Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit * 2
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Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit * 2
praxis arbeitsrecht 3 AVR und Rechtsprechung Urlaubsanspruch bei längerer Krankheit sDie gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG, wonach der Urlaub verfällt, wenn er nicht im laufenden Urlaubsjahr gewährt und genommen wird, gilt nicht für Urlaubsansprüche von Mitarbeitern bei längerer Erkrankung. Dies hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) durch Urteil vom 20. Januar 2009 (RS-C 350/06) erstmals entschieden. Nach anfänglicher Unsicherheit über die Folgen besteht jetzt aufgrund weiterer Entscheidungen des EuGH und durch Urteile des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sowie durch Beschlüsse der Arbeitsrechtlichen Kommission weitgehend Klarheit. 1. Der Urlaubsanspruch nach Anlage 14 § 3 AVR (in der Fassung des Beschlusses der Bundeskommission vom 28. Juni 2012; BAG, Urteil vom 20. März 2012 – 9 AZR 529/10) beträgt jetzt bis zum vollendeten 55. Lebensjahr des Mitarbeiters 29 Tage. Ab dem vollendeten 55. Lebensjahr erhält der Mitarbeiter 30 Tage. Mitarbeiter, die bereits am 31. Dezember 2011 im Dienstverhältnis gestanden haben und die spätestens am 31. Dezember 2012 das 40. Lebensjahr vollenden, haben für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses Anspruch auf 30 Tage Urlaub. 2. Es ist bei Erholungsurlaub nach Anlage 14 § 3 AVR zu unterscheiden zwischen n einem Anteil aufgrund des gesetzlichen Mindesturlaubs nach dem Bundesurlaubsgesetz von vier Wochen, also 20 Tagen bei einer Fünftagewoche (24 Tage bei einer Sechstagewoche); n einem darüber hinausgehenden Anteil eines tariflichen Mehrurlaubs von zusätzlichen neun beziehungsweise zehn Tagen sowie n eventuell einem Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 125 SGB IX von fünf Tagen (BAG, Urteil vom 22. Mai 2012 – 9 AZR 575/10). Dabei gilt: Der Anspruch auf den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte ist abhängig vom Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaubsanteil (BAG, Urteil vom 23. März 2010 – 9 AZR 128/09). Den tariflichen Mehrurlaub kann die Arbeitsrechtliche Kommission „frei“ regeln, sofern dieser Anteil eigenständig gestaltet ist (BAG, Urteil vom 22. Mai 2011 – 9 AZR 575/10). Eine solche Eigenständigkeit besteht in den AVR durch Bestimmungen in Anlage 14 § 1 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 5 Sätze 5 und 6 AVR. 3. Der Anteil aufgrund des gesetzlichen Mindesturlaubs, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann, und der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen verfallen erst 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres. Dies ist der 31. März 24 des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres (Anlage 14 § 1 Abs. 5 Satz 5 AVR in der Fassung des Beschlusses der Bundeskommission vom 28. Februar 2013; BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10). Der Anteil des tariflichen Mehrurlaubs verfällt dagegen bereits am 30. April des Folgejahres (Anlage 14 § 1 Abs. 5 Satz 6 AVR in der Fassung des Beschlusses der Bundeskommission vom 28. Februar 2013; BAG, Urteil vom 22. Mai 2012 – 9 AZR 575/10). Beispiel: Ein Mitarbeiter mit 29 Urlaubstagen ist seit dem 24. Februar 2011 erkrankt. a) Urlaubsanspruch 2011: Neun Tage tariflicher Mehrurlaub verfallen zum 30. April 2012; 20 Tage gesetzlicher Urlaub verfallen zum 31. März 2013; b) Urlaubsanspruch 2012: Neun Tage tariflicher Mehrurlaub verfallen zum 30. April 2013; 20 Tage gesetzlicher Urlaub verfallen am 31. März 2014; c) Urlaubsanspruch 2013: Neun Tage tariflicher Mehrurlaub verfallen am 30. April 2014; 20 Tage gesetzlicher Urlaub verfallen am 31. März 2015. 4. Wird der Urlaubsanspruch schon in einem Urlaubsjahr teilweise erfüllt, sind der gesetzliche und der tarifliche Anteil ganz oder teilweise erfüllt (BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 760/10). Es liegt in Höhe des gesetzlichen Urlaubs Anspruchskonkurrenz vor. Damit wird zuerst der gesetzliche und dann der tarifliche Anteil erfüllt. Beispiel: Ein Mitarbeiter mit 29 Tagen Urlaubsanspruch erhielt im Jahr 2012 15 Tage Urlaub. Seither ist er durchgehend infolge Krankheit arbeitsunfähig. Die 15 Urlaubstage für 2012 sind sowohl auf den gesetzlichen als auch auf den tariflichen Urlaubsanteil gewährt worden. Dem Mitarbeiter steht bis 31. März 2014 eine Urlaubsabgeltung für fünf weitere Tage gesetzlichen Resturlaub aus 2012 zu. Der tarifliche Urlaubsanteil ist zum 30. April 2013 verfallen. 