Arbeitgebern hin zu Arbeitnehmern, die oftmals nicht über das nötige finanzielle Wissen verfügen.
1.2.
Fragestellung
Die Autoren Shlomo Benartzi und Richard H. Thaler gehen der Frage nach, anhand welcher Kriterien
Vorsorgenehmer ihre Anlageselektion vornehmen. Die Verfasser überprüfen ihre Unterstellung, dass die
Anlagen aufgrund ungenügendem finanziellen Know-how der Versicherten einer naiven Entscheidungsfindung
unterliegen und Vorsorgegelder deshalb nicht der tatsächlichen Risikoneigung entsprechend investiert werden.
Die Forschungsarbeit prüft im Speziellen, ob die Diversifikationsentscheide mit dem Extremfall einer naiven
Entscheidungsfindung, der 1/n-Heuristik, erklärt werden können.
1.3.
Forschungsstand
Während irrationales Anlegerverhalten schon Gegenstand zahlreicher Untersuchungen war, setzen sich Shlomo
Benartzi und Richard Thaler in der zu Grunde liegenden Forschungsarbeit spezifisch mit dem Anlegerverhalten in
Defined Contribution Savings Plans auseinander. Beide Autoren sind, dank mehreren publizierten Studien zu
ähnlichen Themen, ausgewiesene Spezialisten im Bereich von Vorsorgesparplänen und irrationalem
Investorenverhalten.
1.4.
Begriffe
1/n-Heuristik
Mental Accounting
Gleichmässige Diversifikation eines Portfolios in die
zu Verfügung stehende Produktauswahl („n“).
Tendenz, Vermögen mental in separate Gefässe zu
segregieren (nach Verwendungszweck).
naive Entscheidungsfindung
Stable Value Fund
Simple Entscheidungsfindung, welche nicht auf
fundiertes Wissen zurückgreift.
Fonds, welcher eine Kapital- und Renditegarantie
enthält. Zumeist basierend auf Obligationenportfolios,
die gegen Verluste abgesichert werden.
Implizieren
Etwas aus einer ursprünglichen Aussage ableiten bzw.
schlussfolgern. Beispiel: „wenn A gilt, dann auch B“.
2.
These der 1/n-Heuristik
2.1.
Analyse mittels verbalem Fragebogen
Die Autoren untersuchen die Diversifikations-Heuristik anhand unterschiedlicher Fragebogen, mit denen das
Verhalten der Investoren induktiv analysiert werden soll. In einem ersten Test erhalten Arbeitnehmer die Aufgabe,
ihre Vorsorgegelder zwecks Investition den Fonds A und B, die je nach Konstellation ein unterschiedliches
Risikoprofil aufweisen, zuzuteilen. In der ersten Variante ist der Fonds A ein reiner Aktienfonds, Fonds B ein reiner
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Obligationenfonds. Für die zweite Gruppe wird der Obligationenfonds (Fonds B) durch einen Strategiefonds
„Balanced“ ersetzt, und in der dritten Variante wiederum stellt für die entsprechende Gruppe der Fonds A ein
Strategiefonds „Balanced“ und Fonds B ein reiner Obligationenfonds dar. Den Teilnehmern wird die
Zusammensetzung der Fonds verbal und ohne grafische Hilfsmittel beschrieben. Dieses erste Experiment soll
untersuchen, wie viele der Teilnehmer nach dem Diversifikations-Schema 1/n vorgehen. Weiter soll geklärt
werden, ob das unterschiedliche Angebot an Fonds die Asset Allocation der einzelnen Teilnehmer beeinflusst oder
ob diese ihrem jeweiligen Risikoprofil treu bleiben – was ein rational handelnder Investor üblicherweise tun
müsste.
Die Ergebnisse aus diesem ersten Fragebogen führen zu einer klaren Bestätigung der 1/n-Heuristik:


In jeder der drei Varianten entscheidet sich eine grössere Gruppe (34%, 21%, 28%) für die genaue 50:50Allokation.
Die unterschiedliche Fondsauswahl hat wenig Einfluss auf die Popularität der 1/n Heuristik.
