Uhrenturmsanierung - Historisches Rathaus

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Uhrenturmsanierung - Historisches Rathaus
UHRENTURMSANIERUNG
Historisches Rathaus Neumarkt 10, Wuppertal
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | INHALTSVERZEICHNIS
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Inhaltsverzeichnis
Impressum/Inhaltsverzeichnis .................................................................................. 2
Grußwort .................................................................................................................... 3
Wichtiges vorab: Zahlen, Daten & Fakten ............................................................... 4
Historie des Bauwerkes im Kontext von Elberfeld .................................................. 5
Werkbericht Denkmalschutz .................................................................................. 10
Baumaßnahme: Arbeitsbereich ............................................................................. 12
Baumaßnahme: Gerüstbauarbeiten ...................................................................... 13
Werkbericht Gerüstbau .......................................................................................... 16
Baumaßnahme: Natursteinarbeiten ...................................................................... 18
Impressum
Baumaßnahme: Ornamentklempnerarbeiten ...................................................... 20
Herausgeber
Gebäudemanagement
der Stadt Wuppertal
Müngstener Straße 10
42285 Wuppertal
Baumaßnahme: Zifferblatt und Vergoldung ......................................................... 26
Telefon 0202 563-5959
Telefax 0202 563-8548
E-Mail iris.hienz
@gmw.wuppertal.de
Internet www.wuppertal.de/gmw
Werkbericht Architekt ............................................................................................. 32
Verantwortlich
Betriebsleiter Dr. Hans-Uwe Flunkert
Redaktion / Lektorat
Mitarbeiter des GMW
Design / Satz
Sylvia Habiger, GMW
Fotos / Grafiken
werden in einem separaten
Abbildungsverzeichnis aufgeführt
Erscheinungsdatum
26.09.2014
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
Baumaßnahme: Wetterlöwe ................................................................................... 29
Baumaßnahme: weitere Arbeiten .......................................................................... 30
Biologie ...................................................................................................................... 36
Betrachtungen zum Schluss ................................................................................... 37
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. 38
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | GRUSSWORT
Sehr geehrte Leserin,
sehr geehrter Leser,
diese Broschüre ist entstanden, weil wir uns gewünscht hätten, etwas Ähnliches, wie eben grade
diese Broschüre, in der Hand halten zu können,
als wir mit dem Projekt der Sanierung des Elberfelder Verwaltungshauses (Elberfelder Rathaus)
begonnen haben.
Kommunales Bauen gleicht einem Staffellauf. Bei
Zeiten ist es notwendig etwas zu übernehmen
und bei Zeiten ist es notwendig etwas zu übergeben.
Die Sanierung unseres Uhrenturms war eine besondere Herausforderung, der Turm ist hoch, der
Turm ist alt und der Turm ist umgeben von Elberfeld, zentral in der Innenstadt und damit für die
Einrichtung einer Baustelle nicht ideal.
Aus der Vorgabe des Denkmalschutzgesetzes
entstehen für Denkmaleigentümerinnen und -eigentümer besondere Pflichten. Wer ein Denkmal
besitzt, muss es vor dem Verfall schützen und so
nutzen, dass die Substanz des Denkmals erhalten bleibt. Entstandene Schäden, etwa an Dach
und Fach, muss der Eigentümer reparieren.
Dabei birgt jeder bauliche Eingriff in ein denkmalgeschütztes Gebäude das Risiko, dass bedeutende historische Substanz verloren geht. Nur wer
den gesamten Baubestand richtig kennt, ist in
der Lage die sachlich richtige Behandlung der
Bauglieder und Ausstattungselemente vorzunehmen.
Da Veränderungen im Laufe
der Jahrzehnte die Bausubstanz, bedingt durch Sanierung, Gebäudeumnutzung
oder einfach den wechselnden
Zeitgeschmack,
zwangsläufig von ihrem
Ursprung entfernt, ist es
umso wichtiger geeignetes
Material zu den in der Vergangenheit durchgeführten
Arbeiten vorzufinden.
Dr. Hans-Uwe-Flunkert
Betriebsleiter
Die veränderte Bausubstanz enthält oft eine Vermischung der aus unterschiedlichen Zeiten stammenden Bauteile. Für die qualifizierte Erhaltung
des Objektes bedeutet dies die Notwendigkeit,
jedes Bauteil zeitlich einzuordnen, um so seine Bedeutung als Einzelglied und innerhalb der
Sachgesamtheit richtig zu bewerten.
Deshalb haben wir diese Broschüre erstellt, nicht
für die Leser unserer Generation, sondern für
Sie, liebe Leser in unserer Zukunft. Wenn Sie mal
wieder daran gehen dieses schöne Gebäude zu
sanieren, eben weil es an der Zeit ist, seien Sie
bitte vorsichtig, sorgsam und behutsam, wir haben uns die Mühe gegeben danach zu handeln.
Hans-Uwe-Flunkert
Betriebsleiter GMW im Jahr 2014
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WICHTIGES VORAB: ZAHLEN, DATEN & FAKTEN
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In den Jahren 2012 bis 2014 hat das Gebäudemanagement der Stadt Wuppertal den Uhrenturm des Historischen Rathauses in Elberfeld saniert.
Bereits 2006 bis 2007 wurde ein Teil der Westsowie ebenso der Süd-Fassade bearbeitet, bevor dann (von 2012 bis 2014) der Uhrenturm
folgte. Im Anschluss daran begann die Sanierung der Ost- und Nord-Fassade.
Auch im Innenbereich finden fortgesetzt notwendige Sanierungen statt. Dies erfolgt teilweise, um die modernen Anforderungen, die
an ein Verwaltungsgebäude gestellt werden,
zu realisieren und den Nutzern dieses Hauses
ein komfortables Arbeiten zu ermöglichen,
oder auch um alte Schäden zu beseitigen und
Wartungsarbeiten durchzuführen.
Wichtiges vorab:
Zahlen, Daten & Fakten
Die Zusammenarbeit zwischen allen Personen,
die an der Baumaßnahme unmittelbar und mittelbar beteiligt waren, lief erfolgreich und motiviert. Dies ist eine wichtige, wenn auch nicht
planbare, Voraussetzung für eine Baustelle dieses Ausmaßes. Das fachkundige Miteinander
lässt sich dann am guten Ergebnis ablesen. Nur
mit einem gewissen Herzblut und besonderem
Bezug zu denkmalgeschützten Gebäuden lassen
sich solche Projekte in der notwendigen Qualität
realisieren. Die Beteiligten kommen separat zu
Wort.
Die Baumaßnahme begann Anfang 2012 und endete im Dezember 2013, die Abrüstung erfolgte
bis zum 17. April 2014. Danach gab es, über die
Turmsanierung hinaus, noch weitere Arbeiten zur
Installation einer Fassadenbeleuchtung an der
Südseite des Hauses.
Ursprünglich wurden für die Maßnahme 1,9 Millionen Euro veranschlagt. Das Budget konnte
allerdings aufgrund guter Ausschreibungsergebnisse auf 1,7 Millionen € reduziert werden.
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Blick auf den sanierten Uhrenturm aus Richtung Kaufhof (v. Parkhausdach)
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | HISTORIE DES BAUWERKES IM KONTEXT VON ELBERFELD
Historie des Bauwerkes
im Kontext von Elberfeld
Das Rathaus in Elberfeld wurde am 24. Oktober
1900 von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gattin
Auguste Viktoria eingeweiht und den Bürgern
übergeben. An diesem Tage gab es in Wuppertal
einen wahren Einweihungsmarathon, denn auch
die Ruhmeshalle in Barmen und die Schwebebahn kamen zu kaiserlichen Ehren. Im Anschluss
an diese anstrengende Tätigkeit fuhren die hohen Herrschaften zu einem Besuch der Familie
Krupp zur Villa Hügel.
Eines der seltenen historischen Bildzeugnisse der
heute nicht mehr existenten Denkmäler auf dem
Neumarkt zeigt den bergischen Löwen mit seinen
26 m hohen gusseisernen Fahnenmasten. Er wurde gestiftet von Freiherrn August von der Heydt
anlässlich eines Jubiläums seines Bankhauses.
Ebenfalls stand auf dem Platz in der Elberfelder
Innenstadt vor dem Rathaus ein Denkmal von
Kaiser Friedrich III., König von Preußen und Vater
von Kaiser Wilhelm II. Beide Denkmäler wurden
vor oder Anfang des Zweiten Weltkrieges aus verschiedenen Gründen abgebaut und sind seitdem
verschollen.
