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SO
EHRLICH
RD GLOBAL
TEST
IST DIE
WELT
VON AUTHORS NAME HERE
VON SIMON HEMELRYK
In 32 Metropolen rund
um den Globus haben wir
960 Handys „verloren“.
So manche für immer …
Ein warmer nachmittag im Bosques de Palermo, dem größten Park
der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires: Marcelo Elías joggt
an einem klingelnden Handy vorbei. Der 38-jährige Hausmeister
bleibt stehen, hebt es auf und antwortet: „Ihr Handy lag neben dem
Weg. Wo sind Sie jetzt?“ Die dankbare Besitzerin erklärt ihm, dass
sie fünf Häuserblocks entfernt wartet. Marcelo läuft los und bringt
ihr das vermisste Handy.
36
FOTO-IL LUSTRATION VON M I C HAEL BENNETT
37
RD
I
AUGUST 2007
Auf der anderen Seite des Atlantik:
Ein weiteres herrenloses Handy liegt
im quirligen Londoner Stadtteil Soho
neben der Statue König Charles’ II. In
der Nähe füttert ein Mann Ende 20 in
einem saloppen schwarzen Jackett
Tauben mit Brot. Kaum ist eine
Gruppe japanischer Touristen vorbeigeschlendert, hebt er das Handy auf.
Vorsichtig blickt er sich um und eilt
davon in Richtung Oxford Street, wo er
in der Menge untertaucht. Er ruft keine
der eingespeicherten Nummern an.
Das Handy verschwindet für immer.
In der ungarischen Hauptstadt Budapest klingelt ein weiteres Handy in
einem Einkaufszentrum. Ildikó Juhász,
eine braun gebrannte, jugendlich wirkende Rentnerin, hebt das Gerät auf,
antwortet der Besitzerin und wartet
geduldig auf einer Bank, bis die Frau
es abholt. „Ich gebe alles zurück, was
ich finde“, erklärt ihr Ildikó. „Einmal
war es eine Sozialversicherungskarte.
Es dauerte eine Woche, bis ich den
Besitzer ausfindig gemacht hatte.“
K
eines der Handys war
wirklich verloren oder
vergessen worden. Vielmehr führte Reader’s Digest ein Experiment durch.
Letzten Sommer testeten
wir die Höflichkeit („Wie höflich ist
die Welt?“ in unserer Juliausgabe
2006). Dieses Jahr beschlossen wir,
die Ehrlichkeit zu prüfen. Zu diesem
Zweck schickten wir Reporter in die
größten Städte von 32 Ländern. Auf
belebten öffentlichen Plätzen legten
wir insgesamt 960 Handys der mittleren Preisklasse ab.
Wir beobachteten die Handys aus
einiger Entfernung, ließen sie klingeln
und warteten ab, wie die Finder oder
Finderinnen sich verhielten. Würden
sie antworten und das Gerät zurückgeben? Würden sie eine der im Handy
gespeicherten Nummern anrufen oder
das Handy einfach behalten? Die Verlockung war groß: Immerhin waren
es nagelneue Geräte mit SIM-Karte,
die jeder nutzen konnte.
Anschließend erstellten wir – nach
der Anzahl der zurückgegebenen Handys – eine Rangliste der ehrlichsten
Städte. Unser Experiment ist jedoch
keine wissenschaftliche Studie, eher
eine Momentaufnahme. Wie verhalten sich Menschen, wenn sie sich
plötzlich entscheiden müssen: Soll ich
das Handy zurückgeben, oder soll ich
es doch lieber behalten? Die Ergebnisse haben uns überrascht und neugierig gemacht.
Slowenien ist ein junges Land. Erst
1991 wurde es von Jugoslawien unabhängig und trat 2004 der Europäischen
Union bei. Trotzdem besitzen die Einwohner der Hauptstadt Ljubljana
DIE VERLOCKUNG IST GROSS:
ES SIND NEUE GERÄTE MIT SIMKARTE, FÜR JEDEN NUTZBAR
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einen altmodischen Sinn für Anständigkeit. Der Bilderbuchort,
der sich am Fuß der Alpen in die
Landschaft schmiegt, war mit
267 000 Einwohnern in unserer
Untersuchung bei Weitem die
kleinste Stadt. Vielleicht landete
sie deshalb auf der Rangliste der
Ehrlichkeit ganz oben. Ob eine
Nonne an einer Bushaltestelle
oder ein junger Kellner in einem
Café, der auch eine Lederjacke
sicherstellte, die unser Reporter
zufällig vergessen hatte – die Einwohner zeigten sich fast ausnahmslos hilfsbereit. Von unseren 30 Handys kehrte nur eines
nicht zu uns zurück.
