Einführung in Geschichte und Wesen der christlichen Agape

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Einführung in Geschichte und Wesen der christlichen Agape
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Agape-Feier
Einführung in Geschichte und Wesen
der christlichen Agape-Feiern
Vortrag
bei der Kolpingfamilie Regensburg-Herz Marien
und anschließende Agape
am 13. November 2006, 19.30 Uhr
Einführung
Bild Sieger Köder, Ihr habt mir zu essen gegeben, einblenden!
Der Apostel Paulus schreibt im Ersten Korintherbrief –
allerdings in
tadelndem Ton, aber wegen des deutlichen und zentralen Bezugs zu
unserem Thema sei mir diese Bibelstelle als Einstieg erlaubt:
„
Wenn ich schon Anweisungen gebe: Das kann ich nicht loben, dass
ihr nicht mehr zu eurem Nutzen, sondern zu eurem Schaden
zusammenkommt ... Was ihr bei euren Zusammenkünften tut, ist keine
Feier des Herrenmahls mehr; denn jeder verzehrt sogleich seine eigenen
Speisen, und dann hungert der eine, während der andere schon
betrunken ist. Könnt ihr denn nicht zu Hause essen und trinken? Oder
verachtet ihr die Kirche Gottes? Wollt ihr jene demütigen, die nichts
haben? Was soll ich dazu sagen? Soll ich euch etwa loben? In diesem
Fall kann ich euch nicht loben. Denn ich habe vom Herrn empfangen,
was ich euch dann überliefert habe: Jesus, der Herrn, nahm in der
Nacht, in der er ausgeliefert wurde, Brot, sprach das Dankgebet, brach
das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem
Gedächtnis! Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sprach:
Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr
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daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis! Denn sooft ihr von diesem Brot
esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er
kommt. Wer also unwürdig von dem Brot isst und aus dem Kelch des
Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und Blut des Herrn ... Wenn ihr
also zum Mahl zusammenkommt, meine Brüder, wartet aufeinander!
Wer Hunger hat, soll zu Hause essen“
(1 Kor 11,17-34).
Es ist schon interessant, was Paulus hier –
leider in negativem
Zusammenhang –
beschreibt: Einerseits nimmt er Bezug auf die
Eucharistiefeier in den ersten christlichen Gemeinden. Aber damit nicht
genug. Er spricht auch von „
eigenen“
, d. h. also offenbar von in die
Versammlung selbstmitgebrachten Speisen, dann von einem Mahl, bei
dem man warten soll, bis alle anwesend sind, sowie von Hunger, Essen,
Sättigung und Trinken, ja –
im Übermaß genossen –
bis zur
Betrunkenheit. Das alles geht doch mit der Eucharistiefeier alleine nicht
zusammen. Die ersten Christen kamen offenbar, wie man aus dieser
Stelle des Ersten Korintherbriefes unschwer schließen kann, nicht nur
zur Feier des Herrengedächtnisses zusammen, sondern auch zum
gemeinsamen Mahl, einem Sättigungsmahl, das mit dem Gottesdienst
verbunden war. In welchem Verhältnis es damals zur Eucharistie stand,
darauf werden wir noch zurückkommen müssen.
Wurzeln der Agape-Feiern
Worin hatte diese gemeinsame Mahlpraxis aber ihren Ausgang und
ihren Bezugspunkt? Nun, als Wurzeln können verschiedene Stränge
ausgemacht werden:
-
Zum einen die allgemeine Bedeutung ritueller Mähler, wie sie in
der Religionsgeschichte überhaupt festgestellt werden kann; in
3
diesem Zusammenhang kann etwa an heidnische Kultmähler, an
die Symposien, erinnert werden, die in damaliger Zeit Sitte waren.
-
Zum anderen aber ist hier von wesentlicher Bedeutung die
Verhaftung des Christentums im Judentum: vor allem ist dabei an
das Paschamahl zu denken, aber auch an andere jüdische
Gemeinschaftsmähler, insbesondere an das Mahl am Vorabend
des Sabbats.
