PDF-Datei - Bundesanzeiger Verlag

Transcrição

PDF-Datei - Bundesanzeiger Verlag
Aufsätze
Aufsichtsgremien
im deutschen Mittelstand
Wie stark darf der Ratschlag sein?
Stefan Hübner, Managing Partner von GEMINI Executive Search, München und
Prof. Dr. Jürgen Thömmes, Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW), Bergisch Gladbach
In den Aufsichtsgremien des großen deutschen Mittelstands
tut sich einiges: Mehr denn je muss in Zeiten wirtschaftlicher
Herausforderungen sichergestellt werden, dass das eigene
Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich sein kann. So
auch im Mittelstand. Professioneller Ratschlag wird damit wichtiger Bestandteil der
Unternehmensstrategie – sei es aus dem eigenen Beirat oder von extern. Die Studie
„Aufsichtsräte und Beiräte im Spannungsfeld zwischen Vertrauen, Verantwortung
und Haftung“ der Personalberatung GEMINI Executive Search zusammen mit der
Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach bestätigt dies: Knapp 70 % der
134 befragten Geschäftsführer, Vorstände und Inhaber im deutschen Mittelstand
empfinden die wirtschaftlichen Herausforderungen als stärksten Einfluss auf die
Wahrnehmung und Einrichtung eines Aufsichtsgremiums.
I. Aktuelle Situation der
Aufsichtsgremien im
Mittelstand
Für den Mittelstand, insbesondere im
industriellen Umfeld – das Rückgrat
der deutschen Wirtschaft –, gibt es
aber kaum praktische Anhaltspunkte
und Orientierungshilfen bei der
Wahrnehmung und Einrichtung eines
Aufsichtsratsgremiums. Ist die Governance der großen Publikumsgesellschaften über die Publizitätspflichten,
das Aktiengesetz und den Corporate
Governance Kodex geregelt, so gibt
es im Mittelstand zwar abgewandelte
Formen eines „Corporate Governance
Kodex“, pauschale Lösungen sind
dort jedoch nicht immer anwendbar. Unternehmen sind in diesem
Zusammenhang mit vielen grundsätzlichen Fragen konfrontiert: Bestellt
man einen Aufsichts- oder einen Beirat? Wie formiere ich diesen? Wie
finde ich geeignete Mitglieder für
das neue Gremium? Nach welchen
Regeln soll das Gremium agieren, soll
es eine richtige Satzung bekommen?
Was bezahlt man an die Mitglieder?
Welche strategischen Konsequenzen
hat die Installation eines Aufsichtsgremiums?
194
Einmal freiwillig installiert, muss die
Arbeit der Gremien schließlich auch
zugelassen werden. Die formalisierten
Prinzipien, abgeleitet aus dem deutschen „Corporate Governance Kodex“
oder dem „Governance Kodex für
Familienunternehmen“, müssten dazu
freiwillig von den Gesellschaftern
gelebt werden. Wie stark darf der
Ratschlag für die Geschäftsführung
heute sein? Wann sind die Grenzen
der Aufsichtsgremien im deutschen
Mittelstand erschöpft und ab wann
entscheiden die Eigner?
II. Empirischer Ansatz
der Studie
Für die Studie „Aufsichtsräte und
Beiräte im Spannungsfeld zwischen
Vertrauen, Verantwortung und Haftung“ wurden von GEMINI und der
Fachhochschule der Wirtschaft im
ersten Halbjahr 2011 rund 1.500
Geschäftsführer und Vorstände aus
Unternehmen des großen deutschen
Mittelstands zu ihrer Einschätzung
bezüglich Aufsichts- und Kontrollgremien schriftlich befragt. Mit 134
auswertbaren Fragebögen und einer
Rücklaufquote von knapp 10 % gelten die Ergebnisse als repräsentativ.
INHALT
I.