Sind die Einwohner einer
deutlich größeren Stadt, in der
mehr Stress und Hektik herrschen, ebenso ehrlich? Ja. Im kanadischen Toronto mit seinen 5,4
Millionen Einwohnern erhielten
wir von 30 „verlorenen“ Handys
28 zurück – nur eines weniger
als in Ljubljana. „Wenn man jemandem helfen kann, warum
nicht?“, sagte der 29-jährige Versicherungsmakler Ryan Demchuk, als er uns das Handy zurückgab, das wir in einer unterirdischen Passage nahe einer
Bank deponiert hatten. „Ehrlichkeit wird großgeschrieben in dieser Stadt. Ich selbst verlor auch
schon mal meine Brieftasche
und habe sie wieder zurückbekommen. Einmal fand ich in
einer Woche zwei Brieftaschen,
die ich zurückgab.“
SO VIELE
HANDYS
KAMEN
ZURÜCK–
JE NACH
STADT
Platz
Stadt
Land
Abgegebene
Handys
(von 30)
1
2
3
4
5=
Ljubljana
Toronto
Seoul
Stockholm
Mumbai
Manila
New York
Helsinki
Budapest
Warschau
Prag
Auckland
Zagreb
São Paolo
Paris
Berlin
Bangkok
Mailand
Mexiko-Stadt
Zürich
Sydney
London
Madrid
Moskau
Singapur
Buenos Aires
Taipei
Lissabon
Amsterdam
Bukarest
Hongkong
Kuala Lumpur
Slowenien
Kanada
Südkorea
Schweden
Indien
Philippinen
USA
Finnland
Ungarn
Polen
Tschechien
Neuseeland
Kroatien
Brasilien
Frankreich
Deutschland
Thailand
Italien
Mexiko
Schweiz
Australien
Großbritannien
Spanien
Russland
Singapur
Argentinien
Taiwan
Portugal
Niederlande
Rumänien
Hongkong
Malaysia
29
28
27
26
24
24
24
23
23
23
23
23
23
21
21
21
21
20
20
20
19
19
18
17
16
16
16
15
14
14
13
13
8=
14 =
18 =
21 =
23
24
25 =
28
29 =
31 =
RD
I
AUGUST 2007
Seoul in Südkorea kam auf unserer
Rangliste auf Platz drei, gefolgt vom
schwedischen Stockholm, wo Ehrlichkeit auch zum täglichen Berufsleben
gehört. Die Schaffnerin Lotta MossigeNorheim hatte unser Handy in einer
Geschäftsstraße gefunden. „Ich rufe
grundsätzlich alle Leute an, die ihr
Handy im Zug vergessen haben“, sagte
sie uns bei der Rückgabe.
Letztes jahr war die Verblüffung
groß, als New York, deren Einwohner
als rüde und unhöflich gelten, an der
Spitze unserer Höflichkeitsrangliste
auftauchte. Aber auch in unserem
diesjährigen Ehrlichkeitstest erzielten
die New Yorker ein sehr gutes Ergebnis: Immerhin sicherten sie sich mit
dem indischen Mumbai und dem philippinischen Manila den fünften Platz.
In allen drei Städten kehrten von 30
Handys 24 zu uns zurück.
In New York hatten wir ein Handy
an einem Brunnen im Central Park
abgelegt. Der Techniker
Derrick Wolf, 25, stieß es
zunächst nervös mit
dem Fuß an, bevor er es
schließlich aufhob. „Ich
dachte, hoffentlich ist
es keine Bombe“, sagte er. „Manche New
Yorker haben vielleicht Angst, ein
fremdes Handy aufzuheben, aber die meisten sind ehrlich.“
Im indischen Mumbai legten sich die Bürger sehr ins Zeug, um
40
W I E E H R L I C H I S T D I E W E LT ?
die Ehrlichkeit ihrer Stadt zu beweisen. Als ein Mann ein Handy in einem
Laden fand und dem Besitzer Manoj
Patil verkündete, dass er es behalten
wolle, mobilisierte dieser ein paar
Freunde. Die stellten den Mann dann
im nächsten Kleidergeschäft, in dem
er als Verkäufer arbeitete, zur Rede.
„Ich hätte das Handy zurückgegeben“,
versuchte er unseren Reporter zu
überzeugen, während die Menge ihn
beschimpfte.
