Ist Whiplash Associated Disorder eine

Transcrição

Ist Whiplash Associated Disorder eine
Ist Whiplash Associated Disorder eine psychotraumatologische
Folgestörung?
Masterarbeit zur Erlangung des
„Master of Advanced Studies in Psychotraumatology“
der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich
Studiengang 2007 – 2009
vorgelegt von
Dr. med. Joerg Fritschi
Im Noll 38
4148 Pfeffingen
Tel: 061 756 98 88
Fax: 061 756 98 89
Mail: [email protected]
Matrikelnummer: 75-090-126
Erstgutachter: Prof. Dr. med. Ulrich Schnyder
Zweitgutachter:
Betreuer: Dr. med. Thomas Maier
Datum der Abgabe: 28. Juli 2009
Inhaltsverzeichnis
1. Abstract……………………………………………………………………….
2
2. Einleitung……………………………………………………………………..
2
2.1 Die klinische Fragestellung………... ..…………………………………..
2
2.2
Der historische Aspekt……………………………………………………
3
2.3
Hypothese………………………………………………………………… 7
3. Falldarstellung………………………………………………………………..
9
4. Literaturübersicht…………………………………………………………….. 16
4.1 Klinik der WAD………………………………………………………….. 16
4.1.1
Diagnostik und Assessment………………………………………... 16
4.1.2
Therapie…………….. …………………………………………….. 18
4.2 Inzidenz und Prognose…………………………………………………… 19
4.3 Spezifische Befunde bei WAD.………………………………………….. 23
4.4 WAD und Kompensation……………………………………………….... 23
5. Ergebnisse……………………………………………………………………. 24
5.1
Welche Punkte sprechen gegen die vorgestellte Hypothese?..................... 24
5.2. Welche Punkte sprechen für die vorgestellte Hypothese?.......................... 25
6. Diskussion……………………………………………………………………. 26
7. Literaturverzeichnis………………………………………………………….. 30
8. Anhang 1……………………………………………………………………... 36
Dr. med. Joerg Fritschi
Im Noll 38, CH-4148 Pfeffingen
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Ist Whiplash Associated Disorder eine psychotraumatologische
Folgestörung?
1. Abstract
Ca. 2% aller Opfer von Verkehrsunfällen leiden nach HWS-Distorsionen unter chronischen
Beschwerden; diese Whiplash Associated Disorder bleibt diagnostisch, klinisch und
therapeutisch ungenügend definiert obwohl sie historisch bis zu den Anfängen der
psychotraumatologischen Forschung im Rahmen des railway spine zurückverfolgt werden
kann. Bis heute liegt keine plausible somatische Hypothese für die Erklärung dieses
Syndroms vor; Metaanalysen zeigen, dass klassische Therapiemethoden auf den Verlauf von
WAD keinen wesentlichen Einfluss haben. Anhand eines Fallbeispieles wird ein
psychotraumatologisches
Erklärungsmodell
beschrieben
und
es
werden
spezifische
neurologische Befunde bei WAD und pathogenetische Mechanismen diskutiert, welche die
Hypothese einer posttraumatischen Folgestörung plausibilisieren. Angesichts der geringen
Effizienz
gebräuchlicher
Therapieansätzen
ist
die
klinische
Prüfung
fokussierter
psychotraumatologischer Therapien bei WAD indiziert.
2. Einleitung
2.1 Die klinische Fragestellung
In der wissenschaftlichen Literatur wird seit 1862 ein damals unter dem Begriff „railway
spine“ subsumiertes Syndrom nach Traumatisierung primär der HWS diskutiert, welches bis
heute weder pathophysiologisch noch therapeutisch befriedigend geklärt ist. In der aktuellen
Literatur wird die chronisch verlaufende Form nach HWS-Traumas als Whiplash Associated
Disorder (WAD) beschrieben. 1995 wurde von der Quebec Task Force (QTF) eine Definition
des auslösenden Unfallmechanismus erarbeitet (Spitzer, Skovron, Salmi, Cassidy, Duranceau
et al., 1995); akzeptierte diagnostische und klinische Kriterien fehlen. 12% aller
Fahrzeuginsassen erleiden bei Verkehrsunfällen ein akutes whiplash injury; die daraus
resultierenden Beschwerden dauern bis zu vier, maximal bis zu 12 Wochen (Martin, Pérez,
Mari-Dell’olmo & Chiron, 2008). Ist die Symptomatik nach diesem Zeitpunkt nicht
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regredient, so liegt ein WAD vor. Insgesamt erleiden ca. 2% aller Verkehrsunfallopfer ein
WAD (Bannister, Amirfeyz, Kelley & Gargan, 2009).
Schmid nennt in seiner Übersicht Inzidenzen für WAD nach akutem whiplash injury
zwischen 14 – 42% (Schmid, 1999); Partheni et al. fanden in Griechenland in einer
retrospektiven Studie 0% (Partheni, Constantoyannis, Ferrari, Nikiforidis, Voulgaris et al.,
2000). Untersuchungen von Buitenhuis und Kollegen zeigten in den Niederlanden eine WADbedingte summierte Arbeitsunfähigkeit bis 12 Monate nach dem Unfall von 59% (Buitenhuis,
de Jong, Jaspers & Groothoff, 2009). Eine Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration 2007
beziffert die weltweite Inzidenz von WAD nach Verkehrsunfällen (motor vehicle accident,
MVA) auf 20 bis 40% (Verhagen, Scholten-Peeters, van Wijngaarden, de Bie & BiermaZeinstra, 2007). Die QTF beziffert die jährlichen durch WAD bedingten Kosten in den USA
auf 29 Mia. USD (Spitzer et al., 1995); Bannister et al. (2009) nennen für das UK 3,64 Mia.
Pfund pro Jahr.
Die QTF-Einteilung in vier Schweregrade wird seit 1995 in Untersuchungen allgemein
verwendet; diese erwies sich in einer aktuellen Studie über das klinische Outcome allerdings
nicht als prädiktiv (Kivioja, Jensen & Lindgren, 2008). Freeman et al. stellten bereits 1998 die
Konklusionen der QTF in Bezug auf Verlauf und Epidemiologie in Frage (Freeman, Croft &
Rossignol, 1999).
Zur Therapie des WAD sei an dieser Stelle die Schlussfolgerung der „Bone and Joint Decade
2000-2010 Task Force on Neck Pain and its Associated Disorders“ vorweg genommen: keine
der geprüften klassischen Therapiemodalitäten konnte als spezifisch hilfreich eruiert werden
(Carroll, Holm, Hogg-Johnson, Cote, Cassidy et al., 2009). Dieses Resultat bestätigte die
Schlussfolgerungen einer umfassenden Metaanalyse der Cochrane Collaboration (Verhagen et
al., 2007).
2.2 Der historische Aspekt
1861 begann im Lancet eine intensive Debatte über „obscure injuries“ nach
Eisenbahnunglücken (u.a. Cohen, 1861; Skey, 1865; Erichsen 1875); diese wurden unter dem
Begriff railway spine bekannt. Im Zentrum der vermuteten Pathophysiologie standen
Verletzungen der Wirbelsäule, insbesondere der HWS, wobei bald evident wurde, dass längst
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nicht bei allen Opfern somatische Befunde vorlagen. Sir John Erichsen, Professor für
Chirurgie am Royal University Hospital in London, fasste 1867 den aktuellen Wissensstand
in seiner Eigenschaft als Versicherungsarzt in sechs Vorlesungen zusammen (Erichsen, 1867).
Er beschreibt eine typische Unfallanamnese wie folgt:
“Mr. D. is a man of healthy constitution and active habits, aged 33. He was
travelling in an “express” (…) and was seated with his back to the engine. When
near Doncaster, the train going at about thirty miles an hour, ran into an engine
standing on the line. He was thrown violently against the opposite side of the
carriage, and then fell on the floor.” (Erichsen, 1867, S. 61).
Für das klinische Bild bei Patienten ohne nachweisbare somatische Verletzungen der
Wirbelsäule oder anderer Organe – die Mehrzahl der Fälle - findet Erichsen keine Erklärung;
er vergleicht den Prozess mit dem Verschwinden eines Magnetfeldes nach einem
Hammerschlag:
“(…) we find that the nervous force is to a certain extent shaken out of the man, and
that he has in some way lost nervous power. What immediate change, if any, has
taken place in the nervous structure to occasion that effect, we no more know than
what change happens to a magnet when struck.” (Erichsen, 1867, S. 78).
Diese Ausführungen kann man als eine frühe Beschreibung psychotraumatologischer
Unfallfolgen auffassen. Die Klinik eines Patienten von Erichsen einige Wochen nach einem
Eisenbahnunfall unterstützt diesen Eindruck:
“(…) When he reaches his home, the effects of the injuries that he has sustained
begin to manifest themselves. A revulsion of feeling takes place. He bursts into
tears, comes unusually talkative, and is excited. He cannot sleep, or, if he does, he
wakes up suddenly with a vague sense of alarm. The next day he complains of
feeling shaken or bruised all over, as if he had been beaten, or had violently strained
himself by exertion of an unusual kind. This stiff and strained feeling chiefly affects
the muscles of the neck and loins, sometimes extending to those of the shoulders and
thighs. After a time, which varies much in different cases, from a day or two to a
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week or more, he finds that he is unfit for exertion and unable to attend to business”.
(Erichsen, 1867, S. 78).
Erichsen beschreibt damit zwei der drei Hauptkriterien der modernen PTBS-Definition: die
Vermeidung und das hyperarousal-Syndrom; es fehlen lediglich Intrusionen. Parästhesien,
locoregionäre
nuchale
Schmerzen,
Myotonien,
Muskelspasmen
und
Bewegungseinschränkungen der HWS werden als secondary effects beschrieben. Diese
umschriebene Konstellation – avoidance, hyperarousal, geringe oder fehlende v.a. visuelle
Intrusionen sowie eine vegetative, kognitive und neuromuskuläre lokale Begleitsymptomatik
– wurde seither im Zusammenhang mit HWS-Verletzungen auch ohne somatische Befunde
wiederholt beobachtet und dokumentiert.
Das anfängliche Beharren Erichsens auf einer letztlich mechanischen Ätiologie wurde durch
die fehlende anatomisch-pathologische Evidenz in den folgenden Jahrzehnten zunehmend in
Frage gestellt. 1875 begann Erichsen daher ein „verändertes Nervensystem“ zu vermuten
(nach Harrington, 1999):
„(…) the primary effects of these concussions or commotions of the spinal cord are
probably due to molecular changes in its structure (…)” (Erichsen, 1875).
Erichsens Berufskollege Jordan hatte aufgrund ähnlicher Beobachtungen bereits 1873
erstmals eine psychotraumatologische Genese postuliert:
„(…) The vastness of the destructive forces, the magnitude of the results, the
imminent danger to the lives of numbers of human beings, and the hopelessness of
escape from the danger, give rise to emotions which in themselves are quite
sufficient to produce shock, or even death itself (…)” (Jordan, 1873).
