Absatzprognosen für neue OTC-Produkte erstellen

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Absatzprognosen für neue OTC-Produkte erstellen
Konzept-Tests
ProduktTests
Packungs-Tests
Werbemittel-Tests
Die
CHANCEMethode
Quelle: Ifak Institut
Märkte
Brand
Tracking
Studien
Marketing-Mix-Tests
Abb. 1: Einsatzmöglichkeiten der Chance-Methode
Marktforschung
Absatzprognosen für neue
OTC-Produkte erstellen
Der Erfolgsprognose neuer OTC-Produkte kommt eine bedeutende Rolle zu,
denn die Entwicklungskosten für Neuprodukte sind hoch und gleichzeitig ist
die Wechselbereitschaft der Konsumenten gering. Die Chance-Methode ist ein
neuer Ansatz, der die Identifikation von Hits und Flops erlaubt.
Autoren: Dr. Ulrike Dulinski, Ifak, und Armin Münch, Target Group Marketing Research
Nicht zuletzt durch den anhaltenden
Trend zur Selbstmedikation unterliegt
der Markt für OTC-Produkte einer dynamischen Veränderung. Der daraus
resultierende Wettbewerb hat dazu geführt, dass Themen wie Produktinnovationen und Markenführung stärker in
den Fokus rücken. Da die Entwicklungs-
kosten für neue Produkte hoch sind, die
Wechselbereitschaft der Konsumenten
aber häufig fragwürdig ist, kommt der
Erfolgsprognose neuer OTC-Produkte
eine bedeutende Rolle zu.
Hierbei steht der Marktforschung eine
Vielzahl von Ansätzen zur Verfügung. Die
Chance-Methode beruht auf der Indivi-
dualanalyse jedes einzelnen Probanden
und erlaubt dadurch bereits mit kleinen
Stichproben valide Prognosen. Die Einsatzmöglichkeiten sind dabei vielfältig. Im
Rahmen der Produktforschung kann diese Methode von frühen Konzeptphasen
bis hin zu späteren Produktentwicklungsstufen eingesetzt werden. (siehe Abb. 1)
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Märkte
Die Idee der Methode
Die wesentliche Säule der Chance-Methode ist die Erkenntnis, dass Kunden
eine überraschend starke Präferenz für
das Bestehende besitzen und Verluste
stärker scheuen, als sie Gewinne schätzen. Darauf basierend wird davon ausgegangen, dass Konsumenten ein neues
Produkt nur dann wählen, wenn es im
Vergleich zum bisher verwendeten Produkt in keinem Aspekt schlechter, aber in
mindestens einem besser bewertet wird.
Nur dann ist das Chance-Kriterium erfüllt. Daraus wird deutlich, dass nicht
die einzelne Bewertung eines neuen Produktes, sondern der Vergleich mit dem
derzeit verwendeten Hauptprodukt im
Vordergrund der Methode steht.
Zur Prognose des Absatzpotenzials neuer OTC-Produkte sind drei Schritte zu
durchlaufen:
1. Bewertung des Testproduktes oder
eines Konzeptes im Vergleich zum
bisher verwendeten Hauptprodukt.
2. Individuelle Prüfung jedes einzelnen
Probanden, ob das Chance-Kriterium erfüllt ist.
3. Prognose des Marktpotenzials:
Die Anzahl der Personen, die das
Chance-Kriterium erfüllen, bilden
das Käuferpotenzial. Zur exakten
Berechnung des Absatzvolumens
werden weitere Kennziffern wie
Kaufintensität,
Distributionsgrad
und Bekanntheit mit einbezogen.
statt. Befragt wurden nur Personen, die
zumindest gelegentlich OTC-Präparate
gegen Darmträgheit verwenden (Kategorieverwender).
Rekrutierungsstufe
UÊ BÕw}ŽiˆÌÊ`iÀÊ6iÀÜi˜`՘}Ê
von Mitteln gegen Darmträgheit (gestützte Abfrage)
UÊ 6iÀÜi˜`iÌiʈÌÌiÊˆ“ʏiÌâten Vierteljahr
UÊ ÌiÀ]ÊiÃV…iV…Ì]Ê-V…Տbildung (quotiert)
In Abbildung 2 wird anhand eines vereinfachten Beispiels mit vier Probanden
der Unterschied der Chance-Methode
zu aggregierenden Verfahren deutlich.
