1 XXXV Jornadas Mexicanas de Biblioteconomía, Cancun

Transcrição

1 XXXV Jornadas Mexicanas de Biblioteconomía, Cancun
XXXV Jornadas Mexicanas de Biblioteconomía, Cancun
Bibliothek 21 – Information – Innovation – Inspiration
Zukunftsorientierte Bibliothekskonzepte und Bibliotheksräume
Trends und Beispiele aus Europa
Ingrid Bussmann, Stadtbücherei Stuttgart
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
ich bin sehr glücklich, in Ihrem schönen Land zu Gast sein zu dürfen und an Ihrem Kongress
teilzunehmen. Mein herzlicher Dank gilt dem Goetheinstitut und den Veranstaltern für die
Einladung.
Ich komme von weit her. Stuttgart ist die Landeshauptstadt des Bundeslandes BadenWürttemberg und eine gut-situierte Industriestadt im Süden Deutschlands mit rund 600.000
Einwohnern, in Deutschland ist das eine große Stadt. Vielleicht haben Sie schon einmal von
meiner Heimat gehört, denn Stuttgart ist der Hauptsitz der Firma Daimler-Chrysler.
Ich leite in Stuttgart die Stadtbücherei, eine kommunale öffentliche Bibliothek mit einer
Zentralbücherei mit Kinderbücherei, Musikbücherei und Graphothek, 16 Stadtteilbüchereien,
4 Büchereien in Krankenhäusern, einer Fahrbücherei mit zwei Bussen sowie der Mediothek
im Treffpunkt Rotebühlplatz. 1
Unsere Aufgabe ist, die Bürger der Stadt Stuttgart mit aktueller Literatur für Ausbildung,
Beruf und Freizeit zu versorgen. Wir haben keine Altbestände und keine wissenschaftliche
Forschungsliteratur. Denn in Stuttgart gibt es noch eine Landesbibliothek und 2
Universitätsbibliotheken sowie eine Vielzahl von Spezialbibliotheken. Wir leihen jährlich 5,4
Millionen Bücher und Medien aus, haben rund 2 Millionen reale Besucher und etwa 650.000
virtuelle Besucher, die unsere Homepage nutzen. Der Medienbestand umfasst 1,2 Millionen
Medien in all unseren Büchereien, 170 Personalstellen und ein Budget von 12 Millionen Euro
(das sind etwa .... mexikanische .. ). Mit 1800 Veranstaltungen und Workshops gelten wir als
aktive und lebendige Bildungs- und Kultureinrichtung in unserer Stadt. Wir gehören zu den
10 größten Stadtbüchereien in Deutschland. Wie alle kommunalen öffentlichen Bibliotheken
in Deutschland werden wir ausschließlich von der Stadt finanziert, d.h. der Gemeinderat der
Stadt Stuttgart entscheidet über unser Budget.
Seit 1998 planen wir in Stuttgart eine neue Zentralbücherei in einem neuen Stadtzentrum.
Weil dieses Stadtzentrum in und für das 21. Jahrhundert geplant wird, heißt das Projekt
„Stuttgart 21“ und so haben wir die Bibliothek „Bibliothek 21“ genannt.
„Bibliothek 21“ steht aber auch für den Anspruch, ein Bibliothekskonzept zu entwickeln, das
den Anforderungen des 21. Jahrhunderts genügt.
Dieses Konzept möchte ich Ihnen am Ende meines Vortrags vorstellen. Ich möchte es aber
einordnen in andere Zukunftskonzepte. Zunächst möchte ich auf das deutsche Projekt
„Bibliothek 2007“ eingehen, dann möchte ich Ihnen ein phantasievolles Zukunftskonzept aus
den Niederlanden vorstellen, Bibliothek 2040. In vier Beispielen; den Idea Stores in London,
der Mediothek im Treffpunkt Rotebühlplatz, der neuen Stadtbibliothek Ulm und Wien möchte
ich zeigen, dass viele Ideen schon heute Wirklichkeit sind.
1
http://www.stuttgart.de/stadtbuecherei – es gibt Seiten in Englischer Sprache
1
I. Bibliothek 2007 - ein Projekt der Bertelsmann Stiftung und der Bundesvereinigung
Deutscher Bibliotheksverbände2
Das Ziel des Projektes „Bibliothek 2007“ ist eine nationale Strategie zur politischen Stärkung
des Deutschen Bibliothekswesens. Im Rahmen des Projektes „Bibliothek 2007“ wurde
zunächst eine Ist-Analyse mit Experteninterviews aus allen relevanten Bereichen erstellt.
Eine ausführliche Studie über best practise Beispiele im Ausland und der Vergleich mit der
Lage in Deutschland führten zu einem Strategiepapier, in dessen Mittelpunkt die Forderung
nach einer nationalen Strategie zur Stärkung der Bibliotheken in Deutschland steht.
Hintergrund dieser Forderung ist, dass es in Deutschland kein Bibliotheksgesetz gibt und
auch keine nationale Förderung für Bibliotheken. Kultur und Bildung sind in Deutschland in
der Verantwortung der Bundesländer und die öffentlichen Bibliotheken werden weitgehend
nur von den Städten und Gemeinden finanziert.
Das Strategiepapier „Bibliothek 2007“ sieht die Bibliotheken als zentralen Faktor in der
Wissensgesellschaft:
· Bibliotheken sind Informations- und Wissensmanager auf allen Stufen der persönlichen
Entwicklung der Menschen.
