Leitfaden Geldtransfers von Migranten
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Leitfaden Geldtransfers von Migranten
2 Migration, Poverty and Development in the Western Balkans, Caucasus and Central Asia Geldtransfers von Migranten in der Entwicklungszusammenarbeit Orientierung für die Praxis Herausgegeben von: Inhalt Inhalt Vorwort03 I. Einleitung05 Praxisorientierung – für wen?05 Begriffsklärung: Geldtransfers – was ist das?06 II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit 09 Warum sind Geldtransfers überhaupt ein Thema für die EZ? 09 Was sind die Grundsätze der EZ in der Debatte um Geldtransfers? 12 Welche Handlungsmöglichkeiten hat die EZ?14 Was haben wir in der deutschen EZ bisher bewirkt? 17 Literatur20 Vorwort Vorwort »Am Tag, als Omar Hatib* seinen Job in Deutschland Insbesondere auf Empfängerseite können die Voraus- verliert, ruft er seine Familie im Sudan an. Es ist Anfang setzungen hergestellt oder verbessert werden, dass die April, die Kündigung kam so plötzlich, dass er sie selbst Geldsendungen der Migranten nachhaltigen Nutzen kaum erklären kann. Seine Mutter ist am anderen Ende bringen. Mikro-Finanzprodukte, beispielsweise Spar- der Leitung, Hatib erzählt von seiner Firma, der die Auf- und Kreditprodukte oder auch Krankenversicherungen, träge ausgingen, er verspricht, weiter Geld zu schicken, können mit Geldtransfers verknüpft werden und damit wenn auch weniger als bislang. Er spürt, dass sie ihn nicht sowohl den Empfängern als auch dem Finanzsystem versteht, wie so oft in letzter Zeit. Wie soll man der Fami- insgesamt neue Möglichkeiten eröffnen. Dies setzt aber lie in einem der ärmsten Länder der Welt erklären, dass es voraus, dass Geldtransfers von Migranten im Rahmen in Deutschland so schwer ist, zu ein wenig Wohlstand zu des formellen Finanzsystems stattfinden. Neue Tech- kommen?« nologien können hierbei Kosten reduzieren und den (DIE ZEIT, 26.11.2009) Zugang erweitern: Mobilfunkkonzerne bieten schon heute innovative Zahlungssysteme über Handys und So wie Omar geht es vielen Migranten weltweit: Die Auszahlnetzwerke kleiner Läden, Tankstellen oder Finanzkrise hat auch sie hart getroffen. Ihre Über- Postfilialen an. Zwischenstaatlichen Geldtransfers weisungen an die Angehörigen, die sogenannten durch Migranten stehen noch zahlreiche Hindernisse Geldtransfers, sind in aller Munde – genauso wie die entgegen. Die Entwicklungspolitik setzt beim Abbau teilweise erschreckend hohen Gebühren, die bei Über- dieser Hindernisse mit dem Ziel an, dass die Anstren- weisungen fällig werden und die Migranten unver- gungen der Migranten sich lohnen und ihr Ertrag dort hältnismäßig belasten. Geldtransfers haben in vielen ankommt, wo er gebraucht wird. Ländern eine Spitzenposition unter den Geldquellen der Volkswirtschaften und zahlreicher armer Familien erreicht. Die öffentliche Diskussion darüber übersieht häufig die Nöte, Hoffnungen und menschlichen Kosten, die den Geldtransfers zugrunde liegen. Geldtransfers sind eine Überlebensstrategie, sie tragen direkt zur Armutsreduzierung bei; sie sind aber noch kein Garant für eine nachhaltige Entwicklung der Herkunftsländer von Migranten. Viel hängt davon ab, dass die mit den Geldströmen verbundenen Wirkungen und Potenziale noch mehr als bisher für Entwicklung nutzbar gemacht werden. Wie dies geschehen kann, möchten wir mit diesem Leitfaden aus entwicklungspolitischer Perspektive aufzeigen. * Name geändert 03 I.Einleitung Die hier vorliegende Praxisorientierung fasst die Erkenntnisse zusammen, die in den letzten Jahren in der deutschen und internationalen Zusammenarbeit im Praxisorientierung – für wen? Bereich Geldtransfers gesammelt wurden. Sie soll: Die Aufmerksamkeit, die dem Thema Migration innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in den letzten Jahren zuteil geworden ist, rührt unter anderem daher, dass bekannt wurde, welche großen Geldsummen Migrantinnen und Migranten jährlich zurück in ihre Herkunftsländer schicken. Es handelt sich dabei um die sogenannten Geldtransfers (im Englischen auch • Voraussetzungen für die Nutzung des entwicklungspolitischen Potenzials von Remittances aufzeigen, • Risiken der volkswirtschaftlichen Abhängigkeit von Geldtransfers diskutieren und • Anhaltpunkte für die praktische Bearbeitung des Themas im Rahmen der EZ geben. »Remittances«). In 2012 waren es laut Weltbank rund 406 Mrd. US$ und damit knapp dreimal so viel wie Sie richtet sich an: öffentliche Entwicklungshilfe. • Mitarbeiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Geldtransfers spielen eine wesentliche Rolle für die (Über-)Lebensstrategie vieler Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, die Finanzierung von Gesundheit und Bildung sowie für die Reduzierung weltweiter Armut. Jedoch können ihre Wirkungen sehr unterschiedlich sein, je nachdem, ob man die Ebene der Individuen, Haushalte, Regionen oder ganzer Volkswirtschaften betrachtet. • Mitarbeiter nationaler Institutionen in Partnerländern der deutschen EZ, • Mitarbeiter in Vorhaben der deutschen EZ sowie • andere Geber bzw. Durchführungsorganisationen in der internationalen EZ. Begriffserklärung: Geldtransfers – was ist das? Gastarbeiter« ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Auf Deutsch werden Geldtransfers von Migrantinnen »Gastarbeiter«2. Zweitens empfinden Migranten ihr und Migranten an ihre Familien in den Herkunftslän- ursprüngliches Herkunftsland nicht mehr zwangsläufig dern mitunter als Rücküberweisungen bezeichnet. als eigentliche »Heimat«. Erstens sind nicht alle Menschen, die Geld an Familien und Freunde im Ausland schicken, ehemalige Dies ist jedoch ein technisch falscher Begriff, da es sich bei einer Rücküberweisung streng genommen um die Die statistische Erfassung aller drei Komponenten Rücksendung einer fehlerhaften