„Aktuelle Entwicklungen des materiellen Informationsstrafrechts“
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„Aktuelle Entwicklungen des materiellen Informationsstrafrechts“
Prof. Dr. Ulrich Sieber Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht Seminar im Rahmen der Schwerpunktausbildung SPB 3 (Strafrechtliche Rechtspflege) sowie SPB 8 (Recht der Informationsgesellschaft) Im kommenden Wintersemester 2007/2008 veranstalte ich ein Seminar zum Rahmenthema: „Aktuelle Entwicklungen des Informationsstrafrechts“ Die Bearbeitung sämtlicher Themen soll nach Möglichkeit unterteilt werden in einen Überblick zur Phänomenologie (mit aktuellen Fallgestaltungen, max. 1/3 der Gesamtbearbeitung), die Bewertung de lege lata sowie ggf. Ausführungen zur Reform und zur internationalen Rechtslage. Seminarthemen: 1. Strafbarkeit des Hackings gem. § 202a StGB n.F. 2. Strafbarkeit von sog. Hacking-Tools gem. § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. 3. Strafbarkeit des Phishings unter besonderer Berücksichtigung von § 202c Abs.1 Nr. 1 StGB n.F. 4. Strafbarkeit von Denial-of-Service-Angriffen gem. § 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB n.F. 5. Urheberstrafrecht nach dem sog. 2. Korb 6. Anleitung zur Begehung von Straftaten 7. Strafbarkeit sog. „Hate Speech“ in den USA und in Deutschland 8. Kinderpornographie in der virtuellen Welt des „Second Life“ 9. Rechtliche Bewertung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht 10. Rechtliche Bewertung von Ehrschutzdelikten im Internet 11. Cyber-Stalking Hinweise zu den einzelnen Themen 1. Strafbarkeit des Hackings gem. § 202a StGB n.F. Die internationalen Vorgaben der Cybercrime-Convention des Europarates (ETS-Nr. 185) und des EU-Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme (2005/222/JI) machten Anpassungen des § 202a StGB erforderlich. Stellen Sie die erforderlichen Veränderungen heraus und untersuchen Sie, inwieweit der deutsche Gesetzgeber diese durch das 41. Strafrechtsänderungsgesetz erfolgreich umgesetzt hat. Zeigen Sie anhand praktischer Beispielsfälle auf, ob gegenüber dem Strafrechtsschutz nach § 202a StGB a. F. nunmehr mit § 202a StGB n. F. neue Schutzlücken auftreten bzw. inwieweit den Schutzzielen der IT-Sicherheit (Vertraulichkeit, Integrität/Unversehrtheit und Verfügbarkeit/Funktionsfähigkeit von Daten und Systemen) Genüge getan wurde. 2. Strafbarkeit von sog. Hacking-Tools gem. § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F. Sog. Hacking-Tools sind Programme zum Knacken von elektronischen Schutzmechanismen. Der Europarat hat in Art. 6 der Convention on Cybercrime (ETS-Nr. 185) u. a. das Herstellen, Verkaufen und Beschaffen von Hacking-Tools als materiellen Straftatbestand aufgenommen. Diese Vorgaben versuchte der deutsche Gesetzgeber in § 202c Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F. mit dem 41. Strafrechtsänderungsgesetz umzusetzen. Geben Sie einen Überblick über die einzelnen Phänomene der Hacking-Tools und beleuchten Sie den Vorfeldschutz (auch rechtpolitisch). Bewerten Sie zudem, inwieweit die Umsetzung der Vorgaben des Europarates unter besonderer Berücksichtigung der sog. Dual-UseProblematik dem deutschen Gesetzgeber gelungen ist. 3. Strafbarkeit des Phishings unter besonderer Berücksichtigung von § 202c Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. Das Phänomen Phishing umschreibt Sachverhalte, in denen Täter i.d.R. per E-Mail, Dritte zur Preisgabe ihrer Zugangsdaten verleiten wollen, um mit diesen Sicherungscodes anschließend betrügerische Transaktionen vorzunehmen. Stellen Sie die aktuelle Bedrohungslage anhand einzelner Falltypen des Phishings dar. Beleuchten Sie nachfolgend, inwieweit mit dem Vorfeldtatbestand nach § 202c Abs. 1 Nr. 1 StGB n. F. der Bedrohung juristisch entgegen gewirkt werden kann. Gehen Sie außerdem argumentativ der Frage nach, ob das Strafrecht eine Schutzlücke im Kampf gegen das Phishing aufweist und entwickeln Sie ggf. Lösungsansätze. 