· Sie fördern Lese- und Medienkompetenz für Kinder und Jugendliche und unterstützen die
schulische Ausbildung..
· Sie sind eine wichtige Ressource für Forschung und Lehre.
· Sie begleiten lebenslanges Lernen durch die Bereitstellung von Informationen in allen
medialen Formen und durch Vermittlung und Beratung sowie Workshops und
Einführungskurse.
· Bibliotheken strukturieren Information und geben Navigationshilfen in realen und
virtuellen Welten. Als Informationsmanager sind sie Experten im Auffinden, Bewerten und
in der kompetenten Vermittlung von Informationen und strukturieren den Information
Overload, da wo google nicht weiterhelfen kann.
· Bibliotheken bieten allen Bürgern Zugänge zum Internet und zu digitalen Informationen in
Datenbanken. Sie wirken damit einer digitalen Spaltung in Informierte und NichtInformierte entgegen.
· Bibliotheken sind Kultureinrichtungen, die aktiv den Umgang mit Literatur, Kunst und
Musik fördern.
· Sie sind Orte der Begegnung für alle Generationen und Menschen aus verschiedenen
Kulturkreisen.
Was muss sich im deutschen Bibliothekswesen ändern?
Als Innovationsfaktoren für die Zukunft nennt das Strategiepapier vier große Ziele:
· Die Entwicklung von bildungspolitischen Strategien, in denen die Rolle der Bibliotheken
als relevanter Teil der Bildungspolitik auf nationaler Ebene wahrgenommen wird. Dies
soll durch eine nationale Bibliotheksentwicklungsagentur erreicht werden. Ob dies
politisch durchzusetzen ist, wird die Zukunft zeigen.
· Eine verbindliche Grundlage schaffen, die die Informationsversorgung der Bürger sichert,
beispielsweise durch ein Bibliotheksgesetz., das Innovationen in Bibliotheken und
Qualitätssicherung fördert.
· Ein entsprechende Sicherung der Finanzierung
· Bibliotheken müssen sich selbst erneuern, indem sie sich konsequent an den
Bedürfnissen der Kunden orientieren, die Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken auf
lokaler, nationaler und internatonaler Ebene stärken und ihre Organisationsstruktur an
modernen Methoden der Betriebswirtschaft orientieren.
Dieses Konzept stellt die Rolle der Bibliothek als Informationsvermittler in den Mittelpunkt
und sieht die Bibliotheken als Bildungseinrichtung. Meine persönliche Auffassung von der
zukünftigen Rolle der Bibliotheken basiert auf drei Säulen: Information – Innovation –
2
http://www.bibliothek2007.de – es gibt eine Projektbeschreibung in Englisch und in Spanisch
2
Inspiration. Bibliotheken sind Informationsexperten. Um den Anforderungen der Zukunft
gerecht zu werden, müssen Bibliotheken innovativ sein, d.h. offen für alle neuen
Entwicklungen im Bereiche der Informationstechnologie, im Medienmarkt, in Bildung, Kultur
und Management. Innovation heißt auch, die Bibliotheken immer wieder neu denken, neu
erfinden, Gewohntes in Frage zu stellen und den Satz „das haben wir immer schon so
gemacht“ aus seinem Wortschatz streichen! In Stuttgart ist unsere Philosophie: Die
Bibliothek heißt die Zukunft willkommen.
Für mich spielt aber für die Bibliothek der Zukunft die Inspiration eine bedeutende Rolle. Das
heißt
· Die Bibliothek immer wieder neu inszenieren als Ort, der eine Brücke schlägt zwischen
Kultur und Bildung
· Die Bibliothek als einen Ort gestalten, der die Phantasie anregt, der die Besucher zu
neuen Themen führt, der ihre Neugier weckt auf das Unerwartete. 80% der Besucher der
Stadtbücherei Stuttgart empfinden die Bibliothek als „Anregungsraum“ , einen Ort der
Inspiration, der sie zu Themen anregt, die sie gar nicht gesucht haben. Dazu gehören
viele Medienpräsentationen, aber auch die Gestaltung des Ortes Bibliothek.
· Und Inspiration entsteht immer wieder durch den Dialog, die Begegnung mit anderen
Menschen, mit Künstler, mit Experten, mit Wissenschaftlern. Veranstaltungen und
Ausstellungen zielen auf die Anregung, die Phantasie. Und man weiß aus der modernen
Hirnforschung, dass diese Anregungen Voraussetzung für Lernen und
Wissensaneignung sind.
Wie man mit Phantasie ein Zukunftskonzept entwickeln kann, möchte ich Ihnen zunächst an
einem Beispiel aus den Niederlanden, einem Nachbarstaat zu Deutschland, zeigen.
3
II. Bibliothek 2040 3
Wie könnte die Bibliothekslandschaft der Zukunft aussehen, fragten sich ein kreatives Team
aus Architekten, Künstlern, Pädagogen, Bibliothekaren in der Provinz Brabant in den
Niederlanden. Wie wünschen sich die Menschen, die Bibliotheken besuchen, die Zukunft,
eine Zukunft, in der ihre Ideale und Träume eine Chance haben.
Solange wir zu Fuß gehen, wird es auch Bücher geben, sagen die holländischen Kollegen.
Denn die Menschen haben das Rad erfunden, die Eisenbahn, das Auto, das Flugzeug und
Raumschiffe – und dennoch gehen wir immer noch zu Fuß, genauso werden die neuen
digitalen Medien das Buch nicht ersetzen. Weil wir, die Menschen, uns weiterhin Bücher
wünschen. Bücher bereichern die Gesellschaft und werden immer Teil unserer Kultur
bleiben. Deshalb wird es immer in unserer Zivilisation Orte geben, Bücher zu bewahren, Orte
kollektiver Inspiration, attraktive und einladende Orte.