Überweisung handelt, von Geldtransfers ist kompliziert und mehrdeutig, bei der beispielsweise Empfänger, Kontonummer oder und verfügbare Daten der nationalen Zentralbanken Bankleitzahl nicht richtig angegeben waren. In der (und somit auch der Weltbank) beruhen zumeist auf entwicklungspolitischen Diskussion in Deutschland Schätzungen oder unterschiedlichen Arten der Be- hat es sich daher mittlerweile eingebürgert, von Geld- rechnung.3 Zur Illustration dieser Schwierigkeit wird in transfers oder von Remittances zu sprechen. Doch was den folgenden beiden Abbildungen die Erfassung bzw. genau verbirgt sich hinter diesem Begriff? Schätzung von Workers‘ Remittances in Deutschland vereinfacht dargestellt: Laut Definition der Weltbank setzen sich Geldtransfers aus drei Komponenten zusammen: 1) Workers‘ Remittances, worunter man Geldtransfers dauerhafter Migranten versteht, 2) Compensation of Employees, was die Geldtransfers temporärer Migranten, Saisonarbeiter und Grenzgänger beinhaltet, sowie 3) Migrant Transfers, worunter man insbesondere Warentransfers versteht. Die Deutsche Bundesbank weist in der Zahlungsbilanzstatistik diese Kategorien folgendermaßen aus1: Workers‘ Remittances werden dort als »Heimatüberweisungen der Gastarbeiter« bezeichnet und Compensation of Employees als »Erwerbseinkommen«. Migrant Transfers werden auch als solche bezeichnet 06 und als »Zahlungen infolge Erbschaft, Vermächtnis, Schenkung, Restitution, Ein- und Auswanderung« definiert. Der Begriff »Heimatüberweisungen der 1 In den drei Rubriken Erwerbs- und Vermögenseinkommen, laufende Übertragungen sowie Vermögensübertragungen. 2 Die sogenannten »Gastarbeiter«-Abkommen sind seit 1973 beendet. 3 Am genauesten ist die Höhe von Geldtransfer-Sendungen in Haushaltssurveys zu erfragen, dies ist jedoch ein äußerst aufwändiges und relativ teures Verfahren. Außerdem geben Menschen im Allgemeinen nur ungern Auskunft über ihr Einkommen und dessen Verwendung. Weitere Möglichkeiten der Datenerhebung sind Schätzungen, ökonometrische Modellrechnungen, Meldungen aus dem Zahlungsverkehr sowie Kombinationen davon. Die Vergleichbarkeit nationaler Geldtransfer-Statistiken wird dadurch enorm erschwert. I. Einleitung Abbildung 1: Erfassung von Geldtransfers in Deutschland Formelle Geldtransfers Statistisch erfassbar: Bei Überweisungen von über 12.500 € müssen die Kunden den Verwendungszweck angeben, wodurch private von geschäftlichen Geldtransfers unterschieden werden können. Banken und Geldtransferunternehmen (Money Transfer Operators (MTOs)) melden die Überweisungen dann an die Bundesbank. Informelle Geldtransfers Statistische Grauzone: • Beträge unter 12.500 € werden nur auf freiweilliger Basis von einigen Banken an die Bundesbank gemeldet. • Die Grenzen zwischen Direktinvestition und Geldtransfers bzw. zwischen Warentransfers und Geldtranfers sind fließend, weshalb auch ihre Erfassung in der Zahlungsbilanzstatistik nicht eindeutig ist. Statistisch nicht erfassbar: • Bargeld, das bei Reisen transportiert wird • Sendungen per Brief • Sendungen über nicht registrierte, d. h. informelle, MTOs (z. B. Hawalaoder Hundi-System4) • Warensendungen oder Geschenke unter einem Wert von 1.000 € Die erste Abbildung zeigt zunächst, warum Geldtrans- Gründe hierfür sind die hohen Kosten der formellen fers in Deutschland gar nicht vollständig erfasst werden Systeme, die einen großen Anteil der gesendeten Sum- können: Nur ein Teil der Überweisungen ist überhaupt me verschlingen können, fehlendes Vertrauen in die meldepflichtig5, und ein anderer, nicht unerheblicher Bankensysteme der Herkunftsländer sowie die dortige Teil wird über informelle Kanäle transferiert. Man geringe Bankendichte insbesondere in ländlichen Regi- schätzt, dass 5-20 % aller privaten Geldtransfers nach onen, welche den Zugang der Geldtransfer-Empfänger Lateinamerika und sogar 45-65 % aller Geldtransfers zu Bankdienstleistungen erschwert. nach Subsahara Afrika auf informellem Wege erfolgen. Abbildung 2: Schätzverfahren der Bundesbank am Beispiel Heimatüberweisungen Qualitative Erhebungen und Meldungen der Banken: Migrantenzahlen der Bundesagentur für Arbeit und der Versicherungsträger: Migranten mit sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung arbeitslose Migranten x Ermittlung durchschnittlicher Höchst- und Mindestbeträge der Migranten aus einem bestimmten Herkunftsland 4 Das Hawala-System ist ein informelles Geldtransfersystem, das sich bereits im frühen Mittelalter zwischen Händlern im Nahen Osten entwickelt hat. Es basiert weitgehend auf dem Vertrauen zwischen Handelspartnern, die als Ein- und Auszahlungsstellen für Privatpersonen agieren. Das System funktioniert, ohne dass Geld zwischen den Hawaladar (Händlern) fließen muss, da diese ihre Transaktionen miteinander verrechnen oder in Warenlieferungen begleichen können. Hundi ist die fernöstliche Version dieses Transfer-Systems. 5 Die Meldegrenzen sind eine Maßnahme zur Erleichterung kleiner Transfers ins Ausland und daher durchaus sinnvoll. Dieser sogenannte Risk-Based Approach wird im Folgenden noch erläutert werden. 