4. Strafbarkeit von Denial-of-Service-Angriffen gem. § 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F. Zur Umsetzung der internationalen Vorgaben der Cybercrime-Convention des Europarates (ETS-Nr. 185) und des EU-Rahmenbeschlusses über Angriffe auf Informationssysteme (2005/222/JI) waren zahlreiche Veränderungen am Tatbestand der Computersabotage erforderlich. Arbeiten Sie heraus, inwieweit der deutsche Gesetzgeber mit § 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB der strafrechtlichen Erfassung sog. (Distributed) Denial-of-Service-Angriffe entsprechend den internationalen Vorgaben gerecht wurde. Legen Sie dar, ob § 303b Abs. 1 Nr. 2 StGB n. F. das Phänomen des (Distributed) Denial-of-Service-Angriffs und der gleichgelagerten Online-Demonstration strafrechtlich erfasst. Untersuchen Sie insbesondere, worin sich die Phänomene unterscheiden und ob eine rechtlich differenzierte Strafbewertung sinnvoll ist. 5. Urheberstrafrecht nach dem sog. 2. Korb Anfang Juli 2007 wurde die lange und kontrovers diskutierte 2. Stufe der Urheberrechtsnovelle verabschiedet. Durch diesen sog. 2. Korb ergeben sich auch Veränderungen für das Informationsstrafrecht. So wurde insbesondere die im 1. Anlauf verunglückte Formulierung der Schrankenbestimmung in § 53 UrhG um die Alternative der „offensichtlich rechtswidrig zugänglich gemachten“ Vorlage ergänzt. Stellen Sie die Änderungen dar. Rechtstatsächlich könnte für Sie ferner spannend sein, wie Peer-to-PeerTauschbörsen auf die Novelle mit technischen Weiterentwicklungen reagieren. Auch könnten Sie die Debatte um die (aus dem Entwurf gestrichene) sog. Bagatellklausel zur Vermeidung einer „Kriminalisierung der Schulhöfe“ einbeziehen. 6. Anleitung zur Begehung von Straftaten Unter dem Etikett der Terrorismusbekämpfung hat der EU-Kommissar für Justiz, Freiheit und Sicherheit, Franco Frattini, kürzlich gefordert, Anleitungen zum Bombenbau im Internet EU-weit unter Strafe zu stellen. Diese Medienmeldungen geben Anlass, sich mit der geltenden nationalen Rechtslage auseinanderzusetzen. Welche Tatbestände kommen bei der Anleitung zur Herstellung verbotener Gegenstände schon bisher in Betracht? Darstellen können Sie dabei auch die Abgrenzung, bzw. den Überschneidungsbereich zur öffentlichen Aufforderung zur Begehung von Straftaten. 7. Strafbarkeit sog. „Hate Speech“ in den USA und in Deutschland Während in Deutschland rassistische und fremdenfeindliche Äußerungen strafbar sind, können in den USA diese Äußerungen unter dem Schutz des First Amendment zur Verfassung ohne Furcht vor Strafverfolgung in das Internet gestellt werden. Dies nutzen Straftäter bewusst aus, wenn sie derartige Inhalte über Server in den USA auf Webseiten veröffentlichen. In dem Referat ist rechtsvergleichend die Rechtslage in den USA und in Deutschland für die Strafbarkeit von Hate Speech zu beleuchten. Im Weiteren ist auf die Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung dieser Delikte durch deutsche Ermittlungsbeamte einzugehen. 