02
Aus der offiziellen Festwoche zur Dreijahrhundert-Feier der Stadt Elberfeld:
Ansprache des Oberbürgermeisters Funck auf dem Balkon des Rathauses
am 30.07.1910
03
Elberfeld, Neumarkt mit Rathaus (1926); vor dem Gebäude auf dem Platz
sind die heute nicht mehr existierenden Denkmäler gut zu erkennen
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | HISTORIE DES BAUWERKES IM KONTEXT VON ELBERFELD
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Uhrenturm Verwaltungshaus Elberfeld (1936)
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Uhrenturm Verwaltungshaus Elberfeld (1936)
Das Gebäude blieb Rathaus bis in den August
1929. Zu dieser Zeit fand der Zusammenschluss
der vormals selbstständigen Städte Barmen und
Elberfeld zu Wuppertal statt. Als Folge wurde nur
noch ein Rathaus benötigt, man entschied sich
aufgrund der deutlich größeren Gesamtfläche
für das Rathaus in Barmen, so dass das Rathaus
Elberfeld zum Verwaltungshaus umbenannt und
fortan so genutzt wurde.
Die Aufnahmen von 1936 zeigen die historische
Straßenbahn Elberfelds ebenso wie den ersten
Kupferhelm als Turmeindeckung des Rathauses.
Beim Vergleich der Helme zueinander sind feine
Unterschiede feststellbar, worauf aber an anderer Stelle noch genauer eingegangen werden
wird (siehe S. 25, Abbildung 61-63).
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Derselbe Blickwinkel beim Wiederaufbau nach dem Krieg (1949)
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
Während der schweren Luftangriffe im Juni 1943
sowie im März 1945 wurde Elberfeld - und auch
sein ehemaliges Rathaus - schwer beschädigt.
Brandbomben, Splitterbomben und Sprengsätze
richteten große Schäden an und hätten das Gebäude fast vollständig zerstört.
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | HISTORIE DES BAUWERKES IM KONTEXT VON ELBERFELD
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Das Rathaus Elberfeld nach den Bombenangriffen 1943
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Das zerstörte Rathaus in Elberfeld, Rückseite nach 1943
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Das zerstörte Rathaus in Elberfeld, Vorderseite nach 1943
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | HISTORIE DES BAUWERKES IM KONTEXT VON ELBERFELD
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Es ist auf den historischen Bildern ablesbar – dies
war keine gute Zeit für Menschen und Bauwerke.
Aufnahmen aus diesen Jahren zeigen das Ausmaß der Angriffe: einen völlig ausgebrannten
Dachstuhl, Fenster ohne Scheiben und totale Zerstörung im Innenbereich des Verwaltungshauses.
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Verwaltungshaus im Wiederaufbau nach den Bombenangriffen
Fast noch mehr als der Krieg, zerstörten und
vernichteten die Zeit des Wiederaufbaus, die
Modernisierung und die wachsende Dominanz
des zunehmenden Verkehrs die historische Bausubstanz.
Ein weiteres Bild des Wiederaufbaus nach dem
Krieg zeigt das Gebäude des damaligen Kaufhauses Tietz (später dann Westdeutsche Kaufhof
AG), welches heute die Galeria Kaufhof beherbergt, in der unmittelbaren Nachbarschaft des
Verwaltungshauses. Auf dem Bild ist das alte,
bauzeitliche Tonnendach sichtbar, welches den
Krieg relativ gut und augenscheinlich unbeschadet überstanden hat. Es wurde nach dem Krieg
zugunsten von Parkebenen und anderen Interessen des Kaufhauses abgerissen. Dem Aufbruch
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Blick auf das Kaufhof-Gebäude im Jahr 2014
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Blick auf das damalige Kaufhauses Tietz
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | HISTORIE DES BAUWERKES IM KONTEXT VON ELBERFELD
13-15
Mutige Nachkriegssanierungsarbeiter am Verwaltungshaus Elberfeld
in die neue Zeit fiel auch die Ost-Fassade des Gebäudes zum Opfer (siehe Bild von 2014).
Das berühmte Bild der mutigen Stahlbauer in
Manhattan, die ihre Mittagspause auf einem
Stahlträger hunderte Meter über dem Erdboden
verbringen, kennt sicherlich fast jeder. Hängt es
doch in vielen Wohnungen, Büros und öffentlichen Räumen.
Aber nicht nur in Manhattan gab es mutige
Männer, sondern auch in Elberfeld. Sie ließen
sich während der Nachkriegssanierungsarbeiten am Verwaltungshaus an einem Seilkran hängend zusammen mit den noch einzubauenden
Stahlträgern nach oben ziehen, und haben sich
damit einen lästigen Fußmarsch über wackelige
Gerüstleitern gespart. Einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator oder Ingenieure der
Bau- und Berufsgenossenschaft, die eine derartige Arbeitsweise heute nicht mehr gestatten würden, suchte man damals vergebens.
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DES RHEINISCHEN AMTES FÜR DENKMALPFLEGE
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Rathausturmsanierung
Wuppertal, Neumarkt 10
Das heutige Elberfelder Verwaltungshaus ist das
dritte Rathaus der ursprünglich selbstständigen
Stadt Elberfeld und wurde sicherlich in Anlehnung an die bezeugte - aber nicht in ihren Aussehen bekannte - Burg Elberfeld im neugotischen
Burgenstil von 1895 bis 1900 von den BerlinCharlottenburger Architekten Reinhardt und
Süßenguth entworfen und nach deren Plänen
gebaut.
Einem eher kleinen barocken Rathaus aus dem
Anfang des 18. Jahrhunderts folgte 1828 der
erste, große Rathausbau im klassizistischen Stil,
der zusammen mit dem Landgericht auf der
Gerichtsinsel, dem Eiland und dem Empfangsgebäude der ehemaligen Bergisch-Märkischen
Eisenbahn, dem heutigen Wuppertaler Hauptbahnhof zu den bedeutendsten, klassizistischen
Bauten außerhalb der Preußenmetropole Berlin
zählte.
Auch dieses Rathaus wurde einige Generationen
später für die aufstrebende und durch die industrielle Revolution schnell gewachsene Wuppermetropole mit der boomenden Textilindustrie zu
klein und musste ab 1895 durch einen angemessenen Neubau an dem neuen zentral entstandenen Marktplatz ersetzt werden.
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Verwaltungshaus Elberfeld, aufgenommen zwischen 1933-1945
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Verwaltungshaus Elberfeld (1950)
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
Das mächtige Gebäudegeviert mit zentralem
Innenhof erhielt, als weithin sichtbar das Tal der
Wupper beherrschendes Bauteil, den ca. 80 Meter hohen Rathausturm als Zeichen kommunaler
Selbstdarstellung. Auch wenn der Kaiserbesuch
Wilhelms II. ein festlicher Höhepunkt mit der
Einweihung im Jahr 1900 war, wurden doch die
Städte, so vor allem im industriellen Rheinland,
von den aufstrebenden Bürgern und Fabrikanten
getragen und finanziert. Durch die florierende
Textilindustrie war Wuppertal eine der reichsten
Städte des damaligen Kaiserreiches und baute
sich so eine aufwendige „Beamtenburg“ mit ei-
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DES RHEINISCHEN AMTES FÜR DENKMALPFLEGE
nem Rathausturm, der den sogenannten Bergfrieden der Burgenbaukunst nicht nachstand.
Natursteinfassaden, reich an Figuren und Wappenschmuck, ein mit Kupfer beschlagener, fast
barock zu nennender Turmhelm mit Trompeterchor und offener Laterne sowie im Inneren
ein absolut moderner, seiner Zeit gemäßer Stahldachstuhl und nach allen Seiten eine Turmuhr
mit gigantischen Zifferblättern aus Schiefer, dem
klassischen Dachdeckungsmaterial des Bergischen Landes machen diesen Bauteil des Rathauses zu einem besonderen Bauteil und Bauabschnitt des gesamten Gebäudes.
Dabei dient der Rathausturm in den Geschossen
oberhalb des Traufgesimses der reinen Repräsentation, sieht man vom Uhrengeschoss einmal ab.
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Mutige Nachkriegssanierungsarbeiter am Verwaltungshaus Elberfeld
Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt, wurde
das Rathaus im Außenbau in Anlehnung an den
ur-sprünglichen Zustand als prägendes, identifikationsschaffendes, städtisches Verwaltungsgebäude wiederaufgebaut und bildet zusammen
mit der bewegten, neubarocken Silhouette des
Jubiläumsbrunnens die unverwechselbare Platzfront des größten Platzes in der Wuppertaler Einkaufscity, zu der sich Elberfeld seit einigen Jahrzehnten entwickelt hat.
