Keine Angst vorm neuen Kino

Transcrição

Keine Angst vorm neuen Kino
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
Zusammenfassung des Digital-Cinema-Kongresses in München:
„Keine Angst vorm neuen Kino“ 26./27. September 2002
Vorwort
Das von der Medienmanagement Akademie in München durchgeführte zweitägiges Seminar
„Keine Angst vorm neuen Kino“ bot an zwei Tagen interessierten Fachleuten die Möglichkeit,
sich über den aktuellen Stand der Digital-Cinema-Entwicklung in Deutschland, Europa und den
USA zu machen. Mit vornehmlich guten und sehr guten Referenten konnten zwar nicht alle
Fragen zur Zufriedenheit beantwortet werden, jedoch besteht in vielen Punkten ein klareres Bild,
wie es weitergeht und wie die Chancen-/Risikopotentiale einzuschätzen sind.
Referate
ULRICH HÖCHERL
Ulrich Höcherl, leitender Chefredakteur von Blickpunkt Film, wies in seiner Begrüßung und Einführung in das Thema auf die wichtigen Punkte im Zusammenhang mit Digital-Cinema hin und
formulierte die Fragen, die im Laufe des Kongresses näher beleuchtet wurden. Diese Kernpunkte betreffen zum einen den gemeinsamen Standard, die Form der Datenüberlieferung zum
Kino, die Sicherheitsmaßnahmen um die Piraterie zu bekämpfen, die Kosten sowie die Frage
wann mit einem breiten Einzug von Digital-Kino zu rechnen ist.
PATRICK VON SYCHOWSKI
Der erste Vortrag mit dem Thema „Von Los Angeles nach Brüssel“ von Patrick von Sychowski
von der Zeitschrift Screen Digest war ein Zustandsbericht über die Digital-Kinoaktivitäten weltweit. Von Sychowski beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema digitales Kino und
gilt als einer der besten Kenner der Materie. Derzeit gibt es weltweit 127 Kinos, die mit sogenannten digitalen Highend-Projektoren ausgestattet sind, die sich wiederum in 116 Filmtheatern
befinden (August 2002). Diese Projektoren sind in der Regel DLP Projektoren, die mit den Blackchips von Texas Instruments ausgerüstet sind. Diese Projektoren werden von den Firma Bako,
Christies und NEC hergestellt. Die Projektoren projizieren mit 24 Bildern pro Sekunden, weisen
ein Kontrastverhältnis von 1.000 zu 1 und eine Lichtstärke von 10.000 Lumen im Minimum auf.
Mit rd. 100.000 $ pro Stück sind sie derzeit 3 bis 4 mal so teuer als herkömmliche 35 mm
Projektoren. Zum Kinostart von Star Wars II wurden zahlreiche Kinos unmittelbar vor Filmstart
mit der neuen Technik ausgerüstet, so dass der Film auf insgesamt 105 Leinwänden digital vorgeführt werden konnte. Die Daten wurden sowohl als DVD, als Festplatte oder per Satellit in die
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
1
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
Kinos gebracht. Die Kinos die offensiv mit der digitalen Projektionstechnik geworben haben,
konnten deutlich höhere und länger stabile Besucherzahlen registrieren als Kinos mit 35
mm Projektion. Da bislang nach wie vor nur ein Promill der weltweiten Kinosäle mit der digitalen
Technik ausgerüstet sind, ist die Bereitstellung von Filmen nur schwach ausgeprägt. Bislang
wurden 55 Filme in DLP-Technik zur Verfügung gestellt. Dabei ist festzustellen, dass im zweiten Halbjahr 2002 bereits ein leicht rückläufiger Trend festzustellen ist. Dieser ist u.a. darauf
zurückzuführen, dass sich die sieben amerikanischen Majorstudios zu einer Initiative zusammengeschlossen haben, um ein gemeinsamen Standard festzulegen. Dieser Prozess wird voraussichtlich im Jahr 2003/2004 abgeschlossen sein, so dass bis dahin mit einer nur zurückhaltenden Herausbringung von digitalen Filmen zu rechnen ist.
