Nuklearmedizin in der Veterinärmedizin: Diagnostik und Therapie

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Nuklearmedizin in der Veterinärmedizin: Diagnostik und Therapie
Nuklearmedizin in der Veterinärmedizin: Diagnostik und Therapie bei
Pferden
Dr. vet. med. Kerstin Gerlach, Chirurgische Tierklinik der Veterinärmedizinischen
Fakultät der Universität Leipzig
Der Patient Pferd benötigt aufgrund einiger Besonderheiten bestimmte
Voraussetzungen in Diagnostik und Therapie mit radioaktiven Stoffen. Der
Strahlenschutz betrifft im Unterschied zur Humanmedizin hauptsächlich die
untersuchenden Personen, nicht den Patienten selbst. Dabei unterliegt dieser der
Strahlenschutzverordnung und der seit 2005 gültigen Richtlinie "Strahlenschutz in
der Tierheilkunde".
Besonderheiten beim Pferd stellen dabei dar:
1. hohes Gewicht (im Durchschnitt 500kg) und viel Kraft
2. Fluchttier
3. Urinausscheidungen unkontrolliert
4. Narkose teuer und risikobehaftet (Narkoserisiko 100 Mal höher als bei
Mensch).
Damit sind humanmedizinische Strahlenschutzanforderungen nicht so einfach
übertragbar. Konkret wird dies in jedem Bundesland etwas unterschiedlich
gehandhabt.
Die nuklearmedizinische Therapie beschränkt sich bei Pferden im Wesentlichen auf
die Radiosynoviorthese von Gelenken. Diese hat sich nicht weitläufig durchgesetzt.
Diagnostisch werden vereinzelt Untersuchungen der Nieren, der Blutgefäße, des
Verdauungsapparates, des Thorax, der Leber und der Schilddrüse beschrieben. Den
Hauptanteil beim Pferd stellen Entzündungszintigraphien des Skeletts im Rahmen
des orthopädischen Untersuchungsganges dar. Lahmheiten des Pferdes sind ein
sehr häufig auftretendes Problem. Da das Pferd als Reit- und damit Sporttier
eingesetzt wird, stellen bereits minimale Lahmheiten ein großes Problem dar.
Der Untersuchungsgang beginnt mit dem Vorführen des Pferdes in verschiedenen
Gangarten und auf verschiedenen Böden. Dann wird die lahme Gliedmaße palpiert
und verschiedene Provokationstests angewendet. Sollte dies kein Ergebnis bringen,
werden mittels Leitungsanästhesien von Nerven bestimmte Bereiche der Gliedmaße
im Ausschlussverfahren betäubt. Kann damit Lahmfreiheit erreicht werden, hat man
die Schmerz verursachende Region zumindest grob eingegrenzt. Nun kann
zielgerichtet geröntgt oder mittels Ultraschall versucht werden, eine genaue Stelle
oder Veränderung zu finden. Manchmal ist das jedoch nicht möglich oder bringt kein
Ergebnis. Gründe dafür können sein:
• unkooperative Patienten, die sich nicht stechen lassen
• Regionen, die nicht mittels Leitungsanästhesien zu erreichen sind wie obere
Gliedmaßen, Rücken, Hals, Kopf
• Regionen, die bildgebend nicht darstellbar sind aufgrund der Größe und
Muskelmassen, wie das Iliosakralgelenk
• keine
Ergebnisse der Leitungsanästhesie: Pferd ist nicht lahmfrei zu
bekommen
• Komplexe Fälle, bei denen mehrere Beine betroffen sind
• Diagnostische Anästhesie nicht möglich, weil Fissurverdacht besteht. Bei einer
Leitungsanästhesie kann es dabei zu einer dramatischen Fraktur kommen.
In solchen Fällen ist eine szintigraphische Untersuchung angezeigt.
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Durchführung:
Die Pferde müssen vorher ausreichend bewegt (longiert) werden. Gliedmaßen
werden bandagiert und die Hufe geschützt, um eine bessere Durchblutung zu
erreichen und Kontamination mit dem eigenen Urin aus der Einstreu zu vermeiden.
Manche Untersucher verabreichen vor der Untersuchung harntreibende
Medikamente, damit während der Untersuchung die Blase leer ist.
Die Pferde bekommen einen Venenverweilkatheder implantiert, welcher angenäht
wird.
Für die Untersuchung werden die Pferde medikamentös ruhig gestellt. Dabei ist die
Dosierung wichtig. Bei zu geringer Dosierung können die Pferde vor der Kamera
scheuen, bei zu hoher Dosierung zu sehr schwanken.
Zwei Stunden nach Injektion von 5-6 GBq Tc99m werden die Pferde in den
Untersuchungsraum geführt und im Stehen untersucht. Eine Person fixiert das Pferd
am Kopf, eine bedient die Kamera und eine weitere schirmt die kontralaterale
Gliedmaße ab oder positioniert das Bein.
Für die Untersuchungen von Pferden sind umgebaute Gabelstaplersysteme oder
Trägersysteme optimal. Die Untersuchung des stehenden Pferdes hat sich in der
Praxis durchgesetzt.
Es werden sogenannte Palmaraufnahmen der Hufsohle der Vorderbeine als
statische Aufnahmen angefertigt. Alle anderen Aufnahmen werden als dynamische
Bilder aufgenommen, die mit einem Bewegungskorrekturprogramm bearbeitet
werden. Bei der Untersuchung schwanken die Pferde immer minimal.
Die Kamera muss am korrekt platzierten Bein symmetrisch beide Seiten unter den
gleichen Bedingungen abbilden.
Nach der Untersuchung muss das Pferd in einer isolierten Box für 48 Stunden
abklingen.
Abb. 1: Szintigraphische Untersuchung der Halswirbelsäule eines Pferdes
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Auswertung:
Neben der subjektiven Auswertung hat sich die „Region of Interest“ Technik
durchgesetzt.
Problematisch ist, dass sich Veränderungen im Knochenstoffwechsel als
szintigraphische Veränderungen abbilden, aber nicht immer gleichbedeutend mit
Schmerz sind und damit als Lahmheitsursache in Frage kommen. Es gibt
wissenschaftliche Untersuchungen, aber noch keine ausreichenden Erklärungen für
alles! Auch die szintigraphische Untersuchung muss deshalb sinnvoll in den
Gesamtablauf einer klinischen Untersuchung eingebunden werden und ist als
Screeningmethode ungeeignet.
Es werden einige Fallbeispiele vorgestellt.
Abb. 2: Szintigramm beider Vordergliedmaßen eines Pferdes. Über dem linken Vorderfußwurzelgelenk
ist eine fokale hochgradige verstärkte Anreicherung festzustellen, die auf einen Haarriss hinweist.
Röntgenologisch sind diese Befunde häufig nicht zu finden, können aber bei Nichterkennung zu
dramatischen Frakturen und zum Tod des Pferdes führen.
Abb. 3: Szintigramm beider Hintergliedmaßen eines Pferdes. Am linken Hinterbein fällt in Höhe der
straffen Gelenke (Pfeil) eine fokale Anreicherung auf. Die Lokalisation entspricht einer chronisch
degenerativen Erkrankung (Spat). Röntgenologisch sind nur geringe Veränderungen auffällig.
Abb. 4: Beide Vorderhufe reichern auf den Palmaraufnahmen deutlich vermehrt im Strahlbeinbereich
an. Dies deutet auf eine sogenannte Podotrochlose (Hufrollenerkrankung) hin.
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