Aus Sicht der Stadtbaukunst war es ein Anliegen
aller an der Gesamtsanierung des heutigen Elberfelder Verwaltungshauses beteiligten Personen,
Ämtern, Institutionen und Fachbetrieben dieses
Baudenkmal der Stadt Wuppertal qualitätvoll
und mustergültig zu sanieren, liegt dieses Baudenkmal doch inmitten einer der denkmalträchtigsten Kommunen Nordrhein Westfalens. Mit
seiner schmiedeeisernen Turmbekrönung ist die
Sanierung des ehemaligen Elberfelder Rathauses
aus Sicht der Denkmalpflege zu einem Leuchtturmprojekt der Stadt Wuppertal geworden.
Dr. Klaus-Ludwig Thiel,
Rheinisches Amt für Denkmalpflege
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Postkarte des Elberfelder Rathauses aus den 1960er-Jahren
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ARBEITSBEREICH
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Baumaßnahme
Arbeitsbereich in Farbe und Zahlen
Die Hauptarbeiten der Sanierung wurden in dem
auf dem Foto rot umrandeten Bereich des Turmes
ausgeführt. Die erst 1992 sanierte Turmspitze
konnte aufgrund ihres guten Zustandes erhalten
werden.
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Plan des Verwaltungsgebäudes mit eingezeichnetem Arbeitsbereich
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Verwaltungsgebäude mit eingezeichnetem Arbeitsbereich nach Sanierung
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Das Gerüst hatte, bei einem Neuwert von ca.
895.000 €, ein Gesamtgewicht von ca. 200 Tonnen, was ca. 241 VW Käfern entspricht. Dabei
wurden über 55.000 Gerüstteile verbaut. 1.700
m² Planen und 1.100 m² Netze waren zur Sicherung von Gerüst und Arbeiten notwendig. Es
wurde 1.777 m² Naturstein saniert sowie 270
m² Kupferblech im Bereich des Turmhelms.
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: GERÜSTBAUARBEITEN
Gerüstbauarbeiten
Die Gerüststellung und die Ablastung der einzelnen Ständer waren von besonderer Schwierigkeit.
Die Süd-Fassade zu rüsten war unproblematisch,
hier konnte das Gerüst auf das Gelände gestellt
werden, dieses war plan und gut befestigt.
An den West-, Nord- und Ost-Fassaden des Turms
musste eine andere Vorgehensweise gewählt
werden, denn dort schließen die einzelnen Gebäudeflügel des Rathauses an. Es war also eine
Sonderlösung dringend erforderlich, denn auch
ein Ablasten über die Dächer der jeweiligen Flügel war aus statischen Gründen nicht möglich.
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Beginn der Einrüstungsarbeiten am Neumarkt 10
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Planansichten aller vier Seiten des Uhrenturmes verdeutlichen die Problematik bei der Einrüstung des Uhrenturmes
(v. l. n. r.: Ost-, Süd-, West- und Nordansicht)
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: GERÜSTBAUARBEITEN
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Die Lösung waren Konsolen, welche extra statisch berechnet, geprüft und angefertigt wurden.
Jede Konsole hat dabei ein Eigengewicht von ca.
180 kg. Sie wurden als Paar an die jeweiligen
Fassaden angebracht. Die Turmwand, mit einer
Wandstärke von bis zu 1,70 m, wurde auf ganzer
Länge durchbohrt. Es wurden Gewindestangen
eingeschoben, im Innenbereich gekontert und
befestigt. Auf diese Weise konnte die Last einer
Fassadenseite des Gerüstes in das Bauwerk eingeleitet werden.
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Spezialkonsolen zur Ablastung des Gerüstes, Detailansicht
Im Anschluss an das Fassadengerüst wurde mit
kurzem zeitlichen Abstand der Turmhelm eingerüstet. Dieses Gerüst fand seine Basis auf dem
Umgang des Turmes, einem ca. 1,20 m breiten
Bereich. Der Umgang ermöglicht einen Austritt
von der Uhrenebene im Turminnenbereich nach
draußen. Dieser Gerüstteil war solitär zu sehen,
sowohl was die Aufstellfläche betraf, als auch
im Bezug zum restlichen Gerüst. Auf diese Weise war später ein Rückbau der Fassadengerüste
möglich, obwohl am Helm zeitgleich gearbeitet
wurde.
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Spezialkonsolen zur Ablastung des Gerüstes
26
Gerüstaufbau vom Rathausinnenhof (Nordseite) betrachtet
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Das Gerüst steht, es wird mit der Einhausung begonnen
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: GERÜSTBAUARBEITEN
Das Gerüst war jedoch nicht nur für die Schaffung der Arbeitsebenen verantwortlich, sondern
diente auch gleichzeitig als Werbeträger für verschiedene Projekte der Stadt, der Museen und
der Kultur. So wurde das Banner des Projektes
„Döppersberg“ dort ebenso aufgehängt wie
auch der Hinweis auf die Ausstellung der Bilder
von Peter Paul Rubens im Von-der-Heydt Museum
oder den in Wuppertal produzierten und gedrehten Film „King Ping“.
Weitere Zahlen zum Gerüst:
Überbrückte Spannweiten: 22 m
Tragfähigkeit Aufzug: 1.500 kg
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Verschiedene Werbebanner für Projekte mit Bezug zu
Wuppertal haben während der Bauzeit auf der Gerüstfläche einen werbewirksamen Platz gefunden
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DER GERÜSTBAUFIRMA
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Wir mögen Diven
Das Elberfelder Rathaus ist eine Diva. Umwerfend und kompliziert. Seit vier Generationen
erstellen wir Gerüste. Aber kaum ein Gebäude
forderte unseren Ideenreichtum so sehr wie dieses. Der Rathausturm ist mit seinen 80 Metern
eines der höchsten Gebäude der Stadt. An sich
kein Problem. Doch was wäre eine Diva ohne ihre
Marotten?
Marotte Nr. 1:
Sie ist eigen. Ihr Turm lässt sich auf dem klassischen Weg nur von der Straßenseite aus einrüsten.
Die an die übrigen Seiten angrenzenden historischen Dächer des Rathauses wären unter der Last
des Gerüsts zusammengebrochen. Wir reden hier
immerhin von 55 500 Einzelteilen, die zusammen
rund 200 000 Kilogramm wiegen. Wir entwickelten eine spezielle Anhängekonstruktion, bohrten
durch die fast zwei Meter dicken Turmwände und
hingen unsere Gerüst an die Wände an.
Marotte Nr. 2:
Sie liebt Gesellschaft. Direkt neben dem Gerüst
verkehren Passanten, Autos und Busse. Nur ein
Stück weiter befindet sich der Marktplatz. Wir
mussten also noch vorsichtiger sein als ohnehin schon. Bereits die kleinste herunterfallende
Schraube verwandelt sich bei solchen Höhen in
ein Geschoss. Beim Aufbau des Gerüsts haben
wir daher Netze gespannt und unsere erfahrensten Mitarbeiter eingesetzt. Am fertigen Gerüst
31
Einrüstung des Turmhelms
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Luftbild, aufgenommen während der Einrüstung des Uhrenturms
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DER GERÜSTBAUFIRMA
befestigten wir schließlich eine Plane, damit bei
den Bauarbeiten nichts hinunterfallen konnte.
Marotte Nr. 3:
Sie trägt Krone. Wegen der besonderen Form
des Gebäudes konnten wir keinen Autokran einsetzen. Außerdem hätte dieser den Verkehr zu
sehr behindert und den Eingang zum Rathaus
versperrt. Irgendwie musste aber die restaurierte Turmbekrönung wieder an ihren Platz. Wir
setzten auf Teamwork und Tradition. Per Seil und
Rolle und zusammen mit den Klempnern haben
wir Ihr die Krone wieder aufgesetzt.
Marotte Nr. 4:
Sie hat ein Herz für Vögel. In ihrem Turm befindet
sich ein Taubenschlag. Den Vögeln konnten wir
den Weg hinein natürlich ebenso wenig versperren wie den Wuppertaler Bürgern. Auch für sie
haben wir eine spezielle Konstruktion gebaut. Insider nennen sie gern „Startbahn West“.
Marotte Nr. 5 ist unsere Lieblingsmarotte:
Sie will Aufmerksamkeit. Kein Problem. An unserem
Gerüst hingen über die Zeit hinweg Bannerwerbungen für den Umbau Döppersberg, die Rubens-Ausstellung und den Wupper-Krimi „King Ping“.