In Abgrenzung zum D-Cinema beschrieb Sychowski die Aktivitäten im E-Cinema, einer abgespeckteren und qualitativ nicht so hochwertigen, dafür aber deutlich günstigeren Variante der
elektronischen Projektion. Diese Art der Projektion eignet sich vor allem für Werbung und sogenannte andere Inhalte, die außerordentlich vielfältig sein können. Er berichtete beispielsweise über die Golfübertragung in einem kanadischen Kino, für die die Besucher 20 kanadische
Dollar zahlten. Das sogenannte E-Cinema bietet ferner Möglichkeiten Medieninhalte an neuen
Orten anzubieten (Schulen, Kirche, Stadthallen etc.). So wird beispielsweise in der schwedischen
Provinz in den sogenannten Folket Huis sowohl Spielfilme als auch andere mediale Inhalte in
Form eines Netzwerkes angeboten. In Holland wird mit 10 Häusern die sogenannte Doku-Zone
betrieben, in denen ausschließlich Dokumentarfilme gezeigt werden.
In Norwegen wurde über Nacht die konventionelle Werbung durch digitale Werbung in allen
255 Kinos ersetzt. In Frankreich schließlich gibt es über 300 Spielstätten in ganz kleinen Orten,
in denen Digitalfilme, vor allem aber andere kulturelle und sportliche Bilder gezeigt werden. In
diesem Zusammenhang wies Sychowski darauf hin, dass Paris für diese Aktivitäten Brüssel zu
melken versteht. In Deutschland hingegen gibt es keinen offiziellen Ansprechpartner für
sämtliche mit digitalem Kino zusammenhängenden Fragen.
In der Diskussion äußerte sich der Referent zur Qualität der Projektion, die vor allem bei langen
Spielzeiten zugunsten der digitalen Kopie ausfällt. Befragt, welchen Rat er Deutschland bzw.
deutschen Kinobetreibern geben würde, sagte er, dass er nicht empfehle, auf Hollywood zu
warten. Sinnvoll erschiene es, einen digitalen Projektor (kein Highend) für Werbung und
sonstige Inhalte zu erwerben, um Erfahrungen zu sammeln und alternative Inhalte besser
bzw. überhaupt vermarkten zu können.
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
2
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
CHRISTOPH DOBLER
Der zweite Vortrag wurde von Christoph Dobler von der Firma Kinoton gehalten, der naturgemäß die verschiedenen Techniken zum Inhalt hatte. Um die Einsparung auf der Kopienseite realisieren zu können, sei eine schnelle Umsetzung bzw. weitestgehend flächendeckende
Versorgung mit digitalen Projektoren notwendig. Gleichzeitig wies er auf die Schwierigkeit
dieses Wunsches hin und prognostizierte eine relativ lange Dauer der Koexistenz beider
Formate.
Anschließend stellte er die verschiedenen Verfahren der digitalen Projektion vor, wobei lediglich
zwei Verfahren für den Spielfilmbereich Kino möglich sind. Zum einen ist es D-ILA-System
von JVC, welches derzeit das höchste Auflösungsvermögen bietet. Probleme sind im Bereich der
Farbe des Kontrasts, der Lebensdauer und bei großen Bildern zu suchen. Dobler favorisiert wie
von Sychowski DLP-Technik, die bislang auch das einzige in Kinos anzutreffende Verfahren
darstellt. Das Problem ist die komplizierte Technik. Auf einer Briefmarken großen Fläche befinden sich 1,3 Mio. einzeln ansteuerbare und kippbare Spiegelchen, deren Produktion mit hohen
Fehlerraten verbunden und deshalb sehr teuer ist. Eine exzellente Lichtleistung, kein Flackern, 24
Bilder pro Sekunde bei starken Kontrasten führt zu einem dem 35 mm nahezu ebenbürtigen
Bild. Die Auflösung beläuft sich auf 1.280 x 1.420. Die Lichtquelle bildet der klassische XenonKolben, der aber für die gleiche Lichtleistung auf der Leinwand eine geringere Leistung benötigt,
als ein 35 mm-Projektor.
Die Anforderung an das digitale Kino sind nach Ansicht von Dobler folgende:
•
einheitlicher, weltweiter Standard
•
Schutz vor Piraterie
•
Qualität von Bild und Ton wie bei 35 mm
•
Bedienungsfreundlichkeit des Systems
•
Zusatznutzen durch anderen Content
•
Kostenvorteile auch für Kino und Verleih
•
Schnittstellen für Abrechnung und Kontrolle
•
Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
3
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
Die Anforderungen an den Server beschreibt er wie folgt:
•
Schutz der Filmdaten
•
Auflösung mindestens in HDTV-Format
•
Anbindung an die bestehende Kinoautomation
•
MPEG 2 als einheitliche Kompressionstechnik
•
Einfachheit der Handhabung.