Bei der Chance-Methode wird nicht
die Beurteilung einzelner Produkteigenschaften (horizontal) über alle Probanden hinweg aggregiert, sondern jeder
einzelne Proband individuell analysiert.
Entscheidend dabei ist, ob es bei dem
jeweiligen Probanden ein oder mehrere
Nicht-Kauf-Argumente (Killerkriterien)
gibt, die zur Ablehnung des neuen Produktes führen.
Nach Vorlage des Konzeptes mit Preisangabe:
UÊ ˆ˜ÃÌÕv՘}Ê`iÀÊ>ÕvLiÀiˆÌÃV…>vÌÊvØÀÊ
das neue Produkt (auf 7er-Skala,
7 = sehr wahrscheinlich kaufen)
UÊ *iÀܘi˜Ê“ˆÌʅœ…iÀÊ>ÕvLiÀiˆÌschaft (Werte von 5-7) kommen ins Hauptinterview
Fallbeispiel: Produkt
gegen Darmträgheit
Die zentrale Frage in dieser ersten Stufe
ist die nach der Kaufbereitschaft für das
neue Produkt. 68 Prozent der Befragten
gaben hier ein hohes Kaufinteresse an.
Zeigt eine Testperson ein niedriges Kaufinteresse, ist die Befragung an dieser Stelle bereits für sie beendet.
Von den Probanden mit hohem Kaufinteresse durchliefen anschließend n=54 die
zweite Stufe im Teststudio. In dieser Stufe wurde ermittelt, ob die Testperson das
Chance-Kriterium erfüllt. Das Kriterium
ist dann erfüllt, wenn der Proband das
neue Produkt im Vergleich zum bisher
verwendeten Produkt in allen Produkteigenschaften mindestens gleich und in
mindestens einer Eigenschaft besser bewertet.
Ein neues Präparat gegen Darmträgheit
wurde frühzeitig – also schon in der Konzeptphase – mit der Chance-Methode
auf seinen künftigen Markterfolg hin untersucht. Im ersten Schritt fanden Rekrutierungsinterviews vor einem Teststudio
Abbildung 2: Individualanalyse als Auswertungsprinzip
1
2
3
4
Ergebnis
anderer
Methoden
Gut verträglich
100 %
Einfache Anwendung
75 %
Schnelle Wirkung
75 %
Guter Preis
75 %
nein nein nein
ja
Bei der Chance-Methode wird jeder einzelne Proband individuell analysiert
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Nach wiederholter Vorlage des
Konzeptes mit Preisangabe:
UÊ -«iâˆiiÊ
…>˜Vi‡À>}i˜Ê՘`Ê
Auswertung, ob das ChanceKriterium erfüllt ist
25%
Ergebnis Chance Methode
30
Hauptstufe (Mit Hochkaufbereiten aus der Rekrutierungsstufe)
UÊ >Õ«ÌÃBV…ˆV…ÊÛiÀÜi˜`iÌiÃʈÌÌi
UÊ 6œÀ‡ÉÊ >V…ÌiˆiÊ`iÀÊ>ի̓>Àke gegenüber anderen Mitteln
Quelle: Ifak Institut
Proband
15 der 54 (28 Prozent) in dieser Stufe befragten Personen erfüllten hier das Kriterium. Zur Bestimmung des ErstkaufPotentials sind diese 28 Prozent noch
zu reduzieren um den Prozentsatz der
Kaufbereiten aus der Rekrutierungsstu-
Märkte
fe. Über eine einfache Multiplikation ergab sich unter idealen Marketingbedingungen (100 Prozent Distribution und
Bekanntheit) ein Erstkaufpotential von
19 Prozent der Kategorieverwender für
das neue Darm-Präparat.