Aktuelle Situation der Aufsichtsgremien im deutschen Mittelstand
II. Empirischer Ansatz der Studie
III. Ergebnisse
1. Einfluss der Eigner
2. Qualifikationsanforderungen
und Besetzung der Gremien
3. Vergütung
4. Professionalität in der
Gremienarbeit
IV. Corporate Governance Kodex
versus Governance im Mittelstand
V. Fazit
Keywords
Beiräte; Besetzung; Cooling-Off-Phase;
D&O-Police; Familienkodex; Governance, Principal-Agent Problematik;
Professionalisierung; Qualifikationanforderungen; Vergütung
Die Ergebnisse bezüglich der Gestaltungsspielräume in Governance-Fragen sind für Aktiengesellschaften
und alle anderen Unternehmen mit
sonstigen Rechtsformen gesondert
zu interpretieren, wobei die großen
GmbHs mit Aufsichtsräten eine Sonderrolle spielen. Details zu den Eigentumsverhältnissen sind wesentlich
zum Verständnis der folgenden Inter-
BOARD s 5/2012
Aufsätze
pretationen und bezüglich der Frage,
wer die Initiative zur Einrichtung eines
freiwilligen Gremiums ergreift. 31 %
der befragten Unternehmen waren
dabei von Familien kontrolliert.1
Eine Erkenntnis lag dabei nahe: Die
Informationspolitik familiengeführter
Unternehmen, die sprichwörtliche
Verschwiegenheit, wurde durch die
Studie bestätigt. Die Teilnahmebereitschaft der Familienunternehmer an
der Studie war gemessen am Anteil
dieser Unternehmen in der Zielgruppe
viel geringer ausgeprägt als bei den
Konzerntöchtern oder Beteiligungsunternehmen.
III. Ergebnisse
1. Einfluss der Eigner
In der Studie, deren Befragte in knapp
50 % der Fälle einen freiwillig installierten Beirat oder Aufsichtsrat besaßen, konnte durchaus die direkte
Einflussnahme der Eigner in strategisch wichtigen Fragen hinsichtlich
des Aufsichtsgremiums nachgewiesen werden. Angefangen von der
grundsätzlichen Entscheidung über
ein Gremium, bis hin zu Fragen der
Zusammensetzung, aber auch der
Modalitäten und Vergütung – die
Eigner waren präsent.
Ganz unabhängig von gesetzlichen
Regelungen oder Rollenverteilungen
sind Geschäftsführung und Gesellschafter großer Mittelständler heute
gut beraten, Fragen der Governance
ernst zu nehmen und überzeugende
Antworten für Banken, Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter oder die interessierte Öffentlichkeit bereitzuhalten.
Dies ist umso entscheidender, als es
immer wieder prominente Fälle von
eklatantem Managementversagen zu
beklagen gibt, sowohl in anonymen
AG-Strukturen wie auch in inhabergeführten oder von den Gesellschaftern
1 Zu Daten und Fakten zu Familienunternehmen
in Deutschland siehe auch: Lamsfuß, Christoph/Wallau, Frank in: Die größten Familienunternehmen in
Deutschland. Daten, Fakten, Potenziale. Wissenschaftliche Bearbeitung; Institut für Mittelstandsforschung,
Bonn, Bundesverband der Deutschen Industrie e.V./
Deutsche Bank AG (Hrsg.), Berlin und Frankfurt am
Main 2012, S. 8 ff.
BOARD s 5/2012
0%
20%
Eigene unternehmerische Erfahrung (Selbständigkeit)
74%
Erfahrung mit Familienunternehmen (operativ und/oder als AR/Beirat)
62%
Erfahrung in technischen Belangen und bei Innovationen
(Ingenieurswissen)
50%
Erfahrung als Finanzprofi, bspw. als Banker/WP/StB
64%
Branchenerfahrung
69%
Fachwissen als Jurist/Fachanwalt
25%
Lebenserfahrung/Alter > 50
39%
Familienmitglied, auch ehemalige geschäftsführende Gesellschafter
60%
Persönliche Nähe und bestehendes Vertrauensverhältnis zu
Gesellschaftern
61%
Empfehlung durch externe Berater (Executive Search- oder
Managementberater)
22%
Empfehlung aus Unternehmerverbänden / Unternehmernetzwerken
71%
N= 107
Starker Einfluss
Mittlerer Einfluss
40%
60%
80%
100%
24%
2%
35%
3%
47%
3%
32%
5%
27%
50%
4%
25%
50%
11%
35%
26%
44%
5%
13%
33%
0%
29%
Schwacher Einfluss
Abb.1: Gesamtstruktur, Entstehung und Arbeitsmodus der Aufsichtsratsgremien
kontrollierten Familienunternehmen.