Ein solcher Ort kann die Bibliothek der Zukunft sein, in der nicht Ordnung und Mittelmaß
herrschen, sondern die Kreativität, die Phantasie. Sieben Bibliotheken erfanden die
holländischen Kollegen und erprobten sie in temporären Projekten:
Die 7 Bibliotheken der Zukunft
· Hotel Alphabet – das Hotel steht einen Ort, der immer geöffnet ist, wo jeder kommen
und gehen kann, angenehm anonym und einladend.
· Bibliothèque d’amis – Bibliotheken in den Wohnungen bekannter Brabanter Bürger. Die
Idee steht für die Bibliothek als privates Wohnzimmer, wo sich Menschen in persönlicher
Atmosphäre treffen können
· Hormonenbibliothek, die Bibliothek für Jugendliche, die ihre Emotionen ernst nimmt.
· Partisanenbibliothek, Bücher, versteckt in der Landschaft, die Bibliothek als Ort, der
neugierig macht und zum Entdecken einlädt
· Survivalbibliothek, eine Bücherkiste versteckt in den Wäldern. Diese Bibliothek steht für
Abenteuer und Aufregung.
· Die virtuelle Bibliothek der Zukunft – eine Bibliothek wie unser Gehirn
· Die Brabant Bibliothek, ein spektakuläres neues Bibliothekskonzept
Die Brabant Bibliothek
Der berühmte niederländische Architekt Winny Maas., der unter anderem auf der
internationalen Weltausstellung in Hannover den holländischen Pavillon gestaltet hat, entwirft
diese visionäre Zukunftsbibliothek.
Die Vision der Brabantbibliothek ist eine große Zentralbibliothek für eine ganze Provinz, die
alle Bücher und Medien umfasst und alle Aufgaben der Bibliothek, die bekannten und die
zukünftigen neu definiert. Die Brabantbibliothek ist ein 230 Meter hoher Turm, der Raum
bietet für 5 Millionen Bücher und Medien, das sind 17 Kilometer Regale, es gibt Magazine,
PC-Arbeitsplätze, Lese- und Arbeitsräume, (Internet) Cafes und ein Theater. Da einige
Besucher eine strenge systematische Ordnung der Bücher in Bibliotheken wünschen, andere
Kunden gerne in den Angeboten stöbern, verbindet die Brabant-Bibliothek beide Interessen.
Die gesamte Sammlung wird streng nach den Anfangsbuchstaben der Schlagwörter
geordnet. In 800 Glaskabinen kann sich der Besucher vertikal und horizontal am Turm
entlang bewegen und zu den Medien gelangen. Natürlich ist die Brabantbibliothek jeden Tag
im Jahr 24 Stunden geöffnet. 4.
3
http://www.2040.bibliotheek.nl
4
Siehe auch http://www.2040.bibliotheek.nl
4
Die Bibliothek 2040 ist eine Vision, aber diese Vision enthält einige grundlegende Aspekte
für die realisierbare Zukunft der Bibliotheken, zwei davon möchte ich aufgreifen:
1. Bibliotheken verbinden Leben und Lernen
2. Bibliotheken brauchen spektakuläre Gebäude
5
III. Bibliotheken verbinden Leben und Lernen – zwei Beispiele
Bibliotheken erfüllen das Bedürfnis der Menschen nach Information und Lernen, sie sind
aber auch wichtige Orte der Begegnung. Und Lernen ist nicht nur ein intellektueller Prozess,
Lernen braucht Inspiration, braucht Emotionalität. Die sechs Visionen der Bibliothek 2040
zeigen, dass Bibliotheken Orte sind, die diese Bedürfnisse ernst nehmen sollten.
Zwei real Beispiele möchte ich zeigen, die auf diese Interessen eingehen:
a) die Idea Stores in London
b) die Mediothek der Stadtbücherei Stuttgart
III.1. Die Ideas Stores in Tower Hamlets, London
„What are our libraries for? What are we trying to achieve? For whom?“
Diese Frage stellte sich Anne Cunningham, die Leiterin des Bibliothekssystems im Londoner
Stadtbezirk Tower Hamlets, einem der ärmsten Stadtbezirke Englands im Nordosten
Londons. Der Stadtbezirk ist gekennzeichnet durch eine hohe Arbeitslosenquote, einen
niedrigen Bildungsstand und eine multikulturelle Bevölkerung, fast ein viertel Bengali.
Insgesamt werden mehr als 50 Sprachen gesprochen. Die traditionellen Bibliotheken und
die Einrichtungen der Erwachsenenbildung konnten den Anforderungen der Bürger nicht
mehr gerecht werden.
Nach einer Umfrage unter den Bürgern des Stadtbezirks, die größte, die der Rat von Tower
Hamlets je durchgeführt hat, wurde offensichtlich, dass größere Investitionen erforderlich
waren, um die örtliche Bücherei und die Einrichtungen der Erwachsenenbildung auf das 21.
Jahrhundert vorzubereiten. Das neue Konzept verbindet das lebenslange Lernen und
kulturelle Attraktionen mit allen Angeboten, die normalerweise mit Bibliotheken verbunden
werden, von Klassikern bis zum neuesten Computer Spiel. Soweit möglich werden die Idea
Stores in im Herzen der Einkaufszentren eingerichtet. Ein Besuch der Bibliothek und des
Lernzentrums soll ein ständiger Teil des Lebens der Leute werden.