-
Auf diesem Hintergrund ist schließlich auch die Mahlpraxis Jesu zu
sehen:
„
Was für Johannes die Taufe ist, das ist für Jesus das Mahl. Zum Mahl
kehrt er bei Pharisäern ein (Lk 7,36ff; 14,1ff), häufiger Gast ist er bei
Zöllnern und Sündern (Mk 2,13ff; Lk 7,34; 15,1f.; 19,1ff), als Mahlherr
fungiert er bei der wunderbaren Speisung einer großen Menschenmenge
(Mk 6,30ff par. Mt/Lk; Lk 8,1ff par. Mt), mit einem Mahl schließlich nimmt
er am Ende seines Lebens Abschied von seinen Jüngern (Mk 14,17-25
par. Mt/Lk; 1 Kor 11,23ff; Joh 13). Auf seine Gegner wirkt diese
Mahltätigkeit so provozierend, daß sie sie durch das ehrabschneidende
Schimpfwort vom ‚
Fresser und Säufer’
(Lk 7,34 par. Mt) verleumderisch
in die Nähe von rauschenden Banketts und zügellosen Festgelagen zu
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rücken suchen.“
Dabei sind Mähler für Jesus nicht nur Gelegenheiten,
das Reich Gottes zu verkünden; er nimmt sie auch als Zeichen und
Sinnbild für dieses Reich seines Vaters: „
Ein Mann veranstaltete ein
großes Festmahl und lud viele dazu ein ...“
, heißt es etwa im
Lukasevangelium (Lk 14,16). „
Wichtig bei seinem [sc. Jesu ] Mahlhalten
ist aber nicht das Essen und Trinken an sich; im Vordergrund steht die
Tischgemeinschaft –
auch und gerade mit den Randständigen seiner
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Zeit -, die das Erbarmen und die Liebe Gottes symbolisiert.“
Brot und
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Willibald Bösen, Jesu letztes Mahl im Lichte der jüdischen Mahlpraxis zur Zeitenwende, in:
Gottes Volk B6 (1988), S. 63-78, hier: S. 63. Zitiert nach: Guido Fuchs, Agape-Feiern, S. 14.
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Guido Fuchs, Agape-Feiern, S. 14f.
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Wein spielen darüber hinaus in der Verkündigung Jesu eine große Rolle
(Brot-Rede Jesu in Joh 6: „
Ich bin das Brot des Lebens“
; Bild vom
Weinstock in Joh 15: „
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“
etc.).
Das irdische Mahl wird zu einem Vorausbild des himmlischen Mahles im
Reich Gottes, als Verheißung und Vor-Zeichen der zukünftigen und
schon angebrochenen Gottesherrschaft.
Höhepunkt der Mahlpraxis Jesu aber war sein letztes Mahl, in dem er
jüdische Rituale aufgreift und umdeutet, seinen späteren Tod schon
vorauszeichnet und seine bleibende Gegenwart im Zeichen von Brot und
Wein verspricht. Letztlich ohne entscheidende Bedeutung ist dabei die
Frage, ob das letzte Abendmahl Jesu nun ein Paschamahl war oder
eben nicht; die neutestamentlichen Quellen gehen hier auseinander.
Zusammenfassend kann man sagen: „
Im Aufgreifen des Mahles und
seiner Riten als Zeichen und Symbol für die Liebe und das Reich Gottes
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ist Jesus einzigartig.“
Es mag verschiedene Wurzeln für die
frühchristliche Mahlpraxis der Agape gegeben haben –
am
entscheidendsten aber ist wohl schlicht das Vorbild Jesu.
Die Praxis der frühen Kirche
In der konkreten Ausgestaltung der Agape-Feiern in der frühen Kirche
ist nicht mit einer einheitlichen Form, sondern mit sehr unterschiedlichen
Ausprägungen zu rechnen, so die wissenschaftliche Forschung:
-
Zum einen je nach dem, ob es sich um eine judenchristliche oder
um eine heidenchristliche Gemeinde handelte; hier wurden wohl
die verschiedenen Traditionen aufgenommen.