Das Haus Kinoton hat eine Komplettversion zusammengestellt, die den Projektor, die Objektive, den Server sowie Transport, Montage und Inbetriebnahme zu einem Einstiegspreis von rd.
225.000
anbietet. Das mittelfristige Ziel lautet jedoch, die Kosten hier etwa zu halbieren. In
den letzten zwölf Monaten hat Kinoton rd. 80 Systeme verkauft. Diese wurden aber zum überwiegenden Teil von Studios und Produktionsfirmen erworben. Dort, wo die Technik in Kinos
eingebaut wurde, wurden die Kosten von der Firma Disney und Texas Instruments gefördert. Es
gibt derzeit keinen Betreiber, der eine komplette digitale Projektionsausrüstung zu 100 % selber
gekauft hat. Interessant waren Doblers Ausführungen zu den Folgekosten. Zunächst gibt es
naturgemäß keinen Langzeitvergleich. Die Chips, die den aufwendigen Kontrollprozess
durchlaufen und erfolgreich bestehen, sind extrem zuverlässig. Die Lebensintervalle der
Lampen bleiben gleich. Problematisch erscheint allerdings das Bedienpersonal, welches deutlich weniger als heute an den Maschinen reparieren kann. Damit wird die Fehlerbehebung
oder Wartung ausschließlich durch Fachfirmen möglich, deren Mitarbeiter eine noch weitergehende Qualifikation als heute benötigen. Im Bereich der Leinwände ist eine Umstellung
nicht notwendig. Es können die bislang genutzten Leinwände weiter verwendet werden.
Im Tonbereich kann ebenfalls auf die bestehende Technik zurückgegriffen werden. Lediglich ein Wandler muss zwischengeschaltet werden. Der Lebenszyklus der Technik hängt natürlich sehr von der Standardisierung ab. Die derzeitigen Linienzahl von 1.280 ist für große Säle
(17 bis 18 m und mehr) noch nicht ausreichend ausgereift und gut genug. Das Ziel ist hier, die
sogenannte 2 K (2.000-Linien) –Auflösung, an denen gearbeitet wird. Da die bestehenden
Systeme für die 2 K-Entwicklung nicht nachrüstbar ist, kann der Lebenszyklus der Technik
naturgemäß nicht sehr lang sein.
Ferner wies Dobler darauf hin, dass die Qualität des Stroms eine enorme Bedeutung für die
Leistungsfähigkeit des Systems hat. Die minimalen Spannungen, die zur Bewegung der 1,3 Mio.
kleinen Spiegelchen notwendig sind, bedürfen eines sehr „sauberen“ Stroms. Doblers Ausblick
für die Umsetzung beruht denn auch weniger auf den Kosten, die anfallen, als vielmehr die Frage nach sinnvollen und gerechten Geschäftsmodellen.
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
4
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
STEPHAN ROLLY
Als nächster Redner stand Stephan Rolly von T-Systems International, einer Tochter der Telekom,
auf dem Podium. Auch Rolly ist bereits seit vielen Jahren mit dem Thema beschäftigt und verantwortlich für das bereits in Darmstadt bestehende Play-Out-Center der Deutschen Telekom. In seinem Vortrag „Vom Play-Out-Center auf die Leinwand“ gab er einen exzellenten Überblick über die verschiedenen Möglichkeiten, jedweden digitalen Content auf die Leinwand zu
bringen. Das Play-Out-Center erhält vom Verleih das digitalisierte Master, welches dort verschlüsselt, archiviert und ausgesandt wird. Im Kino werden die Daten empfangen, auf den Server aufgezeichnet, im Projektor unmittelbar vor der Linse entschlüsselt und wiedergegeben.
Das im Play-Out-Center befindliche Managementsystem für Werbung, Trailer und Spielfilme
beinhaltet folgende Aufgaben:
•
Generieren und Verwalten von Filmdaten
•
Echtzeitverschlüsselung von komprimierten Daten
•
Erstellung von Play-Lists, in den Datum, Uhrzeit und Säle des Abspiels erfasst werden
•
Übertragung von Filmdaten im sogenannten File-Transfer-Modus. Dieser TransferModus beschreibt vereinfacht gesagt die Lieferung des gesamten Films in vielen kleinen einzelnen Dateien.