Aus der Tabelle 1 ist zu entnehmen, dass die Art der angebotenen Fonds einen grossen Einfluss auf die
Vermögens-Allokation der Arbeitnehmer ausübt: wird in der Variante 1 durchschnittlich 54% in den Fonds A
(Aktien) investiert, so dürften in Variante 2 nur noch 21% in Fonds A investiert werden, um die selbe Aktienquote
zu erreichen.
Mittlere Allokation in Mittlere implizierte
Fonds A
Allokation in Fonds A
Variante
N
Fonds A
Fonds B
1
53
Aktien
Obligationen
54%
54%
2
66
Aktien
"Balanced"
46%
21%
3
61
"Balanced"
Obligationen
69%
87%
Tabelle 1: Aktuelle vs. Implizierte Allokation (In Anlehnung an Benartzi S. und Thaler R., Tabelle 16.1)
2.2.
Analyse mittels graphischem Fragebogen
Der zweite Fragebogen analysiert die gleichen Verhaltensmuster wie das erste Experiment, allerdings werden den
Teilnehmern nun die Fonds-Zusammensetzungen nicht verbal beschrieben, sondern graphisch dargestellt. Dies ist
nötig, weil im ersten Teil die Teilnehmer möglicherweise nicht wussten, was eine Aktie oder eine Obligation ist,
und ihre Diversifikationsentscheide nur deshalb gemäss dem 1/n-Schema getätigt haben. Zusätzlich hat eine
weitere Gruppe von Arbeitnehmern eine vierte Variante zu beurteilen, bei der von fünf zur Auswahl stehenden
Fonds A bis E nur einer gewählt werden kann. Der Aktienanteil dieser Fonds reicht in 25%-Schritten von 0% (Fonds
A) bis 100% (Fonds E). Ein rationaler Investor müsste jenen Fonds wählen, welcher annähernd mit der VermögensAllokation von Variante 1 korrespondiert.
Die Auswertung des zweiten Fragebogens führt zu einem ähnlichen Ergebnis wie der erste Test:



Im Mittel beträgt die Zuteilung in den Fonds A jeweils 56%, 59% und 57% (Varianten 1-3).
In Variante 1 werden im Mittel 56% in Aktien investiert, in Variante 4 sind es hingegen 75%.
In Variante 4 würden 51% der Arbeitnehmer 100% in Aktien investieren.
Die Teilnehmer berücksichtigen somit auch hier ihr Risikoprofil zu wenig und lassen sich stattdessen von den zur
Auswahl stehenden Fonds beeinflussen. Die Abweichung in Variante 4 ergibt sich aus der Tatsache, dass bei nur
einem Fonds das klassische Diversifikations-Schema nicht angewendet werden kann. Die hohe Aktienquote ist
vermutlich ein Resultat der zum Zeitpunkt der Umfrage stark steigenden Aktienmärkte und dürfte bei einer
schlechten Börsenstimmung tiefer ausfallen.
2.3.
Analyse basierend auf grösserer Fondsauswahl
Mit dem dritten Fragebogen wird untersucht, ob die Resultate aus den ersten beiden Analysen auch angewendet
werden können, wenn, wie in der Realität üblich, mehrere Fonds pro Vermögensklasse zur Auswahl stehen.
Arbeitnehmer der University of California erhalten die Aufgabe, ihre Vorsorgegelder in die fünf Fonds A bis E zu
investieren, wobei in Variante 1 vier Fixed-Income-Fonds und ein Aktienfonds, in der Variante 2 ein Fixed-IncomeFonds und vier Aktienfonds gewählt werden können. Die erste Variante widerspiegelt den aktuellen Vorsorgeplan
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der Universitätsmitarbeiter. Die Frage stellt sich nun, ob diese bei einer grösseren Auswahl an Aktienfonds, im
Vergleich zu Fixed-Income-Fonds, eine andere Selektion tätigen oder ihre ursprüngliche Allokation beibehalten.


Die Personen, welche die Variante 1 beurteilen müssen, investieren im Mittel 43% in Aktien.
Bei der Gruppe die gemäss Variante 2 vier Aktienfonds und einen Fixed-Income-Fonds zur Auswahl hat,
werden 68% in Aktien investiert.
Dieses Ergebnis zeigt wiederum, dass das Fondsangebot einen grossen Einfluss auf die Asset Allocation der
Arbeitnehmer hat; dies sowohl bei zwei als auch bei mehreren Auswahlmöglichkeiten.