8. Kinderpornographie in der virtuellen Welt des „Second Life“ Das Online-Spiel „Second Life“ sorgte kürzlich für negative Schlagzeilen, als Geschlechtsverkehr mit minderjährigen Avataren, also „virtuellen Kindern“, angeboten und von anderen Nutzern vollzogen wurde. Die Staatsanwaltschaft kündigte Ermittlungen an. Überprüft werde auch, ob Second Life als Plattform für den Handel mit kinderpornographischem Material diene und wie dies ggf. juristisch zu bewerten sei. Stellen Sie dar, ob und inwieweit virtuelle Kinderpornographie nach geltendem Recht strafbar ist. Regelungen zu Pornographie finden sich nicht nur im Kernstrafrecht, sondern auch im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag. Der Betreiber Linden Lab kündigte an, den Vorfällen mit einem Altersverifikationssystem zu begegnen. Stellen Sie dar, welche Probleme sich auf diese Weise lösen lassen. 9. Rechtliche Bewertung von Verstößen gegen das Datenschutzrecht Mit Datenschutzverletzungen im Internet wird häufig der Fall Bodil Lindqvist assoziiert. Um über ihre Arbeit in der Kirchengemeinde zu informieren, richtete die Schwedin Lindqvist eine Internetseite ein, die humorvolle Informationen über Arbeitskollegen enthielt. In einem Fall erwähnte sie, dass eine Kollegin verletzt und krankgeschrieben sei. Der EuGH stellte anhand dieses Sachverhalts klar, dass Internetauftritte von Privatpersonen in den Anwendungsbereich der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG einzubeziehen seien. Nicht nur aufgrund der europarechtlichen Vorgaben stellt das Datenschutz(straf)recht bei Online-Sachverhalten ein spannendes Thema dar. Verschiedene gesetzliche Regelungen sind einschlägig. Arbeiten Sie die Grundprinzipien und wesentlichen Regelungen des Datenschutzstrafrechts heraus. Einen ganz anderen Schwerpunkt als der Fall Lindqvist könnten dabei Sachverhalte bilden, in denen für Wirtschaftsunternehmen Millionen auf dem Spiel stehen, zum Beispiel bei der Frage des IT-Outsourcings. 10. Rechtliche Bewertung von Ehrschutzdelikten im Internet Schüler nutzen immer häufiger das Internet, um ihre Meinung insbesondere über die Lehrerschaft zu verkünden. Sie betiteln missliebige Lehrer beispielsweise auf Webseiten u.a. als „Fachidioten“ oder „Arschlöscher“ und sprechen gegen diese Drohungen oder Warnungen aus. Sie legen ferner unter deren Namen etwa in einem Single-Chat Userprofile an und stellen teils abfällige, teils obszöne Inhalte im Chatroom unter diesen Profilen ein. Geben Sie im Referat einen Überblick über das Phänomen des Online-Prangers anhand des Umgangs mit Lehrern durch Schüler. Stellen Sie heraus, inwiefern sich die Verletzung der Ehre in der Off- und Online-Welt unterscheiden und bewerten Sie die strafrechtliche Relevanz der Handlungen, insbesondere unter dem Blickwinkel des Ehrschutzes. 11. Cyber-Stalking Mit dem Ausdruck „Nachstellung“ benennt der neue Tatbestand des § 238 StGB ein Phänomen, das allgemein als „Stalking“ bezeichnet wird. Teilweise (Abs. 1 Nr. 2) bezieht sich die Norm ausdrücklich auf Telekommunikationsvorgänge, mit gutem Grund: Das Internet bietet aufgrund seiner (vermeintlich) anonymen Kommunikationsstrukturen zahlreiche Möglichkeiten, andere Nutzer massiv zu belästigen. Gerade die (vergleichsweise) weniger einschneidenden Stalking-Vorfälle unterhalb der Schwelle zu Hausfriedensbruch, Beleidigung, Sachbeschädigung, Bedrohung oder gar Körperverletzung und Vergewaltigung waren bislang sehr schwer zu fassen. Dies trifft auch auf die Belästigung anderer Menschen über das Internet zu. Überprüfen Sie daher anhand einiger Beispiele, ob die Neuregelung den denkbaren Varianten des Cyberstalking gerecht wird. Eine erste Vorbesprechung findet am 13.07.2007, 15 Uhr s.t. im Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Günterstalstr. 73, 79100 Freiburg (Vortragssaal) statt. Der Termin für die Themenzuweisung gem. § 9 StPrO wird bei dieser Besprechung gemeinsam festgelegt. Kontakt: 0761-7081–213 oder 0761-7081-299 (MPI, Referat „Informationsrecht und Rechtsinformatik“) oder per E-Mail: [email protected]