„Warum haben Sie das Gerät dann
abgeschaltet?“, wollte unser Reporter
wissen. Der Mann lachte zuerst verlegen, dann rannte er davon.
Ganz unten auf unserer Rangliste
landeten Malaysias Hauptstadt Kuala
Lumpur und die chinesische Hafenstadt Hongkong. Nur 13 der 30 Handys wurden in diesen Städten
zurückgegeben.
Auf einer beliebten Einkaufsstraße in Hongkong
wurde unser Handy von
einem Wachmann gefunden. Er wandte
sich an eine Gruppe von Rauchern
und fragte, ob
es vielleicht
einem von
ihnen gehöre.
Dann wickelte er
es in ein Stück Papier ein. Daraufhin sprach ihn unsere Reporterin an.
„Welches Handy?“,
f ra g te d e r Wa c h -
mann zurück. „Ich habe kein Handy
gesehen.“ Dabei hatte er das Gerät in
der Hand. „Wenn Sie etwas verloren
haben“, sagte er schließlich, „fragen
Sie doch auf dem Fundbüro nach.“
Männer in Uniform sind offenbar
nicht immer vertrauenswürdig. Dieser war einer von insgesamt sechs
Wachmännern rund um den Globus
von Buenos Aires bis Sydney, die von
unseren Mitarbeitern dabei beobachtet wurden, wie sie ein Handy einsteckten, ohne sich anschließend zu
melden. Beruhigenderweise glänzten
alle Polizisten, mit denen wir zu tun
hatten, durch Ehrlichkeit. Zur großen
rige Stanciu Vica war nur eine von vielen, die auf die Religion verwies, um
zu erklären, warum sie unser Gerät
zurückgegeben hatte. „Wie könnte ich
etwas nehmen, was mir nicht gehört?“,
fragte sie. „Gott würde mich in einen
Stein verwandeln.“
W
o h l sta n d e r w i e s
sich nicht unbedingt
als Garantie für Ehrlichkeit. Im reichen
Neuseeland deponierten wir ein
Handy vor einem Nobelkaufhaus in
Auckland. Eine gut gekleidete Dame
„WELCHES HANDY?“, FRAGT DER
WACHMANN IN HONGKONG. DABEI
HÄLT ER DAS GERÄT IN DER HAND
Überraschung unseres Reporters
sogar in São Paulo, Brasilien, wo Polizeibeamte weithin als korrupt gelten.
Bukarest, Rumäniens Hauptstadt, und
Amsterdam landeten mit 16 unterschlagenen Handys innerhalb von Europa auf dem letzten Platz unserer
Rangliste. Besonders dreist war ein
ungefähr 30-jähriger Mann in einem
blauen Pullover in Bukarest. Er fand
unser Handy in einem Einkaufswagen.
Als unser Reporter es klingeln ließ,
schaltete er es ab, rannte zu seinem
Auto, trat aufs Gaspedal und raste mit
quietschenden Reifen vom Parkplatz.
Tatsächlich bedarf es offenbar einer
höheren Macht, um die Bukarester zur
Ehrlichkeit zu bewegen. Die 68-jäh-
um die 50 schnappte sich das Gerät,
eilte davon und versuchte erst gar
nicht, mit unserem Reporter Kontakt
aufzunehmen. Anders eine ärmlich
wirkende Brasilianerin, die mit ihren
drei kleinen Kindern in São Paulo
unterwegs war. Sie gab das Handy, das
sie in einem Park gefunden hatte, an
uns zurück. „Ich bin zwar nicht reich“,
sagte sie, „aber meine Kinder sollen
wissen, was Ehrlichkeit ist.“
Viele Leute, mit denen wir sprachen, äußerten die Vermutung, dass
die Jungen weniger ehrlich seien als
die Älteren. Doch wir stellten keine
Unterschiede fest. Auf der Plaza Universidad in Mexiko-Stadt schlenderte
ein grauhaariges Ehepaar in den Sieb41
RD
I
AUGUST 2007
zigern an unserem Handy vorüber.
Der Mann kehrte zurück und hob das
Gerät auf. Beide ignorierten den Anruf
unserer Reporterin und machten sich
über die Rolltreppe schleunigst davon.