07 »Heimatüberweisungen« auf 2,9 Mrd. €, Erwerbseinkommen, d. h. Geldtransfers temporärer Migranten, auf 7,9 Mrd. € und Migrant Transfers auf 0,2 Mrd. € (Quelle: Deutsche Bundesbank, Stand März 2010). Offiziell geht man also davon aus, dass im Jahr 2009 rund 11 Mrd. € an Geldtransfers aus Deutschland in alle Welt geflossen sind. Damit sind Geldtransfers aus Deutschland im Jahr 2009 trotz Finanz- und Wirtschaftskrise um 1 Mrd. gegenüber 2008 gestiegen. In dieser Praxisorientierung verwenden wir den Begriff Geldtransfers nicht im Sinne der Zahlungsbilanzstatistik. Stattdessen verstehen wir unter Geldtransfers alle (d. h. formelle und informelle) Waren- und Geldsendungen aller Menschen mit Migrationshintergrund in ihre Herkunftsländer, seien diese Menschen nun eingebürgert oder nicht, sozialversicherungspflichtig beschäftigt oder nicht, temporär oder dauerhaft im Aufnahmeland. Die statistische Erfassung von Geldtransfers ist zwar ein wichtiges Thema, hier soll jedoch Die zweite Abbildung wiederum zeigt, warum allein der vor allem die entwicklungspolitische Bedeutung und Bezug auf Worker’s Remittances oder »Heimatüberwei- Wirkung von Geldtransfers erläutert werden. sungen« nicht das gesamte Ausmaß der GeldtransferSendungen aus Deutschland widerspiegeln kann: Diese beziehen sich nur auf bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Arbeitslose, sowie auf bei Versicherungsträgern gemeldete, angestellte Migranten. Dadurch werden Geldtransfers großer Teile der Bevölkerung mit Migrationshintergrund nicht erfasst, etwa eingebür- 08 gerter ehemaliger Migranten oder Nichtversicherter. Ebenso können die durchschnittlichen Überweisungsbeträge pro Person und Situation der Familie so stark schwanken, dass die Durchschnittsermittlung für die einzelnen Länder u. U. ein stark verzerrtes Bild ergibt.6 Trotz all dieser Schwierigkeiten geben die Zahlen der Bundesbank aber einen ersten Eindruck von der Größe des Phänomens: Für 2009 schätzt die Bundesbank die 6 Auch Rentenzahlungen an ehemalige Arbeitsmigranten, die in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt sind, werden unter einer anderen Rubrik der Zahlungsbilanz (»laufende Übertragungen«) erfasst, sind jedoch nicht nach Nationalität der Empfänger aggregiert. II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit Warum sind Geldtransfers überhaupt ein Thema für die EZ? »Geldtransfers tragen zu Armutsreduzierung bei.«7 Mittel gespart oder privatwirtschaftlich investiert werden können. Auch auf makroökonomischer Ebene wurden statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen dem Anstieg von Geldtransfers und der Verringerung von Armut festgestellt. So hat man errechnet, dass die Die Bedeutung von Geldtransfers für die Empfänger Reduzierung der Anzahl der absolut Armen in Nepal in Entwicklungsländern liegt auf der Hand: Sie fließen zwischen 1995 und 2004 zu 5 % allein auf den Anstieg direkt an Haushalte in Entwicklungsländern und tra- internationaler Geldtransfers im selben Zeitraum zu- gen dort zur Finanzierung des Lebensunterhalts bei. So rückzuführen ist. Auch ergeben Simulationsrechnun- kann der Anteil der Geldtransfer-empfangenden Haus- gen, dass ein Anstieg formeller Geldtransfers um 10 % halte in einigen Ländern sehr hoch sein: In Nicaragua eine gesamtwirtschaftliche Armutsreduzierung um liegt er etwa bei 40 %, in El Salvador immerhin bei 19 %. 3,5 % zur Folge hat. Und nicht zuletzt sind Geldtransfers Außerdem machen Geldtransfers häufig einen bedeu- stabile Ressourcenflüsse, die sogar ansteigen, wenn das tenden Teil des gesamten Einkommens dieser Haus- Herkunftsland der Migranten von Naturkatastrophen halte aus: Auf den Philippinen beispielsweise stammen heimgesucht wird, wie etwa nach dem verheerenden 25-50 % des durchschnittlichen Haushaltseinkommens Erdbeben Anfang 2010 in Haiti beobachtet werden aus dem Ausland. Die Asiatische Entwicklungsbank konnte. Um die genannten armutsreduzierenden Effek- schätzt, dass 4,3 Mio. Menschen auf den Philippinen te von Geldtransfers zu verstärken, muss ihr Transfer nur aufgrund von Geldtransfers über der Armutsgrenze schneller, billiger und sicherer gemacht werden. bleiben. Im Allgemeinen wird der größte Teil der Geldtransfers für Nahrung verwendet, nämlich etwa zu 75,5 % in Nicaragua, 79,4 % in El Salvador oder 56 % in Bangladesch. An zweiter und dritter Stelle folgen meist Ausgaben für Kleidung oder Reparaturen. Weiterhin werden Bildung und Gesundheit als wichtige Ausgaben genannt. Das bedeutet, dass Geldtransfers entscheidend zur Deckung von Grundbedürfnissen beitragen. Es bedeutet aber leider auch, dass üblicherweise nur wenig verbleibende 7 Acosta 2006, Andersen et al. 2005, IOM 2005, Mohapatra et al. 2009, Orozco 2003a, Page and Adams 2004, Ratha 2009 und UNInstraw 2008. 09 »Geldtransfers finanzieren Bildung, Gesundheit und soziale Sicherung.«8 Wenn Geldtransfers nicht unmittelbar für Grundbe- »Geldtransfers tragen zu Existenzgründungen und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei.«9 dürfnisbefriedigung verwendet werden müssen, ist es 10 den Familien von Migranten möglich, diese verstärkt Schließlich können Geldtransfers auch wachstums- in Bildung und Gesundheit zu investieren. Auf den fördernde Effekte haben, allerdings nur, wenn die Philippinen beispielsweise sind Bildungsausgaben ein wirtschaftlichen Rahmenbedingungen es erlauben und fester Bestandteil der Verwendung von Geldtransfers; staatlicherseits die richtigen Anreize gesetzt werden. in Südafrika steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Durch Geldtransfer-finanzierten Konsum lokaler Pro- Kind die Schule besucht, um 30 %, wenn seine Familie dukte kann die heimische Wirtschaft gestärkt werden. Geldtransfers empfängt. Auch dienen Geldtransfers der Auch sind Migranten oft daran interessiert, ihr Geld im Vorsorge, Abfederung und Bewältigung von Krisen und Herkunftsland zu investieren oder dort selbst privat- Gefahren, wie etwa Naturkatastrophen, Krankheiten, wirtschaftlich tätig zu werden. In beiden Fällen tragen Arbeitslosigkeit oder Todesfällen in der Familie und sie zum Aufbau der lokalen Wirtschaft und zur Be- tragen somit zur sozialen Sicherung bei. Geldtransfers schäftigungsförderung bei. Sie benötigen hierzu jedoch werden von Migranten und Geldtransfer-Empfängern die richtige Beratung, Unterstützung und Zugang zu also zur Erreichung klassischer Entwicklungsziele ver- (Mikro-) Krediten, was durch EZ-Maßnahmen ermög- wendet, wobei die EZ Hilfestellung leisten kann. licht werden kann. 8 Buch et al. 2002, Bugamelli und Paternò 2005, GTZ 2009, Lu und Treiman 2007, Yang 2008, Yang und Choi 2005. 