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FÜHRERSCHEIN Ohne Fleiß kein Preis: Die gesuchte Tonne finden, den rechtweisenden Kurs berechnen, die wichtigsten Knoten hinkriegen – wer all das und noch viel mehr schafft, geht nach Praxisund Theorieprüfung mit dem Führerschein von Bord. Glückselig fluchend Im Turbotempo zum Sportbootführerschein See – ein Erfahrungsbericht. W as Polens Hauptstadt mit Boot fahren zu tun hat? Für ein Greenhorn wie mich ein völliges Rätsel. „Warschau!“ – dass sich dahinter die Kurzform von wahrnehmen und schauen verbirgt, ist nur die erste Überraschung.Wie viele noch folgen werden, ahne ich am Vorabend der Eröffnung der hanseboot noch nicht. Okay,denke ich,ein Wochenende kannst du ja investieren für den Sportbootführerschein See. Erstens lernst du mal wieder was.Zweitens weiß man nie, wofür man den Schein eines Tages vielleicht brauchen kann. Und drittens lockt mich mein Freund, stolzer Miteigner eines Motorboots,mit der Einladung zu diesem Crash-Kurs.Also los. 112 boote 3/08 Gut gelaunt laufe ich mit 50 anderen Anwärtern Ende Oktober in einer der neuen Hallen der Hamburg Messe ein. Schon in der Vorstellungsrunde stelle ich fest, dass ich eine der wenigen bin, die völlig blank sind. Alle anderen haben entweder schon den Binnenschein oder sind begeisterte Segler. Mein Erfahrungsschatz beschränkt sich dagegen aufs Mitfahren. Gut, einmal hatte ich das Steuer in der Hand, aber geradeaus fahren kann schließlich jeder. Luv oder Lee hab ich schon mal gehört, aber kann sie so wenig zuordnen wie Back- und Steuerbord. Aber Klaas, unser Theorie-Trainer von der Bootsschule Käpt’n Prüsse, macht mir Mut. Ihm gelingt es, Navigation,Wetterkunde,Vorschrif- ten, Regeln so zu erklären, dass wir sie verstehen. Immer wieder lässt er Tonnen, Peilungskompass oder Gezeitentabellen von Tisch zu Tisch wandern. Zwischendurch, zur Auflockerung, lernen wir Knoten. Ich ■ Zum ersten Mal organisierte die Hamburg Messe in Zusammenarbeit mit der Segelschule Käpt’n Prüsse, BOOTE und HanseNautic während der hanseboot einen Kompaktkurs für den Sportbootführerschein See. Im Nu waren die 50 Plätze für die zweieinhalb Tage Theorie (20 Stunden) und drei Fahrstunden ausgebucht. Andrea Hösch hat sich in dieses Abenteuer gestürzt. bin konzentriert, komme gut mit und freue mich über die Stimulanz der Gehirnzellen. Beim Besuch beim BOOTE-Stand ertappe ich mich,dass ich – ohne es zu ahnen – überheblich werde. Schaff ich locker, hör ich mich noch am Sonntag in der Mittagspause sagen. Doch noch am gleichen Tag, kurz vor Seminarschluss, kommt der Schock: So Leute, sagt Klaas, jetzt hab ich euch alles erklärt, was ihr verstehen müsst, den Rest müsst ihr büffeln. 600 Fragen. 20 Bögen à 30 Fragen. Büffeln statt Prosa Schlagartig wird mir die völlig unterschätzte Dimension klar. Das Wochenende war nur der Anfang.Mit dem Wissen könnt ihr ein Drittel der Fragen be- streiten, meint Klaas und schätzt, dass wir bis zur Prüfung mindestens 3 x 3 Stunden harte Arbeit vor uns haben. Ich zähle die Stunden nicht, die ich von nun an abends am Küchentisch über den Fragen brüte. Aber es sind weit mehr als neun. Fünf Wochen lang nehme ich keinen Roman in die hätte ja selber mal nachfragen können,welches Pensum da auf mich zukommt. Wenn ich das gewusst hätte! Zu spät, jetzt muss ich da durch. Dann noch diese fürchterliche Behördensprache – da stellen sich mir als sprachsensible Journalistin die Nackenhaare. Aber jeder Versuch, die Ant- das beruhigt.Einzig Navigieren kapiere ich sofort. Im Kurs üben wir sogar so schwere Aufgaben, dass mir die Prüfungsfragen babyleicht vorkommen. In der Woche vor der Prüfung wartet