Jordan beschrieb damit die Stressorkriterien A1 und A2 der modernen DSM-IV Definition für
eine PTBS (APA, DSM IV). Von dieser Erkenntnis führte ein direkter Weg zu Charcot in
Paris, der 1885 eine „hysterische“ Genese postulierte (Charcot, 1885). Es blieb Josef Breuer
und Siegmund Freud – letzter verbrachte 1885 ein Stage in der Salpêtrière bei Charcot –
vorbehalten, die bis heute gültige Definition des psychologischen Traumas in den „Studien
über Hysterie“ zu publizieren (Breuer & Freud, 1895). Der deutsche Neurologe Herman
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Oppenheim, der wie auch Freud einen Teil seiner Ausbildung an der Salpêtrière absolviert
hatte, führte 1889 den Begriff der „traumatischen Neurosen“ ein (Oppenheim, 1889). Es
besteht heute daher die Notwendigkeit der sprachlichen Unterscheidung in psychische und
organische (post-)traumatische Erkrankungen, wobei eine präzise sprachliche Unterscheidung
die Schwierigkeiten der kausalätiologischen Differenzierung keinesfalls schon befriedigend
löst.
Im Standardwerk „The Principles and Practice of Medicine“ stellte Sir William Osler in
Baltimore die „traumatischen Neurosen“ ausgehend vom railway spine als definiertes
neurologisches Krankheitsbild dar und beschrieb detailliert den auch in der modernen PTBSDiagnostik bekannten delayed onset (Osler, 1892; Smid, Mooren, van der Mast, Gersons &
Kleber, 2009). Jahre später wurde ein nahezu identisches klinisches Bild nach HWSTraumatisierung von den französischen resp. chinesischen Neurologen Barré und Liéou als
Barré-Liéou-Syndrom (Barré, 1925; Liéou, 1928, zitiert in Pearce, 2004) und vom Schweizer
Neurologen Bärtschi-Rochaix 1949 erneut – oder vermeintlich erstmals – definiert (BärtschiRochaix,
1949).
Dieses
„encephale
Syndrom
nach
Halswirbeltrauma“
umfasst
Kopfschmerzen, Parästhesien, Taubheit, Kältegefühl des ipsilateralen Arms, Seh- und
Hörstörungen,
Nackensteifigkeit,
ausgeprägter
Druckdolenz
über
den
zervikalen
Dornfortsätzen, Schwindel und gastrointestinale Symptome mit Nausea, Erbrechen und
explosiver Diarrhoe. Während Barré und Liéou eine Schädigung der zervikalen
Sympathikusgrenzstränge vermuteten, postulierte Bärtschi-Rochaix eine traumatische
okklusive Schädigung der vertebralen Arterien. Beide Syndrome sind aufgrund ihrer
widerlegten pathophysiologischen Erklärung in Vergessenheit geraten, aber deren
Beschreibungen des Syndroms sind bemerkenswert in ihrer klinischen Übereinstimmung mit
Erichsen, Page und mit aktuellen Publikationen (Erichsen, 1867; Page, 1885; ScholtenPeeters, Verhagen, Bekkering, van der Windt, Barnsley et al., 2003).
Gay & Abbott beschrieben 1953 im JAMA 50 konsekutive Patienten mit whiplash injury
nach MVA. Nebst einem frühen biomechanischen Modell beschreiben sie eine
charakteristische Komplikation bei 35 (70%) der untersuchten Patienten: die persistierende,
ausstrahlende Dolenz der Nackenregion. Kopfschmerzen, Unruhe, Irritabilität, Schwindel,
Albträume,
Konzentrationsschwierigkeiten,
Schlaflosigkeit,
eine
„vasomotorische
Instabilität“, Stimmungsschwankungen und eine „allgemeine erhebliche Nervosität“ werden
bei allen 35 symptomatischen Patienten zusätzlich beschrieben. Nebst neurologisch
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zuordnungsbaren Symptomen beschreiben die Autoren eine weitere klinisch auffällige
Beobachtung:
„It seems to us that, in addition to the factors already discussed, injury of the head
and neck is of particular significance to the patient. These patients as a group are
much more apprehensive, tense, and anxious than those suffering injury elsewhere
in the body.” (S. 703f, Hervorhebung durch den Verfasser).
Dass der Disput zwischen der emotionalen und der organischen These bis zum heutigen
Zeitpunkt andauert verdeutlicht Meienberg 2001. Er setzt sich gegen die von der Gruppe um
Radanov aus Bern postulierten These einer mild traumatic brain injury zur Wehr (Radanov,
Bicik, Dvorak, Antinnes, von Schulthess et al., 1999; Meienberg, 2001); bei einem
anhaltenden Briefwechsel zeigt sich die brisante Emotionalität des Themas, nicht unähnlich
der Debatte im Lancet anderthalb Jahrhunderte früher, und über dieselbe Streitfrage.
Die moderne wissenschaftliche Psychotraumatologie hat sich – abgesehen vom diagnostisch
zu differenzierenden Bild der PTBS – noch wenig um Patienten mit WAD bemüht.
2.3 Hypothese
Bei Patienten mit WAD liegt eine spezifische psychotraumatologische Folgestörung vor.
Das
klinische
Bild
ist
charakterisiert
durch
Nackenschmerzen,
Kopfschmerzen,
eingeschränkte Mobilität der HWS, lokale Druckdolenz (Dornfortsätze und Triggerpunkte),
veränderte Wahrnehmung v.a. der oberen Extremitäten, des Nackens, Gesichtes, der
Schulter/Brustpartie und der Lumbalregion (Schmerzen, Kälte, Hitze, Dys- und Hypästhesie),
durch
auditive
(Tinnitus)
und
visuelle
Störungen
(verschwommenes
Sehen,
Farbabschwächung), kognitive Einschränkungen (Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen)
sowie weitere Symptome in variabler Ausprägung (Temporomandibular Joint Disorder TMD,
Dreh- und Schwankschwindel); sie kann zusätzlich einige oder alle Elemente der
posttraumatischen Belastungsstörung aufweisen. Vegetative Begleiterscheinungen (regionale
Hidrosis, inadäquate Hautperfusion, vasomotorische Instabilität, gestörte gastrointestinale
Peristaltik, Nausea) sind häufig, wenn nicht obligat.
Nach indirekten oder direkten Flexion-/Extensionsmechanismen der HWS mit hohem
Überraschungsmoment und hoher Beschleunigung können sowohl somatische als auch
psychotraumatologische Folgeerscheinungen auftreten. Patienten mit einer vollständigen
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PTBS müssen ebenso wie Patienten mit (zusätzlichen) somatischen Verletzungen von WAD
differenziert werden, wobei Mehrfachdiagnosen möglich und bei schweren Verletzungen die
Regel sind. Die für WAD Grad 1 und 2 häufige, charakteristische und oft isoliert besehende
Folgestörung gilt es als spezifische partielle PTBS bei WAD (subsyndromal PTSD) zu
differenzieren und zu beschreiben. Unter den drei Hauptkriterien der PTBS (Items B,C,D aus
DSM IV, 2000) ist das hyperarousal-Syndrom in der Regel ausgeprägt vorhanden; das
Vermeidungsverhalten ist in der akuten Phase stark einschränkend und kann sich im Verlauf
generalisieren oder – häufiger – zurückbilden; visuelle Intrusionen in Form von flashbacks
und Alpträumen fehlen meist.
North und Kollegen haben die Kriterien Vermeidung und Hypervigilanz im Rahmen einer
posttraumatischen Belastungsstörung als dominant beschrieben (North, Suris, Davis & Smith,
2008). Falconer, Felmingham, Allen, Clark, McFarlane et al. (2008) beschreiben eine
reduzierte kognitive Leistung und eine erhöhte autonome Reizbarkeit als wichtige Biomarker
für das Profil einer PTBS. Diese Kongruenz der Symptomatik bei WAD legt es aus klinischer
Sicht nahe, dieses Krankheitsbild als partielle PTBS aufzufassen. Dabei sind eine autonome
Dysregulation
(Hypervigilanz,
Irritabilität,
Temperaturregulation,
Transpiration
und
Hautperfusion, Diarrhö, Nausea), dissoziative v.a. körperliche Symptome (numbing,
veränderte Eigensensation), kognitive Störungen (Konzentrations- und Gedächtnisstörungen,
verlangsamte Auffassung) und neuromuskuläre Symptome (referred pain, Myogelosen,
verminderte Mobilität der HWS) mehrfach beschriebene Facetten des Syndroms und
differenzieren es zusätzlich von einer klassischen PTBS.
Eine erkenntnistheoretisch wünschenswerte Vorgehensweise zur Überprüfung dieser
Hypothese im Sinne des Falsifikationismus (Popper, 1935) ist in der klinischen Medizin allein
selten zielführend; experimentelle klinische Studienergebnisse können allerdings wegweisend
sein. Aus klinischer Sicht ist es notwendig, eine klinische Hypothese nach den Kriterien der
evidenzbasierten Medizin zu überprüfen (Sackett, 2000).
Die Hypothese einer partiellen PTBS bei WAD soll nicht über das wahrscheinlich bedeutend
grössere Spektrum posttraumatischer Folgestörungen nach MVA und HWS-Distorsionen
hinweg täuschen. McLean, Clauw, Abelson & Liberzon (2005) und Salé & Isberg (2007)
zeigten, dass auch das Fibromyalgie-Syndrom, Beschwerden im Kieferbereich (TMD) und
somatoforme Schmerzsyndrome nach MVA gehäuft auftreten. Es ist nicht schlüssig bekannt,
welche Faktoren die individuelle Ausprägung einer Störung nach Trauma bestimmen.
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Allerdings zeigten Darves-Bornoz, Alonso, de Girolamo, de Graaf, Haro et al. (2008) in einer
europäischen Studie mit über 22'000 Probanden, dass bei Auftreten einer PTBS im Schnitt
bereits 3,2 potentiell traumatische Ereignisse vorbestehen. Schauer, Elbert, Gotthardt,
Rockstroh, Odenwald et al. (2006) beschreiben einen building block effect; Neuner konnte
zeigen, dass jeder Proband in einer in Afrika durchgeführten Studie nach spätestens 26
traumatischen Ereignissen eine PTBS aufwies (Neuner, Schauer, Klaschik, Karunakara &
Elbert, 2004). Der vorbestehende traumatic load wird damit zu einem wahrscheinlichen
Kandidaten für das Verständnis individueller und transkultureller Differenzen traumatischer
Folgestörungen wie WAD.
3. Falldarstellung
N.C. ist ein männlicher, 1974 geborener Patient, welcher 2005 mit WAD nach
Heckauffahrkollision zugewiesen wurde. Der Patient blieb nach dem Unfall im Jahre 2002 zu
100% arbeitsunfähig.