Wir mögen unsere Diva und freuen uns schon
aufs nächste Mal.
K. Andreas Stüben
Stüben Gerüstbau Wuppertal
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Blick auf den komplett eingerüsteten Uhrenturm
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: NATURSTEINARBEITEN
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Natursteinarbeiten
Die Natursteinarbeiten waren zweigeteilt. Grund
hierfür sind die Gesteinsarten. Der Londorfer Basaltlavastein, aus dem die graue Hauptfassade
besteht, und der Sandstein, der das Herausarbeiten von Ziergewänden und figürlichen Darstellungen ermöglichte.
Der Basaltlava ist nahezu verwitterungsfrei und
wird wohl nicht zuletzt deshalb auch am Kölner
Dom als Sanierungsstein verwendet. Er wurde
primär gereinigt und die Fugen wurden erneuert.
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Reinigung und Sanierung von Sandsteinelementen an Fensterbrüstungen
Beim Sandstein waren neben der Reinigung und
dem Fugenaustausch weitere Arbeiten notwendig. So wurden lose Schalen der Steine abgenommen, die sich im Laufe der Jahre gebildet
haben. Stärker zerstörte Bereiche wurden durch
Vierungen saniert. Auch wurden ganze Steine
aus dem Gefüge entfernt und ausgetauscht,
etwa bei der stark geschädigten Balkonbrüstung. Bei den figürlichen Darstellungen, wie z. B.
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Detailreiche Steinkrone, Zierrat aus Udelfinger Sandstein
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Zierrat aus Udelfinger Sandstein
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Figürliche Darstellung mit nachmodellierten Elementen
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: NATURSTEINARBEITEN
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Anstelle des ursprünglich verwendeten Sandsteins wurde nach dem 2. Weltkrieg Beton für erste und schnelle
Instandsetzungen benutzt
beim Relief, wurde mit Steinersatzmasse partiell
nachmodelliert.
Als neuer Sandstein wurde diesmal, aufgrund
der passenden Farbigkeit und Struktur, ein „Udelfanger Sandstein“ verbaut. Dieser Stein wird in
der südlichen Eifel abgebaut und lässt sich gut
be- und verarbeiten. Ein Ruhrsandstein, welcher
räumlich deutlich näher zur Verfügung stünde,
ist für diese Arbeiten aufgrund seiner größeren
Härte weniger geeignet.
Als Kuriosum stellte sich bei näherer Betrachtung
heraus, dass einige figürliche oder geometrische
Darstellungen mutmaßlich aus Sandstein, tatsächlich jedoch aus Beton gefertigt waren. Ein
Baustoff, der historisch nicht Bestandteil dieser
Fassade war.
Die Erklärung dafür ist vermutlich, dass der Beton bei der Sanierung nach dem Krieg als Material einfacher zur Verfügung stand als passender
Sandstein, er leichter zu verarbeiten war, und die
Arbeiten auch deutlich schneller gingen.
Ab 1946 sollten die identitätsbildenden Gebäude der Innenstädte möglichst zügig wieder aufgebaut werden - Das ging besser mit Beton und
fiel in den großen Höhen niemandem auf. Dies
waren aber auch die Bereiche die jetzt vordringlich saniert werden mussten, denn sie waren rissig und teilweise zerstört. Die Sandsteinelemente
waren noch in einem deutlich besseren Zustand.
Einige Jahre vor der Sanierung des Uhrenturmes
wurde dem GMW von einem ehemaligen Kolle-
40
Anlieferung von Austauschelementen aus Sandstein
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ORNAMENTKLEMPNERARBEITEN
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gen ein kleines Sandsteinkreuz auf einer Kugel
übergeben. Es schien als Bauteil zu etwas zu gehören, irgendwo herausgebrochen zu sein. Sein
ursprünglicher Standort konnte damals aber
nicht ermittelt werden.
Als dann die Baustelle begann und die ersten
Erkundungen stattfanden, hatte ein Steinmetz
bei der Betrachtung und Bewertung des so lange verhüllten Reliefs die entscheidende Idee. Das
Kreuz war ein Bestandteil der Bekrönung des Reliefs, und möglicherweise der Auslöser, warum
es vor mehr als 10 Jahren aus Sicherheitsgründen verhängt worden war. Nach einer Reinigung
und restauratorischer Überarbeitung des Reliefs
an der Südfassade des Turmes wurde das kleine
Sandsteinkreuz im Zuge der Sanierung wieder
eingearbeitet und hat somit seinen alten und angestammten Platz zurückbekommen.
Ornamentklempnerarbeiten
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Blick auf das fertig restaurierte Relief
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Detailansicht des Adlerkopfes aus dem Relief
Bevor das Gerüst bis in die Höhen des Turmdaches vorgestoßen war, gab es die geringe, wenn
auch wenig begründete, Hoffnung, dass sich der
Kupferhelm noch in einem guten Zustand befindet und gefahr- und bedenkenlos für mindestens
zwanzig Jahre hätte bestehen bleiben können.
Nähere Untersuchungen ergaben zwar, dass sich
das Kupfer in einem relativ guten Zustand befand, aber die Anschlüsse, die Schalung und die
Befestigung der Scharen auf der Schalung Anlass
zu Bedenken gaben. Eine Standzeit von wenigen
Jahren war eine vorsichtige Schätzung - ohne jede
Garantie. Somit war es sowohl aus technischen,
wirtschaftlichen und vor allen Dingen aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht des Gebäudeeigentümers angezeigt, das Dach zu erneuern.
Die Ornamentklempnerarbeiten sind Arbeiten von
besonderer Schwierigkeit und großer Bedeutung,
fällt doch das ca. 25 m hohe Dach des Turmes
dem Betrachter schon von weit her und nahezu
als erstes ins Auge. Darüber hinaus hat es auch
technisch wie konstruktiv eine wichtige Aufgabe.
Zur Sanierung des Daches galt es nun, eine fachkundige und spezialisierte Firma zu finden. Eine
Suche, die aufgrund der Vergaberegeln der öffentlichen Hand nicht einfach werden sollte.
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UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ORNAMENTKLEMPNERARBEITEN
Für die Klempnerarbeiten (in Süddeutschland
auch Spenglerarbeiten) dieser Größenordnung
gibt es nur noch wenige Fachfirmen. Dies findet
seinen Grund in der geringer werdenden Nachfrage nach derartigen Metalldächern und in der
teilweisen Übernahme dieser Leistungen durch
Dachdecker.
Als nächstes galt es mit technischer Kreativität
in die Wahl des Vergabeverfahrens einzusteigen. Am sinnvollsten ist eine selten gewählte,
sogenannte „Beschränkte Ausschreibung nach
öffentlichem Teilnahmewettbewerb“. Dieses Prinzip ist so aufwändig wie der Name schwierig zu
sprechen ist; ein Verfahren, das sich im Rückblick
aber mehr als gelohnt hat. Die Veröffentlichung
der Bauabsicht mit einer Beschreibung der auszuführenden Arbeiten gab den Firmen die Möglichkeit, ihr Interesse an dem Projekt zu bekunden, die Firma vorzustellen und angeforderte
Referenzen nachzuweisen. Danach wurde mit
jeder teilnehmenden Firma ein Ortstermin durchgeführt, der Turm angeschaut und begangen, die
Bedingungen des Wetters in 80 m Höhe gefühlt
und anschließend ein Gespräch geführt. Im Anschluss erhielten die geeigneten Firmen das eigentliche Leistungsverzeichnis und konnten ihr
Angebot abgeben.
Es hatten 9 Firmen ihr Interesse an der Arbeit
bekundet, wovon 7 Firmen nach unserer Prüfung
zugelassen wurden. Bei den 2 ausgeschlossenen
Firmen fehlte der Nachweis der richtigen Referenzen, bzw. die für den gedachten Terminplan
notwendige Personalstärke.
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Historische Stadthalle am Johannisberg nach der Turmsanierung
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Turmspitze der Stadthalle vor der Sanierung, im Hintergrund links ist der
Uhrenturm erkennbar
Nach der Submission, Prüfung und Wertung
konnte eine Firma aus dem Münsterland beauftragt werden, die als reiner Klempnerbetrieb nicht
das erste Turmdach in dieser Dimension saniert
hat. Die große Fachkunde und Begeisterung für
das Bauwerk, sowohl beim Firmenchef als auch
bei jedem vor Ort tätigen Mann, hat dem Turm
dieses dritte schöne Kupferdach zurückgegeben.