Der erste Idea Store wurde in Bow eingerichtet, die vorhandenen älteren und beengten
Bibliotheksräume wurden verkauft. Ein eindrucksvolles modernes Zentrum entstand gleich
neben dem Supermarkt. Vier Bereiche prägen den Idea Store: eine Internetzone am
Eingang, das Cafe im Mittelpunkt, die Kinderbücherei und die klassischen
Bibliotheksangebote sowie Lernräume für Kursangebote, die auch kurz „Labs“ genannt
werden. Die Räume sind einladend und anregend, das Personal gut geschult. Insgesamt
stehen 22 Mitarbeiter bereit, um aktiv Hilfe anzubieten. Sie flanieren durch die Räume und
gehen auf die Kunden zu.
Bis Ende 2007 sollen die bisherigen 12 Öffentlichen Bibliotheken des Bezirks durch 7 Idea
Stores ersetzt werden. Die Öffnungszeiten werden deutlich erweitert auf insgesamt 74
Stunden pro Woche. Der Begriff „Idea Store“ soll eine Marke schaffen, die Lernen und Leben
mit Bibliotheken verbindet. 5
III.2 Die Mediothek im Treffpunkt Rotebühlplatz in Stuttgart
Der „Treffpunkt Rotebühlplatz“ ist ein Kultur- und Bildungszentrum in Stuttgart, in dem die
Musikschule der Stadt sowie die Volkshochschule und berufliche Schulen untergebracht
sind.
Das Haus wurde in den 70er Jahren geplant, aber erst 1992 eröffnet.
Die Mediothek, eine Zweigstelle der Stadtbücherei, ist ein offener und anregender Lernort
mit einem ausgebauten Medien- und Technologieangebot zur Präsenznutzung vom
Computerarbeitsplatz bis zum Satellitenfernsehen. Sie versteht sich als aktuelle
5
http://www.ideastore.co.uk/
6
Informationsquelle für alle Fragen des täglichen Lebens. Sie bietet 10.000 Medien zur
Präsenznutzung, die nicht nach einer systematischen Ordnung, sondern in Themenpools
aufgestellt sind. Die Themenpools wie „Abenteuer Lernen“ oder „Beruf-Karriere-Wirtschaft“
oder „Familie“ laden ein, Informationen individuell zu entdecken oder in neue Kontexte zu
bringen.
Elf Computerarbeitsplätze können derzeit von den Besuchern der Mediothek genutzt
werden: zur Verfügung stehen Standardprogramme wie Textverarbeitung,
Tabellenkalkulation, Graphik und Bildgestaltung, insbesondere aber auch CD-ROMAngebote und interaktive Lernprogramme zu den verschiedensten Wissensgebieten sowie
Internet.
25% der Bevölkerung in Stuttgart kommen aus anderen Ländern. Sie möchten Kontakt zu
ihrer Heimat halten, deshalb bietet die Stadtbücherei Literatur in vielen Sprachen an.
Darüber hinaus bietet die Mediothek internationale Radio- und Fernsehprogramme. Über
Satellit werden aus der ganzen Welt verschiedensprachige Sendungen empfangen.
Musikhören, DVDs und Videos betrachten gehört ebenso zu den Angeboten der Mediothek.
Vor der Mediothek liegt ein Rondell mit 30 Sitzplätzen, das zum Verweilen einlädt. Während
der Öffnungszeiten des Kulturzentrums kann man auf dem Rondell verschiedene
Musikprogramme hören. Knapp 60 deutsche und ausländische Tages- und
Wochenzeitungen und 120 Zeitschriften stellt die Mediothek im Treffpunkt Rotebühlplatz zur
Verfügung.
Jugendliche und junge Erwachsene finden Unterstützung bei schulischen Fragen oder in der
Orientierungsphase zwischen Schulabschluß und Berufswahl. Die Mediothek kooperiert mit
vielen anderen Institutionen. Eine neue Workshopreihe "Mediomania" vermittelt Jugendlichen
von 12 bis 18 Jahren Medienkompetenz. So entstehen Internetseiten, Beiträge fürs Radio
oder für Ausstellungen und Veranstaltungen der Mediothek. Begegnungen mit Experten rund
um Fragen zum Computer, um neue Technologien oder zur kulturellen Kompetenz gehören
zu den regelmäßigen Angeboten der Mediothek. Die Mediothek erprobt bibliotheksrelevante
Neuerungen oder technologische Entwicklungen mit einem kleinen flexiblen Mitarbeiterteam
(6 Stellen) auf unkonventionellen Wegen. Daneben ist sie verantwortlich für das Engagement
der Stadtbücherei Stuttgart im Bereich Alphabetisierung und bietet Materialien zu
Alphabetisierungskursen an.
Die Mediothek ist ein Beispiel für eine kleine Einrichtung, die ein zukunftsorientiertes
Bibliothekskonzept regelmäßig weiterentwickelt und Printmedien, audiovisuelle Medien
sowie neue Technologien verbindet. Sie ist ein attraktiver und beliebter Ort insbesondere für
Jugendliche, aber auch viele Erwachsene oder ältere Bürger, die sich gerne dort aufhalten.
Zu 2: Bibliotheken als städtebauliche Wahrzeichen
Die niederländische Vision der Brabantbibliothek ist ein spektakuläres Markenzeichen für die
Zukunft. Ganz real werden zur Zeit weltweit Bibliotheksgebäude errichtet, die nicht nur kulturund bildungspolitische Signale, sondern herausragende architektonische Impulse setzen.