Bei der Erstkonsultation standen Kopf- und Nackenschmerzen, das deutliche Nachlassen
kognitiver Fähigkeiten sowie eine ausgeprägte Licht- und Lärmempfindlichkeit im
Vordergrund. So konnte der ausgebildete Mechaniker Bedienungsanleitungen, die sein 6jähriger Neffe ohne weiteres umsetzen konnte, nicht mehr nachvollziehen. Die somatische
Untersuchung ergab eine Schiefhaltung des Kopfes nach rechts, eine rechtsbetont
eingeschränkte Flexion, Extension, Seitneigung sowie Rotation der HWS und eine
Druckdolenz über den Triggerpunkten der Nackenmuskulatur (M. Trapezius, Mm.
Rhomboidei, Mm. Scaleni, Mm. Sternocleidomastoidei) sowie der Processi spinosi C2 – T1.
Der Patient erschien in seiner Motorik und Denkabläufen deutlich verlangsamt. Aufgrund der
Lichtempfindlichkeit trug der Patient auch an Wolkentagen eine abgedunkelte Brille. Nebst
der chronischen Cephalea und dem zervikalen Schmerzsyndrom bestanden nach dem Unfall
erstmals aufgetretene vasomotorische Kopfschmerzen. Der Schlaf des Patienten war gestört;
er berichtete über Schlafzeiten von 2 – 3 zerhackten Stunden pro Nacht. Auch unter weniger
schmerzhaften Bedingungen bestand diese neu aufgetretene Insomnie mit begleitender
lähmender Tagesmüdigkeit.
Der Patient stammt aus einer ländlichen Gegend und lebt mit seiner langjährigen berufstätigen
Freundin zusammen; Hauptfreizeitbeschäftigungen des Patienten sind Tierbeobachtungen,
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Wanderungen und das Muskeltraining im örtlichen Fitnessclub, wobei keine anabolen
Substanzen Verwendung fanden. Diese Ressourcen waren dem Patienten zu diesem Zeitpunkt
nur sehr begrenzt zugängig.
Beruflich hatte sich der Patient vor seinem Unfall vom Automechaniker zum
Materialspezialisten
ausgebildet
und
war
als
Product-Manager
vorgesehen.
Den
unfallbedingten Strich durch seine berufliche Planung bedauert N.C. bis heute bitter. In der
persönlichen Anamnese des Patienten findet sich ein Radunfall ohne Residualschäden mit 12
Jahren. Die übrige medizinische und psychiatrische Anamnese war unauffällig.
Die Haftpflichtversicherung wies den Patienten 2005 einer stationären Rehabilitation in einer
spezialisierten Klinik zu. Bei Austritt erging es dem Patienten gemäss eigener Aussage
schlechter als bei Eintritt; die medikamentöse Therapie lag nach der Rehabilitation nebst
einer ausgebauten antientzündlichen und physiotherapeutischen Therapie bei 90 mg
Methadon/d, was beim Patienten - wahrscheinlich aufgrund der bei Methadon ab 60mg/d
beschriebenen Verlängerung der QTc Zeit - zu signifikanten kardialen Rhythmusstörungen
führte.
Die von der Rehabilitationsklinik gestellten Diagnosen lauteten chronisches, hochzervikales
rechts betontes Schmerzsyndrom bei St. n. Verkehrsunfall (Heckauffahrkollision) am
20.10.2002 mit craniocervikalem Beschleunigungstrauma mit HWS-Distorsion; zusätzlich
wurde ein Verdacht auf eine Anpassungsstörung mit Depression und Angst gemischt
geäussert (Rehabilitationsklinik Rheinfelden, Austrittsbericht vom 28. März 2005). Eine
antidepressive Therapie war mehrfach versucht, wegen ungenügender Wirkung und
mittelschwerer unerwünschter Arzneimittelwirkungen aber wieder abgesetzt worden.
Die Diagnose eines vollständigen posttraumatischen Belastungssyndroms konnte nicht
gestellt werden. Intrusionen lagen weder als flashbacks noch in der Form von Albträumen
vor; ein Vermeidungsverhalten bestand bezüglich Autofahren (vor allem in Tunneln und bei
stehendem Wagen), war jedoch auf diese spezifische Situation eingeschränkt und ermöglichte
trotzdem das Lenken von Fahrzeugen. Ein hyperarousal-Syndrom mit Insomnie,
Überempfindlichkeit auf Licht und akustische Immissionen sowie Irritabilität war deutlich.
Gleichzeitig bestanden weitere für eine klassische PTBS atypische, bei WAD aber mehrfach
beschriebene Symptome: generalisiertes verlangsamtes Denken und Handeln, Lethargie, rasch
wechselnde Kälte- und Hitzegefühle der Extremitäten, objektivierbare Hyperhidrosis bei
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Kältegefühl der Haut („kalter Schweiss“), abwechselnd mit Hyperperfusion (flüchtige
fleckige Exantheme) bei abrupt wechselnder Hauttemperatur. Der rechte Nacken und die
rechte Wange waren wechselnd ausgeprägt hypästhetisch und der rechte Arm war meist
unterkühlt. Es bestanden beidseitiger Tinnitus sowie Schwankschwindel; bei zwei
Gelegenheiten nach mobilisierenden Therapien des Nackens stürzte der Patient mit
Verletzungsfolgen.
Ausführliche neurologische, orthopädische und psychosomatische Abklärungen sowie
stationäre Rehabilitationen der letzten drei Jahre hatten keine weiterführenden Befunde oder
eine Besserung ergeben; die therapeutischen Optionen schienen erschöpft.
Unter der Annahme einer posttraumatischen Folgestörung i.S. einer partiellen PTBS nach
MVA wurde eine traumaspezifische Therapie begonnen. Da die posttraumatischen Elemente
vor allem in somatischer Form vorlagen („Körpererinnerung“), wurde ein Verfahren mit
Imagination und Körpererfahrung gewählt; die psychodynamisch-imaginative Traumatherapie
erfüllt diese Anforderungen (PITT nach Luise Reddemann).
Es wurde über dreieinhalb Jahre in wöchentlichen Sitzungen à 60 Minuten gearbeitet, jeweils
30 Therapiestunden pro Jahr. Ziel des ersten Therapiejahres bildete die Stabilisation des
Patienten. Bei einem kurzen einführenden Gespräch wurde darauf geachtet negative Inhalte
zur Kenntnis zu nehmen, aber nicht zu verstärken; bei stabilisierenden Themen wurde
hingegen imaginativ fokussiert. Nachfolgende Auszüge sind gekürzt; es werden nicht alle
Beobachtungen des vegetativen und affektiven Zustandes wie Atmung, Hautfarbe,
Muskeltonus und Blickkontakt wiedergegeben.
Arzt (A):
Wenn Sie jetzt ihren Gedanken und Gefühlen freien Lauf lassen – Sie können
dabei die Augen offen halten oder schliessen – wessen werden Sie sich
bewusst?
Patient (P): Mein Nacken rechts schmerzt sehr. Ich habe Kopfschmerzen im rechten
Hinterkopf, die bis in die Augen ausstrahlen.
A:
Wie fühlt sich Ihre linke Nackenseite an?
P:
Der geht es besser.
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A:
Wollen wir uns auf die linke Seite konzentrieren und können Sie versuchen,
dort zu verweilen und zu bemerken, was weiter geschieht.
P:
[Konzentriert sich, schliesst die Augen]
Das wirkt entspannend auf mich
und ich beginne ein Kribbeln in der linken Schulter zu fühlen.
A:
Wenn Sie jetzt dieses Kribbeln spüren, entstehen auch Bilder?
P:
[Nach kurzem Zögern] Ich fühle mich zunehmend schwerelos… und
sehe keine Farben mehr. Es ist, als würde mich ein grosser Sog anziehen und
ich bekomme etwas Angst.
A:
Wie wäre es, wenn Sie genügend Abstand einnehmen, dass Sie diesen Sog
noch spüren oder sehen, dieser aber ungefährlich wirkt und für sie genügend
weit weg ist. Ein Bild, das Ihnen helfen könnte, ist ein Gerüst, an dem Sie
sich festhalten können.
P:
[Atmet tief aus, die Schultern senken sich leicht, die Mimik wird
entspannter] Ja, so geht es – ich sehe den Sog nun in den Farben rot und
schwarz, es ist wie ein riesiges Loch, in das ich hinein fallen könnte und
welches keinen Boden hat.
A:
Richten Sie Ihren Blick auf den Rand des Soges; was sehen Sie dort?
P:
Dort wird es weniger chaotisch, weniger wild und weniger schwarz.
A:
Versuchen Sie in diesem angenehmeren Grenzbereich zu bleiben und
auch
wahrzunehmen, was ausserhalb des Soges existiert.
P:
[Atmet jetzt ruhiger, er bleibt konzentriert und gleichzeitig entspannt; die
Augen bleiben geschlossen und der Patient ist in einem tranceähnlichen
Zustand] Eigenartig….Ich sehe Berge, in weiter Ferne… nun kommen sie
aber näher und … es ist eine grüne Wiese mit Sommerblumen, so wie im
Mai ist. Ich bin auf dieser Wiese. Ich sitze drin, etwas erhöht, schaue über das
Land, so wie ich es liebe auf den Wanderungen.
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A:
Das tönt angenehm. Wenn Sie möchten, bleiben sie auf dieser Wiese, solange
es ihnen gefällt; sie haben Zeit genug. Schauen Sie ins Land und erfreuen Sie
sich an dem, was Sie sehen.
P:
[Bleibt eine kleine Zeit ruhig, die Atmung ist ganz regelmässig, die Mimik
zeigt Entspannung und ein kleines Lächeln] Nun merke ich, dass ich das Bild
wie verliere…
A:
Lassen Sie es ruhig gehen, wenn es gehen will.
P:
[Öffnet langsam die Augen und blinzelt]
A:
Wenn Sie jetzt wieder in den Raum zurückkommen, lassen Sie Ihre
Augen wandern, wohin sie wollen.
P:
[Beginnt herumzuschauen, im Sprechzimmer und aus dem Fenster] Das war
jetzt wirklich eine komische Sache – ich habe diese Bilder so empfunden, als
wäre ich dort.
Die in regelmässigem Rhythmus auftauchenden negativen Inhalte wurden bewusst erlebt
(focusing) ohne dem traumatischen Sog zu folgen, während die ebenso spontan auftauchenden
positiven Inhalte mit der Bildschirm- oder Beobachtertechnik verstärkt wurden. Kriterien für
eine angeleitete Orientierungsreaktion als Ausstiegshilfe waren bedrohliche sympathische
oder parasympathische Reaktionen (kalte Extremitäten, kalter Schweiss, Tachykardie,
Tachypnoe, resp. Nausea, Bradykardie, Hypotonie) oder eine progressive Dissoziation.
Während des ersten Jahres verringerte sich die Anziehungskraft der negativen Inhalte
(„Traumawirbel“) deutlich. Durch das Einführen helfender Wesen – bei N.C. oft Tiere wurde die Stabilisation vorstärkt. Klinisch zeigte sich dies in einer Verbesserung des Schlafes
und in einer Verringerung der Schmerzintensität. Die Methadondosis lag ein Jahr nach
Therapiebeginn noch bei 5 mg/d.
