Die bezaubernde Wirkung der Düfte

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Die bezaubernde Wirkung der Düfte
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Die bezaubernde
Wirkung der Düfte
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Vielleicht ist Ihnen das auch schon
einmal aufgefallen: Sobald Sie anfangen, sich im Büro eine Orange zu schälen, hellen sich plötzlich die Mienen
fast aller Kollegen auf, die an Ihren
Schreibtisch treten. „Hm, wie Weihnachten“, sagen manche. Vermutlich
haben Sie gar nicht weiter darüber
nachgedacht, so normal erscheint Ihnen dieses Phänomen: Die Leute erschnuppern etwas, das angenehme Erinnerungen in ihnen weckt. Doch das
macht nur einen Teil der Magie des
Orangenduftes und anderer Wohlgerüche aus. Tatsächlich ist die Wirkung natürlicher Aromen auf die Stimmung vor
allem deshalb so stark, weil sie in die
Chemie des Gehirns eingreifen.
Düfte wirken direkt auf das Hirn
„Die Riechschleimhaut ist die einzige
Stelle im Körper, an der das Zentralnervensystem offen liegt und direkt
mit der Außenwelt Kontakt hat“, erklärt Susanne Fischer-Rizzi, eine der
profiliertesten Expertinnen der Aromatherapie. „Die Signale der Riechnerven gelangen direkt ins Zentrum
des Gehirns und beeinflussen dort das
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vegetative Nervensystem, welches
Herzschlag, Atmung, Körpertemperatur, Verdauung, Schlafrhythmus und
Hormonausschüttung steuert.“ Veränderungen dieser Körperfunktionen
lenken auch die psychische Befindlichkeit. „Düfte beeinflussen Emotionen
und Stimmungen aber auch ganz direkt, weil sie auf das limbische System
einwirken, das ,Gefühlszentrum‘ des
Gehirns“, sagt Fischer-Rizzi. Diese Tatsache wird heute in immer mehr Krankenhäusern, Pflegeheimen und Hospizen genutzt, die mit ätherischen Ölen
das seelische Wohl ihrer Patienten verbessern (siehe Interview Seite 44). Das
neue Interesse spürt auch die Aromaexpertin Eliane Zimmermann, die das
Fachbuch „Aromatherapie für Pflegeund Heilberufe“ (Haug, 49,95 Euro)
geschrieben hat: „Inzwischen sind in
fast jedem meiner Kurse einige Vertreter aus diesen Bereichen.“
Doch auch als Laie können Sie die
kostbaren Pflanzenessenzen nutzen,
um Ihre eigene Stimmung oder die Ihrer Mitmenschen auf sanfte Weise positiv zu beeinflussen. Sie können dafür
einen elektrischen Vernebler benutzen oder eine Duftlampe mit Kerze.
Letztere sollte aber nicht unbeobachtet bleiben und muss zudem nach jedem Gebrauch gereinigt werden. Ein
oft genutztes Öl können Sie auch auf
einen speziellen Stein aus Ton träufeln
(bevor man ihn für einen neuen Duft
verwenden kann, muss er ausgekocht
werden). Wenn Sie viele verschiedene
Essenzen nutzen und gezielt einsetzen
wollen, ist es am einfachsten, sie auf
ein Taschentuch oder einen Wattebausch zu geben, die sich ebenfalls
hübsch in einer Schale arrangieren
lassen. Zudem sollten Sie unbedingt
nur hochwertige naturreine Öle verwenden (Bezugsquellen Seite 46). Fischer-Rizzi: „Nur sie haben die umfassenden psychischen Wirkungen.“
Harmonische Stimmung
So wirkt der Duft der Orange zum Beispiel bei fast allen Menschen harmonisierend, ebenso wie der von Vanille.
„Das gilt jedoch nicht, wenn jemand
das Aroma nicht mag“, sagt Zimmermann. „Wenn ein Geruch abgelehnt
wird, wirkt er meist nicht.“ Manch- ➔
Fotos: hitdelight, Christian Jung – beide Fotolia.com, kissesfromholland – iStockphoto.com
Wie sehr Gerüche das eigene Wohlbefinden beeinflussen, wird vielen
vor allem dann bewusst, wenn sie Gestank ertragen müssen. Doch die
psychische Wirkung von Aromen besteht nicht nur in Abneigung oder
Genuss. Düfte können gezielt eingesetzt werden, um konzentrierter,
gelassener, munterer oder kreativer zu werden – und noch vieles mehr.
