Eurozine - the netmagazine

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Katja Garmasch
Soldatinnen in der Ukraine
Aufbruch voller Widersprüche
Die Situation in der Ukraine ist kompliziert. Zwischen Krieg, Nationalismus und der
Annäherung an den Westen verändern Frauen die Gesellschaft.
Im Osten nichts Neues: Das Wetter an der Front ist heiß. Im Sommer wird der
Krieg immer schlimmer. Der Krieg, der in der Ukraine offiziell
Anti−Terroristische−Operation oder einfach ATO genannt wird und im
Frühjahr 2014 begann, als in der Donbass−Region die von Russland
unterstützten Separatistengruppen die Abspaltung von der Ukraine forderten.
Das Minsker Abkommen von 2015, das die Kämpfe zwischen der ukrainischen
Armee und den pro−russischen Rebellen beenden sollte, hat keine
Entspannung gebracht, im Gegenteil. Für ukrainische Soldat_innen hat sich die
Situation sogar zugespitzt, weil viele Kommandanten bis zuletzt nicht
zurückschießen lassen, wenn die Separatisten das Feuer eröffnen: Man müsse
das Abkommen achten, man ist von der Hilfe des Westens abhängig. Gerade
ist es sehr ruhig hier bei Popasna, in der Nähe der Stadt Slawjansk. Geschossen
wird erst gegen Mitternacht, wenn die OSZE−Beobachter_innen nach Hause
gehen.
Die Soldat_innen hören schlechten patriotischen ukrainischen Rock, reinigen
ihre Gewehre, spielen mit dem basiseigenen Hund, rauchen. Roksovana ist die
einzige Frau unter zwanzig Jungs in dieser Aufklärungsbrigade und eine von
50.000 Soldatinnen, die derzeit in der ukrainischen Armee oder in freiwilligen
Bataillons dienen.
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Photo: Katja Garmasch
Roksovana ist ihr Rufname, ihren echten will sie nicht nennen, auch nicht ihr
Gesicht zeigen. Sie stammt von der Krim, wo ihre Familie lebt und Ärger
bekommen könnte, wenn ihre Identität öffentlich wird. "Ist auch besser so",
lacht sie, "so muss ich mich nicht schminken." Die wenigen
Make−up−Utensilien stehen akkurat geordnet neben ihrem Doppelstockbett,
darüber hängt ein kleiner Schutzengel aus Holz, ein Geschenk von ihrer
Nichte. Sie selbst hat mit 45 keine Kinder. Eine Seltenheit in der Ukraine.
Warum sie Soldatin geworden ist? Weil es ihre Bürger_innenpflicht sei. Weil
sie nicht in Russland leben wolle. Nach der Annektierung der Halbinsel Krim
durch Russland hat Roksovana ihren Anwaltsjob beim Wirtschaftsgericht
gekündigt und zunächst als Volontärin eine Armeeeinheit versorgt. Seit sechs
Monaten ist sie nun an der Front, die meiste Zeit verbringt sie in einer dunklen,
schmutzigen Baracke, die sie zusammen mit den Männern teilt. Während in
den westeuropäischen Ländern die −− wenngleich zögerliche −− Aufnahme
von Soldatinnen ins Militär als "Umbruch" wahrgenommen wird, beruft man
sich in der postkommunistischen Ukraine, wie auch in vielen anderen
post−kommunistischen Staaten, auf ein traditionelles Frauenbild: die Frau als
Bewahrerin und Schützerin der Nation. Nicht umsonst stellt das größte und
berühmteste ukrainische Monument, "Mutter Heimat" in Kiew, eine Frau dar,
die Schwert und Schild gen Himmel streckt.
Hier an der Front trifft man auf die unterschiedlichsten Soldatinnen: Solche
wie Roksovana, die nicht zuhause bleiben wollen. Solche, die ihren Männern
folgen, aber alle drei Wochen nach Hause fahren, um ihre Shellac−Maniküre
zu erneuern. Solche, die Geld brauchen, weil sie alleinerziehend sind und keine
Arbeit finden. Es gibt auch solche, die einfach nur Krieg spielen wollen −−
"asozialer Abschaum", wie Roksovana sagt. Und solche, die hoffen, in der
Armee den richtigen Mann zu finden, einen, der Geld verdient, denn davon
gibt es in der Ukraine gerade nicht besonders viele.