Im zweiten Therapiejahr wurde die Körpererfahrung vermehrt einbezogen um die Stabilität
v.a. im Umgang mit körperlichen Traumasymptomen zu verbessern. In Anlehnung an die
Therapieprinzipien von PITT wurden diese sensomotorischen Inhalte als imaginative Bilder
angeleitet.
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Eine erneute Arbeitsabklärung durch eine Wiedereingliederungsinstitution ergab zu diesem
Zeitpunkt eine unverändert vollständige Arbeitsunfähigkeit. Die Schmerzmedikation mit
Methadon konnte Ende des zweiten Therapiejahres gestoppt werden.
Im Verlaufe des dritten Therapiejahres wurde die Exposition des Unfallgeschehens mit dem
Ziel einer schrittweisen Exstinktion der traumatischen Verknüpfungen des Furchtnetzwerks
begonnen. Der Aufprall war für N.C. überraschend, bei stehendem Auto vor einem
Kreiselverkehr, erfolgt. Der Patient blickte im Moment des Aufpralls zu seiner Beifahrerin,
die HWS war leicht rechtsrotiert. N.C. nahm den drohenden Aufprall des auffahrenden
Fahrzeuges weder im Rückspiegel noch durch andere Sinneseindrücke (z.B. Bremsgeräusche)
wahr; dieses fuhr ungebremst mit 50 km/h auf den stehenden Wagen auf. Die anschliessenden
Sekunden erlebte N.C. in stark gedehntem Zeitlupentempo: er beschreibt die Zeit bis zum
nächsten Sinneseindruck, dem Anklopfen des Verursachers an seine fahrerseitige
Glasscheibe, „wie in einem Traum“. Erst durch das Klopfen, welches er als Donnerschläge
beschreibt, schreckte er auf.
Die erste Sensation des Unfalles war für N.C. „plötzlich aus dem Sitz gehoben zu werden“.
Gleichzeitig drückte sich „eine riesige Faust in seinen Rücken“. Der expositionelle Aspekt
soll an folgendem gekürztem Auszug einer Therapiestunde des dritten Therapiejahres
verdeutlicht werden.
A:
[Nach vorangehender Orientierung und Stabilisierung des Patienten]…
Welches ist der letzte zurückliegende Moment vor dem Unfall, an den Sie
sich erinnern?
P:
Ich weiss noch, wie wir beim Bahnhof durch die Unterführung fuhren, und
ich sehe die Strasse, welche auf den Kreisel zuführt. Dort ist jetzt ein
anderer Wagen, er ist gelb, es ist ebenfalls ein Kleinwagen; er kommt vor
mir zum Stehen. Ich stoppe den Wagen und schaue leicht nach rechts, um
mit meiner Freundin auf dem Beifahrersitz einige Worte zu wechseln.
A:
Lassen Sie uns den nächsten Abschnitt zeitlich auseinanderziehen und sehr
langsam im Bild durchleben. Was passiert als nächstes?
P:
Plötzlich werde ich völlig unerwartet aus dem Sitz gehoben, fast gleichzeitig
– es scheint mir wenige Millisekunden später – höre ich einen
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ohrenbetäubenden Knall. Das Geräusch ist eine Mischung aus einem
dumpfen Ton mit hellen klirrenden Anteilen und es tönt fürchterlich. Ich
habe etwas Ähnliches noch nie gehört.
A:
Lassen Sie uns hier den Film für einen Moment anhalten – was fühlen Sie
jetzt in Ihrem Körper?
P:
Ich merke wie sich in meiner Brust Hitze entwickelt, ich bin auch extrem
hellhörig, ich fühle mich unruhig und es ist mir übel.
A:
Spüren Sie Ihre Füsse, wie sie am Boden festen Halt finden, spüren Sie auch
das Gefühl des Sitzens jetzt auf diesem Stuhl.
P:
Ja, ich fühle die Füsse und wie ich hier sitze und das unsichere Gefühl von
vorhin nimmt langsam ab.
A:
[Wartet den Prozess weiter ab]… Spüren Sie beides, das sichere Gefühl in
Ihren Füssen und in Ihrem Sitz, und das Gefühl der Erinnerung dieses
ersten Momentes mit dem Geräusch [wartet ab]
P:
[Die vorher beobachtete Anspannung in den Unterarmen, im Oberkörper
und im Nackengehen leicht zurück, die Atmung wird wieder etwas
langsamer] Jetzt habe ich einen Ton im rechten Ohr, ein Pfeifen.
A:
Hören Sie sich diesen Ton an, wenn das für Sie in Ordnung ist.
P:
Ja, ich kenne den Ton…
A:
[Wartet ab] Wenn der Ton sich verändert, sagen Sie es bitte.
P:
[Wartet ab] Jetzt geht der Ton wieder weg und ich fühle mich etwas
ruhiger.
A:
Gut, wenn es sich so ergibt, lassen Sie Ihre Augen sich öffnen, für
heute soll uns dieses Stück des Filmes genügen. [Der Patient öffnet seine
Augen, die Sitzung wird fortgesetzt]
Die durch die Exposition getriggerten körperlichen Reaktionen wurden aufgenommen und in
ihrem natürlichen Verlauf im geschützten Setting bewusst erlebt und – bei motorischen
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Erinnerungsfragmenten – langsam durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass die gesamte
aktuelle Symptomatik im Unfallgeschehen repräsentiert war, wenn auch zum Teil im
Millisekundenbereich. Eine Reduktion der Beschwerden war nach jeder Exposition
feststellbar, so dass der Patient nach einer durch die Versicherung ausgelösten
multidisziplinären Abklärung im Mai 2009 zu 100% arbeitsfähig beurteilt wurde. N.C.
arbeitet zurzeit als Tierpfleger in einem grossen Zoo.
4. Literaturübersicht
4.1 Klinik der WAD
4.1.1 Diagnostik und Assessment
Die Quebec Task Force beschrieb Mechanismen bei WAD (Verkehrsunfälle, Tauchen), aber
keine verbindliche Klinik und diagnostische Kriterien (Spitzer et al., 1995). Mehrere
Untersucher fanden in der akuten Phase als Leitsymptome den Nacken- (88% - 100%) und
Kopfschmerz (54% - 75 %) (Hildingsson & Toolanen 1990; Norris & Watt 1983; Radanov,
Di Stefano, Schnidrig & Ballinari 1991; Stovner 1996; Sjaastad, Fredriksen & Bakketeig
2009). Die IHS hat akute (5.3) und chronische (5.4) Kopfschmerzen nach whiplash injury in
der ICHD-II daher neu berücksichtigt
(IHS Classification ICHD-II, 2008). Weitere
Symptome haben u.a. Scholten-Peeters, Verhagen, Neeleman-van der Steen, Hurkmans,
Wams et al., 2003 beschrieben:
„(…) Nackensteifigkeit, Schulterschmerzen, Armschmerzen oder Taubheit in den
Armen (oder beides), Parästhesien, Schwäche, Dysphagie, visuelle und auditive
Symptome, Schwindel und Konzentrationsschwierigkeiten“ (S. 3 in ScholtenPeeters et al., 2003).
Eine Dauer von bis zu 4 Wochen wird als akut, eine Persistenz über 3 Monate als chronische
Entwicklung und somit als WAD bezeichnet. Grad 1 und 2 nach QTF werden in der Regel
konservativ, höhere Grade auch chirurgisch behandelt (Verhagen et al., 2007). In 70 % der
Fälle nach akuter HWS-Distorsion kann das Outcome nach 3 Monaten vorausgesagt werden;
66% erholen sich vollständig und 2% zeigen einen
längerfristig chronischen Verlauf
(Bannister, 2009).
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MRI-verifizierbare Verletzungen der Lig. alare und transversum sowie der atlanto-occipitalen
Membran nach MVA wurden nachgewiesen; die Alterationen dieser Strukturen stehen mit
Unfallfaktoren in Zusammenhang (Kaale, Krakenes, Albrektsen & Wester, 2005).
Weiterführende Untersuchungen dazu liegen nicht vor.
Im Bereich des Assessment haben Niederer, Walz, Muser & Zollinger (2001) mit ihrer
Bewertung biomechanischer Daten eine lebhafte Debatte ausgelöst. Auf der Grundlage einer
technischen Unfallanalyse wird eine quantitative biomechanische Aussage abgeleitet; diese
muss in der Schweiz bei gerichtlichen Urteilen im Rahmen von Expertenmeinungen
berücksichtigt werden (Entscheid des Eidgenössischen Versicherungsgerichtes vom 7. August
2001). So wird ein unterer Grenzwert für eine kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung
(Delta-V) postuliert, „ohne den eine Adäquanz des Kausalzusammenhanges in der Regel ohne
weiteres verneint werden kann“; im Urteil ist die Rede von 5 bis 9 km/h. Die Autoren selbst
betonen, dass Vorschädigung, Alter, Sitzposition und andere verletzungsfördernde Umstände
im Einzelfall zwingend berücksichtigt werden müssen (Niederer et al., 2001)
Elbel, Kramer, Huber-Lang, Hartwig & Dehner (2009) haben den Zusammenhang zwischen
dem Delta-V des Aufpralls und WAD bei 57 konsekutiven Fällen untersucht. Zwischen
Delta-V und Schmerzgrad fand sich eine schwache Korrelation (r=0.55), mit dem neck
disability index fehlte diese (r=0.46), ebenso mit dem QTF-Grad (r=0.45). Die Autoren
schliessen, dass es keinen signifikanten Schwellenwert von Delta-V mit einer akzeptablen
Sensitivität und Spezifität für die Prognose bei whiplash injury gibt. Dies steht im Gegensatz
zu einer Untersuchung von Castro, Schilgen, Meyer, Weber, Peuker et al. (1997), in welcher
die Autoren folgerten, dass Auffahrunfälle von unter 10 bis 15 km/h in der Regel die
„Schwelle der Harmlosigkeit“ nicht überschreiten würden. Uhrenholt & Gregersen (2008)
fanden in Dänemark keine Beziehung zwischen der Geschwindigkeit, dem physikalischen
Schaden am Fahrzeug und den medizinischen Folgen bei niedriger Geschwindigkeit; „die
Modellrechnungen seien von nur marginalem Nutzen“.
Die Bedeutung von Delta-V untersuchten Krafft, Kullgren, Tingvall, Boström & Fredriksson
(2000) in Stockholm unter Beizug von fest installierten crash pulse recorders, welche nebst
Delta-V auch die Beschleunigung (g) aufzeichnen. In 28 mit CPR ausgerüsteten Fahrzeugen
befanden sich zum Zeitpunkt einer Heckauffahrkollision 38 Insassen; bei 15 mit einer
Akzeleration von weniger als 6 g trat bei keinem, bei 20 mit einer g-Zahl von 6 bis 10 nur
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eine leichte WAD auf. Bei insgesamt 3 Insassen trat ein chronisches WAD erheblichen
Ausmasses auf, und bei 2 dieser 3 Patienten betrug die Beschleunigung 13 und 15 g, nicht
aber das höchste Delta-V.