Anders ein junger Schwarzer im
New Yorker Stadtteil Harlem: Er verabredete sich mit uns, um das auf der
Straße gefundene Handy zurückzugeben. Am Abend trafen wir uns mit
dem 16-jährigen Johnnie Sparrow, der
mit einer Gang junger Afroamerikaner erschien. Es war offensichtlich,
dass sie zu ihm aufschauten. „Ich habe
das Richtige getan“, sagte er zu ihnen,
als er von unserem Test erfuhr.
W I E E H R L I C H I S T D I E W E LT ?
Viele Erwachsene, die Kinder
dabei hatten, als sie unser Handy
fanden, wollten vor allem mit
gutem Beispiel vorangehen. So
war in Hounslow im Londoner
Westen Mohammed Jusuf Mahmud, 33, mit seinen beiden Töchtern unterwegs, als er unseren
Anruf bekam. „Ich bin froh, dass
ich die Kinder dabei hatte“, sagte
er. „Hoffentlich war ich ihnen ein
gutes Vorbild.“
Nicht jeder war darauf bedacht, ein gutes Beispiel abzugeben. In Amsterdam fand ein etwa
zehnjähriger Junge auf der Kalverstraat unser Handy. Er wollte
es behalten. Seine Eltern schienen zunächst uneins. Doch der
Bub bat und bettelte. Er gab seiner Mutter einen Kuss auf die
Wange und strahlte sie an. Da
gaben die Eltern nach.
aus dem Keller gestohlen worden“,
sagte Kristiina Laakso, 51, die eines
unserer Handys in Helsinki fand.
Der Immobilienmakler Lewis Lim
gab ein Handy zurück, das im Bankenviertel von Singapur „verloren“ gegangen war. Er wollte sicherstellen,
dass es nicht in falsche Hände geriet.
„Ich habe einmal ein Handy liegen lassen und bekam die Nachricht zugeschickt, dass ich es für 200 US-Dollar
zurückbekäme. Seither trage ich kein
teures Gerät mehr mit mir herum.“
Andere ehrliche Finder dachten an
die gespeicherten Daten und dass
diese vielleicht sehr wichtig für den
Frauen gaben das Handy häufiger
zurück als Männer. „Frauen suchen
eher Gelegenheiten, Beziehungen zu
verbessern, zum Beispiel durch eine
gute Tat“, sagt Terrence Shulman, Anwalt und Gründer des Shulman-Zentrums in Franklin im US-Bundesstaat
Michigan, in dem zwanghaftes Stehlen und Kaufen behandelt wird.
Als häufigsten Grund dafür, warum
sie das Handy zurückgegeben hatten,
nannten die Ehrlichen überall auf der
Welt, dass ihnen auch schon einmal
etwas Wertvolles abhanden gekommen war und sie nicht wollten, dass
anderen dasselbe widerfuhr. „Mir ist
dreimal das Auto und sogar Wäsche
42
Besitzer waren – unabhängig vom materiellen Wert des Handys. Yann, ein
Kurier, der unser Handy vor den Büros
einer Bank in Paris fand, erklärte: „Einmal habe ich ein sehr schönes Handy
gefunden. Es gehörte einem hohen Beamten der ägyptischen Botschaft. Es
waren viele Telefonnummern wichtiger Leute darin gespeichert. Ich habe
es natürlich zurückgegeben.“
Manche erklärten ihre Ehrlichkeit
mit der Erziehung in ihrem Elternhaus. „Meine Eltern brachten mir bei,
fremde Sachen nicht zu behalten“,
sagte Mohammed Faisal Bin Hassan,
Angestellter in einem Einkaufszentrum in Singapur, als er unseren Anruf
entgegennahm.
FOTOGRAFIERT VON MICHAEL KALLINGER
EIN JUNGE IN AMSTERDAM WILL
DAS HANDY BEHALTEN. ER BETTELT,
BIS SEINE ELTERN NACHGEBEN
Wie also schnitt die Welt bei unserem Ehrlichkeitstest ab? Wohin
unsere Reporter auch kamen,
überall hörten sie pessimistische
Einschätzungen der Chancen, die
„verlorenen“ Handys zurückzubekommen. „In Deutschland
geht es inzwischen sehr unehrlich zu“, beklagte sich die Berliner Verkäuferin Doreen. Viele
Thailänder, die wir in Bangkok
befragten, glaubten, wir hätten
Glück, wenn wir nur die Hälfte
unserer Handys zurückbekämen.
Unsere Reporter in Mailand
waren überzeugt, ihre Landsleute
seien wohl zu „betrügerisch“, um
UND WIE
EHRLICH
WAREN
NUN DIE
BERLINER?
m letzten Jahr hatten sie uns noch positiv überrascht: In unserem Höflichkeitstest (Ausgabe 7/2006) belegten die mitunter als etwas schnodderig verschrienen Menschen in Berlin einen soliden vierten Platz.