Und sicher gehört zu den zukunftsorientierten Bibliothekskonzepten, dass die Häuser für
Bibliotheken städtebaulich relevante und architektonisch bedeutende Gebäude sind. Gerade
kommunale öffentliche Bibliotheken entwickeln durch ihre hohen Besucherzahlen und ihr
aktives Programm eine starke Anziehungskraft für die Kommune. Die Öffentliche Bibliothek
schafft Identität und Verbundenheit mit dem heimischen Lebensraum. So rücken
Bibliotheksbauten immer mehr in den Mittelpunkt städtebaulicher Ziele der Kommunen. In
großen und kleinen Städten sind in Deutschland seit Mitte der 80er Jahre spannende
Bibliotheksbauten mit hohem architektonischen Wert entstanden.
Als ein Beispiel möchte ich Ihnen die gerade eröffnete neue Stadtbibliothek in Ulm vorstellen,
einer Stadt mit etwas mehr als 100.000 Einwohnern in der Nähe von Stuttgart.
Das Wahrzeichen von Ulm ist eine berühmte gotische Kirche, das Ulmer Münster. In
Sichtweite zu diesem traditionellen Gebäude in zentraler Lage mitten in der Altstadt an
7
einem der belebtesten und beliebtesten Plätze der Stadt, dem Marktplatz, ist ein neues
Wahrzeichen für die Stadt entstanden, die neue Stadtbibliothek.
Der renommierte Kölner Architekt Gottfried Böhm hat eine gläserne Pyramide gestaltet. Auf
einer quadratischen Grundfläche von sechzig auf vierzig Metern erhebt sich das 35 Meter
hohe neungeschossige Gebäude mit rund 5000 m² Nutzfläche. Auf den einzelnen
Geschossen befinden sich mit Ausnahme der Bürozone so gut wie keine Wände. Ein
zentrales Treppenhaus, das „Auge“ mit einem Durchmesser von etwa 8 m, stellt den Kern
des Gebäudes dar. Ein Lesecafé im oberen Stockwerk lädt zum Verweilen mit Blick auf die
Stadt und manchmal sogar das Alpenpanorama. Das Haus ist ein Beispiel für offene
transparente Bibliotheksarchitektur.
1999 schrieb die Stadt Ulm einen Architektenwettbewerb für die neue Bibliothek aus.
Städtebaulich und gestalterisch sollte ein Solitär entstehen, der das Thema „Bibliothek“
unverwechselbar gegenüber der umgebenden Altstadtbebauung dargestellt. Das Konzept
der Biblitohek basiert auf einem Grundsatzpapier, dass die Aufgabe der Bibliothek als
Informationsvermittler zwischen realer und digitaler Information beschreibt. Das
Raumprogramm beschreibt ein Nutzungskonzept für 220.000 Medieneinheiten mit 90
Arbeitsplätzen, 40 Bildschirmarbeitsplätzen sowie vermietbaren Studienkabinen vor. Alle
Arbeitsplätze sind mit Datenanschlüssen ausgestattet, die Nutzung privater Laptops ist
vorgesehen. Im Eingangsbereich lädt eine Browsingzone zum Verweilen ein, die
Kinderbibliothek, ein Musik- und Medienbereich sowie ein Veranstaltungsraum gehören
ebenso zum Raumprogramm wie die notwendigen Bürobereiche und Nebenräume. Mit der
neuen Stadtbibliothek Ulm ist ein Wahrzeichen für die Stadt entstanden, dass weit über Ulm
hinausstrahlt. Solche Häuser stärken die Wahrnehmung öffentlicher Bibliotheken und tragen
dazu bei, dass die relevante Rolle, die Bibliotheken für die Informationsgesellschaft haben,
weit über die Stadt hinaus wahrgenommen wird.
8
IV. Ein Zukunftskonzept in Stuttgart – die Bibliothek 21
Die Beispiele, die ich Ihnen gerade gezeigt haben, sind Realität.
Nun komme ich wieder zu den Visionen, der Bibliothek 21 in Stuttgart.
Die Zentralbücherei der Stadtbücherei Stuttgart ist ein sehr schönes altes Palais, das 1965
zur Stadtbücherei umgebaut wurde. Damals war es eine der modernsten Stadtbüchereien
Deutschlands. Leider ist das Haus inzwischen für die Zukunftsentwicklung der Bibliothek zu
klein. Die Musikbücherei ist ausgelagert, ebenso interne Abteilungen. Obwohl wir unser
Wilhelmspalais immer neu inszenieren, fehlt Raum für (Computer-)Arbeitsplätze für unsere
Besucher, Büros für Mitarbeiter und in Zukunft auch Raum für Regale, um einen
angemessenen Zielbestand (500.000 Medieneinheiten) zu erreichen.
Die räumliche Enge der Stadtbücherei war schon in den 80er Jahren ein Thema in der Stadt.
Mitte der 90er Jahre begann die Stadt unter dem Namen „Stuttgart 21“ mit der Planung eines
neuen Stadtzentrums hinter dem Hauptbahnhof. Der Hauptbahnhof soll zu einem
Durchgangsbahnhof umgebaut werden. Dadurch entstehen freie Flächen in der City.
Damit das neue Stadtgebiet nicht nur aus Büroräumen, Wohnungen, Banken und Hotels
besteht, sucht die Stadt eine Institution, die das Gebiet beleben und attraktiv machen kann.