Ein direkter Kausalzusammenhang zwischen physikalischen Faktoren und posttraumatischer
Folgestörung wurde nicht nur bei WAD hinterfragt; Johansen Quale, Schanke, Frey Froslie &
Roise (2009) untersuchten in Norwegen den Zusammenhang zwischen der Schwere einer
allgemeinen körperlichen Verletzung und der posttraumatischen Stresssymptomatik (PTSD
oder subsyndromale PTSD) und fanden keinen signifikanten Zusammenhang. Schnyder,
Wittmann, Friedrich-Perez, Hepp & Moergeli (2008) fanden bei 225 konsekutiven
Unfallopfern in Zürich in einem Regressionsmodell vier gleichermassen signifikante (p<
0.001) Faktoren für die Entwicklung einer PTSD: Schädel-Hirnverletzung, Schmerz, Schwere
der akuten Stressreaktion und emotional coping.
4.1.2 Therapie
Ein Review der Cochrane Collaboration über konservative Behandlungen bei WAD umfasste
23 Studien mit 2'344 Patienten; die Therapien umfassen lokale Wärme- und Kältebehandlung,
Immobilisation mittels Halskragen, Ultraschall, Traktion, Massage, aktive Mobilisation,
medizinisch-technisches Training, gepulste elektromagnetische Therapie und multimodale
Rehabilitation (Liste nicht abschliessend) (Verhagen et al., 2007). Die Cochrane
Collaboration schliesst aus den Daten, dass für keine der untersuchten Therapiemassnahmen
eine überzeugende Evidenz besteht. Eine gleichlautende Aussage treffen Conlin und Kollegen
in ihren Übersichtsarbeiten unter Einschluss auch interventioneller Massnahmen (Conlin,
Bhogal, Sequeira & Teasell 2005/1, 2005/2).
Dehner, Hartwig, Strobel, Scheich, Schneider et al. (2006) untersuchten das Tragen einer
Halsstütze mit 2 vs. 10 Tage Tragezeit. Die Autoren fanden keinen kurz- oder langfristigen
Unterschied. Kongsted, Qerama, Kasch, Bendix, Bach et al. (2007) verglichen Immobilisation
mit einem Halskragen, Beratung oder ein aktives Mobilisationsprogramm; der 1-Jahres
follow-up zeigte keine Differenz. Scholten-Peeters, Neeleman-van der Steen, van der Windt,
Hendriks, Verhagen et al. (2006) verglichen bei 80 konsekutiven Patienten eine Beratung
durch den Allgemeinarzt oder Behandlung durch Physiotherapie; es wurden keine
signifikanten Unterschiede gefunden. Mehrere Gruppen fanden Anhaltspunkte für die
grundsätzliche Überlegenheit einer aktiven Intervention nach dem Trauma (Rosenfeld,
Dr. med. Joerg Fritschi
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Seferiadis & Gunnarsson, 2006; Mealy, Brennan & Fenelon 1986; Rosenfeld, Seferiadis,
Carlsson & Gunnarsson, 2003).
Perorale Medikation und lokale Injektionen wurden in einem Review über allgemeine
Nackenschmerzen unter Einbezug von WAD ebenfalls von der Cochrane Collaboration
untersucht (Peloso, Gross, Haines, Trinh, Goldsmith et al., 2007). Die Autoren befanden den
intravenösen Einsatz von Methylprednisolon innerhalb der ersten 8 Stunden nach whiplash
injury als einzige der geprüften Methoden für effektiv (Petterson & Toolanen, 1998). Für
psychotrope
und
neuromuskläre
Medikamente
(Antidepressiva,
Muskelrelaxantien,
Benzodiazepine, Phenobarbital), NSAR sowie weitere Schmerzmittel (u.a. Paracetamol und
Opiate) konnten keine klaren Schlussfolgerungen gezogen werden. Melatonin und
Vasopressin zur Schlafmodulation hatten keinen positiven Effekt (van Wieringen, Jansen,
Smits,
Nagtegaal
&
Coenen,
2001;
Isik,
Tangapregassom
&
Pacifici,
1981).
Methylprednisolon wurde in einer weiteren Übersichtsarbeit der Cochrane Collaboration bei
HWS-Verletzung mit Schädigung des Rückenmarks ebenfalls als effektiv beurteilt (Bracken,
2002). Eine Störung der HPA-Achse, wie sie bei Patienten mit PTSD gefunden wurde, könnte
einen Teil des kortikoiden Effektes im Rahmen der vorliegenden Hypothese erklären
(Rasmusson, 2002). Ishikawa, Yokoyama, Mizobuchi, Hashimoto, Moriyama et al. (2007)
fanden eine limitierte Wirksamkeit für epidurale Eigenblut-patches.
Insgesamt
ist
nach
jahrzehntelanger
Erforschung
konservativer
klassischer
Therapiemodalitäten bei WAD der von Schmid bereits 1999 gemachten Aussage „es gibt
viele verschiedene therapeutische Konzepte, aber wenig Evidenz, dass irgendetwas hilft“
wenig hinzuzufügen (Schmid, 1999); therapeutische Interventionsstudien haben das Wissen
um objektivierbare Verlaufsparameter und die Epidemiologie bei WAD aber deutlich
erweitert.
4.2 Inzidenz & Prognose
Die Bone and Joint Decade 2000-2010 Task Force on Neck Pain and its Associated
Disorders (Holm, Carroll, Cassidy, Hogg-Johnson, Cote et al., 2009) hat 226 Publikationen
zusammengefasst und 31% davon in ihren Review aufgenommen. Ungefähr 50% der
Patienten leiden nach einem Jahr unter Nackenbeschwerden; grössere initiale Schmerzen, eine
breitere Symptomatik und eine grössere anfängliche Behinderung waren prognostisch. Nur
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wenige Unfallfaktoren waren wegweisend; hingegen waren coping-Mechanismen, eine
depressive Stimmung sowie das Vermeiden von Bewegungen der HWS signifikant. Eine
einzelne Studie weist darauf hin, dass das Versicherungssystem einen Einfluss auf die
Häufigkeit geäusserter Klagen hat (Holm et al., 2009).
Herrström, Lannerbro-Geijer & Högstedt führten im Jahre 2000 in Schweden eine
Verlaufsbeobachtung über 12 Monate durch. Unter 485 Patienten nach MVA wurden bei 158
ein WAD diagnostiziert. 32% waren während der beobachteten Periode teilweise
arbeitsunfähig, 5,6% auch noch nach 12 Monaten. Miettinen, Lindgren, Airaksinen & Leino
publizierten 2002 ein sample von über 10'000 Verkehrsunfällen und 508 gemeldeten
Verletzungen der HWS aus Finnland; 10% dieser Patienten berichteten über eine erhebliche
Einschränkung nach einem Jahr, 1,5% waren länger als 6 Monate arbeitsunfähig.
Aufschlussreich ist die von Miettinen, Leino, Airaksinen & Lindgren (2004a) publizierte
Nachfolgebeobachtung derselben Studienpopulation 3 Jahre später: 11,8% berichteten zu
diesem Zeitpunkt noch immer über eine Verschlechterung gegenüber ihrem Zustand vor dem
Unfall. Die meist genannten Beschwerden betrafen Nackenschmerzen (14,6%); 10% der
Teilnehmer benötigten 3 Jahre nach dem Unfall eine therapeutische Betreuung. Die Autoren
kommen zum Schluss, dass bei chronischem WAD 12 Monate nach dem Ereignis nur eine
geringe Spontanheilungstendenz für die folgenden weiteren zwei Jahre besteht (Miettinen,
Airaksinen, Lindgren & Leino, 2004b).
Hartling, Brison, Ardern & Pickett untersuchten 2001 in Kanada bei 380 WAD-Patienten den
prognostischen Wert der QTF-Klassifikation. Die Beobachtungsdauer betrug 24 Monate und
zeigte eine Korrelation mit der Entwicklung einer WAD. Eine Studie des Karolinskainstitutes
(Kivioja et al., 2008) konnte hingegen keine prognostische Relevanz der QTF-Klassifikation
und der von der Task Force vorgeschlagenen Therapiestrategie feststellen (N=186,
Beobachtungsperiode 12 Monate).
Kasch und Kollegen untersuchten prognostische Faktoren über 12 Monate bei 141
Teilnehmern mit WAD in Dänemark; 7,8% waren nach einem Jahr nicht voll arbeitsfähig.
Der beste einzelne Faktor mit einer Sensitivität von 73% und einer Spezifität von 91% war
die Beweglichkeit der HWS eine Woche nach dem Unfallereignis (Kasch, StengaardPedersen, Arendt-Nielsen & Staehelin-Jensen, 2001; Kasch, Bach & Jensen, 2001).
Aufschlussreich ist eine mitgeführte Kontrollgruppe mit Verletzungen des oberen
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Sprunggelenkes. Bei vergleichbarer Schmerzintensität fanden Kasch, Bach, StengaardPedersen & Jensen (2003) im Gegensatz zu WAD keine assoziierten neurologischen Ausfälle;
eine Arbeitsunfähigkeit trat ebenfalls nur in der WAD-Gruppe auf. Die persistierende
Symptomatik könne bei whiplash disorder durch den spezifischen Unfallmechanismus der
HWS oder durch unspezifische posttraumatische Folgestörungen erklärt werden.
Eine prospektive Studie über 12 Monate bei 688 konsekutiven WAD-Patienten durch dieselbe
Forschergruppe untersuchte umfassend prädiktive Faktoren. Eingeschränkte Nackenmobilität,
intensive, unmittelbar an das Ereignis auftretende Nacken- und Kopfschmerzen sowie nonpainful complaints (kognitive Einschränkungen) waren die wichtigen prognostischen
Faktoren für ein chronisches WAD (Kasch, Qerama, Kongsted, Bendix, Jensen et al., 2008).
2005 hatten Hendriks, Scholten-Peeters, van der Windt, Neeleman-van der Steen, Oostendorp
et al. bei 125 Patienten weibliches Geschlecht, niedriger Bildungsgrad, starke unmittelbare
Nackenschmerzen, grössere anfängliche Einschränkung, höherer Somatisierungsgrad und
Schlafstörungen als prognostisch ungünstig beschrieben.
Sterling, Jull & Kenardy untersuchten 2006 bei 76 akuten Patienten mit WAD die
prognostische Validität des neck disability index (NDI). Ein höherer initialer NDI,
fortgeschrittenes Alter, eine Überempfindlichkeit auf Kälte und Symptome einer
posttraumatischen Stressbelastung korrelierten mit einer hohen Inzidenz an WAD nach einem
Follow-up von 2 bis 3 Jahren. Diese Resultate und die Validität des NDI wurden von Nieto,
Miró & Huguet (2008) und Vernon (2008) bestätigt.
Kasch, Qerama, Kongsted, Bach, Bendix et al. (2008) zeigten im weiteren, dass tiefe
Muskeltriggerpunkte im Bereich des M. Masseter und des M. Trapezius bei 150 Patienten mit
einer schlechten Erholung nach 384 Tagen eine signifikant steilere stimulierte Antwortkurve
als Kontrollen aufwiesen. Die Autoren schliessen, dass die frühe mechanische
Sensibilisierung nach einer akuten whiplash-Verletzung in eine zunehmende Sensitisierung
übergeht.
