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PORTRÄT
3/2012
Salix alba
campos-Serie
Malerische Erscheinung
Gehölzporträt
Was an einer Weide jedes Jahr auf’s Neue fasziniert, sind ihre
Blütenkätzchen, mit denen sie den unaufhaltsamen Frühling
ankündigt.
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Herkunft & Name: Die Weide ist in
Europa, Nordafrika bis Zentralasien
(bis 1 600 Höhenmeter) beheimatet.
Der Name Weide leitet sich aus dem
indogermanischen Sprachgebrauch
ab. Dort bedeutet er so viel wie beweglich, biegsam oder drehbar. Der
englische Begriff willow hat dieselbe
Wurzel wie der Begriff Hexe (witch
oder wicca). Die lateinische Interpretation von salire (springen/tanzen) könnte wiederum auf die Beweglichkeit und Biegsamkeit der
Triebe hinweisen. Die Silber- oder
Weißweide Salix alba gehört, wie die
Pappel, zur Familie der Weidengewächse Salicaceae. Dieser gehören
vier Gattungen mit etwa 350 Arten
an. Von ihnen sind circa 30 heimisch. Salix alba kommt von allen
Weidenarten am häufigsten vor.
Zwei schöne Sorten sind:
š Trauerweide – Salix alba ‘Tristis’
– malerischer, überhängender Baum
für Einzelstellung, Uferpartien
š Dotterweide – Salix alba ‘Vitellina’ – auffallend dottergelbe Triebe,
herrliches Flechtmaterial.
Da sich Weiden untereinander gerne
kreuzen, gibt es jede Menge Unterarten und Varietäten. Selbst Fachleuten fällt die genaue Bestimmung
mitunter schwer.
Merkmale: Die Silberweide ist eine
der stattlichsten Baumvertreter ihrer Art. Die meisten Weiden wachsen nur als Strauch. Sie schafft Höhen von bis zu 30 m. Dabei beginnen
die Äste recht tief am Hauptstamm
und bilden eine breite kegelförmige
Krone. Sie erreicht auch ein stattliches Alter von nahezu 200 Jahren!
Die Rinde junger Zweige ist weiß1 und 4: Weiden haben ein erstaunliches Regenerationsvermögen.
2: Aus den Blüten entwickeln sich
Kapselfrüchte, aus denen mit Flughaaren behaftete Samen freiwerden.
3: Salix alba ‘Tristis‘, die
Trauer weide, ist eine imposante
Erscheinung.
Bilder: Lugert
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lich-grau gefärbt, ältere Borke zeigt
sich tief längsrissig und von dunkelgrauer Färbung. Die Knospen sind
seidig-behaart und sitzen angedrückt am Zweig.
Die Blüten („Weidenkätzchen“)
erscheinen etwa im März. Die 4 bis
6 cm großen Kätzchenblüten werden eifrig von den aus dem Winterschlaf erwachten Insekten bestäubt.
Die Blüten sind auf weibliche und
männliche Bäume aufgeteilt, was
man Zweihäusigkeit nennt. Nach
der Bestäubung entwickeln sich aus
dem Fruchtknoten der weiblichen
Blüten Kapselfrüchte. Wenn diese
reif sind, springen sie auf und geben
die mit Flughaaren versehenen
„wolligen“ Samenstände frei. Diese
sind so leicht, dass sie bis zu 40 km
weit vom Wind getragen werden
können. Die bis 10 cm langen grünen Blätter sind schmal lanzettlich
und sitzen wechselständig an langen
rutenförmigen olivbraunen Zweigen. Der Rand der Blätter ist fein
gezähnt. Die oberseits leichte, unterseits stärkere silberne Behaarung ein
natürlicher Sonnenschutz.
Verwendung: Die Silberweide ist
ein echter Pionier und Vertreter der
Weichholzzone. Das heißt, dass sie
keinerlei Probleme mit nassen Füßen hat. Besonders gern siedelt sie in
grundwassernahen Auwäldern, Gebirgstälern oder auf durch Überflutung entstandenen Flächen. Lichter
Schatten wird gerade noch ertragen.
Nährstoffreiche, feuchte und alkalische Böden werden bevorzugt. Nach
dem Schnitt erweist sie sich als extrem ausschlagskräftig. Durch ihr
dichtes und flaches Wurzelwerk
wird sie für ingenieurbiologische
Maßnahmen wie im Ufer- oder Böschungsbereich verwendet. Ihr Holz
ist sehr weich und biegsam, weshalb
Weidenruten für die Korbmacherei,
als Flechtwerk in Fachwerkhäusern
verwendet werden. Für die Tierwelt
haben Weiden als eine der ersten
Blühpflanzen im Jahr einen hohen
ökologischen Stellenwert. Die wunderbare Verfärbung der Zweige bei
der Dotterweide als auch die mächtige Krone einer Trauerweide sprechen für eine Verwendung in Park
und Landschaft.
Besonderheiten
Salix alba ist 1999 zum Baum
des Jahres gekürt geworden.
Aus einem einfachen Grund:
Durch Uferbegradigung,
künstliche Verrohrung von
Bächen und Flüssen, Beseitigung oder Trockenlegung von
Auwäldern durch den Menschen werden ihre natürlichen
Lebensbedingungen erheblich dezimiert.
Dass man mit Weide kreativ
bauen kann, hat zum Beispiel
Marcel Kalberer bewiesen. In
Auerstedt im Weimarer Land
steht die „Groß-Mutter“ aller
lebendigen Weidenbauprojekte von ihm und seinem Team.
Das ist echt sehenswert unter
www.auerworld.de!
Zu guter Letzt: Wenn Ihnen
mal richtig der Schädel
brummt: Greifen Sie nicht
gleich zur Tablette. Probieren
Sie es mit dem Kauen der
Rinde. Sie enthält das längst
künstlich hergestellte Salicin,
das verwandt ist mit dem
Schmerzmittel Acetylsalicylsäure und die gleiche Wirkung
hat. Danach legen Sie sich auf
ein mit der Samenwolle gefülltes Kissen – wie früher.
Die Autorin
Iris
Lugert
ist Obstgärtnerin und GaLaBauTechnikerin. Sie bildete sich weiter zur Kulturlandschaftsführerin
und war zuletzt als Fachberaterin
für NaturErlebnisRäume des
Naturgarten e. V. tätig. Sie lebt
mit ihrem Sohn in Thüringen.