3
Guido Fuchs, Agape-Feiern, S. 15.
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-
Zum anderen aber scheint es beides gegeben zu haben: ein mit
der Eucharistie verbundenes Sättigungsmahl, in das also die
Eucharistiefeier verwoben war; dann jedoch auch die
eigenständige Agape-Feier, die ganz ohne Eucharistiefeier oder
aber ihr vorgeschaltet oder auch danach begangen wurde.
Die Blütezeit der Agape-Feiern war das erste und zweite Jahrhundert
nach Christus. In der „
Traditio apostolica“
, der Apostolischen
Überlieferung, die Hippolyt von Rom zugeschrieben wird und Anfang des
3. Jahrhunderts entstanden ist, wird uns der Ablauf einer solchen AgapeFeier geschildert –
wobei dies nicht als die einheitliche Form gelten
kann, sondern nur eine mögliche unter vielen; dabei werden im Ablauf
genannt:
-
Ein Luzernarium, eine Lichtfeier: Die abendliche Agape beginnt mit
dem Hereintragen und Entzünden des Lichtes, begleitet von einem
Lobpreisgebet (vgl. Osternacht!; auch im Vespergottesdienst
möglich).
-
Segnung und Darbringung eines Kelches durch den Bischof, wobei
ein Psalm gesungen wird;
-
es folgen Segnung, Brechung und Austeilung eines besonderen
Brotes, eine so genannte Eulogie („
Segnung“
); sie eröffnet
-
das eigentliche Mahl, das während eines vom Bischof geleiteten
Gespräches eingenommen wird. Es soll hier, so wird ausdrücklich
vermerkt, maßvoll gegessen und getrunken werden (!; vgl. 1 Kor).
Auffällig sind die Ähnlichkeiten zur Eucharistie; so hebt Hippolyt auch
hervor, dass es sich bei diesem Brot um eine Eulogie (gesegnetes Brot),
nicht um die Eucharistie (konsekriertes Brot) handelt. Es geht hier, so
wird ferner deutlich, um ein richtiges Sättigungsmahl, ohne dass dieses
aber zu Völlerei und Trinkerei führen dürfe (solche Fehlformen werden
ausdrücklich angesprochen und angeprangert!). Auch der wichtige
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caritative Aspekt fehlt hier wie bei anderen Berichten nicht. Agape ist ja
ein griechisches Wort und heißt übersetzt Liebe (lateinisch: „
caritas“
!).
Es geht um ein Liebes- und Gemeinschaftsmahl in der Gemeinde, das
gerade die Notleidenden und Bedürftigen einbezieht, sei es als
Mahlteilnehmer oder aber durch Gaben, die an sie weitergereicht
werden. Die Agape-Feiern hatten also wesentlich auch eine diakonischcaritative Dimension.
Agape-Feiern scheinen in damaliger Zeit (1./2. Jahrhundert n. Chr.)
fest im Gemeindeleben verankert gewesen zu sein; wegen der
zunehmenden Größen der Gemeinden wurden sie wohl alsbald in
privaten, kleinen Gruppen abgehalten, meist in Häusern begüterter
Christen und unter Leitung von Klerikern (Bischof, Priester, Diakon), aber
auch ohne Beteiligung des Klerus. Das Erlebnis von Gemeinschaft bei
den Mählern war zunächst der bestimmende Wesenszug, der dazu
beitrug, dass an den Agape-Feiern festgehalten wurde. Für die frühe
Christenheit in ihrer gesellschaftlichen Isolation und in ihrem
Minderheitenstatus waren sie nämlich praktisch die einzige Möglichkeit
zu geselligem Versammeltsein. Mit der zunehmenden Ausbreitung des
Christentums entledigten sich die Gemeinden aber des Charakters einer
Sondergesellschaft mit isolierter Geselligkeit. Nun trat das caritative
Moment bei den Agapen stärker in den Vordergrund. Sie wurden mehr
und mehr zu einem Mittel der Armenfürsorge.