Dass man höflich, aber trotzdem unehrlich
sein kann, legen die Ergebnisse unseres diesjährigen Tests nahe: Von 30 Handys, die wir
in der Bundeshauptstadt als Köder ausgelegt
hatten, fanden nur 21 den Weg zu uns zurück.
„Auffallend war, dass sechs der neun verschwundenen Geräte von jüngeren Männern
eingesteckt wurden“, sagt Dennis Kübler
(Foto), der mit Kollegen die Handys in Berlin
auslegte und beobachtete. Besonderen Eindruck hinterließ bei ihm aber eine Mutter,
die sich alles andere als vorbildlich benahm:
„Nachdem sie das klingelnde Handy eine Zeit
lang beobachtet hatte, dirigierte sie ihren
Sohn in die Nähe des offensichtlich herrenlosen Telefons“, erzählt er. Beide verhielten
sich dabei so, als wollte die Mutter mit ihrer
Kamera ein Porträtfoto von dem Teenager
schießen. „Als der Junge dann neben dem
Handy war, hat er es rasch eingesteckt.“ Tester Kübler: „Wir haben das Handy dann noch
mehrfach angerufen, aber niemand ging ’ran.“
Versöhnlicher stimmen da die 21 ehrlichen
Finder, die unsere Handys an die Tester zurückgaben oder als gefunden meldeten.
Warum, bringt Finderin Nadine R. auf den
Punkt: „Wenn du ehrlich zu anderen bist,
MKA
sind sie auch ehrlicher zu dir.“
I
RD
I
AUGUST 2007
„MAN FINDET UND VERLIERT SACHEN“,
SAGT FERENC KOZMA, „ABER DIE
EIGENE EHRLICHKEIT BLEIBT EINEM.“
fremdes Eigentum zurückzugeben.
In Mexiko-Stadt meinten Einwohner,
die schlechte Wirtschaftslage fördere
egoistisches Verhalten. Und trotzdem:
Von insgesamt 30 Handys erhielten
wir in Berlin und Bangkok immerhin
21 und in Mexiko-Stadt und Mailand
noch 20 zurück.
Weltweit kamen von insgesamt 960
„verlorenen“ Handys 654 zu uns zurück – das sind erfreuliche 68 Prozent.
„Entgegen dem von den Medien erzeugten Eindruck ist kriminelles Verhalten nicht die Norm“, sagt Paul
Ekman, Psychologe an der Universität
von Kalifornien und Autor des Buches
Gefühle lesen. „Die Menschen wollen
anderen vertrauen. Und sie wollen,
dass man ihnen vertraut.“
Dem würde Ferenc Kozma nicht
widersprechen. Der 52-jährige Ungar,
ein ehemaliger Bauunternehmer, ist
schon seit sechs Jahren obdachlos.
Trotzdem wäre er nie auf den Gedanken gekommen, das Handy für sich zu
behalten, das er auf einem Bahnsteig
in Budapest gefunden hatte. „Man findet und man verliert Sachen“, sagte
Kozma. „Aber die eigene Ehrlichkeit
bleibt einem.“
EINE FRAGE …
In unserer großen Familie sind alle kurzsichtig. Die Brille gehört stets
dazu, wenn wir den Kindern aus einem Buch vorlesen.
Einen meiner Neffen muss das ziemlich beeindruckt haben. Nachdem er in den Kindergarten gekommen war, fragte ich ihn scherzhaft,
ob er denn schon lesen könne.
„Natürlich“, antwortete er stolz, setzte sich die Brille meiner Mutter auf und „las“ uns eine Geschichte vor. PH AVANA A N GK I N A N D, Thailand
… DER OPTIK
Als gebürtige Inderin beschloss ich nach 15 Jahren in den USA, die
amerikanische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Am Tag meines
Treue-Eids sagte ich meinem fünfjährigen Sohn Pranav, dass ich jetzt
Amerikanerin werden würde. Als ich ihn bei meiner Freundin absetzte, weinte er. Da ich in Eile war, tröstete ihn meine Freundin.
Als ich zurückkam, wurde mir einiges klar. Pranav hatte gesagt, er
wolle nicht, dass ich „anders aussehe“. Er hatte befürchtet, dass ich infolge der neuen Staatsbürgerschaft blond und blauäugig würde. R. T.
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