Der Unterschied der Dacheindeckung von früher
zu heute ist von jedem Betrachter wahrzunehmen. In der Vergangenheit war das Dach grün
patiniert und heute ist es Kupfer natur. Das Geheimnis ist, dass auch das grüne Dach einmal
naturfarben war, aber aufgrund von Schmutz
45
Turmspitze der Stadthalle nach der Sanierung
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ORNAMENTKLEMPNERARBEITEN
22
46-47
Festgestellte Schäden an der Dachkonstruktion
48
Instandsetzung der Dachkonstruktion aus Stahlbindern
und Abgas geschwängerter Luft über Oxidation
grün geworden ist. Der Dreck der Luft hat diesen Prozess sogar begünstigt und beschleunigt.
Heute ist die Luft deutlich sauberer, so dass eine
neue Vergrünung auf sich warten lassen wird.
Seit einigen Jahren gibt es auf dem Markt auch
„vorgealtertes“ Kupfer, das durch chemische
Prozesse bereits über eine künstliche Patina
verfügt. Gemeinsam wurde aber eine „ehrliche“
Sanierung beschlossen, um das Gebäude sowie
auch seine Bauteile in Würde altern zu lassen. So
ganz nebenbei hat diese Entscheidung auch ca.
13.000 € gespart.
Andere Kommunen gehen andere Wege, wie
etwa am Hamburger Rathaus, und verwenden
patiniertes Material; dieses sicherlich auch, weil
die Gauben in der Bestandseindeckung verblieben sind. Die Farbgleichheit zwischen altem und
neuem Kupfer ist jedoch nur mittelbar gegeben.
49
Unterkonstruktion der neuen Schalung
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
Die Vorgehensweise im Einzelnen beinhaltete ein
Abdecken des Daches in Etappen. Zur Erhaltung
der Regendichtigkeit wurden Bereiche geöffnet,
bearbeitet und wieder geschlossen. Entweder
temporär mit diffusionsoffener Unterspannbahn
als Wetterschutz oder sofort endgültig mit Kupfer.
23
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ORNAMENTKLEMPNERARBEITEN
50-51
Erstellung der neuen Schalung
Nach Abdeckung von Schalung und Kupfer wurde die darunter befindliche Dachkonstruktion
aus Stahlbindern geprüft und zum Teil instandgesetzt. Dann wurde die Schalung ausgebaut
und gegen stärkere Bretter entsprechend der
heutigen Norm für Turmeindeckung ersetzt.
Nachfolgend kam eine Unterspannbahn auf die
Schalung, um eventuell noch eindringendes Wasser von der Schalung fernzuhalten. Anschließend
wurde in Kupfer gedeckt.
Beim Vergleich des Daches mit diversen Kirchtürmen der Gegend fällt auf, dass die Kirchturmdächer unserer Region meist gerade Flächen aufweisen. Das Dach des historischen Rathauses
hat jedoch konkave wie auch konvexe Flächen.
Daraus ergab sich eine Anpassung der flächigen
Bleche an die entsprechende Wölbungsvorgabe
der Dachkonstruktion. Nur viel Handarbeit sowie
ein gutes Auge garantieren ein gutes Ergebnis.
Die notwendige Anpassung des Metalls wurde
mit einem Blechumformungswerkzeug in Form
einer mit der Hand zu bedienenden Zange vorgenommen.
52
Blechumformwerkzeug (händisch bedienbare Zange)
53
Ansicht der Eindeckung des Turmhelms vor der Sanierung
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ORNAMENTKLEMPNERARBEITEN
24
Durch Stauchung oder Streckung der Bleche am
Rande erhält man dann die gewünschte konkave
oder konvexe Form und knickfreies Kupferblech.
Die menschlichen Bedürfnisse, mit anderen Worten auch der „Gang zur Toilette“, wollten sorgfältig geplant, und deren Dringlichkeit mit dem
nötigen Zeitvorlauf überlegt werden. Es musste
doch so manches Mal über 80 m Gerüst nach
unten überwunden werden, bis man dort ankam,
wo man so eilig sein wollte. Einmal klappte dies
- möglicherweise krankheitsbedingt - bei einem
Mitarbeiter nicht rechtzeitig, was eine „partielle,
säureunterstützte Schnelloxidation“ des frischen
Kupfers zur Folge hatte. Ein langwieriger Schleifprozess am neuen Kupferdach und mehrere verstimmte Arbeitskollegen waren die Folge der Blasenschwäche.
54-58
Anpassung der neuen Kupfereindeckung mit dem Blechumformwerkzeug
59-60
Säureunterstützte Schnelloxidation des frisch angebrachten Kupfers durch herabgelaufenen Urin
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
25
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ORNAMENTKLEMPNERARBEITEN
61-63
Die bisherigen drei Turmhelme, v.l.n.r.: erste Eindeckung (1900 - 1943),
zweite Eindeckung (1945 - 2013) und dritte Eindeckung (seit 2013)
Auf dieser Seite sind die bisherigen 3 Turmhelme
bzw. Turmhelmeindeckungen zu sehen. Der erste
Helm stand bis zum großen Angriff auf Elberfeld,
der zweite bis 2013 und jetzt tritt der aktuelle
Helm seinen Dienst am Historischen Rathaus an.
Eindeutig sind Unterschiede besonders zwischen
der ersten Eindeckung und den weiteren zu erkennen. Die Turmspitze war anders ausgebildet,
im Helm befand sich weitaus mehr Ornamentik,
sowie auch eine reichhaltigere Anzahl von Schallluken als heute. Ebenfalls sind die Spitzen der
4 Ecktürme aufwändiger aufgebaut als bei den
nachfolgenden Arbeiten. Maßgabe für die aktuelle Sanierung war jedoch die Nachbildung des
Helmes der Nachkriegszeit.
Die Turmkugel hat eine ähnliche Aufgabe wie
ein Grundstein bei der Gründung eines Hauses,
und stellt in unserem Falle auch die Verbindung
zwischen Kaiserstiel und Wetterlöwen dar. Man
legt Zeugnisse der Gegenwart wie Tageszeitung,
Münzen und Unterlagen zur Stadt hinein. Als die
Turmkugel zur Sanierung des Helmes und des
Wetterlöwen geöffnet wurde, fand sich neben
dem Zeitungsbericht zur Sanierung der Turmspitze auch ein kleines Päckchen Senf darin. Er lag
wohl dort seit 1992. Zum Geschmack des Senfs
kann leider niemand Auskunft geben.
64
Die Turmkugel, Verbindungsglied zwischen Kaiserstiel und Wetterlöwe
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ZIFFERBLATT UND VERGOLDUNG
26
Sanierung des Zifferblattes sowie der Ziffern
und Zeiger der Turmuhr
Bei ersten Betrachtungen aus der Ferne, noch vor
Gerüststellung, sahen die Zifferblätter in Kombination mit Ziffern und Zeigern der Turmuhr
kontrastarm und scheckig aus. Dieser Eindruck
verstärkte sich erheblich bei der Inaugenscheinnahme aus der Nähe, diesmal nun vom Gerüst
aus.
Ursprünglich und bauzeitlich bestehen die Zifferblätter aus Schiefer und die Zeiger ebenso wie die
Ziffern aus Messing mit vergoldeter Oberfläche.
Gold auf Schiefer gibt einen wunderschönen Kontrast, der die Uhrzeit von weit her gut zur Geltung
bringt und auch von Weitem ablesbar macht.
Der Bestand vor Ort sah aber leider ganz anders
aus. Bei Sanierungen der früheren Jahre hatte
man sich entschieden, die natürlich vergrauten
Zifferblätter zu überstreichen. Diese Farbe, die sicherlich länger als zwanzig Jahre auf dem Material ihr Dasein fristete, war u. a. durch die thermischen Schwankungen der Jahreszeiten gerissen
und von Wasser hinterlaufen. Der Schiefer mutete nunmehr grau verblasst an und schmeichelte
der vormals schönen Turmuhr wenig.
65-66
Ansichten der kontrastarmen, scheckigen Zifferblätter vor der Sanierung
67
Zeiger der Turmuhr vor der Sanierung, lackiert mit einer Art Goldbronze
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
Auch die Ziffern und Zeigern hatte man mit ähnlichen, aus heutiger Sicht unangemessenen, Materialien beschichtet. Die seinerzeit noch recht
gut erhaltene goldene Oberfläche wurde mit einer Art Goldbronze lackiert.