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Ätherische Öle können angstlösend
wirken, innere Unruhe lindern und dadurch
häufig auch den Schlaf herbeilocken.
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natürlich gesund & munter: Wie
lange arbeiten Sie schon mit den
ätherischen Ölen?
Cornelia Becker: Seit der Eröffnung
der Station vor sechs Jahren. Der
Wunsch kam aus dem Team heraus,
das aus sehr engagierten Mitarbeitern besteht, die offen für Neues
sind und sich ständig weiterbilden.
In welcher Form verabreichen Sie
die Öle – mit einer Duftlampe?
Ja, aber dabei handelt es sich nicht
um die bekannten Keramikobjekte
mit Kerze, sondern um elektrische
Geräte. Für eine intensivere Wirkung tropfen wir ein Öl manchmal
auch auf das Kissen des Patienten.
Wofür verwenden Sie die
ätherischen Öle am meisten?
Für Auflagen, Wickel und Waschungen, zur Wundpflege, gegen Schmerzen – es gibt ungeheuer viele Anwendungsmöglichkeiten. Besonders wichtig sind aber natürlich
auch die positiven psychischen Wirkungen der Essenzen.
Woran erkennen Sie, ob ein Duft
die erwünschte Wirkung hat?
Die Patienten wirken gelöster und
entspannter. Bei Menschen, die
nicht mehr bei vollem Bewusstsein
sind, kann man häufig sehr deutlich
erkennen, wie sich der Atemrhythmus beruhigt. Wir erleben oft, dass
die Patienten in der Sterbephase
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sehr unruhig sind, so als ob ihnen
noch irgendwelche Steine den letzten Weg versperren würden. Wenn
wir dann das ätherische Öl der Rose
auf das Kissen tropfen, bemerken
wir fast immer sehr schnell eine
Entspannung. Was immer den Menschen quält, scheint er dadurch loslassen zu können.
Welche ätherischen Öle nutzen
Sie sonst noch häufiger?
Lavendel und Mandarine wirken
auch gut bei Unruhe; Pfefferminze
nutzen wir oft gegen Kopfschmerzen und Übelkeit. Ein wunderbarer
Duft ist auch Weihrauch – übrigens
nicht vergleichbar mit dem, was
man im Gottesdienst oft riecht. Wir
benutzen das Öl gerne, um ein Zimmer, in dem jemand gestorben ist,
für einen neuen Patienten vorzubereiten. Der Duft wirkt stark reinigend auf die Atmosphäre im Raum.
Ich nutze es auch zu Hause, wenn
ich von der Arbeit abschalten möchte. Der Duft erzeugt ein sehr wohliges Gefühl und erfrischt.
Wie wird Ihr Engagement innerhalb des Klinikums gesehen?
Sehr positiv. Demnächst soll die
Aromapflege auf allen Stationen angewendet werden.
Foto: Kuleczka – shutterstock.com
Die wohltuenden Wirkungen der
ätherischen Öle werden heute immer häufiger auch in der Pflege eingesetzt. Cornelia Becker, Leiterin
der Palliativstation im Stauferklinikum Schwäbisch Gmünd, berichtet
von ihren Erfahrungen.
Welche Düfte setzen Sie in diesem
Bereich ein?
Am häufigsten werden bei uns Mandarine, Lavendel und Zeder genutzt,
um Ängste zu mildern. Gegen depressive Stimmungen helfen Bergamotte, Rose und wiederum der Lavendel sehr gut. Welches Öl wir im
Einzelfall verwenden, hängt davon
ab, zu welchem sich der Patient gerade hingezogen fühlt. Es ist wichtig, dass der Duft keine unerwünschten Erinnerungen weckt
oder aus anderen Gründen abgelehnt wird.
mal liegt es daran, dass unangenehme Erlebnisse damit verknüpft sind
(an die man sich aber nicht immer erinnern kann), ein anderes Mal muss
der Duft einfach feiner dosiert oder
mit einer anderen Essenz kombiniert
werden, um angenehm zu sein. Weitere Düfte, die eine heitere Atmosphäre schaffen können, sind Rosengeranie oder Petit Grain (Bitterorangenblätter). Eine spezielle Wirkung
auf die Stimmung hat die Essenz der
Römischen Kamille: Sie vermag Ärger
aufzulösen. Dadurch wirkt sie ausgleichend auf quengelige Kinder und
hebt zugleich die Laune der Eltern –
oder ganz allgemein von Menschen,
die gerade genervt sind.
