New York, hoch wie Nie. hotelpioNier ANdré BAlAzs

Transcrição

New York, hoch wie Nie. hotelpioNier ANdré BAlAzs
R o o ms e r v i c e hot e l
Ein HOtel, das
über den Dingen
steht. Todd
Schliemann
von Polshek
Partnership
Architects
hat das Hotel
auf STelzen
hoch über dem
Meatpacking
District
gemeinsam mit
André Balazs
geplant.
völlig
losgelöst
New York, hoch wie nie. Hotelpionier André Balazs
hat im Meatpacking District sein neues projekt The
Standard eröffnet: ein imposanter würfel auf stelzen,
der majestätisch über der stadt thront.
von Robert
150
Kropf
flair: 05/2009
Fotos Jack
Coble
flair: 05/2009
151
R o o ms e r v i c e hot e l
The Standard
ist ein Betonwürfel,
der aussieht wie ein
aufgeschlagenes Buch.
Der Inhalt: New York,
völlig high!
E
152
in gutes Hotel bringt Gäste
immer ein wenig aus der Fas­
sung“, diktierte André Balazs
kürzlich der „Zeit“. „Sie werden
aus ihrem Alltagstrott gerissen.“
Wie recht der gute Mann damit
doch hat. Balazs’ New Yorker
Firma besitzt unter anderem das
Mercer Hotel in Manhattan, das
Chateau Marmont in Los Angeles
und das Raleigh in Miami Beach.
Alles Gebäude, in die man ein­
mal den Fuß setzen sollte, wenn
man wissen will, wie Design­
hotels 2009 funktionieren. Geht
man davon aus, dass Balazs neue
Hotelstandards setzt – nicht
umsonst steht der Hotelname
im Logo auf dem Kopf –, so ist
es an sich nur konsequent, dass
er seit geraumer Zeit Hotels
mit dem Namen The Standard
flair: 05/2009
e­ röffnet: Zwei stehen schon in
Los Angeles und Miami, das
­neueste davon wurde dieser Ta­
ge in New York eingeweiht.
„Ganz zu Beginn konnte ich mir
nicht vorstellen, wie das Hotel
aussehen sollte“, merkt Balazs
an, „denn eigentlich renoviere
ich alte Gebäude, ich baue keine
neuen“. In diesem Fall kam ihm
eine stillgelegte Bahntrasse zu
Hilfe: „Die New Yorker High
Line zieht sich quer durch das
Galerienviertel Chelsea“, erklärt
Balazs. Und dort wird es ab
nächstem Monat besonders grün
zugehen – nämlich dann, wenn
der High Line Park erstmalig
seine Pforten öffnet. Auf dem
ausrangierten Bahnabschnitt,
der sich quer zwischen 14th und
30th Street erstreckt, entsteht
eine überirdische Parkanlage
– und das schaut dann in etwa
so aus, als würde man in Wien
die U6 auf den Stadtbahnbögen
stilllegen und begrünen. Damit
bekommt der Big Apple den
größten öffentlichen Raum nach
dem Central Park. „Eine Oase
der Ruhe, ein Ort der Stille,
den die lärmende Stadt drin­
gend gebrauchen kann“, erklärt
Balazs sichtlich begeistert. Die
Landschaftsarchitekten von Field
Operations und das Architektur­
büro Diller Scofidio + Renfro
bepflanzen Teile der Bahntrasse
mit Wildblumen und dichtem
Buschwerk. Weitere Abschnitte
werden mit Rasenflächen in eine
überirdische Parkanlage verwan­
delt. Und ganz genau auf diese
High Line, gleich beim Meat­
packing District, hat Balazs auch
seinen Hotelneubau gesetzt.
Ein gutes Händchen für gute
Immobilienlagen hat der Sohn
eingewanderter Ungarn ohnehin
schon immer gehabt. Für Damen
im Übrigen auch: Gerade erst
hat er sich von Hollywood-Star
Uma Thurman getrennt. Oder sie
sich von ihm. Derzeit wird er im­
mer öfter mit Daphne ­Guinness
gesichtet, zuletzt turtelnd im
„Oak Room“ des Plaza Hotels
und sehr vertraut im Restaurant
„Balthazar“. Als Ex-Muse von
Andy Warhol gilt die Irin als StilIkone. Und extrem vermögend
ist die Tochter aus dem Hause
der milliardenschweren BierDynastie obendrein. Aber das ist
eine andere Geschichte.
Die Lobby als
HOmmage (oben und
unten). Sie soll an
die Zeit erinnern, als
die High LIne gebaut
wurde. Auf dem Dach
regiert die Kühnheit
des 21. Jahrhunderts.
„Wir wollten nicht, dass die
High Line durch das Hotel geht
oder darum herum, schon gar
nicht wollten wir sie hinter dem
Bau verstecken“, sagt Todd
­Schliemann von Polshek Partner­
ship Architects, die den zwanzig­
stöckigen Glasturm entworfen
haben. „Wir haben The Standard
so gebaut, dass wir die High
Line nicht nur überbrücken, son­
dern das ganze Hotel darüber
existiert.“ Die Planer entwarfen
zwei Betonwürfel mit Glasüber­
zug, die aussehen wie ein aufge­
klapptes Buch. Das Ganze steht
auf zwei Betonsockeln rund 18
Meter über dem Grund und
flair: 05/2009
153
R o o ms e r v i c e hot e l
„The Standard
liegt nicht in, sondern
über New York.“
André Balazs, der New Yorker
Hotelvisionär, im O-Ton.
André Balazs
ist der Sohn
ungarischer
Einwanderer.
Bevor er Hotels
baute, verdiente
er viel Geld
mit seinem
eigenen BiotechUnternehmen
und investierte
Geld in diverse
Night Clubs in
New York.
High Line: Bald New Yorks zweitgrößter Park.
The Standard
