Doping mit neuen Medikamenten

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Doping mit neuen Medikamenten
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Ausblick –
Doping mit neuen
Medikamenten
Prof. Dr. Mario Thevis und Prof. Dr. Wilhelm Schänzer
Selektive Androgenrezeptor
Modulatoren (SARMs)
kämpfung schwerer Krankheiten entwickelt
Die Gruppe der SARMs befindet sich mit einigen Vertretern bereits im fortgeschrittenen Entwicklungsstadium
(klinische Testphase 2 ist abgeschlossen) und zielt
­therapeutisch auf verschiedene Anwendungsgebiete ab,
die im Wesentlichen Muskelschwund und verwandte
Krankheiten sowie Osteoporose beinhalten. Aber
auch Altersgebrechlichkeit und Fertilitätskontrolle bei Männern werden untersucht. Der
besondere Aspekt dieser nicht-steroidalen Verbindungen (Beispiele siehe Abb. 1) ist die Eigenschaft, den Androgenrezeptor gewebeselektiv zu
aktivieren bzw. zu inhibieren und so gezielt Muskel­
hypertrophie zu stimulieren und Knochendichte zu steigern,
wobei gleichzeitig u. a. aber das Prostatawachstum verhindert
wird. Allgemein gesprochen werden die Vorteile einer Steroid­
ersatztherapie ohne die damit üblicherweise korrelierenden
Nebenwirkungen erreicht. Erste proof-of-concept Studien
haben gezeigt, dass ein Probandenpool, der über 12 Wochen
mit SARMs behandelt wurde, in diesem Zeitraum im Mittel
eine Zunahme der fettfreien Körpermasse von 1,3 kg bei
gleichzeitiger Kraftsteigerung erreichte, wodurch die anabolen
Eigenschaften der SARMs eindeutig belegt wurden.
werden und zum Teil großes Missbrauchs­
HIF-Komplex Stabilisatoren
Kalottenmodell von EPO
Bild: Dr. Udo Haberl, Head of Drug Design, AplaGen GmbH
Doping und Dopinganalytik sind seit jeher sehr
dynamische Felder aufgrund zahlreicher
­neuer pharmazeutischer Produkte, die zur Be­
potenzial für den Elite-Sport besitzen.
Neue Substanzklassen, deren Einzug früher
oder später in den Sport zu erwarten ist und
die sich durch aktive Diskussionen in einschlä­
gigen Internetforen bereits ankündigen, sind
unter anderem sogenannte Selektive
­Androgenrezeptor Modulatoren (SARMs) und
HIF-Komplex Stabilisatoren [1]
network
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Verbindungen, die zur Klasse der HIF-Komplex Stabilisatoren gehören (Beispiele siehe Abb. 2), gelten als viel versprechende Alternative zu herkömmlichen Therapien gegen
­Anämie, die im Allgemeinen auf der Applikation von rekombinantem Erythropoietin (EPO) basieren. Während Peptidhormone wie EPO in der Regel subkutan verabreicht werden
müssen, können niedermolekulare Verbindungen wie Vertreter der HIF-Komplex Stabilisatoren oral verabreicht werden.
Diese sorgen dafür, dass die körpereigene EPO-Produktion
stimuliert wird, indem ein Proteinkomplex, bestehend aus
HIF-1α, HIF-1β und p300/CREB, nicht durch oxidative
Veränderungen u. a. über Prolylhydroxylasen zum Abbau
markiert und mittels von-Hippel-Lindau Protein/Ubiquitin
Ligase Komplex proteasomal degradiert wird [2]. Der intakte
Proteinkomplex ist Grundlage der endogenen EPO-Freisetzung und somit Schlüsselfaktor bei der Neubildung von
Erythrozyten, welche maßgeblich am Sauerstofftransport im
menschlichen Organismus beteiligt sind.
Dopingrelevanz
Univ.-Prof. Dr. Mario Thevis
Anabole Wirkstoffe wie anabol-androgene Steroide oder β2Agonisten (z. B. Clenbuterol) sind seit mehr als 20 Jahren
die am häufigsten detektierten verbotenen Substanzen in
Dopingkontrollproben. Zudem haben sich Substanzen zur
Steigerung der Erythropoese wie rekombinantes EPO ebenfalls als wesentlicher Aspekt des Dopings herausgestellt.
Daher stellen pharmazeutische Neuentwicklungen auf diesen
Gebieten, insbesondere mit vereinfachter Applikationsroute
und/oder erheblich geringerem Nebenwirkungsprofil, neue
Möglichkeiten für einen Medikamentenmissbrauch im Sport
dar. Um diesen frühzeitig zu begegnen, bedarf es präventiver
Maßnahmen, die Nachweisverfahren für solche Verbindungen
bedeuten. Die Entwicklung von Testmethoden sollte dabei
bereits vor der Marktreife und Einführung der neuen Produkte
erfolgen, um zum Zeitpunkt der Erwerbsmöglichkeit auf
Dopingversuche vorbereitet zu sein. Dabei ist die Flexibilität
und umfassende Substanzklassenerkennung von großem
Interesse, da vollsynthetische Produkte wie SARMs und HIFKomplex Stabilisatoren in sehr großer Vielfalt auftreten
können und zudem Stoffwechselwege und demnach urinäre
Metabolitenmuster zunächst unbekannt sind. Daher sollten
neue Analyseverfahren, die solche Verbindungen erfassen,
nicht ausschließlich Zielanalyten bestimmen, sondern vielmehr gemeinsame Kernstrukturen von Substanzklassen berücksichtigen. Im Falle verschiedener SARMs sind solche
Methoden bereits etabliert worden und werden seit einiger
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www.zepraedo.de
Zeit als Präventivmaßnahmen eingesetzt [3]. Prozeduren zur
Bestimmung
von HIF-Komplex Stabilisatoren befinden sich
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derzeit noch in Entwicklungsphasen,
da chemische und strukO
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turelle Details
zu besonders
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bislang
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nicht veröffentlicht wurden.
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[1] Thevis, M.; Schänzer, W. Emerging Drugs
H 3 C - Potential
O H for misuse in sport and doping control
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detection strategies. Mini-Reviews in Medicinal Chemistry 2007, 7, (5), 533-539.
[2] Jelkmann, W. Molecular biology of erythropoietin. Intern Med 2004, 43, (8), 649-659.
[3] Thevis, M.; Kamber, M.; Schänzer, W. Screening for metabolically stable aryl-propionamide-derived
selective androgen receptor modulators for doping control purposes. Rapid Commun Mass Spectrom 2006,
20, (5), 870-6.
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Professor für Präventive Dopingforschung und Sprecher
des Zentrums für Präventive Dopingforschung an der
Deutschen Sporthochschule Köln. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Entwicklung neuer
Nachweisverfahren für die Dopinganalytik (insbesondere
neuer anaboler Wirkstoffe und Peptidhormone) und der
Untersuchungen zu Veränderungen von Proteinprofilen
unter verschiedenen sportlichen Bedingungen.
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Abb. 1 Chemische Strukturen ausgewählter Selektiver Androgenrezeptor
Modulatoren (SARMs). Links sind zwei Vertreter der sogenannten Arylpropionamide und rechts ein Repräsentant der bizyklischen Hydantoine abgebildet.
Abb. 2 Grundstrukturen ausgewählter HIF-Komplex Stabilisatoren,
welche die körpereigene EPO-Produktion stimulieren.
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