Propaganda und Alltag - Kindheit im „Dritten Reich“

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Propaganda und Alltag - Kindheit im „Dritten Reich“
„Ich war wieder einmal stolz, eine Deutsche sein zu dürfen . . .“
Propaganda und Alltag - Kindheit im „Dritten Reich“
Eine Ausstellung des Instituts für Zeitgeschichte
zum Tag der Archive am 8. März 2014, 10-17 Uhr
Das Institut für Zeitgeschichte beteiligt sich auch 2014 wieder am bundesweiten Tag der Archive. Am 8. März von 10-17 Uhr wird im Foyer des Instituts, Leonrodstr. 46b, eine Ausstellung
zum Thema „Propaganda und Alltag – Kindheit im Dritten Reich“ zu sehen sein. Daneben
haben Besucherinnen und Besucher Gelegenheit, bei Magazinführungen einen Blick hinter die
Kulissen des Archivs zu werfen.
In der Ausstellung werden Unterlagen von Behörden und Parteiorganisationen, Schulbücher,
private Tagebuchaufzeichnungen, Fotos, Briefe, Memoiren und Spielzeug aus den Beständen
des Archivs gezeigt. Die Schriftstücke, Bilder und Objekte dokumentieren aus ganz unterschiedlicher Perspektive Alltag und Erfahrungswelten von Kindern und Jugendlichen im Dritten
Reich. Dabei werden nicht nur die Organisationen und Mechanismen der nationalsozialistischen Indoktrination aufgezeigt, sondern auch die Verbrechen verdeutlicht, die das Regime
an Kindern und Jugendlichen begangen hat.
Kindheit im Dritten Reich
Kinder waren während des „Dritten Reiches“ von klein auf großen Zwängen unterworfen, denen sie sich kaum entziehen konnten. Sie wurden an den politischen, sozialen und rassischen
Normvorstellungen des Regimes gemessen, beurteilt und entweder der „Volksgemeinschaft“
ein- und untergeordnet oder aus dieser ausgegrenzt und unnachgiebig verfolgt. Alle Kinder
und Jugendlichen waren ab 1939 außerdem den Einwirkungen des Krieges ausgesetzt, von
denen sie vor allem die Abwesenheit der Väter, die zunehmenden Luftangriffe und die sich
verschlechternde Lebensmittelversorgung bewusst erlebten.
Indoktrination
Veröffentlichungen der Jugendorganisationen der NSDAP verdeutlichen den Anspruch des
Regimes, Kinder zu „nationalsozialistischen Volksgenossen“ zu „formen“. Dabei standen bei
den Jungen die Erziehung zu Wehrhaftigkeit und die Vorbereitung auf den Kriegsdienst im
Vordergrund. Die Mädchen wurden dagegen vor allem auf ihre Mutterrolle und die Kinderer-
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ziehung im Sinne des Nationalsozialismus vorbereitet. Tagebucheinträge, Briefe und Erinnerungen geben Einblick, wie Kinder und Jugendliche diese geschlechtsspezifische Indoktrination im Bund Deutscher Mädel bzw. in der Hitlerjugend, in Landjahrlagern und Nationalpolitischen Erziehungsanstalten erlebten und verarbeiteten.
Ausgrenzung, Verfolgung, Ermordung
Demgegenüber stehen die Erfahrungen und Schicksale von denjenigen Kindern und Jugendlichen, die aus unterschiedlichen Gründen aus der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft
ausgeschlossen und vom Regime verfolgt, misshandelt und vielfach ermordet wurden.
Besonders betroffen waren jüdische Kinder, deren Lebensraum zunächst immer mehr eingeschränkt wurde, bis sie schließlich zusammen mit ihren Familien in Vernichtungslager deportiert wurden. Manchen Eltern gelang es jedoch, zumindest ihre Kinder ins Ausland zu retten.
Die Erinnerungen solcher ehemaliger Kinder aus der Nachkriegszeit vermitteln einen Eindruck
von den Umständen dieser Rettungsaktionen.
Zwischen 1939 und 1945 ließ das Regime außerdem tausende geistig oder körperlich beeinträchtigte Kinder in „Kinderfachabteilungen“ einweisen, wo viele im Rahmen der sogenannten
„Kinder-Euthanasie“ getötet wurden. Die perfide Systematik dieser Kindermorde lässt sich in
den Akten der Staatsanwaltschaften nachvollziehen, die in den 1960er Jahren gegen die verantwortlichen Ärzte ermittelten.
Schließlich wurden „auffällige“ Kinder, also solche, die nicht den Normvorstellungen der Nationalsozialisten entsprachen, ihren Familien weggenommen und in „Erziehungsheimen“ untergebracht. Einblicke in diesen Aspekt von Kindheit im „Dritten Reich“ geben unter anderem die
Akten des nordwestlich von München gelegenen Erziehungsheims Indersdorf. Für vermeintlich schwer erziehbare Jugendliche richtete das Regime spezielle, nach Geschlechtern getrennte, Konzentrationslager ein. Ermittlungs- und Prozessakten aus der Nachkriegszeit zeigen auf, welchen Repressalien und Misshandlungen sie in diesen Lagern ausgesetzt waren.
Bereits kleinste „abweichende“ Verhaltensweisen, wie das Hören der als „entartet“ geltenden
amerikanischen Swing-Musik, konnte eine Kriminalisierung nach sich ziehen. Belege für die
Verfolgung und Misshandlung solcher nonkonformistischer Jugendlicher finden sich zahlreich
in den Unterlagen von Polizei- und Justizbehörden.
Organisatorisches
Die Magazinführung während des Tags der Archive finden jeweils zur vollen und halben
Stunde oder nach Bedarf statt.
Die Ausstellung wird noch bis Anfang April im Institut für Zeitgeschichte zu sehen sein.
Ansprechpartnerin:
Dr. Esther-Julia Howell, stellv. Archivleiterin
Tel.: 089/12688-127
Email: [email protected]