Anders als bei den freiwilligen Bataillons kommen in der regulären Armee
nicht alle in eine Kampfposition. Eine Soldatin wird von der Abteilung
ausgesucht, je nachdem, welche Fähigkeiten sie mitbringt oder welche
Spezialisierung sie hat. Viele Kommandanten wollten lange gar keine Frauen
haben, weil ihre Wirkung auf das soziale Gefüge "schwer kalkulierbar" sei −−
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im besten Fall stärken sie die Moral der Brigade, im schlechtesten seien sie
jedoch ein "Risikofaktor". Für Roksovana durchaus nachvollziehbar: "Wenn es
ein Mann ist, ist das eine Sache, aber wenn einer Frau an der Front etwas
zustößt, fühlen sich alle berufen, sie zu retten und riskieren ihr Leben für sie."
Am Rand der Hauptstadt Kiew −− auch hier nichts Neues. Gerade gibt es im
Wohnblock der ehemaligen Soldatinnen Belka und Julia wieder kein heißes
Wasser. "Mindestens zwei Wochen noch", werden Besucher_innen ungefragt
von der Babuschka am Hauseingang informiert, die hier traditionell als
Concierge, Wachdienst und Moralapostel arbeitet. Dass es kein Warmwasser
gibt, wäre Julia aber ohnehin nicht aufgefallen: Seit dem Krieg duscht sie
immer nur dreißig Sekunden lang −− Frontangewohnheit. Körperpflege muss
im Krieg schnell gehen.
Belka macht die Zigarette aus und stopft das T−Shirt mit dem blau−gelben
ukrainischen Wappen in die viel zu große Armeehose, die ihr ständig
runterrutscht. "Viele Männer denken, dass die Frauen nur deshalb an die Front
gehen, um sexuelle Dienste zu leisten, also musste ich sie vom Gegenteil
überzeugen. Wie? Mit Gewalt natürlich! Mit dem Gewehrgriff funktioniert das
ganz gut! Aber die meisten sind richtige Gentlemen. Sie haben mich beschützt
und für mich die Toilette gegraben. Eine eigene Toilette ist das Größte!" −−
"Nein, eine Dusche!", widerspricht Julia. "Auch wenn ich ständig Angst hatte,
dass beim Duschen eine Granate einschlägt. Das wäre das Schlimmste: so
sinnlos und nackt zu sterben!" Beide brechen in Gelächter aus und zünden sich
die dritte Zigarette innerhalb von fünf Minuten an −− Frontangewohnheit.
Auch Rauchen muss im Krieg schnell gehen.
Belka ist weich, herzlich, verspielt. Die 21−jährige Julia dagegen energisch,
anarchisch, impulsiv. Auf den ersten Blick haben Belka und Julia nicht viel
gemeinsam, abgesehen von den vielen Tattoos. "Helden sterben nicht!" steht in
altslawischer Schrift auf ihren Oberarmen, "Alle sind gleich" in Hebräisch auf
Belkas Hand. Belka, eine ukrainische Jüdin aus der Ost−Metropole
Dnepropetrowsk, war vor dem Krieg Modedesignerin. Julia kommt aus der
südrussischen Kleinstadt Pjatigorsk und war vor dem Krieg eine glühende
russische Nationalistin. Noch vor ein paar Jahren ist sie bei Märschen für ein
"ethnisch sauberes Russland" mitgelaufen. Und dann? "Es war der Euromaidan
in Kiew. Ich habe in Russland Fernsehen geguckt und davon gehört, dass
ukrainische Faschisten das Blut russischer Säuglinge trinken. Das wollte ich
mir anschauen. Aber dann kam ich auf den Maidan und fand dort Freunde,
auch Belka war dabei. Als die Russen dann Slawjansk eingenommen haben,
war für mich endgültig klar: Mein Land ist im Unrecht, sie zetteln einen Krieg
an!"