Ausklingen am Ende des Altertums
Für das allmähliche Verschwinden der Agapen am Ende des Altertums
sind mehrere Gründe verantwortlich, so vor allem soziologische,
kultische und theologische; hier sind im Einzelnen zu nennen:
7
-
Die Konstantinische Wende und schließlich die Erhebung des
Christentums zur Staatsreligion brachten eine einschneidende
Umwälzung der kirchlichen Verhältnisse mit sich. Die Gemeinden
wurden nun (noch) größer. Es stellte sich das Problem, wie in
dieser Situation noch zur Agape eingeladen werden kann, ohne
zugleich weite Teile der Gemeinde auszugrenzen.
-
Der nicht mehr vorhandene Druck von außen ließ das
Gemeinschaftserleben nicht mehr in dieser Form notwendig
erscheinen, wie dies gerade durch die Agape-Feiern vermittelt
wurde.
-
In den nach diesem politischen Umschwung neu errichteten
kirchlichen Gebäuden, den Basiliken, konnten nicht mehr mit
derselben Selbstverständlichkeit Gottesdienste und Mahlfeiern
abgehalten werden wie in einfachen Sälen und Privathäusern; dies
schien mit der Würde des sakralen Raumes nicht mehr vereinbar
zu sein. „
So wird von verschiedenen Synoden ab dem vierten
Jahrhundert immer wieder verboten, daß Agapen in Kirchen
abgehalten werden –
trotz des ja durchaus liturgischen Charakters,
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den sie zeitweilig besaßen.“
-
Es entwickelte sich in dieser Zeit zudem ein anderes Verständnis
der Eucharistie, das diese als Mysterium begriff, dem mit
abstandsvoller Ehrfurcht zu begegnen ist. Die Eucharistie wurde
nun zunehmend als „
praegustatio“
, d. h. als ein Schutzmittel
gesehen, das vor jeder anderen Speise genossen werden sollte.
Aus diesem Verständnis erwuchs auch die Forderung nach
eucharistischer Nüchternheit, also nach dem Verzicht auf Speise in
gewissem Abstand vor dem Empfang der Eucharistie. Ein
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Guido Fuchs, Agape-Feiern, S. 23.
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unmittelbar der Eucharistiefeier vorausgehendes Mahl war damit
spätestens jetzt nicht mehr möglich.
-
Auch bei der Armenfürsorge verloren die Agapen in der nun größer
gewordenen Kirchenorganisation ihre Bedeutung; denn die
Diakonie wurde nun von den Bischöfen zentral organisiert.
Erhalten blieb dieser Gedanke des Zusammenhanges von Mahl
und caritativem Tun immerhin aber bei privaten Einladungen zum
Mahl bzw. bei der Überlassung von Speisen an Bedürftige sowie
auf Gemeindeebene in der Gabendarbringung der Eucharistiefeier.
Soweit zu den Gründen für das Verschwinden der Agapen aus dem
Leben der Gemeinden am Ausgang der Antike. Auch wenn es solche
Feierformen im engeren Sinn im Mittelalter nicht mehr gab, so blieben
dennoch Restformen religiös geprägter Mähler und anderer damit
verwandter Riten erhalten, die Elemente der ursprünglichen Agapen
fortführten.
Restformen religiös geprägter Mähler im Mittelalter
Zu nennen sind hier:
-
Die Totenmähler: Sie hatten zunächst in der frühen Christenheit
keinen anderen Gehalt als die vergleichbaren Zusammenkünfte in
der außerchristlichen Antike auch. Aber bald schon kam der
Gedanke auf, dass in diesem Mahl Lebende und Tote als
Gemeinschaft verstanden werden können und vereinigt sind (vgl.
den Märtyrerkult!). Die Verstorbenen werden als gegenwärtig und
zu Tische sitzend gedacht –
das Element der Gemeinschaft in
Liebe scheint hier auf. Im Mittelalter kam das Moment der
Armenspende hinzu, einfach dadurch, dass die Armen zu den
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Totenmählern hinzugeladen wurden –
wiederum ein deutlicher
Anklang an die Agapen der frühen Kirche.