9 IWF 2009, Weltbank 2005. II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit »Geldtransfers stärken das Finanzsystem und erleichtern den Zugang zu Finanzdienstleistungen.«10 Dabei spielt der Erwerb von finanzieller Grundbildung, d. h. Wissen über die Existenz und Funktionsweise verschiedener Finanzprodukte, eine entscheidende Rolle. Der Geldtransfer selbst muss jedoch nicht zwangsläufig über eine Bank passieren: In vielen Teilen Asiens und Geldtransfers sind nach ausländischen Direktinvestiti- Afrikas entwickeln Mobilfunkunternehmen Möglich- onen die größte Finanzquelle in Entwicklungsländern. keiten, wie Geld per Handy in entlegene Landesteile Außerdem sind sie die am schnellsten wachsende Quel- transferiert und dort durch Netzwerke kleiner Aus- und le: Zwischen 2002 und 2012 haben weltweite Geldtrans- Einzahlungsstellen (zum Beispiel Tankstellen oder fers sich verdreifacht. Gesamtwirtschaftlich betrachtet, Läden) bar ausgezahlt werden kann. Die TZ kann Re- machen Geldtransfers in manchen Ländern einen gierungen in Partnerländern beratend zur Seite stehen, großen Teil des Bruttonationaleinkommens aus, zum wenn es um die Entwicklung angepasster Finanzpro- Beispiel 23 % in Moldau oder 47 % in Tadschikistan. Das dukte, Sensibilisierung der Banken für die Nutzung des allein ist noch kein Hinweis auf ihre positive Entwick- Geschäftspotenzials von Geldtransfers oder Erstellung lungswirkung, verdeutlicht aber die Abhängigkeit der eines förderlichen regulativen Rahmenwerkes für Mo- betreffenden Volkswirtschaften von Geldtransfers. bile Banking geht. Große Wirtschaftskrisen wie Ölkrise, Asienkrise oder die 2007 ausgebrochene globale Finanz- und Wirtschaftskrise haben immer eine Beschränkung von Zuwanderungsmöglichkeiten in Industrieländer mit sich gebracht. Wenn auf diese Weise die Einkommensmög- »Das Verhalten von Männern und Frauen bezüglich des Sendens und Verwendens von Geldtransfers ist unterschiedlich.«11 lichkeiten für Migranten verringert werden, verschärft dies automatisch die Armut in ihren Herkunftsländern, Anhand von Geldtransfers wird die Genderdimension und bei hohen Abhängigkeiten können die Auswirkun- von Migration und Entwicklung sehr deutlich: In der gen desaströs sein. Solange die Geldtransfer-Ströme Forschung wurde einhellig festgestellt, dass Frauen, die anhalten, gleicht der beständige Devisenfluss jedoch im Ausland arbeiten, einen größeren Teil ihres Einkom- Zahlungsbilanzdefizite aus und erhöht somit die inter- mens zurück an ihre Familien schicken, als Männer nationale Kreditwürdigkeit. Werden Geldtransfers über dies tun. In einer Studie über bangladeschische Frauen formelle Wege geschickt, stärken sie das Finanzsystem im Nahen Osten wurde etwa festgestellt, dass sie bis zu des Empfängerlandes: Die Refinanzierung der Banken 72 % ihres Einkommens an ihre Familien zu Hause schi- wird dadurch erleichtert, was diesen wiederum erlaubt, cken. Ein anderes Beispiel kommt aus Sri Lanka: 60 % mehr Kredite zu vergeben. aller sri-lankischen Migranten sind Frauen, sie verdienen im Durchschnitt deutlich weniger als ihre männli- Wenn kostengünstige und sichere Transfermechanis- chen Kollegen im Ausland. Dennoch werden rund 62 % men existieren, eröffnet dies großen Bevölkerungs- der gesamten Geldtransfer-Summe, die Sri Lanka jähr- gruppen einen erstmaligen Kontakt mit dem formellen lich empfängt, von Frauen gesendet. Und wenn Frauen Finanzsektor. Über diesen Kontakt zu Banken eröffnet über Geldtransfers als Teil des Haushaltseinkommens sich für die Kunden häufig erstmalig der Zugang zu an- verfügen können, so verwenden sie höhere Anteile für deren Finanzprodukten wie Sparkonten oder Krediten. Bildung und Gesundheit, als männliche Haushaltsvor- 10 Mansoor und Quilin 2007, Ratha et al. 2007, Razin 2006, Weltbank 2005. stände dies üblicherweise tun. 11 ADB 2004. IOM 2005, Sørensen 2005, UNFPA 2006. 11 »Kollektive Geldtransfers finanzieren soziale Infrastruktur.«12 eine Rolle in nationalen Entwicklungsplänen zugewie- Vielerorts gründen Migranten im Ausland sogenann- Geldtransfers sind kein Ersatz für staatliches Handeln, te Home-Town-Associations (HTAs), deren Ziel es ist, allenfalls lassen sich gemeinsame Ziele zwischen Staat Entwicklung in der Heimatstadt oder -region zu för- und Migranten definieren, zu deren Erreichung beide dern. Dafür sammeln diese HTAs Geld, das sie dann in komplementär beitragen können (etwa im Rahmen von gemeinnützige Projekte investieren, wie zum Beispiel Matching Funds). sen und die Verantwortung für die Entwicklung eines Landes somit den Migranten aufgebürdet werden. den Bau von Schulen oder Krankenhäusern. Viele Länder, die eine große Diaspora im Ausland haben, haben daher früh damit begonnen, Migranten im Ausland in Geldtransfers sind Teil des Finanzsystems. staatliche Entwicklungsvorhaben in ihren Herkunftsregionen einzubeziehen. Im mexikanischen Tres por Regierungen der Herkunftsländer von Migranten Uno oder dem philippinischen Linkapil-Programm13 haben häufig ein großes Interesse daran, Geldtransfers werden beispielsweise die Beiträge der Migranten in so- im Rahmen des Möglichen zu erleichtern, da sich dies genannten Matching Funds vom Staat aufgestockt und positiv auf die Refinanzierung von Banken sowie auf somit die Investitionssumme für Infrastrukturprojekte die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung auswirkt. erhöht. In Mexiko zahlen Migranten jährlich rund 20 Dies kann im Rahmen von Finanzsystementwicklung Mio. US$, auf den Philippinen immerhin rund 2,2 Mio. auf verschiedenen Ebenen erfolgen, z. B. auf Ebene der US$ in diese Programme ein. Finanzinstitutionen, der Verbände sowie der Regulierer und Bankenaufsicht. Ein stabiles und