Eine gewisse Kontrolle kann hier
sicherlich nicht schaden.
Wohl auch deshalb steigt die Initiative
zu freiwilligen Kontrollorganen stetig.
82 % der freiwilligen Beiräte und Aufsichtsräte entstehen von innen heraus
durch den Willen der Gesellschafter, kaum jemals durch Einflüsse von
externen Kapitalgebern. Die Gesellschafter sind folglich der mit Abstand
häufigste Initiator für die Einführung
eines Aufsichtsorgans. Man möchte
sich absichern.
Die Art und Weise, wie dies geschieht,
unterscheidet sich jedoch: In der
GEMINI-Studie konnten signifikante
Unterschiede zwischen anonymen
Großunternehmen und eigentümergeprägten Mittelstandsunternehmen
erkannt werden.2 Am augenfälligsten
war dies bei der Zusammensetzung
der Gremien, welche bei freiwilligen
Organen exklusiv durch die Kapitalseite erfolgt.3
2. Qualifikationsanforderungen
und Besetzung der Gremien
Bei der Besetzung eines Gremiums
ist die „psychologische Nähe“ zu
2 Zu charakteristischen Determinanten von Familienunternehmen siehe auch: May, Peter: Erfolgsmodell
Familienunternehmen, Murmann, Hamburg 2012,
S. 29.
3 Vgl. Wieselhuber, Norbert in: Wieselhuber, Norbert/Andreas M. Lohner/Gustl F. Thum: Gestaltung
und Führung von Familienunternehmen, Unternehmer
Medien, Bonn 2005, S. 78 ff.
den Eignern insofern noch besonders wichtig, gewährleistet entweder
durch eine vergleichbare Biografie als
Unternehmer, Branchenexpertise oder
technologische Kompetenzen. Heute
ist der Sparringspartner auf Augenhöhe gefragt. Eigene unternehmerische Erfahrung in Selbstständigkeit
(nicht gemeint ist Managementerfahrung als Angestellter) dominiert
mit 74 % das Anforderungsprofil an
geeignete Kandidaten, direkt gefolgt
von Empfehlungen durch Unternehmerkollegen sowie Verbände und
Netzwerke (71 %). Die Eigner fordern von Kandidaten zudem Branchenerfahrung (69 %), Erfahrung
mit Familienunternehmen (62 %) und
die persönliche Nähe einschließlich
eines engen Vertrauensverhältnisses
zu den Gesellschaftern (61 %). Auch
Erfahrungen als Finanzexperte können sich auszahlen: 64 % werten
dies als Kriterium für ein Mandat. Die
Zugehörigkeit zur Gesellschafterfamilie und eine frühere Erfahrung als
geschäftsführender Gesellschafter
werden mit 60 % genannt. Weniger
gefragt sind juristische Kompetenzen
(25 %).
Gesellschafter und Geschäftsführung
schätzen zunehmend den professionellen Rat – aber mit Grenzen.
Zwar besitzt mindestens die Hälfte
der großen Mittelständler ein aufsichtsratsähnliches Gremium, den
Status eines „Organs“ haben aber
nur 25 % der Beiräte der befragten
195
Aufsätze
Unternehmen. Nur damit sind sie
bezüglich ihrer Kontrollrechte und
der dauerhaften Absicherung ihrer
Arbeitsgrundlage aber als organschaftliche bzw. „starke“ Beiräte
anzusehen.4 Auch wenn die Arbeit
aus Sicht der Geschäftsführung unbequem oder gar missliebig sein sollte,
kann der starke Beirat nicht außer
Kraft gesetzt werden. Seine Arbeit ist
durch die Satzung reglementiert, die
eine „einfache Abschaffung“ eines
unbequemen Gremiums nicht zulässt.