3.
Untersuchung des Einflusses der Fondsauswahl auf den Diversifikationsentscheid
3.1.
Einfluss von Unternehmensbeteiligungen
Im zweiten Teil wird empirisch untersucht, wie sich das Investitionsverhalten ändert, wenn den Vorsorgenehmern
eine Auswahl an Anlageinstrumenten offeriert wird und ob die Möglichkeit der Investition in die eigene
Unternehmung das Anlageverhalten beinflusst. Die Analyse basiert auf einer Datenbank der Money Market
Directories (MMDs), welche 170 Vorsorgesparpläne mit 1.56 Mio. Vorsorgenehmern und einem
Investitionsvolumen von rund USD 50 Mia. abdeckt.
Um den Einfluss von Investitionen in die eigene Unternehmung (Aktien / Optionspläne) als Teil des Vorsorgeplans
zu eruieren, werden die zu analysierenden Pläne unterteilt in jene ohne Firmenbeteiligung (103 Vorsorgepläne)
und jene mit der Möglichkeit in den eigenen Betrieb zu investieren (67 Vorsorgepläne). Ein rationaler Investor
müsste den Anteil, den er in die eigene Unternehmung investiert als integrierten Bestandteil des Gesamtportfolios
wahrnehmen und die Aktienquote in den restlichen Vermögenswerten entsprechend reduzieren.



Beide Varianten zeigen eine ausgeprägte Heimmarkt-Präferenz der Investoren, werden doch 46%
respektive 69% in Aktien des Heimmarktes investiert.
Die Auswertung der Datenbank zeigt weiter, dass Investoren ohne Investitionsmöglichkeit in die eigene
Unternehmung ihre Allokation annähernd gemäss einem ausgeglichenen Portfolio vornehmen und dabei
rund 45% in (fest-)verzinsliche Papiere, 49% in Aktien und 6% in andere Kategorien investieren.
Besteht die Option, sich an der eigenen Unternehmung zu beteiligen, ändert sich die Aufteilung
grundlegend und es wird mit nur noch 23% (fest-)verzinslichen Wertpapieren, 71% Aktien und 6% in
weiteren Kategorien signifikant aggressiver investiert.
Interessant ist diese Veränderung insofern, da ein Grossteil der Vorsorgenehmer Investitionen in den eigenen
Arbeitgeber vom Gesamtportfolio auszuklammern scheint, wodurch eine wesentlich risikoreichere
Anlagestrategie resultiert. Ebenso ist festzustellen, dass Arbeitnehmer ein grosses Vertrauen in die künftige
Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu haben scheinen, da sie mit durchschnittlich 42% einen sehr
grossen Anteil ihrer Ersparnisse darin investieren. Erstaunlich dabei ist, dass das Restvermögen (58%) erneut
ähnlich der 1/n-Heuristik investiert wird. Darunter leidet letztlich die Diversifikation des angelegten Vermögens,
was bei starken Marktkorrekturen in unangenehmen und einschneidenden Konsequenzen für das Alterskapital
enden könnte.
3.2.
Einfluss von Veränderungen in der Fondspalette im Zeitverlauf
In einer weiteren Analyse zeigen Benartzi und Thaler auf, wie sich die schrittweise Ausweitung der
Investmentmöglichkeiten eines Vorsorgesparplanes auf die Asset Allocation auswirkt. Zur Untersuchung wurde ein
transparenter Vorsorgesparplan eines mittelgrossen Unternehmens ausgewählt, das innerhalb von nur
dreieinhalb Jahren zweimal die Investitionspalette verändert hat.
Ausgehend von nur zwei Optionen, einem Balanced Fonds sowie einem Obligationenfonds, bis September 1994,
zeigt sich ein durchschnittlicher Aktienanteil von lediglich 18% in den Portfolios der Vorsorgenehmer. Mit der
Ausweitung der Palette um einen Stable Value Fonds sowie drei Aktienfonds stieg die Aktienquote zuerst
sprunghaft auf 41%, danach innerhalb von knapp 2 Jahren stetig auf 62%. Zu diesem Zeitpunkt wurde der reine
Obligationenfonds aus dem Angebot genommen. Es resultierte ein nochmaliger Anstieg des Aktienanteils auf
hohe 71%, welcher sich dann mit einer moderaten Steigerungsrate über die Jahre weiter erhöhte. Diese
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Entwicklung, in Abbildung 1 dargestellt, zeigt, dass eine Veränderung der Fondspalette einen starken Einfluss auf
das Investitionsverhalten und die Risikobereitschaft der Vorsorgenehmer hat.