Befindet sich das neue Produkt nicht erst
in der Konzeptphase, sondern in einer
späteren Entwicklungsstufe erfolgt eine
Projektion auf reale Marktbedingungen,
indem die Erstkaufrate insbesondere um
die zu erwartende Nachkaufrate, aber
auch um die Sichtwahl-Distribution und
die Markenbekanntheit weiter reduziert
werden. Zur Bestimmung der Nachkaufrate folgt hier in der Regel eine In-HomeUse-Phase mit wiederholter Befragung.
Abbildung 3: Ergebnis-Eintrag in die Signifikanzhose
Im rechten Hosenbein beginnt der wirkliche Hit-Bereich
die Hit-Konzepte, die nahezu für jeden
Verbraucher aus der Zielgruppe interessant sind.
Im vorliegenden Fallbeispiel verlässt der
Verlauf bereits nach wenigen Fällen die
Signifikanzhose in den oberen linken Be-
reich. Die Wahrscheinlichkeit für einen
Flop konnte also bereits vor der Einführung diagnostiziert werden. Gleichzeitig
werden aber auch Infos zu Verwenderprofilen und konkrete Lösungsansätze
generiert.
© www.peter-wolf.de
Dr. Ulrike Dulinski
ist seit 2011 Head of Health & Pharma beim Ifak Institut für
Markt- und Sozialforschung in Taunusstein. Zuvor war sie als
Research Director in der Unit Medizinische Marktforschung bei
GO Research GmbH in Frankfurt tätig. Dr. Dulinski verantwortet
Projekte im Rx und im OTC-Bereich in zahlreichen Indikationsfeldern.
Kontakt: [email protected]
Armin Münch
Quelle: privat
Für die Einschätzung der Ergebnisse ist
das berechnete Potenzial letztendlich mit
den Erwartungen an das Produkt zu vergleichen. Da jede Person auf Erfüllung
des Chance-Kriteriums überprüft wird,
erhält man zusätzlich Informationen
über Verwenderprofile und Ansatzpunkte zur Erhöhung des Kaufpotenzials. Im
Fall des Präparates gegen Darmträgheit
war insbesondere der Preis ein Hindernis. Wäre dieser von ursprünglich anvisierten 9,99 Euro auf 7,99 Euro gesenkt
worden, wäre die Erstkaufrate von 19
Prozent auf 40 Prozent gestiegen.
Eine weitere Komponente zur Einschätzung der Resultate basiert auf dem Einsatz der sogenannten Signifikanzhose
(Abb. 3). Jede Testperson aus der Hauptbefragung, wird dabei in ein Kästchen
eingetragen, und zwar sequenziell, die
erste also zuerst, dann die zweite usw. Ist
das Chance-Kriterium erfüllt, erfolgt der
Eintrag nach rechts, ist es nicht erfüllt,
erfolgt er nach oben.
Zur Einschätzung der Ergebnisse werden dann drei Bereiche betrachtet: Im
hellen Bereich links oberhalb der Hose
besteht Flop-Gefahr. Wenn der Eintrag
der Testpersonen dahin läuft, wird er mit
sehr großer Wahrscheinlichkeit (Į=0,05)
nicht mehr nach rechts in den ersten
dunklen Bereich gehen, in dem die Hoffnung auf ausreichend großes Verwenderpotential beginnt. Im mittleren hellen
Bereich kommt das getestete Produkt für
die Hälfte der Testpersonen in Frage und
ist damit zumindest hitverdächtig. Im
rechten Hosenbein beginnt der wirkliche
Hit-Bereich. Rechts unten landen dann
Quelle: Ifak Institut
Bewertung der Ergebnisse
gründete 1991 die tgmr Target Group Marketing Research GmbH
in Frankfurt am Main und zeichnet dort seither als Geschäftsführer. Münch studierte Atomphysik an der Universität Heidelberg,
bevor er ins Marketing zu Procter & Gamble wechselte. Danach
folgten Werbejahre in der Geschäftsführung von Ogilvy & Mather
sowie als Mitbegründer von TBWA Deutschland.
Kontakt: [email protected]
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