nachfrageorientiertes Finanzsystem benötigt nicht nur die passende Was sind die Grundsätze der EZ in der Debatte um Geldtransfers? Geldtransfers sind private Gelder. Die seit einer Publikation der Weltbank 2003 anhalten- 12 de internationale Begeisterung für Geldtransfers und ihre potenziellen positiven Auswirkungen auf Wachs- Gesetzgebung, sondern auch die Stärkung von Institutionen wie Zentralbanken, Regulierungsbehörden, Kreditinformationsbüros oder KonsumentenschutzVerbänden. Dabei kann die EZ fachliche Beratung zum Aufbau der entsprechenden Kapazitäten leisten. Geldtransfers sind Teil der Migrations- politik. tum, Investition und Beschäftigung verliert bisweilen aus den Augen, dass es sich bei Geldtransfers um pri- Die Höhe der Geldtransfers hängt insbesondere davon vate Gelder handelt, die von Privatpersonen erarbeitet ab, wie viele Menschen ihr Herkunftsland verlassen ha- wurden und an ihre Familien in den Herkunftsländern ben und im Ausland arbeiten. Dies wiederum spiegelt geschickt werden, die diese wiederum gemäß ihren die Migrationspolitik des Herkunftslandes wider. Einige Bedürfnissen verwenden. Nationalstaaten und ihre Re- Regierungen betreiben gar keine aktive Migrationspo- gierungen können und dürfen keinen Anspruch darauf litik, sondern nehmen die Abwanderung ihrer Bürger erheben. Geldtransfers sollten keinesfalls staatlicherseits billigend in Kauf. Andere wiederum fördern sie sogar 12 Orozco 2003b. 13 www.cfo-linkapil.org.ph/. explizit, um heimische Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Eine solche Strategie wird meist damit begründet, dass II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit Geldtransfers die sozialen Kosten der Migration mehr als kompensierten. Als temporäre Maßnahme mag dies sinnvoll sein, langfristig sollte es aber das Ziel von Regierungen sein, den eigenen Bürgern Beschäftigungs- Nicht alle Migranten oder Geldtransfer Empfänger sind Unternehmer oder Investoren. und Lebensperspektiven zu Hause bieten zu können. Im Gegenteil: Der Großteil der Geldtransfers wird zur Geldtransfer-Effekte können wider sprüchlich sein. Deckung von Grundbedürfnissen verwendet. In der internationalen Debatte stößt man häufig auf die Ansicht, die produktive Verwendung von Geldtransfers sei unter Entwicklungsaspekten einer konsumtiven Verwendung Geldtransfers tragen zwar eindeutig zu Armutsbe- vorzuziehen und müsse daher ausgeweitet werden. Wir kämpfung individueller Haushalte bei, sie können halten diese Debatte für müßig: Erstens ist die Abgren- jedoch auch volkswirtschaftliche Abhängigkeiten und zung zwischen produktiver und konsumtiver Verwen- Probleme erzeugen (z. B. Dutch Disease14). Mikro- und dung unklar, beispielsweise in der Beantwortung der makroökonomische Kosten und Nutzen müssen daher Frage, ob Hausbau konsumtiv oder produktiv sei oder pro Land immer sorgfältig analysiert werden. Darauf in welchem Ausmaß der durch Geldtransfers verstärkte aufbauend, kann die EZ gezielt Maßnahmen entwi- Konsum zu Wachstum beiträgt. Zweitens entscheiden ckeln, wie Nutzen maximiert und Risiken reduziert die Migranten selbst über die Verwendung der Mittel. werden können. Daher kann die Rolle der EZ sein, Spielräume zur Verwendung von Geldtransfers für Existenzgründungen oder Investitionen auszuloten und für Migranten und Geldtransfer-Empfänger diesbezüglich Anreize oder förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen. 14 Verhinderung von Währungsabwertungen im Herkunftsland der Migranten aufgrund des hohen Devisenzustroms; erschwert den Export heimischer Produkte. 13 Welche Handlungsmöglichkeiten hat die EZ? a) Geldtransfers in formelle Kanäle leiten: Dies kann nur geschehen, wenn Banken und Transferunternehmen ihren Kunden überzeugende Angebote machen. Ein Beispiel hierfür ist das Geschäftsmodell marokka- Datenerhebung verbessern nischer und türkischer Banken in Deutschland: Diese Banken betreiben Niederlassungen in Deutschland, die Um überhaupt einschätzen zu können, welche Be- für ihre Kunden kostenlos Auslandstransfers durch- deutung Geldtransfers für ein Entwicklungsland führen können. Der Vorteil dieses Geschäftsmodells haben, ist es unerlässlich, eine Vorstellung von ihrer besteht für die Bank darin, dass keine teure Banklizenz tatsächlichen Höhe zu bekommen. Die Erfassung und in Deutschland erworben werden muss, der Nach- Schätzung von aus- und eingehenden Geldtransfers teil für die Kunden, dass keine über den Geldtransfer ist sehr schwierig, wie eingangs am Beispiel Deutsch- hinausgehenden Finanzdienstleistungen angeboten lands erläutert wurde. Weltbank und IWF arbeiten seit werden. langem daran, diese Schwierigkeiten zu beheben und Entwicklungsländer dabei zu unterstützen, ihre Sta- b) Mikrofinanzinstitutionen (MFIs) einbeziehen: Häu- tistiken zu verbessern. Dies geschieht insbesondere im fig scheitert die Nutzung formaler Kanäle schlicht da- Rahmen einer internationalen Arbeitsgruppe, die auf ran, dass den Empfängern keine Bankeninfrastruktur Initiative der G8 gegründet wurde . Die EZ kann ihre zur Verfügung steht, weil die Entfernung zur nächsten Partnerländer dabei unterstützen, nationale Statistiken Bank zu weit ist, die Kosten der Kontoführung zu hoch gemäß den Vorschlägen des IWF zu verbessern, um sind oder Banken bestimmte (oft einkommensschwa- ein genaueres Bild von Höhe oder Verwendung von che) Bevölkerungsgruppen nicht als Kunden akzeptie- Geldtransfers zu erhalten. ren. Eine Alternative hingegen bieten MFIs sowie Spar- 15 und Kreditgenossenschaften, die auch in abgelegenen Geldtransfers erleichtern Regionen vertreten sind und genau diese Kundengruppe adressieren. Eine Möglichkeit, deren Kunden das Senden und Empfangen von Geldtransfers zu erleich- 14 Aufgrund der hohen Bedeutung, die der Bekämpfung tern besteht darin, die betreffenden