Aktienquote
80%
Erweiterung
Fondsauswahl
60%
40%
Wegfall
Obligationenfonds
20%
0%
06.1993
12.1993
06.1994
12.1994
06.1995
12.1995
06.1996
12.1996
06.1997
12.1997
Abbildung 1: Entwicklung der Aktienquote (In Anlehnung an Benartzi S. und Thaler R., Tabelle 16.8)
4.
Fazit
Die Untersuchungen machen deutlich, dass sich etliche Vorsorgenehmer bei Anlageentscheiden für ihre
Altersguthaben einer Faustregel wie der 1/n-Heuristik bedienen und das Vermögen zu annähernd gleichen Teilen
auf die zu Verfügung stehenden Instrumente, weitgehend unabhängig derer Asset Allocation, verteilen. Ein Grund
für die weite Verbreitung der 1/n-Heuristik könnte sein, dass sich Anleger mangels finanziellen Fachwissens auf
die Fondsauswahl des Arbeitgebers verlassen. Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn sich der Arbeitgeber der
Verantwortung bewusst ist und bei der Fondsselektion diese Tatsache berücksichtigt.
Ansonsten kann resultieren, dass Vorsorgenehmer konservativer investieren als es ihr Risikoappetit zuliesse und
ihnen so über die Jahre eine satte Rendite entgehen kann, was wiederum zu einer tieferen Altersrente führt.
Ebenso können die Gelder zu aggressiv angelegt sein und ein möglicher Einbruch an den Aktienmärkten zu
ernsthaften Liquiditätsengpässen im Alter führen. Eine weitere Erkenntnis aus den Untersuchungen ist, dass die
Anleger eine ausgeprägte Heimmarkt-Präferenz aufweisen.
Als Sonderfall entpuppt sich die Portfolio-Zusammensetzung, wenn Beteiligungen am eigenen Unternehmen
erworben werden können. Es scheint, dass im Zuge des Mental Accounting die Unternehmensbeteiligung separat
kategorisiert und vom Gesamtvermögen isoliert betrachtet wird. Die Konsequenz ist eine starke Übergewichtung
von Aktien.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich in sämtlichen Analysen starke Hinweise finden, welche die
Vermutung stützen, viele Vorsorgenehmer wenden eine naive Entscheidungsfindung ähnlich der 1/n-Heuristik zur
Investition ihrer Altersguthaben an. Dies bestätigt die These der Autoren weitestgehend.
5.
Quellen und weiterführende Literatur
Benartzi, S. & Thaler, R. (2005). Naive Diversification Strategies in Defined Contribution Savings Plans. [In:] Thaler,
R. (Hrsg.). Advances in Behavioral Finance. Volume II. Princeton, NJ: Princeton University Press, p. 570-560.
Choi, J., Laibson, D., Madrian, B. & Metrick, A. (2002). Defined Contribution Pensions: Plan Rules, Participant
Decisions, and the Path of least Resistance. [In:] Poterba, J. (Hrsg.). Tax Policy and the Economy. Volume 16.
Cambridge, MA: MIT Press, p. 67-114.
URL: http://finance.wharton.upenn.edu/%7Erlwctr/papers/0201.pdf [26.10.2009]
Van Derhei, J. (2002). Retirement Security and Defined Contribution Pension Plans: The Role of Company Stock in
401(k) Plans. Washington, DC: Employee Benefit Research Institute.
URL: http://www.ebri.org/pdf/publications/testimony/t135.pdf [26.10.2009]
Huberman, G. & Jiang W. (2006), Offering versus Choice in 401(k) Plans: Equity Exposure and Number of Funds.
The Journal of Finance, Vol. LXI, No. 2, April 2006.
URL: http://www.columbia.edu/%7Ewj2006/One_Over_N.pdf [26.10.2009]
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