•
Überwachung und Rückmeldung der Übertragung und sofortige Korrektur, falls einzelne Files (Päckchen) nicht übertragen wurden.
•
Abrechnung und Rechnungsstellung.
Ferner kommt dem Sicherheitskonzept besondere Bedeutung zu. Sie ist die wichtigste Forderung der Film- und Kinowirtschaft, um den Schutz vor Raubkopien zu gewährleisten. Mittels
elektronischer Fingerabdrücke und elektronischer Wasserzeichen wird eine Rückverfolgung stets möglich sein. Das Play-Out-Center muss ferner möglichst alle Verschlüsselungsverfahren, die von den Verleihen angewendet werden, beherrschen. Die Bereitstellung der Inhalte
kann auf DVD, Magnetbändern oder dem sogenannten File-Transfer erfolgen. Die Daten können
dann im sogenannten Push- oder Pull-Modus versandt werden. Im Push-Modus schickt der
Verleih Daten an die Kinos, im Pull-Modus kann an das Kino auf ein Online-Archiv zurückgegriffen werden. Hierzu wurde eine Chipkarte entwickelt (Public-Key-Infrastructor), die den höchsten Sicherheitsstandard aufweist. Mit dieser Karte können Verleih, Kino oder die Servicebetreiber
(Play-Out-Center) den Versand von Filmen anfordern oder auslösen. Bei den Übertragungsmöglichkeiten können drei Varianten voneinander unterschieden werden.
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
5
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
1. Terrestrische Breitbandverkabelung im ATM-Modus (Asynchronos-Transfer-Modus).
Hier stehen unterschiedliche Übertragungsbandbreiten (2, 20, 40 oder 120 MBIT pro Sekunde zur Verfügung). Die Fußball-Weltmeisterschaft im Jahr 2002 wurde beispielsweise
über ATM übertragen. Die Vorteile dieses Systems liegen in flexiblen und hohen Übertragungsraten, den Möglichkeiten von Punkt zu Punkt aber auch von Punkt zu mehreren Punkten (point to point oder point to multipoint) vornehmen zu können. Der Inhalt
wird in kleinen Datenpakten übertragen, weshalb eine gute Fehlerkorrektur möglich
ist. Mit diesem System werden ferner geschlossene Benutzergruppen möglich. Schließlich ist die Breitbandtechnik weltweit verfügbar. Die Nachteile von ATM liegen beispielsweise in der Anbindung von kleineren Kino auf dem Land, da die Breitbandverkabelung nicht flächendeckend gewährleistet ist (Last Mile-Problem).
2. Die Vorteile des Satellits sind das ebenfalls point to multi möglich ist. Auch hier können Datenpakete oder Echtzeitprogramme versandt werden. Durch die Satelliten ist ferner eine hohe Flächendeckung, besonders auch der Kinos auf dem Land gewährleistet.
Die Nachteile des Satellits liegen in der begrenzten Bandbreite (34 Mbit pro Sekunde,
keine geschlossenen Benutzergruppen). Außerdem ist eine entsprechend frühe Buchung des Versands notwendig, da eine dauerhafte Transpondervorhaltung sehr
teuer ist. Die Anforderungen an die Verschlüsselung sind per Satellit deutlich
höher als bei Breitbandkabel. In Großstädten kann es ferner zu Empfangsproblematiken kommen, da nicht jedes Kino entsprechenden Antennen genau auf den Satelliten
(Großstädte mit Hochhäusern) ausrichten kann. Weiterhin sind bautechnische Restriktionen bei Filmtheatern möglich. Ein entscheidender Nachteil des Satellits ist die fehlende
Rückkanalfähigkeit, weshalb zusätzlich eine weitere Technik für die Rückkanalnutzung
eingesetzt werden muss.
3. DVD. Vorzüge der DVD liegen in dem weltweit gleichen Standard und die flexible
Anbindung mit dem geringsten technischen Aufwand. Weiterhin sind hohe Speicherkapazitäten (8 bis 9 DVD’s für ein Spielfilm) notwendig. Der Kopierschutz stellt wiederum ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Das Aufspielen und Löschen der DVD’s ist
personalaufwendig, da es rd. 8 bis 9 Stunden dauert, einen Film auf den Server zu laden. Schließlich ist diese Praxis sehr materialaufwendig und erzeugt Kosten beim
Versand. Durch den Versand ist das System relativ langsam und unflexibel und bildet
nicht zuletzt nur einen Teil von Digital Cinema ab, da andere Inhalte (Konzerte, TV
etc.) darüber nicht abgewickelt werden können.
