Wie Coca-Cola den Weihnachtsmann nicht erfand

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Wie Coca-Cola den Weihnachtsmann nicht erfand
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24. Dezember 2012, 09:32 Uhr
Werbelegende
Wie Coca-Cola den Weihnachtsmann nicht erfand
Von Kristian Klooß
Jedes Kind weiß, dass Coca-Cola den modernen Weihnachtsmann erfunden hat. Doch war es wirklich
so? Und warum fährt er heute eigentlich Lkw? Was Sie noch nicht über Santa Claus wussten - und von
Coca-Cola auch nie erfahren würden.
Hamburg - Der Weihnachtsmann ist scheinbar auch nicht mehr der, der er einmal war. Im Werbespot des
Schuhversenders Zalando streitet er sich mit dem Paketboten ("Dieser Kamin ist nicht groß genug für uns
beide") - und hat das Nachsehen. Beim Bezahlsender Sky seilt er sich gar als Dieb von der Decke ab ("Ich
brauche ein Geschenk") - nur um erwischt und dann doch mit einem Receiver unterm Arm vom Schauspieler
Jean Reno nach Hause geschickt zu werden.
Zum Glück gibt es da noch jenen Coca-Cola-Werbespot, der alles wieder ins rechte Licht rückt. Dort darf der
Weihnachtsmann noch gemütlich am Schreibtisch sitzen. In der Hand hält er eine Schneekugel, mit der er allmächtig - die Welt so gestaltet wie es ihm gefällt. Die Moral von der Geschicht': deutsche Zalando-Boten hin,
französische Schauspieler her, der Weihnachtsmann bleibt wohl künftig ein Cola trinkender Amerikaner.
Roter Umhang, schwarze Gürtelschnalle, weißer Rauschebart und Zipfelmütze. So hat ihn der größte
Brausekonzern der Welt schon im Jahre 1931 erfunden. Das weiß doch heute jedes Kind. Oder doch nicht?
Spätestens der Umstand, dass der Weihnachtsmann seit 1987 in einem mit Lichterketten geschmückten USTruck durch Deutschland fährt, sollte stutzig machen.
Wo bleibt der Schlitten, wo die Rentiere, allen voran Rudolph mit der roten Nase?
Wenig Interesse am rotnasigen Rudolph
Dass der Coke-Konzern wenig Interesse daran hat, den Mythos um Rudolph aufrecht zu erhalten, ist
verständlich. Hat sich doch um die Erfindung des fliegenden, von Rentieren gezogenen Weihnachtsschlittens
ein ganz anderes US-Unternehmen verdient gemacht: die Kaufhauskette Montgomery Ward, einst einer der
größten Handelskonzerne Amerikas.
Dessen Geschäftsführung hatte seit den 1930er Jahren damit begonnen, Kindern zu Weihnachten Malbücher
zu schenken. Hatte das Unternehmen die Bücher lange Zeit bei Verlagen eingekauft, entschied die
Geschäftsführung im Jahr 1939, es auch einmal selbst zu probieren.
Robert Lewis May, der bis dahin Werbeanzeigen für die Kaufhauskette gestaltet hatte, wurde mit dieser Aufgabe
betraut. May kannte sich gut mit Kindererzählungen aus. Und besonders erinnerte er sich an ein Gedicht des
New Yorker Poeten und Gelehrten Clement Clarke Moore. Dieser hatte schon hundert Jahre zuvor, 1823, ein
Gedicht unter dem Titel "A Visit from St. Nicholas" ("Ein Besuch vom Sankt Nikolaus") veröffentlicht.
Ein Verkaufsfahrer diente als Vorbild - angeblich
May gefiel die Idee des Poeten, dass der Schlitten des Nikolaus' im Gedicht von acht Rentieren gezogen wurde.
Weshalb er es so in seinem Malbuch übernahm. Um das Märchen überdies ein wenig kindergerechter zu
gestalten, zeichnete er noch eine Hauptfigur dazu: Rudolph, das Rentier mit der roten Nase.