die „Jakob III“ an der Grünen Brücke auf mich. Der Wind bläst so stark, dass es auf der Bille schon fast Wellengang gibt.Aber Christian denkt nicht dran, die Fahrstunden ausfallen zu lassen. Stattdessen lerne ich bei starkem Wind (Stärke 6 auf der Beaufortskala) eindampfen, Schulterblick beim Rückwärtsfahren, den Kompass lesen und anlegen. Wie ich bei welchem Manöver das Ruder legen muss, will mir ewig nicht in den Kopf. Bis Christian mir endlich eine Eselsbrücke baut: Beim Eindampfen immer in Richtung Kai, beim Anlegen immer weg vom Kai. Danke, endlich sitzt das Steuern. Bloß keine Panik Hand, lade niemanden zum Abendessen ein,verpasse sogar die Nachrichten. Und fluche. Worauf hab ich mich da, verdammt noch mal, eingelassen? Brauche ich diesen Schein wirklich? Anfangs hoffe ich wenigstens noch auf AnkreuzFragen. Aber nichts da, als ich den ersten Bogen aufschlage, sehe ich, dass die Prüflinge jedes Wort aktiv herleiten müssen. Irgendwie fühle ich mich reingelegt. Aber auch naiv. Ich worten umzuformulieren, geht fehl. Es hilft alles nichts außer Auswendiglernen. Genau so geht es mir mit Kennung, Lichterführung und Schallsignalen. Deren Logik erschließt sich mir beim besten Willen nicht. Immer wieder muss ich sie mir mit bunten Stiften aufmalen, bis sie endlich sitzen.Vor der Prüfung treffe ich mich zum gegenseitigen Abfragen mit zwei Frauen, die mit an meinem Tisch saßen. Jede hat ihre Schwachstellen, Fünf vor neun am Morgen des 8. Dezember. Tatsächlich klappt das Anlegen in der Prüfung sahnemäßig.Nur die Boje bügle ich im ersten Anlauf über. Als diese beim zweiten Versuch nach dem Auskuppeln direkt an meiner Steuerbordseite dümpelt,signalisiert mir der Prüfer mit einem gütigen Lächeln grünes Licht. Uff,die erste Etappe ist geschafft. Anderthalb Stunden später sitze ich mit mehreren Dutzend Leidensgenossen vor Bogen Nummer 5. Keiner von den doofen, die auf meiner persönlichen schwarzen Liste stehen. Ich atme tief durch, klappe mein Brillenetui auf und sehe mit Entsetzen, dass es leer ist. Jetzt kann ich in Panik ausbrechen, schießt es mir durch den Kopf. Oder ich kann die Ruhe bewahren, wie ein echter Seemann. Ich versuche letztere Variante. Erleichtert stelle ich fest, dass ich die Fragen lesen kann. Nur beim Kleingedruckten auf der Seekarte habe ich Zweifel, ob ich wohl die richtige Tonne erwische.Und als ich den rechtweisenden Kurs von 151 Grad eintragen muss, bin ich auch nicht ganz sicher, ob ich exakt den richtigen Strich auf dem Kursdreieck getroffen habe. Nach dem Abgleich mit den richtigen Antworten bin ich mir Idealer Kurs für wild Entschlossene ziemlich sicher, dass ich nicht durchgefallen sein kann. Dann beginnt das lange Warten.Mein Adrenalinspiegel steht auf Ebbe. Erst sage und schreibe um Viertel vor 3 Uhr nachmittags halte ich tatsächlich das Dokument in der Hand. Glückselig schicke ich eine SMS nach der nächsten an meine Liebsten. Zugegeben, der „Turbo-Führerschein“ ist eine harte Nuss. Ich würde ihn nur für Bootserfahrene oder wild Entschlossene mit schneller Auffassungsgabe empfehlen. Denn im Unterschied zu wöchentlichen Seminarbesuchen bleibt keine Zeit, den Stoff sacken zu lassen – er kommt geballt. Andererseits hätte ich ohne dieses Wochenendangebot den Schein bestimmt nicht gemacht, weil ich es – neben Beruf und Mutterdasein – nicht geschafft hätte, wöchentlich einmal zur Theorie zu erscheinen. Vielleicht hätte man, mit mehr Mut zur Lücke,das Ganze auch mit weniger Aufwand schaffen können. Aber das ist nicht mein Ding. Und wer will schon riskieren, Klaas’ NullDurchfallquote kaputt zu machen? Ich nicht! TEXT: ANDREA HÖSCH FOTOS: THORSTEN BAERING boote 3/08 113