Aufgrund ihrer intensiven Nutzung und der hohen Besucherzahlen wird ein Neubau für die
Stadtbücherei in diesem Areal vorgesehen. Als Ort der Bildung und des Lernens soll die
zukünftige Zentralbibliothek das neue städtebauliche Areal für Investoren attraktiv machen
und die Lebensqualität der Stadt optimieren.
1997 entwickelt die Stadtbücherei Stuttgart die Philosophie der Bibliothek 21, 1999 wird der
Architektenwettbewerb durchgeführt. Dann ruht die Planung, weil sich der Umbau des
Bahnhofs verzögert. Erst im Herbst 2003 wird die Planung wieder aufgenommen. Im Moment
ist ein Baubeginn 2006 geplant. Die Finanzierung mit inzwischen 60 Millionen Euro ist
gesichert.
Bevor wir ein Raumprogramm mit genauen Flächenanforderungen entwickelt haben, haben
die damalige Direktorin der Stadtbücherei Hannelore Jouly und ich, damals noch
stellvertretende Direktorin, ein Zukunftskonzept mit 16 Punkten zur Philosophie der
zukünftigen Bibliothek formuliert. 2003 wurden die 16 Punkte überarbeitet mit einer leichten
Veränderung in den Schwerpunkten, da inzwischen die digitalen Medien keine
Herausforderung mehr darstellen, sondern integrativer Teil unserer Arbeit sind.
Was nun ist das besondere an der Bibliothek 21?
Wir verstehend die Bibliothek 21 als einen multimedialer Stützpunkt des lebenslangen,
selbstgesteuerten Lernens, ein offenes Servicezentrum, das den Bürger unterstützt, sich in
der Wissensgesellschaft zu orientieren. Die Bibliothek 21 ist ein Ort der Inspiration, der
Lernimpulse, ein Haus der Verführung zum Denken, zum Lernen, zur persönlichen
Weiterentwicklung und Wissensaneignung.
In 16 Punkten formuliert die Bibliothek die Philosophie des zukünftigen Hauses:
1. Die Bibliothek 21 verbindet Tradition mit Innovation.
2. Die Bibliothek 21 ist eine Basis der Wissensgesellschaft und übernimmt
medienpädagogische Verantwortung .
3. Sie ist ein Garant des freien Zugangs zur Information.
4. Die Bibliothek 21 entwickelt Strategien zur Wissensstrukturierung und zum
Wissensmanagement.
5. Die Bibliothek 21 ist ein Ort des lebenslangen, selbstgesteuerten und zielgerichteten
Lernen. Sie ist ein Ort der Bildung.
6. Die Bibliothek 21 ist Stützpunkt des innovativen Lernens.
7. Die Bibliothek 21 ist ein Ort der Begegnung mit Literatur, Kunst und Musik.
8. Die Bibliothek 21 leistet ihren Beitrag im Wandel der Arbeitswelt.
9. Die Bibliothek 21 ist der Stadt Stuttgart und der Region verpflichtet
9
10. Die Bibliothek 21 ist ein verlässlicher Begleiter.
11. Die Bibliothek 21 ist Begegnungsraum zwischen den Generationen und Kulturen.
12. Die Bibliothek 21 ist gastlich.
13. Die Bibliothek 21 ist ein multimedialer Ort für Kinder und Jugendliche.
14. Die Bibliothek 21 knüpft Netze.
15. Die Bibliothek 21 arbeitet betriebswirtschaftlich effizient und kostenbewusst.
16. Sie heißt die Zukunft willkommen.
Diese 16 Punkte setzen wir um in ein Raumprogramm mit 11.200 m² Hauptnutzfläche.
Das Raumprogramm sieht vor:
· Eine Open End Area mit erster Information und Animation zum Lesen und Lernen,
ähnlich wie in der Mediothek mit Musikhören, Fernsehen und Internetzugängen. Die
Open End Area soll beinah rund um die Uhr geöffnet sein.
· Acht Lernateliers zu den Themen „Beruf-Karriere-Wirtschaft, Sprachen und
fremdsprachige Literatur, Moderne Technik, Länder und Kulturen, Leben- DenkenHandeln, Medien und Gesellschaft, Sport und Freizeit“. Die acht Lernateliers
präsentieren Printmedien und elektronische Medien in thematischen Zusammenhängen.
Zu jedem Lernatelier gehören ausreichende multimedial ausgestatte Arbeitsplätze.
Immer zwei Lernateliers bespielen einen Auskunftsplatz, so dass Auskunft von fachlichen
Experten möglich wird. Ein Multimediastudio und zwei größere Gruppenräume
ermöglichen spontane, informelle oder organisierte Lernangebote. Die Bürobereiche sind
den Departments zugeordnet.
· Die Kunsträume mit Lesesalon, Kunstraum mit Graphothek und Musikbibliothek. Sie
vermitteln Impulse und Anregungen, Wissen rund um Musik, Kunst und Literatur. Die
Literaturszene, die Musikregion und die Kunst aus der Region finden besonderes
Augenmerk in der Präsentation mit Dauerausstellungen. Alle Departments verfügen über
eigene Gruppenräume für Künstlerbegegnungen, Expertengespräche oder als offenes
Angebote für Lerngruppen.
· Die Kinderbibliothek mit ihren spielerischen und kreativen Impulsen zur Förderung des
Lesens und des selbstbewussten Umgangs mit neuen Medien hat in diesem Szenario
besondere Prägnanz. Werkstatträume für Workshops sowie ein Veranstaltungsraum für
die Kinderbücherei gehören zum Raumprogramm.