-
Ein anderes Phänomen sind die so genannten Karitäten (abgeleitet
von caritas). Es handelt sich dabei um eine Mahlstiftung einer
vielleicht hochgestellten Persönlichkeit an ein Kloster. Durch diese
sozusagen „
Sonderspeisung“
bzw. Sonderzuwendung von Speisen
und Getränken an die Mönche bzw. Nonnen wie auch an die
Armen sollte an den verstorbenen Stifter erinnert werden. So
wurden die Karitäten zu einer Form des Totengedächtnisses. Sie
wurden besonders an Hochfesten und Sonntagen gehalten, vor
allem aber am Gründonnerstag und am Ostersonntag nach oder
vor den Gottesdiensten und waren von religiösen Riten und
Gesängen geprägt.
-
Ferner gehört hierher auch das Minnetrinken (Minne meint ja nichts
anderes als „
Liebe“
! cf. Agape!), etwa die Michaels- und
Martinsminne, Gertrudenminne, Bernhards- und Stephansminne
und die Johannisminne, die uns noch bekannt ist in der Form der
Segnung des Johannesweines (Trinkspruch: „
Trink die Liebe des
hl. Johannes!“
). Am Festtag des hl. Johannes des Evangelisten
wird am Ende des Gottesdienstes Wein gesegnet. Nicht nur in der
Kirche wurde dieser getrunken, sondern auch mit nach Hause
genommen und bei diesen Symposien die poetische
Johannisminne vorgetragen –
auch dies wohl eine Restform
religiös geprägter Mähler.
-
Auch in den Gemeinden gab es Restformen der Agapen,
besonders im Umfeld des Gründonnerstags bzw. der österlichen
Speisensegnung für das Mahl in den Häusern. In der Orthodoxie
gibt es darüber hinaus noch weitere Anklänge, so den Ritus der
Artoklasie (gr. „
artoklasia“
= Brotbrechung) innerhalb der
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Osternacht, bei der Brot gesegnet, gebrochen bzw. geschnitten
und später von den Anwesenden gegessen wird, oder das
Antidoron (gr. „
Gegengabe“
; Stückchen des nicht-konsekrierten
Brotes, die unter die Gläubigen verteilt werden) am Ende der
Liturgie des byzantinischen Ritus. Schließlich erinnert in der
Westkirche auch das an bestimmten Tagen im Anschluss an die
Eucharistie gesegnete und verteilte Brot, die so genannte Eulogie
(z. B. das so genannte „
pain benit“
in Frankreich), an alte
Zusammenhänge mit den Agapen.
„
Wiederentdeckung“in der Neuzeit
In der Neuzeit kam es zu einer Wiederentdeckung der Agapen als
mögliche Form religiös geprägter Mähler mit ihrer
gemeinschaftsstärkenden und caritativen Bedeutung:
-
So versuchte im protestantischen Bereich die Herrnhuter
Brudergemeinde im 18. Jahrhundert an alte Formen von Agapen
anzuknüpfen und führte darauf bezogene regelmäßige rituelle
Liebesmähler ein.
-
Von daher ging der Weg im evangelischen Raum mit der
Zielsetzung weiter, das stilisierte sakramentale Abendmahl in
seinen Zeichen verständlicher zu machen und durch die Agapen
die Verbindung mit dem gewöhnlichen Essen und Trinken stärker
hervorzukehren.
-
Einen weiteren Anstoß gab schließlich im 20. Jahrhundert auf
katholischer Seite die Liturgische Bewegung, die gerade die
Ursprünge der Eucharistie und ihre Gestalt als Mahl bewusst
machen wollte.