Julia hat sich bei Aidar gemeldet, einem Freiwilligenbataillon
ukrainisch−nationalistischer Prägung, Belka folgte ihr einige Monate später.
Von ihrer russischen Familie hat sich Julia losgesagt, sie gilt als
"Vaterlandsverräterin". Belka und Julia sind derzeit demobilisiert, obwohl sie
gerne an der Front geblieben wären. Julia hat ein Kind bekommen, Miroslava
("die Friedliche") ist jetzt ein Jahr alt und ein "Kriegsmitbringsel". Belkas
Kriegssouvenir ist "Diagnose Nummer 17". Was es genau heißt, weiß sie nicht
mehr, ihr Gedächtnis ist nach sechs Verletzungen und Gehirnprellungen
beeinträchtigt. Das Schlimmste daran sei das Händezittern −− schlecht fürs
Schießen. Davor war Belka Scharfschützin bei Aidar. Offiziell war sie als
Telefonistin gemeldet, weil in der Ukraine Frauen keine Scharfschützinnen
werden können. Auch nicht Panzerkommandantinnen wie Julia. Frauen als
Soldatinnen in Kampfpositionen waren bis vor einem Monat in der Ukraine
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verboten.
Alle weiblichen Personen wurden daher als Köchinnen, Sanitäterinnen,
Bademeisterinnen oder eben Telefonistinnen eingetragen. Deswegen hat Belka
auch statt des üblichen Gehalts für Scharfschützen von 12.000 Griwna plus
Kampfzulage nur 7.000 bekommen, umgerechnet 250 Euro. Deswegen kann
sie jetzt auch keine Rente oder Invalidengeld beziehen. Julia und Belka leben
von Miroslavas Kindergeld, ein paar Griwnas Arbeitslosenhilfe sowie Spenden
von Freund_innen und Volontär_innen. "Natürlich sind wir sauer: Weil die
Jungs jetzt prämiert werden. Jungs, die nichts gemacht haben, bekommen
Geld, Grundbesitz, Wohnungen. Und wir kriegen nichts. Außer einigen
Freiwilligen kümmert sich keiner um uns", sagt Julia.
Auch Maria Berlinska sagt: "Ich bin nicht wegen des Geldes an die Front
gekommen, ich wollte keine Prämien, keine Vergünstigungen!" Deswegen war
es ihr auch egal, dass sie nicht als Aufklärungsoffizierin eintragen wurde. Dass
das ein Problem ist, sei ihr erst viel später aufgefallen, nachdem sie erkannt
habe, dass es anderen Frauen in der Armee ähnlich geht. Zusammen mit den
Soziologinnen und Gender−Forscherinnen Tamara Martsenyuk und Anna Kvit
hat Berlinska die soziale, wirtschaftliche und rechtliche Lage der ukrainischen
Soldatinnen untersucht. Die Interviews haben bestätigt, dass die Lage der
Frauen in fast allen Bereichen mangelhaft, in einigen sogar katastrophal ist:
Weder erhalten sie Uniformen in Frauengröße noch angemessene Gehälter und
soziale Leistungen, ebenso kaum Anerkennung von männlichen Kollegen. Mit
der großen Resonanz −− es gab Demonstrationen und Protestkundgebungen −−
hat Maria Berlinska nicht gerechnet. Am wenigsten aber damit, dass aufgrund
dieser Studie die Gesetzgebung geändert wurde: 25 Kampfberufe in der Armee
wurden mittlerweile für Frauen "freigegeben".
"Die Ukraine verändert sich gerade rasend schnell", sagt Berlinska. Aus den
Gesetzen der Stalinzeit ist das Land längst rausgewachsen, überall stehen
Reformen an, doch weder der träge und korrupte Staatsapparat noch die
Mentalität, die noch in alten sowjetischen Klamotten chauvinistischen
Verschnitts steckt, kann so schnell umgekrempelt werden. So wie auch das
herrschende Frauenbild. Der Krieg, wie abartig und schlimm er auch ist, sei in
diesem Sinne auch ein Segen, meint Berlinska. "Das, was andere Länder in
vielen Jahren erreicht haben, passiert bei uns in der Ukraine innerhalb weniger
Monate. Dass wir mit unserer Studie innerhalb von nur einem halben Jahr
tatsächlich etwas verändern konnten, wäre früher zu Friedenszeiten nicht
möglich gewesen."