5. Werden Urlaubsansprüche wegen Krankheit auf ein folgendes Urlaubsjahr übertragen und sind sie noch nicht verfallen, muss der Mitarbeiter sie im laufenden Urlaubsjahr nehmen, wenn er wieder arbeitsfähig ist. Sie verfallen dann in gleicher Weise wie neue caritas 8/2013 praxis der im Urlaubsjahr neu entstandene Urlaub (BAG, Urteil vom 9. August 2011 – 9 AZR 425/10). Beispiel: Ist der Mitarbeiter von Januar 2011 bis Juni 2013 arbeitsunfähig erkrankt, muss der Urlaub des laufenden Jahres und der übertragene Urlaub bis zum 31. Dezember 2013 genommen sein. Jedoch ist auch dann bei dringenden betrieblichen Gründen oder bei erneuter Arbeitsunfähigkeit eine weitere Übertragung (im Beispiel auf das Jahr 2014) möglich. 6. Scheidet der Mitarbeiter nach längerer Erkrankung aus dem Dienstverhältnis endgültig aus, ist der Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs ein reiner Geldanspruch und damit unabhängig von der Arbeitsfähigkeit oder Arbeitsunfähigkeit des ausscheidenden Mitarbeiters zu erfüllen. Es gilt für den reinen Geldanspruch die tarifliche Ausschlussfrist nach § 23 AT AVR (BAG, Urteil vom 19. Juni 2012 – 9 AZR 652/10). 7. Stirbt der Mitarbeiter nach längerer Erkrankung im Dienstverhältnis, wird das Dienstverhältnis durch den Tod beendet. Der Urlaubsanspruch erlischt und geht nicht als Abgeltungsanspruch auf die Erben über (BAG, Urteil vom 20. September 2011 – 9 AZR 416/10). Stirbt der länger erkrankte Mitarbeiter nach Beendigung des Dienstverhältnisses, geht der Zahlungsanspruch auf die Erben über, wenn er noch nicht geleistet worden ist. 8. Bei dem Urlaubsanspruch langzeiterkrankter Mitarbeiter, deren Dienstverhältnis ruht, weil sie eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung beziehen, ist ebenfalls zwischen dem Anteil des gesetzlichen Erholungsurlaubs mit dem Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen und dem Anteil des tariflichen Mehrurlaubs zu unterscheiden. Gesetzliche Urlaubsansprüche und Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung entstehen auch dann, wenn der Mitarbeiter eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung bezieht und § 18 AT AVR das Ruhen des Dienstverhältnisses an den Bezug dieser Rente knüpft. Diese Urlaubsansprüche unterliegen allerdings der 15-monatigen Verfallfrist (BAG, Urteil vom 7. August 2012 – 9 AZR 353/10). Der tarifliche Mehrurlaub ist weiterhin nach Anlage 14 § 1 Abs. 6 Satz 3 AVR für jeden vollen Monat des Ruhens des Arbeitsverhältnisses um ein Zwölftel zu kürzen. Die Bestimmung der Anlage 14 § 1 Abs. 6 Satz 3 AVR ist also insoweit unwirksam, als er auch die Verminderung gesetzlicher Urlaubsansprüche von Beschäftigten und schwerbehinderten Menschen erfasst, die aus gesundheitlichen Gründen keine Leistung erbracht haben (BAG, Urteil vom 18. September 2012 – 9 AZR 623/10). Ob diese Grundsätze auch bei Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen des Arbeitslosengeldbezugs nach Ablauf der Krankengeldzahlungen gelten, ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Entsprechende Verfahren sind beim BAG anhängig. Noch nicht höchstrichterlich geklärt sind auch Urlaubsansprüche bei sonstigen ruhenden Dienstverhältnissen. Nichtständige Wechselschicht- und Schichtarbeit Die Parteien streiten über die Zahlung von Zulagen wegen nichtständiger Schicht-/Wechselschichtarbeit. Der Kläger ist nach TVöD beschäftigt. Er wurde im März für einen Tag, im April für elf Tage, im Juni für zehn Tage, im Juli für 16 Tage und im September für vier Tage als Vertretung auf Stellen eingesetzt, auf denen teilweise rund um die Uhr in Wechselschicht, teilweise im Schichtbetrieb gearbeitet wird. Ständige (Wechsel-)Schichtarbeit liegt vor, wenn Beschäftigten diese Art von Tätigkeit dauerhaft zugewiesen ist. Der dauernde Einsatz muss sich aus dem Schicht-/Dienstplan des Arbeitsbereichs ergeben. Um nichtständige Wechselschichtarbeit handelt es sich, wenn Beschäftigte (Wechsel-)Schichtarbeit lediglich vertretungsweise (zum Beispiel als „Springer“) oder gelegentlich zugewiesen wird. Voraussetzung für die Zulage für nichtständige Wechselschichtneue caritas 8/2013 arbeit ist der mindestens einmalige tatsächliche Einsatz in allen geforderten Schichten innerhalb eines Monatszeitraums. Ob der Mitarbeiter diese Voraussetzung erfüllt, ist monatsweise (nicht kalendermonatsweise) zu bestimmen. Bei nichtständiger Schichtarbeit dürfen der Beginn der einen Schicht und der Beginn der anderen Schicht nicht mehr als einen Monat auseinanderliegen. Dabei wird weder eine gleichmäßige Verteilung der Schichtarten noch das Ableisten einer Mindestanzahl verlangt, noch, dass die (Wechsel-)Schichtarbeit durchgängig einen Monat gleistet wird. Der vertretungsweise Einsatz muss auch nicht auf demselben Arbeitsplatz erfolgen (BAG mit Urteil vom 13. Juni 2012 – 10 AZR 351/11). Das Urteil ist weitgehend auf die Anlagen 30 bis 33 AVR übertragbar. Norbert Beyer 25