Belebende Kraft
Wer eine belebende Wirkung braucht,
ist bei den frischen Düften richtig.
Grapefruit- und Zitronenduft helfen
nachweislich, die Konzentration zu
verbessern – zum Beispiel im Unterricht oder bei den Hausaufgaben und
anspruchsvollen Büroarbeiten. Verbene (Eisenkraut) verstärkt das
Durchhaltevermögen, wenn man eigentlich überhaupt keine Lust mehr
hat, und lockt neue Inspiration hervor. Auch Muskateller­salbei fördert
die Kreativität.
Rosmarin können Sie dagegen ausprobieren, wenn Sie „durchhängen“
– mehr Stärke brauchen, als Sie im
Moment zur Verfügung haben, und
sich „zusammenreißen“ müssen. Er
hilft auch, morgens besser in die Gänge zu kommen. „Lemongras ist hervorragend gegen morgendliche Anlaufschwierigkeiten“, sagt Susanne
Fischer-Rizzi. „Auch bei langen Autofahrten macht es viel frischer als Kaffee.“ Wenn Sie dagegen Ihre Lebensgeister wecken möchten, um mehr
„Biss“ zu bekommen – Mut und
Durchsetzungskraft –, dann empfiehlt
sie den Duft der Zirbelkiefer. „Eine
ganz besondere Pflanze ist auch die
Angelika“, sagt Fischer-Rizzi. „Ihre
Essenz hilft, wenn Sie sehr er- ➔
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schöpft sind, aber vorerst nicht ausruhen können, wie zum Beispiel bei einer
Bergwanderung oder wenn Sie ein
krankes Kind pflegen.“
Wohlige Entspannung
Innerer Unruhe, auch bei Kindern, können Sie mit den Essenzen von Mandarine, Melisse, Bergamotte oder Lavendel
begegnen. Sie wirken entspannend und
zudem angstlösend und locken dadurch
oft den Schlaf herbei. Müde machen die
Aromen jedoch nicht, deshalb können
Sie diese auch anwenden, wenn Sie
munter bleiben müssen. Ist die Seele
stärker aus der Balance geraten, kann
Neroli (Essenz der Bitterorangenblüten) helfen, sich wieder zu sammeln.
Der Duft wirkt Gefühlen von Verzweif-
lung, Schock, Panik und Lampenfieber
entgegen. „Man kann sich eine einprozentige Verdünnung mit fettem Öl oder
Alkohol herstellen und als ,Notfallöl‘
immer dabei haben“, sagt Eliane Zimmermann. Wenn jemand ganz „aufgelöst“ ist, kann auch Zypresse das richtige Mittel sein.
Einen ganz besonderen Zauber entfalten Öle, die auf sinnliche Weise entspannen wie Jasmin, Rose oder YlangYlang. Dabei muss „sinnlich“ übrigens
nicht unbedingt „erotisierend“ bedeuten. Die kostbaren Essenzen, die unbedingt stark verdünnt werden sollten,
verhelfen einfach zu einer wohligen
Körperlichkeit und fördern dadurch Gefühle von Wärme, Vertrauen, Hin­gabe
und Liebe./ks
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Himmlische Düfte
Beschreibt auf sinnliche Weise die Wirkungen
ätherischer Öle und ihrer Einsatzmöglichkeiten.
Susanne Fischer-Rizzi
AT Verlag, 176 Seiten, 29,90 Euro
Aromatherapie
Kurz und übersichtlich gestaltete Porträts ätherischer Öle, ihrer Wirkungen und Anwendungen.
Eliane Zimmermann
Irisiana, 234 Seiten, 22,90 Euro
Lexikon der Düfte
Reich bebildertes Nachschlagewerk. Der Autor ist
Gründer des Duftunternehmens Taoasis.
Axel Meyer
Taoasis Verlag, 192 Seiten, 19,90 Euro
Bezugsquellen für ätherische Öle
Hier bekommen Sie hochwertige naturreine Öle:
www.farfalla.ch
www.maienfelser-naturkosmetik.de
www.neumond.de
www.primaveralife.com
www.taoasis.de