Kieferorthopädische Gruppen fanden für TMD-Beschwerden bei WAD Patienten eine
Inzidenz von 34% gegenüber einer Kontrollgruppe von 7%. 20% aller nachverfolgten
Patienten (n=59) gaben nach 12 Monaten TMD als ihre Hauptbeschwerden an (Heise, Laskin
& Gervin, 1992; Salé et al., 2007).
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Die Gruppe von Drottning, Staff & Sjaastad (2007) publizierte 2007 eine Untersuchung über
cervikogene Kopfschmerzen bei WAD und deren Entwicklung über die nächsten 12 Monate.
Sie fanden neu aufgetretene unilaterale cervikogene Kopfschmerzen bei 3% von 587
Teilnehmern; bei 35% dieser 20 Probanden persistierten die Beschwerden über 5 Jahre.
Kongsted, Bendix, Qerama, Kasch, Bach et al. publizierten 2008 eine prospektive Studie des
stress response system bei 668 Probanden. 13% wiesen eine moderate oder starke stress
response auf; diese war mit einem erhöhten Risiko für eine chronische WAD (OR=3.3)
gekoppelt. Die entsprechende odds ratio lag höher als für Nackenbeschwerden (OR=3.2) und
die Arbeitsfähigkeit (OR=2.8). Diese Zusammenhänge sind nicht WAD-spezifisch: Jenewein,
Moergeli, Wittmann, Büchi, Kraemer et al. (2009) fanden 36 Monate nach einem
unspezifischen Trauma noch 44% unfallbedingte Schmerzen; es bestand eine signifikant
erhöhte Symptomatik mit PTSD, Depression, Angststörungen und Arbeitsbehinderung. Die
Autoren schliessen, dass die Entwicklung eines chronischen Schmerzsyndroms vor allem mit
einer PTSD-Symptomatik zusammenhängt.
In diesem Zusammenhang darf die zu einiger Berühmtheit gelangte Untersuchung von
Obelieniene, Schrader, Bovim, Miseviciene & Sand (1999) aus Littauen nicht unerwähnt
bleiben, welche in einer prospektiven Kohortenstudie bei 210 Patienten nach Heckkollision
Nackenschmerzen nur bis zu maximal 17 Tagen und Kopfschmerzen nur bis zu maximal 20
Tagen fanden; eine chronische Verlaufsform nach whiplash injury lag definitionsgemäss in
keinem einzigen Fall vor. Nach einem Jahr bestand auch kein Unterschied zu einer allerdings
erst zu diesem Zeitpunkt rekrutierten Gruppe aus der Bevölkerung. Die Studie basierte auf
Selbstinterviews, die Patienten wurden nicht klinisch untersucht. Diese Methodik genügt
modernen Anforderungen an Kohortenstudien nicht, und ihre Resultate werden in neuen
Reviews wie der Cochrane Collaboration nicht berücksichtigt.
Dass WAD nicht – wie aufgrund der Obelieniene Studie teilweise vermutet wurde - eine
Diagnose nur hoch entwickelter Länder ist zeigten Yasan, Guzel, Tamam & Ozkan (2009) in
einer Studie aus der Türkei: nach 12 Monaten wiesen 17,9% von 95 Teilnehmern ein WAD
auf, was einer weltweit vergleichbaren Inzidenz entspricht.
Dr. med. Joerg Fritschi
Im Noll 38, CH-4148 Pfeffingen
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4.3
Spezifische Befunde bei WAD
Zur Validierung und Differenzierung einzelner Symptome bei WAD sind eine grosse Anzahl
experimenteller und interventioneller Studien publiziert worden; eine Übersicht findet sich im
Anhang 1.
Zusammenfassend sind im Bereich des vestibulären Systems (posturale Funktion), der
visuellen Funktion (sakkadische und glatte Augenmuskelbewegungen), der peripheren und
zentralen Schmerzperzeption und Schmerzausbreitung, der Muskulatur (bioptischer Nachweis
spezifischer Stoffwechselstörungen) sowie im ZNS selbst differenzierte Befunde bei WAD
objektiviert worden. Weiterführend sind insbesondere Resultate moderner funktioneller
bildgebender Verfahren; so konnte ein erhöhter regionaler zerebraler Blutfluss im Gebiet des
medialen präfrontalen Cortex bei Patienten mit WAD festgestellt werden, dessen Ausmass
mit dem Grad der Symptomatik korrelierte (Linnmann, 2009).
4.4 WAD und Kompensation
Die Diagnose WAD wird teilweise mit dem Begriff der „Rentenneurose“ in Zusammenhang
gebracht. Cassidy, Carroll, Côté, Lemstra, Berglund et al. (2000) beschrieben in einer
retrospektiven Studie in Kanada eine verminderte Inzidenz und verbesserte Prognose von
whiplash injury nachdem die Kompensationsregeln in der Provinz Saskatchewan geändert
wurden. Scholten-Peeters et al. fanden in ihrer Übersichtsarbeit 2003, welche 38 Arbeiten und
12 prospektive Kohortenstudien untersuchte, keinen entsprechenden Zusammenhang.
Buitenhuis et al. (2009) sind der Frage nach dem Einfluss des Versicherungsanspruches bei
879 Patienten in Holland nachgegangen; diese über 12 Monate durchgeführte Kohortenstudie
zeigte als einzige signifikanten Variablen für die Arbeitsunfähigkeit Alter und
Konzentrationsstörungen. Der Arbeitsbereich (blue oder white collar), der Bildungsgrad und
der Beschäftigungsstatus (selbständig oder angestellt) hatten keinen Einfluss.
Cameron, Rebbeck, Sindhusake, Rubin, Feyer et al. (2008) in New South Wales (Australien)
fanden anlässlich einer Änderung der dortigen Gesetzgebung eine Verringerung des
functional rating index von 38% auf 30% zwei Jahre nach dem Unfall. Represas, Vieira,
Magalhães, Dias, Frazão et al. (2008) verglichen über 10'000 Patienten nach MVA in Galizien
mit Zentralportugal; in Spanien bestand eine geringere finanzielle Entschädigung. Die
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Autoren fanden signifikante Unterschiede in Bezug auf die Inzidenz von WAD und die
Symptomdauer. Mendelson (1995) untersuchte den umgekehrten Mechanismus bei 760
Patienten nach Abschluss ihres Kompensationsverfahrens; 75% waren 22 Monate nach ihrem
settlement immer noch krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Das Konzept der Rentenneurose in
seiner vereinfachten Form – dass die Symptomatik durch ein definitives Urteil verschwinden
würde – könne mit den Daten nicht in Einklang gebracht werden.
Insgesamt bestehen Anhaltspunkte dafür, dass bei einem Teil von WAD-Patienten das
Kompensationsmodell eine Rolle spielt, ohne dass eine Generalisierung belegt werden kann.
5. Ergebnisse
5.1 Welche Punkte sprechen gegen die vorgestellte Hypothese?
Eine regelmässige strukturelle Läsion mit einer stringenten Pathophysiologie würde die
vorgestellte Hypothese in Frage stellen. Solche Befunde liegen auch nach langer
zielgerichteter Forschungstätigkeit nicht vor; die somatische Medizin bleibt für die Klinik bei
WAD noch immer eine plausible Erklärung schuldig.
Die Validität dieses klinischen Syndroms wurde deshalb in Frage gestellt;
unter einer
dreistelligen Anzahl von Studien finden sich aber nur zwei Publikationen ohne den Nachweis
eines chronischen Verlaufes bei Patienten nach MVA bei akutem whiplash injury, und beide
Resultate wurden seit ihrer Publikation vor knapp einem Jahrzehnt nicht mehr reproduziert
(Obelieniene et al., 1999; Partheni et al., 2000). Qualitativ hochstehenden Studien und
Metaanalysen wie diejenigen der Cochrane Collaboration (2007) und der Bone and Joint
Decade 2000-2010 Task Force on Neck Pain and its Associated Disorders (2008) hingegen
dokumentieren WAD als eine transkulturell und zeitlich stabile Diagnose.
Bei einigen Antragsstellern wurde Begehrlichkeit oder Täuschung vermutet; Anhaltspunkte
dafür liegen vor. WAD teilt diese Charakteristik mit anderen, schwierig zu objektivierenden
Diagnosen wie z.B. der chronischen Lumbalgie. Verfahren zur Differenzierung der
Antragssteller wurden erforscht, sind aber in der täglichen Praxis noch nicht routinemässig
einsetzbar (Grip, Ohberg, Wiklund, Sterner, Karlsson et al., 2003). Auch wenn klinische und
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diagnostische Leitlinien noch definiert werden müssen, ist die Validität des Syndroms per se
ausreichend dokumentiert (Stovner, 1996).
Ein weiteres Argument gegen die vorliegende Hypothese wäre der regelmässige Nachweis
ineffizienter traumaspezifischer Interventionen bei WAD. Publikationen zu dieser
Fragestellung
liegen
nicht
vor;
die
wenigen
publizierten
psychotherapeutischen
Interventionen zeigen positive Resultate.
Eine experimentelle Widerlegung der vorliegenden Hypothese ist schwierig, da noch keine
reproduzierbaren
Ein-
oder
Ausschlusskriterien
für
eine
PTBS
und
partielle
Traumafolgestörungen anerkannt sind.
5.2 Welche Punkte sprechen für die vorgestellte Hypothese?
In der Literatur findet sich eine grosse Anzahl experimenteller Hinweise auf die klinische
Eigenständigkeit von WAD; diese umfassen spezifische bildgebende und funktionelle
Befunde, welche das Syndrom von einfachen chronifizierten Schmerzen differenzieren.
Die wenigen psychotherapeutischen Interventionsstudien zeigen positive Resultate, im
Gegensatz zu somatisch orientierten Verfahren.
Einige klinisch gut dokumentierte Charakteristika bei WAD - Vermeidung, hyperarousal,
dissoziative Symptome und delayed onset - legen eine ätiogenetische Verwandtschaft mit
Traumafolgestörungen nahe. Das Fehlen von Intrusionen gilt als Ausschlusskriterium für die
Diagnose einer PTBS, nicht aber für eine Folgestörung nach Trauma insgesamt. Folgt man
dem Konzept von körperlichen intrusiven Äquivalenten (L. Reddemann, persönliche
Mitteilung, 2009) so ist diese Form der Intrusion bei WAD sogar regelmässig vorzufinden.
Therapeuten berichten vereinzelt über hohe Erfolgsraten mit traumaspezifischen Methoden
(Kraemer & Muminagic, 2009); diesen Erfahrungen schliesst sich der Autor im Rahmen
seiner Praxistätigkeit an.
Dr. med. Joerg Fritschi
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6. Diskussion
WAD, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter dem Begriff railway spine subsumiert,
bildet einen der wichtigsten historischen Ausgangspunkte der psychotraumatologischen
Forschung. Es erscheint bemerkenswert, dass dieses über eineinhalb Jahrhunderte konsistent
beschriebene Syndrom nur aus der Sicht der Orthopädie und Neurologie Beachtung findet.