27
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ZIFFERBLATT UND VERGOLDUNG
Die Materialien wurden aufgebracht, in der Absicht die Oberflächen aufzuarbeiten bzw. aufzufrischen – leider ohne die Kenntnis zu haben,
dass die verarbeiteten Mittel durch ihre starke
Alterung das ursprüngliche Ziel ins Gegenteil verkehren werden. Die Schieferfläche vergraut noch
mehr, die Zeiger und Ziffern werden stark dunkel durch die Oxidation der Goldbronze und die
Lackoberfläche blättert ab.
Mit Hilfe der Restauratoren des Amtes für Denkmalpflege im Rheinland wurde versucht, den
Lack wieder vom Gold zu trennen. Leider brachten sowohl die thermischen, die chemischen als
auch die mechanischen Freilegungsproben kein
befriedigendes Ergebnis. Die Verbindung von
Lack zu Gold war unlösbar geworden. Letztendlich bestand keine andere Möglichkeit, als die
vielen Einzelteile der Uhr neu zu vergolden.
Bevor die Uhr wieder vervollständigt werden
konnte, fiel zunächst einmal eine Menge Arbeit
für den Vergolder an, galt es doch genau 724 Einzelteile zu bearbeiten.
Die Ziffern und Zeiger wurden abgebeizt um für
die Neuvergoldung den Untergrund vorzubereiten. Im Anschluss fand eine Neubeschichtung
sämtlicher Teile mit einem 2-komponentigem gelben Kunstharzlacksystem statt.
Nach der Trocknung wurde auf diesen Untergrund die sogenannte Mixion aufgebracht, ein
Öl-Naturharz-Gemisch, das nach seiner Trocknung das aufgelegte Blattgold bindet.
68-76
Neubeschichtung des Untergrundes der Einzelelemente (Ziffern, Zeiger,
etc.) mit einem gelben Kunstharzlacksystem und Vergoldung mit Blattgold
Was sich hier einfach liest, war ein langer Weg
mit vielen Einzel- und auch Rückschritten. Manche Arbeitsgänge mussten bis zum gewünschten
Ergebnis mehrfach ausgeführt werden.
Die Blattvergoldung ist eine sehr diffizile Arbeit,
die viel Erfahrung und sehr sorgsames Arbeiten
erfordert. Der Untergrund einer Vergoldung
muss möglichst perfekt sein, damit sich das
hauchdünne Blattgold exakt auflegen lässt. Nur
dann erhält man eine glatte, weithin strahlende
Goldoberfläche.
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: ZIFFERBLATT UND VERGOLDUNG
28
Als letzte Handlung hat der Vergolder noch die
ca. 400 Schraubenköpfe mit Gold belegt. Dann
endlich waren sämtliche Teile der Uhr fertig zur
Remontage.
Das Zifferblatt wurde mit mehreren, immer feiner werdenden Körnungen geschliffen und poliert, bis letztendlich wieder das tiefe Schwarz
des Schiefers als Ursprungsfarbe zum Vorschein
kam. Danach wurde es für Schutz und Glanz mit
Leinöl behandelt. Dies muss jedoch in gewissen
zeitlichen Abständen wiederholt werden, wenn
der Kontrast erhalten werden soll.
77
Die fertig vergoldeten Elemente warten auf Ihren Wiedereinbau
Bei der Sanierung von denkmalgeschützten Objekten ist ein Arbeiten mit bauzeitlichen und originalen Materialien meist sinnvoll; man kann nicht
unreflektiert auf die Empfehlungen der Bauchemie vertrauen. Diese Materialien funktionieren
eine gewisse Zeit, aber an die Dauerhaftigkeit
der altbewährten Techniken und Werkstoffe kommen sie selten heran. Um die historischen Materialien zielgerichtet einsetzen zu können, müssen
jedoch auch die Handwerker entsprechend ausgebildet und mit dem Gebrauch der alten Techniken und Werkstoffe vertraut sein, für heute und
für die Zukunft.
78
Belegung der Schraubenköpfe mit Gold
79-83
Das tiefe Schwarz des Schiefers wird wieder sichtbar
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
29
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: WETTERLÖWE
Schaut man sich nun die „neuen“ Uhren an, so
fällt als erstes der gute Kontrast zwischen Zifferblatt, Ziffern und Zeigern auf. Bei guter Sonneneinstrahlung, entsprechendem Abstrahlwinkel
und passendem eigenem Standort wird man regelrecht geblendet.
So mancher Betrachter stellt gar fest, dass bei
der Turmsanierung „nun wohl auch eine Uhr eingebaut wurde“ und „so eine Uhr ja an einen Turm
gehöre“. Das Erstaunen wird noch größer, wenn
man hört, dass die Uhr schon immer da war. „Die
habe ich nie gesehen“, ist dann eine häufige Bemerkung.
Der Wetterlöwe
Der Wetterlöwe ruht seit 1992 unangetastet auf
dem ca. 10 m hohen und ca. 525 kg schweren
Kaiserstiel. Er bedurfte ebenso wie seine floral
verzierte Basis einer Sanierung, denn nach Abbau des Löwen waren deutliche Korrosionsschäden erkennbar.
Die Restaurierung erfolgte hauptsächlich in der
Werkstatt eines Metallrestaurators, ebenso wie
die anschließende Neuvergoldung.
Die Basis des Löwen verblieb am Turm, wurde
vor Ort entrostet und mit einem mehrschichtigen
Korrosionsschutzsystem nebst Endanstrich versehen.
84-85
Blick auf die wieder kontrastreiche, fast strahlende Uhr nach der Sanierung, zum Vergleich: S. 26 oben - kontrastarme Uhr vor der Sanierung
86-87
Kaiserstiel aus Stahlvollmaterial, 10 m lang und ca. 525 kg schwer
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: WETTERLÖWE
30
Der Rücktransport des Wetterlöwen benötigte
viele kräftige Hände und starke Seile. Nahezu
20 Meter bis zu seiner endgültigen Remontage
wurde er, immerhin ca. 150 kg schwer, außen am
Gerüst hochgezogen. Bei den letzten 4 m frischte
der Wind derart auf, dass der Transport in das
Innere des Gerüstes verlegt wurde. Mit vereinten
Kräften erreichte der Löwe dann unbeschadet
den Kaiserstiel und zeigt von dort den Elberfelder
Bürgern wieder die Windrichtung an.
Weitere Arbeiten
Auf alle Arbeiten der Sanierung des Uhrenturmes
im Einzelnen einzugehen, würde den Rahmen dieses Berichtes sprengen. Deshalb erfolgt für die
unten aufgeführten Tätigkeiten lediglich eine
Nennung zur Vervollständigung des Ganzen:
88-89
Nach Ausbau des Wetterlöwen wurden Korrosionsschäden erkennbar
90-92
Der Wetterlöwe zeigt nach Remontage wieder die WIndrichtung an
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
• Arbeiten am Uhrwerk
Nach Montage der Zeiger mussten die Antriebswellen und das Uhrwerk aufeinander eingestellt
und justiert werden. In Kürze erfolgt die komplette Überholung des Uhrwerkes.
31
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BAUMASSNAHME: WEITERE ARBEITEN
• Sanierung der Hammerwerke der Turmuhr
Die zwei Glocken der Turmuhr werden durch Anschlagen von jeweils einem Hammer zum Klingen gebracht. Federn und Lager mussten ausgetauscht werden.
• Austausch der Fenster
Die ehemaligen einfach verglasten Fenster wurden gegen energetisch optimierte und denkmalgerechte Fenster getauscht.
• Klempnerarbeiten an Gesimsen und Gauben
Um das Eindringen von Wasser in das Bauwerk
zu verhindern, mussten sämtliche horizontale
Flächen im Bereich der Fassade und der Natursteine neu mit Kupferblech bekleidet werden.
Ebenso wurden die Gauben neu eingedeckt.
• Installation von Blitzableitern
Damit es bei Blitzeinschlägen im Turm nicht zu
Gebäudeschäden kommt, wurden die Blitzableiter nach aktuellen Vorschriften installiert.
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DES ARCHITEKTEN
32
Projekt Turmsanierung Neumarkt 10 aus architektonischer Sicht: Besondere Aufgaben
erfordern besondere Problemlösungen
Auch für Architekten, die sich primär mit dem
Thema ’Bauen im Bestand’ beschäftigen, ist die
Sanierung eines ca. 80 m hohen Turmes kein
alltägliches Projekt. Die Komplexität der Problemstellungen, die sich aus dem Bauen in der
Vertikalen verbunden mit denkmalpflegerischen
Belangen in unterschiedlichsten Fachdisziplinen
ergeben haben, war auch für uns in Teilen Neuland.