Dass der Coke-Konzern bis heute auf Rudolph verzichtet und stattdessen auf Lastwagen setzt, passt da ins
Bild. Der Hang des Weihnachtsmanns zum Lkw mag aber noch einen anderen Grund haben. Denn Modell für
den Coca-Cola-Weihnachtsmann - so die Version des Brausekonzerns - stand ein weißhaariger, pensionierter
Verkaufsfahrer des Unternehmens mit verschmitztem Lächeln und rosigen Wangen.
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Ob diese Legende so stimmt, ist allerdings zumindest zweifelhaft. Denn es kursieren auch andere Versionen
über die Herkunft des pausbäckigen Cola-Weihnachtsmanngesichts, das vom schwedisch-amerikanischen
Werbezeichner Haddon Sundblom gezeichnet und 1931 erstmals in einer Werbeannonce in der "Saturday
Evening Post" gedruckt wurde. Einer dieser Legenden besagt, dass sich Sundblom seinen Nachbarn Lou
Prentiss zum Vorbild für seinen Santa Claus nahm. In einer anderen malte sich Sundblom, zumindest in
späteren Jahren, einfach selbst.
Aus Sinterklaas wurde Santa Claus
Das Ergebnis: ein pausbäckiger Mann mit gütigem Blick, langem weißen Rauschebart, von Kopf bis Fuß in
Coca-Cola-Farben gekleidet: roter Mantel, weißer Pelz, schwarze Gürtelschnalle und Stiefel. Das Problem:
Diesen als Santa Claus bekannten US-Weihnachtsmann gab es längst bevor Haddon Sundblom ihn zeichnete
und Coca-Cola ihn in Dienst stellte.
Als kreativer Pate diente dabei ein Deutscher. Sein Name: Thomas Nast. Er war 1846 als Fünfjähriger mit seiner
Mutter vom pfälzischen Landau in die Neue Welt ausgewandert. Seine Idee von einem Geschenke bringenden
Weihnachtsmann brachte er gleich mit. Schließlich hatte er schon als Kind den pfälzischen Pelznickel - einen
Nikolaus im Pelz - kennengelernt. Und der Weihnachtsmann war schon in seiner Kindheit besungen worden "Morgen kommt der Weihnachtsmann", dichtete Hoffmann von Fallersleben schon 1840.
In Nasts neuer Heimat New York trafen diese Kindheitserinnerungen auf jene Bräuche, die einst die Holländer
über den Atlantik verschifft hatten. Ihre Weihnachtsmannfigur hieß "Sinterklaas", und sie war jahrelang
Stadtpatron Neu Amsterdams. Nachdem die Engländer die Stadt besetzt, übernommen und in New York
umbenannt hatten, blieb Sinterklaas einfach - nannte sich von nun an aber "Santa Claus".
Eine andere Brauerei kam Coca-Cola zuvor
Als Nast 1862 - damals bereits ein angesehener Illustrator und Zeitungskarikaturist - die ersten "Santa Claus"Karikaturen in der Weihnachtsausgabe der amerikanischen Zeitschrift "Harper's Weekly" veröffentlichte,
kombinierte er nicht nur holländisches und deutsches Kulturgut, sondern auch amerikanisches.
Denn Nast prägte Anfang der 1860er Jahre als Illustrator die politischen Wirren des Amerikanischen
Bürgerkriegs zwischen Nord- und Südstaaten wie kaum ein anderer. So schuf er die erste Zeichnung des
Rekrutenschrecks "Uncle Sam". Ebenso wie die Symbolfiguren der beiden großen amerikanischen Parteien:
den Esel der Demokraten und den Elefanten der Republikaner.