Ausnahmen bestätigen die Regel: Scaer (2001) postulierte in seiner Keynote Adress
anlässlich des 31. Jahreskongresses für Psychophysiologie und Biofeedback in Denver die
Hypothese, dass es sich bei der chronischen whiplash-Erkrankung eher um ein Modell für
eine psychische als eine somatische Traumatisierung handle; auch McLean et al. (2005)
halten das Stress Response System für die Entwicklung von WAD nach MVA verantwortlich.
Jaspers in Holland wies schon früh auf die seiner Ansicht nach eindeutigen Zusammenhänge
zwischen psychotraumtologischen Faktoren und der Genesung bei WAD hin (Jaspers 1998).
Das A1-Kriterium scheint bei WAD nur auf den ersten Blick nicht immer erfüllt zu sein. Das
Genick nimmt in unserem Körperschema eine besondere Stellung ein; dafür sprechen die
beobachtete
Klinik
nach
verschiedenartigen
HWS-Distorsionen
und
vergleichende
Untersuchungen mit Schmerzpatienten nach anderen Unfällen. Schwerste Verletzungen
(Tetraplegie) oder letale Ausgänge („Genickbruch“) sind bei Verletzungen der HWS möglich
oder wahrscheinlich; bei C1 befindet sich gemäss der Traditionellen Chinesischen
Kampfkunst (martial qigong) einer der 11 Todespunkte des Menschen (Bauer & Walker
2002; Tedeschi 2008). Der Genickbiss ist die bevorzugte Tötungsart von Raubtieren; die
Durchblutung des ZNS und die Efferenz des motorischen Systems können an dieser Stelle mit
geringstem
Aufwand
simultan
unterbrochen
werden.
Phylogenetisch
entwickelte
Schutzmechanismen für den Nacken und Hals sind als Angst- und Schutzreaktionen auch
beim modernen Menschen noch regelmässig zu beobachten und Ausgangspunkt häufiger
Beschwerden.
Bei hohem Überraschungsmoment und grosser Beschleunigung kann das körpereigene
Orientierungs- und Verteidigungssystem überfordert werden. Damit wird implizit das A2Kriterium erfüllt; das subkortikal erfasste Gefahrenpotential führt zu einer kurzdauernden,
aber sehr intensiven Hilflosigkeit. Diese ist bei high impact – Unfällen so gut wie vollständig
und wird von einer peritraumatischen Dissoziation und Immobilisation begleitet. RochaRego, Fiszmann, Portugal, Garcia Pereira, de Oliveira et al. (2008) beschrieben die tonische
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Immobilität als den wichtigsten peritraumatischen Faktor für die Entwicklung einer PTSD;
Briere, Scott & Weathers (2005) fanden allerdings in einer früheren Studie keinen
Zusammenhang, so dass diese Frage noch nicht abschliessend beurteilt werden kann.
Auf dieser Grundlage kann die spezifische WAD-Symptomatik mittels des Konzepts
unvollständig ausgeführter motorischer und autonomer Verteidigungsprogramme verstanden
werden (Bull 1951; Panksepp 1998; Damasio 1999; Van der Kolk 2006). Bei expositionellen
Verfahren treten unter Therapie nebst sensorischen auch gekoppelte motorische und
autonome Erinnerungsfragmente auf; motor action packets sind demnach Fragmente
subkortikal gespeicherter Verteidigungs- und Überlebensprogramme, welche reflexartig
geplant und nach Möglichkeit ausgeführt werden. Sie umfassen koordinierte komplexe
Abläufe mit somatischen und autonomen Impulsen oder Impulssequenzen. Bei WAD
bestehen diese u.a. in der Innervation der für die Schutzmassnahmen nötigen Muskulatur des
Nackens, Thorax und Rückens; geschützt werden sollen in erster Linie HWS und ZNS.
Situativ werden weitere Orientierungs- und Abwehrreaktionen initiiert (Festhalten mit den
Armen, Kopfrotation, visuelle, proprioceptive und auditive Orientierung). Diese abortiven im
Furchtnetzwerk gespeicherten coping-Mechanismen können in Form von Symptomen durch
spezifische Auslöser oder unspezifische, alltägliche Stressoren aktiviert werden. Sie sind
analog zu visuellen intrusiven Erinnerungsinhalten bei PTSD nicht prozessiert und im cold
memory abgelegt, sondern bleiben im hot memory gekoppelt mit den sensorischen
Informationen des Unfallgeschehens aktivierbar.
Das flight & fight-System engagiert in der ersten Phase eines Traumas das sympathische ANS
(Porges, 1995); dessen dysfunktionelle posttraumatische up-Regulation erhöht den
Grundtonus der quergestreiften Skelettmuskulatur und ist verantwortlich für aktivierte
Triggerpunkte, Myogelosen, chronische lokale und projizierte Schmerzen (referred pain nach
Simons & Travell, 1998), die Verkürzung der Muskulatur und den erniedrigten neck disability
index. Auch die Schweissproduktion sowie die Durchblutung der Haut und der Muskulatur
sind sympathikusgesteuert und bedingen wahrscheinlich die spezifische muskuläre
Stoffwechseldysfunktion (Gerdle, Lemming, Kristiansen, Larsson, Peolsson et al. 2008).
Traumaspezifische Therapien führen diese impliziten motor action packets zu Ende oder einer
Desensitisierung zu (Levine 1997; Sack, Lempa, Steinmetz, Lamprecht & Hofmann 2008),
während peripher angreifende Therapiemodalitäten unwirksam bleiben.
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Vestibuläre, auditive, visuelle und andere sensorische Erinnerungsfragmente des Unfalls
werden durch spezifische Stimuli und allgemeine Stressfaktoren aktiviert und können als
somatische Äquivalente von Intrusionen begriffen werden, wenn auch mit einem
unterschiedlichen
chronischen
Verlauf.
Dissoziative
körperliche
Symptome
der
unfallbetroffenen Regionen in Form einer Hypästhesie (numbing) können sich im Rahmen
von expositionellen Verfahren bis zur Anästhesie entwickeln. Klinisch zeigt sich eine
Reversibilität dieser Symptomatik unter Therapie innert Minuten, was eine somatische
Ätiologie ausschliesst.
Eine PTBS ist durch eine fundamentale autonome Dysregulation der arousal- Reaktion auf
dem Niveau des Hirnstammes charakterisiert (Le Doux & Gorman, 2001; Van der Kolk,
2006); ihr prädiktiver Wert wurde mehrfach nachgewiesen (Bryant, Creamer, O’Donnell,
Silove & McFarlane 2008; Jovanovic, Norrholm, Sakoman, Esterajher & Kozaric-Kovacic
2008). Dabei besteht bei WAD nicht nur ein erhöhter Sympathikotonus, sondern – nach
klinischer Erfahrung bereits wenige Stunden nach dem Trauma – eine oszillierende nicht
situativ angepasste Dominanz sowie eine blockierte inverse Inhibition des Sympathicus und
des
Parasympathicus
(Porges
2001).
Die
parasympathische
Dysregulation
erklärt
gastrointestinale Symptome wie Nausea und Diarrhoe, wie sie von Barré (1925), Liéou (1928)
und Bärtschi-Rochaix (1949) beschrieben und auch bei aktuellen Patienten regelmässig
beobachtet werden. Die Störung der gegenseitigen autonomen Inhibition der beiden Äste des
ANS erzeugt weitere komplexe Bilder bei WAD mit scheinbar divergierenden Symptomen
(z.B. hyperarousal und Lethargie, Hyper- und Hypoperfusion, Hidrosis und Trockenheit).
Die kognitiven Einschränkungen beruhen wahrscheinlich auf einer Kombination der
chronischen Schmerzen, der Schmerzmedikation, der Insomnie und einer aus psychiatrischer
Sicht leichten, aber chronischen dissoziativen Neigung.
Zu experimentellen Studien zur Überprüfung der Hypothese möchte sich der Autor aufgrund
mangelnder Erfahrung nicht äussern; möglich scheint z.b. die Messung der Aktivationszeit
der Amygdala bei aversiven Bildern als neurophysiologischer Indikator einer partiellen PTBS
(Junghöfer, Peyk, Flaisch & Schupp 2006) und der Nachweis makroskopischer
Modifizierungen des ZNS nach Intervention (Schauer et al., 2006).
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Beim vorgestellten Indexpatienten N.C. zeigte sich der Unterschied des traumaspezifischen
Ansatzes im Vergleich zu einer somatischen oder allgemeinen psychotherapeutischen
Behandlung deutlich; diese Verfahren hatten während drei Jahren zu keiner wesentlichen
Befundänderung geführt. Eine Verbesserung bei WAD nach den ersten 12 Monaten ist
aufgrund der Studienlage bei den meisten WAD Patienten unwahrscheinlich; auch eine
hochdosierte Schmerzmedikation erzielt - wie bei N.C. - meist keine Verbesserung. Der
traumaspezifische Ansatz führte innerhalb von drei Jahren zur Wiedererlangung der
kognitiven Funktion und einer vollen Arbeitsfähigkeit.
Die Intensität der kurzdauernden subjektiven Erfahrung der Todesnähe während des High
Impact-Unfalles (Kriterium A2) wurde N.C. erst in den letzten Therapiestunden
intraexpositionell bewusst; sie wurde erst dann seiner bewussten Erfahrung zugänglich. Die
Bearbeitung
dieser
kurzen,
aber
als
maximal
beschriebenen
Hilflosigkeit
und
Schreckenserfahrung führte zu einer unmittelbaren Veränderung der Selbstperzeption
(Zunahme von Sicherheit und Vertrauen auf die eigenen Möglichkeiten) und einer Reduktion
der muskulären Abwehr (Spannung und Schmerz) beim Patienten; sie schien bei N.C. die
zentrale
Achse
der
Symptomatik
zu
bilden.
Die
somatischen
und
autonomen
Erinnerungsinhalte zeigten sich nicht als visuelle Intrusionen sondern als posttraumatischer
Symptomenkomplex;
dessen Aktivierung wurde anfänglich als somatische Erkrankung
missinterpretiert und entsprechend - ohne Erfolg - behandelt. Die klinische Symptomatik
kann am besten im Sinne eines Umkehrschlusses als komplexes subkortikal gespeichertes
Ereignis mit sensorischen, somatischen und autonomen Repräsentanzen verstanden werden.
Die in der inneren Medizin bewährte Regel „ it walks like a duck, it talks like a duck – it is a
duck “ trifft auch hier zu; aus dem Blickwinkel einer partialen PTBS lassen sich aus der
Symptomatik mit einiger Vorsicht sogar Rückschlüsse auf den detaillierten Ablauf des
Traumas ziehen.