· Das Veranstaltungsforum mit professioneller Veranstaltungstechnik bietet Raum für rund
300 Gäste.
· Das Lesecafe lädt zum Verweilen im Haus ein und trägt zur Gastlichkeit der Bibliothek
bei.
· Und das „Herz“ – eine Erfindung von Hannelore Jouly und mir - ein Raum, für Vertiefung,
Entschleunigung in unserer immer schneller werdenden Zeit, ein Raum der auch die
Tradition bewusst erfahrbar macht - das besondere und schöne Buch, eine meditative
Atmosphäre, vielleicht ein leerer Raum war die Idee.
· Flanierwege haben wir uns im Raumprogramm gewünscht, um Bibliothek als einen Ort
des Entdeckens zu präsentieren, in dem sich selbstgesteuertes und innovatives Lernen
entfalten kann.
· Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer, aber auch Mütter mit Kinderwägen, ausreichend
Aufzüge, funktionale Zufahrtsmöglichkeiten und Anlieferung, natürliches Licht, natürliche
Belüftung Schalldämmung und eine Verkabelung, die für alle zukünftigen Entwicklungen
vorbereitet ist, gehören auch zum Raumprogramm ebenso wie die Direktions- und
Verwaltungsbereiche.
· Die Biblitohek 21 hat ein zukunftsorientiertes Organisationskonzept. Der Ausleihbetrieb
basiert auf Selbstbedienung mit RFID-Technologie, die wir gerade in unserer jetzigen
Bibliothek eingeführt haben. Das Konzept der Lernateliers und Kunsträume spiegelt sich
im Organisationskonzept der Bibliothek: für jedes Departement ist ein Team
verantwortlich, alle Arbeitsgänge, Veranstaltungsangebote und die Öffentlichkeitsarbeit
für den Themenbereich liegen in der Verantwortung des Teams. Dieses Teammodell
praktizieren wir weitgehend schon heute.
10
Exkurs: Die neue Hauptbücherei in Wien
Parallel zu unseren Plänen in Stuttgart begann die Stadtbibliothek Wien in Österreich mit der
Planung einer neuen Zentralbibliothek. „Die Bibliothek knüpft Netze“ heißt eine unserer
Thesen und das bedeutet auch, Offenheit für Kooperationen. Mit den Wiener Kollegen gab
es viele Übereinstimmungen in den Zielen, wir haben uns gegenseitig beraten und
unterstützt in der Planung. Und so kam es, dass ein Teil unserer Stuttgarter Visionen nun
Realität ist in einer anderen Stadt, in Wien. Die neue Stadtbücherei Wien wurde 2003
eröffnet.
Wie eine Skulptur über einer U-Bahnstation auf einer Verkehrsinsel zwischen den
Fahrbahnen einer viel befahrenen Wiener Strasse thront die neue Stadtbibliothek von Wien.
Die Entscheidung der Stadt für diesen Standort ist programmatisch zu verstehen. Das Gebiet
rund um die Bibliothek ist wenig attraktiv. Ähnlich wie bei der Stuttgarter Planung dient die
Bibliothek als Zeichen für eine neue urbane Qualität des Stadtgebiets, „Bildung statt
Stadtverödung“. Die zentrale Erreichbarkeit der Bibliothek über der U-Bahn ist ein
Standortvorteil. Der Architekt gestaltet über der U-Bahn ein 50 Meter langes,
dreigeschossiges Gebäude mit einer Außentreppe, die 17 Meter Höhendifferenz überspannt
und über die der Zugang zur Bibliothek und auf die spektakuläre Dachterrasse mit Cafe und
Aussicht über die Stadt erreicht wird. Über Aufzüge aus der U-Bahnstation, Rolltreppen oder
die Freitreppe erreicht man ein offenes Foyer mit Zeitungslesezone und betritt dann die
Bücherei, die sich in Colleges gliedert, das sind Themenbereiche ähnlich der Stuttgarter
Konzeption der Lernateliers. Wie im Stuttgarter Konzept stehen die Colleges auch für das
Management Konzept, ein College bildet ein Team, das für seinen Themenbereich und die
Fachauskunft verantwortlich ist. Leseplätze und Computerarbeitsplätze sind in verglasten
Erkern angeordnet, die zum Aufenthalt einladen. Überall öffnen sich Lesefoyers mit
großartiger Aussicht über die Stadt.
Die Selbstverbuchung mit RFID-Technologie wurde gemeinsam mit Stuttgart geplant.
Dadurch war es möglich, günstigere Preise bei den Firmen auszuhandeln.
Die Einrichtung der Bücherei in Wien wurde großenteils vom Architekten geplant und so
harmonisieren Baukörper und Inneneinrichtung in hohem Maß.
11
Der preisgekrönte Entwurf Eun Young Yis
Zum Schluss noch einmal zurück zu den Stuttgarter Visionen.
Den Architektenwettbewerb 1999 gewann der koreanische Architekt Eun Young Yi, der in
Deutschland studiert hat, und heute in Korea und in Deutschland arbeitet.
Er gestaltete einen Würfel aus Glasbaustein, strahlend, transparent, kristallin und riesig, mit
einer Grundfläche von 40 mal 40 Metern und 35 Meter Höhe. Der Würfel ist umgeben von
einer Wasserfläche. Das Gebäude kann von allen vier Seiten betreten werden. Die Bibliothek
träumte von einem signifikanten, einmaligen Gebäude, der strahlende Würfel ist ein
einmaliges Zeichen im städtebaulichen Arrangement. Das Gebäude wird an einem neu
gestalteten Platz in den neuen Stadtzentrum hinter dem heutigen Hauptbahnhof liegen. Es
wird eines der ersten Gebäude in diesem Gebiet sein, gegenüber von einem großen
Einkaufszentrum mit zwei Haltestellen der U-Bahn im unmittelbaren Umfeld.
