ta_kulturen_20051017

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49 17.10.2005
21.10.05 14:16:49
Tages-Anzeiger · Montag, 17. Oktober 2005
DIGITAL
49
Reisbauern spielen anders als Jäger
Im spielbegeisterten Japan
verkaufen sich westliche Games
eher schwach. Der abweichende
Geschmack ist kulturhistorisch
begründet.
Bis Ende des laufenden Jahrzehnts
sollen weltweit rund 125 Millionen
Geräte verkauft werden, die MP3 respektive Musik in digitaler Form abspielen können. Das wären rund fünfmal mehr als heute, sagen die Marktforscher von IDC.
Yogei. Das ist keine japanische Abart von
Yoga, sondern die Bezeichnung für nicht
in Japan produzierte Videospiele. Unter
den Begriff fallen westliche Verkaufsschlager wie «Halo 2» (ein Egoshooter, in
dem man als schiessfreudiger Supersoldat
das Universum gegen Ausserirdische verteidigt), «Madden NFL» (American Football) oder «GTA – San Andreas» (jeder
darf mal Gangster spielen). Sonderlich gefragt sind Yogei im Land der aufgehenden
Sonne nicht, denn hier herrscht allem Anschein nach ein grundlegend anderer
Spielgeschmack vor. Auf starke Einzelpersonen, den klassischen Helden, ausgerichtete Games wie das genannte «Halo»
(weltweit immerhin fünf Millionen verkauft, Bild unten) stossen im waffenarmen
Japan auf wenig Gegenliebe. Erheblich populärer sind Rollenspiele in der Art von
«Final Fantasy» (Bild rechts).
Euro-GPS in Geldnot
Das europäische satellitengestützte
Navigationssystem Galileo steckt gemäss dem «Handelsblatt» in einer Finanzkriese. Deutschland hat seine
Zahlungen für das Projekt an die Esa
gestoppt, da es bisher zu wenig Aufträge für die deutsche Industrie abgeworfen habe. Mit Galileo wollen die
Europäer unabhängig vom heutigen
GPS werden, das vom US-Militär betrieben wird.
MSN versteht Yahoo
Die Instant-Messaging-Dienste (IM)
von Yahoo und MSN sollen künftig
kompatibel zueinander werden. Weiterhin auf einer separaten Schiene
fahren AOL/iChat.
Zusammen stark sein zählt
Mediacenter nähert
sich der Xbox an
BILD PD
Sich der Gruppe unterordnen, ist in Japan eine Tugend, auch in Videospielen (Szene aus «Final Fantasy X»).
der Videospielindustrie und deshalb eine
feste Säule in unserer globalen Strategie
für Xbox 360», so Peter Moore, Marketingchef von Microsofts Spielkonsole und ehemaliger Sega-Mann. Drei Jahre wurden in
den Launch der kommenden Generation
investiert. Dank einer Kooperation zwischen japanischen und amerikanischen
Designern wirkt das neue Videospielsystem schlank und rank.
Gemeinsame Liebe zum Auto
Um die Japaner auch auf der SoftwareSeite von der neuen Plattform zu überzeugen, wurde die Unterstützung von über
50 japanischen Softwareentwicklern gesichert. So präsentiert ausgerechnet Yoshiki
Okamoto, der Mann hinter dem ZombieShooter «Resident Evil», das sehr eigenwillige – eben japanische – Gesellschaftsspiel «Every Party», das vorerst nur in seiner Heimat erscheinen wird: «Ich will mit
meinem Spiel den Vätern eine Ausrede liefern, warum sie eine Xbox kaufen sollen.
Die PS2 war eigentlich ein DVD-Player.
Die Xbox 360 ist ein Haushaltgerät –
schliesslich kann die ganze Familie mein
Game spielen.»
Tetsuya Mizuguchi, Erfinder des Autorennklassikers «Ridge Racer» wurde
ebenfalls exklusiv an Bord geholt. Dessen
Frühwerk zeigt auch, wo längst eine Brücke zwischen den unterschiedlichen
Game-Kulturen besteht: bei der Liebe zum
Automobil. «Formula 1» des britischen
Studios Psygnosis verkaufte sich allein auf
der Playstation 800 000 Mal in Japan. Hinter aufwändigen Simulationen wie «Gran
Turismo 4» und «Enthusia» stehen die japanischen Softwaredesigner Kazunori Yamauchi und Manabu Akita.