In der täglichen Praxis sind traumaspezifische Behandlungen bei WAD Patienten bei einigen
Therapeuten bereits üblich. Bewährt haben sich imaginative und körperorientierte Verfahren
(PITT, Somatic Experiencing) und insbesondere EMDR. An der ETH Zürich wurde eine
Studie bei langjährigen WAD Patienten eines grossen Unfallversicherers mit einer EMDRverwandten Methode durchgeführt; die vorpublizierten Resultate berichten über eine
Erfolgsrate von 50% (Neuroimagination, Krämer et al., 2009). Weitere, qualitativ
hochstehende Studien mit einem traumaspezifischen Ansatz bei WAD sind notwendig.
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Anhang 1
Spezifische Befunde bei Whiplash Associated Disorder
Buitenhuis, de Jong, Jaspers & Groothoff (2006) führten in Groningen (NL) eine Studie
zur PTSD Symptiomatik durch, in welcher 617 von 997 Fragebögen ausgewertet wurden,
unter Benutzung des SRS-PTSD (Carlier, Lamberts & Uchelen 1998). Die hyperarousalSymptomatik unmittelbar nach dem Unfall besass eine prädiktive Signifikanz für die
Persistenz und die Schwere von WAD nach 6 und 12 Monaten.
Carroll, Holm, Ferrari, Ozegovic & Cassidy (2009) untersuchten den Einfluss der
Erwartungshaltung des Patienten bei WAD. Frühe Heilungserwartungen des Patienten waren
ein wichtiger prognostischer Faktor für die Erholungswahrscheinlichkeit und sollten gemäss
den Autoren modifiziert werden können. Die Aussage beruhte auf einer multivariablen
Faktorenanalyse von soziodemographischen, unfallanalytischen und medizinischen Faktoren;
Die Gründe für die unterschiedlichen Erwartungshaltungen wurden nicht untersucht.
Chien, Eliav & Sterling (2009) beschrieben bei WAD eine simultane Hypästhesie bei
sensorischer Hypersensitivität.
Curatolo, Petersen-Felix, Arendt-Nielsen, Giani, Zbinden et al. (2001) fanden bei WAD
Patienten eine signifikant erhöhte zentral bedingte Hypersensitivität.
Dehner, Heym, Mayer, Sander, Arand et al. (2008) wiesen in Ulm eine posturale
Instabilität klinisch nach. Zeitgleich zeigten Field, Treleaven & Jull (2008) in Brisbane in
einer vergleichenden observationellen Studie bei 30 WAD-Patienten im Vergleich mit
banalen Nackenschmerzen und 30 gesunden Kontrollen ebenfalls eine unterschiedliche und
deutlichere Störung des Gleichgewichts.
Gerdle, Lemming, Kristiansen, Larsson, Peolsson et al. (2008) in Linköping (S)
beschrieben biochemische Veränderungen des M. Trapezius bei chronischen WADPatienten; sie fanden dort ein signifikant höheres interstitielles Interleukin-6 und 5Dr. med. Joerg Fritschi
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Hydroxytryptamin als in der Kontrollgruppe, entsprechend einer spezifischen chronischen
Muskelveränderung.
Hijikata, Kozeki & Kanno (1969) beschrieben spezifische okuläre Dysfunktionen bei
WAD.
Kongsted, Jorgensen, Leboeuf-Yde, Qerama, Korsholm et al. (2008) untersuchten in
Dänemark die glatte Augenfolgebewegung bei WAD-Patienten und ihre Beziehung zu
chronischem Schmerz und dem Behinderungsgrad der Patienten. Die Tests ergaben eine
reduzierte Fähigkeit für Augenfolgebewegung ein Jahr nach dem Ereignis; dieser Befund
korrelierte mit dem Grad der Nackenschmerzen.
Kongsted, Bendix, Qerama, Kasch, Bach et al. (2008) fanden in einer einjährigen
prospektiven Studie an der University of Southern Denmark keinen direkten Zusammenhang
zwischen der akuten Stressantwort und der Erholungswahrscheinlichkeit bei WAD. Zur
Beurteilung des Stresslevels wurde von den Patienten innerhalb von 10 Tagen nach dem
Unfall lediglich der IES-R als Selbstinterview ausgefüllt (Weiss & Marmar, 1996).
Kosek & Januszweska (2008) publizierten eine Arbeit, in der sie bei WAD im Vergleich zu
einer Kontrollgruppe eine deutlich erhöhte Schmerzsensitivität, grössere Schmerzareale
(referred pain) sowie eine proximale Ausstrahlung des Schmerzes fanden, die bei keinem der
Probanden der Kontrollgruppe auftrat.
Linnmann, Appel, Söderlund, Frans, Engler et al. (2009) publizierten eine Untersuchung
über den regionalen cerebralen Blutfluss (rCBF) bei WAD. Die Resultate zeigten einen
beidseitig erhöhten Ruhe - rCBF bei den 21 WAD-Patienten im posterioren
parahyppocampalen Gebiet und im posterioren Gyrus cinguli, im rechten Thalamus und im
rechten medialen präfrontalen Gyrus; temporooccipital war der rCBF im Vergleich zu den
gesunden Kontrollen ebenfalls erniedrigt. Der veränderte rCBF korrelierte in der
Patientengruppe mit dem Grad der Nackensymptomatologie. Die Bedeutung dieser Arbeit
wird durch die Tatsache unterstrichen, dass dem medialen präfrontalen Kortex eine wichtige
Funktion im Rahmen von posttraumatischen Folgeerkrankungen (z.B. PTBS) zugewiesen
wird (Koenigs & Grafman, 2009).
Dr. med. Joerg Fritschi
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Mayou, Bryant & Duthie (1993) kamen nach einer Studie in England zum Schluss, dass es
nach MVA zwar häufig zu psychiatrischen Symptomen und Störungen komme, darunter
auch posttraumatische Syndrome; sie vermuteten, dass frühe Informationen und Ratschläge
in Beziehung auf den „nervösen Schock“ hilfreich sein könnten. Mayou publizierte
zusammen mit seinem Kollegen Bryant eine Studie über 278 konsekutive WhiplashPatienten, ebenfalls in Oxford, mit einem 3-Jahres-Follow-Up. Psychiatrische Konsequenzen
waren häufig und persistierend; die Autoren verneinten jedoch die Notwendigkeit einer
„eigenen Psychiatrie“ (special psychiatry) bei WAD (Mayou & Bryant, 2002).
Montfoort, Van Der Geest, Slijper, De Zeeuw & Frens (2008) wiesen in Holland eine
Veränderung des cervico-ocularen Reflexes (COR) sowie eine gestörte Synergie zwischen
dem COR und dem vestibulo-ocularen Reflex (VOR) nach. Bei einer Vergleichsgruppe
konnte eine Adaptation sowohl des COR als auch des VOR beobachtet werden, welche bei
WAD-Patienten fast vollständig fehlte. Das Ausbleiben der Adaptation dieser zwei
Stabilisationsreflexe könne, so die Autoren, oft geäusserte Beschwerden wie Dreh- und
Schwankschwindel erklären.
Mosimann, Müri, Felblinger & Radanov (2000) hatten in Bern Störungen der horizontalen
saccadischen Bewegungsmuster bei WAD Patienten gefunden. Die Autoren deuteten die
pathologischen reflexiven, aber unauffälligen intentionellen Saccadierungsaufgaben als
Hinweis auf eine Dysfunktion von präfrontalen und frontalen kortikalen Strukturen.
Parker & Rosenblum berichteten 1996 bei einer gemischten Gruppe von Patienten mit
Whiplash und geringgradigen traumatischen Hirnverletzungen (slight head impact) über
einen Verlust von 14 Punkten auf der IQ-Skala bis 20 Monate nach dem Ereignis; 30 von 33
Patienten wiesen zudem eine psychiatrische Diagnose auf.
Radanov, Bicik, Dvorak, Antinnes, von Schulthess, et al. (1999) publizierten eine
experimentelle klinische Studie an 22 Patienten mit chronischem WAD, welches sie
gegenüber einer Kontrollgruppe mit kombinierten funktionellen und bildgebenden Verfahren
untersuchten. Es wurde keine Evidenz für ein morphologisches oder funktionales Substrat
gefunden.
Dr. med. Joerg Fritschi
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Sjölander, Michaelson, Jaric & Djupsjöbacka bestätigten den Befund einer peripheren
Hyperästhesie in einer 2008 publizierten Studie; der Befund wurde durch Banic, PetersenFelix, Andersen, Radanov, Villiger et al. (2004) corroboriert (Evidenz für eine
Hypersensibilität des Rückenmarks).
Solarino, Coppola, Di Vella, Corsalini & Quaranta (2008) zeigten, dass vestibulär
evozierte myogene Potenziale (VEMPs) in einer prospektiven Studie bei der Whiplashgruppe
(n=14) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (n=15) signifikant abwichen.
Stålnacke (2009) fand am schwedischen Universitätsspital Umeå bei der Nachverfolgung
einer Patientengruppe mit WAD über 5 Jahre eine hohe Inzidenz an Depression (22%),
posttraumatischem Stress (38%, gemessen mit IES) und Whiplash-bedingten Symptomen
(76%). Stålnacke hält die Behandlung der psychiatrischen Symptomatik, insbesondere der
Depression bei dieser Patientengruppe für wichtig.
Sterling & Kenardy (2006) publizierten eine prospektive Studie an der Universität von
Queensland (Australien) mit 78 WAD-Patienten zeigte bei Patienten mit einer fortgesetzten
Stressreaktion eine verminderte Vasokonstriktion, eine sensorische Hypersensitivität und
einen höheren Schmerz- und Invalidierungsgrad. Diese Untersuchung legt eine Assoziation
zwischen Veränderungen des sensorischen und sympathischen Nervensystems und der
posttraumatischen Stressreaktion nahe.
Sterling & Pedler (2009) beschrieben bei WAD einen primär neuropathischen Schmerz,
verbunden mit einer sensorischen Hypersensitivität.
Sturzenegger, Radanov, Winter, Simko, Farra et al. (2008) publizierten Resultate von 21
WAD-Patienten mit MR-basierter quantitativer Analyse sowie normalisierter ventricle brain
ratios; die Patienten wurden aufgrund ihrer kognitiven Einschränkungen ausgewählt worden.
Die Resultate unterschieden sich nicht von einer Kontrollgruppe. Eine minimale traumatische
Gehirnschädigung mit diffuser axonaler Schädigung scheint - so die Autoren - für die
persistierenden Konzentrations- und Gedächtnisstörungen von Patienten mit chronischem
WAD nicht verantwortlich zu sein.
Dr. med. Joerg Fritschi
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Tranter & Graham (2009) beschreiben objektivierende Testmethoden bei den 10% der
Patienten, welche nach einer whiplash Verletzung Tinnitus, Schwerhörigkeit und
Drehschwindel entwickeln.
Wicksell, Ahlqvist, Bring, Melin & Olsson (2008) am Karolinskainstitut versuchten
nachzuweisen, dass eine exponierende und akzeptierende (exposure und acceptance)
Therapie von Vorteil wäre. Die behandelte Gruppe zeigte eine geringere schmerzbedingte
Invalidisierung, grössere Zufriedenheit, weniger Bewegungsangst und eine geringere
Depressionshäufigkeit; die Schmerzintensität war nicht unterschiedlich.
Dr. med. Joerg Fritschi
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