hat Durchund Überblick.
Alle der 337
Zimmer bieten
Glasfronten
vom Boden bis
zur Decke, die
den Blick Auf
die Skyline von
New York oder
auch New Jersey
freigeben.
Je höher das Hotel, desto
moderner wird es.
Die zwanzig Etagen
klettern die Stilepochen
hoch. Oben, auf dem
Rooftop, ist man im
21. Jahrhundert
angekommen.
154
flair: 05/2009
zehn Meter über der New Yor­
ker High Line. Balazs setzt auch
neue Standards beim InteriorDesign: Je höher das Hotel ist,
desto moderner die Einrichtung.
„Die Hotellobby ist optisch an
die vorige Jahrhundertwende
angelehnt, als die High Line
gebaut wurde“, erzählt er. „Die
mittleren Stockwerke erinnern
an die 50er-Jahre – meine Vor­
bilder waren Eero Saarinen,
Mies van der Rohe und Arne
Jacobsen.“ Im letzten Stock­
werk ist die Gegenwart einge­
zogen – samt Glaswänden, einem
­Supperclub und einer Lounge –,
eine Hommage an das „Window
of the World“-Restaurant des
zerstörten World Trade Centers.
Derzeit ist die oberste Etage eine
große Baustelle; kleinere gibt es
noch im ganzen Glaskubus: Das
Hotelrestaurant eröffnet erst im
Sommer, der Pool ist noch nicht
benutzbar und das Frühstück
wird zwar in die 337 Zimmer
serviert – nur bekommt man
leider selten das, was man auch
bestellt hat. Darüber kann man
im wahrsten Sinne des Wortes
hinwegsehen: Was The Standard
so einzigartig macht, ist nicht nur
das Personal, das wie in allen
Hotels von Balazs jung, hübsch
und hip ist und in diesem Fall
aussieht wie eine Abordnung
hübscher Pan-Am-Stewardessen.
„Der Blick aus den Zimmern mit
einer Glasfront vom Boden bis
zur Decke gibt den Blick auf den
Big Apple frei“, erläutert Balazs
stolz. Und das obwohl das Ge­
bäude niedriger ist als viele Wol­
kenkratzer der Stadt. Das Empire
State Building sieht man mit frei­
em Blick im Norden, Midtown
Manhattan hat man im Rücken.
Blickt man in den Süden, fließt
der Hudson River vorbei. Sogar
das Department of Sanitation
am Pier fünf, ein höchst unchar­
manter Bau, sieht aus der Höhe
wie eine Kunstinstallation aus.
„Blickt man in die Ferne, kann
man die Freiheitsstatue grüßen“,
ergänzt Balazs. „Und das alles
von den Zimmern aus.“
Mit dem Hotel bekommt auch
der Meatpacking District einen
neuen Standard in der Stadt:
Das Fleischhauerviertel mutiert
sukzessive zu einem Vergnü­
gungsviertel. Mit seinen Shops
und Flagship-Stores sei es mehr
Disneyland als Bauch der Stadt,
lautet dann auch einer der Vor­
würfe. Ein gutes Beispiel dafür
ist das „Hogs & Heifers“, ein
einstmals gefürchtetes BikerLokal, das heute friedlich gegen­
über vom Hotel The Standard
dahinschlummert. Noch vor Jah­
ren traute man sich kaum in das
Lokal. Wenn im Inneren Motor­
radfahrer und Fleischhauer zur
Rauferei ansetzten, schütteten
die Bardamen Whiskey auf die
Bar, zündeten ihn an, stiegen mit
knappen Tops auf die Theke und
tanzten im Feuer. Heute zahlt
man zehn Dollar Eintritt, be­
kommt ein hässliches Band ums
Handgelenk und trinkt sein Bier
mit Yuppies und Touristen. Und
die letzten Rocker sitzen dane­
ben und sehen traurig zu. Auch
das ist neuer Standard. Leider.
Balazs über den neuen High
Line Park, der durch sein Hotel
führt: „Uns war immer klar: Was
wir dort auch hinbauen werden,
muss über diesen Bahngleisen
stehen. Jetzt trampeln die Gleise
und der Park mitten durch unser
Hotel, das stört aber gar nicht.
Unser Hotel steht nicht auf der
High Line, wir existieren darüber.
Eine wundervolle Symbiose.“
... über den florierenden
Meatpacking District. „Vor rund
zehn Jahren traute diesem Viertel
mit seinen blutigen Fleischhauern
und transsexuellen Prostituierten
wirklich niemand eine derartige
Entwicklung zu. Heute ist es jenes,
dessen Immobilienpreise immer
noch steigen – trotz der Krise.“
... über die Restaurants der
Stadt. „Größe zählt nach wie vor.
Aber auch kleine Ideen können
sehr gut funktionieren. Bestes
Beispiel: das ,Momofuku Ko‘. Das
hat nur 16 Plätze, reservieren
muss man online, der Küchenchef
duldet keine Minute Verspätung.
Um diese Plätze kämpft dafür die
ganze Stadt.“
... über den Begriff Luxus.
„Reisen ist eine der letzten noch
verbliebenen Bastionen des Luxus.
Nicht das Reisen an sich ist für
mich Luxus, sondern das Sein an
einem anderen Ort. Man muss
das Gefühl haben, angekommen
zu sein. Wenn ich nach London
fahre, dann will ich in einem
Hotel wohnen, das sich wie
London anfühlt. Das ist auch
meine Art, Hotels zu bauen: So,
dass die Menschen ankommen und
eine Stadt verstehen können.“
Hotel The Standard, 848
Washington Street, New York.
Zimmer ab 195 Dollar,
www.standardhotels.com
flair: 05/2009
155

Documentos relacionados