In seinem Entwurf gestaltet der Architekt einen Würfel als „Herz“ der Bibliothek.
Sein „Herz“ ist ein archaischer Raum für Meditation und Kommunikation, es ist ein
Bindeglied zwischen der traditionellen Welt der Printmedien und der modernen Welt der
digitalen Medien. Es ist ein 14 Meter hoher Raum mit natürlichem Licht von oben und
künstlichem Licht von den Wänden. Der Raum kann für Ausstellungen und besondere
Veranstaltungen genutzt werden. Das „Herz“ wird umgeben von drei „Ringen“, einer Zone
mit Aufzügen und technischen Nebenräumen sowie den Treppen und dann der sogenannte
Cyberspacering. Das ist eine Idee des Architekten, die Computerarbeitsplätze alle um das
Herz zu konzentrieren, um die Balance zwischen den Wurzeln der Tradition und der Zukunft
des Cyberspace zu symbolisieren.
Die Open End Area, die Musikbücherei, die Literaturabteilung, die Kunstabteilung und die
Verwaltung sind in den ersten vier Etagen um das Herz herum angeordnet. Es gibt auf jeder
Etage vier Zugänge, Auskunftsplätze, Büros der Mitarbeiter, die in den jeweiligen
Abteilungen arbeiten, Gruppenräume und Lesezonen entsprechend des Raumprogramms
der Bibliothek.
Über dem „Herz“ gestaltet der Architekt einen trichterförmigen lichtdurchfluteten
Galerielesesaal ganz in Weiß mit Marmor und Stahl. Der Galerielesesaal beherbergt die
Lernateliers. Und die Bücher sind Teil der Struktur.
Yi bietet zwei Arten von Flanierwegen, einer verläuft rund um das Herz und der andere
zwischen der Doppelfassade. Natürlich gibt es Aufzüge und Fluchttreppenhäuser.
Das Veranstaltungsforum für 300 Besucher ist im Untergeschoss untergebracht. Im
Wettbewerbsentwurf hat die Kinderbücherei ihren Raum im Untergeschoss rund um ein
Atrium unter dem künstlichen See mit Licht von oben.
Inzwischen gibt es einen überarbeiteten Entwurf als Ergebnis der ersten Planungsstufe, der
insbesondere auch die Anforderungen des Brandschutzes berücksichtigt. In dieser
überarbeiteten Version mussten wir das Atrium aufgeben, die Kinderbücherei ist nun im
ersten Obergeschoss, die Literaturabteilung wird in dem Galerielesesaal untergebracht und
die Lernateliers in den Außenbereichen des Lesesaals. Das Cafe ist inzwischen im achten
Obergeschoss mit Zugang zur Dachterrasse, um den großartigen Blick über Stuttgart zu
genießen. Dazuhat uns die Wiener Dachterrasse inspiriert.
Wir haben auch den Cyberspacering aufgegeben, weil unsere Bibliotheksphilosophie davon
ausgeht, dass die Computerarbeitsplätze in den Lernateliers untergebracht werden sollen,
da die Leute mit Computern und Büchern arbeiten.
Der Gemeinderat der Stadt Stuttgart hat gerade beschlossen, die Planung bis Ende 2005
abzuschließen, damit 2006 mit dem Bau begonnen werden kann, vorausgesetzt, es fällt eine
endgültige Entscheidung über das Städtebauprojekt Stuttgart 21.
Der Entwurf von Eun Young Yi ist ein Gegenpol zu der Glaspyramide von Ulm. Es ist kein
offenes transparentes Haus, sondern ein introvertiertes nach innen gerichtetes Gebäude.
12
Mit der Realisierung dieses Hauses wird eine besondere kommunale öffentliche Bibliothek
entstehen. Der Architekt Eun Young Yi glaubt an eine Zukunft, die ihre Wurzeln in der
Vergangenheit hat. Er sagt: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Ausstrahlung der
archaischen Architektur wiederaufgegriffen wird. Die aber in die Moderne umgesetzt. Was
wir schaffen müssen, ist die Architektur, die treu zu ihrer Wesentlichkeit und ihrer
Selbstverständlichkeit ist. Nur mit einer wesentlichen Ästhetik müssen wir unsere Welt schön
und bewundernswert gestalten.“ Diese Botschaft teilt die Bücherei und heißt mit ihrer Vision
die Zukunft willkommen.
Weitere Informationen unter
Stadtbücherei Stuttgart, http://www.stuttgart.de/stadtbuecherei
Goetheinstitut Mexiko, http://www.goethe.de/hn/mex/deindex.htm
Mexican Association of Librarians, A.C. (AMBAC), http://www.ambac.org.mx/jornadas/CI.htm
Copyright (c) 2004 by Ingrid Bussmann.
This material may be distributed only subject to the terms and conditions set forth in the Open
Publication License, v1.0 or later (the latest version is presently available at
http://www.opencontent.org/openpub/). Distribution of substantively modified versions of this document
is prohibited without the explicit permission of the copyright holder. Distribution of the work or
derivative of the work in any standard (paper) book form is prohibited unless prior permission is
obtained from the copyright holder.
13