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
6
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
Übertragungszeiten und Kosten
Die Übertragungszeit eines 120 Minutenfilms über Breitband dauert zwischen 273 Minuten (20
Mbit pro Sekunde) bis 46 Minuten (120 Mbit pro Sekunde). Beim Satellit liegt die Übertragungsdauer zwischen 600 und 141 Minuten, wobei hier die Kosten mit zunehmender Schnelligkeit
abnehmen. Folgende Annahmen wurden von Herrn Rolly angenommen:
•
Beitragslänge: 120 Minuten; Übertragungen/Jahr: 12; Encodierung MPEG-2: 40 Mbit/s
•
ATM: 40 Mbit/s, Übertragungsdauer: ca. 139 Minuten, Kosten ca. 89 TSD EUR
•
Sat: 16 Mbit/s, Übertragungsdauer: ca. 300 Minuten, Kosten ca. 91 TSD EUR
Sicherlich verringern sich die Kosten beim Satellit, wenn die Übertragungsbandbreite größer
wird, allerdings sind die Buchungen des Transponders für eine gesamte Kapazität nahezu ausgeschlossen.
Die Preise, welche bei ATM zugrunde liegen, entsprechen den Telekom-AGB-Preisen. Hier sind
für die Kinobranche, wenn der Bedarf zu sehen ist, sicherlich Sonderkonditionen anwendbar,
ähnlich wie bei den Kunden aus der Broadcast-Branche (ARD, ZDF, RTL, SAT1...).Fazit: Es kann
deutlich billiger werden, was beim Satellit nicht so einfach geht, da T-Systems keinen eigenen
Satelliten mehr hat und somit auch 'mieten' muß.
Herr Rolly hat angeboten, interessierten Kinobetreibern eine Führung in seine Play-OutCenter zu ermöglichen. Dort kann der komplette Ablauf vom Versand bis zum Empfang nachvollzogen werden.
AXEL WENDEROTH / TOBIAS KIRCHHOFER
Der nächste Vortrag von Axel Wenderoth (Das Werk) und Tobias Kirchhofer (Blue mars) stellte
eine Form der interaktiven Werbung im Kino vor. Aufgrund sinkender Effizienzsteigerung der
Werbung werden künftig spielerische und emotionale Markenwelten wichtiger. Das interaktive Werbespiel benötigt kinoseitig lediglich einen schnellen Internetanschluss. Von Markenartiklern gesponserte bzw. gestaltete Spiele können von Besuchern im Kino mittels der Handytastatur gespielt werden. Hier sind sowohl Quiz-Spiele als auch Geschicklichkeitsspiele (einsammeln von Smarties o.ä.) möglich. Auf der Leinwand wird eine Telefonnummer eingeblendet,
die von den Handybenutzern gewählt wird. Hier können entweder einzelne Besucher oder Besuchergruppen gegeneinander spielen. Jedes Spiel dauert rd. 2 bis 3 Minuten und der Sieger erhält
per SMS den Hinweis auf seinen Gewinn. Die auf diese Art und Weise gesammelten Telefonnummern von Kinokunden können möglicherweise weiter genutzt werden. Die LivedemonstraZusammenfassung der Tagung
September 2002
7
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
tion mehrerer solcher Spiele war eindrucksvoll und eignet sich vor allem für das Werbeprogramm von Mainstreamfilmen.
BERNHARD GRILL
Dr. Bernhard Grill vom Fraunhofer Institut stellte in einem sehr technisch orientierten Vortrag das
Digital Rights Management vor. Zwar ist die Verschlüsselung und die Kompression von Daten
eine wesentliche Voraussetzung für das digitale Kino, allerdings waren die technischen Details
von nur geringem praktischen Nährwert für die Kinobetreiber. Interessant war lediglich, dass ein
unkomprimierter Spielfilm mit hoher Auflösung über 7.000 GB an Speicherplatz benötigt.
Für den Vertrieb wird eine Kompression von bis zu 163 GB ermöglicht.