Mindestens 50 % der Gesellschafter
bei freiwilligen Organen befürworten
diese Kontrolle der Geschäftsführung durch die Beiräte und Aufsichtsräte, die starke Verfassung und eine
definierte Mitentscheidungsmacht
auch. Aber nur in 13 % der Fälle hat
das freiwillige Organ seine Ordnung
auch selbst ausgearbeitet. Der starke
Gestaltungswille der Gesellschafter
(38 %) ist also auch hier spürbar.
Um sich bei der Herausforderung
der optimalen Ausrichtung und
Besetzung eines Aufsichtsgremiums externe Meinungen anzuhören,
konnte festgestellt werden, dass in
zunehmendem Maße Suchanfragen
nach geeigneten Beiräten und Aufsichtsratsmitgliedern auch an externe
Personalberater herangetragen werden. Zwar geben die Befragten an,
dass sie sich aktuell noch eher selten
an Personalberatungen wenden, die
Praxis zeigt jedoch ein anderes Bild. So
ist beispielsweise bereits jede zehnte
Suchanfrage bei GEMINI bezogen auf
einen Aufsichtsrat. Während vor Jahren noch eher selten und nach dem
Zufallsprinzip – frei nach dem Motto
„Sie kennen doch sicher einen…“ –
ein Headhunter angefragt wurde,
erhalten Personalberatungen heute
in zunehmendem Maße den klar definierten Auftrag, bei der Besetzung
eines Bei- und Aufsichtsrates gezielt
und systematisch tätig zu werden.
Eine der wesentlichen Herausforderungen ist dabei die fundierte und
sorgfältige Profilerstellung in der
bewussten Abgrenzung bzw. Ergän4
Vgl. Wieselhuber, Norbert, u.a., a.a.O., S. 88 f.
196
zung zu bereits vorhandenen Beiratsmitgliedern (Branche, Erfahrung etc.)
oder mit Blick auf die Rollenverteilung
und unter Berücksichtigung spezifischer fachlicher oder thematischer
Qualifikationen. Neben diesen eher
faktenbasierten Auswahlkriterien ist
dann insbesondere der „Personal Fit“
zu den jeweiligen Gremien, Gesellschaftern, den Geschäftsführern und
Vorständen wichtig, den ein erfahrener Personalberater in intensiven
Gesprächen mit allen Beteiligten herausfinden und abgleichen sollte.
3. Vergütung
Wendet man sich zur anderen Seite,
den Kandidaten, so bringen Kontrollrechte auch immer Fragen der Haftung und Leistungserbringung auf. So
ist es heute kein „Ehrenamt“ mehr,
Aufsichtsratsmandate innezuhaben.
Es ist Arbeit, die vergütet sein will.
Laut Befragung gibt es dabei aber
noch starken Nachholbedarf: Zwar
werden freiwillige Organe weder
besser noch schlechter als gesetzlich
vorgeschriebene bezahlt, objektiv
betrachtet vergüten 33 % der Befragten ihre Gremien jedoch mit maximal 10.000 % Jahresfixum, weitere
36 % mit maximal 25.000 %. Hinzu
kommt, dass 65 % der Befragten die
Zahlung von bis zu 25.000 % auch
als angemessen einschätzen, also
aktuell nichts daran ändern würden.
Diskrepanzen ergeben sich insofern,
als Aufsichtsratsmandate von den
Kandidaten heute aber eben gerade
nicht mehr nur als Ehre empfunden
werden – darin sind sich die Experten einig. In 43 % der Fälle erhalten
selbst Beiratsvorsitzende dieselbe Vergütung, trotz Mehraufwand. Neue
Anreize müssen insofern geschaffen
werden, möchte man professionelle
Kandidaten für das eigene Gremium gewinnen. Der variable Anteil,
gemessen an der Gewinnsituation des
Unternehmens, dem Unternehmenswert oder der Gesamtkapitalrentabilität, ist dabei nicht die Lösung. Nur
7 % der Befragten vereinbarten einen
variablen Anteil größer als 50 %, die
Mehrheit beschränkt sich auf das
Fixum.