Institutionen mit von Geldwäsche und Terrorfinanzierung beigemessen Banken zu verbinden, die nationale und internationale wird, ist es Ziel der Politik, dass internationale Geld- Transfers durchführen können. Ein Beispiel hierfür transfers über formelle Kanäle abgewickelt werden. ist die haitianische Mikrofinanz-Gruppe Fonkoze, die Grundsätzlich gilt dabei: Je schneller, günstiger und mit der US-amerikanischen CNB für internationalen sicherer die formellen Transferwege funktionieren, Geldtransfer kooperiert und dadurch sehr günstige desto positiver wirkt sich dies auf Armutsreduzierung Transfers anbieten kann. aus, da mehr Geld bei den Familien im Herkunftsland ankommt. Daher ist eins der wichtigsten Ziele im c) Mobile und Branchless Banking: Aber nicht nur Bereich Geldtransfers, internationale Geldtransfers Banken und Kreditgenossenschaften können entle- zu erleichtern. Die EZ kann ihre Partnerländer bei der gene Gebiete erreichen. Noch weiter ist das Verbrei- Auswahl, Konzipierung und Durchführung diverser tungsgebiet von Mobilfunkanbietern, die seit einigen Maßnahmen zur Erreichung dieses Ziels unterstützen: Jahren verstärkt auf den Geldtransfer-Markt treten. In mehreren Ländern wurden bisher Mobil-Währungen 15 siehe http://go.worldbank.org/IAB4ATKUD0. II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit eingeführt, die per Handy transferiert und beispiels- Geldwäsche und Terrorfinanzierung (Anti-Money- weise in kleinen Geschäften oder Tankstellen aus- und Laundering / Combating the Financing of Terrorism, eingezahlt werden können. Bekannte Beispiele hierfür kurz: AML/CFT) wurden sehr strenge Regelungen sind M-Pesa, eine Mobilwährung, die Geldtransfers von eingeführt, welche die Banken verpflichten, genau- Großbritannien nach Kenia ermöglicht (siehe Kasten), estens Buch zu führen über ihre Kunden und deren oder G-Cash Remit innerhalb der Philippinen. Zahlungsvorgänge. In Bezug auf Geldtransfers lohnt es sich jedoch, einen sogenannten Risk-Based Approach d) Karten: Ebenso mobil sind Transferlösungen mit zu verfolgen und die Sendung kleiner Summen nicht Chip-Karten, die in unterschiedlichen Ausführungen durch bürokratischen Aufwand zu ersticken. Im Rah- existieren. So bietet beispielsweise die spanische La men von Zentralbank-Beratungsvorhaben kann die Caixa Bank ihren Kunden Konten mit zwei Karten an, EZ hierbei ihre Expertise einbringen. So hat beispiels- sodass beispielsweise der Migrant in Spanien einem Fa- weise die GIZ die honduranische Regierung bei einer milienmitglied in seinem Herkunftsland beschränktes graduellen Einführung von AML/CFT-Vorschriften für Zugriffsrecht auf das Konto ermöglichen kann. privatwirtschaftliche Geldtransferunternehmen sowie eines Risk-Based Approach beraten. e) Regulierung: Bisweilen liegen die Schwierigkeiten im Geldtransfer nicht in den technischen oder institutionellen Bedingungen, sondern in der Bankenregulierung und -aufsicht. Im Zuge der Bekämpfung von Wie funktionieren Mobile und Branchless Banking konkret? Carl arbeitet in Großbritannien und möchte von dort aus seiner Schwester Eliza in Nairobi Geld schicken. Er lässt sich bei M-Pesa registrieren, bekommt eine Nummer und ein Passwort und verfügt damit – dank einer speziellen Software auf der SIM-Karte – über ein Konto. Darauf kann er die »Mobilwährung« M-Pesa einzahlen, indem er beim Anbieter eine Prepaid-ähnliche Karte kauft. Nun kann Carl Geld per Handy an Eliza schicken, die in Kenia auch bei M-Pesa registriert ist. Für die Auszahlung vor Ort sorgen über 40.000 Agenten, d. h. Betreiber kleiner Läden oder Tankstellen. 15 Transparenz auf dem Überweisungsmarkt schaffen mit Finanzakteuren kann sie spezifische Produkte ent- Insbesondere in den Ländern, aus denen Migranten nung tragen. wickeln, die den besonderen Lebensumständen und Interessen von Migranten und ihren Familien Rech- ihr Geld schicken, mangelt es an Transparenz auf dem 16 Markt für Überweisungen. Banken und Transferunter- Einige konkrete Beispiele: Philippinische Bürger, die nehmen profitieren davon, dass es in der Vergangen- im Ausland arbeiten, können beispielsweise freiwillig heit kaum möglich war, einen Überblick über existie- Beiträge zur öffentlichen Krankenversicherung der rende Angebote zu bekommen, um sich das günstigste Philippinen leisten und somit vor allem ihre Familien, auszusuchen. Hinzu kommt, dass Kunden mit einem aber auch sich selbst bei Heimataufenthalten versi- Bankkonto auch eine gewisse Bindung an ihre Bank chern. Bei Transfers über die haitianischen Fonkoze- haben und evtl. nicht bereit sind, sich mit den Ange- MFIs können Geldtransfers direkt auf Sparkonten boten anderer Banken auseinanderzusetzen. Um die der Migranten oder ihrer Familienmitglieder geleitet Transparenz zu erhöhen und Migranten und ihren werden. Die MFI PAMECAS im Senegal bietet ihren Familien die individuellen Einsparmöglichkeiten zu Kunden kombinierte Spar- und Kreditprodukte an, demonstrieren, haben mehrere europäische Geber so- mit denen die Migranten nach ihrer Rückkehr im genannte Preisvergleichs-Webseiten ins Leben gerufen. Herkunftsland ein Unternehmen gründen oder ein Die im Auftrag des BMZ erstellte Seite www.Geldtrans- Haus bauen können. Eine besondere Anlageart für fair.de ist ein Beispiel dafür: Hier kann man sich über Migranten sind sogenannte Diaspora-Bonds: Dies sind verschiedene Arten des Geldtransfers aus Deutschland festverzinsliche Anleihen, die die Migranten im Aus- in 34 verschiedene Länder informieren und Gebühren land erwerben können, wodurch sie ihrem Herkunfts- und Dauer der Transfers bei verschiedenen Anbietern land Finanzmittel für Entwicklungsmaßnahmen zur vergleichen. Auch andere europäische Geber haben Verfügung stellen, die nicht projektgebunden sind wie ähnliche Webseiten konzipiert. im Fall der Matching