Die neuste Version der WindowsMediacenter-Software kann Filme
(in HD-Qualität) und andere Inhalte
vom Mediacenter-PC auf jeden TV
im Haus streamen, an dem eine
Xbox 360 angeschlossen ist.
iMac nähert sich dem
Mediacenter an
Auf dem neuen iMac G5 lassen sich
Musik, Filme und Fotos «von der
Couch aus» betrachten, eine Fernsteuerung – mit nur 6 Tasten – und
eine elegante Softwareoberfläche
werden exklusiv für diesen Computer
mitgeliefert. Was zum vollständigen
Mediacenter allerdings fehlt, ist ein
TV-Tuner mit der Möglichkeit, Sendungen aufzuzeichnen.
Druckbarer Bildschirm
Siemens entwickelt Bildschirme, die
sich auf Folien drucken lassen. Sie
sind relativ billig herzustellen und
könnten in etwa zwei Jahren auf Ver-
Die Hemisphären rücken zusammen
Hartes Pflaster für westliche Spiele
Der weltweit grösste unabhängige
Game-Hersteller, Electronic Arts, tritt in
Japan nicht als Platzhirsch, sondern als
Underdog auf. An der diesjährigen Tokyo
Game Show glänzte EA gar mit Abwesenheit. Ein Stand scheint sich an der Messe
nicht zu lohnen, macht doch der Milliardenkonzern im Land von Sony und Nintendo nicht einmal ein Zehntel des Umsatzes von Europa.
Sieht sich die Game-Industrie, welche
die Lokalisation ihrer Produkte ansonsten
meisterhaft betreibt (und sich darin vom
Filmbusiness abhebt), einem unüberwindbaren Graben gegenüber, wenn es um die
Frage von Ost und West geht? Selbst die
Marketingpower Microsofts verpuffte
praktisch wirkungslos, als sie ihre Videospielkonsole Xbox Februar 2002 einführten. «Erstens sind wir mit der Xbox eine
Stunde später als die anderen Läufer in einen Marathon gestartet. Sony hatte zu jenem Zeitpunkt bereits 1 Million Playstation 2 verkauft», erklärt Yoshihiro Maruyama, Chef von Xbox Japan. «Und zweitens waren wir nach nur 18 Monaten Vorbereitung nicht die stärksten Läufer.»
Keineswegs hilfreich war das klobige
Klotzdesign der US-Konsole, das die Japaner in ihren kleinen Wohnungen als zu
sperrig empfanden. Das soll sich mit der
nächsten Version der Xbox ändern:
«Japan ist der wohl wichtigste Markt in
Steven Spielberg wird für den weltgrössten Videospielhersteller Electronic Arts drei Titel produzieren. Dabei sollen nicht bestehende Filme als
Spiele umgesetzt werden, sondern eigenständige, neue Games entstehen.
Das erste fertige Produkt wird in
etwa zwei Jahren erwartet.
MP3 bleibt gefragt
Von Marc Bodmer
Ein PR-Mitarbeiter einer US-Softwarefirma, der seit fünf Jahren zwischen den
USA und Japan hin und her pendelt, beschreibt die Charakterzüge der Völker in
bewusst simpler Verallgemeinerung: «Die
Japaner sind eher passiv, während die
Amerikaner aggressiv sind. Das zeigt sich
auch in den Vorlieben für Spielthemen.»
Der japanstämmige Konzernchef Hiroshi, an diversen westlichen Universitäten
ausgebildet, sieht die kulturellen Differenzen historisch begründet: «Wir Japaner
sind ein Volk von Reisbauern. Der Anbau
verlangt nach einem starken Zusammenhalt der Gemeinschaft. Wenn beispielsweise ein Taifun die Ernte zerstörte, waren wir aufeinander angewiesen.» Im
Westen setzten sich dagegen Jägervölker
durch: «Wer schneller und kräftiger ist,
hat mehr Erfolg, mehr zu essen. Darum
schliesst man sich dort gerne einer starken
Leitfigur an, während solche Ausnahmeerscheinungen in der japanischen Gruppe
keinen Platz finden und ausgeschlossen
werden. Sie stören deren Harmonie.»