Auch die Haftungsthematik, die durch
D&O-Policen nur unzureichend abgedeckt ist, muss geklärt werden. Aktuell haben nur 16 % der Befragten
mit einem schuldrechtlichen Beirat
Haftungsfragen schriftlich festgelegt.
D&O-Policen gibt es sogar nur in
50 % der befragten Unternehmen.
Aktuelle Vorkommnisse zeigen aber
immer wieder auf, wie komplex ein
Aufsichtsratsmandat und Haftungsfragen in diesem Zusammenhang
werden können, wenn die Suche nach
den Schuldigen in einer Unternehmenskrise beginnt.
4. Professionalität in der
Gremienarbeit
Wie professionell sind die Organe
heute organisiert? Die harten Zahlen
ergeben folgendes Bild: 78 % der
befragten 134 Unternehmen besitzen
derzeit ein Aufsichtsorgan. Mehr als
die Hälfte (57 %) der Beiräte und Aufsichtsräte haben vier bis neun Mitglieder und die meisten Gremien tagen
vier Mal pro Jahr (58 %). Soweit, so
gut. Bezüglich der Zufriedenheit mit
der Arbeit der Gremien reagierten die
Geschäftsführer jedoch sehr verhalten. Bewertet in Schulnoten liegt die
Zufriedenheit bei der Unterstützung
in strategischen Fragen bei 2,88, ist
also zufriedenstellend. Bei technologischen Fragen und Innovationen ist
es bereits anders: Die Zufriedenheit
wird hier nur noch mit 3,43 bewertet.
Untersucht man die Gesamtzufriedenheit nach Wirtschaftszweigen,
so stellt man fest, dass im Handel mit
der Schulnote „ausreichend“ (3,80)
eine deutlich geringere Zufriedenheit
existiert als in anderen Bereichen. Die
Bewertungen in den übrigen untersuchten Wirtschaftszweigen schwanken um ein glattes „Befriedigend“.
Die Arbeit der in der Studie vertretenen 12 freiwilligen Aufsichtsräte
wird mit „ausreichend“ und damit
am schlechtesten von allen bewertet.
Fazit: Die Zufriedenheit der Unternehmensführungen mit der Organarbeit
BOARD s 5/2012
Aufsätze
Unterstützung in
strategischen Fragen
Unterstützung in
Marktbearbeitung und
Vertrieb
Unterstützung in
technologischen Fragen/
bei Innovationen
Auswahl, Bestellung,
Vergütung von
Geschäftsführern/
Vorständen
Unterstützung bei Bilanzund Finanzierungsfragen
2,88*
3,32*
3,43*
3,00*
2,84*
Hilfestellungen bei
Nachfolgeregelungen
Effizienz der
Gremienarbeit (Kosten
und ihre Zeit gegenüber
Ergebnissen)
Angemessene
Einbeziehung der
Gesellschafterebene
Positive Wahrnehmung
bei Geschäftspartnern
hinsichtlich Good
Governance
Unterstützung bei
Compliance-Fragen
(Einhaltung gesetzlicher
und satzungsgemäßer
Regelungen)
3,22*
3,22*
2,97*
3,17*
3,02*
* Die Zufriedenheit wurde mit der Schulnotenskala abgefragt. Die Zahlenwerte stellen das arithmetische Mittel der Zufriedenheit dar. Gesamt: 3,08
Abb.2: „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Beirat/Aufsichtsrat?“
ist insgesamt knapp befriedigend und
damit verbesserungswürdig.
IV. Corporate Governance
Kodex versus Governance im Mittelstand
An den Ergebnissen der Studie können
sich die Unternehmen, ihre Gesellschafter aber auch die operativ tätigen Geschäftsführer und Vorstände
in Fragen der Governance im großen
Mittelstand als wichtige Unternehmensgrößenklasse und „prägendes
Element unserer Volkswirtschaft“5
orientieren. Es konnte aufgezeigt
werden, welche Erwartungen die
Geschäftsführungen an ihre Aufsichtsorgane haben, nach welchen
Kriterien die Mitglieder ausgewählt
und wie sie vergütet werden. Die
Modalitäten der Gremienarbeit wie
auch Haftungsfragen wurden genauer
untersucht.