Funds. Finanzprodukte für Migranten und Geldtransfer-Empfänger entwickeln Finanzielle Grundbildung und Kundenschutz stärken Aufgrund ihrer transnationalen Lebensweise haben Für Migranten, die Geldtransfers schicken – und dabei Migranten und ihre Familien andere Bedarfe an Fi- handelt es sich um die große Mehrheit der Migranten! –, nanzdienstleistungen als andere Menschen. Die Tatsa- sind finanzielle Grundbildung und Kundenschutz im che, dass regelmäßiges Einkommen im Ausland erzielt Finanzsektor besonders wichtig. Die EZ kann entspre- wird, kann Schwierigkeiten beim Zugang zu Kredit-, chende Verbraucherschutz-Institutionen mit aufbauen Spar- oder Versicherungsprodukten im Herkunftsland oder beraten. Auch die Verbreitung von Informationen bereiten: Sozialsysteme sollen Bürger im Ausland ver- zur finanziellen Grundbildung über Massenmedien sichern, Banken Sicherheiten von Kunden im Ausland oder Kampagnen sowie die Entwicklung nationaler akzeptieren, Migranten Wechselkursverluste beim Curricula, die den Menschen die Fähigkeit vermitteln, Sparen im Herkunftsland hinnehmen. Zur Lösung all verantwortlich mit finanziellen Ressourcen umzuge- dieser Probleme gibt es mittlerweile gute Ideen, die EZ hen, kann eine wichtige Aufgabe von EZ-Institutionen ist bei ihrer Umsetzung gefordert. In Zusammenarbeit sein. II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit Was haben wir in der deutschen EZ bisher bewirkt? zeigte sich, dass eine große Informationslücke zwischen beiden Gruppen klafft und die Banken nicht genügend auf ihre potenziellen Kunden im Ausland zugehen. Beispielsweise hat nur eine einzige Beispiel 1: Dialog zwischen Banken und Migranten sowie Financial Literacy in Serbien serbische Bank eine Niederlassung in Deutschland. In der Folge erstellte die GIZ eine Infobroschüre, in der ausführlich die Veränderungen im serbischen Bankensektor seit den 90er-Jahren, das Angebot der Etwa 3,5 Mio. Serben leben außerhalb ihres Her- dortigen Banken sowie Kundenschutzmaßnahmen kunftslandes. Im Jahr 2008 schickten sie rund vorgestellt und Tipps zum Umgang mit Finanz- 5,5 Mrd. US$ Geldtransfers auf formellem Wege dienstleistungen in Serbien gegeben wurden. Die zurück nach Serbien. Die Höhe der informellen Broschüre wurde als Beilage der größten Tages- Geldtransfers dürfte noch mal so hoch sein, da sich zeitung für die serbische Diaspora direkt an die die Mehrheit der serbischen Migranten in europäi- Migranten verteilt. Die intensiven Diskussionen, die schen Ländern aufhält, aus denen man leicht nach im Zuge der Erstellung der Broschüre mit Banken, Serbien reisen und dabei Gelder selbst mitnehmen Verbraucherschutzinstitutionen und Entwicklungs- oder Kurieren mitgeben kann. Zusätzlich hegen sie organisationen in Serbien geführt wurden, haben noch aufgrund der traumatischen Erfahrung des Impulse gegeben, die Migranten im Ausland stärker Zusammenbruchs des serbischen Finanzsektors in als Kundengruppe einzubeziehen. Einige serbische den 1990er-Jahren großes Misstrauen gegenüber Banken haben Ende 2009 begonnen, eigene Diaspo- Banken. Im Auftrag des BMZ widmete sich das ra-Informations-Bereiche auf ihren Webseiten zu Sektorvorhaben Migration und Entwicklung der erstellen. Außerdem werden nun von diesen Banken GIZ gezielt dem Fall Serbien. Um die Einstellungen Finanzprodukte entwickelt, die auf die Bedürfnisse serbischer Migranten zur Nutzung formeller Trans- der Migranten abgestimmt sind. ferkanäle zu erfahren, führte die GIZ zunächst eine Befragung serbischer Migranten in Deutschland durch, bei der auch Bedarfe an weiterführenden Finanzdienstleistungen erhoben wurden. Hierbei Beispiel 2: Regulierung von Geldtransfers in Honduras wurde deutlich, dass bei den Migranten zwar der Wunsch nach Zugang zu Finanzdienstleistungen in Honduras ist sehr stark von Migration, hauptsäch- Serbien besteht, häufig auch im Zusammenhang mit lich in die USA, geprägt. Geschätzte 26 % seines eigenen Rückkehrplänen, dass sie aber im Allgemei- Bruttonationaleinkommens bestehen aus Geld- nen nicht wissen, wie sie an die nötigen Informatio- transfers. Die GIZ unterstützt im Rahmen des Ko- nen kommen können. Im Ergebnis entgeht dadurch operationsvorhabens PROMYPE (Einkommens- und den Migranten die Möglichkeit, ihr Geld optimal Beschäftigungsförderung) seit vielen Jahren lokale für Pläne in Serbien zu nutzen oder es dort anzu- und regionale Entwicklungsprozesse in Honduras legen, und den Banken entgeht ein finanzkräftiger und führt seit 2001 in Zusammenarbeit mit der KfW Kundenstamm. Daraufhin organisierten GIZ und und CIM auch eine Komponente zur Entwicklung die serbische Nationalbank gemeinsam eine Kon- des Finanzsystems durch. Mit Unterstützung der ferenz in Belgrad, bei der Migrantenorganisationen GIZ hat die honduranische Regierung in den letzten und Banken miteinander ins Gespräch kamen. Es Jahren regulative Rahmenbedingungen unter 17 anderem für sichere Geldtransferbedingungen Armut bei. Jedoch begeben sich Menschen durch sowie Mikrofinanzprodukte geschaffen. Diese Migration auch in erhöhte Risiken, etwa weil sie im wurden an internationalen Standards ausgerichtet Ausland nicht krankenversichert und von Ausbeu- – eine wichtige Voraussetzung für reibungslosen tung und Rechtsunsicherheit bedroht sind. Aufgabe internationalen Zahlungsverkehr. Das Vorhaben der Entwicklungszusammenarbeit kann es daher konzentrierte sich darüber hinaus darauf, Geld- sein, Risiken im Zusammenhang mit Migration transfers von Migranten an ihre Familien in for- zu begrenzen und das Potenzial von Geldtransfers melle Kanäle zu leiten, und unterstützte Spar- und zur Erhöhung der sozialen Sicherung zu fördern. Kreditgenossenschaften bei der Entwicklung von So können sich beispielsweise Systeme ländlicher auf den Bedarf der Migranten zugeschnittenen Pro- Krankenversicherungen