DR. KARL ULRICH
Als letzter Referent des ersten Tages referierte Dr. Karl Ulrich von Roland Berger Strategies über
die Wertschöpfungskette Film sowie die Kosten- und Erlösstrukturen bei D-Cinema. Nach
seiner Meinung geht die Entwicklung vor allem deshalb nur schleppend voran, weil nicht
alle in der Kette Beteiligten mit gleichen Kräften mitziehen. Ferner ist ein negativer Ankündigungseffekt deutlich geworden, dass viel angekündigt aber nur wenig gehalten wird.
Die Gründe dafür sind einerseits das im Prinzip funktionierende System, vor allem aber, dass die
Kosten zwar klar und hoch sind, mögliche Potentiale aber noch recht unsicher sind. Schließlich fallen die Kosten-Nutzen-Relationen in den Stufen der Wertschöpfungskette weit auseinander. Während Produktion und Verleih eindeutig von D-Cinema profitieren, fallen rein örtlich
gesehen die Kosten vor allen Dingen bei den Filmtheatern an. Um digitales Kino voranzutreiben,
ist ein moderierender Prozess notwendig, der alle beteiligten Parteien an den Tisch holt.
WOLFGANG BRAUN
Der zweite Tage begann mit einem Vortrag von Wolfgang Braun (Buena Vista). Bislang hat das
Unternehmen die Filme Fantasia 2000, Dinosaurier, 102 Dalmatiner, Ein Königreich für ein Lama, Atlantis, Monster AG, Lilo & Stitch und Signs-Zeichen als digitale Filme ins Kino gebracht.
Braun zitierte eine Prognose aus dem Jahr 1999, in dem von einem Zeitraum von 15 Jahren
ausgegangen wurde, bis es zu einer flächendeckenden Ausrüstung mit digitalen Projektoren kommt. Diese Prognose sieht Braun auch heute noch als realistisch an. Ferner berichtete er
davon, dass die Besucherzahlen in digital gezeigten Filmen (Zoo-Palast) besser waren als
in herkömmlichen Kinos. Die Kosten für die Herstellung eines digitalen Masters belaufen sich
auf rd. 150.000 $, welches sich dann allerdings weitestgehend weltweit einsetzen lässt. Auf die
Frage, wie Verleiher die Durchsetzung von DC fördern können, nannte er als eine mögliche PraZusammenfassung der Tagung
September 2002
8
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
xis, die digitale Kopie einige Wochen vor der analogen Kopie zum Einsatz zu bringen.
Mögliche Geschäftsmodelle nannte er nicht.
MATTHIAS SCHWARZ
Matthias Schwarz, Rechtsanwalt aus München sollte mögliche Geschäftsmodelle für digitales
Kino vorstellen. Als Experte für Urheberrecht ging er allerdings wesentlich stärker auf bestimmte
Urheberrechtsprobleme ein, die insbesondere darin bestehen, dass das Filmförderungsgesetz,
aber auch die Verträge zwischen Produzenten und Verleihern, die die digitale Auswertung bislang noch nicht abdecken, und somit eine Reihe von Regelungslücken enthalten. Hinsichtlich der
Geschäftsmodelle nannte er zuerst die Möglichkeit, dass bei der Verleihabrechnung zwischen
Kino und Verleih von der Filmmiete die Kosten einer Filmkopie (rd. 1.000 ) abgezogen
werden. Dieses Modell geht allerdings von der nicht einfach umzusetzenden Tatsache aus, dass
das Kino selbst in diese Hardware investiert. Eine Alternative dazu stellt die Drittfinanzierung
dar. Das amerikanische Unternehmen Technicolor stellte im vergangenen Jahr ein Modell vor.
Hier wollte das Unternehmen 1.000 Projektoren finanzieren. Die Verleiher tragen über eine Zahlung, die etwas günstiger ist als die Kosten einer Filmkopie, zur Amortisierung bei und die Kinos
mit einer sogenannten Servicegebühr. Hier stellte sich die Frage, ob diese Servicegebühr seitens des Kinos abzugsfähig ist oder nicht. Dieses Geschäftsmodell ist nach Aussagen von
Schwarz vor allem daran gescheitert, dass hier keine entsprechende Garantie über die Belieferung von digitalen Inhalten gegeben werden konnte.