Unverändert bleibt, dass die Regeln
des deutschen Corporate Governance
Kodex, gedacht für die großen, anonymen Aktiengesellschaften, nicht
1:1 auf die vorwiegend von Familien
geführten oder kontrollierten Unternehmen des großen Mittelstands
übertragen werden können. Denn
die zumeist sehr persönliche Prägung
der Unternehmen über einen langen
Zeitraum hinweg gilt als entscheidendes Moment und größter Unterschied
zu großen Publikumsgesellschaften.
Insbesondere Regelungen, welche
die Principal-Agent-Problematik im
5
May, Peter, a.a.O., S. 14
BOARD s 5/2012
Sinne der Aktionäre regulieren sollen,
wirken im Kontext von Familienunternehmen meistens völlig unpassend. Zumindest solange man es mit
geschäftsführenden Gesellschaftern
zu tun hat, kann es keine divergierenden Interessen von Eignern (Principals)
und Geschäftsführern/Vorständen
(Agents) geben.6
Ähnliches gilt auch für die sogenannte
„Cooling-off-Phase“, die für große
Aktiengesellschaften recht kontrovers
diskutiert wird. Im Unterschied zu
den meisten großen Publikumsgesellschaften mit Streubesitz sind große
Familienunternehmen sehr häufig von
geschäftsführenden Gesellschaftern
und einer Mehrgenerationen-Familie
als Gesellschafter geprägt. Dies gilt
sogar für einige große Aktiengesellschaften des DAX und deren „Ankeraktionäre“. Während ein direkter
Wechsel vom Vorstandsvorsitz zum
Aufsichtsratsvorsitz laut Abschnitt
5.4.4 Deutscher Corporate Governance Kodex verpönt ist, äußerstenfalls eine „der Hauptversammlung
zu begründende Ausnahme“ bleiben
sollte, ist dies in vielen Unternehmen
des großen Mittelstands eben gerade
gute Tradition. Der Wechsel von operativer Geschäftsführung zu Beiratsfunktionen gilt unter der Prämisse der
Vertrags- und Gestaltungsfreiheit von
freiwilligen Organen als völlig legitim,
und er ist ein häufiger Normalfall in
der Praxis. Einem langjährig in seinem
6 Vgl. Reinemann, Holger: Mittelstandsmanagement, Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2011, S. 46 f.
Unternehmen tätigen geschäftsführenden Gesellschafter sollte es selbst
überlassen bleiben, ob, wann und in
welcher Funktion er in den freiwilligen
Beirat eines Unternehmens wechseln
möchte, dessen (Haupt-)Gesellschafter er nach wie vor ist, und wie er sich
strategisch einbringen möchte.
V. Fazit
Trotz aller individuellen Bedürfnisse des Mittelstands konnte mit
der Studie eine zentrale Tendenz
der Unternehmen festgestellt werden: Man möchte sich professionell und auf Augenhöhe beraten
lassen. Ein Aufsichts- oder Beirat
ist heute nicht mehr nur der persönliche Freund des Hauses mit
gutem Netzwerk, sondern leistet
strategischen Rat für die Erhaltung
des Unternehmens. So muss es die
Geschäftsführung künftig schaffen, eine optimal ausgeglichene
Mischung an Qualifikationen, Perspektiven und Persönlichkeiten
im eigenen Aufsichtsgremium zu
generieren, und deren Arbeit dann
auch zuzulassen. Denn wie stark
muss der Ratschlag sein, um ein
Unternehmen gut zu führen? Der
konstruktive Austausch zwischen
den Akteuren und deren verschiedenen Blickwinkeln ist sicherlich
der zukunftsweisende Weg.
Weitere Informationen zur Studie
sowie die Bestellmöglichkeit finden
Sie unter: www.gemini-exs.com/
gemini-studien
197