Und so war es dann wohl auch kein Zufall, dass sein Santa Claus mit Fellmantel, weißem Bart und Kapuze
zunächst keine Kinder beschenkte, sondern Soldaten an den Bürgerkriegsfronten - und dass Nast den
Weihnachtsmann bei späteren Kolorierungen im Rot der damals fortschrittlichen Republikaner um Präsident
Lincoln auftreten ließ und nicht im Blau der damals für die Beibehaltung der Sklaverei plädierenden
Demokraten.
Mineralwasser für den Weihnachtsmann
Kurzum, der deutsche Auswanderer Thomas Nast prägte das Bild des Weihnachtsmanns lange bevor der
Bürgerkriegsveteran und Apotheker John Pemberton 1886 seine erste Tinktur aus Coca-Blättern, Kola-Nüssen,
ätherischen Ölen und Wein zusammenmischte, aus der ein paar Jahre später die Coca-Cola wurde.
Doch selbst nachdem die Marke geschützt, das Getränk seit 1894 in Flaschen abgefüllt, seit 1923 als
Sechserpack angeboten und 1928 erstmals bei den Olympischen Spielen ausgeschenkt worden war, hatten der
Weihnachtsmann und der Brausekonzern noch lange nichts gemein.
Und das, obwohl seit dem ersten Weltkrieg schon dutzende anderen Firmen mit dem Weihnachtsmann
geworben hatten. Darunter auch ein Wettbewerber von Coca-Cola, die Brauerei White Rock Beverages. Ihr
Weihnachtsmann, stupsnasig, rotwangig, wohl genährt, mit rotem Mantel, weißem Pelz und dunkler
Gürtelschnalle, könnte glatt als 1:1-Kopie des heutigen Coca-Cola-Weihnachtsmanns durchgehen - wäre er
nicht 15 Jahre früher als sein Pendant aufgetreten. Schon 1915 trank er zu Weihnachten das Mineralwasser
White Rocks, 1923 genoss er dann das Ginger Ale der in New York ansässigen Brauerei.
Pin-up-Girls statt Weihnachtsmänner
So erfand Coca-Cola 1931 weder den Weihnachtsmann noch seine rot-weiße Arbeitskleidung. Das einzige, was
der Konzern tat: Er ersetzte die Flasche Ginger Ale auf den Werbeanzeigen der Brauerei White Rock durch eine
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Flasche Coke. Nachdem zuvor White Rock gleiches mit dem Santa Claus des Karikaturisten Thomas Nast
getan hatte, der noch eine Pfeife statt eines Glases Mineralwasser oder Ginger Ale in der Hand gehalten hatte.
Dass Coca-Cola bis heute Vielen als Erfinder des modernen Weihnachtsmanns gilt, liegt schlicht an der
Jahrzehnte lang gut geölten Marketingmaschinerie des Weltkonzerns.
Fernsehen verdrängt Plakatwerbung
Diese probiert seither nicht nur den Schlitten und die Vorgänger des Weihnachtsmanns vergessen zu machen.
Sie legt auch keinen wert darauf, daran zu erinnern, womit der Werbezeichner Haddon Sundblom in späteren
Jahren sein Geld verdiente. Denn Mitte der Sechziger war es mit den Aufträgen von Coca-Cola vorbei. Das
Fernsehen hatte die alten Werbeplakate verdrängt.
Sundblom indes hatte sich da längst einen Namen auf anderen Pfaden gemacht. Er wurde zu einem der
berühmtesten Zeichner von Pin-up-Girls. Eines seiner bekanntesten Motive und zugleich das letzte große Werk
vor seinem Tod im Jahre 1976 war die Titelseite der 1972er Weihnachtsausgabe des "Playboy".
Das Cover der Ausgabe zierte eine nur ansatzweise von einem roten Mantel, weißem Pelz und einer
Zipfelmütze verhüllte Blondine. Daneben in weißer Schreibschrift auf rotem Grund der Satz: "Enjoy our "Gala"
Christmas issue". Ein Schelm, wer böses dabei denkt, dass sich das Wörtchen "Gala" dabei fast wie "Cola" las.
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