Olaf Wiehler
Olaf Wiehler von der Firma S+L Medien beschäftigte sich mit dem Thema Content-Management
und D-Cinema. Das Unternehmen S+L Medien beschäftigt sich mit der Vermarktung von Kinofilmen und arbeitet praktisch für alle großen Verleiher. In einem breit gefächerten Vortrag stellte
er die Bildinhalte vor, die künftig im Kino übertragen werden sollen (Berichterstattungen von
Filmfestivals, Verleihung von Filmpreisen, Modenschauen, Konzerte, andere künstlerische Darbietung, Extremsportarten, Premieren von Event-TV-Movies, Jubiläumsfolgen von TV-Serien,
Start von Quiz- und Gameshows, Kultnächten mit besonderen Fernsehserien (Monaco Franz, Kir
Royal, Golden Girls), hochwertigen Dokumentationen, Making-Of’s (die von S+L Medien produziert werden und letztlich allen kostenlos zur Verfügung stehen), sowie vielen anderen Dingen.
Die im Einzelfall und von einzelnen Kinos sicherlich möglichen Contentalternativen zum Spielfilm
bergen allerdings das Problem der Senderechte. Es wäre eine Aufgabe des Verbands oder
eines Serviceunternehmens, die Ausstrahlungsrechte für die oben genannten Bildinhalte stets zu
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
9
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
recherchieren, um die Kosten für eine solche Ausstrahlung im Kino sowie die Nutzungsbedingungen zu kennen.
HENNING RÄDLEIN
Henning Rädlein von Das Werk beschrieb das digitale Labor. In einem außerordentlich kenntnisreichen und gut vorgetragenen Beitrag erklärte Rädlein die Genese eines Films. Die digitale Bildbearbeitung, die heute schon gang und gäbe ist, bietet zahlreiche Vorzüge gegenüber der analogen Nachbearbeitung. Hier sind vor allem die zahlreichen Generationenverluste, die vom
klassischen Filmnegativ bis zur im Kino zum Einsatz kommenden Filmkopie notwendig sind. Das
digitale Labor hingegen weist praktisch keinen Generationenverlust auf. Insgesamt ist
die digitale Filmnachbearbeitung und das digitale Masterring zwar nicht günstiger als die analoge, aber hinsichtlich der Handhabung, der Schnelligkeit und nicht zuletzt der Qualität
deutlich überlegen.
THOMAS AIGNER
Thomas Aigner von der Firma AME Media & Entertainment berichtet über die digitale Distribution via Internet „Pay-per-stream“. Dieses Thema hatte nur eine indirekte Relevanz zum Thema des Kongresses, da es die Möglichkeiten des legalen Filmdownloads bzw. des legalen
Filmstreams plastisch erläuterte. Indirekte Relevanz deshalb, weil hier ein künftiges Medium
beschrieben wurde, welches Auswirkungen auf den Kinobesuch haben dürfte.
Derzeit haben rd. 32 Mio. Deutsche Zugang zum Internet. Davon haben 84% den Zugang
(auch) zu Hause, nur 16 % haben lediglich am Arbeitsplatz ein Internetzugang. Während heute
noch 205 Minuten pro Tag das Fernsehen angeschaltet wird, liegt die Nutzungsdauer für das
Internet bereits bei 121 Minuten. 12 % der deutschen User haben einen Breitbandzugang (d.h. ISDN und schneller). Die mit einem Breitbandzugang versehenen Nutzer bleiben
deutlich länger im Netz und 55% davon nutzen regelmäßig Streams, d.h. das Schauen von
Filmen im Internet in Echtzeit. In diesem Fall werden die Daten nicht gespeichert. Aus Amerika
berichtete Aigner, dass rd. 40 % der filmstreamnutzenden User dafür auch zahlen würden.
Derzeit werden rd. 600.000 illegale Filmdownloads im Internet pro Monat registriert, wobei
hier Napster-ähnliche peer to peer-Beziehungen festgestellt werden. D.h. die sich gleichzeitig im
Netz befindlichen User geben sich gegenseitig Zugriff auf bestimmte Bereiche ihrer Festplatte,
auf denen sich Filme, Daten und Musik heruntergeladen werden können.
Mittlerweile gibt es eine Reihe von professionellen Filmanbietern im Internet. Das Unternehmen intertainer.com (seit 1996) ist eines der ältesten Unternehmen und bietet Filme vornehmlich
der Majors an. Während für B- und C-Filme Abogebühren von 8
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
im Monat anfallen, muss
10
MMA Digital Cinema Kongress
für Topfilme (A-Movies) 4
rmc rinke medien consult
pro Film bezahlt werden. Die Firma intertainer.com hat rd. 2 Mio.