93
Verwaltungshaus Elberfeld mit saniertem Uhrenturm, aufgenommen 2014
94
Blick auf das Uhrwerk im Turminneren
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
In der Planungsphase galt es zunächst, die verschiedenen Fachdisziplinen zu koordinieren. Zum
Einen mussten aus technischer Sicht z. B. Naturstein- und Metallrestauratoren verknüpft werden.
Zum Anderen verlief die Sanierung im laufenden
Betrieb, die Büros wurden ständig weitergenutzt.
In ca. 40 m Höhe befindet sich auch heute noch
ein ehrenamtlich betreutes Taubenhaus.
Zuerst wurden in aufwändigen Voruntersuchungen mit Hubsteigerbefahrungen, die eine Teilsperrung des gegenüberliegenden Marktplatzes
zur Folge hatten, Materialanalysen erstellt und
statische Untersuchungen des Tragwerks durchgeführt. Die hieraus gewonnenen Erkenntnisse
führten nach Gesprächen mit Denkmalpflegern
und Statikern zu einem Ablaufplan mit den erforderlichen Maßnahmen.
Dieser Ablaufplan wurde dem Bauherrn vorgestellt und die Nutzer über die anstehenden Maßnahmen informiert. Einschränken mussten sich
hinsichtlich des bevorstehenden Gerüsts nicht nur
die Angestellten der verschiedenen städtischen
Ressorts, sondern auch die Tauben, die sich dank
der Bürgerinitiative „Stadttauben“ überwiegend
im Taubenschlag des Turms und nicht mehr auf
dem Marktplatz aufhalten. Für diese wurde vom
Gerüstbauer während des Aufbaus eine spezielle
‚Landebahn’ im Gerüst erstellt.
Das Gerüst mit einer Höhe von ca. 80 m war keine alltägliche Aufgabe. Bei den meisten Bauvorhaben kommt man mit Gerüsten bis zu 20 Metern Höhe aus. Zahlreiche Vor- und Rücksprünge
in der Fassade erforderten eine genaue Planung,
damit der spätere Arbeitsablauf durch Streben
oder Bohlen nicht beeinträchtigt wurde. Die stark
33
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DES ARCHITEKTEN
geneigten Nachbardächer ließen keine Aufstellung auf den Dachziegeln zu, das Gerüst wurde
mittels Stahlkonsolen an den gut 1,70 m dicken
Außenwänden aufgehängt.
Die Anbindung des Personen- und Lastenaufzugs
an das Gerüst konnte aus statischen Gründen
‚nur’ bis auf ca. 60 m Höhe erfolgen. Der spitz
zulaufende Turmhelm, an dem eine Verankerung
des Gerüsts nicht möglich war, konnte keine weiteren Lasten aufnehmen. Das Gerüst stand auf
der umlaufenden Uhrengalerie und war nur auf
den unteren beiden Lagen auf Höhe der Turmuhren mit dem Gebäude verankert.
Der Schutz der vorbeigehenden Passanten musste genauso gewährleistet werden, wie der Schutz
der Handwerker. Das Gerüst musste mit einem
Rettungsweg in Form von gut begehbaren Treppenläufen ausgestattet werden, damit im Notfall
die Rettung mittels Trage möglich gewesen wäre.
Der oben angesprochene Aufzug hätte im Falle
eines Stromausfalls nicht zur Verfügung gestanden.
Die nötige Baustelleneinrichtung fiel rund um
den Haupteingang des Verwaltungsgebäudes
sehr klein aus. Angestellte und Passanten mussten ‚durch’ die Baustelle in das Gebäude gelangen können, der Busverkehr machte eine Ausweitung in die Friedrichstraße unmöglich. Der
Innenhof des Gebäudes war der Anlieferung des
Restaurants vorbehalten, aber auf dem Dach des
Treppenhauses in ca. 30 m Höhe wurde vom Gerüstbauer eine 100 m² große Arbeits- und Lagerfläche hergestellt.
Für die Natursteinsanierung wurden die Untere
und Obere Denkmalbehörde zu Rate gezogen.
Der dunkle Basaltlavastein mit seiner porösen
Oberfläche ist sehr witterungsfest und hat ganz
andere Eigenschaften als der helle, weiche Sandstein mit seiner glatten Oberfläche. Dieser handwerklich gut zu bearbeitende Sandstein verleiht
der Fassade mit den zahlreichen Ornamenten
erst seinen eigenen Charakter, ist aber extrem
witterungsanfällig, d.h. Regen und Schnee hinterlassen sehr schnell ihre Spuren.
Die Fassade musste zunächst einmal gereinigt
werden, was aber prinzipiell eine Staubentwicklung mit sich bringt. Um diese Emissionen für die
Nutzer des Gebäudes und den gegenüberliegenden Marktplatz zu reduzieren, wurde das Gerüst
95
Blick auf das Eingangsportal des historischen Rathauses, Im Vordergrund
ist der ebenfalls sanierte Jubiläumsbrunnen sichtbar
96
Historisches Rathaus Elberfeld, eingerahmt von moderner Bebauung
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DES ARCHITEKTEN
34
bis zur Turmspitze mit Folien eingeplant und das
Reinigungsgranulat mit Wasser versetzt.
Nach der Reinigung wurden die Schäden vor
allem an den Sandsteinen deutlich. Die nötigen
Maßnahmen wurden unter Berücksichtigung der
Verkehrssicherheit, Nachhaltigkeit, Bauzeit und
Kosten getroffen. Stark zerstörte Steine wurden
ausgetauscht, kleinere Schäden wurden mit farblich angepasstem Restauriermörtel behoben.
Technische Notwendigkeiten, wie z. B. eine funktionierende Entwässerung der beiden Balkone,
wurden ohne Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes durchgeführt.
Alle horizontalen Flächen wie Gesimse und auskragende Ornamente wurden mit ausreichend
dimensionierten Kupferabdeckungen versehen,
die den unvermeidbaren Substanzverlust des Natursteins deutlich verzögern.
97
Detailansicht des restaurierten Zifferblatts
98
Historisches Rathaus Elberfeld, im Vordergrund Aufbau des Marktes
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
Die grünen Kupfertafeln des Turmhelms, der
übrigens wie das gesamte Dach in der Nachkriegszeit neu gedeckt werden musste, waren
auf den ersten Blick noch intakt. Bei genauerer Untersuchung stellte sich allerdings heraus,
dass viele Anschlusspunkte undicht und fast
alle verdeckten Befestigungen korrodiert waren.
Eine vollständige Neueindeckung war zwingend
erforderlich und auch hier galt die Vorgabe der
Denkmalpflege, das äußere Erscheinungsbild unter Berücksichtigung der heutigen technischen
Vorgaben nicht zu verändern.
Für diese anspruchsvolle Aufgabe wurde bei der
Stadt Wuppertal eine seltene Ausschreibungart
mit einem vorgeschaltetem, öffentlichen Teilnahmewettbewerb durchgeführt. Die Firmen mussten sich für die Sanierung bewerben und erst
nach einer bestandenen Eignungsprüfung wurde
den Firmen die Möglichkeit zur Abgabe eines Angebots gegeben.
Die Neueindeckung erfolgte aufgrund der Größe
des Turmhelms in mehreren Abschnitten, damit
das darunter aus Holz und Stahl befindliche Tragwerk vor den Witterungseinflüssen geschützt
blieb. Die grüne Farbe der Kupfertafeln, die Patina, entwickelt sich im Übrigen erst im Laufe
vieler Jahre unter den Umwelt- und Witterungseinflüssen.
35
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | WERKBERICHT DES ARCHITEKTEN
Ebenfalls in enger Abstimmung mit der Denkmalpflege erfolgte die Sanierung der Holzfenster. Die
vorhandenen Fenster waren teilweise nur einfach
verglast und undicht. Über dem Balkon im 1.
Obergeschoss waren zwei große Fensterelemente mit einer Bleiverglasung angeordnet. Die neuen Fenster wurden an die aktuellen energetischen
Standards angepasst, die Bleiverglasung konnte
aus denkmalpflegerischer Sicht mit der Ausführung eines Kastenfensters erhalten werden.
Weitere Maßnahmen, die die Denkmalbehörde
und Restauratoren beschäftigten, waren z.B. die
Überarbeitung der Turmspitze. Der Bergische
Löwe, der als ‚Wetterlöwe’ die Turmspitze ziert,
wurde in einer Werkstatt überarbeitet und neu
vergoldet.
Die aus Messing bestehenden Zeiger und Ziffern
der Turmuhr wurden ebenfalls demontiert, aufwändig restauriert und abschließend neu vergoldet. Die grauen Zifferblätter der Uhr wurden in
mehreren Arbeitsgängen abgeschliffen, bis die
natürliche Farbe des Schiefers wieder sichtbar
wurde. Zum Schutz wurden die Zifferblätter abschließend mit einem speziellen Öl behandelt.