Feministinnen wie Berlinska fühlen sich der langen Tradition der ukrainischen
Frauenbewegung verbunden: Früher als in vielen anderen Ländern wurden hier
die Gleichheitsideale aufgegriffen und ab dem Ende des 19. Jahrhunderts als
Themen der Frauenbewegung artikuliert. Ukrainische Dichterinnen und
Journalistinnen wie die Nationalheldin Lesja Ukrajinka brachen öffentlich mit
herkömmlichen Rollenzuschreibungen und gehörten zur feministischen
Avantgarde in Europa. Dabei hatte die ukrainische Frauenbewegung durch den
Unabhängigkeitsdiskurs und das aufkommende Nationalbewusstsein immer
eine stark patriotische Fokussierung. Während der Stalinzeit wurde die
Frauenfrage für gelöst −− und die Frauenbewegung für aufgelöst −− erklärt.
Einerseits gab es gute staatliche Unterstützung: Krippen, Kindergärten,
Kantinen, damit die Frauen gemeinsam mit den Männern den Kommunismus
aufbauen konnten. Andererseits verordnete Stalin den Frauen die Mutterrolle.
Nicht mehr das Kollektiv, sondern die Familie war nunmehr die "Zelle des
Kommunismus". Also hieß es: Tagsüber wird am Kommunismus gebaut,
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abends Kartoffeln geschält.
Als nach dem Zerfall der Sowjetunion die verordnete Emanzipation widerrufen
wurde, schwang das Frauenbild wie ein Pendel von einem Extrem zum
anderen: Es etablierte sich der Wunsch nach einer übertriebenen Femininität,
begleitet von der Sehnsucht nach einer mittelständischen Frauenrolle. Der
Stellenwert in der Gesellschaft wurde wieder durch vorteilhafte Heirat
gesichert und die wiederum durch ein betont feminines Auftreten, das sich
grob im Klischeebild einer osteuropäischen Frau zusammenfassen lässt:
Absätze hoch, Dekolleté tief. Gleichzeitig gibt es immer noch mehr Frauen als
Männer an den Hochschulen und Unis, viele Frauen, die für sich selbst sorgen
und eine berufliche Karriere anstreben. "Was Feminismus angeht, haben die
meisten Frauen bei uns einen Brei im Kopf", erklärt Anna Dovgopol,
Gender−Beauftragte der Heinrich−Böll−Stiftung in Kiew, diese
Widersprüchlichkeiten. "Und so wirr ist auch die Lage im Land: einerseits der
Krieg, mit seinem neo−nationalistischen und neo−patriarchalen Diskurs.
Andererseits die friedliche Zivilgesellschaft, die sich entwickelt und sich
westliche Wertestandards zu eigen macht. Und die sieht: Jetzt ist die Zeit, in
der man etwas verändern kann. Weil alles gerade im Wanken ist!"
Aufgrund des Krieges sind in der Ukraine patriotische Slogans und
nationalistische Symbole allgegenwärtig: "Es lebe die Ukraine, hoch die
Helden!" Überall wehen ukrainische Fahnen, gleichzeitig demonstrieren
Menschen tagtäglich für Demokratie. Ein verwirrender Anblick. "In den
feministischen Kreisen wurde viel diskutiert, ob es richtig war, dass
Feministinnen am Euromaidan teilgenommen haben, weil es da viel rechte
Rhetorik gab", erklärt Dovgopol. "Aber wenn sie nicht da gewesen wären,
hätte ihre Stimme in der Revolution gefehlt. Die Frage ist: Für welche Werte
steht man zusammen ein? Oder lässt man sich spalten? Das ist gerade sehr
schwer zu beantworten. Aber es gibt auch eine andere Entwicklung:
Menschen, die von der Front zurückgekehrt sind, gehen zur Gay Pride, weil sie
wollen, dass ihr Land nach vorne kommt." Dabei sind die Nationalist_innen
traditionell die Erzfeinde der queeren Community. Mit Berufung auf
überlieferte nationale Werte wie Moral und Familiensinn diskriminieren sie
Lesben, Schwule und Transpersonen.