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-
Im ökumenischen Bereich wurden die Agape-Feiern schließlich als
Möglichkeit entdeckt, trotz der Trennung im Eucharistieverständnis
und des Verbotes des Kommunionempfangs in einer Kirche durch
Angehörige anderer christlicher Kirchen Gemeinschaft in einem
nichtsakramentalen Mahl zu erfahren.
Die Agape-Feiern heute
So viel zur Geschichte der christlichen Agape-Feiern. Wie aber
können heute, in unserer Zeit, Agape-Feiern sinnvoll gestaltet werden?
Wo haben Sie heute ihre besondere Bedeutung? Welcher Sinn kann
ihnen in unseren christlichen Gruppen, in den Familien und in den
Gemeinden innewohnen? Wann bieten sich Gelegenheiten dafür?
Kirchenamtliche Vorgaben
Zunächst zu den kirchenamtlichen Texten. Hier gibt es nur sehr
wenige Vorgaben. Eine feste Form für Agape-Feiern ist nicht
vorgeschrieben. Hier hat man also großen Gestaltungsspielraum.
Betont wird im Wesentlichen die Abgrenzung zur Eucharistie, und
zwar räumlich und zeitlich (Über Messfeiern mit besonderen Gruppen
(Actio pastoralis), Rom 1969; Richtlinien der Bischöfe des deutschen
Sprachgebietes für Messfeiern kleiner Gemeinschaften
(Gruppenmessen), 1970). Das heißt näherhin:
-
Eine Agape darf wegen der geforderten eucharistischen
Nüchternheit niemals unmittelbar vor einer Messe begangen
werden.
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-
Falls der Messe eine Agape folgt, soll sie nicht am selben Tisch
gefeiert werden.
Eine Verbindung von Messe und Agape in ein und derselben Feier, wie
teilweise in der Urkirche Praxis, scheidet damit aus. Dies legt sich
aufgrund des gewandelten Sakramentenverständnisses aber auch
durchaus nahe.
Wesen und heutige Bedeutung der Agape-Feiern
Agape-Feiern nehmen eine Stellung zwischen der Eucharistie und
dem gewöhnlichen Mahl ein. Sie sind nicht Sakrament, gehören aber
gewissermaßen in den Bereich des Sakramentalen, insofern sie, wie
Guido Fuchs betont, „
zeichenhaft etwas von der Liebe Christi zu uns
ausdrücken“
sollen.5 Im Vordergrund steht die liebevolle Gemeinschaft,
die Jesu Gebot entspricht: „
Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“
Die Agape ist zwar keine Sakramentalie im strengen Sinne wie etwa eine
Fahrzeugsegnung, der Reisesegen, das Aschenkreuz an
Aschermittwoch u. a. m., enthält aber durchaus solche
Segnungselemente, z. B. in der Brotsegnung.
Bedeutung können Agape-Feiern in heutiger Zeit haben
-
als Erinnerung und Danksagung an Gott, von dem alle guten
Gaben kommen;
-
als Vorbereitung auf die Messe und zum besseren Verständnis der
Eucharistie;
-
als Möglichkeit, Gemeinschaft im Glauben unter Christen zu
erfahren, gerade auch im ökumenischen Bereich;
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als Mittel und Bindestück sozial-caritativen Engagements.
Guido Fuchs, Agape-Feiern, S. 44.