Streams pro Monat bei rd. 1 Mio. Nutzern. Aufgrund der unterschiedlichen Rechte kann dieses
Angebot nur von amerikanischen Internetnutzern benutzt werden. Diese Technik nennt sich
Geo-Blocking, die ein Ausschluss von bestimmten Nationen ermöglicht. Weitere Internetanbieter
sind cinemanow.com (Warner Brothers), netcine.com (Frankreich), movielink.com und movies.com. Die Filme im Streammodus liefern zwischen 12 und 24 Bildern pro Sekunde. Sowohl
die gestreamten als auch die downloadfähigen Filme werden mit einer Diebstahlsicherheit
ausgerüstet. Bei den legalen Anbietern kommt die Filmdatei in einem virtuellen Umschlag, der
sich je nach der bezahlten Lizenzgebühr für ein bestimmten Zeitraum oder einen bestimmten
Nutzungshäufigkeit öffnet. Allerdings sind die Hacker relativ schnell, weshalb es keinen wirklich dauerhaft Diebstahlschutz gibt. Weshalb diese kommerziellen Stream- und DownloadAnbieter sich gegenüber dem Legalen dennoch behaupten können, liegt vor allem an der Bequemlichkeit der Nutzer. Vor die Wahl gestellt, eine Nacht lang zu suchen und sich partiell in der
Illegalität zu befinden und sich möglicherweise auch noch Viren einzuhandeln, trägt dazu bei,
dass leicht verfügbare, dafür kostenpflichtige Inhalte dennoch abgenommen werden.
THOMAS NÄGELE
Thomas Nägele, Kinobetreiber aus Straubing und Rosenheim schloss das zweitägige Seminar
zum digitalen Kino, in dem er sämtliche Beziehungen eines Filmtheaters vor dem Hintergrund
des digitalen Kinos würdigte. Interessant war das Ergebnis einer eigens von ihm durchgeführten
Besucherbefragung, in der die Besucher zwar gerne jedwede Qualitätsverbesserung als
wünschenswert empfinden, dafür aber nicht bereit sind, ein höheren Eintritt zu bezahlen.
In einem solchen Fall nehmen sie mit der bisher angebotenen Technik vorlieb.
In dem von Nägele in Rosenheim betriebene Mehrzwecksaal, der bereits mit einem Beamer ausgerüstet ist, laufen besondere TV-Events recht gut (Formel 1, Fußball etc.). Allerdings wollen
die Besucher hierfür nicht zahlen, es sei denn, es handelt sich um äußerst attraktive und nur
über Pay-TV empfangbare Angebote. Nägele beleuchtete ferner den Einfluss des Digitalkinos auf
die Beziehungen der Kinobetreiber zu den Banken, zu den Werbemittlern, zu den Kunden, zu
den Verleihern und anderen. Wesentlich war der Hinweis, dass durch die sehr lange Nutzung
von 35 mm-Projektoren sich durch AfA und Steuern deutlich günstigere Verhältnisse ergeben, als durch digitale Projektoren, deren Lebensdauer auf 5 bis 8 Jahre geschätzt werden kann.
Ferner schätzt Nägele die Lohnkostensteigerung im Bereich der Vorführkräfte auf 30 bis
40 %, da mit Server und Digitalprojektor höhere Anforderungen an das Vorführpersonal
gestellt werden.
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
11
MMA Digital Cinema Kongress
rmc rinke medien consult
FAZIT
Das Seminar machte auf viele interessante Aspekte des Digitalen Kinos aufmerksam. Fragen
nach dem Geschäftsmodell, dem zeitlichen Ablauf, die Dauer des Simultanbetriebs blieben allerdings noch ebenso unbeantwortet, wie die Fragen nach der Datensicherheit und dem Verhalten
der Verleiher.
In der zusammenfassenden Diskussion machte Herr Koch von rmc rinke medien consult GmbH
noch einmal deutlich, dass der Einsatz von digitalem Kino nur dann von den Filmtheatern unterstützt wird, wenn es ein brauchbares Geschäftsmodell gibt, welches zu keinen nennenswerten
zusätzlichen finanziellen Belastungen der Kinos führt. Vielmehr sollten die insgesamt möglichen
Einsparpotentiale auch auf das Kino übertragen werden.
rmc rinke medien consult im Oktober 2002
Zusammenfassung der Tagung
September 2002
12