Auch Julia war dieses Jahr bei Kiewer Gay Pride. Sie ist gerade mit einer Frau
zusammen, würde aber auch so zur Parade kommen. Als ihre Frontfreunde von
Aidar davon erfahren haben, waren sie verdutzt: "Was habt ihr mit eurer Pride?
Als ob es keine anderen Probleme im Land gäbe!" −− "Da fragte ich sie: Wenn
es so viele Probleme gibt, warum habt ihr dann kein anderes Anliegen als die
Pride zu kritisieren? Jeder soll für seine Rechte kämpfen können!" 6.500
Polizist_innen haben die rund zweitausend Teilnehmer_innen der diesjährigen
Gay Pride beschützt. "Das führte dazu, dass uns kaum jemand gesehen hat,
womit das Ziel einer LGBT−Parade eigentlich verfehlt wurde. Aber zumindest
gab es keine Übergriffe und keine Verletzten wie letztes Jahr, was ein sehr
großer Fortschritt ist", so Anna Dovgopol.
Die heutige Ukraine ist geprägt von einer starken Zivilgesellschaft, die seit den
Protesten auf dem Maidan die eigentliche Macht, aber auch Verantwortung
übernommen hat. Das sind Tausende von Volontär_innen, die die Armee mit
allem −− abgesehen von Waffen und Kriegstechnik −− beliefern,
Rehabilitation und Behandlung von Verletzten organisieren, Flüchtlinge aus
dem Donbass versorgen. Das sind vom Westen finanzierte NGOs, die sich um
soziale Probleme kümmern, Bildung und Aufklärung leisten. Das sind
"normale" Menschen: Es vergeht keine Woche, ohne dass vor der obersten
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Rada, dem Parlament in Kiew, demonstriert wird. Nach zwei
Maidan−Revolutionen, hunderten leeren Versprechungen und zerstörten
Hoffnungen und einem Jahrhundert Fremdbestimmung vertrauen die
Menschen nicht mehr der staatlichen Macht.
Auch in Sachen Gleichberechtigung bewegt die Zivilgesellschaft etwas, stößt
Debatten an. Allerdings ohne die in Westeuropa bekannte Gruppe Femen, die
von den ukrainischen Feministinnen nicht als politische Akteurinnen, sondern
als Marketing−Gag gesehen wird. Das jüngste Beispiel ist der von der
ukrainischen Journalistin Anastasia Melnichenko gestartete Twitter−Hashtag
#KeineAngstZuSprechen, bei dem tausende ukrainische und später auch
russische Frauen in den sozialen Netzwerken über ihre Erfahrungen mit
sexuellen Übergriffen erzählen. Die Resonanz, die dieses Hashtag auslöste,
trug das Thema geradewegs in die Mitte der ukrainischen Gesellschaft.
Und auch das ist eine Revolution: eine persönliche Revolution, weil die
Betroffenen endlich Solidarität und Zuspruch erfahren. Eine gesellschaftliche
Revolution, weil sich der Umgang mit sexualisierter Gewalt ändert. Und diese
Revolutionen zeigen: Die Ukraine hat sich verändert. Man kann die
unbequeme Wahrheit nicht mehr unter den Teppich kehren. Denn dort hat sich
so viel aufgestaut, dass es den Boden durchbrach, zehn Stockwerke runterfiel
und auf dem Weg nach unten alles mitgenommen hat: Chauvinismus,
Stereotypen, Angst und Untätigkeit. Und der Keller ist noch lange nicht
erreicht.
Published 2016−08−22
Original in German
Contribution by Missy Magazine
First published in Missy Magazine 03/2016
© Katja Garmasch / Missy Magazine
© Eurozine
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