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Gelegenheiten für eine Agape
Als Gelegenheiten für eine Agape bieten sich u. a. an:
-
der Gründonnerstag: Anknüpfungspunkt ist hier das Letzte
Abendmahl Jesu. Eine Agape ist hier sicher besser als ein so
genanntes Pessach-Mahl bzw. eine Sederfeier, die sich –
bei allen
unbestritten positiven Eindrücken, die möglich sind –
doch den
Vorwurf gefallen lassen muss, dass hier jüdische Riten von
Christen einfach imitiert werden;
-
ferner, aufgrund seines eucharistischen Bezuges, das
Fronleichnamsfest, dann der Ostermontag (Erinnerung an das
Emmaus-Evangelium: das Mahl des Auferstandenen mit den
beiden Jüngern; evtl. eine Station des Emmausganges dazu bei
einer Einkehr gestalten);
-
in den geprägten Zeiten (Frühstück nach einem Rorate oder nach
einer Frühschicht im Advent; Fastensuppe an einem Sonntag in
der österlichen Bußzeit);
-
traditionelle, sozial-caritativ ausgerichtete Mähler vor Weihnachten
bzw. an Heiligabend mit der Einladung an Bedürftige;
-
im Zusammenhang mit sakramentalen Feiern (Erstkommunion-,
Firm- und Erstbeichtvorbereitung; Primiz) und nach einer
Trauerfeier;
-
im Zusammenhang mit Speisensegnungen (österliche
Speisensegnung; Segnung des Johannisweines; Segnung neuen
Weines in Weingebieten; Segnung der Erntegaben an Erntedank);
-
weitere Möglichkeiten: Bibelabend; ökumenische Begegnungen;
Hausgottesdienste im Advent und in der österlichen Bußzeit; in
Familienkreisen, Gruppen, Verbänden; in der Familie.
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Mögliche Elemente
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Lichtentzünden (Luzernarium / Luzernar)
-
Brotsegnung- und verteilung; Wein-/Getränkesegnung;
Speisensegnung;
-
Gebete
-
Bibellesung(en)
-
Musik und Gesang
-
geistliches Gespräch
-
caritatives Engagement
Verwendete Literatur:
-
Guido Fuchs, Agape-Feiern in Gemeinde, Gruppe und Familie. Hinführung
und Anregungen, Regensburg 1997.
-
Hans Bernhard Meyer, Eucharistie (GdK 4), Regensburg 1989, S. 573-579.
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Ablauf der Agape-Feier
Vorzubereiten sind:
-
eine festlich gedeckte Tafel
-
Leuchter, Kerzen (noch nicht entzündet!), Streichhölzer
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Brot, das gebrochen und ausgeteilt werden kann (z. B. Fladenbrot)
-
Wein und Traubensaft (evtl. in mehreren Karaffen); andere Getränke
-
weitere Speisen
-
Liedzettel
-
Musik/CD-Player
Beginn mit dem Lied: Ubi caritas
Luzernarium (Danksagung über das Licht):
Herr, unser Gott,
im Dunkel gedeiht keine Freude;
aber dort, wo Lichter brennen,
ruft der Schein alle zusammen,
die im Dunkeln stehen,
und kündet so deine Gegenwart an.
So bitten wir dich:
Strahle mit diesem Licht in unsere Beziehungen,
damit wir Kinder des Lichtes werden.
Werde du für uns Licht, das alle Finsternis erhellt,
und führe uns zu jenem Licht,
das nie erlöschen wird.
Wenn wir nun diese Kerzen zu deinem Lob entzünden,
dann entzünde auch in uns das Licht,
das die Welt erleuchten kann.
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Die Kerzen werden nun vom Vorsteher des Mahles entzündet.
Lied zur Kerzenentzündung: O Jesu Christe, wahres Licht (Strophe 1+2)
Schriftlesung: Lk 24,13-16.28-33a
Wir hören eine Lesung aus dem Lukasevangelium:
Am ersten Tag der Woche waren zwei von den Jüngern Jesu auf dem
Weg in ein Dorf namens Emmaus, das sechzig Stadien von Jerusalem
entfernt ist. Sie sprachen miteinander über all das, was sich ereignet
hatte.
Während sie redeten und ihre Gedanken austauschten, kam Jesus hinzu
und ging mit ihnen. Doch sie waren wie mit Blindheit geschlagen, so
dass sie ihn nicht erkannten.
So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als
wolle er weitergehen, aber sie drängten ihn und sagten: Bleib doch bei
uns; denn es wird bald Abend, der Tag hat sich schon geneigt.
Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.
Und als er mit ihnen bei Tisch war, nahm er das Brot, sprach den
Lobpreis, brach das Brot und gab es ihnen.
Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten ihn; dann sahen sie
ihn nicht mehr.
Und sie sagten zueinander: Brannte uns nicht das Herz in der Brust, als
er unterwegs mit uns redete und uns den Sinn der Schrift erschloss?
Noch in derselben Stunde brachen sie auf und kehrten nach Jerusalem
zurück.
Lied: Herr, bleibe bei uns (GL 18,8)
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Segnung des Brotes:
Herr, du hast uns eingeladen,
das Mahl mit dir zu halten.
Wir danken dir.
In Brot und Wein bist du da.
Von dir leben wir,
wie wir vom Essen und Trinken leben.
Öffne uns die Augen
für das Wunder des Brotes,
für das Wunder der Erde,
für deine Liebe und Güte.
Öffne uns die Augen,
dass wir dich erkennen,
den Gastgeber,
der uns das Brot reicht.
Du gibst das Brot,
du gibst die Liebe.
Lass uns weitergeben,
was wir empfangen:
das Brot und die Liebe.
Das gesegnete Brot wird nun gebrochen und an die Teilnehmer
weitergereicht. Alle warten, bis jeder ein Stück davon hat, und essen
dann gemeinsam.
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Segnung des Weines/Traubensaftes:
Herr, unser Gott,
du schenkst uns den Wein
als Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit.
Er ist Trank der Freude und des Festes.
Dein Sohn Jesus Christus hat den Wein erwählt
als Zeichen des Neuen Bundes in seinem Blute.
Lass uns erfahren,
dass du der Gott bist,
der die Herzen der Menschen froh macht
und Gemeinschaft stiftet.
Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn.
Der Wein bzw. Traubensaft wird nun ausgeschenkt; alle warten, bis jeder
etwas davon erhalten hat, und trinken dann gemeinsam.
Psalmlesung:
Wir lesen in Psalm 104:
Herr, du lässt die Quellen hervorsprudeln in den Tälern, *
sie eilen zwischen den Bergen dahin.
Allen Tieren des Feldes spenden sie Trank, *
die Wildesel stillen ihren Durst daraus.
An den Ufern wohnen die Vögel des Himmels, *
aus den Zweigen erklingt ihr Gesang.
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Du tränkst die Berge aus deinen Kammern, *
aus deinen Wolken wird die Erde satt.
Du lässt Gras wachsen für das Vieh, *
auch Pflanzen für den Menschen, die er anbaut,
damit er Brot gewinnt von der Erde *
und Wein, der das Herz des Menschen erfreut;
damit sein Gesicht von Öl erglänzt *
und Brot das Menschenherz stärkt.
Lied: Laudate omnes gentes
Gebet vor dem Mahl:
Gott, unser Vater,
du gibst uns Speise, denn du liebst uns.
Lass bei diesem Essen unsere Gemeinschaft wachsen.
Stärke uns in der Bereitschaft,
deine Güte weiterzugeben.
Sei gepriesen durch Christus, unseren Herrn.
Gemeinsames Mahl; währenddessen leise, meditative Musik und
geistliches oder freundschaftliches, in jedem Fall aber ungezwungenes,
auch fröhliches Gespräch (z. B. über den vergangenen Tag, über das
soeben Gehörte, über die Freude des Abends, die Speisen etc.).
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Gebet am Ende des Mahles:
Sei gepriesen, Gott, unser Vater!
Durch Jesus, deinen Sohn,
hast du uns vom Tod zum Leben geführt.
Wir danken dir für dieses Mahl,
das uns in seiner Liebe vereint.
Lass uns Früchte tragen,
damit die Menschen zum Brot deines Wortes finden
und das Licht der Auferstehung erfahren.
Durch Christus, unseren Herrn.
Lied zum Abschluss: Shalom chaverim