So erklärt er die heutige Vorliebe für
Egoshooter im Westen, die den Jagdinstinkt befriedigen, und für Rollenspiele im
Osten, worin weniger aggressive Helden
und mehr Kooperation gefragt sind. Interessantes Detail: Die Rollenspiele wurden
eigentlich in Amerika erfunden. Erst mit
dem Niedergang von Atari übernahm Japan die Führungsrolle in diesem Bereich.
Gemäss Hideo Kojima, dem Schöpfer
der populären «Metal Gear Solid»-Serie,
schätzen die Japaner zudem die Dramaturgie eines Spiels höher als seine Interaktivität. Für Matthew Sakey, Spezialist für kulturelle Differenzen bei der internationalen
Game-Entwickler-Vereinigung IGDA, tut
sich der Westen generell schwer mit der
Bezeichnung «Spiel», was gleichbedeutend mit Zeitverschwendung sei: «Japan
dagegen hat Videospiele längst als eine
weitere narrative und künstlerisch wertvolle Form akzeptiert.»
Spielberg macht Spiele
BILD PD
Ich, der Held. Westliche Helden wie der Masterchief neigen zum Egotrip.
Einen anderen Weg als über virtuelle
Rasereien wählten die Schöpfer von
«Onimusha 3». Im Samurai-ZombieAbenteuer kämpfen die Filmschauspieler
Takeshi Kaneshiro («House of Flying
Daggers») und der Franzose Jean Reno
(«Leon») Seite an Seite.
Matthew Sakey von der IGDA hält diesen Brückenschlag jedoch nur beschränkt
für sinnvoll. Entscheidend sei vielmehr,
dass ein Game an und für sich global ansprechend ist. «Zeit und mehr Berührung
mit andersartigen Spielen werden es richten», ist Sakey jedoch überzeugt. «Vor
zwanzig Jahren waren japanische AnimeZeichentrickfilme bei uns so gut wie unbekannt. Inzwischen haben sie auch hier
ihr Publikum gefunden, das Angebot ist
anständig breit. So wird es auch bei den
Videogames passieren. Je mehr die Akzeptanz von Videospielen wächst, desto
einfacher wird es werden, dass Games Erfolge in verschiedenen Kulturen feiern
werden.»
Erste Anzeichen für eine Aufweichung
der Fronten gibt es bereits. So fand das
Ganster-Spiel «GTA – San Andreas» trotz
minimaler Werbung und dem Stigma der
Gewaltverherrlichung 450 000 japanische
Käufer. Spielguru Hideo Kojima will sogar ein gesteigertes Interesse seiner
Volksleute für Egoshooter-Games ausmachen. «Dank dem Internet kommen sich
die verschiedenen Spieler näher in ihrer
Denkweise und ihrem Hintergrundwissen. Die Unterschiede sind heute weniger
klar als noch vor ein paar Jahren. Es wäre
schön, wenn wir Spielemacher helfen
könnten, die Welt zu vereinen.»
packungen, Tickets und Ähnlichem
alle möglichen Informationen anzeigen. Strom beziehen die Displays aus
bereits ebenfalls ausgedruckten Batterien. Die Bildschirme sollen gemäss
Siemens sogar umweltfreundlich zu
entsorgen sein.
Yahoo findet Podcasts
Die Suchmaschine Yahoo testet derzeit einen Dienst für Audioshows
zum Runterladen. (TA)
http://podcasts.yahoo.com
«Digital-Sushi»
Im Gadget-Weblog
des «Tages-Anzeigers» schildern Redaktoren aus verschiedenen
Ressorts ihre Erfahrungen mit diversen
Gadgets. Leserkommentare und Anregungen sind willkommen.
www.tagesanzeiger.ch/
digitalsushi