Das nun fast 115 Jahre alte Uhrwerk wurde
ebenfalls überarbeitet, es wurden zwei neue,
horizontal auskragende Fahnenmasten auf dem
Balkon im 4. Obergeschoss montiert. Abschließend erhielt die Fassade seitens des Elektroplaners noch eine Illumination.
99
Historisches Rathaus Elberfeld, aufgenommen vom Wall (Bild m. HDR-Filter)
Das Bauvorhaben hat uns erneut gezeigt, wie
interessant und abwechslungsreich die Bearbeitung neuer Tätigkeitsfelder sein kann. Trotz
immer wieder auftretender temporärer Problemstellungen ist die Instandsetzung des Turmes
als Teil der Gesamtsanierung des historischen
Rathauses Elberfeld positiv verlaufen. Im Besonderen ist dies der guten Zusammenarbeit des
gesamten Teams, den Handwerkern vor Ort, den
Mitarbeitern im Haus, den Fachingenieuren und
Denkmalbehörden sowie den Bauherren, zu verdanken.
Dirk Ebbing,
pbs-Architekten
100
Detailansicht des restaurierten Reliefs
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BIOLOGIE
36
Biologie
Die Bauarbeiten wurden mit dem Aufstellen des
ersten Gerüstrahmens sehr eng von den Elberfelder Stadttauben begleitet. Die Männer vor Ort
waren wenig begeistert von ihren Zuschauern.
Als dann das Gerüst stand, nutzten es die Tauben
für all ihre Lebensbereiche. Schnell wurde dem
- im Turm angesiedelten und ehrenamtlich betriebenen - Taubenhaus eine Verlängerung der Lande- und Startrampe angebaut, damit die Tauben
wieder in „ihr“ Haus gelangen konnten.
101
Eine Taube (von vielen) hat den Rathausturm als Zweitwohnsitz auserkoren
Dies führte zu einer deutlichen, wenn auch nicht
gänzlichen Reduzierung der tierischen Baustellenbesucher.
Einige besonders clevere Exemplare haben das Innere des Gerüstes aber auch für sich als eine Art
Zweitwohnung angenommen, dorthin ihre Freunde eingeladen und ihren Nachwuchs bekommen.
In solchen Fällen war die Initiative „Stadttauben“
als Betreiberin des Taubenhauses und Kennerin
der Tiere immer schnell zur Stelle, und hat die
Jungtiere aus dem Baubereich geholt.
102
Rabenkräehen haben ihr Nest auf dem Gerüst erbaut
Neben den Tauben haben auch Rabenkrähen das
Gerüst für sich entdeckt. Mehrfach musste der
Nestbau unterbunden werden, was auch meistens gelang. Einmal jedoch waren die Eier schneller gelegt und der Krähennachwuchs bereits geschlüpft. Bis der Gerüstrückbau jedoch an diese
Stelle gelangte, waren die Nestlinge schon ausgeflogen und haben den Bauablauf nicht gestört.
Für den gewünschten Turmfalken haben die Förster der Stadt einen neuen Nistkasten gespendet.
Dieser wurde an der höchsten begehbaren Stelle
des Turmes (ca. 65 m über Gelände) aufgehängt.
Wie schon die Jahre zuvor besteht die Hoffnung
auf gute Annahme des Nistkastens durch die
Vögel, und somit auf viele Turmfalkenküken mit
der Geburtsadresse Neumarkt 10, WuppertalElberfeld.
103
Blick auf den durch städtische Förster den Nistkasten für die Turmfalken
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
37
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | BETRACHTUNGEN ZUM SCHLUSS
Betrachtungen zum Schluss
Die vergleichenden Bilder, jeweils vom Turm Richtung Osten fotografiert, sprechen für sich. Einmal
vor der Sanierung des Turmes nach dem Krieg
(1946), und daneben ein Bild aus der Gegenwart.
Beide Male erkennt man vieles wieder, zur Orientierung ist die Kirche St. Marien am Fuße der
Hardt markiert.
Zum Schluss des Berichtes zur Sanierung des Uhrenturmes folgen nun noch einmal Fotos aus 82
m Höhe in alle 4 Himmelsrichtungen, bei Sonnenschein und blauem Himmel. Sie lassen einen weiten Blick über Elberfeld zu und bringen mit der
großen Distanz über dem Erdboden viele neue
Perspektiven auf alte und bekannte Gebäude sowie Lebensbereiche der Stadt.
Die schöne Baustelle zur Sanierung des Uhrenturmes ist beendet und im Anschluss daran folgen
die Fassadensanierung an der Ost- und Nord-Fassade des Historischen Rathauses von Elberfeld.
Matthias Schulte,
Projektleiter GMW
St. Marien
St. Marien
104-105
Der vergleichende Blick Richtung Osten 1946 und 2013
106-109
Rundblick vom Uhrenturm in alle vier Himmelsrichtungen über Elberfeld
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | ABBILDUNGSVERZEICHNIS
38
Abbildungsverzeichnis
Nr.
Seite
Fotograf/Urheber - Weitere Angaben
Nr.
Seite
Fotograf/Urheber - Weitere Angaben
Titel
1/40
Frank Buetz, GMW
9
7
U. Knipping, Stadtarchiv,
Das zerstörte Rathaus in Elberfeld
0
3
Herr Dr. Hans-Uwe Flunkert
10
8
1
4
Frank Buetz, GMW
Fam. Schlingensiepen,
aufgenommen während der Nachkriegssanierungsarbeiten (nach 1945)
2
5
Gustav Berger; Offizielle Festwoche
zur Dreijahrhundert-Feier der Stadt
Elberfeld (Heft III, 02. August 1910)
11
8
Frank Buetz, GMW
12-18
8-11
Fam. Schlingensiepen,
aufgenommen während der Nachkriegssanierungsarbeiten (nach 1945)
3
5
Fotograf unbekannt, Stadtarchiv,
Rathaus Elberfeld 1926
4
6
Fotograf unbekannt,
Historisches Rathaus Elberfeld 1936
19
11
Fotograf unbekannt, Stadtarchiv,
Postkarte Rathaus Elberfeld 60er-Jahre
5
6
Fotograf unbekannt,
Uhrenturm 1936
20
12
Masterplan, GMW,
Planansicht einer Ebene Neumarkt 10
6
6
Wagner (1949), Stadtarchiv,
Rathaus Elberfeld im Wiederaufbau
21-22
12-13
Matthias Schulte, GMW
23
13
7
7
Fotograf unbekannt, Stadtarchiv,
Rathaus Elberfeld 1943
Pläne, GMW
Planansichten aller vier Turmseiten
24-31
14-16
Matthias Schulte, GMW
32
16-17
Bernhard Fischer, Luftbild
8
7
Fotograf unbekannt, Stadtcarchiv,
Verwaltungshaus Elberfeld nach 1943
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
39
UHRENTURMSANIERUNG NEUMARKT 10 | ABBILDUNGSVERZEICHNIS
110
Panoramablick auf Elberfeld (Fotomontage, aufgenommen vom Uhrenturm)
Nr.
Seite
Fotograf/Urheber - Weitere Angaben
Nr.
Seite
Fotograf/Urheber - Weitere Angaben
33
17
Andreas Fischer, WZ,
Bild nachträglich bearbeitet
93-100
32-33
Frank Buetz, GMW
34-40
18-19
101-103 36
Matthias Schulte, GMW
104
Fam. Schlingensiepen,
aufgenommen während der Nachkriegssanierungsarbeiten (nach 1945)
Matthias Schulte, GMW
41
20
Frank Buetz, GMW
42-51
20-23
Matthias Schulte, GMW
52
23
Fa. Eckhold, Produktfoto (FWA 405),
Blechumformwerkzeug
53
23
Pläne, GMW
Planansicht Turmhelm mit Bemaßung
54-60
24
Matthias Schulte, GMW
61
25
Fotograf unbekannt,
Uhrenturm 1936
62-83
25-28
Matthias Schulte, GMW
84-85
29
Frank Buetz, GMW
86-91
29-30
Matthias Schulte, GMW
92
31
Andreas Fischer, WZ
37
105-109 37
Matthias Schulte, GMW
110
Frank Buetz, GMW,
Panoramablick, Fotomontage
38/39
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT
GMW / September 2014
www.wuppertal.de/gmw
STADT WUPPERTAL / GEBÄUDEMANAGEMENT