schneller selbst tragen, dukten. PROMYPE unterstützte die Spar- und Kre- wenn Geldtransfer-Empfänger in der Anfangsphase ditgenossenschaften des UNIRED-Netzwerkes bei gezielt als Kunden adressiert werden. Auch profi- der Implementierung des Produktes »Uniremesas«, tieren staatliche Gesundheitssysteme davon, wenn eines flexiblen Finanzprodukts, das den Empfän- sie sich für freiwillige Einzahlungen von Migranten gern von Überweisungen aus dem Ausland Anreize im Ausland öffnen und diese versichern. Die Studie bietet, das empfangene Geld zur Ersparnisbildung, schlägt vor, konkrete Maßnahmen jeweils an die für Unternehmensgründungen oder als Garantie für Situation in einem bestimmten Migrations- und Kredite zu verwenden. Geldtransfer-Korridor anzupassen. Es wird gezeigt, dass die Nutzung von Geldtransfers für Versiche- Beispiel 3: Geldtransfers und soziale Sicherung rungen dann am einfachsten sein dürfte, wenn 1) diese nicht unmittelbar an formelle Arbeitsverhältnisse der Migranten oder Geldtransfer-Empfänger anknüpfen, sondern Geldtransfers schlicht als Teil Im Auftrag des BMZ wurde von der GIZ eine Studie des verfügbaren Einkommens behandeln, 2) zeitna- zum Thema »Geldtransfers und Soziale Sicherung« he und begrenzte Leistungen zu erbringen sind oder erarbeitet: Auf die Frage, wie Geldtransfers gezielt 3) der Zeitraum der Versicherung mit dem Migrati- zur Erhöhung von sozialer Sicherheit verwendet onszeitraum übereinstimmt. werden können, gab es bisher nur wenige Antworten und noch weniger Vorschläge, welchen Beitrag 18 die EZ dazu leisten kann. In dieser Studie wird nun erstmals analysiert, wann und wie sich das Potenzial von Geldtransfers für soziale Sicherheit nutzen lässt. Zunächst lässt sich festhalten, dass Migration und Geldtransfers selbst schon eine private Strategie zur Absicherung und Bewältigung sozialer Risiken darstellen. Gerade in Ländern mit hoher Arbeitslosigkeit sind die Menschen auf Migration angewiesen. In Krisenzeiten bleiben GeldtransferStröme stabiler als andere Finanzströme (zum Beispiel ausländische Direktinvestitionen). Außerdem tragen sie wesentlich zur Reduzierung von II. Geldtransfers in der Entwicklungszusammenarbeit Beispiel 4: Handbuch Financial Literacy for Remittances and Diaspora Investment Remittances-basierten Finanzprodukten, (3) Steigerung der Nutzung von formellen Finanzprodukten unter Remittances-Sendern und –Empfängern, (4) Förderung des Unternehmertums unter transnationalen Familien Werden Remittances über informelle Kanäle, vorbei und (5) Diaspora Investitionen in den Herkunftslän- am formellen Banken- und Finanzsektor transferiert, dern. FReDI bietet einen Überblick über die Lehren und so ist ihre Verwendung zur Ersparnisbildung, Kauf von Empfehlungen aus bereits existierenden Projekten. Es Versicherungsprodukten oder für produktive Inves- richtet sich an Multiplikatoren in der deutschen und titionen eher selten. Ein Ansatz der GIZ ist es daher, internationalen Entwicklungszusammenarbeit und die Nutzung kostengünstiger, sicherer und effizienter dient diesen als Orientierungshilfe zur erfolgreichen formeller Transfers zu fördern, und somit eine Verwen- Planung von Interventionen, welche das Ziel verfolgen dung von Remittances im formellen Finanzsektor zu das Potential von Remittances zur finanziellen Inklusi- ermöglichen. Das Ziel ist die finanzielle Inklusion von on zu nutzen. Migranten und ihren Familien, d.h. ihnen Zugang zu effizienten formellen Finanzdienstleistungen (Zahlungsverkehr, Sparprodukte, Kredite oder Versicherungen) zu verschaffen. Remittances können finanzielle Inklusion ermöglichen. Erfahrungen haben gezeigt, dass viele transnationale Familien durch das Senden oder Empfangen von Remittances zum ersten Mal mit dem formellen Finanzsektor in Berührung kommen. Fehlende finanzielle Grundbildung (Financial Literacy) und fehlendes Vertrauen in (Finanz-)Institutionen hält sie jedoch oft davon ab, bestehende Bankdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Oft fehlt es auch an passenden, auf die finanziellen Grundbedürfnisse der Migranten und ihrer Familien zugeschnittenen Bankprodukte. Vor diesem Hintergrund entwickelte die GIZ 2012 in Kooperation mit der »European Microfinance Platform« das Handbuch FReDI (Financial Literacy for Remittances and Diaspora Investment – A Handbook on Methods for Project Design). Auf Basis einer Analyse von ca. 50 Remittances-Projekten weltweit stellt das Handbuch fünf Methoden zur Nutzung des Potentials von finanzieller Grundbildung zur Unterstützung der positiven Effekte und zur Vermeidung negativer Effekte von Remittances, dar: (1) Steigerung der Transparenz im Remittances-Markt, (2) Entwicklung von 19 Literatur Acosta, Pablo (2006): Labour Supply, School Attendance, and Remittances from International Migration: The Case of El Salvador. Policy Research Working Paper 3903. Washington, D. C. ADB (2004): Country Gender Assessment Sri Lanka. ADB: Manila. Andersen, Lykke E.; Christensen, Bent Jesper; Molina, Oscar (2005): The Impact of Aid on Recipient Behavior: A Micro-Level Dynamic Analysis of Remittances, Schooling, Work, Consumption, Investment and Social Mobility in Nicaragua. Study No. GI-E12. Grupo Integral: La Paz. Buch, Claudia M.; Kuckulenz, Anja; Le Manchec, Marie-Helene (2002): Workers’ Remittances and Capital Flows. Working Paper Nr. 1130. 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Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) Referat Bund-Länder-Kommunen; Migration und Beschäftigung; Rückkehrende Fachkräfte; Exportkredit- und Investitionsgarantien Postanschriften der Dienstsitze BMZ Bonn Dahlmannstraße 4 53113 Bonn BMZ Berlin Stresemannstraße 94 10963 Berlin T +49 228 99 535-0 F +49 228 99 535-3500 T +49 30 18 535-0 F +49 30 18 535-2501 [email protected] www.bmz.de